Zusammenfassung Chromosomenbiologie Und Cytogenetik SS16

September 29, 2017 | Author: elix | Category: Mitosis, Meiosis, Histone, Chromosome, Cell Cycle
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SS16

Alwine Hildebrandt

Chromosomenbiologie und Cytogenetik – Prof Loidl

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- Zusammenfassung nach Vorlage der Folien und der Zusammenfassung vom SS13 –

Lehrinhalte 1. Chromosomen als Träger der Erbinformation – Ein geschichtlicher Überblick. Die Organisation des eukaryotischen Genoms. 2. Der mitotische Zellzyklus 3. Die Meiose – Rekombination und Segregation als Grundlage der Mendel-Regeln 4. Karyosystematik und Chromosomenevolution 5. Humancytogenetik 6. Organisation der Chromosomen in der Interphase; chromosomale Geschlechtsbestimmung 7. Spezielle Karyologie

Zellgenetik / Chromosomenforschung / Cytogenetik: Unterteilung - Chromosomenbiologie: Wie verhalten sich Chromosome? Bau, Mechanik, Genexpression und Regulation im Kontext des Chromosoms - Cytogenetik (im engeren Sinn): Chromosomen in Fortpflanzung und Vererbung - Chromosomenevolution: Veränderung der Chromosomen in der Stammesentwicklung und ihre Rolle bei der Entstehung der Arten bzw. Aufspaltung v. Arten - Karyosystematik, Cytodiagnostik: Chromosomen als Merkmale der Verwandtschaftsforschung und als Krankheitsmarker – Erkennung von bestimmten Krankheiten durch aberrante Chromosomen möglich

1. Chromosomen & DNA als Träger der Erbinformation – ein geschichtlicher Überblick 17. Jhd: Robert Hook findet Zellen im Kork, Zelle = ‘Einheit des Lebens’ 1828: Beschreibung des Zellkerns und der Chromosome durch Robert Brown – Entdeckung, dass es diesen nur in bestimmten Stadien gibt. 1865: Veröffentlichung der Ergebnisse von Mendels Züchtungsexperimenten („Die Teilchennatur der Gene“). Entdeckung, dass sich quantitative (‘entweder-oder’) Erbmerkmale nicht beliebig vermischen. 1876: Beobachtung des Befruchtungsvorgangs (in Seeigel-Eiern) durch Oskar Hertwig. Diese sind durchsichtig, man kann beobachten wie die Spermien an die Eizelle herangehen etc. -> Beobachtung, wie Erbmaterial v. Vater u. Mutter gemeinsam in eine Zygote hinein kann. So hätte die Zygote aber die doppelte Menge an Erbmaterial.

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1890: Oskar Hertwig und Theodor Boveri postulierten eine Reduktionsteilung vor der Bildung der Gameten 1892: Beschreibung der Meiose (beim Spulwurm) durch Boveri = postulierte Reduktionsteilung. 1889 – 1895: Boveri zeigt durch die Befruchtung entkernter Seeigeleier, dass die Erbinformation im Zellkern liegt (bisher unklar, wo das Material genau in der Zelle liegt). Die Befruchtung fand durch Spermien einer anderen Seeigelart statt, es kamen aber keine Hybride heraus, wenn der Kern kaputt war, sondern nur mehr Nachkommen der Art, von der das Spermium kam: Daher Erbinformation im Zellkern. 1896: Edmond Wilson postuliert, dass sich Chromosomen verhalten, wie man es von Mendels Erbmerkmalen erwarten sollte. 1903: Bestätigung der These, dass Erbmerkmale auf den Chromosomen liegen, durch Walter Sutton: In den Zellkernen von Heuschrecken kommen zwei gleiche Chromosomensätze vor -> Chromosomentheorie der Vererbung, diploide Zellen, jeweils 1 Chromosom von der Mutter und 1 vom Vater. 1911: Lokalisierung von Genen auf einem Chromosom von Drosophila durch Sturtevant und Morgan (mittlerweile sind mehrere Gene lokalisiert, die verschiedene Merkmale bestimmen: Fühlerlänge, Körperfarbe, Augenfarbe, Flügel…) 1928: Kann die Substanz, die das Erbmaterial beinhaltet, zwischen Zellen hin- und hergegeben werden? Entdeckung der bakteriellen Transformation durch Frederick Griffith: Gene sind eine Substanz, die von Zellen an andere Zellen weitergegeben werden kann. Einbringung von Fremd-DNA in andere Zellen möglich. Griffith nahm 2 Stämme von Streptococcus: solche, die infektiös waren (S-Stämme, bei Infektion stirbt Maus), und solche, gegen die Mäuse resistent waren (R-Stämme). Im R-Stamm fehlt die äußere Schutzschicht aus Polysacchariden, die Bakterien sind daher nicht gegen die Abwehrrekation des Wirtes geschützt, und die Maus überlebt. - bei Injektion von S-Stamm: Maus stirbt - bei Injektion von R-Stamm: Maus lebt - bei Injektion von hitzeabgetötetem S-Stamm: Maus lebt - aber: bei Injektion von lebenden R-Bakterien und hitzeabgetöteten S-Bakterien stirbt die Maus. Daher muss sich also irgendetwas von den toten S-Bakterien auf die lebenden R-Bakterien übertragen haben. Es wird allerdings nicht einfach nur die Bakterienhülle übertragen, denn bei Isolierung von Bakterien aus den toten Mäusen und Injektion in weitere Mäuse sind auch diese gestorben. Es wird also die Information, die notwendig ist, um infektiöse Zellen auszubilden, an andere Zellen weitergegeben. 1944: Oswald Avery entdeckt, dass die DNA Träger der Gene ist. Klar war, dass Zellen aus DNA und Proteine bestehen. Ursprünglich stellte man sich DNA als einfaches, uniformes Molekül vor; man wusste allerdings, dass Proteine Polymere waren, die aus Aminosäuren in beliebiger Abfolge bestehen. Daher schienen Proteine als Informationsträger von Genen geeigneter. Aber: Avery entdeckte, dass die pathogene Eigenschaft von Streptococcus durch einen protein-freien Zellextrakt (Protein durch Proteasen zerstört) auf den nicht-pathogenen Stamm übertragen wird. Daher muss DNA Träger der Gene sein. 1953: Watson und Crick beschreiben die Doppelhelix-Struktur der DNA aufbauend auf Röntgenstrukturanalysen von Maurice Wilkins und Rosalind Franklin. Entdeckung, dass DNA aus 2 komplementären Strängen besteht. -> Erbinformation ist in der DNA, DNA ist in den Chromosomen.

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2. Die Organisation des eukaryotischen Genoms

Chromosomen und Interphasechromatin Form der Chromosomen: Typisch für Eukaryoten sind Stäbchenchromosome. Prokaryoten haben häufig zirkuläre Chromosomen und meist auch nur einzelne statt Paare. Vermutlich entwickelten sich lineare Chromosome bei sich sexuell fortpflanzenden Organismen, weil die Meiose nur bei linearen Chromosomen möglich ist (die homologen Chromatiden müssen sich zur Zellteilung aneinander lagern können). Anzahl der Chromosomen: Je mehr Chromosomen in einer Art vorhanden sind, desto größer ist der Grad der Durchmischung bei der Meiose – dies ist evolutionär günstig, da so viele unterschiedliche Genotypen hervorgebracht werden können. Unterschiedliche Arten haben eine unterschiedliche Chromosomenanzahl. Zahl der Chromosomen schwankt zwischen 2 (diploides Minimum, bei manchen Ameisen oder Spulwürmern zu finden) und 2n=1440 (2n = doppelte Chromosomenanzahl, da der Organismus diploid ist). Typische Zahlen bei Säugern sind ~30 – 40. Mensch: 2n = 46. Größe der Chromosomen: Ein Chromosom darf eine bestimmte Größe nicht überschreiten, um während der Kernteilung nicht durchgeschnitten zu werden und Teile zu verlieren. Daher ist es bei DNAreichen Arten nötig, dass sich die Chromosomen während der Mitose sehr stark verkürzen. Vor allem in den Chromosomen von Pflanzen und Amphibien ist die DNA extrem dicht gepackt. DNA-Menge: Das C-Value Paradoxon: Die DNA-Menge korreliert nicht mit der Zahl der Gene und sie ist kein zuverlässiger Indikator für die Komplexität eines Organismus. Beim Menschen und höheren Eukaryonten überwiegt der Anteil an nicht-kodierender DNA. (Mensch hat ca. 3*109 kb, also Nukleotidbasenpaare DNA und ca. 30.000 Gene). Nicht die Zahl der Chromosomen, aber die Zahl der Gene korreliert grob mit der Komplexität des Organismus. Nicht kodierende DNA: Bei Organismen mit weniger DNA liegen die Gene dichter zusammen; bei mehr DNA sind die Gene durch nicht-kodierende DNA getrennt. Viele der nicht-kodierenden DNA liegt als „Satelliten-DNA“ vor. Dabei handelt es sich um eine Untergruppe der repetitiven DNA (hochrepetitiv), in der eine Sequenz viele Male hintereinander vorkommt, entweder tandemrepetitiv (direkt hintereinander) oder im Genom verteilt. Aber auch in der unikalen DNA gibt es nicht-kodierende Teile, die im Laufe der Evolution z.B. nach einer Sequenzduplikation ihre Funktion verloren haben (Pseudogene). Satelliten-DNA bildet bei der Zentrifugierung eine eigene Fraktion: DNA hat unterschiedliche Dichten – schwerer bzw. dichter sind GC-reiche Abschnitte, leichter bzw. weniger dicht sind AT-Basen. In der Satelliten-DNA des Menschen sind mehr AT-Basen. Repetitive DNA: Sie repetitive DNA wird unterteilt in hoch repetitive und mittel repetitive DNA. Ein Hinweis auf repetitive DNA Sequenzen im Genom ist die Reassoziationsgeschwindigkeit denaturierter DNA (gemessen als abnehmende optische Dichte der DNA Suspension – einzelsträngige DNA absorbiert Licht schneller als doppelsträngige; mit der Zeit nimmt die Absorption ab). Wenn man DNA aus verschiedenen Organismen isoliert und diese denaturiert, werden bei Zimmertemperatur die 3

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Halbstränge im Reagenzglas wieder zusammenfinden. Wenn das Genom des Organismus nicht sehr komplex ist, wird bei gleicher DNA-Menge öfter dieselbe Sequenz vorkommen. Daher sind mehr komplementäre Stränge in der DNA und die Reassoziation läuft schneller ab als bei Arten mit einem komplexeren Genom und vielen unterschiedlichen Sequenzen. Bei höheren Organismen ist die Absorption nicht linear, die entstehende Kurve der Reassoziation ist buckelig. Die repetitive DNA reassoziiert sehr schnell, da es viele identische DNA-Stücke zur Paarung gibt, im Gegensatz zu unikaler DNA, deren Sequenzen nur einmal im Genom vorkommt und daher sehr langsam reassoziiert. Mittel repetitive DNA: Dazu gehören Tandem repeats, Interspersed Retrotransposons und tRNA Gene. SINES (Short interspersed nuclear elements) = Retrotransposons, die im Laufe der Evolution stillgelegt wurden. Sie sind im Gegensatz zu den LINES kürzer und nicht autonom, benötigen also eine externe reverse Transkriptase (oft von LINES codiert), die ihnen den Einbau in eine andere Position ermöglicht.

