Writing and Its Use (Schrift Und Schriftlichkeit) Part 2 - DeGruyter

January 17, 2017 | Author: T. E. | Category: N/A
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Schrift und Schriftlichkeit Writing and Its Use HSK 10.2



Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft Handbooks of Linguistics and Communication Science Manuels de linguistique et des sciences de communication Mitbegründet von Gerold Ungeheuer

Herausgegeben von / Edited by / Edite´s par Hugo Steger Herbert Ernst Wiegand Band 10.2

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996

Schrift und Schriftlichkeit Writing and Its Use Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung An Interdisciplinary Handbook of International Research Zusammen mit / Together with Jürgen Baurmann · Florian Coulmas · Konrad Ehlich · Peter Eisenberg · Heinz W. Giese · Helmut Glück · Klaus B. Günther · Ulrich Knoop · Bernd Pompino-Marschall · Eckart Scheerer · Rüdiger Weingarten Herausgegeben von / Edited by Hartmut Günther · Otto Ludwig 2. Halbband / Volume 2

Walter de Gruyter · Berlin · New York 1996

앝 Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die 앪

US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.

Die Deutsche Bibliothek ⫺ CIP-Einheitsaufnahme Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft / mitbegr. von Gerold Ungeheuer. Hrsg. von Hugo Steger ; Herbert Ernst Wiegand. ⫺ Berlin ; New York : de Gruyter. Früher hrsg. von Gerold Ungeheuer und Herbert Ernst Wiegand. ⫺ Teilw. mit Parallelt.: Handbooks of linguistics and communication science. ⫺ Teilw. mit Nebent.: HSK NE: Ungeheuer, Gerold [Hrsg.]; Steger, Hugo [Hrsg.]; Handbooks of linguistics and communication science; HSK Bd. 10. Schrift und Schriftlichkeit. Halbbd. 2 (1996) Schrift und Schriftlichkeit : ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung ⫽ Writing and its use / zusammen mit Jürgen Baurmann … hrsg. von Hartmut Günther ; Otto Ludwig. ⫺ Berlin ; New York : de Gruyter. (Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft ; Bd. 10) NE: Günther, Hartmut [Hrsg.]; Writing and its use Halbbd. 2 (1996) ISBN 3-11-014744-0

” Copyright 1996 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Arthur Collignon GmbH, Berlin Buchbinderische Verarbeitung: Lüderitz & Bauer, Berlin

Vorwort zum zweiten Band Die freundliche Aufnahme des ersten Bandes läßt uns hoffen, daß auch der zweite Band dazu beiträgt, die Intensivierung des interdisziplinären Austauschs zu fördern und dadurch unsere Kenntnis des Gegenstands Schrift und Schriftlichkeit weiter zu vertiefen. Neben den im Vorwort zum ersten Band genannten Personen und Institutionen danken wir besonders dem Max Planck Institut für Psycholinguistik in Nijmegen, dem Institut für deutsche Literatur und Sprache der Universität Hannover und dem Institut für deutsche Sprache in Mannheim für die umfassende Unterstützung im technischen Bereich bei der Vorbereitung und Durchführung der Edition. Noch einmal hervorgehoben werden soll die tragende Rolle der Werner Reimers Stiftung (Bad Homburg) beim Zustandekommen dieses Handbuchs. Schließlich danken wir ein weiteres Mal den Mitarbeiterinnen des Walter de Gruyter Verlages für ihre sorgfältige und engagierte Arbeit bei der Produktion dieses Handbuchs. Otto Ludwig, Hannover Hartmut Günther, Mannheim

Preface to the Second Volume Since the first volume seems to be well accepted, we hope that also the present volume will contribute to further interdisciplinary exchange and to deepening our knowledge of the subject of this handbook. Apart from all the people and institutions mentioned in the preface to the first volume of Writing and Its Use, we wish to express our sincerest thanks to the Max Planck Institute for Psycholinguistics (Nijmegen), to the Institute for German Literature and Language (University of Hannover), and to the Institute for German Language (Mannheim) for their general support in technical matters during the preparation and completion of this handbook. We would like to stress once again the major role played by the Werner Reimers Foundation (Bad Homburg) in the preparation and execution of our enterprise. Finally, we wish to repeat our thanks to the staff of Walter de Gruyter publishers for their accurate and engaged work in the preparation and printing of this handbook. Otto Ludwig, Hannover Hartmut Günther, Mannheim

Inhalt/Contents 2. Halbband/Volume 2 Vorwort zum zweiten Band . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preface to the Second Volume . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

VII. 76. 77.

78.

79. 80. 81. 82. 83.

84. 85. 86. 87. 88. 89. 90.

V V

Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Psychological Aspects of Writing and Its Use Eckart Scheerer, Schriftlichkeit und psychologische Strukturen (Writing and Psychological Structures) ⫺ entfällt Hartmut Günther & Bernd Pompino-Marschall, Basale Aspekte der Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen (Production and Perception of Spoken and Written Utterances) . . . . . Hartmut Günther, Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Leseforschung (Historical Outline of Psychological Research on Reading) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philip T. Smith, Research Methods in the Psychology of Reading (Methoden der psychologischen Leseforschung) . . . . . . . . . . . . . . . Albrecht W. Inhoff & Keith Rayner, Das Blickverhalten beim Lesen (Eye Movements During Reading) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Alexander Pollatsek & Mary Lesch, The Perception of Words and Letters (Wort- und Buchstabenerkennung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Schnotz, Lesen als Textverarbeitung (Text Processing in Reading) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Clemens Knobloch, Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Schreibforschung (Historical Outline of Psychological Research on Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gunther Eigler, Methoden der Textproduktionsforschung (Research Methods in the Psychology of Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sylvie Molitor-Lübbert, Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß (Writing as a Mental and Linguistic Process) . . . . . . . . . . . . . Arnold J. W. M. Thomassen, Writing by Hand (Schreiben mit der Hand) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Michel, Forensische Handschriftuntersuchung (Forensic Handwriting Analysis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Maria Paul-Mengelberg, Graphologie (Graphology) . . . . . . . . . . . Peter E. Baier, Maschineschreiben und forensische Urheberidentifizierung (Typewriting and its Forensic Analysis) . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Pospeschill, Schreiben mit dem Computer (Writing with a Computer) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII

Inhalt/Contents

91.

Janice Kay, Psychological Aspects of Spelling (Psychologische Aspekte des Rechtschreibens) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074 Leonhard Katz & Laurie B. Feldman, The Influence of an Alphabetic Writing System on the Reading Process (Der Einfluß eines alphabetischen Schriftsystems auf den Leseprozeß) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1094 Ovid J. L. Tzeng et al., Cross-Linguistic Analyses of Basic Reading Processes (Crosslinguistische Analysen basaler Aspekte des Leseprozesses) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1101 Walter Huber, Störungen der Verarbeitung schriftlicher Sprache (Disorders of Written Language Processing) ⫺ entfällt

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VIII. 95. 96.

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99. 100. 101.

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107.

Der Erwerb von Schriftlichkeit The Acquisition of Literacy Jürgen Baurmann, Aspekte der Aneignung von Schriftlichkeit und deren Reflektion (Aspects of the Acquisition of Literacy) . . . . . . . . . . Hubert Ivo, Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben (Conditions of the Acquisition and Teaching of Reading and Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Mechthild Dehn & Amelie Sjölin, Frühes Lesen und Schreiben (Early Reading and Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerheid Scheerer-Neumann, Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfertigkeiten (The Acquisition of Basic Reading and Writing Skills) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hugo Aust, Die Entfaltung der Fähigkeit des Lesens (The Development of Reading Skills) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Helmut Feilke, Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten (The Development of Writing Skills) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Edeltraud Karolij & Monika Nehr, Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit (Acquisition of Written Language under Conditions of Multilingualism) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus-B. Günther, Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb (Written Language as a Means of Learning Spoken Language) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kurt Meiers, Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Erstlesen (Aspects and Problems of the Teaching of Reading: Beginning Reading Skills) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Conrady, Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Weiterführendes Lesen (Aspects and Problems of the Teaching of Reading: Advanced Reading Skills) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Haas, Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Literaturunterricht (Aspects and Problems of the Teaching of Reading: Instruction in Literature) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Elisabeth Neuhaus-Siemon, Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Erstschreiben (Aspects and Problems of the Teaching of Writing: Beginning Writing Skills) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bodo Friedrich, Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Rechtschreiben (Aspects and Problems of the Teaching of Writing: Spelling)

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Inhalt/Contents

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116.

Eduard Haueis, Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Aufsatzunterricht (Aspects and Problems of the Teaching of Writing: Instruction in Essay Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harro Müller-Michaels, Geschichte der Didaktik und Methodik des Leseunterrichts und der Lektüre (History of the Didactics and Methodology of Instruction in Reading and Literature) . . . . . . . . . . . . . . . Bernhard Asmuth, Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts (History of the Didactics and Methodology of Instruction in Writing and Essay Writing) . . . . . . . . . . . Stephen Parker, The Teaching of Reading and Writing in the EnglishSpeaking Countries (Lese- und Schreibunterricht in englischsprachigen Ländern) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. H. Biesterfeldt, Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum (The Teaching of Reading and Writing in the Arabic-Speaking World) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insup Taylor, The Teaching of Reading and Writing in East Asia (Lese- und Schreibunterricht in Ostasien) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Fritzsche, Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit (The Acquisition of Literacy Outside of School) . . . . . . . . . . . . . . Gerheid Scheerer-Neumann, Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen (Disorders in Written Language Acquisition) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Eberle, Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung (Disorders in Written Language Acquisition and Learning Disabilities)

IX.

Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Linguistic Aspects of Writing and Its Use

117.

Peter Eisenberg, Sprachsystem und Schriftsystem (Language System and Writing System) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Coulmas, Typology of Writing Systems (Schrifttypologie) . . Jürgen Erfurt, Sprachwandel und Schriftlichkeit (Language Change and Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jie Li, Das chinesische Schriftsystem (The Chinese Writing System) . Jürgen Stalph, Das japanische Schriftsystem (The Japanese Writing System) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subhadra Kumer Sen, The Devanagari Writing System (Das Devanagari-Schriftsystem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bauer, Das arabische Schriftsystem (The Arabic Writing System) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Trudel Meisenburg, Das spanische Schriftsystem (The Spanish Writing System) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Michael Stubbs, The English Writing System (Das englische Schriftsystem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nina Catach, The French Writing System (Das französische Schriftsystem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Eisenberg, Das deutsche Schriftsystem (The German Writing System) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

118. 119. 120. 121. 122. 123. 124. 125. 126. 127.

IX

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X

128. 129. 130. 131. 132. 133. 134. 135. 136. 137. 138. 139.

Inhalt/Contents

Peter Gallmann, Interpunktion (Punctuation) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Lippert, Die schriftliche Sprache im Chinesischen (Written Language: Chinese) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tatsuo Miyajima, Japanese Written Language (Die schriftliche Sprache im Japanischen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Bauer, Die schriftliche Sprache im Arabischen (Written Language: Arabic) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ralph Ludwig, Die schriftliche Sprache im Französischen (Written Language: French) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . William Grabe & Douglas Biber, Written Language: English (Die schriftliche Sprache im Englischen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Augst & Karin Müller, Die schriftliche Sprache im Deutschen (Written Language: German) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jürgen Römer, Abkürzungen (Abbreviations) . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Brinker, Die Konstitution schriftlicher Texte (The Constitution of Written Texts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerd Antos, Die Produktion schriftlicher Texte (The Production of Written Texts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Christmann & Norbert Groeben, Die Rezeption schriftlicher Texte (The Reception of Written Texts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Wolff, Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs (Stilistics as a Theory of Written Language Usage) . . . . . . . . . . . .

X.

Sonderschriften Special Writing Systems

140. 141.

Roy Harris, Writing and Notation (Schrift und Notation) . . . . . . . . Hartmut Günther, Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem ⫺ alphabetisches Sortieren (Writing as a Numbering and Ordering System) . . Lisa Schiefer & Bernd Pompino-Marschall, Phonetische Transkription (Phonetic Transcription) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans Zikmund, Transliteration (Transliteration) . . . . . . . . . . . . . Helmut Jochems, Stenographie (Stenography) . . . . . . . . . . . . . . . Giorgio Costamagna, Kryptographie (Secret Codes) . . . . . . . . . . . Karl Britz, Blindenschrift (Braille) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Siegmund Prillwitz, Fingeralphabete, Manualsysteme und Gebärdensprachschriften (Hand Alphabets) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter Ameling & Lothar Kreft, Technische Kodierung (Technical Codes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Rudolf Lutz, Moderne Piktographie (Modern Pictography) . . .

142. 143. 144. 145. 146. 147. 148. 149.

1456 1467 1476 1483 1491 1495 1500 1506 1515 1527 1536 1545

1559 1568 1583 1591 1604 1608 1617 1623 1629 1638

Register Indexes Namenverzeichnis (Index of names) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stichwortverzeichnis (Subject index) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rückläufig angeordnete Liste der Stichwörter (Backwards arranged subject index) Verzeichnis der erwähnten Sprachen und Schriften (Index of languages and script) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1651 1693 1735 1751

Inhalt/Contents

XI

1. Halbband/Volume 1 Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Preface . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

I.

V XIII

Allgemeine Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit General Aspects of Writing and Its Use 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

II. 8. 9. 10. 11. 12.

13. 14.

III. 15. 16. 17. 18. 19.

Wolfgang Raible, Orality and Literacy (Mündlichkeit und Schriftlichkeit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konrad Ehlich, Funktion und Struktur schriftlicher Kommunikation (Function and Structure of Written Communication) . . . . . . . . . . . Roy Harris, Semiotic Aspects of Writing (Semiotische Aspekte der Schrift) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Otto Ludwig, Geschichte des Schreibens (The History of Writing) . . Hans-Martin Gauger, Geschichte des Lesens (The History of Reading) Claus Ahlzweig, Geschichte des Buches (The History of the Book) . . Brigitte Schlieben-Lange, Geschichte der Reflexion über Schrift und Schriftlichkeit (History of the Reflection on Writing and Its Use) . . .

1 18 41 48 65 85 102

Materiale und formale Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Material and Formal Aspects of Writing and Its Use Otto Mazal, Traditionelle Schreibmaterialien und -techniken (Traditional Writing Materials and Techniques) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart Hundt & Gerd Maderlechner, Elektronische Lese- und Schreibtechnologien (Electronic Reading and Writing Technology) . . . . . . . Axel Behne, Archivierung von Schriftgut (Archiving of Written Texts) Rüdiger Weingarten, Datenbanken (Data Bases) . . . . . . . . . . . . . Herbert E. Brekle, Die Buchstabenformen westlicher Alphabetschriften in ihrer historischen Entwicklung (The Development of Letter Forms in Western Alphabets) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Herbert E. Brekle, Typographie (Typography) . . . . . . . . . . . . . . . Christian Scheffler, Kalligraphie (Calligraphy) . . . . . . . . . . . . . . .

122 130 146 158

171 204 228

Schriftgeschichte History of Writing Florian Coulmas, Theorie der Schriftgeschichte (Theory of the History of Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Denise Schmandt-Besserat, Forerunners of Writing (Vorläufer der Schrift) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Haarmann, Der alteuropäisch-altmediterrane Schriftenkreis (Old European-Old Mediteranean Scripts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Krebernik & Hans J. Nissen, Die sumerisch-akkadische Keilschrift (Sumerian-Accadic Cuneiform Scripts) . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Schenkel, Die ägyptische Hieroglyphenschrift und ihre Weiterentwicklungen (Egyptian Hieroglyphs and Their Development) . . .

256 264 268 274 289

XII

20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27.

28. 29.

IV. 30. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 38. 39. 40. 41.

Inhalt/Contents

Josef Tropper, Die nordwestsemitischen Schriften (North-west Semitic Scripts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Walter W. Müller, Die altsüdarabische Schrift (The Old Southern Arabic Script) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veronika Wilbertz, Die arabische Schrift (The Arabic Script) . . . . . Ernst Hammerschmidt, Die äthiopische Schrift (The Ethiopean Script) William Bright, Evolution of the Indian Writing System (Die indische Schrift) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Harald Haarmann, Entstehung und Verbreitung von Alphabetschriften (Evolution and Spread of Alphabetic Scripts) . . . . . . . . . . . . . . Wolfram Müller-Yokota, Die chinesische Schrift (Evolution of the Chinese Script) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfram Müller-Yokota, Weiterentwicklungen der chinesischen Schrift: Japan ⫺ Korea ⫺ Vietnam (Adaptations of the Chinese Script in Japan, Korea and Vietnam) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nikolai Grube, Mittelamerikanische Schriften (Central American Scripts) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stanislav Segert, Decipherment (Entzifferungen) . . . . . . . . . . . . .

297 307 312 317 322 329 347

382 405 416

Schriftkulturen Literate Cultures Nancy H. Hornberger, Oral and Literate Cultures (Mündliche und schriftliche Kulturen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jack Goody, On the Threshold to Literacy (Die Schwelle der Literalität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tetsuji Atsuji, Der Kulturkreis der chinesischen Schriftzeichen (ha`nzı`) (The Sphere of Chinese Characters) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Chander J. Daswani, The Sphere of Indian Writing (Der indische Schriftenkreis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Jan Assmann, Die ägyptische Schriftkultur (The Literate Culture of Ancient Egypt) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Claus Wilcke, Die Keilschriftkulturen des Vorderen Orients (Near Eastern Cuneiform Cultures) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Röllig, Die nordwestsemitischen Schriftkulturen (Northwest-Semitic Literate Cultures) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wolfgang Rösler, Die griechische Schriftkultur der Antike (The Greek Literate Culture of Antiquity) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gregor Vogt-Spira, Die lateinische Schriftkultur der Antike (The Roman Literate Culture of Antiquity) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Annemarie Schimmel, Die arabische Schriftkultur (The Arabian Literate Culture) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Matthias M. Tischler, Das Mittelalter in Europa: Lateinische Schriftkultur (The Latin Literate Culture of Medieval Europe) . . . . . . . . . Manfred Günter Scholz, Die Entstehung volkssprachlicher Schriftkultur in Westeuropa (The Evolution of Vernacular Literate Cultures in Western Europe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

424 432 436 451 472 491 503 511 517 525 536

555

Inhalt/Contents

42. 43.

V. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55.

VI. 56. 57. 58. 59. 60. 61. 62. 63. 64.

Ernst Bremer, Der Buchdruck und seine Folgen (The Impact of the Printing Press) entfällt Rüdiger Weingarten, Perspektiven der Schriftkultur (Perspectives of Literate Culture) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

XIII

573

Funktionale Aspekte der Schriftkultur Functional Aspects of Literacy Peter Koch & Wulf Oesterreicher, Schriftlichkeit und Sprache (Writing and Language) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Philip C. Stine, Writing and Religion (Schriftlichkeit und Religion) . . Jürgen Weitzel, Schriftlichkeit und Recht (Writing and Law) . . . . . . Annelies Häcki Buhofer, Schriftlichkeit im Handel (Writing and Trade) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Reiner Pogarell, Schriftlichkeit und Technik (Writing and Technology) David R. Olson, Writing and Industrialization (Schriftlichkeit und Industrialisierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keith Walters, Writing and Education (Schriftlichkeit und Erziehung) Manfred Geier, Schriftlichkeit und Philosophie (Writing and Philosophy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . David R. Olson, Writing and Science (Schriftlichkeit und Wissenschaft) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Catherine Viollet, Schriftlichkeit und Literatur (Writing and Literature) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gustav Ineichen, Schriftlichkeit und Philologie (Writing and Philology) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Manfred Geier, Sekundäre Funktionen der Schrift (Secondary Functions of Writing) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

587 604 610 619 628 635 638 646 654 658 672 678

Gesellschaftliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Social Aspects of Literacy Christian Stetter, Orthographie als Normierung des Schriftsystems (Orthography as a Norm for the Writing System) . . . . . . . . . . . . . William A. Smalley, Codification by Means of Foreign Systems (Erstverschriftung durch fremde Systeme) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . William A. Smalley, Native Creation of Writing Systems (Autochthone Erstverschriftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dieter Nerius, Orthographieentwicklung und Orthographiereform (Development and Reform of Orthography) . . . . . . . . . . . . . . . . . Florian Coulmas, Schriftlichkeit und Diglossie (Writing and Diglossia) Helmut Glück, Schriften im Kontakt (Writing Systems in Contact) . Ludo Verhoeven, Demographics of Literacy (Demographie der Literalität) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Paul E. Fordham, The Promotion of Literacy in the “Third World” (Alphabetisierung in der „Dritten Welt“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Leslie J. Limage, UNESCO’s Efforts in the Field of Literacy (Die Alphabetisierungsarbeit der UNESCO) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

687 697 708 720 739 745 767 779 790

XIV

65. 66.

67. 68.

69.

70.

71.

72.

73. 74. 75.

Inhalt/Contents

Stephen L. Walter, Mother Tongue Literacy ⫺ the Work of the S. I. L. (Muttersprachliche Alphabetisierung ⫺ die Arbeit des S. I. L.) . . . . . . Helmut Jachnow, Die sowjetischen Erfahrungen und Modelle der Alphabetisierung (The Soviet Experiences and Models of Promotion of Literacy) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klaus Wedekind, Alphabetisierung und Literalität in Äthiopien (Literacy Movements and Literacy in Ethiopia) . . . . . . . . . . . . . . Merieta Johnson, Literacy Movements in Central and South America and in the Carribean (Alphabetisierung in Mittel- und Südamerika und in der Karibik) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Creamer, The Chinese Experiences and Models of Promotion of Literacy (Die chinesischen Erfahrungen und Modelle der Alphabetisierung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Heberer, Entwicklung von Literalität und Alphabetisierung bei den nicht chinesisch sprechenden Völkern Chinas (The Promotion of Literacy in East Asia: The Case of Non-Chinese Speaking People in China) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrich Knoop, Entwicklung von Literalität und Alphabetisierung in Deutschland (The Development and Advancement of Literacy in Germany) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ursula Giere, Entwicklung von Literalität und Alphabetisierung in England und Nordamerika (The Development and Advancement of Literacy in England and North America) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Heinz W. Giese, Literalität und Analphabetismus in modernen Industrieländern (Literacy and Illiteracy in Modern Industrial Nations) . . Czesław Karolak, Das System der Zensur und seine Auswirkungen auf die Literalität (Censorship) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pirrko-Liisa Haarmann, Copyright (Copyright) . . . . . . . . . . . . . .

Farbtafeln / Colour Plates

798

803 814

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873 883 893 898

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Psychological Aspects of Writing and Its Use 76. Schriftlichkeit und psychologische Strukturen Redaktioneller Hinweis: Aus terminlich-technischen Gründen muß der an dieser Stelle vorgesehene Artikel leider entfallen.

77. Basale Aspekte der Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einleitung Mündliche Äußerungen Schriftliche Äußerungen Modellierung der Produktion und Perzeption schriftlicher und mündlicher Äußerungen Perspektiven Literatur

1.

Einleitung

Bei der Analyse der Sprachprozesse (Sprechen und Hören, Lesen und Schreiben) ist zwischen den automatisierten basalen Prozessen bei der Produktion bzw. Perzeption sprachlicher Äußerungen und den höheren Prozessen der Planung, Integration, Reflexion etc. zu unterscheiden. Spontane Äußerungen in der Interaktion sind etwas anderes als das Halten einer Rede, und wir thematisieren einen anderen Sachverhalt, wenn wir vom Schreiben eines Romans sprechen, als wenn wir vom Aufschreiben einer Nachricht reden, etc. Diese Unterschiede sind nicht nur quantitativer Art: Die weitere Perspektive des Konzepts ‘sprachliche Äußerung’ umfaßt eine Reihe von zielorientierten Teilakten wie Konzipieren, Organisieren, Redigieren etc. Immer aber wird es bei der Sprachproduktion einen Teilakt geben, in dem eine einzelne Vorstellung lautsprachlich geäußert oder zu Papier gebracht wird; in der neueren Kognitionsforschung wird angenommen, daß es sich hierbei um komplexe automatisierte Vorgänge handelt, die bewußter Kontrolle nicht

zugänglich sind. Analoges gilt für die perzeptiven Sprachtätigkeiten Lesen und Hören. Im vorliegenden Artikel sollen diese basalen Prozesse, also das Sprechen und Hören, Lesen und Schreiben im engeren Sinne, thematisiert werden. Sprachliche Äußerungen sind das Produkt der Tätigkeiten des Sprechens bzw. Schreibens. Lautsprachliche Äußerungen als Ergebnis der mündlichen Sprachproduktion treten uns in der Regel als auditiv wahrnehmbare Ereignisse entgegen, die sich über die Zeit erstrecken und flüchtig sind. Die mit diesen empirisch verbundenen, vom externen naturwissenschaftlichen Beobachter meßbaren Vorgänge in der Außenwelt (Tillmann 1980) sind Ergebnis der Modulation bzw. Filterung eines Rohschalls durch die sich beim Artikulieren verändernde Hohlraumgeometrie im Ansatzrohr (Fant 1960). Das Produkt schreibsprachlicher Tätigkeit hingegen ist das Ergebnis der Verwendung von Schreibwerkzeugen (Günther 1988) und tritt uns als visuell wahrnehmbare, geometrische Zeichenkette gegenüber, deren Ausdehnung räumlich ist, die aus diskreten Elementen besteht und die nicht flüchtig, d. h. zumindest über eine gewisse Zeit fixiert ist (→ Art. 2). Diese letztgenannte Eigenschaft des schriftsprachlichen Produkts verführt nicht nur im alltäglichen Verständnis zu der falschen Vorstellung, daß auch bei lautsprachlichen Äußerungen (Panconcelli-Calzia 1947) von einer Folge invarianter, zeitlich klar abgrenzbarer ‘Sprachlaute’ auszugehen ist.

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Psychological Aspects of Writing and Its Use 76. Schriftlichkeit und psychologische Strukturen Redaktioneller Hinweis: Aus terminlich-technischen Gründen muß der an dieser Stelle vorgesehene Artikel leider entfallen.

77. Basale Aspekte der Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einleitung Mündliche Äußerungen Schriftliche Äußerungen Modellierung der Produktion und Perzeption schriftlicher und mündlicher Äußerungen Perspektiven Literatur

1.

Einleitung

Bei der Analyse der Sprachprozesse (Sprechen und Hören, Lesen und Schreiben) ist zwischen den automatisierten basalen Prozessen bei der Produktion bzw. Perzeption sprachlicher Äußerungen und den höheren Prozessen der Planung, Integration, Reflexion etc. zu unterscheiden. Spontane Äußerungen in der Interaktion sind etwas anderes als das Halten einer Rede, und wir thematisieren einen anderen Sachverhalt, wenn wir vom Schreiben eines Romans sprechen, als wenn wir vom Aufschreiben einer Nachricht reden, etc. Diese Unterschiede sind nicht nur quantitativer Art: Die weitere Perspektive des Konzepts ‘sprachliche Äußerung’ umfaßt eine Reihe von zielorientierten Teilakten wie Konzipieren, Organisieren, Redigieren etc. Immer aber wird es bei der Sprachproduktion einen Teilakt geben, in dem eine einzelne Vorstellung lautsprachlich geäußert oder zu Papier gebracht wird; in der neueren Kognitionsforschung wird angenommen, daß es sich hierbei um komplexe automatisierte Vorgänge handelt, die bewußter Kontrolle nicht

zugänglich sind. Analoges gilt für die perzeptiven Sprachtätigkeiten Lesen und Hören. Im vorliegenden Artikel sollen diese basalen Prozesse, also das Sprechen und Hören, Lesen und Schreiben im engeren Sinne, thematisiert werden. Sprachliche Äußerungen sind das Produkt der Tätigkeiten des Sprechens bzw. Schreibens. Lautsprachliche Äußerungen als Ergebnis der mündlichen Sprachproduktion treten uns in der Regel als auditiv wahrnehmbare Ereignisse entgegen, die sich über die Zeit erstrecken und flüchtig sind. Die mit diesen empirisch verbundenen, vom externen naturwissenschaftlichen Beobachter meßbaren Vorgänge in der Außenwelt (Tillmann 1980) sind Ergebnis der Modulation bzw. Filterung eines Rohschalls durch die sich beim Artikulieren verändernde Hohlraumgeometrie im Ansatzrohr (Fant 1960). Das Produkt schreibsprachlicher Tätigkeit hingegen ist das Ergebnis der Verwendung von Schreibwerkzeugen (Günther 1988) und tritt uns als visuell wahrnehmbare, geometrische Zeichenkette gegenüber, deren Ausdehnung räumlich ist, die aus diskreten Elementen besteht und die nicht flüchtig, d. h. zumindest über eine gewisse Zeit fixiert ist (→ Art. 2). Diese letztgenannte Eigenschaft des schriftsprachlichen Produkts verführt nicht nur im alltäglichen Verständnis zu der falschen Vorstellung, daß auch bei lautsprachlichen Äußerungen (Panconcelli-Calzia 1947) von einer Folge invarianter, zeitlich klar abgrenzbarer ‘Sprachlaute’ auszugehen ist.

904

2.

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Mündliche Äußerungen

Mündliche Äußerungen werden in der Regel einem in der Gesprächssituation direkt anwesenden Gesprächspartner (Hörer) gegenüber produziert. In der normalerweise gegebenen dialogischen Situation wechseln dabei die Partner zusätzlich ständig untereinander ihre Rolle als Sprecher und Hörer. Die mündlichen Sprachäußerungen sind Teil der direkten Interaktion zwischen den Partnern innerhalb einer jeweils konkret gegebenen (Sprech-) Situation. Sie erlangen ihre Bedeutung grundsätzlich aus diesem Eingebettetsein in die Interaktion (Grice 1957). Direkte Konsequenzen dieser Situation, wie sie etwa Levelt (1989 a) für das Sprechen diskutiert, sollen jedoch im folgenden zunächst ausgespart bleiben; es sollen hier nur die beim Sprechen und Hören im engeren Sinne ablaufenden phonetischen Prozesse etwas genauer dargestellt werden, wobei wir dies entlang der historischen Entwicklungslinien der neueren Phonetik tun wollen. 2.1. Mündliche Sprachproduktion Eine der wichtigsten Erkenntnisse zu Beginn der modernen Phonetik in der Mitte des letzten Jahrhunderts war die von den Lautphysiologen (wieder-)erkannte Tatsache, daß sich jeder einzelne Sprachlaut durch die Art seiner Hervorbringung, d. h. artikulatorisch, charakterisieren läßt (Brücke 1856). Dies ist bis heute unbestritten. Auch die Lautsymbole des ‘International Phonetic Alphabet’ (IPA; → Art. 142) sind artikulatorisch definiert nach Artikulationsmodus, Artikulationsstelle und artikulierendem Organ. Obwohl von den Lautphysiologen durchaus erkannt worden war, daß die Artikulation fließend gesprochener Sprache dennoch nicht in einer einfachen Aufeinanderfolge einzelner artikulatorischer Einstellungen besteht, wurde diese Vorstellung den frühen instrumentalphonetischen Untersuchungen als Modell zugrundegelegt. Lautabgrenzungen an den kymographischen Aufzeichnungen (vor allem der ‘Mundstromkurve’) wurden nach der Vorstellung vorgenommen, daß der einzelne Laut aus einem sogenannten ‘Anglitt’ ⫺ einer schnellen ‘Sprech’-Bewegung ⫺, dem ‘Singteil’ der ‘Haltephase’ (entsprechend der lautphysiologischen Beschreibung), und einer wiederum schnellen Bewegung, dem ‘Abglitt’, bestehe. Sprachen sich auch vorsichtigere Experimentalphonetiker (Panconcelli-Calzia, Scripture) gegen eine solche vereinfachende Vorstellung

aus, so zeigte doch erst der Röntgenfilm der Artikulation, daß wir es beim Sprechen grundsätzlich mit kontinuierlichen Dauerbewegungen zu tun haben. Anstatt die ‘Sprachlaute’ genauer bestimmen zu können, schien der physiologisch messende Instrumentalphonetiker nun mit nicht weiter segmentierbaren ‘Sprachkurven’ konfrontiert. Eine linguistische Antwort auf dieses ‘Scheitern’ der frühen Experimentalphonetik bildete die Entwicklung der Phonologie (Trubetzkoy 1939), die die (physikalisch-)phonetischen Vorgänge zu Epiphänomenen in bezug auf die systematisch-distinktiven Lauteigenschaften der Phoneme erklärte. Seitens der Phonetik hingegen wurde die Frage der Segmentierbarkeit von Einzellauten unter einem veränderten Aspekt betrachtet. So argumentierten Menzerath & de Lacerda (1933), daß ⫺ eben damit Laute akustisch bzw. auditiv voneinander abgrenzbar wären ⫺ es gerade der sich zeitlich überlappenden Bewegungen der Artikulatoren bedarf: Verschiedenen Lauten zuzuordnende Bewegungen einzelner Sprechorgane würden deshalb gleichzeitig ausgeführt (koartikuliert). Dies zusammen mit der rasanten technischen Entwicklung im Bereich der Elektroakustik führte zu einer Verschiebung des wissenschaftlichen Hauptinteresses der Phonetik hin zur akustischen Manifestation des Gesprochenen. 2.2. Das akustische Sprachsignal Auch durch die mittels des in den 40er Jahren an den Bell-Laboratorien entwickelten akustischen Analysegerätes Sonagraph ermöglichte automatische Darstellung der spektralen Eigenschaften des akustischen Sprachsignals war das Problem der Sprachlautsegmentierung nicht gelöst. Vielmehr zeigten sich auch im akustischen Manifestationsbereich die Auswirkungen der Koartikulation (Öhman 1966). Es wurden aber spektrale Muster ⫺ acoustic features im Gegensatz zu den distinctive features der Phonologie (Jakobson, Fant & Halle 1963) ⫺ faßbar, die den einzelnen Spachlauten bzw. Sprachlautkategorien zugeordnet werden konnten (Potter, Kopp & Green 1947). 2.3. Perzeption lautsprachlicher Äußerungen und der phonetic speech processor Durch das an den Haskins-Laboratorien entwickelte Verfahren des pattern playback, mit dem auf photoelektrischem Weg handgemalte sonagrammähnliche Muster wieder hörbar gemacht werden konnten, wurde es

77. Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen

möglich, diese akustischen Merkmale auf ihre Relevanz für die Wahrnehmung einzelner Sprachlaute bzw. Sprachlautkategorien hin zu untersuchen. Die frühen Studien setzten sich dabei explizit das Ziel, „to strip the speech stream down to its phonemic essentials, […] to simplify the spectrographic pattern and yet preserve the intelligibility of the message“ (Liberman, Delattre & Cooper 1952, 497). So konnte die Lage der ersten beiden Formanten als maßgeblich für die Wahrnehmung der einzelnen Vokale bestimmt werden, die spektrale Charakteristik des Rauschsignals für die Frikativerkennung, sowie die Richtung und Dauer schneller Formantbewegungen (‘Transitionen’) als Hinweis (cue) auf konsonantische Artikulationsstelle bzw. -modus (schnell für Plosive, langsamer für Glides und Halbvokale). Im Rahmen dieser frühen Forschungen zeigten sich sehr bald zwei hervorstechende Merkmale bezüglich der Sprachlaut-‘Kodierung’ im akustischen Signal. Zum einen sind die spektralen Muster (cues) eines bestimmten Phonems nicht invariant, sondern teilweise extrem von den Nachbarlauten abhängig. So zeigt Abb. 77.1 die für die Wahrnehmung von /d/ notwendigen Formanttransitionen bei folgendem /a/ im Kontrast zu denen bei /i/.