Chromatin: Form der DNA in sich nicht teilenden Zellkernen. Während der Zellteilung liegt die DNA in Chromosomen vor. Beide Formen enthalten zu etwa einem Drittel DNA und bestehen zusätzlich zu zwei Dritteln aus Histon-Proteinen, Nicht-Histon-Proteinen (z.B. Topoisomerasen, Condensine) und einem kleinen Teil RNA. Die Nicht-Histon-Proteine bilden ein Skelett (Scaffold), das das Chromatin umgibt. Die Histone bilden Nukleosomen (Oktamere), 8er Komplexe aus je zwei Histon-Proteinen H2A, H2B, H3 und H4. Um das Oktamer ist die DNA zweifach herumgewickelt. Das Linker-Histon H1 hält die 4

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Komplexe zusammen. Daraus wiederum entsteht eine 30nm Fiber (umstritten), die in Schleifen geordnet wird und daraus die Chromosomen formt. Histone können kovalent modifiziert (Acetylierung, Methylierung, Phosphorylierung und Ubiquitinierung) werden und so den Zustand der DNA beeinflussen. So kann eine Acetylierung des Histon-H3 Proteins die positive Ladung der Histone neutralisieren und deren starke Bindung zur negativ geladenen DNA auflockern, was dann die Transkription der DNA ermöglicht. Um herauszufinden, welche Abschnitte der DNA mit der Kernmatrix interagieren (MAR = matrixassociated regions), kann die DNA nach der Extraktion der Histone mit Restriktionsendonukleasen geschnitten werden. Da Matrix-assoziierte DNA-Sequenzen vor dem Restriktionsverdau geschützt sind, können sie extrahiert und sequenziert werden. Alternativ kann zuerst die DNA mit DNase denaturiert werden, sodass ein Pool aus DNA-Fragmenten entsteht. Dann werden die Histon-Proteine zugegeben, sodass DNA-Sequenzen mit einer Affinität zur Matrix assoziieren können. Diese werden herausgefiltert und anschließend analysiert. Condensine: gehören zu einer Familie von ringförmigen Protein-Komplexen und bewirken die Chromosomen-Kondensation, aber haben auch Funktionen in Chromatiden-Kohäsion und DNA-Reparatur. Condensin-Ringe bestehen aus den SmcProteinen 2 und 4 und einer Hinge-Region. Sie umschließen den Chromatinfaden, indem sie ihn zu Schleifen biegen. Im Gegensatz dazu verbinden die Cohäsin-Ringe die Chromatidenfäden von Schwesterchromatiden. Beide haben jedoch die gleichen Bindungsstellen, es kann also entweder ein Condensin oder ein Cohäsin an eine Stelle der DNA binden. Zwei Modelle für die Struktur der Metaphasechromosomen: - Innenskelettmodell: die Verkürzung erfolgt in der Prophase durch einen bisher unbekannten Mechanismus unter Beteiligung von Condensin 2, nach der Verkürzung stabilisiert Condensin 1 das Chromosom. - Schraubenmodell: die Chromosomen mancher Arten zeigen nach bestimmten Fixierungsmethoden eine Schraubenstruktur („Ohnuki Coils“). Es handelt sich um ein älteres Gegenmodell, es ist unklar, ob dessen Aussage stimmt. Experiment Taylor-Woods-Hughes (1957): Chromatide besteht aus einem einzelnen DNA-Molekül.

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Telomere Telomere dienen der Erhaltung der Chromosomenlänge: Die Telomere befinden sich am Ende der Chromosomen und schützen die Gene davor, abgebaut zu werden. Bei jeder DNA-Replikation geht ein Stück DNA an den Telomeren verloren, da an jener Stelle, wo der RNA-Primer bindet, keine Replikation stattfinden kann. Daher wird bei jedem Zellzyklus das Chromosom am 5’Ende um ca. 100bp kürzer. Sobald von der Verkürzung codierende DNA-Abschnitte betroffen sind, ist das für die Zelle ein Signal, die Apoptose einzuleiten (DNA Damage Checkpoint). TERT: Telomeric Reverse Transcriptase = Telomerase, besteht aus einem Komplex aus RNA und Proteinen. Sie bringt einen repetitiven RNA-Abschnitt (Telomer-Repeats) mit, der als Vorlage für die reverse Transkriptase dient, wenn diese die Telomere verlängert. Eine DNA-Polymerase ergänzt dann den komplementären Strang. Regulierung der Telomerlänge: Wenn ein Telomer lang ist, bindet es viele Kopien von Rif1 und Rif2. Rif2 interagiert mit dem MRX Komplex und verhindert damit, dass Tel1 an MRX binden kann. Wenn die Telomersequenz kürzer wird, wird die Interaktion von Rif2 mit MRX schwächer, MRX kann dann Tel1 aktivieren, und dieses rekrutiert den Telomerase Komplex. Dieser ist so lange aktiv, bis wieder genügend Rap1 und Rif Proteine an das nunmehr wieder lange Telomer binden können. Bei eukaryotischen Einzellern (Hefen, Protisten) ist die Telomerase bei Bedarf aktiv, bei mehrzelligen Tieren normalerweise nur in der Keimbahn. Bei geklonten Tieren können die Telomere in der Keimbahn nicht verlängert werden, daher sind bei vielen dieser Tiere typische Alterskrankheiten festzustellen. Es gibt jedoch auch Fälle, wo keine Telomerverkürzung festgestellt wurde: Bei geklonten Mäusen wurde bis in die 5. geklonte Generation keine Abnahme (sondern vielmehr eine leichte Zunahme) der Telomerlänge festgestellt. Dies ist evtl. durch ALT (Alternative Lengthening of Telomeres) zu erklären. ALT = Alternative Lengthening of Telomeres: Mechanismus als Backup System, wenn die Telomerase fehlt oder inaktiv ist. Die meisten Krebszellen reaktivieren die Telomerase zur Erhaltung ihrer Telomere, aber einige Tumore nutzen Reparatur-abhängiges ALT. Der Mechanismus funktioniert zumeist über Rekombinationsvorgänge, durch die Sequenzen aus anderen Stellen am Genom an die Chromosomenenden gehängt werden, um sie wieder zu verlängern. Diese HR(homologous recombination)- abhängige Replikation der Enden benötigt zumindest einige nicht komplett erodierte Telomere. Gelegentlich bilden sich auch Ring-Chromosomen (die ja keine offenen Enden haben), z.B. bei der Hefe beobachtet Telomer-Elongationsmechanismus mit Telomere-associated-Retrotransposons bei Drosophila: RNA wird transkribiert mit willkürlicher Sequenz, diese setzt sich an jedes freie DNA-Ende (kann auch ein Bruch sein), dann findet dort reverse Transkription statt mit der RNA als Template. Schließlich wird das RNA-Stück degradiert, durch DNA ersetzt und man erhält einen vollständigen DNA-Strang. Unsere Telomerase war ursprünglich wahrscheinlich auch ein Transposon, beide Mechanismen sind aber unabhängig voneinander entstanden. Das ungewollte Auslösen des DNA Damage Checkpoints, der bei offenen DNA-Enden und DNABrüchen aktiviert wird, kann verhindert werden, indem sich eine t-loop bildet. Der Einzelstrang formt eine Schleife und wechselwirkt mit den Basen des Doppelstrangs. Dadurch werden die offenen Telomere maskiert. 6

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Das Centromer - eingeschnürter Abschnitt der kondensierten DNA - kann an verschiedenen Stellen des Chromosoms liegen, jedoch nie ganz am Ende - Stelle, an der die Schwesterchromatiden bis zur Anaphase zusammengehalten werden - haben statt der normalen H3 Histone eine modifizierte Version: CENP-A (Centromer Protein A) - die Kinetochor-Proteine binden an CENP-A und stellen über Mikrotubuli den Kontakt mit dem Spindelapparat während der Mitose/Meiose her - epigenetisch definiert durch Protein-Ausstattung und Ultrastruktur, ein konserviertes centromerisches Sequenzmotiv lässt sich nicht erkennen; die Stelle des Centromers wird also epigenetisch an die Tochterzellen weitergegeben Im Elektronenmikroskop zeigen Chromosomen zahlreiche Chromatinfasern im Centromer (widerspricht dem Dogma: 1 Chromatide = 1 DNA Molekül). Eine mögliche Erklärung wäre die nicht-lineare Anordnung der DNA im Centromer: Nur ein kleiner Teil der Centromer-DNA ist mit CENP-A beladen, daher ist die DNA an dieser Stelle mehrfach gefaltet. Je größer die Anzahl der Chromosomen in einem Organismus, desto mehr Mikrotubuli binden an ein Centromer, um es in der Zellteilung bewegen zu können. Die Bäckerhefe hat nur ein Mikrotubuli pro Centromer (Punktcentromer). Die Centromerelemente CDE I und CDE III (Hefe) sind in den Centromeren codiert und für dessen Funktion wichtig. Die DNA in den Centromeren besteht im Allgemeinen aus DNA Tandem Repeats in Assoziation mit modifizierten Histonen. Centromere sind Orte im Chromosom, deren DNA-Sequenz im Laufe der Evolution für die Centromerfunktion optimiert wurden. Jedoch können andere Sequenzen diese Rolle übernehmen.

Nucleolus-organisierende Region (NOR) NOR = die Stelle in einem kondensierten Chromosom, wo mehrere hundert Repeats von ribosomaler DNA lokalisiert sind, die für rRNA codieren. Mindestens ein Chromosomenpaar im Genom besitzt eine NOR, beim Menschen sind es insgesamt fünf pro hapoidem Chromosomensatz (bei Hefe nur einer). Sie ist durch eine Einschnürung im Chromosom erkennbar, während der Interphase bildet sich dort der Nucleolus aus. Die rDNA ist in Tandem-Repeats organisiert, von die simultan (mehrere hundert Loci) durch RNA Polymerase I sehr effizient transkribiert wird. Hier werden viele Kopien bereits bei der Transkription erstellt. Im Gegensatz dazu ist bei unikalen Genen ist die multiple Translation einer mRNA an mehreren Ribosomen gleichzeitig hauptverantwortlich für die Vermehrung des Genprodukts. Die ribosomalen 18S, 5.8S und 28S RNA Untereinheiten entstehen durch das Processing eines einzigen Transkripts. Dadurch ist gewährleistet, dass diese Untereinheiten in stöchiometrischen Verhältnissen vorliegen.

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Nucleolus = Bereich, in dem die ribosomale RNA transkribiert und prozessiert wird. Außerdem werden dort die Ribosom-Untereinheiten zusammengebaut. Der Nucleolus dient auch als Reservoir für ribosomale Proteine und Regulatoren des Zellzyklus. Da Nucleoli nicht von Membranen umgeben sind und zur Fusion neigen, sind oft weniger Nucleoli als NORs in der Zelle vorhanden. In der Interphase bildet sich an der NOR der Nucleolus aus. Vor der Zellteilung wird dieser wieder aufgelöst und die ribosomale DNA konzentriert sich an der NOR. Das wichtigste Protein der Nucleoli, das Nucleolin, wird bei der Auflösung der Nucleoli recycled, indem es sich an die sich teilenden mitotischen Chromosomen anlagert. So gelangt es als ‚chromosomal hitchhiker‘ in die Tochterkerne, wo es am Aufbau der neuen Nucleoli beteiligt ist.

3. Mitose

1. Kondensationszyklus und Stadien Bei Einzellern führt die mitotische Zellteilung automatisch zur klonalen (vegetativen) Vermehrung. Bei Vielzellern führt sie dagegen zum Wachstum (von der Zygote zum vielzelligen Organismus), zur Zellerneuerung in manchen Organen und zur Wundheilung. Beim Menschen entwickelt sich ein Erwachsener nach etwa 44 Teilungsschritten aus der Zygote. Die Funktion der Mitose ist die Weitergabe von Erbmaterial auf zwei Tochterzellen. Diese Vermehrung und Teilung beginnt eigentlich schon in der S-Phase (Replikationsphase), wenn sich das Chromosom semikonservativ repliziert (jedes neue DNA-Molekül besteht aus einem alten und einem neuen Strang). Dann wird die DNA verdoppelt und kann sich verteilen. Anschließend folgt die Karyokinese (Kernteilung), und zuletzt die Cytokinese (die ganze Zelle teilt sich und es entstehen zwei neue Zellen). - Interphase: das Chromatin ist noch sehr dünn, man sieht relativ wenig (unterhalb Auflösungsschwelle des Lichtmikroskops). - Prophase: Das Chromatin kondensiert, die Chromosomen werden dicker, kürzer und als lineare Strukturen erkennbar. Der Zellkern ist noch von einer Membran umgeben, der sich aber während der Prometaphase auflöst. Hier setzen auch die Mikrotubuli, ausgehend von den Polen der Zellen, an den Centromeren an. - Metaphase: Die Chromosomen werden von den Mikrotubuli zum Äquator der Zelle geschoben und bilden die Metaphaseplatte. - Anaphase: Die Schwesterchromatiden eines jeden Chromosoms weichen aufgrund des Zugs der Mikrotubuli auseinander. - Telophase: Die Chromatiden sind an den Polen angelangt, sie lockern sich wieder auf und es bildet sich um sie eine neue Kernmembran. 8

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Die Cytokinese (Teilung der Zelle) kann auf unterschiedliche Weisen erfolgen: Bei Tieren kommt es normalerweise zu einer Furchung zwischen den zwei Tochterhalbzellen, durch diese Einschnürung kommt es zur Teilung. Bei Pflanzen, die starre Zellwände haben, geht dies nicht. Es wird ein Fragmoplast gebildet: eine neue Zellplatte zwischen den zwei Zellen. Das Fragmoplast wird durch die mitotische Spindel dorthin transportiert.