Abb. 77.1: Schematische Sonagramme der Silben [da] und [di]

Auf der anderen Seite sind die cues für ein einzelnes phonologisches Merkmal über die Zeit auch lautübergreifend verteilt. So schlägt sich die Unterscheidung von ‘stimmhaft’ vs. ‘stimmlos’ bei Plosiven in einer Vielzahl von akustischen Merkmalen nieder: in der Dauer des vorausgehenden Vokals, der Dauer des Verschlusses (sichtbar als Signalpause bzw. als voice bar im Sonagramm), im zeitlichen

905

Verhältnis des Stimmtoneinsatzes zum Verschlußlösungsgeräusch, in der Frequenzlage des ersten Formanten bei Stimmtoneinsatz, etc. Auch akustisch und auditiv sind Einzellaute somit nicht segmentierbar. Daß dem so ist, führten Liberman, Cooper, Shankweiler & Studdert-Kennedy (1967) unter dem Schlagwort high performance of a low-speed machinery darauf zurück, daß wir mit unseren relativ langsamen Artikulationsorganen eine sehr hohe Informationsrate (im Schnitt 15 Phoneme pro Sekunde) erreichen müssen: Ebenfalls in den 50er Jahren durchgeführte Experimente mit einer Lesehilfe für Blinde, die auf einer Eins-zu-Eins-Zuordnung von Buchstaben zu einem akustischen ‘Alphabet’ basierten, zeigten so auch nur die Möglichkeit eines Zehntels dieser Übertragungsrate (ähnlich wie beim Morsen). Die Einzellautinformation muß also im lautsprachlichen Kommunikationsprozeß teilweise parallel übertragen, im akustischen Signal ‘enkodiert’ werden. Diese Charakteristik des akustischen Sprachsignals legte einen speziellen Sprachverarbeitungsmechanismus (phonetic speech processor) im auditorischen System nahe, dem die Aufgabe zukommt, die akustisch enkodierte Laut-Information wiederum zu dekodieren (Liberman et al. 1967), indem die dem Signal zugrundeliegenden motorischen Befehle rückerschlossen werden (motor theory of speech perception, analysis by synthesis). Das Konzept eines speziellen phonetischen Verarbeitungsmechanismus wurde gestützt durch Besonderheiten bei der perzeptiven Verarbeitung von sprachlichen Reizen, die sich in den im folgenden beschriebenen Effekten zeigen, die im Zentrum des wissenschaftlichen Interesses der perzeptiven Phonetik der 70er Jahre standen. Kategoriale Wahrnehmung (Repp 1974; vgl. Abb. 77.2) bezeichnet den Effekt, daß eine physikalisch gleichmäßige Veränderung entlang eines akustischen Parameters ⫺ z. B. der Startfrequenz der Transition des zweiten Formanten, dem Zeitpunkt des Stimmtoneinsatzes nach der Verschlußlösung, der sog. voice onset time (VOT), etc. - nicht mit einer kontinuierlichen Veränderung des Perzepts einhergeht, wie dies z. B. bei Lautstärke und Grundfrequenz der Fall ist, sondern bei der Identifikation plötzliche Wechsel in der wahrgenommenen Kategorie (Artikulationsstelle, Stimmhaftigkeit etc.) auftreten, während parallel dazu (und mathematisch ableitbar) bei der Diskrimination lediglich die

906

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Reize unterschieden werden, die auch unterschiedlich kategorisiert wurden. Im Gegensatz hierzu können wir normalerweise wesentlich mehr Stufen (z. B. der Tonleiter, der Lautstärke etc. ⫺ aber auch von Vokalqualitäten, vgl. Abb. 77.2c) voneinander unterscheiden, als wir benennen können. Selektive Adaptierbarkeit (Cooper 1975, vgl. Abbildung 77.3) bedeutet, daß diese Kategoriengrenzen durch ‘Ermüdung’ veränderbar sind. Nach einer Vielzahl von Darbietungen der Silbe /pa/ werden z. B. in einem akustischen /da/-/ta/ -VOT-Kontinuum auch Stimuli mit einem höheren VOT-Wert als vor der Adaptation noch als stimmhaft wahrgenommen. Die Adaptation erfolgt also auf ein linguistisch relevantes Merkmal (im Beispiel Stimmlosigkeit), nicht auf ein rein akustisches hin. Right ear advantage: Der Vorteil des rechten Ohres bei der Sprachwahrnehmung (Pisoni 1975) tritt bei dichotischer Darbietung von Sprachsignalen auf, d. h. von gleichzeitig zwei kategorial verschiedenen Reizen auf beiden Ohren. Die dem rechten Ohr dargebotene Information wird besser als die auf dem linken Ohr wahrgenommen. Erklärt wird dieser Effekt mit generell stärkeren kontralateralen Nervenverbindungen und einem in der dominanten Großhirnhemisphäre angesiedelten Sprachverarbeitungsmechanismus. Bietet man hingegen Musik dichotisch dar, so zeigt sich der entgegengesetzte Effekt, nämlich ein Vorteil des linken Ohrs (Kimura 1967). Asymmetrische Redundanzvorteile (Wood 1975) zeigen sich bei gleichzeitiger Variation eines sprachlich nicht relevanten akustischen Parameters (z. B. der Lautstärke) und eines cues (z. B. für die Artikulationsstelle). Bei paralleler Veränderung beider Merkmale wird die Erkennensgeschwindigkeit für das sprachliche Merkmal gegenüber der bei einfacher Variation desselben erhöht (nicht jedoch umgekehrt bezüglich des sprachlich nicht relevanten Merkmals). Abb. 77.2: Das experimentelle Paradigma der kategorialen Wahrnehmung: (a) 13-stelliges Artikulationsstellen-Kontinuum durch Variation der Startfrequenz des zweiten Formanten (F2); (b) Verteilung der [b]-, [d]- und [g]-Antworten bei deren Identifikation sowie die hieraus errechnete Diskrimination (fett grau) und die experimentell gemessene Diskriminationsleistung (fett schwarz); (c) Identifikation und Diskrimination bei einem akustischen Vokalkontinuum (Darstellung wie unter (b)).

2.4. Zum Zusammenhang von Produktion und Perzeption mündlicher Äußerungen Heute ist allerdings die Sprachgebundenheit der vorgestellten Effekte nicht mehr unbestritten. Im experimentellen Paradigma der kategorialen Wahrnehmung konnte in der Folgezeit zudem durch den Effekt der sogenannten trading relations gezeigt werden, daß praktisch alle akustischen Auswirkungen der Artikulation cue-Charakter erhalten können, wenn nur die eigentlich gewichtigeren Merk-

77. Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen

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male unentscheidbar gehalten werden (Bailey & Summerfield 1980). Nicht zuletzt hierdurch trat in den 80er Jahren die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Artikulation und phonetischer Perzeption wieder stärker in den Vordergrund des wissenschaftlichen Interesses. Während die motor theory of speech perception (Liberman & Mattingly 1985) weiterhin am Konzept der Dekodierung des akustischen Sprachsignals festhält, gehen neuerdings die Vertreter des durch Gibson (1966) beeinflußten ‘gestural-dynamischen Ansatzes’ von einer ‘direkten’ Wahrnehmung (phonemischer) Gesten aus (Fowler 1986). Die Artikulation läßt sich nach diesen Theorien ⫺ z. B. der action theory (Kelso, Saltzman & Tuller 1986) oder der articulatory phonology (Browman & Goldstein 1986) ⫺ auffassen als die Ausführung dynamisch beschreibbarer zielgerichteter Einzellautgesten, die in einem relationalen zeitlichen Zusammenhang stehen. Die Wahrnehmung einzelner Laute resultiere eben aus der Wahrnehmung dieser abstrakten Gesten. Gemeinsam ist allen Ansätzen, bei aller Verschiedenheit im Einzelnen, die Vorstellung, daß bei der Wahrnehmung gesprochener Äußerungen die Analyse des Signals auf die Art und Weise seiner Hervorbringung rekurriert (Tillmann & Günther 1986, Pompino-Marschall 1955).

3.

Abb. 77.3: Das experimentelle Paradigma der selektiven Adaptation: (a) präadaptive Identifikation eines Artikulationsstellen-Kontinuums (vgl. Abb. 77.2 a), (b) Identifikation desselben Kontinuums nach Adaptation mit der jeweils angegebenen Silbe (Pfeile markieren die Lage der präadaptiven bzw. die durch Adaptation verschobenen Kategoriengrenzen).

Schriftliche Äußerungen

Schriftliche Äußerungen haben keine zeitliche, sondern eine räumliche Ausdehnung, sie sind nicht flüchtig, sondern konstant, und sie sind als visuelle Objekte segmental in diskreten Einheiten organisiert. Kennzeichen schriftlicher Äußerungen ist ihre Gegenständlichkeit (vgl. Günther 1988, Kap. 1). Sie existieren, einmal produziert, quasi unabhängig vom Schreiber; der Leser befaßt sich mit dem Text, nur mittelbar mit dem Schreiber. Der für lautsprachliche Kommunikation basale Begriff der Interaktion ist für schriftliche Kommunikation bestenfalls in abgeleiteter Form anwendbar. Schriftliche Äußerungen sind in der Regel erheblich umfangreicher als mündliche, dafür hat sich der Begriff Text eingebürgert (→ Art. 2). 3.1. Die äußere Form schriftlicher Äußerungen (Texte) Die Gegebenheiten des Schreib- und Beschreibmaterials und die Beschränkungen des zweidimensionalen Raums bilden systemati-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

sche nicht-sprachliche Organisationsprinzipien von schriftlichen Äußerungen. Schriftliche Äußerungen bestehen aus minimalen Elementen, die aus Strichen zusammengesetzt sind: den Schriftzeichen. Versuche, die Zusammensetzung der Schriftzeichen systematisch auf universale Bestandteile (Gerade, Halbkreis, Punkt, etc.) analog zur Bestimmung phonetischer Merkmale zurückzuführen (z. B. Gibson & Levin 1965), sind erfolglos geblieben. Für einzelne Schriften typisch ist ein auch dem Laien erkennbarer spezieller Duktus der Schriftzeichen verschiedener Systeme. In schriftlichen Äußerungen werden Schriftzeichen ihrerseits zusammengesetzt zu Bändern, deren Raumlage hierarchisch geregelt ist. In den westeuropäischen Schriften erstreckt sich das Schriftband von links nach rechts, diese Zeilen laufen von oben nach unten. Im Chinesischen läuft das Schriftband von oben nach unten, und die einzelnen Kolumnen werden von links nach rechts nebeneinander gestellt. Innerhalb der Zeilen können Schriftzeichen weiter gruppiert werden. In den neueren Alphabetschriften werden z. B. Wörter durch Leerzeichen zwischen Schriftzeichen gekennzeichnet, die syntaktische Struktur durch Interpunktionszeichen. Sinn dieser Gliederungshinweise ist die Sichtbarmachung der grammatischen Artikulation des Textes (vgl. Raible 1991, Maas 1992). Zeilen wiederum können zu größeren Einheiten wie Absätzen, Überschriften usw. gruppiert werden (vgl. Gallmann 1985). Schriften werden unterschieden nach der kleinsten jeweiligen sprachlichen Bezugseinheit. In logographischen Schriften sind dies die Bedeutungsträger (Wörter oder Morpheme), in syllabischen Schriften Silben, in alphabetischen Schriften kleinere Lautabschnitte (→ Art. 116). Reine Schriften der einen oder anderen Art gibt es allerdings praktisch nicht; Kennzeichnungen wie ‘alphabetisch’ etc. betreffen immer den überwiegenden Bezug (→ Art. 115). 3.2. Lesen Die elementaren Aspekte der Wahrnehmung schriftlicher Äußerungen werden durch die in 3.1. geschilderten materiellen Gegebenheiten bestimmt. Die Augenbewegungen beim Lesen (vgl. Günther 1988: Kap. 5; → Art. 80) reflektieren in ihrer Makrostruktur die Gliederung der Texte in Schriftbänder: Der Mittelpunkt der Sehachse wird beim Lesen z. B. deutscher Texte in ruckartigen Bewegungen

(Sakkaden) von durchschnittlich 8 Schriftzeichen von links nach rechts bewegt, vereinzelt auch um einige Schriftzeichen in der Zeile von rechts nach links zurück, am Zeilenende dann in einer großen Bewegung zum Beginn der nächsten Zeile (vgl. Abb. 77.4). Das Augenbewegungsmuster beim Lesen chinesischer Texte ist dementsprechend um 90⬚ verschoben. Zwischen den Saccaden ruht das Auge für längere Zeit zur Weiterverarbeitung der visuellen Informationen (Fixationen). Etwa 6 Schriftzeichen liegen dabei im Bereich des schärfsten Sehens. Verschiedene Befunde legen die Annahme nahe, daß die Weiterverarbeitung des Netzhautbildes als primären Schritt die automatische Umwandlung der visuellen Formen in abstrakte Repräsentationen von Schriftzeichen (abstract letter identities) vorsieht, in denen Informationen über Schriftart, -größe, -typ usw. nicht vorkommen (vgl. Coltheart 1981). Dem entspricht auch das Ergebnis der umfangreichen Forschungen von Tinker (1963), daß innerhalb bestimmter Grenzen Veränderungen der Größe, Form, Farbe etc. von Schriftzeichen keine wesentlichen Veränderungen des Lesemusters erzeugen. Die primäre Verarbeitungseinheit beim flüssigen Lesen ist das Wort, d. h. es wird angenommen, daß die abstrakten Repräsentationen im Wortformat gebildet werden (Henderson 1982). Eine zentrale Frage der Leseforschung in den vergangenen 20 Jahren lautete: Wird eine visuell dargebotene Buchstabenfolge zuerst ‘phonologisch rekodiert’, d. h. in eine Phonemfolge bzw. eine irgendwie lautliche Repräsentation umgewandelt, bevor das Wort erkannt wird (sog. prälexikalisches phonologisches Rekodieren), oder ist auch „direkter“ Zugriff ohne lautliche Vermittlung möglich, wobei erst nach dem Erkennen des geschriebenen Wortes Zugang zu seiner lautlichen Repräsentation erfolgt? Die Notwendigkeit einer Transformation der abstrakten graphischen Repräsentation in einen phonetisch/phonologischen Code wird dabei in der neueren Forschung nicht mehr angenommen; der erwachsene Leser liest in der Regel ohne phonologische Vermittlung (vgl. Günther 1988: Kap. 6; → Art. 81). Allerdings steht ihm die Möglichkeit weiter zur Verfügung, den lexikalischen Zugriff durch Umwandlung der Schriftzeichenfolgen in eine phonologische Repräsentation zu bewerkstelligen (dual code hypothesis, vgl. Scheeerer 1983 a,b; Humphreys & Evett 1985). Außerdem wird nach dem direkten lexikalischen Zugriff in

77. Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen

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Abb. 77.4: Aufzeichnung von Augenbewegungen (aus Günther 1988) Unterste Zeile: Zeitraster; ein Teilstrich ⫽ 200 msec (Y) Vertikale Bewegung des Auges (239 ⫽ ganz oben, 0 ⫽ ganz unten auf der Seite) (X) Horizontale Bewegung (0 ⫽ ganz links, 459 ⫽ ganz rechts auf der Seite) (P) Öffnungsgrad der Pupille (in der Mitte der Kurve ist ein Lidschlag zu sehen)

der Regel auch der phonologische Code aktiviert (sog. postlexikalisches phonologisches Rekodieren, vgl. Seidenberg 1986); dies gilt für alphabetische wie logographische Schriftsysteme (→ Art. 81, 92, 93). Ungeklärt und bislang kaum untersucht ist, inwieweit beim Lesen automatisch ablaufende höhere kognitive Prozesse, d. h. insbesondere die syntaktische und semantische Verarbeitung schriftlicher Äußerungen, anders ablaufen als beim Hören (s. a.u. Zf. 4.). Dagegen ist klar, daß Lesen im weiteren Sinne systematische Unterschiede zur Verarbeitung mündlicher Äußerungen aufweist. Erstes Kennzeichen ist die (in der Regel) höhere Geschwindigkeit und größere Kapazität der verarbeiteten Materialien. Die räumlich konstante Natur der schriftlichen Äußerung ermöglicht die diskontinuierliche Verarbeitung (zurückspringen, auslassen, Tempoveränderung) unabhängig vom Verhalten des Textproduzenten; direkte Interaktion mit diesem fehlt (→ Art. 82). 3.3. Schreiben Die Vorgänge bei der Produktion schriftlicher Äußerungen sind weit weniger intensiv untersucht worden als die Perzeptionsvorgänge. Es scheint nahezuliegen, den Schreibprozeß quasi als Umkehrung des Lesens zu betrachten. Er bestünde danach in der Bildung einer Vorstellung, der folgenden Umset-

zung in eine grammatische Struktur, lexikalischer Einsetzung, gegebenenfalls Umsetzung der phonologischen Repräsentationen in abstrakte graphische Repräsentationen, schließlich der Umsetzung in motorische Kommandostrukturen (s. u. Zf. 4.3. für ein entsprechendes Modell des Sprechens). Diese Vorstellung ist ebenso einleuchtend wie irreführend. Systematisches gemeinsames Merkmal aller Schreibprozesse ist die Verwendung von Werkzeugen, d. h. eines Schreibgeräts und eines zu beschreibenden Gegenstands. Die verwendeten Werkzeuge implizieren dabei unterschiedliche Verarbeitungsprozesse. Zu unterscheiden sind die handschriftlichen Produktionsprozesse (→ Art. 86) vom Maschineschreiben (→ Art. 89) und vom Drucken ebenso wie vom Schreiben mit neuen Medien (→ Art. 90), wobei Übergänge bestehen. Der werkzeugvermittelte Aspekt der Produktion schriftlicher Äußerungen impliziert die nicht quasi natürliche Form des Schreibprozesses im Gegensatz zum Leseprozeß: Die saccadischen Muster und Fixationen beim Lesen basieren auf Eigenheiten des optischen Systems, die allen visuellen Vorgängen gemeinsam sind; sie werden lediglich auf die Geometrie des Textes angewandt. Der Schreibprozeß im engeren Sinne dagegen ist orientiert am vorhandenen Werkzeug; Handschreiben ist rein physiologisch etwas anderes als Tippen, dieses grund-

910

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

sätzlich verschieden vom Schreiben mit dem Computer. Es ist dabei nicht auszuschließen, daß auch die sprachlichen Aspekte des Schreibprozesses in diesen unterschiedlichen Formen anders ausfallen (z. B. aufgrund unterschiedlicher Geschwindigkeiten), was freilich in der Schreibforschung bislang kaum thematisiert wird. Darüber hinaus ist der Schreibprozeß grundsätzlich durch seine Langsamkeit gegenüber dem Sprechen geprägt. Während enges Schattieren (s. u. Zf. 4.3.) lautsprachlich möglich ist, lassen sich mündliche Äußerungen nicht mit dem Tempo eines Sprechers niederschreiben, wenn man keine spezifischen Verfahren wie Stenographie benutzt (→ Art. 144). Diese Verfahren beruhen auf Kürzungen, die beim anschließenden Übertragen wieder ausbuchstabiert werden müssen. Dabei ist die Langsamkeit des Schreibens nicht nur der Trägheit der Motorik beim Umgang mit dem jeweiligen Werkzeug geschuldet. Offenbar spielt die segmentale Organisation von Schriftproduktion (auch in der Handschrift, → Art. 86) gegenüber der kontinuierlichen Lautproduktion hier eine wesentliche Rolle (s.o. Zf. 2. zu den Überlegungen, daß gerade die Koartikulation Garant der Geschwindigkeit lautsprachlicher Kommunikation ist). Dabei geht es im Zusammenhang des vorliegenden Artikels allein um die Langsamkeit des jeweiligen singulären Schreibakts gegenüber einem entsprechenden Sprechakt. In einen theoretisch anderen Rahmen gehört die Langsamkeit des Schreibens durch die Vorgänge von Reflexion, Revision etc. (→ Art. 85). 3.4. Zum Zusammenhang von Produktion und Perzeption schriftlicher Äußerungen Den engen Zusammenhang von Produktion und Perzeption in der mündlichen Sprachtätigkeit (vgl. Zf. 2.4.) gibt es im Schriftlichen nicht. Ganz im Gegenteil ist gerade das Auseinanderfallen von Produktion, Produkt und Perzeption charakteristisch für die Verarbeitung schriftlicher Sprache. Die Idee eines visuellen Sprachverarbeiters, dessen Tätigkeit darin bestünde, beim Lesen den Schreiboder Druckvorgang zu rekonstruieren, ist schon aufgrund der Werkzeuggebundenheit schriftlicher Sprachproduktion nachgerade absurd (Günther 1988). Im Grunde macht es nicht einmal Sinn, von einer Interaktion von Autor, Leser und Text zu sprechen, was mutatis mutandis Charakteristikum der Verar-

beitung mündlicher Äußerungen ist. Dieser einfache Sachverhalt ist aber vermutlich die eigentliche Ursache für die revolutionäre Wirkung von Schrift: Erst die Trennung des Textes von der Sprechsituation ermöglicht es, Sprache selbst zum Gegenstand zu machen. Schrift ist dabei nicht nur immer werkzeuggebunden, sondern selbst Werkzeug zum Erkennen von Sprache: Erst als gegenständliche Sprache wird Sprache zum Gegenstand (→ Art. 2). Die meisten metasprachlichen Leistungen sind schriftgebunden (→ Art. 76). Die Trennung von Produktion, Produkt und Perzeption ermöglicht die Analyse der sprachlichen Prozesse auch bei der mündlichen Sprache, wo diese Trennung gerade nicht vorliegt (→ Art. 1, 44); sie ist aber auch verantwortlich für Mißinterpretationen mündlicher Sprachprozesse, insbesondere ihre Konzeption als Abfolge „eigentlich“ diskreter Lautsegmente.

4.

Modelle der Produktion und Perzeption schriftlicher und mündlicher Äußerungen

Die menschlichen Sprachtätigkeiten im engeren Sinne bestehen, sehr allgemein gesprochen, bei der Sprachwahrnehmung in der Abbildung des sensorischen Inputs auf gespeichertes Wissen und bei der Sprachproduktion in der Aktivierung vorhandenen Wissens und seiner Umsetzung in motorische Aktivitäten. Ein wesentliches Ziel der neueren Kognitionsforschung ist es, diese Vorgänge systematisch zu modellieren. Dabei geht es neben der Kennzeichnung der basalen Prozesse selbst um ihre Einbettung in den Gesamtprozeß der Sprachverarbeitung. Im folgenden sollen beispielhaft einige solcher Modelle gekennzeichnet werden. 4.1. One second of reading (Gough 1972) Obgleich Goughs Modell des lauten Lesens von 1972 in nahezu allen Detailaussagen heute als überholt gelten kann, wird es hier vorgestellt, weil es alle Probleme bezeichnet, die ein Modell des Leseprozesses behandeln muß, und weil daran wesentliche Aspekte der Modellierung komplexer kognitiv-sprachlicher Prozesse exemplifiziert werden können. Abb. 77.5 zeigt das Modell. Was geschieht nach Gough beim lauten Lesen zwischen dem Moment, in dem der Blick auf den Textanfang fällt, und dem Beginn der Artikulation? Der visuelle Input

77. Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen

911

Abb. 77.5: Modell des Leseprozesses (aus Gough 1972)

während einer Fixation führt zunächst zu einer Abbildung auf der Netzhaut und zu einem ikonischen Bild (icon). Aus dieser unstrukturierten Menge von Linien, Punkten, Winkeln etc. werden durch Mustererkennungsroutinen (pattern recognition) Buchstaben(folgen) gebildet und zwischengespeichert (character register), auf die ein Dekodierungsverfahren angewandt wird: Mit Hilfe von in einem code book tabellierten Buchstaben-Laut-Zuordnungen wird die Buchstabenfolge in eine Phonemfolge umgewandelt. Erst dann kann im Lexikon nach der Bedeutung gesucht werden. Die einzelnen Wörter werden sukzessive gespeichert (primary memory); ein bezeichnenderweise nach dem Zauberer Merlin benannter Mechanismus, der syntaktische und semantische Regeln darauf anwen-

det, reicht sie weiter zum TPWSGWTAU (the place where sentences go when they are understood). Diese Folge wird dann durch einen Editor für das laute Aussprechen wieder in eine (pikanterweise Script genannte) phonemische Repräsentation für die Aussprache umgewandelt. Gough zerlegt den Leseprozeß in eine Reihe von Einzeloperationen und postuliert eine Menge von Zwischenrepräsentationen. Dieser Ansatz distinkter levels of processing ist strikt seriell angeordnet; so kann in diesem Modell erst, wenn der visuelle Input vollständig (!) in eine Phonemfolge umgewandelt ist, das Lexikon konsultiert werden; nur semantisch und syntaktisch organisierte Wörter können für die Aussprache vorgesehen werden, etc. Alternativen zu dieser empirisch

912

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

nicht haltbaren Konzeption bilden einerseits Ansätze inkrementeller Modelle, andererseits parallele Prozeßmodelle (s. u.). Eine weitere Eigenschaft des Modells ist die Trennung von Regeln, Repräsentationen und Wissenskomponenten. Orientiert an linguistischen Vorstellungen des Konzepts der lexikalischen Einsetzung in syntaktische Strukturen spielt dabei der Begriff des lexikalischen Zugriffs eine besondere Rolle. Das Konzept des mentalen Lexikons bezeichnet den bei der menschlichen Sprachverarbeitung beim Sprechen und Hören, Lesen und Schreiben benutzten Speicher sprachlicher Elemente. Der Ausdruck ist eine Metapher, die ausdrückt, daß der Speicher im Gedächtnis nach Art eines Lexikons organisiert ist, d. h. daß die lexikalischen Einheiten nach einem bestimmten Prinzip aufgelistet sind. Eine gute Zusammenfassung des Forschungsstandes gibt Aitchison (1994). Die Lexikonmetapher kam in den 70er Jahren auf. Zentraler Untersuchungsgegenstand war dabei die Frage nach dem lexikalischen Zugriff. Ganz im Sinne des Lexikons als einer geordneten zweidimensionalen Liste von Einträgen ist darunter der Moment verstanden, in dem zwischen dem Sinnesreiz und dem gespeicherten Wissen Kontakt hergestellt wird. Lexikalischer Zugriff ermöglicht es, einen Reiz mit der Summe des Wissens über das damit signalisierte Wort zu identifizieren. Dabei ist die überwiegende Zahl der Arbeiten bis Mitte der 80er Jahre im Bereich der visuellen Worterkennung angesiedelt. Lexikalischer Zugriff (beim Lesen) ist definiert als derjenige Moment, in dem die auf dem Papier stehenden Buchstabenfolge (z. B. Wasser) im Gedächtnis identifiziert ist (in diesem Beispiel als das Wort Wasser). In just diesem Moment, so die theoretische Vorstellung, stehen schlagartig sämtliche dort gespeicherten Informationen zu diesem Wort zur Verfügung, also seine Bedeutung(en), seine Aussprache, seine grammatischen Eigenschaften (Geschlecht, Flexion, verwandte Wörter), seine Konnotationen etc. Lesen im engeren Sinne läßt sich eingrenzen auf die Modellierung des lexikalischen Zugriffs. Goughs Modell ist dafür ein Beispiel. Es lassen sich drei Arbeitsabschnitte unterscheiden: Die Verarbeitung des visuellen Inputs zu Repräsentationen, die lexikalischen Zugriff ermöglichen; die Integration der Lexikonelemente zu syntaktischen Strukturen, die semantisch interpretierbar sind, und schließlich die weitere Verarbeitung. Zu den letzten bei-

den Abschnitten wird nur wenig gesagt. Das Erkennen von Wörtern beim Lesen wird erreicht dadurch, daß der sensorische Input vollständig in eine phonologische Repräsentation umgeformt wird, die sich mit der Information im Lexikon deckt. Entsprechend dieser Basisannahme wird durch die Modellstruktur impliziert, daß die syntaktisch-semantische Verarbeitung auf die gleiche Weise wie beim Hören erfolgt. Diese Ansicht ist bis heute in der wissenschaftlichen Literatur vorherrschend; psycholinguistische Experimente zur Satzverarbeitung werden zum größten Teil mit schriftlichem Material durchgeführt (vgl. z. B. den Sammelband von Altmann 1989). 4.2. Speaking: From intention to articulation (Levelt 1989 a) Dieser Titel ist Programm. Levelt (1989 a) versucht, ähnlich wie Gough (1972) den Leseprozeß, den Prozeß des Sprechens gegliedert zu modellieren. Abb. 77.6 gibt das Modell als Schema wieder. Levelt ist der Vorstellung verpflichtet, daß das Sprachproduktionssystem seine Leistung nur deshalb so schnell und effektiv bringen kann, weil es aus einer Anzahl von Teilsystemen besteht, die parallel und unabhängig voneinander arbeiten, auf bestimmte Aufgaben spezialisiert sind und bestimmte Repräsentationen anderer Teilsysteme als Input haben. Es werden drei solcher Teilsysteme unterschieden: der Conceptualizer, in dem die Information und kommunikative Intention des Sprechers als semantische Repräsentation (preverbal message) organisiert werden, der Formulator, der die nicht-sprachliche Information sprachlich kodiert, und zwar zunächst syntaktischstrukturell (surface structure), sodann phonologisch (phonetic plan), und schließlich der Artikulator, der diese phonologisch-phonetische Struktur umsetzt in Artikulationsbewegungen, die zur Produktion von Sprachschall führen. Den beiden Hauptblöcken ist jeweils ein Wissenssystem zugeordnet. Um eine semantische Repräsentation zu erzeugen, bedarf es der Einordnung in die gegenwärtige Diskurswelt, verschiedener Informationen über den situationellen Zustand und natürlich über die Welt. Um eine grammatische und eine phonologische Repräsentation zu erzeugen, bedarf es des Wissens über die (minimalen) Ausdrücke, die es in einer Sprache gibt, d. h. ihre lexikalischen Einheiten. Diese sind im mentalen Lexikon gespeichert; ihre individu-

77. Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen

913

Abb. 77.6: Modell des Sprechens (aus Levelt 1989 a)

ellen Eigenschaften regeln die Generierung von grammatischen und phonologischen Repräsentationen. Wesentlich ist schließlich, daß die Modellierung des Sprechens systematisch den Verstehensprozeß einschließt, denn jeder Sprecher hört seine eigenen Produktionen und kann sie überwachen, gegebenenfalls korrigieren (self monitoring). Allerdings führt Levelt dieses System nicht aus; es ist auch durchaus fraglich, ob die gesamte Sprachproduktion des Sprechers immer von den gleichen Verstehensprozessen begleitet wird, die auch beim Hörer ablaufen. Die Aufteilung in drei Blöcke bedeutet nicht, daß (wie bei Gough 1972) der Output einer jeden Komponente des Systems vollständig sein muß, bevor die nächste ihre Arbeit aufnehmen kann, daß wir z. B. einen komplizierten Satz erst vollständig als phonetischen Plan vorliegen haben müßten, bevor wir mit seiner Artikulation beginnen können. Levelt spricht stattdessen von inkrementeller Sprachproduktion (S. 24ff): „Each processing component will be triggered into activity by a minimal amount of its characteristic input“. Das heißt, daß der Formulator seine Arbeit beginnen kann, sobald ein erstes Frag-

ment der semantischen Repräsentation vorliegt; der Artikulator beginnt zu arbeiten, wenn die erste Wortform aus dem Lexikon geholt worden ist, usw. Die drei Hauptblöcke unterscheiden sich auch nach Art der kognitiven Prozesse, die hier ablaufen. Die Bildung semantischer Repräsentationen wie auch die Überwachung des eigenen Sprechens sind Prozesse, die die Aufmerksamkeit des Sprechers erfordern, und sind deshalb jedenfalls zum Teil kontrolliert bewußte Prozesse. Der Formulator und der Artikulator dagegen arbeiten reflexartig und automatisch: Es ist gerade diese Theoriekonstruktion unabhängiger Teilsysteme, die die Geschwindigkeit des Systems ermöglicht. Der spezifische Aspekt des Sprechens liegt in diesem Modell in der Bildung einer phonologischen Repräsentation und ihrer Umsetzung im Artikulator. Im Gegensatz zu den Überlegungen oben Zf. 2. insistiert Levelt auf der primär segmentalen Organisation mündlicher Äußerungen, die erst durch den Artikulator verunklart wird; die gesamte Diskussion der Bildung von phonetic plans, d. h. der Eingaben für den Artikulator, und des Artikulators selbst dient dazu zu erklären, warum im Sprachsignal die segmentale Struktur (im

914

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Rahmen einer CV-Phonologie mit verschiedenen Ebenen) nicht (mehr) greifbar ist. Insofern ließe sich das Modell in Teilaspekten, mutatis mutandis und vielleicht sogar viel angemessener, auch als ein Modell des Schreibprozesses (im Sinne einzelner Schreibakte) interpretieren, in dem die Positionierung diskreter Elemente einen festen Platz hat. 4.3. Wahrnehmung mündlicher Äußerungen: Das Kohortenmodell Bei der Frage, wie die Geschwindigkeit des lexikalischen Zugriffs zu erklären ist, setzt das von W. Marslen-Wilson entwickelte Kohortenmodell ein (Marslen-Wilson 1984, 1987; Marslen-Wilson & Tyler 1980). Aufgrund experimenteller Evidenz vor allem aus sog. Shadowing-Experimenten (Marslen-Wilson 1985) läßt sich feststellen, daß beim hörenden Sprachverstehen weitgehend fehlerfreier lexikalischer Zugriff auf das richtige Element aus einer Menge von ca. 150000 Einheiten in durchschnittlich höchstens 250 msec erfolgt. Den Kern des Modells bildet die Vorstellung der Organisation des mentalen Lexikons in Abteilungen mit gleichem Anlaut (Kohorten), die auf der temporalen Abfolge der Laute beruhen. Die drei Stadien der auditiven Sprachwahrnehmung bilden die Aktivation, Selektion und Integration. Lexikalischer Zugriff erfolgt durch das Zusammenspiel der ersten beiden Stadien. Mit dem Eintreffen sensorischer Information werden alle lexikalischen Einträge deaktiviert, die damit inkompatibel sind. Als Beispiel: Es wird ein /b/ gehört; dies schließt alle Wörter aus, die nicht so beginnen (in der Lexikonmetapher: Der Buchstabe B wird aufgeschlagen). Gehört wird danach ein /a/. Dies führt zum Ausschluß von allen Wörtern, die nicht mit /ba/ beginnen, also z. B. berg, bindung, borste, burg, etc., dagegen sind etwa ball, balken, bast, batzen etc. noch möglich. Es folge /t/; übrig in der Kohorte bleiben u. a. batterie, battaillon, batzen. Sobald die Kohorte nur noch ein Element umfaßt, wird dieses selegiert und durch den Prozeß der Integration mit den übrigen Einheiten der Äußerung verbunden. So wird erklärt, wie es möglich ist, Wörter früher zu erkennen, als sie zuende ausgesprochen sind; dies aber ist notwendig, um die o.g. Geschwindigkeit zu erklären. Durch den Prozeß der Selektion werden außerdem schon sehr früh Kandidaten ausgeschieden, die kontextuell unverträglich sind; z. B. ist im Elektrogeschäft selten von Battaillonen und Batzen die Rede, wes-

halb die Lautfolge /bat/ ausreicht, batterie zu selegieren. Das zeigt, daß in diesem Modell die Prozesse auf den verschiedenen Ebenen interaktiv und nicht seriell wie bei Gough sind, auch wenn Marslen-Wilson stets auf der Priorität von bottom-up-Informationen besteht. Es ist bemerkenswert, daß Marslen-Wilson sein Modell ausdrücklich für die auditive Sprachwahrnehmung entwickelt hat (zum Zusammenhang mit Levelts Modell des Sprechens vgl. Levelt 1989 b). Ein Hauptgrund dafür, es nicht auf den Lesevorgang auszudehnen, liegt in dem Befund, daß bei der experimentellen Untersuchung der Wahrnehmung einzelner Wörter Buchstaben-Suchaufgaben systematisch andere Ergebnisse zeigen als Laut-Suchaufgaben (Marslen-Wilson 1984). Es ist bedauerlich, daß in der Literatur solche direkten Vergleiche zwischen der auditorischen und der visuellen Dimension nach wie vor Mangelware sind. 4.4. Auditive Sprachwahrnehmung: TRACE Im Gegensatz zu Untersuchungen im Bereich der experimentellen Psycholinguistik ist die phonetische Forschung im Bereich der auditorischen Sprachwahrnehmung bis heute nicht zuletzt wegen ihrer Segmentorientiertheit weitgehend auf Untersuchungen der Sprachwahrnehmung in einem engeren Sinn (mit der Frage nach den Erkennensprozessen elementarer Lauteinheiten, s.o.) eingeschränkt. Während eine Vielzahl an Untersuchungen der Frage nach der phonemischen Entschlüsselung des akustischen Sprachsignals gewidmet war, muß man konstatieren, daß höhere Verarbeitungsstufen kaum untersucht wurden. Im allgemeinen wurde wie bei Gough von einem linearen Modell der Weiterverarbeitung der am Ausgang des speech processors als Phonemfolge repräsentierten Information durch morphologische und syntaktische Komponenten ausgegangen, die Zugriff auf ein im Langzeitgedächtnis gespeichertes Lexikon haben. Dies gilt auch für das zunächst im Bereich der visuellen Worterkennung entwickelte Modell der ‘interaktiven Aktivation’ (McClelland & Rumelhart 1981; → Art. 78), das sich jedoch in der Form von TRACE (Elman & McClelland 1984, 1986; McClelland & Elman 1986) als interessantes Modell für die Verarbeitung des akustischen Sprachsignals erwiesen hat. Seine Einheiten bestehen in durch geeignete Eingangssignale erregbare Knoten auf drei unterschiedlichen Ebenen: (1) akusti-

77. Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen

sche Merkmalsdetektoren, die bei entsprechendem Zusammenwirken (2) Phonemknoten erregen, wobei letztere auf (3) Worteinträge im Lexikon wirken und auch top down von Lexikoneinträgen verstärkt werden können. Ein interessantes Merkmal des Modell ist es, daß es im Gegensatz zu technischen Spracherkennungssystemen keine phonetische Segmentation voraussetzt und daß sich die akustische Enkodiertheit (s.o.) im Modell aufgrund der Interaktion zwischen Phonemknoten und Lexikonknoten sogar positiv auf die Performanz auswirkt (Elman & McClelland 1986). Als Eingabe des Modells werden nur die alle 15 Millisekunden erneut berechneten akustischen Merkmale benötigt. Durch den Mechanismus der lateralen Hemmung auf der einzelnen Ebene lassen sich ebenso die Effekte der kategorialen Wahrnehmung und der trading relations nachvollziehen (McClelland & Elman 1986). Ebenso zeigt das Modell quasi-phonotaktisch reguläres Verhalten allein aufgrund der statistischen Eigenschaften des Lexikons. 4.5. Modelle des Schreibprozesses Der Schreibprozeß ist, wie schon oben erwähnt, weniger untersucht worden (→ Art. 83). Zudem beziehen sich vorliegende Modelle in der Regel auf die motorischen Aspekte der Handschrift; dies ist in Art. 86 ausführlich dargestellt. Umfassende Modelle befassen sich dagegen nur wenig mit den Detailaspekten des Schreibaktes; sie sind sehr viel mehr auf Aspekte der Planung, Strukturierung und Überarbeitung bezogen (→ Art. 86). Aspekte des Formulierens beim Schreiben sind neuerdings von Keseling (1993) genauer modelliert worden. Neuere Techniken der On-Line Registrierung von Schreibvorgängen am Computer lassen dazu in der Zukunft interessante Daten erwarten (z. B. Molitor & Jakobs 1995; → Art. 90).