2. Der Spindelapparat Prokaryoten, Bakterien und Archaea haben keinen Spindelapparat und auch keine Mikrotubuli, hier geschieht die Bewegung der Tochterchromosomen durch Actin. Die zirkulären Genome binden an der Zellwand, wenn die Zelle sich streckt, weichen sie auseinander und irgendwann werden die zwei Zellhälften voneinander abgeschnürt. Bei den Eukaryonten haben sich verschiedene Möglichkeiten entwickelt, wie die Chromosomen auseinanderweichen können: - Trennung durch intranukleäre Mikrotubuli: Bei sehr einfachen Organismen gibt es eine intranukleäre Spindel. Innerhalb des Zellkerns wird eine Spindel aus Mikrotubuli ausgebildet, ohne dass die Kernhülle sich auflöst. Diese Spindel schiebt die beiden Kernhälften auseinander und trennt die Chromatiden. - Trennung durch perforierte Kernmembran: Bei Dinoflagellaten ist die Kernmembran zwar intakt, aber perforiert, sodass die Mikrotubuli sie durchdringen können, um mit den Chromatiden in Kontakt zu treten. - Auflösung der Kernmembran: Bei den höheren Eukaryonten löst sich die Kernmembran während der Teilung auf und eine mitotische Spindel bildet sich in der Zelle.

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Es gibt verschiedene Klassen von Mikrotubuli: Astrale MT stehen aus dem Zentrum hinaus, gehen aber sozusagen in die falsche Richtung. Dann gibt es solche die zu weit hinausgehen, manchmal fast bis zum anderen Pol, und dann „blind“ enden. Diese beiden Klassen haben die Funktion, die beiden Pole des Spindelapparats auseinanderzuhalten. Die Kinetochorfasern gehen vom Pol zur Metaphaseplatte, setzen an den Kinetochoren der Chromosomen an, verkürzen sich in weiterer Folge, um dadurch die Chromatiden auseinanderziehen. Um zu verhindern, dass sich gleichzeitig die Pole aufeinander zu bewegen, sind die beiden anderen Klassen von Mikrotubuli da. Auch die Streckung der Zelle leistet einen Beitrag zur Trennung der Schwesterchromatiden. Prometaphase: durch Schub werden die Chromosomen zum Äquator bewegt, der Schub findet dabei nicht nur an den Cinetochoren, sondern am gesamten Chromosom statt. Er wird erzeugt durch an den + Enden polymerisierende Mikrotubuli und Kinesin-Motorproteine (bewegen sich in PlusRichtung). Anaphase: durch Zug werden die Chromatiden getrennt, dieser entsteht durch - Auseinanderweichen der Pole, - Verkürzung der Kinetochor-Mikrotubuli durch deren Depolymerisierung - Gleiten von Kinetochorfasern entlang anderer Mikrotubuli durch Dynein-Motorproteine (bewegen sich in Minus-Richtung). Die Mikrotubuli haben eine röhrenförmige Struktur. Zum einen sind die MT am Kinetochor verankert, lösen sich an dieser Stelle durch Depolymerisierung aber gleichzeitig auf: Paradoxon? Lösung: Der ringförmige DAM-Komplex legt sich wie ein Kragen um die Mikrotubuli herum und stellt die Verbindung mit dem Kinetochor her. Die Mikrotubuli werden nicht einfach nur depolymerisiert, sondern produzieren eine Kraft, die den Komplex nach hinten schiebt.

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3. Kohäsion und Segregation Der Zusammenhalt der Schwesterchromatiden und die zeitlich genau geregelte Auflösung dieser Kohäsion sind nötig für die koordinierte Trennung (Segregation) aller Chromatiden einer Zelle. Zur Kohäsion tragen wahrscheinlich mehrere unabhängige Faktoren bei: DNA Catenation (IneinanderVerwindung von replizierten DNA-Molekülen) und Cohäsine (Kohäsions-Protein-Komplexe). Die ersten Hinweise auf ‚Chromatid Linking Proteins‘ wurden durch Immunfärbung mit CREST Autoantiserum gefunden. Man wusste, dass es eine Substanz zwischen den Chromatiden gibt, nicht aber was es ist. Erst später durch Experimente mit Hefe entdeckte man die Cohesine: Proteinkomplexe aus mehreren Untereinheiten, einen ‚Hinge‘, einer SMC-1 und einer SMC-3 Einheit. Sie sind eng verwandt mit den Condensinen, die jedoch eine andere Funktion ausführen. In der Interphase sehen die Chromosomen eher aus wie Stäbchen. In der Mitose wird die Kohäsion entlang der Arme schon in der Prophase aufgelöst, indem die Phosphatase Aurora B die Cohäsine dephosphoryliert, wodurch sich die Ringstruktur öffnet. Zwischen den Centromeren bleibt die Kohäsion aber bis zum Beginn der Anaphase erhalten, geschützt durch das Protein Shugoshin (Sgo1). Daher sehen die Chromosomen während Prophase und Metaphase eher aus wie X-Formen. In der Anaphase bewirkt die Phosphorylierung der KleisinUntereinheit Scc1 den Schneideprozess durch das Enzym Separase.

Diese Entdeckungen wurden alle bei der Hefe gemacht. Mit der Chip-Technik (Chromatin-ImmunoPrecipitation) kann man feststellen, wo Proteine auf einem DNA-Molekül sitzen. ChIP-Seq Technik: Die Methode hat das Ziel herauszufinden, ob bestimmte Proteine an spezifische Genregionen gebunden sind. Die Chromosomen werden mittels Ultraschall in kleine Fragmente zerschnitten, dann werden Antikörper zugegeben, die an Cohesine binden (Immunopräzipitation). Zuletzt können die markierten DNA-Stücke sequenziert oder alternativ auf einem Microarray hybridisiert werden Ergebnisse: In der Umgebung der Centromere ist Cohesin angereichert; und auch sonst schwankt die Menge des Cohesins zwischen unterschiedlichen Chromosomenbereichen. An den Centromeren muss die Kohäsion besonders robust sein, denn dort darf sie sich erst auflösen, sobald die Spindel angesetzt haben, damit die beiden Schwesterchromatiden sich ordnungsgemäß trennen können. Weniger Cohesin ist entlang der Arme zu finden. Die Kohäsion sorgt dafür, dass die beiden Schwesterchromatiden auch nach der Entstehung zweier separater DNA-Moleküle parallel angeordnet bleiben und nicht auseinanderdriften. Dies ist ein Vorteil bei der DNA-Reparatur, da 11

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Doppelstrangbrüche einfacher zu reparieren sind (falls ein Strang bricht, hat man gleich einen Musterstrang, nach dem man den kaputten Strang durch homologe Rekombination rekonstruieren kann). Im Bereich des Bruches binden sich weitere Cohesin-Moleküle. Dann sind die DNA-Moleküle eng beisammen und eine Reparatur durch einen Strangaustausch ist gut möglich. Cohesin hat außerdem eine von der Kohäsion unabhängige Funktion, nämlich bei der Regulierung der Expression von Genen. Sie regulieren die Expression von Genen dadurch, dass sie die Gene von den zugehörigen Enhancern physisch trennen, wodurch sie dessen Wirkung verhindern. Das Gen wird daraufhin weniger exprimiert. Bei Säugern lokalisieren Cohesine meist mit dem benachbarten Isolatorprotein CTCF, sie sind nötig für dessen Blockierung von Enhancersequenzen (Isolatoren verhindern die Interaktion von Enhancern mit Promotoren).

4. Regulation des Zellzyklus Die Entscheidung für den Eintritt in einen mitotischen Zyklus am Restriktionspunkt (kurz vor Beginn der Synthesephase, in der die DNA verdoppelt wird) ist abhängig von Zellgröße, Nahrungsangebot, Wachstumsfaktoren und Zellumgebung/Zelldichte. Ist die Entscheidung, die Zelle zu teilen, erst einmal getroffen, wird der Zyklus komplett durchgeführt bis zum nächsten Restriktionspunkt. Zellen, die sich nicht mehr teilen, bleiben im G1-artigen G0-Statium. Als Taktgeber für den Zellzyklus dienen zyklische Veränderungen von Cyclinen (Regulatorproteine). In ihrer Aktivität von den Cyclinen abhängige Proteinkinasen (CDKs = cyclin-dependent kinases) und Phosphatatasen aktivieren oder deaktivieren Proteine, die Funktionen in bestimmten Stadien des Zellzyklus haben. CDKs erlangen ihre Kinase-Aktivität erst durch Bildung eines Komplexes mit einem Cyclin. Eine hohe Cyclin-Konzentration begünstigt die Bildung von Cyclin-CDK-Komplexen. Einer der zahlreichen CyclinCDK-Komplexe ist MPF, der Mitosis (oder Maturation) Promoting Factor, der als „Hauptschalter“ für den Eintritt in die Mitose wirkt und nur während dieser in aktiver Form vorliegt. Je nach Mitose-Phase (früh/mittel/spät) sind unterschiedliche Cycline aktiv. Degradiert werden Cycline durch Markierung mit Ubiquitin, was zum Abbau durch eine Protease führt.

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Während verschiedener Checkpoints an drei Stellen im Zellzyklus werden die inneren und äußeren Bedingungen für den Fortgang des Zellzyklus überprüft: - G1/S Checkpoint (Restriktionspunkt): Entscheidung, ob die Zelle in einen weiteren Zyklus eintritt. - DNA Damage Checkpoint (am Ende der S-Phase): Kontrolliert, ob die ganze DNA repliziert worden ist und ob Schäden (z.B. Doppelstrangbrüche) vorliegen, in diesem Fall werden diese entweder repariert oder die Zelle leitet Apoptose ein, um unkontrolliertes Zellwachstum zu vermeiden. - Spindle Assembly Checkpoint (SAC, am Ende der Metaphase): Kontrolliert durch gleichmäßigen Zug (Tension) auf alle Mikrotubuli, ob der Spindelapparat korrekt an die Schwesterchromatiden gebunden hat und die Zelle bereit ist zur Segregation. In der Prophase sind die Kinetochorproteine stark phosphoryliert (durch Ipl1 Kinase, wirkt auf monoorientierte MT). Die Phosphorylierung nimmt bei korrekter Spannung auf die bipolaren MT in der Metaphase ab. Sobald der SAC erfolgreich absolviert wurde und die Kinetochoren dephosphoryliert sind, wird der Eintritt in die Anaphase und die Trennung der Schwesterchromatiden ermöglicht. Zellzyklus-regulierte, Separase-abhängige Auflösung der Kohäsion: Monoorientierte Mikrotubuli, kein Zug auf die Kinetochoren, daher phosphoryliert: Die Phosphorylierung an den Kinetochoren aktiviert das Checkpoint-Protein Mad2, das mitotische Cyclin ist inaktiv, ebenso wie die Separase (durch Inhibierung mit Securin). Chromosomen in Metaphaseplatte angeordnet, Zug auf Kinetochoren, daher dephosphoryliert: das mitotische Cyclin Cdc20 aktiviert den Anaphase Promoting Complex (APC/C), eine Ubiquitin-Ligase. APC vermittelt die Ubiquitin-abhängige Degradierung des Securins, dadurch wird die Separase aktiv. durch Schneiden der Scc1 Untereinheit mit der Separase Esp1 wird der Cohesin-Ring geöffnet, die Chromatiden können sich trennen: Beginn der Anaphase.