5.

Perspektiven

Während das, was in diesem Artikel über schriftliche Äußerungen ausgeführt ist, ausführlicher in vielen anderen Artikeln des Handbuches nachzulesen ist, gibt es keine solchen internen Verweise für die mündliche Äußerung. Deshalb wurde in der Darstellung der Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Äußerungen der Akzent auf Unterschiede gelegt. Die existierenden Modellierungen gehen (explizit oder implizit)

915

von einer Abhängigkeit der schriftlichen von der mündlichen Sprachtätigkeit aus, weshalb man scheinbar problemlos die segmental orientierte schriftliche Äußerung als Modell der (vorgeblich primären) mündlichen wählen kann und umgekehrt bei der Verarbeitung schriftlicher Äußerungen einen Dekodierungsmechanismus postulieren muß. Dies ist freilich nicht zufällig so: Die gegenständliche schriftliche Form der Sprache verleitete (und verleitet bis heute) dazu, auch die flüchtige mündliche an ihrer diskreten Organisation zu konzeptualisieren: die Schrift als Modell der Lautsprache (Günther 1995). Die historische Folge war eine Familie unzutreffender Theorien sowohl über die schriftliche wie die mündliche Sprachtätigkeit. Die Forschungsprogramme der letzten 50 Jahre auch im Bereich der automatischen Spracherkennung sind sicherlich nicht zuletzt daran gescheitert, daß die ihnen zugrundegelegten Theorien an (ver)schriftlich(t)en Äußerungen orientiert waren. Betrachtet man die schriftliche Sprache unter einengendem Gesichtspunkt als Repräsentation der mündlichen Sprechtätigkeit, so ist an dieser Stelle festzuhalten, daß zwar eine alphabetische Notation eine adäquate Methode der Beschreibung des Gesprochenen darstellt (dies ist ja eben die Grundlage für das Funktionieren alphabetischer Schriftsysteme, aber auch für die Phonologie), daß sich aber unter dem Blickwinkel des naturwissenschaftlich arbeitenden, messenden Phonetikers gleichzeitig zeigt, daß in der gesprochenen Sprache ganz andere, quasi kleinere, aber auch größere ‘Einheiten’ die Verarbeitungselemente des Systems von Sprechen und Hören darstellen: Invariante Signale finden sich akustisch wie artikulatorisch eher im Bereich von zeitlich relativ kurzen Abschnitten der ‘intersegmentalen’ Sprechbewegungen (den icebergs Fujimuras 1986) oder aber im Bereich von größeren, auch in der Sprachtechnologie für die Spracherkennung sowie die Sprachsynthese verstärkt verwendeten Einheiten wie Diphonen und Halbsilben (Pompino-Marschall, 1995). Soll die Forschungssituation im Bereich der vergleichenden Analyse der Prozesse bei der Produktion und Perzeption mündlicher und schriftlicher Sprache charakterisiert werden, so muß klar konstatiert werden, daß hier jeweils ganz andere Fragen im Zentrum des Forschungsinteresses standen. Verknappend kann gesagt werden, daß es dabei in der Phonetik hauptsächlich um die Frage nach den zugrundeliegenden Einheiten der Produktion

916

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

und Perzeption bzw. der En- respektive Dekodierung der sogenannten ‘Sprachlaute’ ging (vgl. hierzu den Überblick in Goldinger, Pisoni & Luce, in press), wobei die alphabetisch verschriftete Sprache den meist unhinterfragten Ausgangspunkt bildete, während die v. a. in der Leseforschung zentralen Fragen wie z. B. zum lexikalischen Zugriff fast völlig vernachlässigt wurden. Insgesamt soll für den vorliegenden Rahmen dieses Handbuchs festgehalten werden, daß gerade die Modellierung der mündlichen und schriftlichen Sprachprozesse in ihrem gegenseitigen Zusammenhang ein wissenschaftliches Desiderat ersten Ranges darstellt. Allzu oft ist dies bei den bisherigen Modellierungen aus dem Blickfeld geraten, indem unhinterfragt Prozesse innerhalb einer Modalität auf die jeweils andere übertragen wurden.

6.

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Hartmut Günther, Mannheim/ Bernd Pompino-Marschall, Berlin (Deutschland)

918

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

78. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Leseforschung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einleitung Die Tätigkeit des Auges beim Lesen Visuelle Worterkennung Zusammenhängendes Lesen Lesertypen Lesestörungen Wilhelm Wundts Theorie des Lesens Literatur

1.

Einleitung

Die psychologische Leseforschung ist eines der ältesten Arbeitsgebiete der experimentellen Psychologie. Edmund B. Huey, dem wir das erste von später so zahlreichen Büchern mit dem Titel The psychology of reading verdanken, hielt es für den Höhepunkt psychologischen Fortschritts, den Leseprozeß vollständig zu analysieren (1908, 6). Huey faßt in diesem Buch die Fülle von experimentellen Befunden zum Leseprozeß aus der Zeit um die Jahrhundertwende zusammen. Bemerkenswerterweise finden sich dreißig Jahre später in dem außerordentlich präzisen Kapitel xxviii „Reading“ in Woodworths „Experimental Psychology“ von 1938 zwar eine Reihe von Detailklärungen, aber kaum grundsätzlich neue Erkenntnisse gegenüber der Darstellung von Huey. In der Neubearbeitung von 1954 fehlt das Kapitel ⫺ „reading was out“ konstatieren Gibson & Levin (1965, xi). Diese merkwürdige Forschungslücke spricht auch Paul A. Kolers in der Einleitung des 1968 publizierten Nachdrucks von Huey (1908) an: „What is amazing to someone reading this book sixty years later is … the amount of information in it that is still in the ‘front lines’ of research. Remarkably little empirical information has been added to what Huey knew, although some of the phenomena have now been measured more precisely“ (Kolers 1968, xiv). Was die Theorie angeht, so hat sich dies wohl geändert, denn knapp 25 Jahre nach Gibson & Levin (1965) vermerken in einem abermals The Psychology of Reading betitelten Buch Rayner & Pollatsek (1989, ix), daß in den letzten 15 Jahren in der kognitiven Psychologie eine Fülle neuer Einsichten in die Struktur des Leseprozesses gewonnen worden sind; auch sie stellen freilich gleichzeitig fest, daß viele der mit teilweise abenteuerlichen Apparaturen gewonnen Einsichten der Forscher aus der ersten Phase der experimentellen Leseforschung bis heute Bestand haben.

Das genannte Buch von Huey (1908) referiert in seinem ersten Teil überwiegend Forschungen aus den frühen deutschen psychologischen Laboratorien um die Jahrhundertwende etwa von Goldscheider & Müller (1893), Cattell (1885, 1886a,b), Erdmann & Dodge (1898), Zeitler (1900), Messmer (1904) u. a. m. Eine deutsche Zusammenfassung dieser Arbeiten liefert erst Hoffmann (1927). Wie im angelsächsischen Bereich bei Woodworth (1938) sind auch bei Hoffmann wesentliche neue Einsichten gegenüber den eben genannten Quellen kaum zu finden. Dies gilt auch für die Folgezeit. Friedrich Kainz (1956) widmet in seiner sechsbändigen „Psychologie der Sprache“ ganze 122 Seiten dem Lesen; auch hier findet man nur wenig, was empirisch über die Befunde der Zeit vor dem ersten Weltkrieg hinausgeht. Zwar versucht Kainz, die Gesichtspunkte der Gestaltpsychologie für das Lesen fruchtbar zu machen, doch interpretiert er im wesentlichen nur alte Befunde im Lichte dieses Ansatzes, der sich für die Sprache im allgemeinen und das Lesen speziell kaum interessiert hatte. In der deutschen Psychologie hat es im Gegensatz zur angelsächsischen Forschung auch in den letzten Jahrzehnten keinen rechten Anschluß an die großen Anfänge gegeben; in der Tat bezieht sich Scheerer (1978, 1983) in seinen Forschungsberichten außer auf die ganz frühen deutschen Arbeiten nahezu ausschließlich auf angelsächsische Literatur. In diesem Artikel sollen diejenigen Einsichten der frühen psychologischen Leseforschung, die bis heute den Gegenstandsbereich strukturieren, knapp skizziert werden. Da trotz der merkwürdigen Forschungspause von ca. 1915 bis 1965 die einschlägigen Befunde nicht in Vergessenheit gerieten und mit den oben genannten Arbeiten ausführliche Zusammenfassungen vorliegen, kann dieser Beitrag auf eine Kennzeichnung der Hauptaspekte beschränkt bleiben. Orientiert ist der Artikel an der bemerkenswerten Arbeit von Erdmann & Dodge (1898), weil ihr Aufbau in vieler Hinsicht heute in der Leseforschung aktuellen Fragestellungen gut entspricht. Dies scheint um so angemessener, als diese Arbeit in der Literatur, mit wenigen Ausnahmen, ziemlich einseitig und so eigentlich falsch dargestellt wird. Dabei wird der Erwerb des Lesens und Schreibens in diesem Artikel nicht berück-

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sichtigt. Diese durchaus problematisierbare Anlage ist nicht allein technischen Gründen oder der Organisation dieses Handbuchs geschuldet, sondern auch der Tatsache, daß die Geschichte des Lesenlernens und seiner Vermittlung nur unzureichend aufgearbeitet ist. Verwiesen sei hier pauschal auf die Beiträge des Kapitels VIII dieses Handbuchs, insbesondere Art. 98⫺100 sowie 115. Den zeitgenössischen Bezug der experimentellen Leseforschung der Jahrhundertwende auf die Pädagogik vermittelt Meumann (1914).

2.

Die Tätigkeit des Auges beim Lesen

2.1. Die Ausgangsposition für Erdmann & Dodge (1898) In der 35 Seiten langen Einleitung ihres 1898 erschienenen Buches stellen die Autoren Benno Erdmann und Raymond Dodge den Forschungsstand ihrer Zeit dar. Sie vermerken die überraschende Tatsache, daß in den psychophysiologischen Arbeiten des 19. Jahrhunderts das Lesen bis in die siebziger Jahre bestenfalls am Rande erwähnt wird. Wenn von den Physiologen (Helmholtz, Donders, Baxt etc.) Buchstaben als Reizmaterial verwendet wurden, so galt deren Interesse generellen Problemen der visuellen Wahrnehmung (10f). Die Grundeinsicht schon von Helmholtz bestand darin, daß der Blick auf den beobachteten Gegenstand so gerichtet wird, daß er auf der Netzhaut auf der fovea centralis abgebildet wird, d. h. auf dem Bereich mit der dichtesten Massierung von Rezeptoren, die nach außen in die Peripherie kontinuierlich abnimmt. Augenbewegungen dienen mithin dazu, in den Bereich des schärfsten Sehens der Fovea das zu bringen, was genau erkannt werden soll. Experimente schienen zu belegen, daß die zur korrekten Wiedergabe nötige Darbietungszeit willkürlicher Buchstabenfolgen linear mit der Zahl der Buchstaben stieg. Dies brachte man in Verbindung mit der traditionellen Auffassung, daß das Lesen (im Sinne der Etymologie des Wortes als „auflesen“) Buchstabe für Buchstabe erfolgt. Aufgrund von Analysen bestimmter Aphasien wurde diese Ansicht vor allem von Grashey (1885) vorgetragen, dem Wernicke (1886) weitgehend folgte: „Wenn nicht buchstabiert wird, kann auch nicht gelesen werden“ (zitiert nach Erdmann & Dodge 1898, 25). Der Unterschied zwischen der Verarbeitung geschriebener und gesprochener Sprache besteht für ihn darin, daß die visuelle Zerleg-

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barkeit des Wortes in seine Einzelbuchstaben, z. B. Hand als h+a+n+d, im Gesprochenen keine psychologische Entsprechung hat; bestimmte Ausfälle und Pathologien beim Lesen entstehen nach Grashey und Wernicke gerade dadurch, daß der (Auf)leseprozeß der einzelnen Buchstaben zu langsam ist und somit aus den künstlichen Einzel„klangbildern“ der Buchstaben das Klangbild des Wortes nicht abgeleitet werden kann. Es ist diese Vorstellung buchstabierenden Lesens, gegen die sich Erdmann & Dodge (1898) in ihrer Studie in erster Linie wenden. Nicht vereinbar mit der Annahme buchstabierenden Lesens war der Befund von James McKeen Cattell (1885, 1886a,b), der in der Literatur als Wortüberlegenheitseffekt bekannt geworden ist (s. u. Zf. 3.2). Er besteht darin, daß bei kurzfristiger simultaner Darbietung maximal 4⫺5 unzusammenhängende Buchstaben korrekt wiedergegeben werden können, aber erheblich mehr (d. h. 8⫺16) Buchstaben in einem Wort; die Benennung eines Buchstabens in einem Wort fällt leichter als in isolierter Darbietung. Cattell (1886a, 127) kommt dementsprechend zu der Formulierung, daß „Schriftworte als Ganze aufgefaßt werden“. Die Frage nach der Erklärung des Wortüberlegenheitseffekts im Lichte der weiter oben geschilderten Buchstabiertheorie des Lesens bestimmt die gesamte Untersuchung von Erdmann & Dodge (1898). Sie beginnen ihre eigenen Untersuchungen mit Überlegungen zu den „Bedingungen des optischen Erkennens beim Lesen“ (36ff) und konstatieren, daß die seinerzeit gängige Vorstellung buchstabierenden Lesens nicht zuletzt den verwendeten Apparaten geschuldet sei, die „nur sukzessive Expositionen der Schriftzeichen gestatten“ (38). Sie beruhe zudem auf der Vermutung, daß das Erkennen eines Buchstabens allein bei seiner Abbildung auf die fovea centralis möglich sei, und daß schließlich, einem Postulat Herings zufolge, Erkennen im wesentlichen während der Augenbewegungen erfolge. Sie zeigen, daß alles dies unzutreffend ist. Es sei erwähnt, daß insbesondere der letztgenannte Punkt keineswegs die communis opinio der Zeit darstellt, vgl. die unten besprochene Kritik Wilhelm Wundts (1900) an Erdmann & Dodge (1898); andererseits ist die Vorstellung des sukzessiven Charakters des Leseprozesses sicherlich gemeinsame Auffassung aller bekannten Forscher dieser Zeit.

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

2.2. Das Muster der Augenbewegungen beim Lesen Daß sich die Augen beim Lesen nicht kontinuierlich über die Zeile bewegen, sondern ⫺ wie bei allen anderen Sehtätigkeiten auch ⫺ in ruckhaften Sprüngen (Sakkaden) mit dazwischen liegenden Ruhepausen (Fixationen), hat 1878 als erster der französische Ophtalmologe Emile Javal berichtet; die Beobachtung geht nach Kainz (1956, 212) auf dessen Mitarbeiter Lamare (gedruckt 1893) zurück. Seit dieser Entdeckung ist die Analyse der Augenbewegungen beim Lesen einer der wichtigsten Zweige der experimentellen Leseforschung (→ Art. 80). Erdmann & Dodge (1898) scheinen die Arbeiten von Javal und Lamare nicht gekannt zu haben. Sie entwickeln ihre Lehrsätze über die Augenbewegungen aus der direkten Beobachtung der Lesetätigkeit mit Hilfe von Spiegeln sowie der Auswertung von Lesezeiten. Die folgenden Lehrsätze (Numerierung von Erdmann & Dodge) fassen ihre Beobachtungen zusammen: 1. Während wir in unverrückter Kopfhaltung eine Zeile bequem verständlichen Textes lesen, findet ein beständiger Wechsel zwischen Ruhepausen und Bewegungen der Augen statt. (47) 2. Die Anzahl der Ruhepausen und dementsprechend der Bewegungen ist für eine Zeile muttersprachlichen Textes sehr viel kleiner, als die Anzahl der Buchstaben auf der Zeile. (48) 12. Beim verständnisvollen Lesen ist die Gesamtzeit der Ruhepausen ein hohes Vielfaches von der Gesamtzeit der Augenbewegungen. (68) 18. Die Blickbewegungen beim Lesen haben lediglich die Funktion, den Blick von einem Fixationspunkt zum nächsten zu überführen. (76) 19. Das optische Erkennen der Schriftzeichen beim Lesen erfolgt ausschließlich während der Ruhepausen des Auges, … (76)

Erdmann & Dodge konstatieren hier die Grundtatsachen der Augenbewegungen beim Lesen, die auch mit modernen Beobachtungsmethoden bestätigt wurden. Lesen ist kein kontinuierliches „Auf“lesen eines Buchstaben nach dem anderen; vielmehr wird der Blick schrittweise über eine gewisse Buchstabenanzahl hinweg vorwärts bewegt; an den jeweiligen „Landeplätzen“ wird eine gewisse Zeit verharrt. Wohl als erste in dieser Klarheit stellen Erdmann & Dodge (1898) den in Lehrsatz 19 formulierten Sachverhalt fest, daß die visuelle Informationsaufnahme beim Lesen während der Fixationen erfolgt, nicht während der Bewegung. Ihre globalen Ergebnisse wurden in der Folgezeit von Huey (1908), Dearborn (1906), Boswell (1920) und

vielen anderen bestätigt. Die wichtigsten Befunde sind geschildert bei Woodworth (1938, 722⫺733), wo sich auch Beschreibungen der verwendeten Beobachtungsapparaturen finden. Die mit modernen Methoden überprüften und bestätigten Daten konstatieren bei anspruchslosen Texten eine sakkadische Entfernung von 7⫺8 Buchstaben pro Vorwärtsbewegung; die durchschnittliche Fixationsdauer liegt bei 220 ms. Neben dem Rücksprung zum Zeilenende finden auch innerhalb der Zeile Rückwärtsbewegungen (Regressionen) statt, die, wie schon Boswell (1920) erkannte, kleiner sind als Vorwärtssakkaden, nämlich durchschnittlich nur 3⫺4 Buchstaben. Alle diese Daten sind Durchschnittswerte, die in Abhängigkeit von Parametern wie Alter, Textschwierigkeit, Leseintention etc. variieren; vgl. schon Woodworth (1938, 734ff) sowie ausführlich LevySchoen & O’Regan (1979). Eine knappe Zusammenfassung der globalen Werte mit Kennzeichnung der modernen Aufzeichnungsmethoden findet sich in H. Günther (1988, 103⫺111); zu neueren Entwicklungen vgl. U. Günther (1989); → Art. 80. Wieviel Information kann nun beim Lesen während einer Fixation aufgenommen werden? Introspektiv stellen Erdmann & Dodge (1898) fest, daß die Zahl als deutlich sichtbar empfundener Buchstaben bei einer Fixation etwa fünf beträgt, und mit einer Mischung aus Introspektion und ingeniöser Ausnutzung einer experimentellen Erzeugung von Nachbildern entdecken sie, daß die Fixationen praktisch nie auf den Wortzwischenraum fallen: 20. Die Felder simultanen Erkennens beim Lesen sind größer als die Gebiete möglichen deutlichen Wahrnehmens der einzelnen in ihnen enthaltenen Schriftzeichen. (83) 30. Die Stellen direkter Fixation während des Lesens fallen nahezu ausschließlich auf irgend welche (verhältnismäßig wenige) Wörter einer Zeile. (93) 31. Die Stellen direkter Fixation treffen vielleicht die Wortmitten, …, kaum jemals jedoch leere Zwischenräume zwischen den Worten. (93)

D. h. die Zahl der Fixationen pro Zeile ist kleiner als die Zahl der Wörter, und in unserer Schrift werden Wörter in der Regel rechts vom Wortanfang fixiert. Auch diese Befunde bestätigt die moderne Augenbewegungsforschung (→ Art. 80). Aus ihren Beobachtungen leiten Erdmann & Dodge die methodische Folgerung ab, daß die Simulation des Geschehens während einer Fixation den Weg

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darstellt, grundlegende Einsichten über den Leseprozeß zu gewinnen. Sie entwickeln daher ein Tachistoskop, das es ermöglicht, beliebig viele Buchstaben gleichzeitig darzubieten, und testen, bei welcher Expositionsdauer gleichzeitig Buchstaben wahrgenommen und sakkadische Bewegungen ausgeschlossen werden können; sie legen die Zeit aufgrund ihrer Befunde bei 0.1 Sekunden fest. Ihre Forschungslogik bleibt auch für die Folgezeit bestimmend: „The tachistoscope … affords, under control, the same sort of exposure as the eye gets in reading. The eyeball, with its saccadic movements and brief fixations, is in effect a variety of a tachistoscope. The experimenter’s tachistoscope can limit O (⫽ die Versuchsperson) to a single fixation. How much can O read in a single exposure?“ (Woodworth 1938, 739; Hervorhebung HG; ähnlich äußert sich z. B. Wundt 1911, 574f). Die Logik ist natürlich anzweifelbar, ebenso die bis heute vielfach unhinterfragte Folgerung, daß die Erklärung der Erkennung isolierter Wörter gültig die Worterkennung beim Textlesen modelliert (s. u.). Dennoch bleibt die Darbietung isoliert dargebotener Wörter die zentrale Technik der experimentellen Leseforschung bis in unsere Tage.

3.

Visuelle Worterkennung

3.1. Die sog. „Gesamtformtheorie“ Die ersten Befunde, die Erdmann & Dodge (1898) mit ihrem Tachistoskop erheben, bestätigen den von Cattell (1885) entdeckten Wortüberlegenheitseffekt: 33. Bei unbewegtem Auge vermögen wir fast ausnahmslos 4, in der Mehrheit der Fälle 5 simultan, aber ohne Wortzusammenhang exponierte Buchstaben der benutzten Größen zu lesen, d. h. also zu erkennen und alphabetisch wiederzugeben. (137) 34. Wir lesen unter den gleichen Expositionsbedingungen 4⫺5 mal soviel Buchstaben im Wortzusammenhang als solche ohne Wortzusammenhang. (140) 36. Die Tatsache, daß zumeist nur 4⫺5 ohne Wortzusammenhang simultan exponierte Buchstaben ‘gelesen’, d. h. aufgesagt werden können, hat seine Ursachen nicht darin, daß nur so wenige deutlich erkennbar wären, sondern vielmehr darin, daß die sukzessive lautsprachliche Reproduktion Bedingungen herbeiführt, welche einen Teil der deutlich wahrgenommenen Buchstaben nicht wiedergeben lassen. (146) 37. Daß wir uns lautsprachlich geläufige Wörter von sehr viel größerer Buchstabenzahl nach

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kurzer Exposition ihrer Schriftbilder hersagen können, als Lautreihen von Buchstabengruppen ohne Wortzusammenhang, hat seinen Grund in der festen assoziativen Fügung der Lautganzen, welche durch die erkannten Wörter erregt werden. (149f)

Die Zahl der Einzelbuchstaben, die man nach einer tachistoskopischer Darbietung wiedergeben kann, liegt bei 4⫺5, obgleich wahrscheinlich tatsächlich 6⫺7 deutlich erkennbar sind, wie die Autoren berichten. Die Minderung der Wiedergabe ist offenbar ein Antwortphänomen: Nicht alle tatsächlich erkannten einzelnen Buchstaben können im Gedächtnis behalten werden. Später hat Sperling (1960) dieses Problem dadurch gelöst, daß die Versuchspersonen (Vpn) nur Teile des Reizes wiedergeben mußten; er bestätigt die Vermutung von Erdmann & Dodge (1898), daß tatsächlich mehr Buchstaben wahrgenommen als wiedergegeben werden. Auch einen anderen Punkt stellt Sperlings Arbeit richtig: Die Expositionszeit von 0.1 Sekunden ist keineswegs die „reale Bildzeit“; vielmehr ist mit einem Nachbild von bis zu 2 Sekunden zu rechnen. Die Frage nach der Dauer von Nachbildern lag den Angriffen von Wundt (1900) gegen Erdmann & Dodge (1898) zugrunde (s. u.); um tatsächlich eine reale Fixation zu simulieren, muß, wie seit Sperling (1960) üblich, der visuelle Reiz sofort nach der Darbietung maskiert, d. h. durch einen anderen „überschrieben“ werden. Beide Aspekte betreffen jedoch nicht den Wortüberlegenheitseffekt. Denn zwar gibt es auch bei Wörtern eine Diskrepanz zwischen dem, was man deutlich sehen kann, und dem, was man erkennen bzw. wiedergeben kann, aber es existiert ein Überschuß: Die Vpn geben in der Regel, gemessen an den Buchstaben, mehr wieder, als sie deutlich erkannt haben können. Die in Lehrsatz (37) implizite Position, wonach auch der Wortüberlegenheitseffekt ein Phänomen ist, das auf Gedächtnisleistung beruht (die erkannten Wörter würden einfach besser behalten und mithin besser wiedergegeben, s. u.), wird von Erdmann & Dodge (1898) u. a. auch deshalb nicht weiterverfolgt, weil die introspektive Beurteilung der Versuchspersonen (Vpn), in diesem Fall auch der Autoren selbst, eindeutig war: Sie berichten, jeweils das ganze Wort deutlich erkannt zu haben. Dies entspricht den Befunden von Pillsbury (1897), der Lesefehler wie z. B. forever für dargebotenes foreyer konstatierte, wobei seinen Vpn

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

in der Regel auch auf Nachfrage nichts Ungewöhnliches aufgefallen war. Die Frage nach einer in der visuellen Wahrnehmung angelegten Ursache des Wortüberlegenheitseffekts beschäftigt die Autoren für den Rest des Buches und die psychologische Leseforschung bis in die 80er Jahre. Für Erdmann & Dodge (1898), die essentiell eine Sichtweise anlegen, die man heute als bottom-up-Ansatz kennzeichnen würde, muß es außer den Buchstaben selbst in Wörtern visuelle Eigenschaften geben, die den Wortüberlegenheitseffekt erklären. Zur Aufdeckung dieser Eigenschaften gehen sie so vor: Wir brachten bei diffusem Tageslicht einzelne Buchstaben in eine solche Entfernung von dem Beobachter, daß es nicht mehr gelang, sie zu identifizieren, und prüften bei gleicher Entfernung und Belichtung das Erkennen von Wörtern, die aus Buchstaben eben jener Größe zusammengesetzt waren. (156) … Die [so erhobenen] Daten zeigen allgemein: 39. In einer Entfernung, welche bei diffusem Tageslicht und konstanter Exposition keinen Buchstaben mehr identifizieren läßt, werden Wörter aus Buchstaben eben dieser Größe bis zur Hälfte der Expositionen erkannt. 40. Wörter von größerer Buchstabenzahl sind leichter erkennbar, als solche von geringerer Länge. 41. Wörter von optisch charakterisierter Gesamtform sind leichter erkennbar, als solche gleichförmigerer Figuration. (157)

Die Autoren erkennen unter diesen Bedingungen ca. 50% der dargebotenen (unbekannten) Wörter. In einem unpublizierten Experiment habe ich zusammen mit Stefan Gfroerer und Leonhard Weiss diese Befunde weitgehend replizieren können; zwar war die Erkennungsleistung etwas kleiner (ca. 35%), aber dennoch überzufällig (im Vergleich zu Pseudo- und Nichtwörtern). Es ergab sich dabei weiterhin, daß bei der Darbietung der Wörter in durchgehender Großschreibung die Zahl erkannter Wörter noch weiter (auf knapp 10%) zurückging, dies im Gegensatz zu den allerdings auch nicht sehr deutlich beschriebenen Versuchen von Wagner (1918). Erdmann & Dodge (1898) übertragen ihre Versuchsanordnung dann auf das Tachistoskop und schließen aus den Befunden: 45. Daß wir uns optisch geläufige Schriftwörter unter Bedingungen erkennen, die jedes Erkennen der einzelnen Buchstaben ausschließen, hat seinen Grund in der typischen Gesamtform, die jedem Wort auch unter solchen Bedingungen eigen bleibt. (163)

Was unter „typischer Gesamtform“ genau zu verstehen ist, bleibt in Erdmann & Dodge’s Buch weitgehend unklar. Offensichtlich spielen Wortlänge, Ober- und Unterlängen, Groß- und Kleinschreibung, visuelle Konfiguration etc. alle zusammen eine Rolle; ganz offensichtlich nicht gemeint ist eine einfache Theorie des Umrisses, der sich um die (gedruckte) Form eines Wortes zeichnen läßt. In der Folgeliteratur wurde in einer groben Vereinfachung die „Gesamtformtheorie“ der Worterkennung so behandelt, als verträten Erdmann & Dodge (1898) die Meinung, diese allein determiniere die Worterkennung und damit den Wortüberlegenheitseffekt. Die folgenden Lehrsätze, die Beobachtungen zum Lesen kurzer Sätze und zu Verlesungen zusammenfassen, zeigen, daß für Erdmann & Dodge das Erkennen von Wörtern im Erkennen von Buchstaben und Gesamtform besteht: 52. Bei jedem Worterkennen, bei dem die charakteristische Form einer Buchstabengruppe zugleich mit der gröberen Gesamtform des einzeln exponierten Wortes gegeben ist, wirken normaler Weise diese beiden Bestandteile, und zwar vermutlich gleichzeitig. (184) 59. Ein im optischen Sinne buchstabierendes Lesen kann nur eintreten, wenn sowohl die Gesamtform des Wortes, als auch die einzelnen Buchstaben so undeutlich, und aus dem Bedeutungszusammenhang so wenig erratbar sind, daß der Versuch notwendig wird, die undeutlichen Züge Glied für Glied deutlich zu machen. (185)

Die „Gesamtformtheorie“ der Worterkennung ⫺ insbesondere in der vereinfachten Form, wie sie etwa Huey (1908, 77ff) kennzeichnet ⫺ wurde in der Folgezeit Gegenstand heftiger Auseinandersetzungen, vgl. die wohltuend differenzierte Darstellung von Hoffmann (1927) sowie Woodworth (1938). Wilhelm Wundt, der sich in zwei Artikeln (1900a,b) sehr kritisch mit Erdmann & Dodge (1898) auseinandersetzte (s. u. Zf. 7), regte seinen Doktoranden Julius Zeitler (1900) zur Überprüfung ihrer Befunde an, die dieser im wesentlichen bestätigte; Messmer (1904) präzisierte einzelne Aspekte des Gesamtformkonzepts, ähnlich Wiegand (1908) und Wagner (1918). Alle Autoren befassen sich auch mit der schon von Goldscheider & Müller (1893) beobachteten unterschiedlichen Prägnanz einzelner Buchstaben, etwa dem besonderen Gewicht von Buchstaben mit Oberlängen und der besonderen Rolle des oberen Drittels der Buchstabenkette für die Erkennung, die bessere Wahrnehmbarkeit

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der Großbuchstaben, etc. Hoffmann (1927, 429) schließt seine Darstellung der Gesamtformdiskussion mit der Feststellung, daß jedenfalls in einem Punkte Einigkeit eigentlich aller Autoren bestehe: „Der Leser erarbeitet sich den Lesestoff nicht in mühseliger, sukzessiver Synthese der einzelnen Buchstaben, sondern operiert mit höheren Einheiten, die, wenigstens für das Bewußtsein, simultan und als irgendwie gestaltete Ganzheit oder zusammengehörige Gruppe erfaßt werden.“ Die Erfaßbarkeit dieser höheren Arbeiten aber muß im Reiz selbst verborgen sein. Darin liegt das zentrale Problem dieser frühen Forschungen, das auch Kainz (1956, 220f) anspricht, nämlich die nahezu ausschließlich „sehphysiologische“ Sichtweise, die sämtliche beobachteten Effekte „vor allem von den optisch-perzeptiven Tatsachen aus anzugehen suchte“. 3.2. Die Analyse des Wortüberlegenheitseffekts In diesem Sinne galt dem Wortüberlegenheitseffekt auch beim Neubeginn der experimentellen Leseforschung in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts besondere Aufmerksamkeit, vgl. Günther (1983, 8⫺78) für einen Forschungsbericht. Welche Eigenschaften von Wörtern sind es, die sie „leichter erkennbar“ machen? Immer wieder war die „Geläufigkeit“ von Wörtern als Grund für ihre bessere Wahrnehmbarkeit angenommen worden: Bei der Wahrnehmung eines häufig gesehenen Objektes, so die Vorstellung, genügt das Erkennen weniger Merkmale zum Erkennen des Ganzen. Es stellte sich weiterhin heraus, daß dieser Faktor auch zwischen Wörtern untereinander zu differenzieren vermag: Je häufiger ein Wort in der Sprache vorkommt, desto besser (schneller, genauer, oder beides) wird es erkannt (vgl. z. B. Solomon & Postman 1952). Hier nun regte sich ein Verdacht, der den früheren Forschern offenbar nie gekommen war, nämlich, daß solche Effekte besseren „Erkennens“ im Grunde auf intelligentes Rateverhalten zurückführbar sind: Wenn die Vpn nur wenig wahrnehmen, raten sie; dabei treffen sie öfter häufige Wörter als seltene. Diese Position erhielt Auftrieb durch ein sehr geschickt angelegtes Experiment von Golddiamond & Hawkins (1958). Hier wurden die Vpn zunächst in einer Lernphase mit einer Reihe von Pseudowörtern wie tud, vux, mif etc. vertraut gemacht. Anschließend wurden sie gebeten, diese bei tachistoskopischer Darbietung zu erkennen; tatsächlich wurden aber

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überhaupt keine Wörter gezeigt, sondern nur diffuse Gebilde unregelmäßiger Grautöne. Es ergab sich die aus Untersuchungen mit Wörtern, z. B. Solomon & Postman (1952), vertraute Verteilung ⫺ je häufiger ein Pseudowort in der Lernphase gezeigt worden war, desto häufiger bzw. früher wurde es „erkannt“. Golddiamond & Hawkins (1958) schlossen daraus, daß Geläufigkeit oder Vertrautheit des Reizmaterials keinen Einfluß auf die Wahrnehmung hätten; der Worthäufigkeitseffekt sei vielmehr ein response biasEffekt. Die Vpn erkennten nicht die Reize besser, sondern sie tendierten dazu, ihnen geläufige Antworten zu geben. Zwar wurde dieses Ergebnis in der Folgezeit etwas relativiert (Zajonc & Niewenhuise 1964), doch gab es andererseits weitere Befunde, die den Wortüberlegenheits- und den Worthäufigkeitseffekt als mehr oder weniger reines Antwortoder Ratephänomen zu erweisen schienen (z. B. Foote & Havens 1965); vgl. zusammenfassend zur Worthäufigkeit Neisser (1967, 115ff). Erst Reicher (1969) und Wheeler (1970) gelang es zu zeigen, daß der Wortüberlegenheitseffekt kein reines Ratephänomen ist. In ihrer Versuchsanordnung besteht die Aufgabe der Vp in der Entscheidung zwischen zwei gleich wahrscheinlichen Alternativen. Wird z. B. als Reiz ein Wort, etwa haus, dargeboten, so hat die Vp zu entscheiden, ob sie haus oder maus gesehen hat; wird eine aus den gleichen Buchstaben bestehende Buchstabenfolge ohne Wortstatus (ein Nichtwort), z. B. hsua, dargeboten, so hat sie zwischen hsua und msua zu entscheiden. Ein Rateeffekt zugunsten von Wörtern kann hier aufgrund der gleichen Wahrscheinlichkeit für beide Antwortalternativen nicht zustande kommen ⫺ dennoch erzielen beide Autoren einen Wortüberlegenheitseffekt, d. h. es gab erheblich mehr richtige Antworten bei Wörtern als bei Nichtwörtern. Der Befund ist vielfach repliziert worden und bezieht sich auch auf Pseudowörter, d. h. Wörter wie haus werden besser erkannt als Pseudowörter wie husa, diese besser als Nichtwörter wie hsua, vgl. mit deutschem Material Günther (1983); auch der Einfluß der Worthäufigkeit bleibt in dieser Versuchsanordnung erhalten und erweist sich so als ein nicht auf Raten zurückführbarer Effekt (Günther, Gfroerer & Weiss 1984). Dementsprechend wurde in der Folgezeit erneut versucht, den Wortüberlegenheitseffekt zu erklären. Dabei zeigte McClelland

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

(1977), daß die Gesamtform im Sinne von Erdmann & Dodge (1898) jedenfalls nicht die alleinige Ursache des Wortüberlegenheitseffekts sein kann. Er bot im Paradigma von Reicher (1969) Wörter und Nichtwörter in aLtErNiErEnDeN Groß- und Kleinbuchstaben dar, wodurch die visuelle Gesamtform, gleich in welcher speziellen Ausprägung, zerstört wird; dennoch ergab sich ein Wortüberlegenheitseffekt. Ebenfalls erfolglos bleiben Versuche, den Wortüberlegenheitseffekt auf den Einfluß der Lautsprache beim sog. phonologischen Rekodieren zurückzuführen (s. u. Zf. 4) oder auf semantische Codes, vgl. für Übersichten Zimmer (1985) oder Günther (1988, 149ff). Es sind die Untersuchungen von James L. McClelland und David Rumelhart (1981), die das Rätsel des Wortüberlegenheitseffekt wohl lösen. Nach ihrem Ansatz erklärt er sich einfach dadurch, daß Wörter Wörter sind, d. h. dem Leser bekannte Einheiten, die er im Gedächtnis gespeichert hat. Das Erkennen von Wörtern beim Lesen erfolgt nicht so, daß anhand einer internen Repräsentation des Gesehenen das verbale Gedächtnis durchgekämmt wird, bis man ein passendes Gegenstück hat; vielmehr besteht der Identifikationsprozeß darin, daß Kandidaten ausgeschieden werden, bei denen die sensorische Information nicht mit den im Gedächtnis gespeicherten Einheiten übereinstimmt; bei diesem Prozeß wirken die gespeicherten Einheiten aktiv mit. Man muß übrigens dabei keineswegs die Theorie der parallel verteilten Verarbeitung übernehmen, die die Autoren vertreten (analog zu neuronalen Netzen). Wesentlich ist, daß bottom up-Information, die mit Gedächtnisinhalten (also bekannten Wörtern) kompatibel ist, aktive top down-Bestätigung erfährt, vgl. Günther (1983), Zimmer (1985). Der Wortüberlegenheitseffekt erklärt sich so nicht eigentlich auf der Wahrnehmungsebene, sondern auf der Ebene der Sprachverarbeitung. Diese Einsicht, daß die wesentlichen Vorgänge beim Lesen Sprachverarbeitungs- und nicht rein visuelle Wahrnehmungsprozesse sind, ist derjenige Aspekt, der die moderne Lese- und Worterkennungsforschung grundsätzlich von der traditionellen unterscheidet. 3.3. Phonologisches Rekodieren Es wurde oben schon auf den in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreiteten Ansatz zum Lesen hingewiesen (Grashey 1885, Wernicke 1886, Goldscheider & Müller

1893), wonach der Lesevorgang darin besteht, daß die Buchstaben einzeln nacheinander „auf“gelesen werden und ihnen entsprechende „Laute“ zugeordnet werden, worauf aus diesen Lautfolgen das jeweilige Lautwort ermittelt wird. Eine wie auch immer geartete Umsetzung von Buchstaben- in Lautfolgen als Komponente des Leseprozesses wird seit einiger Zeit als phonologisches Rekodieren bezeichnet (vgl. McCusker, Hillinger & Bias 1980; Günther 1988, 122⫺148; → Art. 77; 81). Es versteht sich von selbst, daß Erdmann & Dodge (1898) in ihrer Ablehnung der Annahme buchstabierenden Lesens auch die Vorstellung ablehnen, daß beim Lesen Buchstaben in Laute übersetzt würden. In ihrer theoretischen Diskussion (S. 186⫺202) des Problems machen sie deutlich, daß schon die allgemein sprachlichen Voraussetzungen für eine solche Theorie nicht vorliegen. Sie zeigen dabei recht genaue Kenntnisse der damaligen Phonetik und kommen zu dem Schluß (193): Wie … das Schriftwort ein Ganzes ist durch die Art, wie die einzelnen es bildenden Buchstaben zu einer Gesamtform konfiguriert sind, so ist das Lautwort ein Ganzes durch die Art der Kombination aller seiner sensomotorischen und akustischen Lautelemente.

Am Beispiel des Wortes vase verdeutlichen sie die Probleme einer sukzessiven Buchstaben-Laut-Umsetzung: Der erste Buchstabe des zu lesenden Wortes sei ein v. Ein v entspricht in unserer Sprache zwei lautsprachlichen Komplexen, die wir uns etwa durch das v in vanille und in veranlassung verdeutlichen können. Ist nur der erste Buchstabe erkannt: woher soll die Entscheidung darüber genommen werden, welcher von beiden Lauten hier zu sprechen ist? … Es folge ein a. Die Schwierigkeit wird größer. Soll das a als a gesprochen werden wie in vater oder als a wie in valenz? Soll es überhaupt als selbständiges a gesprochen werden, oder nur als Klangglied eines Diphthongen, als das a in ae oder ai oder au? Der dritte Buchstabe sei ein s. Das s ist verschieden zu sprechen. Es kann scharf oder weich sein; es lautet anders vor einem t, denn als Glied eines ss; es kann vor einem ch mit diesem verschmelzen oder selbständig bleiben. Auch der Lautwert der beiden ersten Buchstaben bleibt noch unbestimmt, wennschon einzelne der isoliert möglichen Kombinationen ausgefallen sind. … Nicht einmal das nun folgende e, das wiederum eine, und zwar eine besonders reiche, Mannigfaltigkeit von Lauten möglich macht, gewährt von sich aus eine zureichende Bestimmung. Es führt zu einer solchen erst, wenn sicher ist, daß es der letzte Buchstabe des Worts ist, erst jetzt also, wenn das Wort vase

78. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Leseforschung als Ganzes erkannt ist. Erst jetzt, nachdem es als Ganzes erkannt ist, kann es auch als Lautganzes gesprochen werden. (193f)

Zwar lassen sich inzwischen etwas intelligentere Mechanismen der sukzessiven Buchstaben-Laut-Zuordnung formulieren; dennoch ist den Autoren grundsätzlich zuzustimmen, wenn sie zusammenfassend konstatieren: Die Gesamtzahl der Buchstaben, die das Wort bilden, muß danach gegeben sein, ebenso ihre Reihenfolge, ihre Anordnung nach Sprechsilben, die Betonung usw., ehe es möglich wird, das Wort selbst sukzessiv aus den einzelnen Buchstabenlauten zu kombinieren. Eine sukzessive Synthese des Lautworts aus den Lauten der Buchstaben könnte erst beginnen, nachdem das Wort optisch wie akustisch als Ganzes erfaßt ist. Sie könnte also erst anheben, nachdem sie überflüssig geworden ist. (194)

Im Sinne dieses Zitats verneinen Erdmann & Dodge (1898) strikt eine lautliche Vermittlung beim Erkennen von Wörtern; von dem erkannten „Schriftwort“ wird auf das entsprechende „Lautwort“ übergegangen, ähnlich Messmer (1904). Dabei liegt die Zielrichtung ihrer Argumentation wiederum auf der Ablehnung des Gedankens eines sukzessiven (und kontextfreien), Buchstabe für Buchstabe erfolgenden Übersetzungsmechanismus. Trotz gegenteiliger Behauptung ist diese Überlegung deduktiv: Nur wenn das „Schriftwort als Ganzes“ aufgefaßt wird, gibt es keine Existenzberechtigung für eine lautliche Vermittlung. Ähnlich äußert sich noch Kainz (1956). Andere Autoren sind skeptischer; vor allem wird auf die Tatsache des Subvokalisierens und das Konzept der (lautlichen) inneren Sprache verwiesen, vgl. Hoffmann (1927, 429⫺431). Allerdings wird die Frage selbst nicht systematisch untersucht; Schumann (1906), der dem Problem etwas mehr Raum gibt, interessiert sich mehr für Lesertypen (s. u.) als für systematische Strukturen. Woodworth (1938) steuert zum Thema lediglich Überlegungen dazu bei, inwieweit subvokales Artikulieren den flüssigen Leseprozeß behindert. Diese Feststellung überrascht zunächst, gilt doch als wesentliches Merkmal alphabetischer Schrift die Abbildung der Lautfolge durch Buchstabenfolgen. Zwei Punkte sind zu berücksichtigen. Zum einen steht bis in die dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts eine phonologische Theorie nicht zur Verfügung, von einer adäquaten Schriftsystemtheorie nicht zu reden. Zum anderen scheint das Vor-

925

urteil, daß Schrift der Sprache nachgeordnet sei, so dominant, daß sich die Frage nach der (Nicht-)Notwendigkeit eines Übersetzungsvorgangs offenbar gar nicht stellt. Kainz (1956) beispielsweise ist in dieser Hinsicht dermaßen opak, daß es schlechterdings nicht möglich ist festzustellen, ob er eine solche Vermittlung vorsieht oder nicht, obgleich er an anderen Stellen, z. B. bei der Verhandlung von Lesestörungen, die Buchstaben-LautUmsetzung als notwendigen Verarbeitungsschritt voraussetzt. Ähnliches gilt z. B. für Wundt (1911). Man wird annehmen dürfen, daß ein phonologischer Rekodierungsvorgang den meisten Autoren der Zeit aufgrund der Struktur des alphabetischen Systems (→ 117) als so selbstverständlich erschien, daß sie ihn überhaupt nicht thematisierten. Seit den 60er Jahren unseres Jahrhunderts aber steht das Problem im Mittelpunkt des Interesses (für Forschungsberichte vgl. z. B. McCusker, Hillinger & Bias 1980; Gfroerer 1987 Kap. 2⫺5; Günther 1988 Kap. 6; → Art. 81). Eine adäquate Modellierung der kognitiven Prozesse beim Lesen als Sprachverarbeitung muß die systematischen Beziehungen zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache berücksichtigen oder Gründe für ihre Vernachlässigung nennen. Die Vielzahl der durchaus guten Argumente jeweils für und gegen den Vorgang des phonologischen Rekodierens führte anfangs der achtziger Jahre zu einem gewissen allgemeinen Konsens dergestalt, daß zwei Arten „lexikalischen Zugriffs“ (→ Art. 77, Zf. 4.3) unterschieden wurden: Ein direkter, visueller Zugriff und ein (z. B. durch Laut-Buchstaben-Zuordnung) vermittelter indirekter, in dem die visuellen Repräsentationen zunächst in phonologische Repräsentationen überführt werden, von denen aus dann erst lexikalischer Zugriff erfolgen kann (Humphreys & Evett 1985; → Art. 81). Diese als Zwei-WegeTheorie bezeichneten Modelle unterscheiden sich dann u. a. danach, welcher der beiden Wege als der Normalfall angenommen wird, ob die beiden Zugriffsweisen gleichzeitig angewandt werden, wobei der schnellere Weg obsiegt, usw. Schließlich wird auch die Position vertreten, daß sich ein phonologischer Rekodierungsvorgang erst nach dem lexikalischen Zugriff abspielt; dies ist z. B. die oben ausgiebig zitierte Auffassung von Erdmann & Dodge (1898). Die Logik der unzähligen Experimente zu dieser Frage, bis Ende der achtziger Jahre fast ausschließlich mit englischem Material

926

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

durchgeführt, läßt sich so charakterisieren: Es wird versucht, in rein visuellen Aufgabenstellungen Phänomene zu beobachten, die auf die Intervention lautsprachlicher, d. h. phonetischer bzw. phonologischer Faktoren, zurückgeführt werden müssen. Treten solche Befunde auf, so wird daraus auf die Existenz (prälexikalischen) phonologischen Rekodierens geschlossen. Ein besonders einfacher Ansatz besteht im Nachweis subvokalen Artikulierens beim stillen Lesen und seiner Deutung als direkter Manifestation der Rekodiertätigkeit. Etwas komplexer ist der sog. Pseudohomophoneffekt (→ Art. 81). Er besteht darin, daß es den Vpn in einer lexikalischen Entscheidungsaufgabe bei einem Pseudowort wie fie schwerer fällt zu sagen, daß dieses kein deutsches Wort ist, als z. B. bei rie. Erklärt wird der auch mit deutschem Material gefundene Effekt (Gfroerer, Günther & Weiß 1984), daß man im ersteren Falle durch phonologisches Rekodieren tatsächlich auf ein Wort stößt, nämlich [fi:] ⫽ vieh, das aber anders geschrieben wird (daher die Verzögerung), im anderen Falle rie ⫽ [ri:] jedoch nicht. Die Gegenposition versucht entweder, einen entsprechenden Effekt zum Verschwinden zu bringen oder aber eine andere Erklärung dafür zu geben. Im Falle der Subvokalisation (vgl. zum subvokalen Artikulieren Johne 1989) zeigen z. B. schon Hardyck & Petrinovich (1970), daß man Lesern beibringen kann, auf subvokales Artikulieren zu verzichten, und daß dennoch mit gutem Verständnis (in der Tat schneller) gelesen wird. Wenn aber ohne subvokales Artikulieren problemlos gelesen werden könne, so sei dieser Vorgang sicherlich keine notwendige Bedingung verstehenden Lesens. In ähnlicher Weise läßt sich auch der Pseudohomophoneffekt zum Verschwinden bringen, indem man in einem Experiment die Zahl der Pseudohomophone drastisch erhöht (vgl. z. B. Gfroerer et al. 1984). Dies scheint darauf hinzudeuten, daß phonologisches Rekodieren eine Strategie darstellt, die der Leser nach Bedarf verwenden oder (wenn sie hinderlich ist) abstellen kann. Die Diskussion der Frage des phonologischen Rekodierens kann derzeit sicherlich nicht als abgeschlossen betrachtet werden. Von Bedeutung scheinen deshalb vor allem solche Arbeiten zu sein, in denen versucht wird, die pauschal als „phonologisches Rekodieren“ bezeichneten Vorgänge zu differenzie-

ren und zwischen den damit verbundenen Kodierungen bzw. Repräsentationen zu unterscheiden (vgl. z. B. Gfroerer 1987).

4.

Zusammenhängendes Lesen

Weit weniger als die Erkennung einzelner Wörter ist das zusammenhängende Lesen (→ Art. 82) Gegenstand der Forschung gewesen. Der Forschungsbericht von Hoffmann (1927) enthält ebenso keine Ausführungen dazu wie die Darstellung von Woodworth (1938). Dies ist sicherlich zunächst einmal technisch bedingt ⫺ erst in unseren Tagen wurden Beobachtungs- und Aufzeichnungsmethoden entwickelt, die sichere Daten für die Analyse des Lesens von Text bereitstellen. Dazu kommt neben der schon oben angesprochenen primär psychophysiologischen Sichtweise die dominierende theoretische Position, nach der, weil grundsätzlich das Ganze aus Teilen ⫺ der Text also aus Sätzen, diese aus Wörtern, diese aus Buchstaben ⫺ zusammengesetzt ist, mithin auch beim Lesen der Weg von den Teilen zum Ganzen, vom Buchstaben zum Sinn des Textganzen führen müsse. Dementsprechend werden z. B. von Woodworth (1938) Augenbewegungsdaten im wesentlichen nur im Zusammenhang mit Fragen wie der nach der Wahrnehmungsspanne, der Lesbarkeit von Schrifttypen und -größen etc. diskutiert. Die Konzentration auf kleinere Einheiten mit der Obergrenze Satz hatte allerdings auch andere Gründe. Quantz (1897) beobachtete Vpn beim lauten Lesen und stellte fest, daß dabei die Aussprache der Wörter der Fixation in einem gewissen Abstand folgte. Genauere Bestimmungen dieser zeitlichen wie räumlichen Spanne zwischen Auge und Stimme (eye voice span, hinfort EVS) wurden so durchgeführt, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Leser der Text entzogen wurde bzw. das Licht gelöscht, wobei der Leser instruiert war, den Text so lange bzw. weit wie möglich weiter auszusprechen. Es zeigt sich dabei, daß die Größe des EVS von der Zeilenposition abhängig war und daß der erfahrene Leser durchschnittlich mehr als 5 Wörter zusätzlich korrekt wiedergeben konnte, daß aber selten dabei Teile eines neuen Satzes wiedergegeben wurden; ferner war der EVS am Anfang eines Satzes besonders groß, am Satzende besonders klein. Buswell (1920) verband die EVSTechnik mit der Aufzeichnung von Augenbewegungen und fand, daß der EVS sehr varia-

78. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Leseforschung

bel und den Leseumständen angepaßt ist. Beim Lesen einfacher Texte umfaßt er bei erfahrenen Lesern bisweilen ganze Zeilen, d. h. die korrekte Erfassung des Textes benutzt neben der auf der Fovea scharf abgebildeten Information auch Zusatzinformationen aus der Peripherie und, wie bereits Buswell (1920, 41) überlegte, die erfaßte grammatische Struktur zur Antizipation späterer Bestandteile des Satzes. Bei seltenen Wörtern bzw. schwierigen Texten dagegen geht der EVS auf Null zurück. Bei schwachen Lesern (wie z. B. Kindern der frühen Grundschule) ist der EVS erwartungsgemäß viel kürzer als bei erfahrenen Lesern. In den 60er Jahren erfuhr diese Untersuchungstechnik noch einmal eine Renaissance; sie wurde dort zur Untersuchung des Zusammenhangs von Leseleistung und grammatischer Struktur eingesetzt, vgl. die Zusammenfassung bei Gibson & Levin (1965, 360⫺371).

5.

Lesertypen

Parallel zu den entsprechenden Forschungsinteressen der Schreibforschung (→ Art. 83; 88) galt der Ermittlung unterschiedlicher Lesertypen starke Aufmerksamkeit. Messmer (1904) z. B. unterscheidet einen objektiven und einen subjektiven Lesertyp. Erstere lesen quasi genauer, d. h. konzentrieren ihre Aufmerksamkeit auf das in der Fovea Abgebildete und erkennen nur wenige Buchstaben bzw. Wörter bei tachistoskopischer Darbietung. Letztere benutzen erheblich mehr Zusatzinformationen aus der Peripherie sowie aus dem sprachlichen Kontext, sind dafür aber auch anfälliger für Fehler. In der Folgezeit wurden von verschiedenen Forschern Modifikationen dieser Unterscheidung oder auch andere Klassifikationen vorgeschlagen, bemerkenswerterweise fast durchweg auf die Zweizahl beschränkt. Schumann (1906) bestreitet Messmers Unterscheidung; diese sei eher auf die momentane Aufmerksamkeitslage zu beziehen je nach Aufgabenstellung, die mehr auf die Objekt- oder Sinngenauigkeit bezogen sein kann. Er stellt dagegen in Anlehnung an ähnliche Unterscheidungen u. a. von Quantz (1897) die Unterscheidung eines visuellen Typus, der sich in der Tat ganz auf das Bild der Buchstaben konzentriert, und eines akustisch-motorischen Typus, der die Buchstabenfolge sofort als eine Lautfolge speichert. Diese Unterscheidung ist später von Baron (1973) ⫺ wie

927

in der angelsächsischen Literatur weitgehend üblich ohne Bezug auf die Forschungsgeschichte ⫺ als Unterscheidung von chinesischen vs. phönizischen Lesern erneut vorgeschlagen worden (→ Art. 91). Die zunächst allein auf das Lesen tachistoskopisch dargebotener Wörter und Nichtwörter bezogene Unterscheidung von Messmer (1904) wird in der Folgezeit ausgeweitet und interpretiert als die Unterscheidung zwischen „einzelheitlicher“ und „ganzheitlicher“ Verarbeitung und zudem in Beziehung gebracht mit Vorstellungen sowohl der Persönlichkeits- als auch der Tiefenpsychologie. Es scheint vom heutigen Standpunkt aus evident, daß sich z. B. die beiden o.g. Dichotomien nicht gegenseitig ausschließen, sondern vielmehr quer zueinanderliegen: Auch ein „akustischer“ Typus, der sich eher an Wortklangbildern orientiert, kann „ganzheitlich“ vorgehen; auch ein „visueller“ Typus kann sich an Buchstabenfolgen orientieren, vgl. die zusammenfassende Darstellung in Kainz (1956, 266⫺274). Im übrigen ist unabhängig davon mit situationsspezifischen Strategieunterschieden zu rechnen, wie dies schon Wagner (1918) herausgestellt hatte.

6.

Lesestörungen

Wichtige Impulse erhielt die psychologische Leseforschung zu ihren Anfängen wie auch neuerdings durch die Untersuchung von erworbenen Störungen der Lesefähigkeit (Alexien). Darunter sind solche Störungen zu verstehen, die keine visuelle Ursache haben, d. h. die Patienten können Gegenstände erkennen und benennen, aber geschriebene Texte nicht oder nur fehlerhaft lesen. Eine umfassende Darstellung der Agraphie- und Alexieforschung mit reicher Bibliographie bietet Leischner (1957); für eine Übersicht vgl. Kainz (1956, 274⫺295). Zur gegenwärtigen Forschungslage sei hingewiesen auf Huber (1989) sowie die Bibliographie von Dittmann & Tesak (1993). Der für das vorliegende Handbuch ursprünglich vorgesehene Artikel 94 zu Agraphien und Alexien mußte leider entfallen; vgl. aber die Beiträge Acquired disorders of reading von Janice Kay und Acquired disorders of writing and spelling von David P. Roeltgen und Stephen Z. Rapczak im HSK-Band 8 Linguistik disorders and pathologies von 1993. Im Sinne der Lokalisationsbemühungen der Zeit haben verschiedene Forscher in der

928

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versucht, schematisch die Zusammenhänge aphasischer Störungen auf der Basis einer Topologie hirnorganischer Sprachzentren zu kennzeichnen. Besonders bekannt geworden ist das sog. Wernicke-Lichtheim-Schema (vgl. Friederici 1984, 18). Ein scharfer Kritiker dieser Bemühungen ist Wilhelm Wundt (1908, 367⫺378), der zunächst dieses Schema bespricht, dann aber einwendet, daß solche, auf Lokalisation beruhenden Darstellungen (a) bestimmte Störungen voraussagten, die de facto überhaupt nicht aufträten, und (b) die Stärke der Leitungsbahnen und ihre Richtung nicht thematisierten. Wundt betont deshalb, daß die auf anatomischen Daten aufbauende Lokalisationsmethodik nicht ausreicht; gerade aufgrund der Unstabilität und Veränderbarkeit der Verknüpfung von Gedächtnisinhalten müsse ein funktionales Modell an die Stelle der Lokalisierungsmodelle treten, das er auch entwirft (1908, 376), ohne daß sein Modell allerdings in der Folgezeit diskutiert worden wäre. Alexien kommen in aller Regel in Verbindung mit aphasischen Störungen vor. Bemerkenswerterweise werden sie aber oft erst dann zum Gegenstand, wenn sie nicht als Begleitung (und mithin Folge) von Aphasien erscheinen. Die Wortblindheit ⫺ ein nach Leischner (1957, 117) zuerst von Kußmaul (1877), dann von einer Vielzahl von Autoren der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebrauchter Terminus ⫺ wird in verschiedener Weise eingeteilt. Neben primär hirntopologisch orientierten Klassifikationen (z. B. Wernicke 1886) stehen eine Vielzahl von Einordnungen, die sich primär an den erhaltenen (schrift)sprachlichen Fähigkeiten orientieren. So werden Alexien mit oder ohne gleichzeitige Agraphien unterschieden (De´je´rine 1892), Alexien, bei denen die Wortsinnerfassung gestört ist gegenüber solchen, bei denen schon die Wortform nicht erkannt werden kann (Pick 1913), oder Alexien mit Aphasie gegenüber solchen, bei denen aphasische Störungen zu fehlen scheinen (Goldstein 1906), usw., vgl. die zusammenfassende Darstellung in Leischner (1957, 109⫺116). In Leischners Buch von 1957 wird weitgehend die medizinisch-psychiatrische Tradition kritisch dargestellt; in Leischner (1987) wird auch die neuere Entwicklung in der Psycho- bzw. Neurolinguistik mit einbezogen. Denn 1973 sorgten John C. Marshall und Freda Newcombe für einen systematischen Kurswechsel in der Alexieforschung. Sie

machten deutlich, daß die Unterscheidung von Krankheitsbildern im Bereich der Lesestörungen systematische Implikationen für die psycholinguistische bzw. neuropsychologische Modellierung des Leseprozesses hat (wie dies im Grunde schon Wundts Ansatz von 1908 implizierte). Ihre Analyse der Lesefehler verschiedener Patienten führte Marshall & Newcombe (1973) zur Modellierung des Leseprozesses auf verschiedenen Stufen und der Unterscheidung von sog. Oberflächen- und Tiefenalektikern. Erstere lesen auf der Basis von Buchstaben-zu-Laut-Umsetzungen (Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln, kurz GPK), und ihre Störung resultiert primär in phonologischen Paralexien. Tiefenalektiker dagegen sind primär an semantischen Paralexien erkennbar; es wird vermutet, daß sie keine Verfügung über GPK mehr haben. Eine Systematik der auftretenden Fälle findet sich bei Patterson (1981; referiert in Günther 1988, 141⫺146). Außerordentlich einflußreich geworden sind die Sammelbände mit den Papieren der beiden in Reaktion auf Marshall & Newcombe (1973) abgehaltenen Konferenzen zur Tiefen- (Coltheart, Patterson & Marshall 1980) und Oberflächenalexie (Patterson, Coltheart & Marshall 1985); für eine vergleichende Studie mit deutschsprachigen Patienten vgl. de Langen (1983). In der Tat gilt es mittlerweile als Prüfstein moderner Modellierungen des Leseprozesses, inwieweit sie kompatibel sind mit neurolinguistischen Analysen von Alexien, vgl. dazu kritisch Günther (1988, 143⫺147).

7.

Wilhelm Wundts Theorie des Lesens

Exemplarisch sollen abschließend die Überlegungen dargestellt werden, die der Begründer der experimentellen Psychologie zum Lesen angestellt hat. In seinem Schaffen nimmt das Lesen nur eine Randstellung ein. Im Jahre 1900 verfaßte er jedoch zwei sehr scharfe Artikel, in denen er sich mit den Befunden von Erdmann & Dodge (1898) zum Wortüberlegenheitseffekt auseinandersetzte. Er beauftragte einen seiner Schüler mit der Überprüfung dieser Befunde, die dieser aber in seiner Dissertation im wesentlichen bestätigte (Zeitler 1900). Die Auseinandersetzung zwischen Wundt (1900) und Erdmann & Dodge (1898) ist in verschiedener Hinsicht lehrreich. Es ist offensichtlich, daß Wundt Ergebnisse von Erd-

78. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Leseforschung

mann & Dodge (1898), insbesondere den Wortüberlegenheitseffekt, nur deshalb bestreitet, weil er die theoretischen Überlegungen von Erdmann & Dodge (1898) nicht akzeptiert. Er ignoriert den Umstand, daß Cattell (1886a) praktisch die gleichen Ergebnisse erzielt hatte, und verbreitet sich in zwei Artikel umständlich über mögliche Fehler der von Erdmann & Dodge (1898) benutzten Apparatur. Paradoxerweise hat er mit seinen Überlegungen zur „realen Bildzeit“ durchaus recht: Wie oben schon erwähnt, ist die Nachbilddauer erheblich länger als seinerzeit angenommen. Dies ändert freilich nichts an der Gültigkeit der Befunde von Erdmann & Dodge (1898), weil sich der Wortüberlegenheitseffekt auch in modernen, das Nachbild kontrollierenden Versuchsanordnungen nachweisen läßt (s.o.). Es gibt auch terminologische Mißverständnisse; der von Erdmann & Dodge (1898) im Einklang mit den meisten Zeitgenossen gebrauchte Begriff der ‘apperzeptiven Ergänzung’ entspricht eher dem, was Wundt unter Assimilation versteht, während Wundt den Begriff ‘Apperzeption’ für eine detailorientierte Wahrnehmung benutzte, in der ‘reproduktive Ergänzungen’ gerade keine Rolle spielen; vgl. zu dieser Auseinandersetzung auch Scheerer (1981). Wundts Theorie des Lesens gründet auf folgenden Grundüberlegungen. Unterschieden wird zwischen der Auffassung eines Eindrucks bei gespannter Aufmerksamkeit (Apperzeption) und bei schweifender Aufmerksamkeit (Assimilation). Dabei kann man sich dies als aufeinanderfolgende Stadien vorstellen ⫺ so offenbar Zeitler (1900) ⫺ oder als unterschiedliche Formen des Lesens, d. h. in einer Reinterpretation der Daten z. B. von Messmer (1904), die oben Zf. 5 dargestellt worden sind. Letztere Position wird in Wundts Arbeiten im Laufe der Zeit immer deutlicher (vgl. zusammenfassend Wundt 1926). Apperzeptives Lesen besteht in der aktiven Konzentration auf die Details der Sinneseindrücke. Assimilatives Lesen ist eher passiv: die eingehenden Elemente erregen im Gedächtnis gespeicherte Informationen, die sich „reproduktiv“ mit dem tatsächlich direkt Wahrgenommenen verbinden, wobei der Eindruck entsteht, Elemente in der Tat klar und deutlich wahrgenommen zu haben, die de facto so weit weg vom Fixationspunkt sind, daß sie schlechterdings nicht scharf wahrgenommen werden können. Die o. g. Experi-

929

mente von Pillsbury (1897) bestätigen dies. Zeitler (1900) findet allerdings, daß visuell deutlich abweichende Druckfehler tatsächlich zu Irritationen führen, d. h. nicht assimiliert werden können. Das Bemerkenswerte an Wundts sehr spärlichen Äußerungen zum Lesen ist, daß er einerseits außer der Anregung der Arbeit von Zeitler (1900) selbst nicht empirisch in diesem Bereich geforscht hat und eine Reihe empirischer Arbeiten, vor allem die von Erdmann & Dodge (1898), schlechterdings falsch einschätzte, daß aber andererseits seine Skizze einer Theorie des Leseprozesses den Vorstellungen der Zeitgenossen weit überlegen ist. Während z. B. Erdmann & Dodge (1898) eine reine bottom up - Theorie verfochten (d. h. sämtliche beim Lesen sich abspielenden Prozesse beziehen sich auf im Signal kodierte Eigenschaften; mithin muß die vieldiskutierte „Gesamtform“ eine am visuellen Bild festmachbare, wirkliche Eigenschaft gedruckter Wörter sein, s. o. Zf. 3.2), betont Wundt insbesondere für den erfahrenen Leser die Rolle der Vorerfahrungen und ihre aktive Rolle bei der Wortverarbeitung. Dies erklärt sich u. a. durch die komplexe Vorstellung, die Wundt von der mentalen Repräsentation von Wörtern hat, und die viele Ähnlichkeiten mit derzeit aktuellen parallel verteilten Netzwerkmodellen hat. Freilich muß man mit solchen Vergleichen sehr vorsichtig sein, insbesondere auch deswegen, weil Wundt sprachliche Phänomene für zwar an die „physiologische Psychologie“ angeschlossen ansah, aber insgesamt grundsätzlich dem Gegenstand der „Völkerpsychologie“ zurechnete; für einige Überlegungen dazu vgl. Scheerer (1981).

8.

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⫺. 1981. Early German approaches to experimental reading research: The contributions of Wilhelm Wundt and Ernst Meumann. Psychological Research 43, 111⫺130. ⫺. 1983. Probleme und Ergebnisse der experimentellen Leseforschung ⫺ 5 Jahre später. In: Günther & Günther, 105⫺118. Schumann, F. 1906. Psychologie des Lesens. Bericht über den 2. Kongreß für Experimentelle Psychologie. Leipzig, 153⫺186. Solomon, R. L. & Postman, Leo X. 1952. Frequency of usage as a determinant of recognition thresholds for words. Journal of Experimental Psychology 43, 195⫺201. Sperling, G. 1960. The information available in brief visual presentations. Psychological Monographs 74, 11. Wagner, J. 1918. Experimentelle Beiträge zur Psychologie des Lesens. Zeitschrift für Psychologie 80, 1⫺37. Wernicke, Carl. 1886. Die neueren Arbeiten über Aphasie. Fortschritte der Medizin 4, 371⫺377. Wheeler, David D. 1970. Processes in word recognition. Cognitive Psychology 1, 59⫺85. Wiegand, C. F. 1908. Untersuchungen über die Bedeutung der Gestaltqualität für das Erkennen von Wörtern. Zeitschrift für Psychologie 48, 161⫺237. Woodworth, Richard S. 1938. Experimental psychology. New York. Wundt, Wilhelm. 1900. Zur Kritik tachistoskopischer Versuche. Philosophische Studien 15, 287⫺317 und 16, 61⫺70. ⫺. 1908. Grundzüge der physiologischen Psychologie. Vol. I. Leipzig (6. Auflage). ⫺. 1911. Grundzüge der physiologischen Psychologie. Vol. III. Leipzig (6. Auflage). ⫺. 1926. Einführung in die Psychologie. Leipzig (6. Aufl.; 1. Aufl. 1911). Zajonc, Richard B. & Nieuwenhuyse, B. 1964. Relationship between word frequency and recognition: Perceptual process or response bias? Journal of Experimental Psychology 67, 276⫺285. Zeitler, Julius. 1900. Tachistoskopische Versuche über das Lesen. Philosophische Studien 16, 380⫺463. Zimmer, Hubert D. 1985. Die Repräsentation und Verarbeitung von Wortformen. In: Wunderlich, Dieter & Schwarze, Christoph (ed.), Handbuch der Lexikologie. Kronberg, 271⫺291.

Hartmut Günther, Mannheim (Deutschland)

932

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

79. Research Methods in the Psychology of Reading 1. 2. 3. 4. 5.

Selection of material Methods for presenting material Choice of subjects for reading experiments Measures of reading performance References

1.

Selection of material

1.1. Between-materials selection When we construct materials for psycholinguistic experiments there usually is the implicit hope that the results will generalize to similar experiments using similar subjects and materials. But how do we decide the population of materials to which our results might generalize? Even if we confine our attention to individual words, psycholinguists have identified a long list of variables that affect the speed and accuracy with which the word is read (part of speech, frequency of occurrence, length, shape, morphological structure, spelling-sound regularity and imageability being among the most prominent). Random selection of materials from a prespecified population is a possible solution for experiments involving single words, and techniques exist for appropriate statistical analysis of such experiments (Clark 1973). The trouble with this approach is that truly random sampling from a large population is seldom practicable and often insensitive. Consider the experimenter whose random sampling of English words produced among others, say, a definite article (the), an obscure polymorphemic item (antidisestablishmentarianism), a foreign loan word (Zeitgeist) and an emotionally loaded word (abortion). It is unlikely that a consistent pattern of performance would emerge with such materials, whatever the task. It is much more common to confine the population of stimuli to be sampled to quite limited subsets (e. g. all sixletter monomorphemic nouns with frequencies between 10 and 15 per million). In English the generation of such subsets has been made easier by the existence of a computerized database (The MRC Psycholinguistic Database, available from the Oxford Text Archive, Oxford University Computing Service, Oxford OX2 6NN, England). The problems with this approach are, first, the extent to which results obtained on words with one set of properties (a certain length and frequency, say) will generalize to other words

and, second, even with the help of computerized databases, whether complex experimental designs, matching words on several properties while manipulating the variables of interest, are possible: there may not be enough words in the language with the appropriate properties. Generalizability problems are not trivial: see, for instance, the debate in the literature about whether the word superiority effect (superior identification of letters in words than in nonwords) is equally strong for words of different lengths (Samuel, van Santen & Johnston 1982). Some psycholinguists have been particularly gloomy about the possibilities of designing experiments with appropriately matched materials (“[…] psycholinguists will be literally lost for words”; Cutler 1981, 69). One solution is to abandon the factorial designs favoured by experimental psychologists and move towards designs suitable for multiple regression analyses. The technique here is not to attempt strict experimental control over all relevant variables but to examine how well each variable, possibly in combination with others, can predict the experimental results. Generality is achieved by ensuring all the relevant variables have suitably broad ranges, and the lack of strict matching is handled by the statistical model. There are several problems with this technique, many of which can be dealt with by elaborating the underlying statistical model (e. g. if the relation between predicting and predicted variables is nonlinear or even nonmonotonic). One persistent problem is not knowing whether all the relevant variables have been incorporated in the analysis. Examples of this approach are in Rubin (1980) and Smith (1988). 1.2. Within-materials selection Humans are sensitive to the context in which events appear, and this is particularly true of linguistic events. We process a word differently as a function of whether we are expecting it or not, whether we have seen it recently or not, whether one of its several meanings is supported by the text in which it is embedded, whether it has a similar meaning or pronunciation to other recently seen words etc. Sometimes psycholinguists exploit these context effects in order to understand the reading process more fully. Sometimes we

79. Research Methods in the Psychology of Reading

wish to minimise context effects if they are likely to contaminate the process we are trying to study. Context effects can be classified in three ways. (a) pool effects: the processing of an item is affected by the pool of possible items from which it is selected; (b) blocking effects: an item is handled differently if it is presented in a block of similar items; (c) priming effects: performance on trial n is influenced by previous stimuli and responses, particularly those occurring on trial n-1. 1.2.1. Pool effects We give two examples of pool effects from the word recognition literature. Taft (1985) reviews evidence that readers decompose English words into component morphemes before they access lexical information such as word meaning. One frequently used experiment in this area is the lexical decision task (a task where subjects have to decide as quickly as possible whether a string of letters constitutes a word or not), and performance on this task can provide crucial evidence about decomposition. In the lexical decision task, however, nonwords have sometimes to be presented, otherwise the subject can respond positively to all the items without processing them. How the nonwords are chosen is important for observing the effects of morphemic complexity. For example, pseudoprefixed words (words that look prefixed but are not, such as relish) are often processed more slowly than genuinely prefixed words, such as revive. Whether this effect is obtained or not depends on whether the nonwords used in the lexical decision task themselves contain prefixed elements. If the nonwords do not contain prefixes, subjects appear to rely on a strategy of looking for prefix-like letter sequences and respond positively if these letter sequences are found. Such a strategy, which involves only superficial processing of the letter strings, abolishes the difference between processing times for prefixed and pseudoprefixed words. Another example of pool effects comes from the substantial literature on spellingsound relations in word recognition. Waters & Seidenberg (1985) showed there are substantial word-frequency effects in lexical decision tasks only if “strange” words are included among the stimuli. Strange words, such as once, aisle and beige, have unusual patterns of letters and irregular correspondences between letters and sounds. Without such

933 words in the set to be processed, subjects can base their decisions largely on the word-likeness of the written form; with such words in the set, subjects appear to use additional checks on the pronunciation of the word, which take extra time, particularly for lowfrequency words, hence the observed frequency effects. 1.2.2. Blocking effects Blocking effects occur when the same types of item are presented in a block of trials, on occasions enabling the subjects to restrict the types of processing they are obliged to carry out. From one perspective, blocking effects, like pool effects, can be seen as faults of experimental design, permitting the subject to display non-representative performance; but from another point of view, they can be seen as telling us which parts of linguistic processing are under the subject’s strategic control. One example of this is Gordon’s (1983) demonstration that frequency effects in lexical decision are larger when the items are blocked by frequency. That is, we are even faster to process words of high frequency if they come in a block, enabling us to ignore cues that would be appropriate only for lower frequency words. 1.2.3. Priming effects When one stimulus influences the processing of a subsequent stimulus, by changing either the accuracy or the speed with which the second stimulus is processed, the second stimulus is said to have been primed by the first stimulus. When the word “priming” is used without qualification, we understand that the effects are facilitatory (increased accuracy or speed), but “negative priming” (decreased accuracy or speed) also occurs: see below. An assessment of priming involves two measurements: a measure of the speed or accuracy of processing of the primed stimulus when the prime is present and a measure of speed or accuracy when the prime is absent. This leads to two methodological problems: (a) what, if anything, should be presented in place of the prime on trials when the prime is absent; (b) what arithmetical operations should be performed on the measures to estimate the priming effect? With respect to (a), the general advice would be to present, as the prime-absent stimulus, one that differed from the prime on only the dimension(s) of interest; so if, for example, we were interested in semantic priming, the prime-absent stimulus would be

934

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

a word of similar frequency, length, etc., but semantically unrelated to the target stimulus. Such a design leaves untouched the issue of whether priming occurs in either or both of the experimental conditions in relation to some idealised no-priming baseline, but such a baseline is probably impossible to define in a theoretically neutral way. With respect to (b), it is most common to estimate priming with the simple difference between the primed and unprimed conditions, though when comparing two or more populations or conditions which differ greatly in their overall performance (e. g. old subjects are generally much slower than young subjects) change as a percentage of baseline level has been used (e. g. Howard 1988). Priming effects are part and parcel of the reading process. The superiority which readers show in processing syntactically and semantically coherent texts (in comparison with jumbles of words) shows that readers are able rapidly to make use of many different levels of previously presented linguistic information in dealing with the part of the text they are currently processing. To call all such facilitatory phenomena “priming” almost certainly hides the wide variety of processes that are involved. Monsell (1987) gives a particularly full account of what parts of the linguistic processing system may be involved. Psycholinguists have studied priming to explore (a) the time course of the word recognition process, and (b) the types of information that can produce priming. An example of a time-course study is provided by Can˜as (1990). He varied the strength of association between two words (strong: doctor-nurse, weak: illness-nurse, no association: pepper-nurse) and examined how much the prior presentation of the first word facilitated (speeded up) a lexical decision to the second word. He also varied the delay (stimulus onset asynchrony, SOA) between presentation of the first word and presentation of the second. He found for short SOAs (100 milliseconds) that there was a priming effect that varied with the strength of association between the words, but that for longer SOAs (500 milliseconds or more) greater priming for stronger associations was present only if there was a greater proportion of strong-association pairs in the stimulus materials. This result (which the reader will have noticed is, in our terminology, a pool effect as well) is a good illustration of the complexity of priming effects that can be observed.