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4. Meiose Die Meiose ist eine Abfolge von zwei Teilungen ohne dazwischenliegende DNA-Verdopplung, woraus zuletzt vier unterschiedliche, haploide Produkte entstehen. 1. Funktionen und Stadien - Reduktion des diploiden Chromosomensatzes der somatischen Zellen zum haploiden Chromosomensatz der Geschlechtszellen - Rekombination der elterlichen Genome - Regeneration (Verjüngung) der Zellen und Genome (umstritten)

- Mitose: zwei homologe Chromosomen (stellvertretend für die beiden Sätze eines diploiden Organismus), trennen sich in ihre Schwesterchromatiden auf, die Tochterzellen sind weitestgehend identisch ident. - Meiose: Zunächst weichen die beiden homologen Chromosome als Ganzes auseinander, nachdem sie durch Crossover untereinander Stücke ausgetauscht haben. In der zweiten Phase der Meiose trennen sich auch die Schwesterchromatiden, wie in der Mitose. So entstehen am Ende vier haploide Produkte mit jeweils einer Schwesterchromatide der Chromosomen, die sich alle genetisch voneinander unterscheiden, da sie unterschiedliche Chromosomen bzw. Chromosomenzusammensetzungen besitzen. Die Gameten besitzen also nicht nur eine Schwesterchromatide wie auf dem Bild dargestellt, sondern je eine von jedem Chromosom nach der Rekombination. Das Verhalten der Chromosomen in der Meiose ist die Grundlage der Mendelschen Regeln: Bei Kreuzung zweier reinerbiger (homozygoter) Linien ist die F1 (Tochtergeneration) einheitlich: Uniformitätsregel. Bei wiederholter Kreuzung der heterozygoten F1 bekommt man in der F2 eine bestimmte Aufspaltung: Spaltungsregel. 14

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Außerdem: Unabhängigkeitsregel, Merkmale werden unabhängig vererbt, sofern sie auf unterschiedlichen Chromosomen oder weit genug voneinander entfernt liegen. Kernphasenwechsel: Wechsel zwischen haploidem und diploidem Entwicklungsstadium. Bei manchen Pilzen, Algen und niederen Pflanzen ist das haploide Stadium prädominant (Haplonten: alle Zelltypen bis auf die Zygote sind haploid). Bei höheren Pflanzen gibt es einen Generationswechsel, wo diploide (Sporophyt) und haploide Stadien (Gametophyt) als separate Individuen existieren. Haplo-Diplont: haploide Phase überwiegt (z.B. Moose); Diplo-Haplont: diploide Phase überwiegt (z.B. Baum). Bei Tieren herrscht das diploide Stadium vor, nur die Eizelle und Samenzelle sind haploid. Die Diploidie ist von Vorteil, da bei einem beschädigten Allel immer noch eine zweite Version im Genom vorhanden ist. Regeneration im Zuge der Meiose? Da die Zygote nach der Befruchtung keinerlei Alterserscheinungen hat, muss es irgendwann zu einer Regeneration gekommen sein. Ein gutes Beispiel dafür ist das geklonte Schaf Dolly, das als Klon eines älteren Schafs aufgrund von Alterserscheinungen bereits jung starb. Dies zeigt, dass bei Dolly keine Regeneration stattgefunden haben kann, da keine Meiose durchlaufen wurde. - Erhöhte Reparatur-Aktivität im Zuge der Rekombination durch „Recombinational Repair“ während der meiotischen Prophase - Telomerase-Aktivität in der Keimbahn: Überwindung des „Hayflick-Limits“ (die begrenzte Anzahl von Zellteilungen bei Eukaryoten, denen sich eine Zelle unterziehen kann, bevor der Programmierte Zelltod eingeleitet wird, weil die Telomere eine kritische Länge erreicht haben). - Eliminierung der „Mutational Load“ durch Selektion auf intakte Genome in der haploiden Generation: die haploiden Produkte unterliegen einem Selektionsdruck, es wird auf die intakten Versionen selektiert, haploide Chromosomensätze mit fehlerhaften Genen führen zu nicht lebensfähigen Embryos und werden so nicht an die darauf folgende Generation weitergegeben. - Rücksetzung des Genomischen Imprinting und anderer epigenetischer Markierungen: Die elterlichen Prägungen werden in den frühen Keimzellen jedes Menschen gelöscht und nach der Meiose wieder geschlechtsspezifisch etabliert. Ein Gen ist nur aktiv, wenn es von einem bestimmten Elternteil kommt, das andere wird automatisch durch Cytosin-Methylierungen inaktiviert. Dies kann zu Problemen führen, wenn das aktivierte Gen fehlerhaft ist und das andere Allel die Mutation nicht mehr ausgleichen kann (Prader Willi Syndrom: nur paternales Chromosom aktiv  wird nur paternal vererbt). Imprinting steht im Widerspruch zum Reziprozitätsgesetz, nach dem es egal ist, ob ein Allel von Vater oder Mutter stammt.

Stadien der Meiose Bei der Meiose, ebenso wie in der Mitose, muss es zu einer Verkürzung der Chromosomen kommen. Denn diese müssen kompakt sein, um ordnungsgemäß auf Tochterkerne und Tochterzellen segregiert werden können. Die Verkürzung geschieht im Zuge der meiotischen Prophase (dauert an vom Ende der Interphase bis zu Beginn der Metaphase I). Die Kondensation ist maximal am Ende der Diakinese (letztes Stadium der meiotischen Prophase).

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Der meiotische Zellzyklus dauert ca. 10x so lang wie der mitotische. Diese längere Dauer kommt hauptsächlich dadurch zustande, weil neben der Verkürzung auch noch die Paarung der homologen Chromosomen stattfinden muss (im Leptotän, Zygotän, Pachytän). Hier hängen alle Chromosomen mit ihren Enden an der Kernmembran. Wie ein Reißverschluss gehen von den Enden aus hier die homologen Chromosomen zusammen, bis alle miteinander gepaart sind. (ungelöste Frage: wie erkennen homologe Chromosomen einander in der Meiose?) Nach der vollständigen Paarung im Pachytän löst sich diese wieder ein wenig auf, die Chromosomen sind nur noch an den Chiasmen (Überkreuzung der Chromatiden homologer Chromosomen) zusammengefügt, dort, wo auch das Crossingover stattfindet. Jedes der bivalenten Paare besitzt eins oder mehr Chiasmen. Nach der Diakinese (letztes Stadium der meiotischen Prophase) geht es weiter mit der Metaphase I: Die Kernmembran löst sich auf, damit sich der Spindelapparat bilden und mit den Chromosomen in Kontakt treten kann. Dies ist Voraussetzung dafür, dass die homologen Chromosomen, die sich auch hier wieder auf eine Äquatorialebene anordnen, voneinander getrennt werden – je ein elterliches Chromosom wandert auf eine Seite. Anaphase I: Trennung der Chromosomen. Dann findet eine kurze Zwischenphase statt, die Interkinese, wo die Chromosomen manchmal vorübergehend etwas dekondensieren. In manchen Organismen bilden sich sogar schon Kernmembran und Zellwand. Entscheidend ist aber, dass während dieser Phase in den Tochterzellen keine DNASynthese stattfindet, wie es bei der Mitose vor einer erneuten Teilung der Fall wäre. Es folgt eine mitotische Teilung. Das Produkt sind 4 haploide Zellen, beim Mann sind es 4 haploide Spermazellen (klein und beweglich). Bei der Frau wird eine der vier eine Eizelle, die anderen degenerieren, weil Eizellen massenreich und nährstoffreich sind.

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2. Meiotische Paarung Die homologen Chromosomen werden in der meiotischen Prophase über mehrere Stufen miteinander gepaart, diese Paarung ist dabei sehr effizient: 1. homologe Chromosomen sind lose miteinander assoziiert. Das Aneinanderlagern der Homologen wird dabei erleichtert durch die Bouquet-Anordnung: alle Chromosomenenden kommen in einem kleinen Bereich der Kernperipherie zusammen, wodurch sich die Chromosomenarme größtenteils parallel ausrichten. Konservierte Komplexe aus Transmembranproteinen verbinden die Telomere der Chromosomen mit cytoplasmatischen Motorproteinen, was ihnen Beweglichkeit zur Suche nach ihrem homologen Partner ermöglicht. Wie sich die homologen Chromosome erkennen, ist noch weitgehend unbekannt. 2. DNA-Sequenzen werden verglichen und gleiche Sequenzen interagieren 3. zwischen den gepaarten homologen Chromosomen wird eine Proteinverbindung, der Synaptonemale Komplex (SC), aufgebaut. Diese SCs sind konservierte, strickleiterartige Proteinstrukturen, die aus lateralen, transversalen und zentralen Elementen, die homologen Chromosomen in der meiotischen Prophase zusammenhalten. Der Rekombinationsknoten ist der Ort der molekularen Rekombination durch Crossing over.

3. Rekombination

Die Durchmischung ganzer Chromosomen ist die Basis der freien Kombinierbarkeit der Merkmale (= Mendels Unabhängigkeitsregel).

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Intrachromosomale Rekombination: Crossover und Conversion Crossover tauscht Chromatidenstücke aus und führt daher zur Neukombination von Merkmalen, die durch Gene auf demselben Chromosom codiert werden. Das Crossover findet statt in den Rekombinationsknoten der Synaptonemalen Komplexe. Für das meiotische Crossover werden programmierte Doppelstrangbrüche herbeigeführt, was für die Zelle sehr gefährlich sein kann, wenn sich die gebrochenen Stücke nicht wiederfinden. Sie werden induziert durch Dimere der Spo11 Endonuclease (Hefe, verwandt mit Typ II Topoisomerase A Untereinheit), die eine Transesterase Reaktion durchführen; gleichzeitig stabilisiert Spo11 durch kovalente Bindung die freien DNA-Enden. Für die weiteren Schritte der Rekombination muss Spo11 wieder entfernt werden. Die Verteilung des Spo11 Proteins entlang der Chromosomen korreliert mit dem Auftreten von meiotischen DSBs. Repariert werden die DSBs durch verschiedene alternative Mechanismen: 1. Ligation: Es kommt zu keinem Crossover, stattdessen wird der DSB nur ligiert, wobei einige Basen an der Schnittstelle verloren gehen können (End joining). 2. Rekombination und Schwesterchromatid-Austausch: der Crossover findet nur zwischen den Schwesterchromatiden statt, sodass ein Teil der Chromatiden untereinander getauscht wird. Dies hat aber keinen Effekt, da sie identisch sind. Dies soll verhindert werden durch eine Barriere des Synaptonemalen Komplexes. 3. Rekombination und Inter-homologes Crossover: Der DSB wird erweitert zum anderen Chromosom hin. Beim Füllen der Lücke durch DNA-Synthese dient die homologe Chromatide als Vorlage. Dabei bricht auch die Vorlagen-DNA, anschließend werden alle Bruchstellen kreuzweise ligiert.

DSB Processing An meiotischen DSBs agieren zwei Gruppen von Proteinen: jene mit Funktionen in der Reparatur/Rekombination (RPA, MRX-Komplex, Rad51, Dmc1, Rad52), und jene, die DSBs bzw. ssDNA Überhänge erkennen und Checkpoint Response auslösen (ATM). - nachdem Spo11 den Doppelstrangbruch herbeigeführt hat, muss es für die Reparatur der DNA entfernt werden, dies geschieht durch nukleolytische Aktivität. 18

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- Gleichzeitig wird ATM rekrutiert, eine Proteinkinase, die durch DSBs aktiviert wird und verschiedene Schlüsselproteine phosphoryliert, die am DNA Damage Checkpoint beteiligt sind. - Das Replikationsprotein A (RPA) bindet an den offenen Einzelstrang und verhindert, dass er sich aufwindet oder eine Sekundärstruktur bildet. - Um zu verhindern, dass die Enden auseinanderdriften, werden sie durch das Protein Rad50 und mit Cohäsin (MRX-Komplex) mit der Schwester-DNA verbunden. Des Weiteren verhindert eine Barriere (Axialelemente des SC), dass die Reparatur des DSB mit der Schwester-DNA erfolgt; erst dadurch wird die Rekombination zwischen homologen Chromosomen gewährleistet. - Die entstehende Lücke hat 3‘ Überhänge (sticky ends), die notwendig sind für die Rekombination. Ist die Lücke nicht groß genug, wird sie durch Exonukleasen weiter geöffnet. - um den komplementären Partner zu finden, kommt es zur Invasion des Einzelstranges in den Doppelstrang des anderen Chromosoms über eine Displacement Loop (D-Loop). - gemeinsam mit der incoming Einzelstrang DNA bilden die Rekombinationsproteine Rad51 (homolog zum bakteriellen RecA) und Dmc1 ein helicales Nucleoproteinfilament, gemeinsam suchen sie nach homologen Bereichen und helfen bei der DNA-Anlagerung. - das Protein Rad52 bindet an den Einzelstrang und führt die DNA-DNA-Interaktion mit dem homologen Strang (nicht der Schwester-DNA) herbei, die notwendig ist für die anschließende Verbindung. - Das Base-Switching vom Outgoing- zum Incoming Strang wird begünstigt durch die starke Streckung der DNA des Outgoing Stranges; der Strangaustausch erfolgt in Schritten von jeweils 3 Basen.