Can˜as used these results to argue for two sorts of processing in word recognition: one rapid and automatic, one slower and under strategic control. This automatic/controlled distinction, particularly associated with Posner & Snyder (1975), has been very influential in the study of word recognition, and has been used, for example, in studies of reading development, where automaticity develops at a surprisingly early age, see Smith (1986) for a review. Priming effects with different sorts of linguistic information have been a popular source of study. I know of no language that has been studied which fails to produce the sort of semantic priming discussed in the previous paragraph. Morphological priming appears absent in Dutch (Sandra 1990), but present and long-lasting in Hebrew (Bentin & Feldman 1990). These experiments are addressing questions about the internal representation of words for readers in different languages. There are also effects of priming of words by word parts (e. g. the first and last letters, Humphreys, Evett & Quinlan 1990) and priming of words parts (e. g. adjacent letters) by words (Greenberg & Vellutino 1988). The thrust of these studies is to identify what aspects of the written word are particularly crucial in the early stages of word identification. Priming has a negative aspect: if context leads us to expect one item, penalties may be incurred if a different item is presented. One example of this is the research of Stanovich, West and their collaborators (e. g. Stanovich, West & Feeman 1981). Sentence context is manipulated so that the target word that completes the sentence is either likely or unlikely: the penalty readers pay by being slowed down in naming the target word, when it is an unlikely completion, provides a measure of how much readers are relying on context. Stanovich and West’s “interactivecompensatory” view is that readers make use of context only when they need to, to compensate for inadequate reading skills, so that novice readers show more use of context than more advanced readers, and difficult words show greater context effects than easy words. All the priming effects we have so far discussed have been proactive; that is, we observe the priming effect of one stimulus on a second stimulus presented after the first stimulus. It is entirely possible to obtain retroactive priming (the second stimulus influences the first) though this is less frequently dis-

79. Research Methods in the Psychology of Reading

cussed in the literature. The possibility of retroactive priming is a crucial ingredient in a debate that was very prominent in the eighties, namely whether priming could take place without the subject being aware of the prime. The methodology in this area is extremely tricky, but a popular variant has been to determine a threshold below which a subject claims to be unaware of a potential priming stimulus presented in isolation, and then to demonstrate that (proactive) priming of a second stimulus occurs when the prime is presented at or below the previously determined threshold. This procedure is suspect if retroactive priming has occurred, raising the previously below-threshold prime above its threshold. See Holender (1986) for a review of the preconscious priming literature, and Dark & Benson (1991) for a recent demonstration of retroactive priming.

2.

Methods for presenting material

Types of presentation method have been much influenced by the basic properties of the visual system and the technology that can be linked to this system. There are four basic properties that deserve comment. First, random sequences of letters or other characters can be identified with total accuracy only when they are presented foveally, that is, to the central region of the retina not more than 2 degrees in diameter; second, incomplete information about words, especially their shape and first and last letters, is available for stimuli presented up to about 3 degrees either side of the fovea; third, the eye moves along text in a series of jumps (saccades) which take at least 150 milliseconds to initiate; fourth, during the execution of saccades the eye is able to take in little useful information. In conjunction, these properties lead to methods that either involve single words or word-like stimuli being presented foveally for less than 150 milliseconds (thus examining what the subject can process in a single fixation, without the opportunity for eye movements) or, when material is presented for longer than this, the experimenter often attempts to control or to monitor what parts of the text the reader looks at. In paradigms involving brief presentations, the material is sometimes preceded by a mask (forward masking) and/or followed by a mask (backward masking). Masking gives the experimenter greater control, since

935 without a mask the visual image can persist for several seconds after the stimulus has been removed (the precise time depending on stimulus conditions and the task required of the subject). The most commonly used mask is a “letter fragment” mask, composed of jumbled pieces of letters. This mask is thought to interrupt low levels of visual processing and enables the experimenter to estimate how much such processing can be achieved with a particular presentation time. Masks may have additional effects, since they are usually only slightly larger than the word they are intended to mask and may thus give cues to the location of the word’s boundaries and its length (Jordan 1990). One technique that attempts to identify which parts of a word are particularly important has been developed by Jarvella, Job, Sandström & Schreuder (1987). They presented subjects with words where part of the word appeared slightly before the rest of the word (the time differences were small: SOAs of around 50 milliseconds). The idea behind this technique is that if the part of the word that the subjects see first contains no units that are of use in word recognition, then the subject will not start effective processing until the rest of the word arrives; whereas, if the first portion contains significant units, processing will be faster, because the subject can start useful processing before the arrival of the rest of the word. Using this technique with Italian words and readers, Jarvella et al. found evidence that the word stem was the crucial unit in processing, whereas with Dutch words and readers other morphemic units also appeared important. For longer presentations, experimenters can monitor eye movements or control the amount of information that is available on any fixation (e. g. the “moving window” technique). These topics are fully dealt with by Rayner and Pollatsek in this handbook (→ art. 80). One method where the experimenter retains some degree of monitoring without recording eye movements involves presenting a text in small chunks, usually single sentences or clauses: the reader presses a key on a computer when they have read one chunk and are ready for the next. In this way the experimenter can record the time spent on each chunk of text. This technique is favoured by psycholinguists studying inferences being made when reading text: if the subject takes a particularly long time to process one specific chunk, this might mean that

936

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

they were making extra inferences at this point. For example, Bower, Black & Turner (1979) used this technique to estimate whether subjects filled in the gaps in a story while they were reading it: the stories referred to standard frequently experienced situations for which the subjects might be expected to have a framework or a “script” (such as a visit to a dentist). Readers did indeed take longer to process a chunk immediately following a part of the story where inferences using the script might be needed.

3.

Choice of subjects for reading experiments

3.1. Single case studies Individuals may show particular skills or deficits in reading and writing which can be of special value in trying to understand cognitive mechanisms in reading. The most common single case studies are where the subject has acquired a reading disorder through brain damage (strokes, head injuries, etc.), but particularly gifted individuals and people whose abilities are not readily attributable to brain damage have also been studied. Among the investigations of the gifted is Bissex’s 1980 study of her son’s writing, which he developed at an early age with little formal instruction. Her observations provided several insights into a young child’s conception of letter-sound correspondences and linguistic units. Among the investigations of readers without obvious brain damage is Campbell, Butterworth and Howard’s study of RE (Campbell & Butterworth 1985; Butterworth, Campbell & Howard 1986). RE was a successful university student, but with markedly impaired phonological short-term memory and impaired phonemic awareness. Her reading performance would classify her as a phonological dyslexic (good performance in reading words she knew, highly impaired performance on words she was unfamiliar with). Despite these deficits, her performance on many linguistic tasks involving comprehension and detection of grammatical mistakes was essentially normal. Such a case is valuable because it provides a challenge to theories that short-term memory in general, and phonological short-term memory in particular, are crucial for normal linguistic comprehension. As with all single cases, there is a question about how much they can tell us

about “normal” reading. RE exhibited her deficits from an early age, and had an exceptionally good visual memory. Her performance tells us that successful reading can be achieved without phonological short-term memory, but RE may have developed a highly atypical processing system, reorganized to rely on visual short-term memory. Such reorganization might be possible only in the first few years of life and not be at all representative of a “normal” adult’s processing abilities. Studies of acquired brain damage are less problematic, because although the methodology is still the study of single cases, the cases seem to fall into moderately well-defined groups, so there is less worry that each case represents an isolated and highly atypical observation. Nonetheless several authorities have pointed out the dangers of averaging across patients whose lesions are not functionally equivalent (e. g. Caramazza & McCloskey 1988), and inferences about particular “types” of dyslexia are usually made from the analysis of single cases, not group averages. The acquired reading disorders of most linguistic interest are phonological dyslexia, surface dyslexia and deep dyslexia. (There are other dyslexias but they seem mainly to be associated with short-term memory or attention deficits.) Good discussions are to be found in Coltheart, Patterson & Marshall 1980 and Patterson, Marshall & Coltheart 1985; → art. 94. Phonological and surface dyslexias are complementary disorders: phonological dyslexics can read aloud familiar words but not unfamiliar or nonsense words; surface dyslexics can read aloud regular words and give plausible pronunciations to unfamiliar words, but they cannot read irregular words, even if these are high frequency. The defining symptom of deep dyslexia is the semantic error: in attempting to read a given word, patients replace it by a word of related meaning (e. g. close → “shut”, uncle → “cousin”). However deep dyslexics also show a variety of other symptoms, including visual confusions and special difficulties with function words, with words of low imageability and with nonwords. Deep dyslexics often have substantial damage to their left hemispheres, and there has been speculation that their symptoms reflect the reading capacities of the right hemisphere. As this brief review suggests, research methods in this area consist largely of pre-

79. Research Methods in the Psychology of Reading

senting subjects with single words chosen so as to discriminate among the deficits we have outlined (words v. nonwords, regular v. irregular words, words belonging to different parts of speech, words of high and low imageability). Perhaps the concentration on isolated words is regrettable, because some dyslexics undoubtedly have syntactic and other higher order linguistic deficits which are not revealed by their performance with single words, but, given many dyslexics’ inaccurate and slow reading of individual words, testing them on groups of words usually is not feasible. 3.2. Group studies Research questions that are often raised have to do with whether two or more groups of readers differ in their abilities. Inferences are not straightforward, because reading ability interacts with other cognitive and social skills. For example, most developmental dyslexics will have linguistic processing deficits, but their poor reading skills will mean they may also have less general knowledge and less self-confidence than their peers: this makes their performance on any task difficult to interpret, since we cannot be sure we are observing performance that directly reflects a primary deficit or is merely the consequence of secondary deficits. If we determined that a group of dyslexics scored low on a test of self-confidence, it is unlikely that a programme specifically designed to improve their self-confidence alone would have much benefit, since it was not tackling the root cause. One experimental design which reduces but usually does not completely eliminate these difficulties involves using several control groups. For example, if we are interested in young developmental dyslexics, we might compare them with a group of normal children of the same age (Chronological Age control) and with a group of normal younger children of similar reading ability (Reading Age control). The Chronological Age control enables us to compare our dyslexics with children with similar interests and maturity, the Reading Age control enables us to compare our dyslexics with children with roughly the same reading ability and amount of experience of reading. A dyslexic who displayed the same pattern of abilities as their younger Reading Age controls could be said to show delayed reading development, whereas a dyslexic who displayed a different pattern could

937 be said to show abnormal reading development. A thorough discussion of this point is to be found in Chapter 5 of Goswami & Bryant (1990). There are several difficulties with this type of approach. One is that Reading Age and Chronological Age are attempting to measure levels of development which are not unidimensional: reading tests assess ability to read isolated words aloud, match words and pictures, understand short sentences, answer questions on longer passages of text, etc. Different reading tests put different emphasis on these components of reading, so matching will vary as a function of the particular test used. Even Chronological Age, though in one sense undoubtedly objective, is providing only a rough guide to the maturity and experience we are seeking to measure: mental age or number of years of schooling might prove better measures. We could also ask why we should confine our controls to reading ability and age: why not memory and attention capacities, nonverbal intelligence, manual dexterity etc.? As we suggested in section 1.1., one way out of these difficulties is to move away from the control-group approach to research designs using multiple regression: with this approach we can examine several variables simultaneously with a view to determining which combinations of them make the most satisfactory predictions about reading performance. For example, Gathercole & Baddeley (1989) found that a group of backward readers were particularly impaired on the repetition of nonwords, auditorily presented. They verified the importance of auditory nonword repetition ability with a group of normal children, where, using multiple regression techniques, they showed that auditory nonword repetition ability made a substantial contribution to predicting vocabulary size, even when chronological age and nonverbal intelligence were controlled for. 3.3. Generalizations from samples to populations If we are hoping to make claims of some generality about the reading process, then we need to go beyond the particular sample of subjects in our study to the populations from which they were drawn. Identifying the appropriate population can be problematic. The majority of subjects in reading studies carried out in universities are probably undergraduate students, but we would hope

938

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

our findings would have more generality beyond this atypical sample of intelligent impecunious twenty-year-olds. Fortunately, many of the differences between adult readers are quantitative. Some readers may have greater memory capacities or more speedy processing than others, but major qualitative differences appear to be rare. For example, language abilities in the elderly, as indexed by such measures as vocabulary size, inference-making abilities or the semantic priming effects discussed in section 1.2.3., show little decline, although overall performance is slower (a good review is provided by Light & Burke 1988). It is also likely that measures of short-term memory capacity will have to be taken into account in attempting to generalize across populations of readers. One particularly successful measure is due to Daneman & Carpenter (1980). They presented subjects with simple sentences which the subjects had to read out loud; after several sentences had been presented the subjects were required to recall the last word of each of the sentences. Reading ability was well predicted by subjects’ performance on this task, better indeed than more traditional measures of memory span (recalling isolated words not embedded in sentences). 3.3.1. Differences in processing strategies Differences between readers are not just quantitative, however. We can classify differences into those relating to processing strategy and those relating to linguistic knowledge. Among attempts to characterise processing strategy differences there have been a number related to dual-route models (accessed or assembled phonology). For example, among English readers Baron, Treiman, Wilf & Kellman (1980) distinguish between “Chinese” readers (relying on accessed phonology) and “Phoenician” (relying on assembled phonology); Frith (1980) distinguishes between children who are good readers but poor spellers who can read only “by eye” (accessed phonology) and children who are good readers and good spellers who can also when necessary read “by ear” (assembled phonology). The thrust of these examples is that experimenters may find themselves not dealing with a homogeneous group of experimental subjects, and, in some tasks at least, this may obscure the conclusions that can be drawn.

It is not clear where these individual differences come from, innate predisposition and the teaching methods the reader was exposed to while learning to read being two possibilities. The writing system itself can lead to differences: Chinese readers who have already learned to read the Chinese logographic writing system read a “Phoenician” system like English in a more “Chinese” way than do other non-English readers whose only experience is with alphabetic scripts (Tzeng & Wang 1983). Even within English, exposure to a more regular alphabet in the initial stages of learning to read (the “initial teaching alphabet”, Pitman & St.John 1969) can lead to different reading strategies after the child has transferred to standard orthography (Smith, Baker & Groat 1982). Processing strategy differences probably are responsible for some of the differences in reading ability at higher linguistic levels. Oakhill & Garnham (1988) point out that a major difference between children who are good or poor comprehenders of text is that only good comprehenders spontaneously make inferences when reading text (to fill in the gaps not made explicit in the story). 3.3.2. Differences in linguistic knowledge Differences in readers’ linguistic knowledge may also limit the generality of experimental findings: if we give readers texts containing elaborate linguistic structures not found in everyday speech, they may fail because they do not know the structures, not because their reading, narrowly construed, is inadequate. Some developmental dyslexics do indeed show particular difficulties with sentences containing complements or embedded clauses (Byrne 1981). An area where there may be substantial individual differences in linguistic knowledge in English is morphology. Modern English has a relatively limited system of productive affixes, but a substantial collection of affixes which, although not fully productive, seem to be treated by subjects as if they had some independent status (e. g. per-, -ive). The extent to which morphemic structure is recognized by individual readers will probably depend on their education, linguistic curiosity, and knowledge of languages such as Latin and Greek from which many English affixes are drawn. The situation is further complicated because the cues to morphemic structure in English are diverse (semantic transparency, productivity, pronunciation spelling, being

79. Research Methods in the Psychology of Reading

the most obvious). A study by Smith (1988) showed large individual differences in how university students rated the morphemic complexity of various English words, and diversity in the number of cues individual subjects appear to be using to make their judgments. We probably need to carry out experiments of this sort before we can interpret individual subjects’ performance on tasks involving the processing of morphemically complex words in English.

4.

Measures of reading performance

4.1. Measures for studying the reading of isolated words Most of experimental psychology is based on two measures ⫺ speed of response and accuracy of response ⫺ and studies of visual word recognition are no exception. 4.1.1. Speed of response Among speed measures, lexical decision time (the time to decide whether a string of letters constitutes a word or not) is very popular, since the response is simple and unequivocal (pressing one button for Yes and another for No). The task has been criticised as artificial and too susceptible to strategic effects (for examples, see sections 1.2.1. and 1.2.2.). Naming time (time to begin naming a word) and categorization time (time to verify that the referent of a word belongs to a given category) are less artificial measures, dealing with the time it takes us to access the pronunciation and meaning of words. Naming time is measured with the aid of a voice key, which stops a timer when the subject begins to speak. This can be tricky to operate, because of false responses (given by the subject coughing, say) and because the spoken beginnings of some words more rapidly stop the timer than others. Categorization time has the disadvantage that other factors not directly to do with reading are involved. One major factor is typicality, where, for example, it takes longer to verify a penguin is a bird than a sparrow is a bird. Other speed measures include the time taken to decide whether pairs of words match on a particular dimension (e. g., do these words rhyme? are these words synonyms?) and the time to search for a specified target in an array of visual stimuli. Judicious combination of these measures, sometimes in conjunction with secondary

939 tasks, has produced interesting results. For example, Kleiman (1975) measured the speed of readers’ rhyming judgments, visual similarity judgments, synonym judgments, categorization judgments and sentence acceptability judgments. Subjects carried out the task without a secondary task or while shadowing (repeating back) a spoken message. Shadowing markedly slowed only rhyming judgments and sentence acceptability judgments, suggesting that semantic analysis, such as categorization and synonym judgment, can be carried out without involving the phonological store needed for rhyming judgments, i. e. conversion to a phonological form is not an essential step in accessing a word’s meaning. More sophisticated versions of this methodology have been developed recently. Shadowing is often replaced by articulatory suppression (repetition by the reader of some simple words, e. g. “the the the […]”). This is because articulatory suppression is thought to be more specific in its effects (occupying the “articulatory loop” in Baddeley’s (1986) working memory model). With this technique Besner (1987) has shown that rhyme judgments (involving partial segmentation of a phonological form?) are disrupted, but homophone judgments (involving comparisons of unsegmented addressed phonological forms?) are not disrupted, i. e. we can carry out homophone judgments without having to manipulate the items in phonological shortterm memory. The most famous and still widely used technique which involves interference with a response which is being timed is the Stroop effect. In its original version, Stroop (1935) demonstrated that naming the colour of the ink in which a word is written is slowed if the word itself is the name of a different colour. This shows readers have automatic access to word meaning which they are not able to suppress even when it would be advantageous to them. Subsequent work has suggested that most written words produce Stroop-like interference, though large interference effects occur only when the word is closely related to a colour or has emotional significance for the subject (e. g. spider-related words for a spider phobic, Watts, McKenna, Sharrock & Trezise 1986). The technique can be used to trace the development of automaticity in novice readers (Schadler & Thissen 1981).

940

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

4.1.2. Accuracy of response There are two complementary measures here: either the experimenter fixes the presentation conditions and records the percentage of correct responses the subject is able to make, or the experimenter sets a level of performance for the subject (e. g. 75% correct) and then adjusts the presentation conditions until this target is met. There exist efficient methods for achieving this target (Falmagne 1986). The dependent measure in this latter case will be some property of the stimulus, such as exposure time. Accuracy measures are used to study phenomena such as the Word Superiority Effect (letters are identified more accurately in words than in nonwords). 4.2. On-line measures of text-reading performance Most of the techniques we discussed in 4.1. are unsuitable for studying the reading of text, because the subject’s response would interfere with fluent reading. The least disruptive measures are those derived from recording the reader’s eye movements, and these are discussed by Rayner and Pollatsek in this handbook (→ art. 80). Also involving a low level of disruption are reading-time measures, where the subject reads chunks of text, pressing a button to summon the next chunk, with the time between button presses being a measure of the reading time for that chunk (often called self) paced reading, see Section 2 for an example of the use of this technique.) The sensitivity of this technique can be quite impressive, particularly with readers who might find it difficult to answer complex questions about what they are reading. For example, Harris, Kruithof, Terwogt & Visser (1981) gave Dutch children stories to read which contained anomalies (e. g. a reference to what one might expect on a visit to a dentist embedded in a story about a visit to the hairdresser’s). Reading time was measured by having the child push down a card to reveal a new line of text. The children were influenced by the anomaly, as evidenced by their longer reading time for the anomalous line, but many of the younger children in the experiment (8-year-olds) were unable afterwards to tell the experimenter what was wrong or to point to the anomalous section. An on-line technique which involves moderate disruption is the letter-cancellation task: subjects read through a text under in-

struction to cancel every instance of a particular letter that they encounter. Letters such as t, h, and e are commonly used, and the standard finding is that if the target letter is embedded in a function word such as the, or an inflection such as -ed then the subject is more likely to fail to cancel it. This result is usually interpreted as showing that readers treat certain letter patterns as units and find it more difficult to detect targets embedded in these units. The technique is disruptive (subjects slow their reading to about onethird of normal speed when they attempt this task) but effective reading, as measured by comprehension tests at the end of the passage, is possible. The trouble with this technique is that it is sensitive to an excessively wide range of factors (position of target in the word, position of target on the page, whether subjects are expecting a comprehension test or not, and a whole range of linguistic functions: see Smith & Groat (1979) for a representative example). Nonetheless, workers such as Healy (e. g. 1976) and Drewnowski (e. g. 1981) have assembled an impressive inventory of effects using this method. 4.3. Off-line measures of text reading A good review of testing comprehension in children is provided by Oakhill & Garnham (1988) and in adults, especially the elderly, by Light & Burke (1988). Basically, we test comprehension by asking our readers questions about what they have read. Because inevitably the questioning must take place seconds or even minutes after the relevant reading has taken place, these measures are testing memory as well as reading. The fact that a fallible memory system is involved can be exploited to discover readers’ preferred ways of reshaping what they have read. Thus if the interest is in how much of the material is stored in a verbatim form, we can show subjects sentences which actually occurred in the text and sentences which are paraphrases of the actual sentences and ask subjects which were presented. If we are interested in inferential processes, we can present sentences with or without the inferences made explicit and ask which sentences were previously presented or which sentences were true. A final aspect of off-line testing of comprehension involves “metalinguistic” or “metacognitive” processes. That is, readers need to know when their comprehension is inadequate (because of misprints, words they do

79. Research Methods in the Psychology of Reading

not know, concepts they do not understand, inconsistencies, etc.) and they would like to be able to do something about it (re-read the text, correct a misspelling, consult a dictionary, ask an expert, etc.). Prompting readers after they have read texts to provide us with their metacognitive insights can be an important guide to their reading problems. As we suggested in Section 4.2., on-line performance measures such as reading time may not always correlate with these metacognitive measures.

5.

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Philip T. Smith, Reading (England)

80. Das Blickverhalten beim Lesen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einleitung Grundmerkmale des Blickverhaltens beim Lesen Die Repräsentation des foveal fixierten Wortes Die Repräsentation parafovealer Wortinformation Die Kontrolle der Augenbewegungen beim Lesen Literatur

1.

Einleitung

Die ersten systematischen Beobachtungen der Augenbewegungen beim Lesen wurden von dem französischen Augenarzt Javal im Jahre 1878 berichtet (Huey, 1908). Diese Beobachtungen zeigten, daß die Augen während des Lesens nicht kontinuierlich die Zeilen entlang gleiten, sondern eine Reihe von

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

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Philip T. Smith, Reading (England)

80. Das Blickverhalten beim Lesen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einleitung Grundmerkmale des Blickverhaltens beim Lesen Die Repräsentation des foveal fixierten Wortes Die Repräsentation parafovealer Wortinformation Die Kontrolle der Augenbewegungen beim Lesen Literatur

1.

Einleitung

Die ersten systematischen Beobachtungen der Augenbewegungen beim Lesen wurden von dem französischen Augenarzt Javal im Jahre 1878 berichtet (Huey, 1908). Diese Beobachtungen zeigten, daß die Augen während des Lesens nicht kontinuierlich die Zeilen entlang gleiten, sondern eine Reihe von

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80. Das Blickverhalten beim Lesen

„Sprüngen“ (Saccaden) durchführen. Weiterhin wurde berichtet, daß die Anzahl der durchgeführten Saccaden von der Textschwierigkeit abhängig ist: Je schwieriger der Text, desto größer die Anzahl der Saccaden. Javals und Lamares Beobachtungen leiteten eine aktive Phase der Erforschung der Augenbewegungen beim Lesen ein. Hueys (1908) Buch „The Psychology and Pedagogy of Reading“, insbesondere die beiden Anfangskapitel „The Work of the Eye in Reading“ und „The Extent of Reading Matter Perceived during a Reading Pause“, enthalten eine systematische Beschreibung des Augenverhaltens beim Lesen. Obwohl diese Studien oft mit recht einfachen Blickaufzeichnungsgeräten durchgeführt wurden, sind die Ergebnisse im wesentlichen in Versuchen mit moderneren und genaueren Meßinstrumenten bestätigt worden (→ art. 78). Unsere Zusammenschau experimenteller Ergebnisse beginnt mit einer Beschreibung des Blickverhaltens beim Lesen. Nachfolgend beschreiben wir visuelle und kognitive Prozesse, welche die Dauer einer Wortfixation bestimmen und untersuchen den räumlichen

Wahrnehmungsbereich während einzelner Fixationen. Wir schließen unseren Artikel mit einer Untersuchung der Kontrolle der Augenmotorik. Unsere Ausführungen folgen zum Teil Rayner & Pollatseks (1987; 1989) Beschreibung des Blickverhaltens beim Lesen. Neuere Ergebnisse sind in unserer Synopse berücksichtigt.

2.

Grundmerkmale des Blickverhaltens beim Lesen

Wie bereits angedeutet, sind uns die wesentlichen Merkmale des Blickverhaltens beim Lesen seit Huey (1908) bekannt. Die Augen stehen entweder relativ ruhig (Fixationen) oder bewegen sich rasch von Textposition zu Textposition (Saccaden). Die meisten Fixationen beim Lesen dauern zwischen 200 und 250 Millisekunden (ms). Die Variabilität der Fixationsdauer ist jedoch recht groß, und relativ kurze Fixationen von weniger als 100 ms und lange Fixationszeiten von mehr als 1 Sekunde können beobachtet werden. Die Verteilung der Fixationszeiten beim Lesen ist leicht

Abb. 80.1: Typische Verteilung der Fixationszeiten beim Lesen von Text. Die Verteilung beruht auf ca. 4100 Messungen.

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

asymmetrisch und die Variabilität kurzer Fixationszeiten ist kleiner als die Variabilität längerer Fixationszeiten. Abb. 80.1 zeigt eine typische Verteilung. Die Berechnung der Blickdauer (gaze duration), d. h. der kumulierten Fixationsdauer eines Wortes, hat sich als abhängige Variable in psycholinguistischen Untersuchungen eingebürgert (Just & Carpenter 1980; Inhoff 1984; Balota, Pollatsek & Rayner 1985). Die Dauer der ersten Fixation eines Wortes (First Fixation Duration) wird oft separat berichtet (Inhoff 1984; Inhoff & Rayner 1986; Lima & Inhoff 1985). Die Blickdauer und die Dauer der ersten Fixation eines Wortes zeigen oft eine ähnliche Abhängigkeit von psycholinguistischen Prozessen in rechtsläufigen Schriften (z. B. Inhoff 1989 b). Rechtsgerichtete Saccaden überqueren im Durchschnitt etwa 7 Buchstaben. Die Messung der Saccaden in Buchstabenlängen hat sich eingebürgert, da die Augen etwa 7 Buchstaben überqueren, gleichgültig, ob der zu lesende Text in großen oder kleinen Buchstaben gezeigt wird (Morrison 1983; Morrison & Rayner 1981; O’Regan 1983). Die Saccaden-

länge ist recht variabel und reicht von weniger als einer Buchstabenlänge zu mehr als 20 Buchstabenlängen. Abb. 80.2 zeigt eine typische Verteilung der Saccaden beim Lesen, vgl. auch Abb. 77.4. Wir wissen von anatomischen und physiologischen Untersuchungen, daß die Wahrnehmungsqualität eines Reizes vom Projektionsort auf der Retina abhängig ist. Die Wahrnehmungsqualität ist relativ hoch, wenn Reize innerhalb des fovealen Bereiches registriert werden, und fällt rapide ab, je weiter wahrgenommene Reize vom Zentrum der Fovea entfernt sind (Riggs 1965). Die wohl wichtigste Funktion der Saccade ist es, neuen Text in den fovealen Wahrnehmungsbereich zu bringen. Experimentelle Untersuchungen, in denen Buchstaben innerhalb des fovealen Wahrnehmungsbereichs ausgeblendet (maskiert) waren, so daß das Lesen ausschließlich mittels parafovealer Buchstabeninformation stattfand, zeigten eine drastische Verschlechterung des Lesens. Eine Leseleistung von etwa 300 Wörtern pro Minute unter normalen Wahrnehmungsbedingungen fiel zu einer Leseleistung von etwa 20⫺30 Wörtern ab,

Abb. 80.2: Typische Verteilung der Saccadenlängen beim Lesen von Text. Die Verteilung beruht auf ca. 4100 Messungen.

80. Das Blickverhalten beim Lesen

wenn foveale Buchstaben maskiert waren (Rayner & Bertera 1979; Rayner, Inhoff, Morrison, Slowiaczek, & Bertera 1981). Die meisten Saccaden beim Lesen sind auf das folgende (parafoveale) Wort gerichtet. Das Blickverhalten folgt jedoch nicht dem Muster einer Fixation pro Wort, sondern ist wiederum recht variabel. Carpenter & Just (1983) berichteten, daß Leser technischen Materials 83% der Substantive, Verben und Adjektive fixierten, aber nur 38% der Artikel, Präpositionen und Konjunktionen. Inhoff, Pollatsek, Posner & Rayner (1989) beobachteten, daß etwa 20% der Wörter übersprungen wurden. Die Länge eines Wortes spielt dabei eine wichtige Rolle. Im allgemeinen gilt die Regel, daß die Wahrscheinlichkeit des Wortüberspringens im umgekehrten Verhältnis zur Wortlänge steht (Rayner & McConkie 1976). Umgekehrt gibt es Wörter, die mehr als einmal fixiert werden (Hyona, Niemi & Underwood 1989). Die Wahrscheinlichkeit einer Mehrfachfixation steht ebenfalls im direkten Verhältnis zur Wortlänge: Je länger das Wort, desto größer die Wahrscheinlichkeit einer Mehrfachfixation. Die Sequenz der Blickbewegungen schreitet nicht immer monoton von links nach rechts fort. Gelegentlich werden die Augen zu einer Textposition befördert, die bereits fixiert wurde (Regressionen). Etwa 5% bis 15% aller Fixationen sind Regressionen. Die Variabilität der Fixationszeiten und Saccaden beim Lesen wird, zumindest zum Teil, von systematisch kontrollierbaren visuellen and sprachlichen Faktoren bestimmt. Die Messung des Blickverhaltens beim Lesen bietet deshalb einen „Einblick“ in die Nutzung solcher Information. Die Blickmessungsmethode bietet dabei den Vorteil hoher ökologischer Validität, da die Versuchsperson, wie beim normalen Lesen, die räumliche Verteilung und Dauer der Fixationen bestimmt. Gleichzeitig können strikte experimentelle Bedingungen eingehalten werden, da der Versuchsleiter das visuelle Textbild und die sprachliche Komposition des zu lesenden Materials kontrolliert.

3.