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Zusammenhang zwischen Crossover und Chiasma

Bivalente (= zwei homologe Chromosomen bzw. vier Chromatiden) sind durch Chiasmen verbunden, sie sind die cytologisch sichtbare Folge von Crossovers. Ein Bivalent hat mindestens ein Crossover, oft aber mehrere. Die Chiasmen sorgen nach Auflösung des Synaptonemalen Komplexes dafür, dass die homologen Chromosomen zusammenbleiben, bis es zur Auftrennung in der ersten meiotischen Anaphase kommt. Die meiotische Segregation von cytologischen Markern (Knobs) verriet, dass Chromosomen Stücke austauschen können. Chiasmatypie-Theorie: Chiasmen sind eine Folge des Crossovers, dies wurde bewiesen durch die Existenz einer speziellen Form von multiplem Interlocking und dadurch, dass die identischen Chromosomenarme immer beisammen liegen. Außerdem ist es nicht möglich, noch intakte Chromatiden zu überkreuzen, es ist zuvor immer ein Bruch notwendig  Crossover kommt zuerst. Dritte Mendelregel = Unabhängigkeitsregel. Gene werden unabhängig voneinander vererbt, aber nur wenn sie weit genug auseinander liegen. Crossing Over durchbricht die chromosomale Kopplung von Genen. Die Häufigkeit von Crossovers zwischen 2 Genen hängt ab von ihrem Abstand am Chromosom – je weiter Chromosomen auseinander sind, desto wahrscheinlicher ist ein Crossover. Diesen Umstand nutzt man zur Erstellung von Genkarten. Die Rekombinationshäufigkeit wird (nach John Haldane) in Morgan-Einheiten (Morgan-Units) ausgedrückt. 1 Centi-Morgan (cM) entspricht einem Prozent Rekombination zwischen 2 Markergenen. 50cM -> 50% Rekombination = freie, unabhängige Kombination. Dies passiert, wenn zwei Genen auf verschiedenen Chromosomen oder sehr weit auseinander auf einem gemeinsamen Chromosom liegen – sie rekombinieren zufällig. Eine beobachtete Häufigkeit von z.B. 20% Chiasmen/Crossovers in einem bestimmten Intervall auf einem Chromosom entspricht 10% Rekombination (10 cM), weil von den 4 Chromatiden des Bivalents nur 2 am Austausch beteiligt sind. D.h. durch 1 Chiasma werden 2 von 4 Gameten und 2 von 4 Nachkommen rekombinierte Chromosomen erhalten. Die Chiasmahäufigkeit ist also das Doppelte der Rekombinationshäufigkeit. Auf diese Weise wurden genetische Karten für diverse Organismen erstellt, wo die Rekombinationshäufigkeit zwischen zwei Loci als Maß für den Abstand zwischen zwei Genen hergenommen wird: In der genetischen Karte werden die Reihenfolge, aber nicht die Abstände zwischen den Genen richtig 20

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wiedergegeben. Die physische Genkarte hingegen wird durch DNA-Sequenzierung erstellt. Sie gibt an, wie viel DNA zwischen zwei Genen liegt, und sie wird in Basenpaaren (bp) gemessen. Der Grund für Fehler in der genetischen Karte ist die ungleichmäßige Verteilung von Crossovers entlang der Chromosomen: Es gibt „Hotspots“ der Rekombination, die gleichzeitig Orte erhöhter Doppelstrangbruch-Aktivität sind. Dementsprechend wurde an diesen Hotspots auch verstärkte Bindung von Spo11 beobachtet. Die ungleichmäßige Rekombinationshäufigkeit hat nicht nur mit Hot und Cold Spots zu tun, sondern auch mit folgenden Gründen: - Obligatorisches Cross-Over / Chiasma: Jedes Bivalent hat mindestens ein Chiasma, denn dieses ist vor allem dazu da, um die homologen Chromosomen zusammenzuhalten und Fehlverteilungen vorzubeugen. Die Zahl der Chiasmen ist also auch von der Chromosomenlänge abhängig (je länger, desto mehr Platz für mehr Chiasmen). Aber bei sehr kleinen Chromosomen gibt es trotzdem das Minimum von 1, das nicht unterschritten werden kann. - Interferenz von Crossovers / Chiasmata: Crossovers unterdrücken die Bildung weiterer Crossovers in ihrer Nachbarschaft. Doppelcrossovers sind daher wesentlich seltener. Endständige (terminale) Chiasmen minimieren die genetische Rekombination als Folge des Crossovers. Manchmal ist Rekombination nicht erwünscht – wenn Organismen bereits optimal angepasst sind, ist zu viel Rekombination nur eine Verschlechterung. Aber das Chiasma ist für Zusammenhalt trotzdem nötig. Dann werden Chiasmen ans Ende verlegt, und der Austausch ist genetisch nicht relevant, weil die Telomersequenzen repetitiv sind. Bsp. Molch: genetische Rekombination nur auf der weiblichen Seite in den Eizellen, aber nicht in den Samenzellen (hier sind Chiasmen endständig). So reduziert sich die Rekombination im Schnitt um die Hälfte.

4. Reduktion und Segregation Reduktion und Segregation sind die letzten Schritte in der Meiose, wo die homologen Chromosomen auseinanderweichen müssen. Bivalente werden durch Chiasmen, aber auch durch die Kohäsion der Schwesterchromatiden zusammengehalten. Die verantwortlichen Proteine, die Cohesine, lösen sich auf (durch Separase), um die Segregation der homologen Chromosomen in der Meiose I und der Schwesterchromatiden in der Meiose II zu erlauben. Die distale Kohäsion löst sich, indem sich die Cohesinringe zunächst außerhalb der Chiasmen öffnen. Die Chromosomen weichen in der Anaphase I auseinander. In der Anaphase II wird auch die centromer-nahe Kohesion aufgelöst und auch die Schwesterchromatiden weichen auseinander. 21

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Protein Sgo1 (Shugoshin) liegt am Centromer und rekrutiert eine Protein-Phosphatase (PP2A), wodurch die Cohäsine vor Abbau geschützt werden. Die Ringe bleiben am Centromer bis zur Anaphase II geschlossen. Die Auflösung der Cohesine durch Separase-abhängige Spaltung wird dadurch begünstigt, dass die Cohäsin-Untereinheit Scc3 durch eine Kinase phosphoryliert wird. Am Beispiel der konditionellen Separase-Knockout Maus zeigt sich, dass sich die homologen Chromosomen nicht trennen können, wenn die Kohäsion entlang der Arme nicht aufgelöst wird. Eine erfolgreiche Segregation erfordert die korrekte Orientierung der Centromere, diese wird begünstigt durch die räumliche Organisation der Kinetochore (jeweils nach außen zeigend). Der Zusammenhalt der Schwesterchromatiden durch die Cohäsine genügt dazu nicht. Fehler in der Orientierung werden durch den Spindle Assembly Checkpoint korrigiert. In der Bäckerhefe gibt es einen Proteinkomplex „Monopolin“, der die Schwestercentromere so zusammenhält, dass sie in der ersten meiotischen Teilung (während der sie noch nicht voneinander getrennt werden sollen) als Einheit funktionieren. In der Monopolin-Mutante kommt es häufig zur vorzeitigen Trennung der Schwestern. In der Spalthefe wird die Kohäsion im Centromerbereich mithilfe des Proteins Moa1 verstärkt. Dadurch sind die Schwester-Kinetochore eng aneinander gebunden. Im Mais hält das Protein MIS12 die Schwesterkinetochore während der ersten meiotischen Teilung zusammen.

Vorteile und Nachteile von geschlechtlicher Reproduktion, Meiose und Kernphasenwechsel Geschlechtliche Fortpflanzung geht einher mit der Diploidisierung von Zellen. Vorteile der Diploidie: - Backup Genom zur Schadensbegrenzung bei Funktionsverlust eines Allels - Backup Genom zur Tolerierung einer höheren Mutationsrate, „man kann mehr probieren“ -> Beschleunigung der Evolution - Heterozygotenvorteil (Heterosis): Von einem Gen können zwei unterschiedlich optimierte Allele vorliegen -> Erhöhung der Flexibilität, größere Anpassungsfähigkeit. - Größenzuwachs der Zelle und des Organismus (weil größerer Zellkern nötig) Theorien zu den Vorteilen der sexuellen Reproduktion (gegenüber Formen der klonalen Vermehrung) fallen grob in 2 Kategorien: - Sie beschleunigt die evolutionäre Anpassung: Unabhängig in verschiedenen Linien entstandene (vorteilhafte) Mutationen werden in einem Individuum vereint. Muller’s Ratchet: In diploiden asexuellen Populationen häufen sich nachteilige Mutationen an, die im heterozygoten Zustand toleriert werden. Diese Mutationen können jedoch nicht aus der Population eliminiert werden. Schließlich wird eines der beiden Allele von jedem Gen betroffen sein, und die Zelle ist de facto haploid. Es bleibt nur noch eine funktionelle Kopie jedes Gens. Das Ende einer klonalen Linie kommt spätestens, wenn beide Allele eines Gens betroffen sind und keines mehr funktionsfähig ist. Somit sind asexuelle Lebewesen recht kurzlebig. Nach manchen Schätzungen müsste eine asexuelle Eukaryonten-Population nach 10^4 bis 10^5 Generationen aussterben. Bakterien 22

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kompensieren Muller’s Ratchet dadurch, dass die Zahl der neuen Nachkommen größer ist als die Zahl der neuen Mutationen. - Sie ist effizienter bei der Eliminierung von nachteiligen Mutationen und dient daher der Aufrechterhaltung der Diploidie über evolutionäre Zeiträume. In Zusammenarbeit von Meiose und Befruchtung werden rezessive mutierte Allele homozygotisiert und damit der Selektion unterworfen. Nachteilige Mutationen können sich also nicht durchsetzen, vorteilhafte verbreiten sich schneller. Zusätzliche, unmittelbar wirkende Vorteile werden postuliert (aber es gibt auch Nachteile, sh. Kapitel über Geschlechtsbestimmung).

5. Karyotyp und Chromosomenevolution

Der Karyotyp beschreibt die Eigenschaften eines Chromosomensatzes eines Individuums oder einer Art. Er umfasst Chromosomenzahl, die relativen Größen der Chromosomen, die Centromerpositionen, und soweit bekannt, die Positionen der NORs und Chromosomenbänder (Heterochromatin). Der Karyotyp wird durch Chromosomen- und Genom-Mutationen verändert. Innerhalb einer Art können sich Individuen durch Chromosomenpolymorphismen und Abweichungen (Trisomie) unterscheiden. Bsp. Geschlechtschromosomen, B-Chromosomen, Heterochromatinpolymorphismen. Innerhalb eines Individuums kann sich der Chromosomenbestand spezieller Zelltypen unterscheiden, z.B. Haploidie der Geschlechtszellen, Polyploidie mancher differenzierter Zellen. Chromosomen können sich auch durch ihr Äußeres unterscheiden: Klassifizierung der Chromosomen nach Lage des Centromers in metazentrisch, sub-metazentrisch, sub-telozentrisch und telozentrisch. Parasitische/egoistische DNA-Elemente wie konstitutives Heterochromatin und B-Chromosomen tragen ebenfalls zur Variabilität der Karyotypen bei. Transposons haben dagegen keinen Einfluss auf den Karyotyp. Konstitutives Heterochromatin - besteht auf DNA-Ebene hauptsächlich aus degenerierten Retrotransposon-Sequenzen und/oder simplen Tandem-Repeats. - ist arm an Genen, sehr spät replizierend und assoziiert mit methyliertem Histon H3, welches eine Reihe Heterochromatin-spezifischer Proteine bindet. Die Bildung des Heterochromatins ist epigenetisch determiniert. - ist eine cytologisch sichtbare, genetisch weitgehend inaktive Chromatin-Komponente. - ist überkondensiert und erscheint als „Bänder“ entlang der Chromosomen mit artspezifischem Muster - zu unterscheiden vom fakultativen Heterochromatin: zeitweilige Inaktivierung von ganzen Chromosomen oder Chromosomenabschnitten durch Heterochromatisierung (z.B. das inaktive weibliche X = fakultatives Heterochromatin)  konstitutives Heterochromatin ist eine „Substanz“, fakultatives Heterochromatin ist ein Zustand.

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B-Chromosomen - extreme Form von genomischen Parasitismus. - tragen kaum Gene, außer (wahrscheinlich) solchen, die ihren Bestand in einer Population sichern. - in manchen Populationen sind (fast) alle Individuen betroffen, andere sind gänzlich frei; in Pflanzen häufiger zu finden als bei Tieren. - sie treten manchmal zusätzlich zum normalen Karyotyp auf. - durch ihre gerichtete Segregation in der weiblichen Meiose reichern sie sich in den Eizellen und den Spermakernen an und somit in den Zygoten, was für ihre Vermehrung in der Population sorgt.