Die Repräsentation des foveal fixierten Wortes

3.1. Visuelle Faktoren O’Regan und Mitarbeiter zeigten, daß der Fixationsort innerhalb eines Wortes die Wortwahrnehmung beeinflußt. Wenn der Fixa-

945 tionsort innerhalb eines Wortes systematisch variiert wurde, dann ergaben Wortfixationen etwas links der Wortmitte die kürzesten Wortnennungslatenzen (das Intervall zwischen der Darbietung eines Wortes und dem Beginn der Wortartikulation), vermutlich weil diese Fixationen die höchste durchschnittliche Sehschärfe pro Buchstaben boten (O’Regan 1983). Der Fixationsort (im allgemeinen links der Wortmitte) mit der kürzesten Wortidentifikationszeit wurde von O’Regan ‘optimaler Fixationsort’ (optimal viewing location) genannt. Ein ähnliches Ergebnis wurde von O’Regan & Levy-Schön (1987) und O’Regan, Levy-Schön, Pynte & Brugaillere (1984) berichtet, wenn Wortfixationsdauer gemessen wurde. Neuere Untersuchungen (Inhoff & Tousman 1990; McConkie, Reddix, Zola, Kerr & Jacobs 1989; Vitu 1991; Vitu, O’Regan & Mittau 1990) zeigten, daß auch die Wahrscheinlichkeit einer Mehrfachfixation eines Wortes eine Funktion des anfänglichen Fixationsortes ist: Je weiter eine Fixation vom optimalen Fixationsort entfernt war, desto größer war die Wahrscheinlichkeit einer Mehrfachfixation des Wortes. Leser neigen dazu, Buchstaben etwas links des Wortzentrums zu fixieren (Rayner 1979; O’Regan 1981; Inhoff 1989 a), was oft ⫺ aber nicht immer ⫺ mit dem optimalen Fixationsort übereinstimmt. Zusammengenommen zeigen diese Ergebnisse, daß visuelle Faktoren die Identifizierbarkeit eines Wortes beeinflussen: Ein Wort wird schneller identifiziert, wenn alle Buchstaben eine relativ hohe Sehschärfe genießen. Andere Aspekte der Ergebnisse von O’Regan et al. (1984) deuten jedoch auch an, daß visuelle Faktoren nur zum Teil die Identifizierbarkeit eines Wortes bestimmen. Der optimale Fixationsort verlagerte sich nach links, wenn der Wortanfang den informationsreichsten Teil des Wortes darstellte, und nach rechts, wenn das Wortende am informationsreichsten war. Die zentrale Rolle kognitiver Prozesse wurde auch von einer Reihe detaillierter Untersuchungen bestätigt, die zeigten, daß die Fixationsdauer eines Wortes von der Dauer kognitiver Operationen bestimmt wird. 3.2. Der Einfluß individueller Wortmerkmale auf die Fixationsdauer Die Fixationsdauer eines Wortes steigt mit der Länge des Wortes (die Anzahl der Buchstaben pro Wort) an (Just & Carpenter 1980; Kliegl, Olson & Davidson 1982). Die Länge

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

eines (fovealen und parafovealen) Wortes wird während der anfänglichen 50 ms einer Fixation kodiert (Pollatsek & Rayner 1982) und dient dazu, die sprachlichen Wortverarbeitungsprozesse zu verfeinern (Inhoff et al. 1989). Der Wortlängeneffekt ist wohl zum Teil von visuellen Faktoren abhängig, da längere Wörter eine größere räumliche Spanne umfassen. Kognitive Faktoren spielen jedoch auch eine Rolle, da längere Wörter seltener gelesen werden, weniger vertraut sind und weniger visuelle Ähnlichkeit mit anderen Wörtern aufweisen. Eine Anzahl experimenteller Untersuchungen zeigte, daß die Verwendungshäufigkeit eines Wortbildes (word frequency) die notwendige Wortwahrnehmungsdauer beeinflußt. Je häufiger ein Wort gelesen wird, desto kürzer die Wortfixationsdauer (Inhoff 1984; Inhoff & Rayner 1986; Just & Carpenter 1980; Rayner & Duffy 1986; Rayner 1986). Dieser Effekt scheint von der Länge eines Wortes unabhängig zu sein. Weiterhin beeinflußt die lexikalische Mehrdeutigkeit (Ambiguität) eines Wortes die Fixationsdauer. Mehrdeutige Wörter werden länger fixiert als Wörter mit nur einer Bedeutung (Rayner & Duffy 1986). Nachfolgende Untersuchungen (Duffy, Morris & Rayner 1988; Frazier & Rayner 1990; Rayner & Frazier 1989) zeigten, daß mehrdeutige Wörter vor allem dann länger fixiert werden, wenn der vorausgehende Satzkontext nicht zwischen den verschiedenen Wortbedeutungen unterscheiden kann und wenn die verschiedenen Bedeutungen mit gleicher Häufigkeit in der Sprache benutzt werden, also keine Dominanz einer spezifischen Wortbedeutung aufwiesen (engl. palm z. B. bezeichnet mit etwa gleicher Häufigkeit den Teil einer Hand und eine Baumart). Dieses Ergebnis legt nahe, daß unter diesen Bedingungen mehrere Wortbedeutungen sofort obligatorisch aktiviert werden ⫺ was vermutlich die längere Fixationszeit bedingte. Mehrdeutige Wörter, die eine bevorzugte (dominante) Interpretation aufwiesen, wurden jedoch nicht länger fixiert als lexikalisch eindeutige Kontrollwörter (cabinet im amerikanischen Englisch z. B. bezeichnet im allgemeinen einen Schrank und wesentlich seltener die politische Exekutive). Leser scheinen also nur die bevorzugte Bedeutung dieser bedeutungsdominanten Wörter zu bestimmen. Eine feiner abgestufte Bestimmung der Wortbedeutung kann jedoch stattfinden, ohne daß dieser Prozeß in der Fixationsdauer

einen Ausdruck findet. Faktive Verben, z. B. engl. to know (wissen), beinhalten, daß das nachfolgende Satzkomplement wahr sein muß. Nichtfaktive Verben, z. B. engl. to say (sagen), enthalten keine entsprechende semantische Markierung. Die semantische Begrenzung des Satzkomplements beim Lesen faktiver Verben schlägt sich jedoch nicht in der Fixationsdauer nieder (Inhoff 1985; Rayner & Duffey 1986). Nichtsdestoweniger erfassen Leser die semantische Markierung. Inhoff (1985) beobachtete längere Fixationszeiten, wenn falsche Satzkomplemente einem faktiven Verb folgten, als wenn sie einem nichtfaktiven Kontrollverb folgten. Ähnliche Ergebnisse wurden von Schmauder (1991) beobachtet. In Schmauders Untersuchungen lasen Versuchspersonen Sätze mit Verben, die den semantischen Bereich des nachfolgenden Komplementes unterschiedlich begrenzten (argument-structure complexity). Die Komplexität des Verbs hatte wiederum keinen Einfluß auf die Verbfixationsdauer. Wortmerkmale, die die Fixationsdauer eines Wortes bestimmen, können auch das Saccadenverhalten beeinflussen. Vor allem Wortlänge ist von zentraler Bedeutung für die Planung einer Saccade. Wie bereits erwähnt, wird die Länge eines zu fixierenden (parafovealen) Wortes relativ rasch zu Beginn jeder Fixation bestimmt. Diese Information wird dann benutzt, um den nachfolgenden Fixationsort (die Saccadenlänge) zu bestimmen. Wenn Leser nicht in der Lage sind, die Länge eines parafovealen Wortes zu kodieren, dann werden relative kurze „Stolpersaccaden“ durchgeführt (Morris, Rayner & Pollatsek 1990; Pollatsek & Rayner 1982). Wenn die Länge eines parafovealen Stimulus bestimmt ist, dann werden etwas längere Saccaden ausgeführt, wenn der parafoveale Stimulus aus einer heterogenen Sequenz von Buchstaben besteht, als wenn er aus einer homogenen Sequenz von wiederholten X-Buchstaben besteht (Inhoff 1989 a; Morris et al. 1990). Underwoods Ergebnisse (Underwood, Bloomfield & Clews 1988; Underwood, Clews & Everatt 1990) zeigten auch, daß Leser die Länge einer Saccade an individuelle Wortmerkmale des zu fixierenden (parafovealen) Wortes anpassen. Saccaden waren länger, wenn das Wortende den informativen Teil des parafovealen Wortes konstituierte, und kürzer, wenn der Beginn den informativen Teil konstituierte. Dieses Ergebnis konnte jedoch von Rayner & Morris (1992) nicht bestätigt werden. Andere Merkmale des parafovealen

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80. Das Blickverhalten beim Lesen

Wortes, wie die Verwendungshäufigkeit des Wortbildes und seine lexikalische Ambiguität, scheinen ebenfalls nicht die Länge einer Saccade zu beeinflussen (Inhoff & Rayner 1986; Kerr & McConkie 1990; O’Regan 1980). 3.3. Der Satzkontext und die Wortfixationsdauer Der vorausgehende Satzkontext übt einen starken Einfluß auf die Fixationsdauer eines Wortes auf (Balota et al. 1985; Ehrlich 1983; Inhoff 1984; Just & Carpenter 1978; 1980; Ehrlich & Rayner 1981; Vanacek 1972). Just & Carpenter (1978) zeigten, daß ein kritisches Wort (z. B. towel) eine kürzere Fixationdauer beansprucht, wenn der vorausgehende Ausdruck einen spezifischen Gebrauch beinhaltete (hang the […] ) als wenn er einen generellen Gebrauch beeinhaltete (put the […] ). Vor allem zwei Formen der Repräsentation dieses Kontexteinflusses wurden in der Literatur diskutiert: Kontexteinfluß, der durch rein assoziative Wortverbindungungen zustande kommt, und Kontexteinfluß, der von spezifischen Bedeutungszusammenhängen innerhalb des Satzes bedingt wird. Untersuchungen zeigen, daß beide Kontextarten zur Wortidentifizierung beitragen. Assoziativer Einfluß wurde von Zola (1984) demonstriert. In Zolas Untersuchung folgten kritische Wörter (z. B. popcorn) einem Ausdruck, der entweder eine starke (buttered) oder schwache (adequate) Assoziation mit dem kritischen Wort aufwies. Die Fixationsdauer des kritischen Wortes war kürzer, wenn es stark mit dem vorausgegangenen Ausdruck assoziiert war. Carroll & Slowiaczeks (1986) Ergebnisse demonstrieren den strukturellen Beitrag des Satzkontextes. Versuchspersonen lasen verschiedene Satzversionen, in welchen entweder ein Kategoriename (z. B. bird) oder ein neutrales Wort (z. B. thing) dem Lesen eines Kategoriemitgliedes (z. B. robin oder vulture) vorausgingen. Wortfixationszeiten waren kürzer, wenn Kategoriename und Kategoriemitglied übereinstimmten. Dieses Ergebnis wurde sowohl für extrem typische Kategoriemitglieder erzielt, die mit dem Kategorienamen assoziiert sind (robin), als auch für untypische Kategoriemitglieder, die nicht mit der übergeordneten Kategorie assoziiert sind (vulture). O’Brien, Shank, Myers & Rayner (1988) und Garrod, O’Brien, Morris & Rayner (1990) beobachteten kürzere Fixationszeiten für kritische Wörter (z. B. knife), wenn sie bereits im vorausge-

henden Text gelesen wurden. Weiterhin war die Fixationsdauer kritischer Wörter verkürzt, wenn ein allgemeinerer Ausdruck (weapon) im vorausgehenden Text gelesen wurde, dessen Gebrauch mit dem des kritischen Wortes (knife) übereinstimmte. Bedeutungszusammenhänge scheinen also die Nutzbarkeit des vorausgegangenen Satzkontextes zu bestimmen. Längere Fixationszeiten wurden auch während des Lesens metaphorischer Ausdrücke beobachtet (Inhoff, Carrol & Lima 1984, Experiment 3), die keine assoziative Verbindung zum vorausgehenden Satzkontext aufwiesen. Satzkontext muß offensichtlich eine Rolle in der semantischen Bestimmung eines Wortes spielen, wenn lexikalisch mehrdeutige Wörter fixiert werden. Die spezifische Form dieses Einflusses ist von beachtlichem theoretischen Interesse und führte zu zwei konkurrierenden Modellvorstellungen (Fodor 1983). Gemäß der einen Vorstellung werden die verschiedenen semantischen Bedeutungen obligatorisch bestimmt. Satzkontext spielt also nur während der nachfolgenden Selektion der adäquaten Wortbedeutung eine Rolle. Gemäß der alternativen Vorstellung wird Kontext dazu benutzt, nur eine spezifische Bedeutung dieser Wörter zu aktivieren. Kontext bestimmt also im voraus die Selektion der Wortbedeutung. Rayner & Fraziers (1989) Versuche qualifizierten beide Modellvorstellungen. Im kritischen Versuch (Experiment 2) lasen Versuchspersonen Sätze mit mehrdeutigen Substantiven, deren verschiedene Bedeutungen entweder nicht-dominant (z.B palm) oder dominant (z. B. cabinet) waren. Vorausgehender (1a, b) oder nachfolgender (1c, d) Satzkontext bestimmte die Interpretation mehrdeutiger Wörter. [Kritische Wörter sind in den Beispielsätzen zur Verdeutlichung kursiviert.] (1a) Because of its political cabinet impressed us. (1b) Because of its intricate cabinet impressed us. (1c) The cabinet impressed us political expertise. (1d) The cabinet impressed us intricate carvings.

expertise, the carvings, the because of its because of its

Mehrdeutige Substantive ohne Bedeutungsdominanz wiesen kürzere Fixationszeiten auf, wenn vorausgehender Kontext eine bestimmte Bedeutung nahelegte, vermutlich weil diese Bedingungen es dem Leser

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ermöglichten, die passende Bedeutung des Wortes sofort zu bestimmen. Kontext beeinflußte also im voraus die Bestimmung der Wortinterpretation. Die Bestimmung mehrdeutiger Substantive mit Bedeutungsdominanz war jedoch unabhängig vom Satzkontext. Diese Wörter zeigten relativ kurze Fixationszeiten, wenn vorausgehender Kontext mit der dominanten Wortinterpretation übereinstimmte ⫺ vermutlich, weil nur die dominante Wortbedeutung in Betracht gezogen wurde. Die Fixationszeiten waren jedoch erheblich verlängert, wenn vorausgehender Kontext die nichtdominante Bedeutung dieser Wörter nahelegte, vermutlich weil Leser obligatorisch die dominante Bedeutung bestimmten, bevor die nichtdominante Bedeutung mittels Kontexteinfluß bestimmt werden konnte. Kontext spielte also eine Rolle, nachdem die dominante Bedeutung dieser Wörter bestimmt worden war. Die Fixation des Satzteiles, der die Bedeutung des kritischen Wortes festlegte (z. B. intricate carvings, political expertise) war länger, wenn er nach dem kritischen Wort gelesen wurde (1c, d). Weiterhin wurde dieser nachfolgende Satzteil besonders lange fixiert, wenn er die nichtbevorzugte Bedeutung eines Wortes mit Bedeutungsdominanz bestimmte. Diese langen Fixationszeiten kamen vermutlich dadurch zustande, daß Leser anfänglich nur die dominante Wortbedeutung bestimmten und diese Interpretation beim Lesen des nachfolgenden Satzteiles (political expertise im obigen Beispiel) revidieren mußten. Ein ähnliches Ergebnis wurde von Carpenter & Daneman (1981) berichtet. Im Versuch wurde vorausgehender Kontext dazu benutzt, eine bestimmte Interpretation mehrdeutiger Wörter nahezulegen. So wurde das Wort bass, das eine Fischart oder ein Musikinstrument bezeichnen kann, nach der Beschreibung einer Fischereiaktivität gelesen ⫺ und vermutlich als Fischart interpretiert. Der folgende Kontext beschrieb jedoch den Versuch, ein Musikinstrument aus dem Wasser zu ziehen. Unter diesem Umständen waren Regressionen zum mehrdeutigen Wort (bass) häufig ⫺ vermutlich um die ursprüngliche Interpretation dieses Wortes zu korrigieren. Wörter mit verschiedenen Bedeutungsinhalten können von Wörtern mit mehreren Bedeutungsakzenten unterschieden werden. Newspaper z. B. hat zwei verschiedene Bedeutungsakzente im Englischen wie im Deutschen, mit einem Akzent auf Zeitung als Firma und einem Akzent auf Zeitung als

„Nachrichtenpapier“. Akzentuierung scheint sich von Bedeutungsbestimmung zu unterscheiden. Frazier & Rayner (1990) zeigten, daß ein bestimmter Bedeutungsakzent erst dann bestimmt wurde, wenn der Satzkontext dies gestattete. Wir haben oben bereits festgestellt, daß der Bedeutungsinhalt mehrdeutiger Wörter während der Fixation dieser Wörter bestimmt wird und, wenn inkorrekt, nachfolgend revidiert wird. Die bisher beschriebenen Versuche zeigen, daß verschiedene Arten sprachlicher Information einschließlich Wortlänge, Worthäufigkeit, lexikalische Ambiguität und Kontext die Verarbeitung und Repräsentation des direkt fixierten Wortes beeinflussen. Die Bestimmung und Nutzung dieser Informationsarten geschieht während der Fixation eines Wortes, was sich in systematischen Variationen der Wortfixationsdauer wiederspiegelt. Die Bestimmung der Saccadenlänge scheint vor allem von globalen Wortmerkmalen abzuhängen ⫺ der Länge eines zu fixierenden Wortes und der visuellen Ähnlichkeit des parafovealen Stimulus mit einem Wort. Komplexere sprachliche Merkmale scheinen jedoch die Saccadenlänge nicht zu beeinflussen. Wir schließen unsere Diskussion mit einer kurzen Betrachtung syntaktischer Prozesse ab. Diese Prozesse erstrecken sich im allgemeinen über mehrere Wörter; die Messung einer bestimmten (kritischen) Wortfixationszeit wird in diesen Untersuchungen durch die Messung der Fixationszeit eines Satzteils ersetzt. Um den Einfluß verschiedener Satzteillängen auszugleichen, wird häufig die Lesezeit je Buchstabe pro Satzteil berichtet. Die wohl erste Untersuchung syntaktischer Prozesse beim Lesen mittels der Blickmessung wurde von Mehler, Bever & Carey (1967) durchgeführt. Die Validität ihrer Ergebnisse ist mehrfach kritisch untersucht worden (Frazier 1983; Rayner 1978), und wir beschränken unsere Übersicht auf neuere Daten. Die Mehrzahl dieser Untersuchungen demonstriert die rasche Festlegung der syntaktischen Interpretation eines Satzes. Z. B. ist der Ausdruck a mile in Satz (2) syntaktisch mehrdeutig. (2) Since he always jogs a mile seems like a short distance. Der Ausdruck a mile kann entweder als Teil des Nebensatzes interpretiert werden (Since he always jogs a mile) oder als Teil des Hauptsatzes (a mile seems like a short dis-

80. Das Blickverhalten beim Lesen

tance). Unter diesen Umständen bevorzugt der Leser eine Konstruktion, in der der mehrdeutige Ausdruck innerhalb der vorausgehenden Wörter interpretiert wird (he always jogs a mile) (Frazier & Rayner 1982). Dies zeigte sich im Fixationsverhalten des Lesers. Wenn sich die Angliederung des mehrdeutigen Ausdrucks an die vorausgehenden Wörter als falsch erwies, wie im obigen Beispiel, dann stieg die Lesedauer des Satzteils nach a mile steil an. Weiterhin tendierten Leser dazu, den mehrdeutigen Ausdruck und den nachfolgenden Text wiederholt zu lesen, vermutlich weil die ursprünglich gewählte syntaktische Interpretation revidiert werden mußte. Ähnliche Ergebnisse wurden u. a. von Ferreira & Clifton (1986); Rayner, Carlson & Frazier (1983) sowie Rayner & Frazier (1987) erzielt. Rayner et al. (1983) zeigten, daß die Tendenz zur einfachsten sprachlichen Satzkonstruktion auch dann beibehalten wurde, wenn der Satzinhalt eine kompliziertere Satzkonstruktion nahelegte. Dies führte zu dem Schluß, daß die sprachliche Satzkonstruktion autonom und obligatorisch vor sich geht und nicht von semantischen Faktoren beeinflußt wird. Taraban & McClelland (1988) zeigten jedoch, daß Rayner et al.’s experimentelle Sätze systematische Tendenzen aufwiesen, und daß unter anderen Bedingungen der semantische Satzkontext die syntaktische Satzkonstruktion beeinflussen kann. Die syntaktische Festlegung der Satzstruktur scheint also im Einklang mit anderen kontextsensitiven Prozessen durchgeführt zu werden.

4.

Die Repräsentation parafovealer Wortinformation

Dieser Teil unseres Artikels untersucht zwei fundamentale Aspekte der visuellen und kognitiven Kodierung beim normalen Lesen: Den räumliche Sehbereich während einzelner Fixationen und die Integration von Text über nachfolgende Fixationen. 4.1. Der räumliche Sehbereich (Lesespanne) beim Lesen Schon Huey (1908) stellte die Frage, wie groß der räumliche Sehbereich während einer Fixation ist. Mehrere Studien versuchten diese Frage zu beantworten. Die Validität der meisten älteren Untersuchungen ist jedoch unklar (Rayner 1975; 1978). Unsere Erörterung beschränkt sich deshalb ausschließlich auf Ergebnisse, die mittels der „Fenstermethode“

949 (moving window technique) und der Grenzmethode (boundary technique) erzielt wurden (McConkie & Rayner 1975; Rayner 1975). In der Fenstermethode wird die Augenposition des Lesers während einer Fixation und Saccade genau bestimmt; die entsprechenden räumlichen und zeitlichen Koordinaten werden von einem Computersystem registriert. Ein Computerprogramm nutzt diese Koordinaten, um dann ein Textbild mittels eines Oszillographen zu projizieren. Die sprachliche und räumliche Komposition dieses Textbildes kann dann von der Position des jeweiligen Fixationsortes abhängig gemacht werden. In der ersten Untersuchung dieser Art (McConkie & Rayner 1975) wurde lesbarer Text im Bereich des Fixationsortes gezeigt, d. h. der Leser sah ein „Fenster“ lesbaren Textes, das sich symmetrisch um den Fixationsort erstreckte; außerhalb dieses Fensters wurde eine unlesbare Sequenz von zufallsbestimmten Buchstaben gezeigt. Jegliche Veränderung des Fixationsortes wurde stets von einer sofortigen Veränderung der Fensterposition gefolgt, so daß lesbarer Text stets um den Fixationsort verteilt war und unlesbarer Text stets außerhalb des Fensters gezeigt wurde. Die Leseleistung wurde dann als eine Funktion der ‘Fenstergröße’ bestimmt. Abb. 80.3 zeigt ein Beispiel der Fenstermethode. Eine ähnliche Methode, die Grenzmethode (boundary technique), verändert das Textbild nur an einer einzigen Stelle (Rayner 1975; Balota et al. 1985). In dieser Methode wird normaler Text bis zu einer vorbestimmten Grenze gezeigt. Rechts der Grenze können verschiedene Textversionen gezeigt werden. In Satz (3) z. B. kann eine nicht wahrnehmbare Grenze zwischen dem g und e von kluge gesetzt werden. Solange die Augen Text links des g von kluge fixieren, können vier verschiedene Buchstabensequenzen, z. B. entweder Räuber oder Räxxxx oder Sänger oder Iziecmw rechts der Grenze gezeigt werden. Sobald die Augenposition jedoch die Grenze überquert, wird stets das gleiche Wort Räuber gezeigt. (3) Der außerordentlich kluge Räuber Räxxxx Sänger iziecmw entkam mit der Beute. Die Fixationsdauer von Räuber kann dann als eine Funktion der verschiedenen parafovealen Textversionen bestimmt werden. Die Ergebnisse einer Reihe von Untersuchungen mittels der Fenster- und Grenzme-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Abb. 80.3: Visuelles Textbild während verschiedener Fixationen in der Fenstermethode. Eine Versuchsbedingung zeigt ein symmetrisches 3-Buchstaben-Fenster, eine zweite Bedingung zeigt ein symmetrisches 7-Buchstaben-Fenster. X-Zeichen stellen die Maskierung des Textes dar, ⴱ-Zeichen markieren die jeweiligen Fixationsorte.

Weite der Lesespanne rechts (16 Buchstaben) und links (4 Buchstaben) der Fixation kodiert. Die Identität von Buchstaben, von Buchstabensequenzen und von wortspezifischer Information wird innerhalb einer etwas kleineren Lesespanne bestimmt und umfaßt das direkt fixierte Wort und das folgende (parafoveale) Wort (Inhoff 1989 a; 1990). [Die Repräsentation parafovealer Wörter wird in den nachfolgenden Paragraphen genauer untersucht.] Die bewußte Wortwahrnehmung bleibt im allgemeinen auf das direkt fixierte Wort beschränkt. Drei Aspekte dieser Ergebnisse müssen betont werden: Erstens, der Leser kodiert verschiedene Arten sprachlicher Information innerhalb der Lesespanne; zweitens, die bewußte Wortwahrnehmung umfaßt nur einen Teil der erfaßten sprachlichen Information; drittens, bei einer durchschnittlichen Saccadenlänge von etwa 7 Buchstabengrößen wird jede Lesespanne mehrfach fixiert. Der Leser gewinnt also nicht radikal neue Information während jeder Fixation, sondern verschiedene Arten sprachlicher Information werden über nachfolgende Fixationen integriert.

thode zeigten, daß eine normale Leseleistung erreicht wird, wenn das experimentelle Textfenster 16 Buchstaben rechts und 4 Buchstaben links des fixierten Buchstabens enthält. Weitere Vergrößerungen des Textfensters haben keinen Einfluß auf die Leseleistung (DenBuurman, Boersma & Gerissen 1981; Ikeda & Saida 1978; McConkie & Rayner 1975; Pollatsek, Rayner & Balota 1986; Rayner 1986; Rayner & Bertera 1979; Rayner, Inhoff, Morrison, Slowiaczek & Bertera 1981; Rayner, Well, Pollatsek & Bertera 1982). Diese rechtsgerichtete Lesespanne ist eine Folge der rechtsgericheten Wortsequenz europäischer Sprachen. Die Lesespanne ist linksgerichtet, wenn die Wortsequenz von rechts nach links fortschreitet (Inhoff, Pollatsek, Posner & Rayner 1989) oder wenn eine von rechts nach links geschriebene Sprache, z. B. Hebräisch, gelesen wird (Pollatsek, Bolozky, Well & Rayner 1981). Die räumliche Asymmetrie der Lesespanne entwickelt sich mit dem Erlernen des Lesens. Leseanfänger zeigen eine wesentlich kleinere Asymmetrie als geübte Leser (Rayner 1986). Die Lesespanne enthält verschiedene Arten von Information für den geübten Leser. Die Länge eines Wortes wird bis zur maximalen

4.2. Die Repräsentation des parafovealen Wortes und die Nutzung parafoveal kodierter Wortinformation während der nachfolgenden Fixation Wie bereits angedeutet, ist die Nutzbarkeit visueller Information von kognitiven Faktoren abhängig. Die räumliche Vertrautheit des Textbildes spielt beispielsweise eine Rolle: weniger parafoveale Wortinformation wird genutzt, wenn geometrisch rotierte Textversionen gelesen wurden, als wenn normaler Text gelesen wurde (Inhoff et al. 1989). Henderson & Ferreira (1990) beobachteten, daß Leser mehr brauchbare Information vom parafovealen Wort kodierten, wenn ein oft gelesenes (high frequency) Wort fixiert wurde, als wenn ein seltener gelesenes Wort (low frequency) fixiert wurde. Weiterhin gewannen Leser wesentlich weniger brauchbare Information vom parafovealen Wort, wenn das fixierte Wort innerhalb eines syntaktisch komplexen Satzes gelesen wurde, als wenn es innerhalb eines einfachen Satzes gelesen wurde. Diese Ergebnisse zeigen, daß der räumliche Bereich, innerhalb dessen linguistische Information kodiert wird, vom direkt fixierten Wort abhängt: Je schwieriger das fixierte Wort zu lesen ist, desto weniger nutzbare Information wird vom nachfolgenden parafovealen Wort kodiert.

Zu lesender Satz (ohne Maskierung): Das Wetter war wesentlich besser als erwartet.

3-Buchstaben-Fenster: Xas XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXXXr wXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXXXXXXXXXXXXentXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXserXXXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXtetX ⴱ

7-Buchstaben-Fenster: Das WeXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXter warXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXXXXXXXXXXesentliXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXesser aXXXXXXXXXXXX ⴱ XXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXXartet. ⴱ

80. Das Blickverhalten beim Lesen

Zusätzlich wird der parafoveale Wahrnehmungsbereich, innerhalb dessen linguistische Information kodiert wird, vom parafovealen Worttyp beeinflußt. Leser kodieren mehr nutzbare Information, wenn das parafoveale Wort häufig gelesen wird, als wenn es selten gelesen wird (Inhoff & Rayner 1986), und wenn das parafoveal kodierte Wort stark vom vorausgehenden Kontext bedingt wird, als wenn es relativ schwach bedingt wird (Balota et al. 1985). Gelegentlich identifiziert der Leser das direkt fixierte Wort und das parafoveale Wort. Dies geschieht vor allem, wenn das parafoveale Wort wenige Buchstaben umfaßt (Blanchard, Pollatsek & Rayner 1989) und entweder eine vertraute Buchstabensequenz darstellt (O’Regan 1979) oder stark vom vorausgehenden Kontext bedingt wird (Balota et al. 1985; Ehrlich & Rayner 1981). Unter diesen Umständen kann das parafoveale Wort während der folgenden Saccade übersprungen werden. Die Dauer der Fixation, welche dem Überspringen des parafovealen Wortes vorausgeht, ist dann von sprachlichen Merkmalen des übersprungenen Wortes abhängig (Pollatsek et al. 1986). In der Mehrzahl der Fälle führt die ausgeführte Saccade jedoch zu einer Fixation des parafovealen Wortes. Information, die kodiert wurde, während das Wort im parafovealen Sehbereich war, wird dann mit Information integriert, die während der nachfolgenden direkten Wortfixierung erfaßt wird. Eine Reihe von experimentellen Studien versuchte, visuelle und sprachliche Informationarten zu bestimmen, die parafoveal kodiert werden und dann während der nachfolgenden Wortfixationen genutzt (integriert) werden. Die Rolle visueller Information wurde von McConkie & Zola (1979) untersucht. Im Experiment wurden zwei Versionen visueller Textdarbietung gelesen. In der experimentellen Version wurde das visuelle Textbild nach jeder Saccade geändert, so daß Leser z. B. das Wort change während einer Fixation als cHaNgE sahen und während der nachfolgenden Fixation als ChAnGe. In der Kontrollversion blieb das visuelle Textbild konstant. Änderungen des visuellen Textbildes führten jedoch zu keiner Beeinträchtigung der Leseleistung, was nahelegt, daß die Codierung visueller Wortcharakteristiken wohl eine untergeordnete Rolle bei der Integration von Text über nachfolgende Fixationen spielt. Ein ähnliches Ergebnis wurde von Rayner, McConkie & Zola (1980) berichtet.

951 Zwei einflußreiche Untersuchungen zeigten, daß Leser sprachliche Information von den ersten zwei oder drei Buchstaben des parafovealen Wortes kodieren und dann während der nachfolgenden Wortfixation nutzen (Rayner, McConkie & Zola 1980; Rayner et al. 1982). Weitere Experimente zeigten, daß die ersten zwei oder drei Buchstaben eines parafovealen Wortes eine besonders wichtige Rolle beim nachfolgenden Integrationsprozeß spielen, daß aber signifikante Information von allen Buchstaben eines parafovealen Wortes, einschließlich der letzten Buchstaben des Wortes, kodiert wird (Inhoff 1989a; 1990). Die Anfangsbuchstaben eines parafovealen Wortes könnten eine besonders wichtige Rolle spielen, weil sie den Wortidentifikationsprozeß einleiten. Serielle Wortidentifikationsmodelle, in welchen die Wortidentifizierung einer seriellen Auswertung der Buchstaben folgt, sind mehrfach in der Literatur vorgestellt worden (Taft 1985). Lima & Inhoff (Inhoff 1987, 1989 b; Lima 1987; Lima & Inhoff 1985) untersuchten diese Hypothese. Versuchspersonen in Lima & Inhoffs (1985) Studie lasen Sätze, die kritische Wörter enthielten. Diese Wörter begannen entweder mit einer orthographisch vertrauten Sequenz (z. B. roo von rooster) oder mit einer weniger vertrauten Buchstabensequenz (z. B. vul von vulture). Kritische Wörter mit einer vertrauten Anfangssequenz (rooster) wiesen kürzere Fixationszeiten auf, was den Schluß zuließ, daß orthographische Information zur Wortidentifikation beitrug. Die orthographische Vertrautheit einer parafoveal gezeigten Buchstabensequenz hatte jedoch keinen Einfluß auf die Nutzung dieser Information während der folgenden Wortfixierung. Lima (1987) und Inhoff (1987, 1989 b) untersuchten auch die parafoveale Nutzung morphologischer Information. Leser könnten z. B. die besonders wichtigen zwei oder drei Anfangsbuchstaben eines parafovealen Wortes identifizieren, um die morphologische Struktur des Wortes zu bestimmen. Diese Information könnte während der nachfolgenden direkten Wortfixation vor allem dann von Nutzen sein, wenn der Wortidentifikationsprozeß von der morphologischen Komposition des nachfolgend fixierten Wortes abhängt (z. B. Taft & Forster 1976). Leser in Limas (1987) Versuchen sahen identische parafoveale Buchstabensequenzen, z. B. re, die entweder das Anfangsmorphem (revive) oder ein Pseudomorphem (relish) konstituier-

952

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ten. Die Ergebnisse zeigten, daß der morphologische Status der parafovealen Buchstabensequenz die Nutzung dieser Information nicht beeinflußte. Inhoffs (1989 b) Studie führte zu einem ähnlichen Ergebnis. Leser zeigten keinen Unterschied in der Nutzung der drei Anfangsbuchstaben eines parafovealen Wortes, wenn diese Buchstaben ein Morphem bildeten, (z. B. cow von cowboy), ein Pseudomorphem bildeten (car von carpet) oder keine Ähnlichkeit mit einem Morphem aufwiesen (pri von priest). Subanalysen zeigten weiterhin, daß die beginnende Silbe eines Wortes keine wesentliche Rolle bei der Integration von Text über nachfolgende Fixationen spielte. Equivalenz in der Nutzbarkeit parafovealer Wortinformation besteht jedoch nicht, wenn sprachliche Information vom gesamten parafovealen Wort kodiert werden kann. Dieser Schluß wird von mehreren Studien bestätigt. Inhoff (1989 b) fand, daß Leser parafoveale Wortinformation besser nutzten, wenn die beginnende und die endende Buchstabensequenz vertraut war, als wenn nur ein Teil des Wortes vertraut war. Pollatsek, Lesch, Morris & Rayner (1992) zeigten, daß die phonologische Information des gesamten parafovealen Wortes während der nachfolgenden Wortfixation berücksichtigt wurde. Leser nutzen parafoveal kodierte Wortinformation effektiver, wenn die phonologische Kodierung parafovealer Buchstaben mit der phonologischen Repräsentation des nachfolgend fixierten Wortes übereinstimmte. Wir berichteten bereits, daß mehr nutzbare Information parafoveal kodiert wird, wenn das Wortbild vertraut ist (Inhoff & Rayner 1986) und wenn das parafoveale Wort vom vorausgehenden Satzkontext stark bedingt wird (Balota et al. 1985). Obwohl Leser brauchbare lexikalische Information von allen Buchstaben eines Wortes im parafovealen Sehbereich erhalten, ist es unwahrscheinlich, daß dies notwendigerweise mit der Bestimmung der Bedeutung einhergehen muß (Inhoff 1982; Inhoff & Rayner 1980; Rayner, Balota & Pollatsek 1986). In Rayner et al.s Experiment sahen die Versuchspersonen verschiedene Versionen eines parafovealen Textbildes, wie es bei der Beschreibung der Grenzmethode dargestellt wurde. Das Textbild im parafovealen Sehbereich bestand entweder aus dem kritischen Wort (z. B. tune), einem Wort, das in einer semantischen Beziehung zum kritischen Wort stand (z. B. song), einem Wort, das in keiner semanti-

schen Beziehung zum kritischen Wort stand (z. B. door), oder einer Buchstabensequenz, die eine visuelle Ähnlichkeit mit dem kritischen Wort aufwies (z. B. turc). Die Analyse der Fixationzeit des kritischen Wortes, tune im obigen Beispiel, zeigte, daß die visuelle Ähnlichkeit zwischen dem parafovealen Textbild und dem kritischen Wort (turc/tune) die Fixationsdauer des kritischen Wortes verkürzte. Die semantische Ähnlichkeit zwischen dem parafovaelen Textbild und dem kritischen Wort (song/tune) hatte jedoch keinen Einfluß auf die Fixationsdauer des kritischen Wortes. Dies legt nahe, daß semantische Information vom parafovealen Wort entweder nicht kodiert wurde oder nicht mit der semantischen Information des kritischen Wortes integriert wurde. Die Anordnung von Text in Zeilen wird von Lesern benutzt, um räumliche Aufmerksamkeit auf die gelesene Zeile zu zentrieren. Diese Zentrierung verhindert die semantische Identifikation von Wörtern benachbarter Zeilen, obwohl Wörter, die direkt über und unter einem fixierten Wort gezeigt werden, eine relative hohe Sehschärfe genießen und potentiell identifiziert werden könnten (Inhoff & Briihl 1991). Diese Zusammenschau experimenteller Ergebnisse zeigt, daß Leser sprachliche Information von allen Buchstaben des parafovealen Wortes kodieren. Diese Information scheint aus einer Aktivierung wortspezifischer Repräsentationen zu bestehen. Die Aktivierung dieser Repräsentationen wird dann während der nachfolgenden Wortfixation genutzt und ermöglicht eine kürzere Wortwahrnehmungzeit (McClelland & O’Regan 1981; Inhoff & Tousman 1990). Aktivierung lexikalischer Information ist jedoch nicht notwendigerweise mit der Bestimmung der Wortbedeutung identisch.

5.

Die Kontrolle der Augenbewegungen beim Lesen

Wie bereits angedeutet, besteht das Leseverhalten aus zwei verschiedenen Komponenten: Fixationen, die dem Erfassen von visueller und sprachlicher Information dienen, und Saccaden, welche die Augen zu einer neuen Textposition befördern. In den folgenden Ausführungen beschreiben wir experimentelle Untersuchungen, in welchen die Spezifikation der okularen Kontrollmechanismen im Vordergrund stand.

80. Das Blickverhalten beim Lesen

Eine zentrale Hypothese, auf der die beschriebene Leseforschung beruht, ist, daß die Dauer visueller und kognitiver Prozesse beim Lesen sofort in einer entsprechenden Anpassung der Wortfixationsdauer einen Ausdruck findet, Just & Carpenters (1980) immediacy assumption. Neben den bereits angesprochenen vielen Leseversuchen scheinen auch andere Paradigmen diese Annahmen zu bestätigen, z. B. Prinz, Nattkemper & Ullman (1992). Es ist jedoch möglich, daß Fixationen nicht stets von der Dauer visueller und sprachlicher Prozesse abhängig sind. Motorische Prozesse, welche die Ausführung der Saccade bestimmen, scheinen zumindest 100 ms in Anspruch zu nehmen (Russo 1978). Demgemäß könnten Fixationen von weniger als 100⫺150 ms zu wenig Zeit bieten, um die Dauer der entsprechenden Fixation und das Ausmaß der nachfolgenden Saccade von visuellen und kognitiven Prozessen während der Fixation abhängig zu machen. Sprachliche Faktoren könnten die Wortwahrnehmungsdauer beinflussen, wenn die Fixationsdauer eines Wortes mehr als 150 ms beträgt oder wenn eine relativ kurzzeitige Wortfixierung von einer weiteren Intrawortfixierung gefolgt wird. Rayner & Pollatsek (1981) untersuchten die Kontrolle einzelner Fixationszeiten und Saccadenlängen. Im Versuch veränderten sie die visuelle Komposition des Textbildes während jeder Fixation, um den sofortigen Einfluß der Textmanipulation auf die entsprechende Fixationsdauer und Saccadenlänge zu untersuchen. In einer experimentellen Bedingung wurde das Fenster wahrnehmbaren Textes von Fixation zu Fixation verändert, zusätzlich wurde die Präsentation lesbaren Textes innerhalb eines Textfensters verzögert und 0, 25, 50, 100 oder 300 ms nach der Fixierung eines Wortes gezeigt. Falls die Dauer einer Fixation von der wahrnehmbaren Information abhängig ist, dann sollte die Dauer einzelner Fixationen und die Saccadenlänge an die jeweiligen Wahrnehmungsbedingungen angepaßt werden. Die Ergebnisse zeigten eine nahezu lineare Beziehung zwischen der Verzögerung der Textpräsentation und der Dauer der entsprechenden Fixation; wenn z. B. die Präsentation lesbaren Texts um 100 ms verzögert wurde, dann stieg die entsprechende Fixationsdauer um 100 ms an. Relativ kurze Fixationszeiten zeigten jedoch einen geringeren Einfluß der visuellen Textmanipulationen. Weiterhin hing die Länge einer Sac-

953 cade von der Größe des fixierten Textfensters und von der Größe des vorausgegangenen Textfensters ab. Je größer diese Textfenster, desto größer die rechtsgerichtete Saccade. Diese Befunde legen nahe, daß die Fixationsdauer und Saccadenlänge sowohl von der direkt fixierten visuellen und sprachlichen Information als auch von der vorausgegangenen Textkodierung abhängt. Rayner & Pollatseks (1981) Schlußfolgerung wurde von zwei nachfolgenden Untersuchungen qualifiziert. Morrison (1984) zeigte, daß die Verzögerung der Textpräsentation in Rayner & Pollatseks (1981) Versuch zu einer bimodalen Verteilung der Fixationszeiten führte. Eine Verteilung umfaßte Fixationszeiten, die weniger als 150 ms dauerten, und eine Verteilung umfaßte längere Fixationszeiten. Morrison zeigte weiterhin, daß nur die längeren Fixationszeiten von der Verzögerung der Textpräsentation beeinflußt wurden. Diese Fixationen waren überproportional verlängert, eine Textverzögerung von 100 ms z. B. führte zu einer Verlängerung der Fixationzeit um 150 ms. Fixationszeiten, die weniger als 150 ms dauerten, zeigten jedoch keinen Einfluß der verzögerten Textpräsentation, vermutlich weil diese Fixationen vorprogrammiert waren. Saccaden, die diesen kurzzeitigen Fixationen folgten, waren nicht von der Größe des Textfensters abhängig. Morrisons (1984) Ergebnisse legen den Schluß nahe, daß kurzzeitige Fixationen von weniger als 150 ms nicht von der visuellen und linguistischen Verarbeitung des fixierten Textes beeinflußt werden. McConkie, Underwood, Zola & Wolverton (1985) kamen zu einem ähnlichen Schluß. Die wesentlichen Merkmale in McConkie et al.s Untersuchung stimmen mit Morrisons Experiment überein. Wiederum wurde sowohl die Größe des Textfensters als auch die zeitliche Präsentation lesbaren Textes während individueller Fixationen variiert. Die Verteilung der Fixationszeiten zeigte keinen Einfluß dieser experimentellen Faktoren, wenn Fixationszeiten von weniger als 150 ms analysiert wurden. Visuelle und chronometrische Textmanipulationen beeinflußten jedoch Fixationen, die länger als 150 ms dauerten. Morrison (1984) entwickelte ein Modell der Augenkontrolle beim Lesen, das im wesentlichen auf Becker & Juergens’ (1979) und McConkies (1979) Modellvorstellungen aufbaut. Es beruht auf den folgenden Grundannahmen: (1) Die Bewegung der Augen folgt einer Verlagerung der räumlichen Aufmerk-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

samkeit (spatial attention) von einem direkt fixierten Textelement (z. B. ein Wort) zum benachbarten parafovealen Textelement während einer relativ langen Fixation. (2) Die Verlagerung der Aufmerksamkeit löst die Planung einer entsprechenden Saccade aus. (3) Die räumliche Aufmerksamkeit kann weiter in den parafovealen Wahrnehmungsbereich verlagert werden, bevor die ursprünglich geplante Augenbewegung ausgeführt wurde. Unter diesen Umständen plant der Leser eine zweite (korrektive) Saccade. Falls die Planung der Korrektursaccade relativ kurz der Planung der ursprünglichen Saccade folgt, dann kann der Leser die Ausführung der ursprünglich geplanten Saccade überspringen und nur die Korrektursaccade ausführen. Das Ergebnis ist eine Saccade zur Textposition, die mit dem neuen Fokus der räumlichen Aufmerksamkeit übereinstimmt. Die Dauer der nachfolgenden Fixation wird dann von der visuellen und kognitiven Verarbeitung des fixierten Textteils bestimmt. Falls die Planung der Korrektursaccade etwas länger der Planung der ersten Saccade folgt, dann kann der Leser die ursprünglich geplante Saccade ausführen; da die nachfolgende Saccade jedoch bereits geplant wurde, ist die Dauer der nachfolgenden Fixation recht kurz (weniger als 150 ms) und wird sofort von der Ausführung der Korrektursaccade gefolgt. Die Dauer kurzzeitiger Fixationen wird also nicht von der kognitiven Verarbeitung des fixierten Textelements bestimmt. Kurze Fixationszeiten, die nicht die sprachliche Verarbeitung des fixierten Textes widerspiegeln, und nachfolgende Saccaden, die nicht von der räumlichen Komposition des Textes abhängig sind, können von diesem Modell gut erklärt werden. Das Modell kann auch das Überspringen von Wörtern erklären. Dies geschieht vor allem dann, wenn die räumliche Aufmerksamkeit relativ rasch über das parafoveale Wort hinaus in die Peripherie verlagert wird. Mehrfachfixationen eines Wortes können zustande kommen, wenn Leser den ursprünglich bestimmten Aufmerksamkeitsort innerhalb eines (vermutlich langen) Wortes korrigieren, bevor das Wort fixiert wurde. Direkte Kontrolle der Saccadenlänge, wie sie bei länger dauernden Fixationen eintritt, könnte auch erklären, weshalb Leser dazu tendieren, Worte etwas links der Mitte zu fixieren (Inhoff 1989 a; O’Regan 1981; Rayner 1979). Wie bereits angedeutet, stellt eine Fi-

xation etwas links der Wortmitte generell die optimale Identifikationsposition dar. Neuere Ergebnisse verfeinerten Morrisons Modellvorstellungen und führten zu neuen Fragestellungen und Befunden (Henderson & Fereirra 1990; Inhoff 1989 a; Inhoff & Rayner 1986; Inhoff et al. 1989; Pollatsek et al. 1986). Nutzbare parafoveale Wortinformation wird sowohl vor der Bestimmung der Saccade zum parafovealen Wort als auch im Intervall zwischen der Bestimmung und Ausführung einer Saccade kodiert (Inhoff 1989 a; Inhoff & Rayner 1986; Pollatsek et al. 1986). Dies erklärt, weshalb einige Informationsarten sowohl die Saccadenlänge als auch die nachfolgende Wortfixationsdauer beeinflussen, wohingegen andere Informationsarten nur die Dauer der nachfolgenden Wortfixation beeinflussen. Morrisons zentrale Annahmen wurden jedoch von diesen Ergebnissen nicht revidiert.

6.

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Albrecht W. Inhoff, Binghamton, New York/ Keith Rayner, Amherst, Massachusetts (USA)

81. The Perception of Words and Letters 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Background Some basic issues Words and letters Involvement of phonological codes Involvement of subword units Conclusions and speculations: One system or many? References

1.

Background

A common view is that the only process unique to reading (as opposed to language processing in general) is the decoding of the

meaning of words from the printed symbols of the orthography. This view is inspired by an analysis of how children first learn to read. That is, since the beginning reader is already quite fluent in the spoken language, once the printed words can be identified, the task of reading is reduced to the task of listening. There is admittedly more to the written language than a code for words, since many written languages provide codes for the ends of phrases and clauses (e. g. commas), and sentences (e. g., periods); however, most of the information in any writing system subserves word identification. This view is mir-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

rored in the field of cognitive psychology. A very large proportion of the research on the psychology of language has been on the encoding of visual words. Indeed, the encoding of visual words may be the most researched topic in the field of cognitive psychology. As a result, a good deal has been learned about how words are encoded; however, there are still large gaps in our knowledge. Before going on to discuss the details of the experimental research, we need to summarize a few basic facts about writing systems. First there are two basic principles for an orthography: either it attempts to represent a fundamental unit of the meaning of the language or it attempts to represent a fundamental unit of the phonology, or the sound of the spoken language. Within the first principle, the unit of meaning could either be the word or a smaller unit, the “morpheme”. Within the second principle, the unit is usually either the syllable or the phoneme. We will not attempt a formal linguistic definition of any of these concepts here; instead we will assume that the concepts “word” and “syllable” in common usage are adequate for our purposes. We will assume that the morpheme is the smallest unit of meaning, so that, for example, a compound word such as cowboy is composed of two morphemes, cow and boy, while an inflected word such as running is composed of two morphemes, run and “present participle”. Similarly, we will assume that the phoneme is the smallest unit of sound; this is the unit that an alphabetic system attempts to capture in the orthography. The historic progression of writing systems is that they originally attempted to capture meaning, but many changed to represent sound: first syllables and then phonemes. While the historical progression is virtually always in this order, there are orthographies in current use that represent all possibilities: morpheme (Chinese), syllable (Japanese kana system), phoneme (Spanish). However, an important point that will inform much of the rest of the chapter is that no writing system is “pure”. For example, Chinese is not simple “picture writing”; while a character represents a morpheme, there are often portions of a character that give some hints about what the sound is. Similarly in alphabetic languages, while the basic principle is that a letter represents a phoneme, the principle is generally only an approximation. In English orthography (admittedly one of the most

complex and idiosyncratic), the alphabetic symbols are far more than a simple set of codes for phonemes. First, combinations of letters can stand for a single phoneme (e. g. sh, ch). Second, there are more complex rules in which one letter changes the sound of another letter (e. g. where e lengthens the vowel sound in cane but is not pronounced itself). Third, the orthography is morphophonemic in that it often preserves the meaning of words rather than the sound. This is true both in derivations (e. g. courage, courageous) and in some compound words (e. g. vine, vineyard). Thus, while the orthography of English primarily represents the sound of a word, it does so through a system which is more complex than a simple one-to-one correspondence between letters and phonemes; moreover, it is also, to some extent, trying to capture the meaning as well. (Another example of this latter principle is that the writing system disambiguates many homophones.) Sometimes, orthographies such as English are called “deep” to represent this complexity, whereas languages such as Serbo-Croatian or Finnish, that more nearly represent a simple one-to-one correspondence between letter and phoneme, are called “shallow” (→ art. 92). One of the reasons for raising these issues in some detail is that most of the work on visual word recognition has been done on English; thus one has to have some appreciation for its peculiarities. Where possible, we will draw on research in other orthographies for purposes of comparison. However, as the issues evolve, we will come to the conclusion that the data suggest that, for the most part, the conclusions drawn from research on English are likely to represent basic facts about processing alphabetic languages rather than being specific to an admittedly peculiar orthography.

2.

Some basic issues

Most of our chapter will be based on a conceptual model of word recognition that has been shared by most researchers up till about 5 years ago. While this conceptual model is now under some attack, we still believe it is defensible, and furthermore that it is a much easier framework for discussing research than its current competitors. Central to this conceptual schema is the concept of a lexicon

81. The Perception of Words and Letters

or mental dictionary. An item in the lexicon, a lexical entry is contacted (somehow) by the visual input. The knowledge about a word, such as the meaning of the word and its part of speech, is then accessed through this lexical entry. A lexical entry can thus be viewed as a “visual word detector”. Of central interest in this chapter is what information feeds into the visual word detector and how this information is processed. Almost all theories of word identification posit that word detection primarily feeds on an earlier stage of “letter detectors”. However, most theories merely presume the existence of such detectors rather than examine in any detail how letters are identified; this theoretical bias mirrors the fact that there are few experiments little data that illuminate the basic nature of letter processing. In what follows, we will also assume rather than explain the identification of letters. However, a few comments about general issues in pattern recognition might be in order. The two usual conceptions about how a visual form is recognized are termed “template matching” and “feature analysis”. In the former, it is assumed that a pattern of excitation on the retina of the eye is directly wired up to the “pattern detector”. That is, a pattern is essentially defined by the presence of a number of points, each defined by its X- and Y-coordinates on the retina. A common criticism of this conception is that it would be unfeasible, since it would require an unreasonably large number of templates to be able to recognize a visual form regardless of changes in its spatial location, size and orientation. Accordingly, most modern template models presume “preprocessing” stages that transform each pattern to be perceived into a standard size, location, and orientation. To account for perception of a pattern in spite of minor changes in form (such as a change in type style of a letter), the template theory (or virtually any theory) adopts a rule that the visual stimulus is “identified” as being the same as the template which is the closest match. The “feature analysis” theories assume that the stimulus is first broken down into component “features” such as horizontal edges, circles, right angles, etc., and the pattern is recognized as the appropriate combination of these features. While the notion that a pattern is defined by a set of features invariant over changes in location, size and orientation seemed initially attractive, there

959 have been few satisfactory hypotheses about what the defining features are for real-world forms or how they would actually be extracted from a visual display. A characteristic of template models that have been implemented in computer vision is that they work reasonably well if the total set of objects that need to be discriminated is not very large (no more than about 200), but performance rapidly deteriorates when the “lexicon” gets larger. This has led to a new approach, often called “recognition-by-parts”, wherein a complex object is first reduced to a set of basic parts or components, and then recognized as the set of these components (Biederman, 1987). In other words, many current models of object recognition mirror the view of word recognition that will form the backbone of this chapter; that letters are the parts through which words are recognized. The above observation about machine pattern recognition systems indicates that a template system is quite plausible as a scheme to recognize letters, since the total number of patterns to be discriminated is relatively small in most alphabetic systems, and thus that recognizing words through component letters is a reasonable model of the human perceiver. The above discussion, however, raises a question about what discriminations need to be made to identify letters. While it may be plausible that two similar font representations of a are identified by the same template, it is implausible that A and a are, since the forms are not visually similar. Thus, we need to interpose another level on the system called the “abstract” letter detector, which will respond if any form of a letter is present. While such detectors must exist (since we can identify an a in its various forms) it does not logically follow that word recognition must use these detectors rather than the more specific detectors for individual patterns. However, we would like to argue in what follows that word recognition indeed proceeds primarily through the identification of abstract letters. The next section of this chapter has two goals. The first is to document the assertion that a word is indeed perceived through its component abstract letters. The second is to argue that the letters of a word are processed in parallel rather than in series. The succeeding two sections explore whether these letter detectors are all that is needed to explain the identification of words or whether other pro-

960

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

cessing stages are needed. The former inquires whether activation of phonological codes is an important step in the identification of a printed word or whether the pronunciation of a printed word is merely another piece of information looked up after lexical entry (like the meaning of the word and its part of speech). The following section similarly inquires whether units such as syllables or morphemes are active ingredients in the identification of a word or merely information that is accessed as a result of lexical entry. As indicated above, most of the research on word recognition has been done in alphabetic languages and primarily in English. In addition, most of the work in English has been done on normal skilled readers reading their primary language. Thus, our emphasis will be on how word recognition occurs in this common (and presumably optimal) situation. Length constraints, unfortunately, do not permit more than a passing glance on either the development of reading skill or on reading disorders. Most of the research on word perception has studied the identification of words in isolation rather than identification of words in text. The reason for the emphasis on isolated words is methodological, since it is easier to study the word identification process when one doesn’t have to worry about all the other complexities of language processing involved in the comprehension of text. Some investigators have claimed that this is a serious problem, since there may be little relation between how isolated words are identified and how words are identified in text. Over the last decade, however, a body of reasearch has emerged on word identification in text (see Rayner & Pollatsek, 1989). The primary tool for studying the process has been recording eye movements while people are reading. Since much of this research is discussed elsewhere in this volume (→ art. 80), we will primarily draw on it to document the assertion that the findings on words in isolation appear to hold up for words in text.

3.

Words and letters

What is the relationship between the recognition of a word and the recognition of its component letters? One possibility is that a word is recognized as a unified visual representation or “template”. A second possibility is

that the recognition of a word proceeds through its component letters. If a word is recognized through its component letters we are faced with another issue: Are letters within a word processed serially from left-toright (e. g. Gough, 1972) or are they processed in parallel (e. g. McClelland & Rumelhart, 1981; Rumelhart & McClelland, 1982; Paap, Newsome, McDonald & Schvaneveldt, 1982)? In what follows we will contrast template theory and theories that assume that words are recognized through their component letters and we will conclude that the recognition of a word proceeds through the parallel activation of abstract letter detectors. According to a template theory of word recognition, the recognition of letters and the recognition of words are two independent processes. A template theory assumes that a word is processed as a whole. One obvious problem with a template theory of word recognition is that we are able to recognize a word regardless of its actual form. For example, it has been shown that readers have no difficulty reading text in AlTeRnAtInG cAsE (Smith, Lott & Cronnell, 1969; Coltheart & Freeman, 1974). As we have already seen in the case of individual letters, one way of overcoming the problem of variations in the actual form of the stimulus is to assume a preprocessing stage that transforms the pattern to be perceived into a standard size, location, and orientation. If we assume that a word is processed as a unified representation, however, it is difficult to see how such a procedure could be applied in the instance of AlTeRnAtInG cAsE ⫺ it is not the overall word shape that requires transformation, but the shape of the individual letters. Furthermore, as was indicated in the introduction to this chapter, template theories work fairly well if there is a small set of objects that need to be recognized but they have difficulty with larger “lexicons”. This suggests that a template system would be unwieldy in the recognition of printed words but that it could probably handle the recognition of component letters quite well. The discussion above suggests that word recognition proceeds through abstract letter detectors. The idea that words are recognized through abstract letter detectors has great intuitive appeal ⫺ our daily encounters with written text indicate that we have little difficulty recognizing letters that appear in many different forms. For example, we know that

81. The Perception of Words and Letters

an A is an a is an a. Furthermore, new typefaces present little difficulty to an experienced reader. The results of experimental research mirror our intuitions. Additional evidence that word recognition proceeds through abstract letter identities comes from eye movement studies examining integration of information across saccades. Integration of information across saccades has been examined using several paradigms (Rayner & Pollatsek, 1989; → art. 80). The following is the simplest: The subject is first asked to fixate a central fixation point. When it is determined that the subject is fixating the fixation point a “preview” word is presented in the parafovea and the subject is instructed to make an eye movement to the word. When the eye crosses an invisible boundary the preview is replaced with a target word which the subject is asked to name. It has been found that, relative to a “different” preview ⫺ a preview unrelated to the target word ⫺ subjects are fastest to name the target word when the preview and target are identical (e. g. “chart” → “chart”) (Rayner, McConkie & Zola, 1980). Visually similar (e. g. “chort” → “chart”) (Rayner et al., 1980) and phonologically similar previews (e. g. “break” → “brake”) (Pollatsek, Lesch, Morris & Rayner, 1992) also produce faster naming times. The most important result for our present discussion, however, is the finding that changing case from preview to target (e. g. “CHART” → “chart”) does not reduce the size of the effect of the identical preview condition even though the preview and the target are not visually identical (Rayner et al.,1980; see also McConkie & Zola, 1979). Therefore it is not the visual identity of the preview and the target that is responsible for the preview benefit but an identity at an abstract level. These results also point to the inadequacy of template theories in dealing with written word recognition since they indicate that overall word shape plays no important role in visual word recognition (see also Paap, Newsome & Noel, 1984). As indicated above, one proposal concerning the role of letter identification in word recognition is that words are read letter-byletter serially from left to right (e. g. Gough, 1972). An assumption implicit in such a proposal is that a single letter should be processed more quickly than a word and shorter words should be processed more quickly than longer words. One research finding that poses special difficulty for this proposal is

961 the “word superiority effect” (Cattell, 1886; Reicher, 1969; Johnston, 1978; Johnston & McClelland, 1974; Wheeler, 1970) ⫺ the finding that letters are identified more accurately under brief presentation conditions when they occur within a word than when they occur in isolation (→ art. 78). In the paradigm used in this research (Reicher, 1969), the target stimulus was presented for a duration that is brief enough to prevent perfect identification performance. Possible targets included a word such as WORD, a letter such as D, or a scrambled version of the word such as ORWD. Following presentation of the target, two probe letters were presented, one above the critical target letter location and one below the critical target letter location. In the example above, the probe letters would be D and K and one would appear above and the other below where the D had been within the target stimulus. Probe letters were chosen such that either letter would form a word in combination with the other letters in the target (WORD vs. WORK in this example), thus eliminating the possibility that people could guess what the target letter was if they assumed that the target was a word. Reicher (1969) found that identification accuracy was higher when the target letter occurred within a word than when it occurred in isolation. Furthermore, the effect has been obtained with “pseudowords” (pronounceable nonwords) (Baron & Thurston, 1973; Hawkins, Reicher, Rogers & Peterson, 1976). The finding of a word superiority effect poses difficulty for any theory of word recognition that postulates that word recognition proceeds through a serial scanning of component letters because one letter should always require less processing time than a series of letters even if one were to assume that a meaningful relationship among letters would serve to shorten the processing time required for each of those letters after the first. Therefore, it seems that letters within a word are processed in parallel (although the finding of a “pseudoword superiority effect” suggests that the parallel processing of letters is not limited to words). It should be noted that the finding of a “pseudoword superiority effect” also causes difficulty for template theories as templates do not exist for pseudowords yet the pseudoword somehow aids identification of its component letters. McClelland and Rumelhart (1981; Rumelhart & McClelland, 1982; see also Paap et

962

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

al., 1982) have implemented computer simulations of a model of word recognition in which the recognition of a word proceeds through the parallel processing of its component letters. Although space does not permit an in-depth discussion of this model the basic idea is that feature detectors feed into abstract letter detectors which in turn feed into word detectors. If there is enough activity feeding into a particular detector, that detector will become active. For each word to be recognized, a “neighborhood” of candidate entries are activated. An important feature of these models is that activation is not all-ornone ⫺ the more features that are activated for a particular detector, the more active that detector will be. Another feature of the model is that, not only do letter detectors excite and inhibit various word detectors, word detectors feed excitation and inhibition back to the letter level. It is this feature of the model that captures the redundancy of English and also permits it to account for the word superiority effect ⫺ under brief presentation conditions, letters are recognized more accurately when they occur within a word than when they occur in isolation because letters within words receive excitation from both the letter level and the word level whereas letters in isolation receive excitation only from the letter level.

4.

Involvement of phonological codes

The prior section suggests that word identification occurs merely through a direct visual access going from print to letters to words. A theory that has dominated research in the area, called “dual access theory”, however, posits two access routes to the lexicon (Coltheart, 1978; Meyer & Gutschera, 1975). The first is a direct access route (similar to what we have discussed), in which the lexicon is accessed on the basis of the word’s visual representation without reference to its phonology. In the second, the phonological mediation route, the visual representation of the word is first translated into its phonological representation before making contact with the lexicon ⫺ that is, word recognition proceeds from spelling to sound to meaning. It is often assumed that this conversion process proceeds through the application of spellingto-sound correspondence rules. The direct access route thus appears to be necessary in order to recognize words with “irregular” spell-

ing-to-sound correspondences, since application of rules would get one to the wrong lexical entry. On the other hand, the phonological mediation route is assumed to be necessary in order to recognize unfamiliar words. Although we will discuss direct access and phonological mediation primarily in terms of their being two different means of accessing the lexicon, they are also two different means of obtaining a phonological representation of a word. In direct access, the phonological representation is retrieved from the lexical entry after contact is made with the lexicon whereas, in phonological mediation, the phonological representation is computed prior to lexical access. There seems to be a general consensus within the field of cognitive psychology that these two routes do exist. What has been a subject of great controversy is the extent to which each of these routes is functional in the process of fluent word recognition. Until recently, the most popular position has been that, for skilled readers at least, the direct access route is the dominant route to the lexicon with the phonological mediation route serving as a slower “back-up” route (e. g. Waters & Seidenberg, 1985; Seidenberg, Waters, Barnes & Tanenhaus, 1984; Seidenberg, 1985 a). Some researchers have even gone so far as to suggest that there is no need to postulate the existence of a separate phonologically mediated route (e. g. Humphreys & Evett, 1985). In the following, we will first briefly discuss some neuropsychological evidence for the existence of a direct access route and a phonological mediation route and then we will discuss evidence that phonology plays a more central role in visual word recognition than was previously believed. One line of evidence for dual route theory comes from the study of the language processing performance of brain damaged individuals. The two disorders most relevant to our discussion are surface dyslexia and phonological dyslexia. Surface dyslexics make errors in the processing of words that are related to the visual appearance of words and to pronunciation rules (Coltheart, Masterson, Byng, Prior & Riddoch, 1983; Shallice & McCarthy, 1985). For example, given the word island, a surface dyslexic might produce the regularization /izland/ (Marshall & Newcombe, 1973). Furthermore, surface dyslexics have little difficulty in reading nonwords.

81. The Perception of Words and Letters

These findings suggest that surface dyslexics are recognizing words through an intact phonological mediation route because (1) errors reflect the incorrect application of spellingto-sound conversion rules to irregular words and (2) nonwords cannot be read through the direct access route. The performance of phonological dyslexics, on the other hand, presumably reflects the operation of the direct access route, since they read most words rather well but have great difficulty reading nonwords (Coltheart, 1981; Patterson, 1982). It should be noted that this discussion of the neuropsychological literature is an oversimplification ⫺ rarely does brain damage result in such a clear dissociation of processes. Rather than one route being completely damaged and the other completely spared, a more likely scenario is that each route would be damaged but to a different extent. The neuropsychological evidence indicates that individuals have at least two means of accessing the sound of a printed word, a direct access route and a phonological mediation route, but it doesn’t indicate the relative importance of each of these access routes in normal word recognition. As was stated previously, until recently, the most popular position regarding this issue has been that, for skilled readers at least, the direct access route is the dominant route to the lexicon with the phonological mediation route serving as a slower “back-up” route. One line of research that has been taken as support for this position examines the effect of spelling-to-sound regularity on word recognition. The motivation for doing this type of research is that, if word recognition is phonologically mediated, then there should be an effect of spelling-tosound regularity on the word recognition process. More specifically, “regular” words with consistent spelling-to-sound correspondences such as save should be “recognized” more quickly than irregular words with inconsistent spelling-to-sound correspondences such as have. Two tasks that have been used to study this issue are the naming task and the lexical decision task. In the naming task the subject is merely asked to name a word as quickly and as accurately as possible. In the lexical decision task the subject is asked to decide whether or not a target is a real word as quickly and as accurately as possible. Naming time and lexical decision time have both been assumed to reflect the time that is required to recognize a word. Although many studies (e. g., Gough & Coskey,

963 1977; Stanovich & Bauer, 1978) have replicated the original Baron & Strawson (1976) finding that regular words are named more quickly than irregular words, Seidenberg et al. (1984) found that the effect of spelling-tosound regularity was restricted to low frequency words (see also Andrews, 1982; Backman, Bruck, Hebert, & Seidenberg, 1984; Seidenberg, 1985 b; Waters, Seidenberg & Bruck, 1984). Studies employing the lexical decision task have produced contradictory results ⫺ Stanovich & Bauer (1978) found a regularity effect while Coltheart, Besner, Jonasson & Davelaar (1979) did not. The finding that an effect of spelling-to-sound regularity is restricted to low frequency words is consistent with the idea that the phonological mediation route is a “backup” route ⫺ most words are recognized through the direct access route with the phonologically mediated route only influencing the word recognition process when the direct access route is slowed down (for example, by low frequency of occurrence in the language). A finding that has been taken to support phonological mediation is the “pseudohomophone effect”. Using the lexical decision task, Rubinstein, Lewis & Rubenstein (1971) found that subjects took longer to reject “pseudohomophones” ⫺ nonwords that sound like words ⫺ (e. g. brane) than to reject nonwords that are pronounceable but don’t sound like words (e. g. brone). It is assumed that the pseudohomophone is more difficult to reject as a nonword because the phonological representation of the pseudohomophone brane activates the lexical entry for the word brain. One potential problem with interpreting these results as support for phonological mediation is that the effect of phonology is on rejection latencies which are slower than the latencies to accept (and presumably recognize) words. It has been argued by several researchers (e. g. Coltheart, Davelaar, Jonasson & Besner, 1977) that an effect of phonology on the slower “no” responses suggests that phonological coding may occur too slowly to affect normal word recognition, and that stronger evidence for phonological mediation would have to come in the form of an effect on “yes” responses. A further problem in interpreting the pseudohomophone effect as evidence for phonological mediation is that there is some evidence that the effect is strategic in nature. For example, Davelaar, Coltheart, Besner & Jonasson (1978) found a homophone effect with real words, but this

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

effect depended on their being a low proportion of pseudohomophones in the experiment. More recently, however, evidence has been accumulating for a more central role for phonology in visual word recognition. One finding is that readers often mistake a homophone of a word for the actual word. For example, Van Orden (1987), using a semantic categorization task, found that subjects make more false positive errors to foils that are homophonic to category exemplars (e. g. rows for the category a flower) than to spelling control foils (e. g. robs). This finding holds both when the word is exposed for a short duration and when it is presented for a duration at which it can be clearly seen. Furthermore, Van Orden, Johnston & Hale (1988) replicated these results using pseudowords (for example, jeap is misclassified as a vehicle more often than jelp). There seems to be some qualification on the generality of these findings, however, as Jared & Seidenberg (1991) obtained a homophone effect when “narrow” categories (e. g. FLOWER) were used but did not find a homophone effect for high frequency exemplars when “broad” categories (e. g. living thing) were used. A second line of evidence for phonological mediation comes from associative priming of homophones and pseudohomophones. Lukatela & Turvey (1991) used pseudohomophones (e. g. tayble) as primes, followed by a target word that was related to the word that corresponded to the phonological representation of the pseudohomophone (e. g. chair). The target words were named faster when they were preceded by the pseudohomophone than when preceded by a spelling control (tarble), indicating that the phonological representation of the pseudohomophone (e. g. tayble) activated the lexical entry of the corresponding real word (e. g. table) which in turn activated its semantic associates. A similar result was obtained by Lesch & Pollatsek (1993) using real homophones as primes (e. g. beech as a prime for sand). Up to this point, our discussion of research relating to phonological mediation has been restricted to studies employing English, an orthographically “deep” language (i. e., the relationship between the orthography and the phonology is complex). If phonological mediation is evident, as we have already seen, in a “deep” orthography such as English, then it should even be more evident

in an orthographically “shallow” language (i. e., one which has a roughly one-to-one correspondence between letters and phonemes), since the information required by phonological mediation (spelling-to-sound correspondences) would be more readily available. As we will see below, studies employing Serbo-Croatian, an orthographically “shallow” language, have indeed provided evidence for phonological mediation (→ art. 92). Two features of Serbo-Croatian orthography make it especially useful in studying the issue of phonological mediation: (1) there is a simple one-to-one correspondence between graphemes and phonemes and (2) there are two partially overlapping alphabets (Cyrillic and Roman). These two features of the language allow for the construction of letter strings that can be read legally in more than one way. More specifically, it is possible to construct letter strings that, when read in one alphabet, are words but, when read in the other alphabet, are nonwords. In the lexical decision task, subjects take longer to respond “yes” to these words than to words that have only one possible reading. A similar effect of “phonological ambiguity” has also been found with nonwords ⫺ nonwords that have more than one possible reading are more difficult to reject than nonwords with only one reading (Feldman & Turvey, 1983; Lukatela, Popadic, Ognjenovic & Turvey, 1980; Lukatela, Feldman, Turvey, Carello & Katz, 1989). The studies discussed above involved letter strings that result in a phonological representation corresponding to a word when they are read in one alphabet or the other. Another type of letter string that has been employed to examine the role of phonology in reading also involves shared letters but, unlike the letter strings used in the studies above, these letter strings only form words if some of the letters are interpreted as Cyrillic and the others as Roman. In an example provided by Lukatela & Turvey (1991), the letter string HAPEB results in a phonological representation corresponding to a word only if the phoneme /n/ is assigned to H by the Cyrillic alphabet, the phoneme /p/ to the P by the Roman alphabet, and the phoneme /v/ to B by the Cyrillic alphabet. HAPEB has all but one letter in common with a real word but, if both alphabets are applied, it shares all its phonemes with the real word /napev/. If HAPEB is compared to the nonword BETAP which has all but one letter/phoneme in com-

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81. The Perception of Words and Letters

mon with a real word, and lexical access is assumed to be based on a visual representation, then an equal number of false positive responses would be expected. Lukatela, Turvey, Feldman, Carello & Katz (1989) found that nonwords like BETAP produced about 3% false positives while nonwords like HAPEB, when preceded by a neutral context word, produced false positive error rates of about 31%. When HAPEB was preceded by a context word associatively related to /napev/, false positive responses increased to about 55%. These results indicate that all the phonological representations that the letter structure allows are computed prelexically and that the lexicon is accessed through phonological representations. All of these studies provide evidence that identification of isolated printed words is phonologically mediated, but it is unclear what they have to say about the role of phonological coding in identifying words in text. However, a study by Pollatsek et al. (1992) demonstrated that phonological coding is involved in identifying words in silent reading of text. More specifically, Pollatsek et al. demonstrated that phonological information acquired on one fixation from a word in the parafovea is used to help identify that word when it is later fixated. They found that fixation time on a target word in a sentence was shorter when a homophone of that word was presented as a “preview” in the parafovea than when a visually similar control word was the preview. Pollatsek et al. argued that word identification in real reading involves the use of short-term memory to integrate information on successive fixations; hence it is reasonable that phonological codes are a major component in the word recognition process in reading. It seems important to note that the Pollatsek et al. (1992) study has the further advantage of having employed an online measure of word processing. When offline measures such as naming time are used, it is difficult to ascertain exactly when the phonological effect arises because the time required to initiate the response clearly exceeds the amount of time needed to recognize a word (the same is true of response times in the categorization task). Throughout this section we have discussed dual route theory in terms of evidence for either a direct visual route or evidence for a phonologically mediated route. We have assumed that, in phonological mediation, the conversion from the visual representation of

the word to a phonological representation proceeds through the application of grapheme-to-phoneme correspondence rules. In fact, it is more likely that it is due to some mixture of direct access and computational processes as envisioned in either a cooperative dual-access process (Carr & Pollatsek, 1985) or a parallel computation on letters, letter-clusters, and whole word sequences of letters (Seidenberg & McClelland, 1989; Van Orden, 1987). That is, the issue of whether a phonological representation is accessed early in the word recognition process is separable from whether it is accessed by a rule-based system. What the evidence discussed above (and other recent evidence) shows is that phonology plays an early and important role in the visual word recognition process and that representations other than those at the letter level are important. In the next section of this chapter we will examine the possibility that subword units such as morphemes play an important role in visual word recognition.

5.