Mutationen Mutationen sind ein Grundphänomen lebender Systeme. Auf Ebene des Einzelindividuums oft mit negativen Folgen, sind sie für die Evolution von Organismen unentbehrlich. Insbesondere Chromosomenmutationen sind als Kreuzungsbarrieren (Individuen mit zwei unterschiedlich organisierten Chromosomensätzen sind steril) von Bedeutung für die Artentstehung. Der Karyotyp des Menschen unterscheidet sich durch multiple Translokationen und Inversionen von dem des Schimpansen. Der Unterschied liegt also hauptsächlich in seiner chromosomalen Organisation und nicht in der DNA-Sequenz, die zu 98,8% gleich ist. 1. Genmutationen, inklusive Punktmutationen: Entstehen durch Replikationsfehler und Schädigung einzelner Basen. Führen zu Änderungen der molekularen Architektur eines einzelnen Gens. 2. Chromosomenmutationen: Entstehen durch Fehler bei der Rekombination und der Reparatur von Doppelstrangbrüchen. Führen zu Veränderungen der Chromosomenstruktur und manchmal der Chromosomenzahl (Duplikation, Deletion, Inversion, Translokation).

Duplikation

Deletion

- Spiegelbildliche Duplikation eines Armes führt zur Bildung von Isochromosomen. - Deletion durch intrachromosomale Rekombination: Crossover zwischen ähnlichen Sequenzen auf demselben Chromosom, es entsteht ein Ringchromosom aus einem Stück, das dem restlichen Chromosom dann fehlt. Problematisch wird es vor allem, wenn das Centromer in das Ringchromosom übertragen wird, da die Ringe in der Meiose nicht stabil sind und fragmentieren. 24

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- Inversionen: Bereiche des Chromosoms werden miteinander vertauscht. Bei der perizentrischen Inversion werden intrachromosomal zwei Bereiche ausgetauscht, wobei das Centromer in einem davon liegt. Man kann diese Form der Inversion also daran erkennen, dass das Centromer seine Position im Chromosom geändert hat. Bei der parazentrischen Inversion sind zwei intrachromosomale Bereiche betroffen, die das Centromer nicht einschließen, wodurch die Inversion weniger offensichtlich ist. - Translokationschromosomen liegen in Diploiden meist zusammen mit den unveränderten Chromosomen des anderen Satzes (heterozygot) vor. Man spricht von einer balancierten, reziproken Translokation, wenn es nicht zum Verlust bzw. Zugewinn von Chromosomenstücken gekommen ist, sie kann zu Problemen in der Meiose führen (es entsteht ein Translokationsquadrivalent, wenn die Schwesterchromatiden sowohl untereinander, als auch mit den homologen Teilen des anderen Chromosoms paaren – die Chromosomen können sich bei der meiotischen Teilung unterschiedlich orientieren und segregieren  3:1 / 2:2 Konfiguration  teilweise Trisomie oder teilweise Deletionen).

- Robertson’sche Fusion/Fission: eine Form der Translokation, bei der Austausche in Centromer-Nähe stattfinden. Dies führt zur Veränderung der Chromosomenzahl. Beispiel: Reduktion der Chromosomenzahl durch multiple Robertson’sche Fusionen innerhalb eines kurzen evolutionären Zeitraumes in der Gattung der Zwerghirsche (Muntjak) von 2n=46 auf 2n=6(female) / 7(male). Mögliche Erklärung: der Muntjak wollte seinen Karyotyp verkleinern, um die Rekombinationsrate zu verringern und dadurch größere genetische Stabilität zu erreichen.

Folgen von Strukturheterozygotie aufgrund von Chromosomenmutationen in der Meiose - Paarungslücke: die zwei Chromosomen unterscheiden sich, da in einem eine chromosomale Mutation vorgekommen ist. Es entsteht eine Paarungslücke, in der die Rekombination stark herabgesetzt ist. Dies führt zur erhöhten Kopplung von Genen in diesem Bereich. - Inversionsschleife: Ein Stück des Chromosoms liegt durch eine Inversion in die andere Richtung orientiert. Es bildet sich in dem einen Chromosom eine Schleife, sodass die homologen Paarungsbereiche wieder aufeinander passen. Findet während der Bildung einer parazentrischen Inversionsschleife (Centromer außerhalb der Schleife) ein Crossover statt, erhält nur ein Teil der Gameten einen vollständigen Satz an Genen, die Fertilität ist vermindert. Individuen mit mehreren strukturhe25

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terozygoten Chromosomen sind nahezu vollständig steril. Bei einem Crossover in einer perizentrischen Inversionsschleife (Centromer innerhalb der Schleife) sind die Folgen ähnlich. - Sympatrische Artbildung im Gebiet der Ursprungsart möglich, wenn sich Nachkommen mit einer aufgrund von Chromosomenmutationen verschiedenen Chromosomenanordnung untereinander paaren. - Sterilität von Hybriden als Kreuzungsbarriere, entstanden durch multiple chromosomale Umbauten. 3. Genommutationen: Veränderungen der Chromosomenzahl, sind für die Evolution bedeutsam, denn sie bedeuten eine Verdopplung einer großen Zahl von Genen. Diese zusätzlichen Gene können anschließend mutieren, was zu der Entstehung neuer Gene führt. - Aneuploidien: einzelne Chromosomen sind zusätzlich vorhanden oder fehlen (Trisomie, Tetrasomie); sie entstehen meist durch die Fehlverteilung einzelner Chromosomen in der Mitose oder Meiose. Erst bildet sich eine disome Geschlechtszelle, die nach der Befruchtung zu einer trisomen Zygote wird. Bei Pflanzen wirken sich Aneuploidien nicht so offensichtlich nachteilig aus wie bei Säugetieren. - Polyploidien: der ganze Chromosomensatz ist vervielfacht (Triploidie, Tetraploidie…), hat also mehr als den zweifachen Chromosomensatz. Poliploide Individuen entsteht oft durch den Ausfall oder den Abbruch der Meiose, wodurch diploide Gameten gebildet werden. Polyploide Zellen und Gewebe entstehen durch aufeinanderfolgende Replikationszyklen bei gleichzeitigem Ausfall von Mitosen. - Autoploidisierung: Verdopplung der Chromosomen innerhalb einer Art durch einen Fehler bei der Zellteilung führt zu Individuum mit Zellen mit mehr als zwei gleichen Chromosomensätzen. Selbst bei der Bildung von diploiden Gameten führt die Paarung mit einem Individuum mit haploiden Gameten zu triploiden, sterilen Nachkommen. Jedoch kann die Befruchtung durch einen ebenfalls unreduzierten Gameten einer anderen Art zu fertilen, tetraploiden Nachkommen und in weiterer Folge zur Bildung einer neuen Art führen. - Alloploidisierung: Verdopplung von Chromosomensätzen aus verschiedenen Arten. Ein Hybrid mit zwei verschiedenen Chromosomensätzen erfährt Polyploidisierung durch fehlerhafte Mitose, dadurch erlangt jedes einzelne Chromosom einen passenden Partner, der Hyrid wird fertil und kann nun die Meiose durchführen es entstehen haploide Gameten. Wenn sich zwei solcher Gameten befruchten, kann eine neue polyploide Art entstehen. Viele heutige Pflanzenarten sind durch Alloploidie bzw. Autoploidie entstanden, Polyploidisierungen spielten eine große Rolle in der Evolution und bei der Entstehung von Kulturformen.

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Die Rolle der Chromosomen- und Genom-Mutationen in der Evolution: Zusammenfassung

- Duplikationen ermöglichen das Entstehen neuer Gene durch die Mutation einer Kopie, bei Beibehaltung der Funktion der anderen. - Chromosomale Strukturveränderungen führen zur Hybridsterilität und damit zur sympatrischen Artbildung. - Allopolyploidisierung ermöglicht die Überwindung der Hybridsterilität, indem jedes Chromosom einen identischen Paarungspartner bekommt.

6. Humancytogenetik und (erbliche) chromosomale Defekte

Chromosomen können am besten unter dem Fluoreszenzmikroskop beobachtet werden. Bei Zugabe bestimmter Fluoreszenzmittel werden Bänder sichtbar, die eine Unterscheidung zwischen den einzelnen Chromosomenpaaren möglich machen. Durch Einbau von BrdU (Bromdesoxyuridin) sind Gund R-Bänder zu erkennen (G=Giemsa, R=Revers, nicht gefärbt). R-Banden enthalten überdurchschnittlich viele Gene, sind AT-reich und werden während der Replikation der Chromosomen früh verdoppelt. G-Banden sind genarm, GC-reich und sie werden eher spät repliziert. Durch Erstellung eines standardisierten G-Band Karyogramms des Menschen können Chromosomenstrukturmutationen durch einen einfachen Buchstaben-/Zahlencode beschrieben werden.

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Fluoreszenz in situ Hybridisierung (FISH) Das Chromosomenpräparat wird mit RNasen und Proteasen vorbehandelt, es kommt zur DNA Denaturierung, sodass die Einzelstränge vorliegen. Diese werden dann mit einer Sonde hybridisiert, die zuvor mit einem Fluoreszenzfarbstoff behandelt und ebenfalls denaturiert worden ist. Wenn die Sonde ein passendes Gegenstück in der Probe findet, basenpaart sie damit und kann über die Fluoreszenz detektiert werden. Der Vorteil der FISH ist, dass der Nachweis in situ, also noch in der Zelle erfolgt, und nicht wie bei den meisten Methoden in vitro. Außerdem können Aneuploidien in Interphasekernen festgestellt werden, es ist also nicht notwendig, erst eine Zellteilung zu induzieren, was das Verfahren beschleunigt. Chromosomenanomalien sind die Ursache von 50% aller Fehlgeburten. Eine pränatale Diagnose kann durch Amniocentese (Fruchtwasseruntersuchung) oder Chorionzotten-Biopsie (Ausläufer der Plazenta) durchgeführt werden. Die Häufigkeit von Trisomien ist stark abhängig vom Alter der Mutter, ab 35 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit stark an. Numerische Chromosomenanomalien sind eine „Zivilisationskrankheit“ bedingt durch zunehmendes Alter bei der Familiengründung in entwickelten Ländern. Trisomie 21: Das Chromosom 21 liegt in dreifacher statt doppelter Ausführung vor. Diese Form der Trisomie tritt am häufigsten auf, weil das Chromosom 21 klein ist und relativ wenig Gene hat, daher ist sie lebensfähigsten ist. Sie entspricht der Trisomie 22 beim Schimpansen. Außerdem gibt es noch Trisomie 13 (Paetau-Syndrom) und Trisomie 18 (Edwards-Syndrom). Auch diese Chromosomen sind arm an Genen. Translokations-Trisomie: Ein Stück eines (meist kleineren) Chromosoms wird durch Translokation während der Meiose auf ein anderes Chromosom übertragen. Es entsteht ein disomer Gamet, der eine zu lange Chromatide hat. Dieses hat während der Befruchtung Probleme, sein Homologes zu erkennen, was zu verminderter Paarung und fehlerhafter Segretation führt. Im Gegensatz dazu liegt bei der Freien Trisomie ein ganzes Chromosom doppelt vor.

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Ursachen für die Enstehung von Aneuploidien Die wahrscheinlichste Ursache ist eine verminderte Kohäsion der Schwesterchromatiden. Der Zellzyklus wird angehalten bei falsch orientierten Bivalenten, aber nicht bei dem Verlust von Cohäsinen. Der Verlust der Bivalent-Bildung, gepaart mit einem geschwächten Spindel-Checkpoint, kommt häufiger vor bei Oocyten in einem höheren Alter. Der Checkpoint ist also abhängig von der Kohäsion. Auch eine extrem centromerferne oder centromernahe Position des Chiasma birgt ein erhöhtes Risiko für Fehlverteilung, besonders bei geschwächter Kohäsion.

7. Tumercytogenetik

Aberrante Chromosomen als Auslöser und Folge von Tumorwachstum Krebs kann ausgelöst werden durch chromosomale Umbauten, durch die Fusionsgene oder neue Kombinationen von Promotoren und Zellzyklusregulatorgenen entstehen, die die Zellen zur ständigen Proliferation stimulieren. Die ursprünglichen Gene nennt man „Protoonkogene“, da sie das Potential haben, durch Mutation zu Onkogenen umgewandelt zu werden. Ebenso können Tumorsuppressorgene, die eine Funktion in der Kontrolle des Zellzyklus haben, durch chromosomale Umbauten disruptiert („zerrissen“) werden, wodurch es ebenfalls zur unkontrollierten Proliferation kommen kann. Durch einen „Second Hit“ kann es in solchen Zellpopulationen zur konstitutiven Aktivierung der Telomerase kommen. Die Telomerase muss bei einem Tumor ständig aktiv bleiben, sonst gehen der Zelle die Telomere aus, die Chromosomen werden immer kürzer und irgendwann stirbt sie ab. Durch das unregulierte Wachstum (fehlerhafte Checkpoint Kontrollen) von Tumoren können sich aberrante Chromosomen in Tumoren anhäufen. Der Karyotyp einer Tumorzelle kann wegen der unkontrollierten Teilungen stark degenerieren, die Chromosomenzahl verändert sich stark, ebenso wie auch die Größe.

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Tumorzellen aufgrund von Translokation Das berühmteste Beispiel einer Translokation, durch die ein Tumor entstehen kann, ist das Philadelphia Chromosom, welches charakteristisch für die chronische myeloische Leukämie ist. Durch den reziproken Austausch von Chromosomenabschnitten zwischen Chromosom 9 und 22 entstehen zwei Fusionschromosomen, das kleinere wird als das Philadelphia Chromosom bezeichnet. Am normalen Chromosom 9 liegt das C-ABL Gen: es codiert im Normalfall für eine Proteinkinase, die eine Rolle beim Transfer von Wachstumsfaktor-Signalen aus dem Gewebe in den Nukleus spielt. Am normalen Chromosom 22 liegt das BCR Gen. Durch die Translokation entsteht als Produkt das chimärische BCR-ABL Protein, ebenfalls eine Tyrosinkinase, die konstitutiv aktiv ist und als ein abnormales Signal-Transduktionsmolekül die Zellen zur ständigen Proliferation stimuliert. Eine ähnliche Situation besteht bei Burkitt-Lymphomen. C-myc auf Chromosom 8 codiert für ein unspezifisches Transkription-verstärkendes Protein. Bei Translokationen des c-myc Locus an Loci für Immunglobulin Gene an den Chromosomen 2, 14 oder 22 gerät das c-myc Gen unter den Einfluss von Immunglobulin-Enhancern und Promotoren. Die dadurch erhöhte Expression von c-myc kann Krebs verursachen. Chromothripsis: Ein einmaliges Ereignis, ausgelöst durch radioaktive Strahlung oder ähnliche Eingriffe in die Zelle, führt in der Mitose, wenn die Chromosomen in kondensierter Form vorliegen, zu einer massiven Zerstörung der Chromosomenstruktur. Anders als erwartet sterben von den betroffenen Zellen scheinbar nicht alle durch Apoptose, einige überleben durch Mechanismen der DNAReparatur, die die Chromosomen teilweise wieder zusammensetzen. Dabei kommt es durch eine Vielzahl an Deletionen, Duplikationen, Inversionen sowie Translokationen zur Verschmelzung von zuvor nicht benachbarten Chromosomenabschnitten. Als Folge dieser Veränderungen, die durch Zellteilung weitervererbt werden, geht die Funktion von Tumorsuppressorgenen verloren. Die entstandenen entarteten Zellen haben unbegrenztes Wachstum und verfügen über keine Kontrollmechanismen mehr. Ein anderes Modell zur Entstehung von Chromothripsis geht von einer Fehlverteilung der Chromosomen in der Mitose aus, eine unverteilte Chromatide schließt sich in der Telophase oft in einen separaten Micronucleus ein. Da die Replikation im Micronucleus oft fehlerhaft oder unvollständig ist, wird das Chromosom darin zerstückelt. Wenn der Micronucleus mit dem Zellkern wieder verschmilzt, werden die Fragmente in falscher Reihenfolge und Orientierung wieder zusammengebaut, es entsteht eine entartete Zelle. Genauso gut kann es sein, dass die Zelle an verschiedenen Stadien des Prozesses stirbt, weil ein Chromosom fehlt bzw. keine funktionierende Kopie vorhanden ist.

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„Double Minutes“ (DMs) und Homogeneously Staining Regions (HSRs) sind cytologische Marker mancher Tumore. Sie entstehen durch selektive Amplifikation mancher Gene (z.B. MYCN und MDM2), die das Wachstum dieser Zellen begünstigen oder ihnen Resistenz gegen die Behandlung mit Tumor-Repressoren verleihen. DMs sind amplifizierte Gene, die aus dem Chromosomenverband herausgebrochen sind und nun als einzelne Gene vorliegen. Sie haben selbst keine Centromere, werden aber in der Zellteilung trotzdem in die Tochterkerne mitgenommen, da sie an der Oberfläche der normalen Chromosomen haften. HSRs sind ähnlich, aber sind nicht aus dem Chromosom herausgelöst, sondern befinden sich als amplifizierte Gene im Chromosom.

Diagnostik chromosomaler Abnomalien in Tumoren durch Comparative Genomic Hybridisation (CGH) Die Diagnostik ist schwierig aber wichtig, weil sie unter Umständen eine Prognose ergeben kann und dann eine Einschätzung bezüglich Behandelbarkeit im Vergleich mit früheren Fällen möglich macht. Eine Methode ist Comparative Genomic Hybridisation (CGH). Damit kann man einen Tumorkaryotyp erstellen, ohne die Zelle zu sehen. Man entnimmt dem Tumor DNA und hybridisiert sie mit normalen menschlichen Chromosomen zum Vergleich. Da man nicht die Chromosomen aus dem Tumor braucht, ist die Methode relativ leicht anzuwenden. Auf manchen Chromosomen ist die Tumor-DNA im Überschuss vorhanden, was durch farbliche Markierung ersichtlich ist. Dies deutet darauf hin, dass die DNA des betroffenen Chromosoms im Tumor stärker vorhanden ist. Auch wenn von einem Chromosom besonders wenig DNA im Tumor vorhanden ist, zeigt CGH dies auf.

8. Organisation der Chromosomen im Interphasekern

- Chromosomenindivitualität: Carl Rabl zeigte 1885, dass die Gene auch in der Interphase, wo die Chromosomen aufgelockert und nicht-kondensiert vorliegen, auf Chromosomen „aufgefädelt“ bleiben und dass diese eine geordnete Orientierung einnehmen. - Rabl-Orientierung: Als Folge der Orientierung der Chromosomenarme in der Anaphase liegen die Chromosomen mit den Centromeren an einem Pol und an den Telomeren im gegenüberliegenden Bereich des Interphase-Kerns. - Chromosomendomänen /-territorien: innerhalb der Domänen ist das Chromatin nicht zufällig angeordnet; es gibt Bereiche der frühen und der späten Replikation. Zwischen den Domänen finden sich interchromosomale Domänen (Kanäle), die untereinander und mit den Kernporen in Verbindung stehen und offenbar für den Stofftransport im Kern sorgen.

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- Intra- und interchromosomale Chromatin-Interaktionen: Die Faltung des Chromatins und funktionelle Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Loci innerhalb eines Chromosoms, aber auch über Interaktionen zwischen Chromosomen spielen eine Rolle zum Beispiel bei der funktionellen Kompartimentierung des Zellkerns in Zentren, wo Transkription, Replikation oder DNA-Reparatur stattfinden. Gewisse Prozesse im Kern sind also auf einige Stellen (factories) konzentriert. Chromosomale Loci, an denen diese Prozesse aktuell erfolgen, versammeln sich dort.Um dies zu koordinieren und effizient zu nutzen, müssen die Chromosomen untereinander in Kontakt stehen. Besonders starke Interaktionen bestehen zwischen den Centromer-Regionen. Durch die 4C-Technik (Chromosome Conformation Capure on Chip), ein lichtmikroskopisches Verfahren, konnten diese Informationen festgestellt werden. Außerdem liefert die Methode Informationen über die Faltung des Chromatins und funktionelle Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Loci innerhalb eines Chromosoms, aber auch über Interaktionen zwischen verschiedenen Chromosomen. Ablauf: Als erstes wird die DNA-Probe gecrosslinked, wodurch miteinander agierende DNAAbschnitte zusammengehalten werden. Dann werden die Stücke durch Restriktion gekürzt und zwei der vier Enden jeweils miteinander ligiert. So werden aus jeweils zwei Strängen einer. Schließlich erhält man ein zirkuläres DNA-Molekül, das aus zwei DNA-Strängen besteht. Um die Sequenz von dem einen Strang zu ermitteln, erzeugt man Primer für die bekannte Sequenz des anderen Stranges und führt eine PCR durch. Anschließend kann man die erhaltenen Einzelstränge auf ein Microarray auftragen. Transcription Factories: enthalten primäre Transkripte und RNA Polymerase II. Anscheinend wandern Gene zu bereits existierenden Transkriptionsstellen, anstatt Transkriptionskomplexe selbst zu rekrutieren und zusammenzubauen. Mehrere Gene, auch solche von verschiedenen Chromosomen, teilen sich eine Transkription Factory. Replication Factories: Bei Bakterien war schon länger klar, dass nicht die Replikationsgabel am Chromosom entlang wandert, sondern sich umgekehrt die DNA an der Replication Factory vorbeibewegt. Repair Centers: Doppelstrangbrüche versammeln sich dort zur Reparatur, dort ist das Reparaturprotein Rad52 zusammen mit Site Markers für DSBs kolokalisiert. Transkribierte und genreiche Chromosomenbereiche, sowie Chromosomenbänder liegen bevorzugt im Kerninneren, inaktive Bereiche eher an der Peripherie. Unabhängig davon liegen kleinere Chromosomen eher im Kerninneren und größere eher an der Periphierie.

Chromosomenorganisation im Interphasekern: Zusammenfassung - Die Anordnung der Chromosomen im Zellkern ist nicht fixiert, aber auch nicht zufällig. - rDNA Regionen (NORs) neigen zum Fusionieren. - Gen-arme Chromatinbereiche liegen in einer Schicht unterhalb der Kernhülle, während Gen-reiches Chromatin im Kerninneren angereichert ist. - Gene pendeln zwischen dem Inneren und der Peripherie in Abhängigkeit von ihrem aktiven oder inaktiven Status.

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9. Chromosomen und Reproduktion; Chromosomale Geschlechtsbestimmung Die geschlechtliche Fortpflanzung ist kausal mit der genetischen Rekombination, der Multiallelie (verschiedene Ausprägungsformen eines Gens in einem (in der Regel) diploiden Genom) und dem damit verbundenen Heterosiseffekt (aufgrund der verschiedenen Allele eines Gens hat das heterozygote Individuum hat einen Vorteil gegenüber dem homozygotem) verknüpft. Zwei Partner steuern ihre haploiden Genome (in Form der Keimzellen) zu einem gemischten diploiden Genom der Nachkommen bei. Apomiktische Population: ungeschlechtliche Fortpflanzung ohne Meiose und ohne Verschmelzung von Gameten, bei der die Nachkommen mit der Vorgängergeneration (nur ein Individuum nötig) identisch sind. Sexuelle Population: ist ineffizient, da sie einen Geschlechtspartner finden müssen, um überhaupt Nachkommen kriegen zu können, und dann sind diese im Schnitt zur Hälfte männlich und können selber keine Nachkommen kriegen, also nicht zum Wachstum der Population beitragen.

Genetische Geschlechtsbestimmung Haplogenotypisch: Der haploide Gametophyt trägt eines der beiden Geschlechtschromosomen, dessen Merkmale exprimiert werden, die diploide Generation dagegen ist einheitlich. Dies kommt häufig bei Algen, Einzellern und Moosen vor. Es besteht die Gefahr der Selbstbefruchtung. Diplogenotypisch: Der Phänotyp der haploiden Generation ist unabhängig vom Genotyp, es kann also auch Spermien geben, die ein X-Chromosom tragen (beim Menschen). Die diploide Generation zeigt unterschiedliche Geschlechtsmerkmale. Beim Schnabeltier und anderen sind die Gene für Geschlechtsmerkmale auf mehrere Chromosomen verteilt. Heuschrecken haben ein XX/X0 System, wo Weibchen XX Chromosome haben und Männchen nur ein X. Beim Menschen ist ein Gen auf dem Y-Chromosom der dominante Faktor für die Geschlechtsbestimmung, es ist also ausschlaggebend, ob ein Y-Chromosom vorhanden ist oder nicht. Das Y Chromosom induziert die Bildung der Testes und damit die Geschlechtsentwicklung (genauer gesagt TDF-Locus – Testes determining factor). Wenn das Y fehlt, entwickeln sich die männlichen Gonaden zu Ovarien und die Entwicklung zur Frau findet statt. Entdeckt hat man dies durch Deletionskartierungen. Heterochromatin ist unwichtig, da dort keine Gene codiert sind. Männer, die ein in diesem Bereich verkürztes Y Chromosom haben, haben kein Problem. - Die Pseudoautosomale Region trägt keine geschlechtsspezifischen Gene. In diesem Bereich liegt das obligatorische Crossover, notwendig für die ordnungsgemäße Verteilung von X und Y in der Meiose I.

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- TDF ist das hauptsächliche Gen, das für die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale zuständig ist. - Männer, denen der Bereich 6 fehlt, sind steril. - Wenn der 2. Teil fehlt, ist der Phänotyp weiblich. - Auch möglich: Männer mit XX Chromosomen, wo das TDF/SRY Stück aber auf einem der X Chromosomen liegt. XY-Synapsis in der Meiose In der Meiose paaren X und Y Chromosom miteinander. Da sie nicht homolog miteinander sind und ganz unterschiedliche Gene tragen, findet die Rekombination nur im Bereich der Pseudoautosomalen Region (PAR) statt. Die Paarung (Synapsis) kann völlig erratisch (verirrt) sein, aber auch über die PAR hinausgehen und das gesamte Y einbeziehen. Jeder Bereich des X-Chromosoms (ist deutlich länger als das Y-Chromosom), der kein homolog hat, versucht manchmal, mit sich selbst zu paaren (Haarnadel-Strukturen). Die weitgehende Unterdrückung der Rekombination zwischen X und Y führte zu ihrer morphologischen und genetischen Differenzierung, und damit einhergehend, zum Verlust von Genen auf dem Y. Das XY Bivalent ist im Sex Body eingebettet, dort manifestiert sich die meiotische Inaktivierung der Geschlechtschromosomen. Im Sex Body werden die Geschlechtschromosomen transkriptorisch inaktiviert und die ungepaarten Bereiche des X Chromosoms maskiert. Es gibt in der Meiose auch einen Paarungs-Checkpoint, wo überprüft wird, ob jedes homologe Chromosom seinen Partner gefunden hat. Beim Weibchen ist das kein Problem, da die X Chromosome sowieso zusammenpassen. Beim Männchen gibt es allerdings stets einen ungepaarten Bereich am X, weil das Y kürzer ist. Um zu verhindern, dass durch diesen ungepaarten Bereich die Meiose am Paarungs-Checkpoint abgebrochen wird, wird der ungepaarte Teil des X im Sex Body abgeschottet. Die Geschlechtschromosomen werden dort transkriptorisch inaktiviert – wenn bestimmte Teile am Y während der Meiose aktiv wären, würden sie während der Meiose zur Apoptose führen. Aus ähnlichen Gründen sind männliche Individuen mit Trisomie 21 steril – das dritte 21 hat keinen homologen Partner. Als Konsequenz der XY Heterozygotie bei Männern und der Verarmung des Y an Genen, die wohl eine Konsequenz von der Rekombinationsbarriere zwischen X und Y ist, sind Männer häufiger von Xchromosomal gebundenen rezessiven Defekten betroffen. Frauen haben dagegen noch ein gesundes X-Chromosom und sind daher meistens nur Träger. Der Sohn allerdings hat eine 50% Chance, die Erkrankung zu bekommen. Am Y Chromosom haben alle Gene mit der Geschlechtsbestimmung zu tun. Es gibt am Y ca. 25 Protein-codierende Gene, und ca. 30 Gene, denen man ansieht, dass sie einmal funktionelle Gene waren und homologe am X haben, die aber nicht mehr funktionell sind. Warum ist es das Y, das Gene verloren hat(könnte ja auch X sein)? Das X kommt bei Frauen doppelt vor, es kann also einen Genverlust kompensieren. Das Y Chromosom liegt dagegen alleine vor, wenn ein Gen verloren geht, kann es nicht ersetzt werden. Kann das Y gänzlich verloren gehen? Beim Menschen theoretisch ja, wird aber noch etwas dauern (wäre Umstieg auf X/0 System). Bei Drosophila ist das Y-Chromosom nicht dominant bezüglich der Geschlechtsbestimmung.

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Polygenetische Geschlechtsbestimmung Beispiel Afrikanische Zwergmaus: Der „W“ Locus ist dominant über den Männchendeterminierenden Faktor auf dem Y-Chromosom, wenn also W und Y zusammenliegen, wird es ein Weibchen. Dadurch entsteht ein für diese Spezies vorteilhaftes 3:1 Verhältnis

Sex Reversal Syndromes - Testikuläre Feminisierung (Androgen Insensivity Syndrome). 46 Chromosomen mit XY, steriler weiblicher Phänotyp. Es besteht eine rezessive Mutation des X-Chromosomalen AR-Locus. Es wird kein zellulärer Rezeptor für Testosteron und verwandte Androgene gebildet, Testes existieren zwar, aber an Stelle der Eizellen im Bauch. Die Zellen glauben, in einem testosteronfreien Umfeld aufzuwachsen, da es keine zellulären Rezeptoren gibt, die das Testosteron erkennen. Diese Frauen haben einen besonders stark ausgeprägten Phänotyp und keine sekundäre Körperbehaarung. - XX Maleness: 46 Chromosomen mit XX, steriler männlicher Phänotyp. Männer z.T. komplett maskulinisiert durch viel Testosteron. Wenig Fälle bekannt.

Aneuploidien von Geschlechtschromosomen X0-Frau (Turner Syndrome, normale geistige Entwicklung); XXY-Mann (Klinefelter-Syndrom). Betroffene sind infertil. Die äußeren Phänotypen der Syndrome sind vergleichsweise mild, z.B. im Vergleich zu Trisomie 21. Es existieren auch andere Aneuploidien (XXX, 4X, XXYY, etc.). Mit zunehmender Abweichung vom normalen Chromosomensatz kommt es zu geistiger Behinderung. XXX ist eingeschränkt fertil, 4X ist nicht mehr fertil. Solche Fälle sind meistens Resultate einer Fehlentwicklung während der Embryonalentwicklung, da eine Fehlverteilung beim Vater UND bei der Mutter viel zu unwahrscheinlich wäre. X-chromosomale Dosiskompensation Die X-Inaktivierung erfolgt, damit Frauen nicht doppelt so viele X-chromosomale Genprodukte haben wie Männer. Somit ist bei beiden Geschlechtern das Verhältnis der X-chromosomalen zur autosomalen (=nicht-Geschlechtschromosomen) Gendosis gleich balanciert. Sichtbar sind diese inaktivierten XChromosomen als Barr-Körperchen: eine dunkle Stelle im Zellkern, hyperkonserviert (heterochromatisch) und spät replizierend. X0-Frauen haben keine Barr-Körperchen. Es handelt sich dabei um Zufall, welches der beiden X-Chromosomen inaktiviert wird. Die Ausbreitung der X-Inaktivierung geschieht in cis, ausgehend vom X-Inactivation-Center durch Xist RNA (strukturelle RNA, die transkribiert, aber nicht aus dem Zellkern zur Translation exportiert wird. Sie bleibt an der Transkriptionsstelle als Markierung am X Chromosom liegen, woraufhin das Chromosom abgeschaltet wird). 15% der Gene des X Chromosoms bleiben ausgeschlossen, darunter die PAR und das Heterochromatin, dort legt die Xist RNA (X Inactive Specific Transcript) nicht an. Das Signal zur Inaktivierung geht dabei vom aktiv bleibenden X aus und wird übertragen im Zuge des vorübergehenden Kontakts der beiden X-Inactivation-Center.

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10. Spezialisierte Chromosomen und besondere Anpassungen im Chromosomenverhalten

- Polytänchomosomen („Riesenchromosomen“): entstehen als eine Form der Polyploidie. Wenn sich neu synthetisierte DNAMoleküle (Chromatiden) nicht auf die Tochterkerne aufteilen, werden die Kerne polyploid. Polytänie ist ein Spezialfall der Polyploidie, bei dem die neu synthetisierten Chromatiden aneinander haften bleiben. Nach den Replikationszyklen verkürzen sich die Moleküle nicht und die Chromatiden weichen auch nicht voneinander. Die Bänder der Polytänchromosomen bei Drosophila begünstigten die Erstellung einer genetischen Karte (Speicheldrüsen bei Drosophila haben polytäne Chromosomen). Sie haben die Interphasenlänge, und dadurch dass die die Kondensation ausbleibt, erreicht man eine sehr hohe Auflösung. In den Riesenchromosomen sind sog. Puffs erkennbar, es handelt sich um aufgelockertes Chromatin, wo hohe Transkriptionsaktivität herrscht. Polytänchromosomen gibt es in Dipteren-Larven, Embryosuspensoren von Pflanzen und den Macronuclei mancher Ciliaten. Ihre Bildung geht wahrscheinlich einher mit der Erfordernis von Zellen mit hoher Transkriptionsaktivität. Teilung würde die Phasen der Transkription unterbrechen. Man findet solche Chromosomen in besonders aktivem Gewebe, das durchgehend besonders produktiv sein muss. Normalerweise kommt die homologe Paarung von Chromosomen nur während der Zellteilung vor. Die Polytänchromosomen von Dipteren-Larven paaren sich auch während der Interphase, in diesem Fall spricht man von somatischer (vegetativer) Paarung. Vorteile eines angelagerten homologen Chromosoms: erlaubt Promoter Sharing, ermöglicht Rekombinations-Reparatur in G1, erleichtert Homologensuche in der Meiose durch Vorsortierung. Somatische Paarung wurde bei den unterschiedlichsten Arten beobachtet. - Lampenbürstenchromosomen (bzw. –bivalente): Eine Transkription nötiger Proteine für die Fertigstellung der Eizellen ist notwendig während der Meiose in den Oocyten von Vögeln und Amphibien. Als Kompromiss zwischen der erforderlichen Chromosomenkondensation und der Erhaltung einer hohen Transkriptionsaktivität in der Prophase der weiblichen Meiose werden die homologen Chromosomen durch Chiasmen verbunden, und Teile stehen in Form vom Schleifen aufgelöst weg, um die Transkription zu ermöglichen. - holozentrische/polyzentrische Chromosomen: bei holozentrischen Chromosomen erstreckt sich das Kinetochor über die gesamte Chromoeomenlänge, beobachtet wurden sie bei manchen Ciliaten, Nematoden etc., unter anderem auch bei C.elegans. In der Mitose ist das kein Problem, wohl aber in der Meiose, da Bivalente mit Chiasmen nicht durch eine holokinetische Spindel getrennt werden können. Daher gibt es zwei Möglichkeiten der Meiose in holozentrischen Organismen: 1. lokalisierte Kinetochore (C.elegans): Die Spindelfasern setzen an den Chiasmafernen Enden der Chromosomen an. 2. invertierte Meiose (Luzula): Meiose 1 und 2 werden umgekehrt, zuerst werden die Schwesterchromatiden getrennt, dann die homologen Chromosomen. 36

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- Minimierung unerwünschter Rekombination: Vermeidung bzw. Minimierung genetischer Rekombination zwischen Chromosomensätzen, um den Genbestand nicht zu verändern. Möglichkeiten sind: 1. distal lokalisierte Crossovers/Chiasmen: Rekombination nur an den Enden, wo keine Gene codiert sind, sondern nur die Telomere liegen. 2. Anpassung der Chromosomenzahl: weniger Chromosomen führen zu einer verringerten Rekombinationsrate 3. Komplexheterozygotie: keine bivalenten Chromosomenpaare, sondern Multivalente in Zickzackorganisation (z.B. Geschlechtschromosomen beim Schnabeltier). Ein Multivalent verhält sich wie ein einziges Chromosom. Die Crossovers finden ganz nahe an den Chromosomenenden statt, daher bildet sich in der Meiose ein großes Ringchiasma. die Gene werden nicht durch Chromosomendurchmischung getrennt und jeder Gamet erhält einen unrekombinierten Chromosomensatz.

- Chromosomen der Dinoflagellaten: zum Teil sind die Kerne und Chromosomen von Protisten sehr ungewöhnlich, vermutlich sind sie innerhalb der Eukaryoten nicht primitiv, sondern abgeleitet. Die DNA macht ca. 90% der Masse der Chromosomen aus (statt normal 30%), sie sind während des gesamten Zellzyklus kondensiert und schraubenförmig links-gedreht, die Histone sind stark modifiziert. Möglicherweise sind Dinochromosomen polytän. Es ist inzwischen bekannt, dass sie „konventionelle“ Telomere haben, also lineare DNA enthalten, was ein früheres Modell von ringförmigen Chromosomen widerlegt. - Chromosomenfragmentierung und Amitose bei Ciliaten: Bsp. Tetrahymena Macronucleus (MAC): „Das Soma“, polyploid, amniotische Teilung (Spaltung) ohne Centromere, fragmentierte Minichromosomen (jedes davon mit neuen, eigenen Telomeren), keine Meiose, keine geschlechtliche Vererbung, Replikation entlang des „Replikationsbands“, transkriptorisch aktiv, somatische DNA Elimination: ca. 30% der Keimbahn-DNA (hauptsächlich Transposons) werden aus dem somatischen Kern entfernt Micronucleus (MIC): „Die Keimbahn“, diploid, normale Mitosen und Meiose, transkriptorisch inaktiv, gibt bei der geschlechtlichen Reproduktion sein Erbgut an die nächste Generation weiter. 37

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