Involvement of subword units

The research reviewed in the prior section indicated that phonological codes are involved in identifying a printed word. However, it did not address the nature of that phonological representation. One possibility is that letters (or letter clusters) activate phonemes, which in turn activate entities in the phonological lexicon (the same lexicon that recognizes spoken words). However, it is also possible that the phonological representation is more “layered”, and intermediate representations, such as syllables, are also involved. Analogously, the non-phonological representation may involve more than letter and lexical representations. Most of the research that we have discussed so far chiefly employed short words (5 letters or fewer) that were monosyllabic and had only one morpheme. For longer words, the process of lexical access may not be a completely parallel processing of the component letters; if not, then subword units, such as syllables or morphemes, may come to play a part. A theory that guided much of the early research on more complex words was varying forms of a two-stage model proposed by Taft & Forster (1975; 1976) and Taft (1979) (for reviews of this approach see Taft, 1985; 1991). They hypothesized that the initial letters of a word allowed the reader to achieve

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

a preliminary stage of lexical access; the information from the rest of the letters would then allow the specific word to be accessed. For example, for a word like cowboy, the initial letters cow- access a node in memory that can be viewed as like a “file-drawer” that contains all words beginning with cow. The final letters boy allow a successful search for the entry cowboy in the cow- file drawer. Initially, Taft and Forster posited that the initial node or file drawer was defined by something like an initial morpheme, but subsequently, Taft substituted an orthographically defined unit that he termed the BOSS (basic orthographic syllabic structure), which roughly consists of the initial consonant cluster, the first vowel cluster and all the subsequent consonants that could possibly form a consonant cluster. For compound words, such as cowboy, the BOSS and the morpheme are usually the same. Taft & Forster (1975; 1976) offer several lines of evidence for such a two-stage model. One is that lexical decision time was primarily predictable by the frequency of the initial unit. This follows from the model if one assumes that (a) a primary determinant of lexical access is access of the initial unit and (b) that time to find something in the file drawer is merely a function of its relative frequency in the “file drawer” rather than its absolute frequency. A second finding is that nonwords that begin with common initial units are difficult to judge as nonwords in a lexical decision task. Taft and Forster’s data indicated that lexical access is not a process involving only words and letters. In addition, the pattern of data is consistent with their two-stage model of lexical access; however, it is also consistent with many models that posit some sort of intermediate structures (such as letter clusters or syllables). Another problem with their research was that it relied almost exclusively on lexical decision times, which are not clearly indicators of lexical access (as opposed to post-lexical decision stages). Unfortunately, for longer words, it is not clear what a good measure of lexical access is. Naming latency, which seems like an excellent indicator for shorter words may be less valid for longer words, since pronunciation of the initial segment may precede full lexical access of the word. These problems raise several issues. The first is whether it makes any sense to think of there being some special initial segment of a

word that plays a part in lexical access (whether it is a phonologically defined syllable, a morpheme, or a BOSS). Taft (1979) attempted to answer this question by breaking up words into two parts, such as lant ern or lan tern. The former is the segmentation arrived at by the BOSS, while the latter is that derived from the phonological syllable. He found that lexical decision times were faster for the words divided by the BOSS than by the phonological syllable. This result, however, is in some dispute. For example, Lima & Pollatsek (1983) found no difference between words divided by the BOSS and those divided by the syllable (although they found that both were responded to faster than words divided in an arbitrary location). Lima & Pollatsek also employed a preview technique, where various initial segments (e. g. lan, lant) appeared for 80 ms before the entire string was presented. They again found no particular advantage for the BOSS unit but found that words divided at morphemic boundaries were responded to more rapidly than words divided at the BOSS (when the BOSS and morpheme could be distinguished). This technique was also employed by Sanchez-Casas, Garcia-Albea & Bradley (1991) and replicated the essential Lima & Pollatsek findings in both English and Spanish (but see Taft, 1987). The above results indicating that morphemes are involved in lexical access were reinforced by several results using a variant of a priming paradigm. In this task, subjects respond to a series of words (usually the lexical decision task is employed). However, some words (or variants) are repeated, and the speed-up in processing time is used to make inferences about subword units in lexical access. In these tasks, there are usually at least 10 words intervening between the initial presentation (the prime) and the subsequent one (the target). Note that at this kind of lag, there is usually no priming from semantic associates (such as from DOCTOR to NURSE). The major finding is that there is priming at these long lags not only to identical words but to morphologically related words (Stanners, Neiser, Hernon & Hall, 1979; Stanners, Neiser & Painton, 1979). The first result of interest is that there is greater priming when the morphologically more complex word is the prime and the simpler word is the target. That is, full priming (i. e. equal to when the prime and target are the same word) is ob-

81. The Perception of Words and Letters

tained when STARTED precedes START, but only partial priming is obtained when START precedes STARTED. This result is consistent with a two-stage model of access such as that of Taft and Forster. STARTED accesses the file drawer START- and then (because START is the most frequent entry) start is accessed on the way to accessing started. In contrast, access of start does not imply full access of started. The partial access of started, however, does produce some priming of START. Of even greater interest is that the degree of priming depends on the kind of relationship between the morphologically complex word and the base morpheme. For example, while Stanners et al. found that a transparent inflectional relationship produced as great a priming effect as an identical prime (e. g. STARTED primed START as much as START primed START), a less transparent inflectional prime produced only partial priming (e. g. SPOKEN-SPEAK). In addition, even transparent derivational primes produced only partial priming (e. g. SELECTIVE primed SELECT only about half as much as SELECT primed SELECT). This latter finding has been replicated using SerboCroatian (Feldman, 1991). One problem in interpreting these priming studies is that the pattern of priming may reflect post-lexical processes. That is, when the prime word is processed, decomposition into morphological components may take place only after initial lexical access. For example, when the subject sees STARTED, initial access may be of started, and it is only after this access that the morpheme start is accessed (which serves to prime the word start when it is subsequently presented). This post-lexical access view, however, does not provide a very convincing explanation for the difference between started-start and spoken-speak. If decomposition is post-lexical, then one would expect started and spoken to both excite their root morphemes start and speak about equally. In contrast, if the decomposition is prelexical and based on the orthography, the obtained difference in priming is easy to explain. The above results indicate that both the kind of morphological relationship and the orthographic similarity of prime and target affect the priming relationship. Mere letter overlap, however, is not sufficient. Lima (1987 b) found that while dishonest primed honest, arson did not prime son. (A similar

967 result was obtained by Murrell & Morton, 1974, using a tachistoscopic recognition procedure.) The above work indicates that morphemes are involved in lexical access and that access of the root morpheme of a word might precede access of the lexical entry. Prefixed words are an interesting special case, however, since the root morpheme is not at the beginning of the word. Taft & Forster (1975) suggested that a preliminary stage is necessary for prefixed words, whereby the prefix is “stripped” and then the ensuing segment is interpreted as the root morpheme. Unless the reader has extra-sensory perception, this stripping process needs to occur every time the beginning of a word starts with a series of letters that defines a prefix even when it is not a prefix. Thus, one should expect longer processing times for “pseudoprefixed” words such as repertoire than for prefixed words such as rejuvenate that are matched on length and frequency. In fact, Taft & Forster (1975) (see also Taft, 1981) found that lexical decision times for pseudoprefixed words were longer than for words with true prefixes, a finding that Lima (1987 a) replicated in a reading study using fixation time on a word as the measure of lexical access time. To summarize, the bulk of the research on longer words indicates that sublexical units other than letters are involved in the identification of words. The evidence is most compelling for morphemes, however, and there is still no convincing evidence that either orthographic units (such as the BOSS) or phonologically based syllabic units are involved in lexical access. Considered from the standpoint of system architecture, it is not clear why the involvement of orthographic or phonological syllables would be of significant benefit (except when they coincided with morphemic boundaries). First, since the ultimate goal is to compute the meaning of a word, access of a BOSS would have little intrinsic value; access of a syllable might help to reinforce a sound code used in short-term memory. Second, while it is relatively easy to see how a BOSS could be identified (the procedures specified for identification of the BOSS are close to algorithms), it is not at all clear how phonological syllables would be computed from the letter string. The orthographic cues for syllable boundaries are very hard to specify, and furthermore, in some languages such as English, syllable boundaries are often ambiguous. Thus, while a pho-

968

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

nological representation appears to be computed as part of lexical access, it may be in a form in which syllabic information is missing or incompletely specified.

6.

Conclusions and speculations: One system or many?

A priori, there are many potential visual and linguistically defined units that could be involved in identifying words. The bulk of the research indicates that the component letters are indeed the elementary building blocks in the recognition of words. This research also indicates that more superficial visual aspects, such as word shape play no important role in lexical access. However, the research discussed in the prior two sections indicates that words are not merely accessed through their component letters, since both a sound representation (as yet incompletely specified) and a sub-lexical morphemic representation also appear to be involved in lexical access of printed words. The dual-route theory has served as a heuristic for understanding the involvement of a phonological representation; the involvement of morphemic units raises the possibility of a second indirect route that involves composing morphemes rather than being a direct look-up process. To date, however, there is no evidence for two independent indirect routes to the lexicon in addition to the direct route. In fact, there has been growing criticism of the critical assumption of the dualroute theory that there are even two functionally independent routes to the lexicon. The issues are complex, so the following will merely serve as a rough guide. The argument against dual-route theory starts with a critique of the mechanisms postulated for each of the routes. The original dual-route theory (Coltheart, 1978; Meyer & Gutschera, 1975) posited a direct look-up of a lexical entry by its component letters. However, we have seen that this conception has had to be modified by a notion that a “neighborhood” in the lexicon is excited and that lexical access follows this more complex excitation pattern. Moreover, the indirect route was originally assumed to be the result of the application of spelling-to-sound “rules”. The complexity and irregularity of English, however, makes it quite unlikely that there is in fact such a set of rules, and furthermore, that they could be applied in the 100⫺200 ms that

is needed for lexical access. As a result, the constructive process is now usually modelled in terms of a set of units (both lexical units and subword units such as letters and letter clusters) all exciting phonological representations; the system somehow computes a single phonological representation from all this information in a parallel fashion. Modern defenders of the dual-route system (ourselves included) usually concede that the two routes are not simple and are roughly what is postulated in the prior paragraph. What is at issue is whether these two more complex processes are, in some sense, functionally independent. Critics of the dualroute view argue that the direct and indirect routes seem to have similar architectures, since both involve excitation of a set of detectors which then settle on a final solution. They thus feel that two such systems are unnecessary; one complex system composed of word detectors and word fragment detectors, each hooked up to phonology and interrelated in a complex fashion, will suffice. (There is an alternative formulation that even dispenses with a lexicon and substitutes for it in terms of a more distributed parallel representation; see Seidenberg & McClelland, 1989.) The primary issue, as we see it, is whether the idea of functional subsystems makes sense (even if they are more complex than originally postulated). The neuropsychological evidence discussed earlier still seems to us to be compelling evidence for separable systems. The proponents of a one-system approach (e. g. Humphreys & Evett, 1985) have argued to the contrary. First, they argue that the neuropsychological syndromes can not be explained by a simple elimination of either the direct or indirect route. This is generally conceded; however, the syndromes still seem parsimoniously explained by a marked deterioration of one system or the other. Second, it has been argued that computer modelling of a single system (employing computer analogies of “lesions”) can produce behavior similar to that of some of the neuropsychological patients. This evidence is not particularly strong, however, since only some of the syndromes have been simulated; furthermore, it is not clear that such computer models wouldn’t produce many syndromes not observed in nature. In addition, there has been a series of studies (inspired by the dual-route theory) indicating that normal humans can favor one

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81. The Perception of Words and Letters

route or the other. First of all, there are individual differences in the size of the regularity effect (Baron & Strawson, 1976) indicating that different individuals favor either the direct or indirect route. Perhaps more to the point is that task demands can alter which system is favored. For example, tachistoscopic recognition of letters in words can be affected by the percent of homophonic words in the experiment, indicating that the indirect route can be largely turned off if it is usually irrelevant to doing the task (Hawkins et al., 1976). Several recent studies have employed this kind of dual-route logic to predict differences in tasks more closely tied to lexical access. Baluch & Besner (1991) distinguished between two classes of words in Persian; “transparent”, those whose sounds can be computed from the orthography and “opaque”, those whose sounds must be looked up in the lexicon (words in the latter group have some vowels unspecified). They found that the presence of nonwords in a naming task largely eliminates both word frequency and priming effects on the transparent words (but not on the opaque words). Thus, it appears that the presence of nonwords in the task causes Persian readers to turn off the direct look-up process for accessing the name of a transparent word. Conversely, Monsell et al. (1991) found that the presence of nonwords in a list of (English) irregular words increased naming times for the irregular words and produced more “regularization” errors compared to when the list was purely irregular words. Thus, while reading lists containing only irregular words, readers of English can apparently turn off the indirect route. Perhaps the most dramatic result in this line of experiments comes from an experiment by Paap & Noel (1991), employing dual-task methodology. They reasoned that the indirect route (being computational) required effort and thus would be inhibited if the subject was required to do a concurrent memory task. Consistent with this idea, they found that naming time for low-frequency exception words actually decreased when subjects were forced to perform a concurrent memory task. That is, the secondary task appeared to turn off the indirect route for exception words (which was somewhat interfering) and allowed naming to be faster for these words. (The secondary task increased naming times for other words.)

To summarize, the dual-route conception still appears to be viable; moreover, readers appear to have some control over which system they rely on most heavily. As indicated earlier, there was a suggestion that morphemes are also involved in lexical access. At present, there is no evidence for a third system; however, people haven’t looked very carefully. We expect that the next ten years of research will give us a clearer picture of the architecture of word recognition and how morphology fits into it. We also see that the issue of how much control the person has over the routes of lexical access will be an increasingly important issue, together with the related issue of whether there are important individual differences among people.

7.

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Alexander Pollatsek/Mary Lesch, Amherst, Massachusetts (USA)

972

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

82. Lesen als Textverarbeitung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1.

Lesen als mentaler Konstruktionsprozeß Annahmen zur kognitiven Architektur Mentale Repräsentationen Aufmerksamkeitssteuerung Verarbeitungsstrategien und Verarbeitungsregulation Ausblick Literatur

Lesen als mentaler Konstruktionsprozeß

Ein Text ist ein Kommunikationsinstrument, mit dem ein Autor einem Leser eine Mitteilung über einen Sachverhalt machen kann (vgl. Bühler 1934). Der Autor versucht dabei mittels sprachlicher Formulierungen, das Bewußtsein des Lesers so zu steuern, daß der Leser versteht, was der Autor meint (Hörmann 1976). Wenn dies gelingt, konstruiert der Leser eine mentale Repräsentation des dargestellten Sachverhalts, die in bestimmten relevanten Punkten der des Autors entspricht. Ein Leser kann allerdings anhand des Texts auch eine mentale Repräsentation konstruieren, die in wesentlichen Punkten von der des Autors abweicht. Dabei versteht der Leser den Text zwar in bestimmter Weise, mißversteht jedoch den Autor. Sowohl beim adäquaten, vom Autor intendierten Verstehen als auch bei einem Mißverstehen konstruiert der Leser anhand des Texts eine mentale Repräsentation. Für bestimmte Textsorten haben sich konventionalisierte, für die Realisierung bestimmter Mitteilungsintentionen besonders funktionale Darstellungsstrukturen herausgebildet. Das Textverstehen wird wesentlich erleichtert, wenn die Darstellung einer dem Leser bereits bekannten Struktur folgt (Bower 1976; Haberlandt 1980; Kintsch & Greene 1978; Mandler 1978; Stein & Glenn 1979; Yekovich & Thorndyke 1981). Was einen Text von einer Ansammlung beliebiger Sätze unterscheidet, ist seine Kohärenz: Die in den Textsätzen ausgedrückten Fakten sind in einer epistemisch möglichen Welt kombinierbar und miteinander konditional verknüpft (van Dijk & Kintsch 1983). Indem der Autor einen bestimmten Sachverhalt beschreibt, nimmt er jeweils eine mentale Zerlegung des Sachverhalts in begriffliche Einheiten vor. Notwendige Folge dieses Aufbrechens eines Ganzen in Einheiten ist, daß der Leser beim Textverstehen dieses Ganze

kognitiv rekonstruieren muß. Textverstehen ist insofern ein Prozeß der mentalen Kohärenzbildung. Man kann hier zwischen lokaler und globaler Kohärenzbildung unterscheiden. Bei der lokalen Kohärenzbildung werden die semantischen Zusammenhänge zwischen den unmittelbar aufeinanderfolgenden Sätzen, bei der globalen Kohärenzbildung die semantischen Zusammenhänge zwischen größeren Textabschnitten mental rekonstruiert. Je nachdem, wie weit der Prozeß der mentalen Kohärenzbildung voranschreitet, lassen sich unterschiedliche Grade des Verstehens unterscheiden. Verschiedene Untersuchungen weisen darauf hin, daß Lesern zwar häufig die lokale Kohärenzbildung gelingt, die globale Kohärenzbildung jedoch erhebliche Schwierigkeiten bereitet (Bartlett 1978; Cook & Mayer 1988; Meyer Brandt & Bluth 1978). Die Rekonstruktion der betreffenden mentalen Repräsentation durch den Leser erfordert sowohl sprachliches als auch inhaltliches Vorwissen, denn der Autor läßt im Text vieles weg, was der Leser leicht selbständig durch Inferenzen ergänzen kann (Rickheit & Strohner 1985). Da zum Teil auch unterschiedliche Vorwissensbestände aktiviert werden, kann ein und derselbe Text je nach Vorerfahrung des Lesers und aktuellem Kontext unterschiedlich interpretiert werden (Anderson, Reynolds, Schallert & Goetz 1977; Hörmann 1981). Verschiedene Untersuchungen haben gezeigt, daß die beim Textverstehen konstruierte mentale Repräsentation sich in Abhängigkeit vom übrigen Wissen des Lesers verändern kann. Beispielsweise versuchen Leser eines schwer verständlichen, aus einer anderen Kultur stammenden Texts die vermittelten Informationen in ein kohärentes Ganzes einzuordnen und den Text bei einer anschließenden Wiedergabe „sinnvoller“ zu machen, wobei sie sich mit zunehmender Länge des Behaltensintervalls weiter vom Originaltext entfernen (Barlett 1932). Ebenso werden plausible, jedoch nicht tatsächlich dargebotene Informationen um so häufiger fälschlich wiedererkannt, je größer die Zeitspanne zwischen Lesen und Erinnern ist (Sulin & Dooling 1974). Aber auch Erfahrungen, die erst nach dem Lesen des Texts gemacht wurden, können Einfluß auf die konstruierte mentale Repräsentation nehmen. In verschiedenen Experimenten erhielten die Versuchspersonen

82. Lesen als Textverarbeitung

nach dem Lesen eines Texts weitere Informationen, die teilweise mit dem Textinhalt übereinstimmten und teilweise zu ihm im Widerspruch standen. Dabei zeigte sich, daß jene Textinformationen, die mit den neuen Informationen übereinstimmten, relativ gut und genau erinnert wurden, während Textinformationen, die mit den neuen Informationen im Widerspruch standen, eher weggelassen oder abgeändert wurden (Snyder & Uranowitz 1978). Nach Spiro (1980) lassen sich solche Befunde auf eine „akkomodative Rekonstruktion“ zurückführen: Der Leser versucht, den Textinhalt mit Hilfe seines gegenwärtig verfügbaren Wissens jeweils so zu rekonstruieren, daß die Übereinstimmung mit diesem Wissen möglichst hoch ist. Liegen keine Wissensbestandteile vor, die dem Textinhalt widersprechen, so entstehen nur geringe Fehler. Liegen jedoch Informationen vor, die zum Gelesenen im Widerspruch stehen, so findet eine akkomodative Rekonstruktion statt: Der Leser versucht, die Übereinstimmung zwischen den einzelnen Wissensbeständen bzw. die Kohärenz des insgesamt vorhandenen Wissens zu erhöhen, wodurch es zu systematischen Erinnerungsfehlern kommt. Lesen und Verstehen als aktive Konstruktion einer mentalen Repräsentation beinhaltet auch, daß es sich hier um einen intentionalen, zielabhängigen Prozeß handelt: Leser sind in der Lage, ihren kognitiven Verarbeitungsprozeß an die perzipierte Aufgabenstruktur anzupassen (Duchastel 1979; Marton & Säljö 1976; McConkie & Meyer 1974; McConkie & Rayner 1974; Watts & Anderson 1971; Rothkopf & Billington 1979). Je nach Zielsetzung des Lesers kann sowohl das Verstehen als auch das Erinnern eines Texts unter verschiedenen Perspektiven erfolgen (Anderson & Pichert 1978; Pichert & Anderson 1977). Ist vornherein bekannt, daß nach dem Lesen eines Texts der Inhalt möglichst genau wiedergegeben werden soll, so fallen Wiedergaben genauer aus und die Probanden sind sich der dabei gemachten Fehler eher bewußt (McConkie 1977). Nach Spiro (1980) wird die vom Leser konstruierte mentale Repräsentation hier bewußt vom übrigen Wissen getrennt gehalten.

2.

Annahmen zur kognitiven Architektur

Theoretische Modelle zum Lesen und Textverstehen basieren jeweils auf Annahmen über die Architektur des menschlichen kogni-

973 tiven Systems. Ein in der Verstehensforschung sehr einflußreicher Theorieansatz war und ist die kognitive Schematheorie, in der davon ausgegangen wird, daß das allgemeine Weltwissen eines Individuums in Form von kognitiven Schemata gespeichert ist. Dabei handelt es sich um hypothetische mentale Datenstrukturen, die bisherige Erfahrungen verallgemeinern und die typische Zusammenhänge eines Realitätsbereichs repräsentieren (Anderson & Pearson 1984; Brewer & Nakamura 1984). Repräsentieren diese Schemata häufige, relativ standardisierte Handlungsund Ereignisfolgen, so spricht man in Anlehnung an Schank & Abelson (1977) auch von Scripts. Kognitive Schemata können einander über-, neben- oder untergeordnet sein, so daß sich verschiedene Hierarchieebenen unterscheiden lassen. Das Lesen und Verstehen eines Texts basiert diesem Theorieansatz zufolge auf einem Wechselspiel von auf- und absteigenden Schemaaktivierungen, das durch die vorliegende Textinformation angeregt wird und bei dem sich eine bestimmte Konfiguration von kognitiven Schemata herausbildet, die als beste Interpretation der vorliegenden Textinformation gilt. Die hierarchisch übergeordneten Schemata fungieren dabei als ein ideelles Gerüst, unter das die einzelnen Textinformationen subsumiert werden. Die Schemata einer solchen Konfiguration stützen einander wechselseitig in ihrer Aktivierung, während konkurrierende Schemata gehemmt werden. Durch das Zusammenspiel von auf- und absteigenden Schemaaktivationen ist es möglich, auch sehr subtile Hinweise in einem Text zur Selektion einer passenden Schemakonfiguration zu nutzen, unleserliche Texte zu entziffern und Texte über bereits bekannte Themenbereiche auch beim flüchtigen Lesen hinsichtlich ihrer wesentlichen Mitteilung zu verstehen (Anderson & Pearson 1984). Hinweise auf die Wirksamkeit kognitiver Schemata beim Verstehen und Erinnern von Texten bieten z. B. Untersuchungen, in denen die Versuchspersonen einen Text lasen, in dem untypische Ereignisfolgen beschrieben wurden. Meist wurden die Ereignisse anschließend in ihrer normalen, standardmäßigen Reihenfolge wiedergegeben. Außerdem zeigte sich, daß Versuchspersonen nach dem Lesen eines narrativen Texts häufig Ereignisse „erinnern“, die zwar normalerweise in der beschriebenen Situation auftreten, tatsächlich jedoch nicht genannt worden waren

974

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

(Bower, Black & Turner 1979; Mandler 1978; Weinert & Waldmann 1988). Es wird angenommen, daß als Nebenprodukt der Aktivierung von kognitiven Schemata sog. Gedächtnisspuren entstehen, auf die das Individuum dann beim Erinnern zurückgreift, indem es diese Spuren als interne Daten verwendet und erneut mit Hilfe kognitiver Schemata interpretiert (vgl. Craik & Lockhart 1972; Cermak & Craik 1979). Die Gedächtnisspuren sind Interferenz- oder Zerfallsprozessen unterworfen, so daß mit zunehmender Länge des Behaltensintervalls die Menge der zur Verfügung stehenden Spuren immer mehr abnimmt. Je weniger Gedächtnisspuren zur Verfügung stehen, desto mehr muß beim Erinnern auf die in den kognitiven Schemata gespeicherten Erwartungen zurückgegriffen werden. Wich der ursprüngliche Text von diesen Erwartungen ab, so fällt deshalb bei längeren Behaltensintervallen die Erinnerung zunehmend schemakonform und zugleich fehlerhafter aus. Erwartungskonforme Textinformationen hingegen sind auch ohne spezifische Gedächtnisspuren inferierbar und werden deshalb auch dann relativ gut wiedergegeben, wenn sie beim Lesen wenig Aufmerksamkeit erhielten oder wenn der Text bereits vor längerer Zeit gelesen wurde (Britton, Meyer, Simpson, Holdredge & Curry 1979). Ein anderer Ansatz, das Lesen und Verstehen von Texten zu modellieren, besteht in der Verwendung von Produktionssystemen (Thibadeau, Just & Carpenter 1982; vgl. Anderson 1983). Die bei der Textverarbeitung relevanten kognitiven Prozeduren sind hier in Form von sog. Produktionsregeln ⫺ z. B. für die Informationsaufnahme, die Enkodierung von Wortbildern und Wortbedeutungen, die Bestimmung semantisch-syntaktischer Wortfunktionen und die semantische Verknüpfung von Phrasen ⫺ gespeichert. Durch zielspezifische Produktionsregeln kann auch unterschiedlichen Verarbeitungsstrategien Rechnung getragen werden. Die Produktionen kommunizieren miteinander lediglich über ein Arbeitsgedächtnis. Die Verarbeitung folgt deshalb keinem festgelegten Plan. Vielmehr bestimmt das System jeweils selbst seine Verarbeitungssequenz ad hoc, indem dem Arbeitsgedächtnis durch die Anwendung von Produktionen neue Informationen hinzugefügt werden, was wiederum die Anwendung weiterer Produktionen ermöglicht, usw. Die Prozesse der Wortenkodierung, der Bestimmung semantisch-syntaktischer Wortfunktio-

nen und der Verknüpfung von Phrasen bilden deshalb keine starr aufeinanderfolgenden Verarbeitungsstufen, sondern beeinflussen einander ständig wechselseitig, indem „höhere“ Prozesse auf „niedrigere“ Einfluß nehmen und umgekehrt. Just & Carpenter (1981) gehen davon aus, daß Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung beim Lesen und Verstehen unmittelbar miteinander verknüpft sind, da dies eine Entlastung des Arbeitsgedächtnisses bewirkt: Statt häufig eine Vielzahl von möglichen Wortbedeutungen und semantisch-syntaktischen Wortfunktionen speichern zu müssen, um erst am Satzende die endgültige Interpretation vornehmen zu können, wird die Verarbeitung jeweils so weit wie möglich vorangetrieben. Dadurch muß nur ein Minimum an unanalysierter Information im Arbeitsgedächtnis verfügbar gehalten werden. Die Nachteile dieser unmittelbaren Verarbeitung sind gering, da sich die zunächst vorläufigen Vermutungen im weiteren Verlauf der Verarbeitung meist als richtig erweisen. Die Autoren gelangten mit Hilfe eines entsprechenden Computermodells zu relativ guten Vorhersagen von Augenbewegungsdaten beim Lesen in Abhängigkeit von den Eigenschaften des Texts sowie den individuellen Zielsetzungen des Lesers (Just & Carpenter 1984). Gegen die Theorie kognitiver Schemata und den Produktionssystem-Ansatz wird neuerdings von seiten des Konnektionismus eingewandt, die Regelhaftigkeit kognitiver Prozesse ginge nicht auf die Wirkung von Verarbeitungsregeln zurück, sondern sei lediglich das äußere Erscheinungsbild des Funktionierens sog. neuronaler Netzwerke. Formal gesehen bestehen solche Netzwerke aus Knoten, die miteinander durch gewichtete Verbindungen kommunizieren. Waltz & Pollack (1985) haben beispielsweise ein Netzwerkmodell zum Verstehen natürlichsprachlicher Sätze entwickelt, das aus Knoten für unterschiedliche Worte, aus Knoten für unterschiedliche syntaktische Eigenschaften und aus Knoten für unterschiedliche semantische Kontexte besteht. Durch den zu verarbeitenden Satz ⫺ den sprachlichen Input ⫺ werden jeweils bestimmte Knoten aktiviert und andere gehemmt. Die aktivierten Knoten erregen ihrerseits über exzitatorische Verbindungen wieder andere Knoten, während zugleich die Aktivation anderer Knoten über inhibitorische Verbindungen gehemmt wird. Die Verarbeitung des sprachlichen Input besteht jeweils darin, daß sich das Netzwerk durch ein

82. Lesen als Textverarbeitung

Wechselspiel von solchen aktivierenden und hemmenden Einflüssen zwischen den verschiedenen Netzwerkknoten auf einen bestimmten Aktivationszustand einschwingt, der am besten zum Input paßt. Dabei zeigt sich z. B. das von Waltz & Pollack entwikkelte Modell in der Lage, anfängliche Fehlinterpretationen eines Satzes zu korrigieren, grammatische wie ungrammatische Äußerungen zu verstehen und kontextspezifische Interpretationen mehrdeutiger Sätze vorzunehmen. Ungeachtet der zum Teil beeindruckenden Leistungen konnektionistischer Modelle ist jedoch bislang umstritten, ob die hier wiederbelebte assoziationistische Sichtweise den generativen Eigenschaften der menschlichen Sprache hinreichend gerecht werden kann.

3.

Mentale Repräsentationen

Das Verstehen eines Texts wurde oben bereits als ein Konstruieren mentaler Repräsentationen charakterisiert. Der Begriff der Repräsentation beinhaltet, daß etwas für ein anderes steht: Es gibt einen repräsentierten Sachverhalt, eine Repräsentation dieses Sachverhalts und eine Abbildungsrelation, durch die spezifiziert ist, welche Eigenschaften des Sachverhalts welchen Eigenschaften der Repräsentation entsprechen. Mentale Repräsentationen sind interne kognitive Gegebenheiten, die einen von ihnen verschiedenen Sachverhalt repräsentieren. Bis in die 70er Jahre ging man in der Kognitionspsychologie allgemein davon aus, daß die beim Textverstehen konstruierten mentalen Repräsentationen aus Propositionen aufgebaut sind. Propositionen sind hypothetische mentale Strukturen, die aus sog. Prädikaten und Argumenten bestehen. Durch eine Proposition wird entweder einer bestimmten Gegebenheit ein bestimmtes Attribut zugeschrieben oder es werden zwischen Gegebenheiten bestimmte Relationen spezifiziert. Dabei kann man unterscheiden zwischen Zustandsprädikaten, die an der Satzoberfläche meist durch Adjektive ausgedrückt werden, sowie Prozeß- und Aktionsprädikaten, die meist durch Verben signalisiert werden. Den Propositionsargumenten entsprechen an der Satzoberfläche Nominalphrasen, die bestimmte semantische Rollen (z. B. Agent, Objekt, Rezipient usw.) spielen, welche wiederum durch Präpositionen, Artikelflexionen usw. signalisiert werden (Chafe 1970). Propositionen sind demnach komplexe interne

975 Symbole, die nach bestimmten syntaktischen Regeln aus einfacheren Symbolen zusammengesetzt sind und insofern eine bestimmte Konstituentenstruktur besitzen. Eine propositionale Repräsentation kann insofern als eine Beschreibung des betreffenden Gegenstands in einer hypothetischen mentalen Sprache angesehen werden, und das Verstehen eines Texts entspricht dann einem Übersetzen der äußeren Sprache in diese hypothetische mentale Sprache. Innerhalb einer propositionalen Repräsentation lassen sich unterschiedliche Repräsentationsebenen unterscheiden, auf denen der betreffende Sachverhalt mit unterschiedlicher Feinkörnigkeit dargestellt wird. Die unterste, detaillierteste Repräsentationsebene ist die sog. Textbasis (Petöfi 1971). Auf den höheren Hierarchieebenen wird der Sachverhalt in zunehmend reduzierter Form repräsentiert, womit semantische Makrostrukturen unterschiedlicher Ordnung entstehen (van Dijk 1980). Die Informationsverarbeitung anhand einer propositionalen Repräsentation geschieht mit Hilfe von Inferenzregeln, die ausgehend von vorhandenen Propositionen neue Propositionen generieren. Allerdings muß jede benötigte Information, die nicht bereits explizit repräsentiert ist, eigens auf diese Weise inferiert werden, was vor allem bei komplexeren Anforderungen einen immensen Verarbeitungsaufwand ergibt. Auch lassen sich die Anwendungsbedingungen dieser Inferenzregeln oft nur schwer definieren. Darüber hinaus ist die Semantik propositionaler Repräsentationen relativ unklar: Es ist meist nicht hinreichend spezifiziert, welche Bedingungen die Realität eigentlich erfüllen muß, damit eine propositionale Repräsentation als adäquat gelten kann (Johnson-Laird 1983; Woods 1975). Die in den 70er Jahren vertretenen Theorieansätze zum Textverstehen gingen davon aus, daß der Leser einen Text Phrase für Phrase in Propositionen transformiert und diese zu einem kohärenten Ganzen verknüpft (vgl. Crothers 1979; Frederiksen 1977; Meyer 1975). In dem Verstehensmodell von Kintsch & van Dijk (1978) wurde angenommen, daß ein Text grundsätzlich in mehreren Zyklen verarbeitet wird. Bei jedem Verarbeitungszyklus wird eine bestimmte Anzahl von Phrasen in das Arbeitsgedächtnis eingelesen und in Propositionen transformiert, die dann anhand bestimmter Kohärenzkriterien zu einem hierarchischen Kohärenzgraphen verknüpft

976

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

werden. Ein Teil des Arbeitsgedächtnisses fungiert als Kurzzeitspeicher, in dem pro Verarbeitungszyklus jeweils eine bestimmte Anzahl der bisher verarbeiteten Propositionen aufbewahrt und zum nächsten Zyklus mitgetragen wird, um so eine Verknüpfung der neuen Propositionen mit dem bisher Gelesenen zu ermöglichen. Die Verarbeitung verläuft leicht und flüssig, wenn eine neue Proposition unmittelbar mit einer alten Proposition im Kurzzeitspeicher verknüpft werden kann. Sie wird schwieriger, wenn sich der betreffende Anknüpfungspunkt nicht mehr im Kurzzeitspeicher befindet, so daß eine Suche im Langzeitgedächtnis erforderlich wird. Noch schwieriger wird die Verarbeitung, wenn es für eine neue Proposition weder im Kurzzeitspeicher noch im Langzeitgedächtnis eine direkte Anknüpfungsmöglichkeit gibt. In diesem Fall müssen Inferenzen vollzogen werden: Der Leser muß unter Rückgriff auf sein Vorwissen zusätzliche Propositionen generieren, um die betreffende Kohärenzlücke zu schließen. Textverstehen wurde hier als ein relativ mechanistisches Aneinanderfügen von semantischen Einheiten aufgefaßt. Dieser Ansatz trägt allerdings Verstehensproblemen, bei denen der bisher gelesene Text insgesamt uminterpretiert werden muß, nicht in adäquater Weise Rechnung (vgl. Collins, Brown & Larkin 1980). Seit Beginn der 80er Jahre wurde deshalb eine neue Generation von Theorieansätzen entwickelt, in denen betont wird, daß die vom Leser konstruierte mentale Repräsentation von vornherein ganzheitlichen Charakter hat, und in denen darüber hinaus multiple mentale Repräsentationen angenommen werden. Der von Sanford & Garrod (1981) entwikkelten Theorie zufolge besteht das Verstehen eines Texts in der Aktivierung und sukzessiven Elaboration bestimmter Szenarien. Unter einem Szenarium verstehen die Autoren eine im Vorwissen gespeicherte ganzheitliche Repräsentation einer komplexen Situation einschließlich der daran partizipierenden Personen, deren Rollen und üblichen Handlungen. Der Leser sucht beim Textverstehen jeweils in seinem Vorwissen nach einem geeigneten Szenarium. Findet er ein solches, so wird dieses aktiviert und die Bestandteile des gerade verarbeiteten Satzes werden auf die mentalen Entitäten des Szenariums bezogen. In der weiteren Verarbeitung versucht der Leser dann, auch die folgenden Sätze auf dieses Szenarium zu beziehen und es entsprechend

zu erweitern bzw. zu spezifizieren. Van Dijk & Kintsch (1983) bezeichnen solche ganzheitlichen Repräsentationen, die durch Integration der Textinformation mit dem bereits vorhandenen Sachwissen des Lesers konstruiert werden, als Situationsmodelle. Viele neuere Ansätze zum Textverstehen gehen davon aus, daß beim Textverstehen unterschiedliche Arten von mentalen Repräsentationen gebildet werden: zum einen propositionale Repräsentationen und zum anderen sog. mentale Modelle, wobei die propositionale Repräsentation als interne Datenbasis für die mentale Modellkonstruktion dient (Johnson-Laird 1983). Ein mentales Modell ist eine Art der mentalen Repräsentation, die sich wesentlich von einer propositionalen Repräsentation unterscheidet: Es handelt sich bei einem mentalen Modell um ein hypothetisches internes Quasi-Objekt mit Eigenschaften, die den zu repräsentierenden Eigenschaften des Wissensgegenstandes analog sind. Dabei können Gegenstands- und Modellmerkmale durchaus qualitativ verschieden sein. Ein mentales Modell eines Gegenstandes ist also nicht notwendig eine bildhafte Vorstellung dieses Gegenstands. Für die jeweilige Repräsentationsfunktion kann die Übereinstimmung zwischen Gegenstandsund Modellmerkmalen auf einer höheren Abstraktionsstufe genügen: Es muß lediglich auf einer bestimmten Ebene eine gemeinsame Beschreibung geben, die auf Gegenstand und Modell gleichermaßen zutrifft. Grundsätzlich ermöglicht ein Text die Konstruktion einer Vielzahl von mentalen Modellen, die dem Sinngehalt des Texts gleichermaßen Rechung tragen. Der Leser konstruiert jedoch normalerweise nur ein Modell von hoher Typikalität. Verschiedene Untersuchungen konnten zeigen, daß die im jeweiligen Kontext typischen Eigenschaften des beschriebenen Sachverhalts unabhängig davon, ob und wie häufig sie im Text explizit genannt wurden, mental repräsentiert sind (Walker & Yekovich 1984; Greenspan 1986). Die Informationsverarbeitung besteht diesem Ansatz zufolge in der Konstruktion bzw. Manipulation eines mentalen Modells und dem Ablesen der gesuchten Informationen. Mentale Modelle ermöglichen eine direkte „Entnahme“ von Informationen, ohne daß diese eigens inferiert werden müssen. Hierzu sind zwar Konstruktions- und Ableseprozesse erforderlich, die ebenfalls regelgeleitet ablaufen. Es werden jedoch keine logischen Schlußregeln benötigt, so daß sich hier nicht

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82. Lesen als Textverarbeitung

das oben erwähnte Problem stellt, die Anwendungsbedingungen von Inferenzregeln zu spezifizieren. Eine empirische Überprüfung von Annahmen zur Struktur mentaler Repräsentationen ist immer nur gemeinsam mit einer Überprüfung der jeweils zugehörigen Prozeßannahmen möglich. Deshalb besteht genau besehen keine Möglichkeit für einen zwingenden experimentellen Nachweis, daß eine bestimmte, als Indiz für Verstehen gewertete kognitive Leistung auf einer propositionalen Repräsentation oder auf einem analogen mentalen Modell beruht: Beide Arten der Repräsentation können im Einzelfall so gestaltet sein, daß sie in Verbindung mit spezifischen Prozeßannahmen zu den gleichen Vorhersagen gelangen, und einander somit wechselseitig imitieren. Man müßte eigentlich feststellen können, welche Eigenschaften propositionalen Repräsentationen und welche Eigenschaften einem mentalen Modell unabhängig von ihrer Repräsentationsfunktion inhärent sind, um tatsächlich zwischen diesen beiden Formen der mentalen Repräsentation experimentell unterscheiden zu können (vgl. Palmer 1978). Mentale Repräsentationen können allerdings als hypothetische Konstrukte angesehen und in ein Gefüge theoretischer Aussagen, ein sog. nomologisches Netz, eingebunden werden, dessen Endknoten beobachtbare Sachverhalte darstellen. Je mehr empirische Befunde zum Lesen und Textverstehen sich auf diese Weise in einen systematischen Zusammenhang bringen lassen, desto breiter ist die Legitimationsgrundlage für die betreffenden Repräsentationsannahmen (Herrmann 1988). Propositionale Repräsentationen und mentale Modelle dürften ⫺ ihre psychologische Realität einmal vorausgesetzt ⫺ jeweils unterschiedlichen Zwecken dienen. Es ist anzunehmen, daß eine propositionale Repräsentation einen geringeren Verarbeitungsaufwand beim Lesen erfordert, auch für das Speichern vager bzw. schwer verständlicher Aussagen geeignet ist, viel von der Struktur des Texts bewahrt und insofern gut für die Wiedergabe des betreffenden Sinngehalts geeignet ist. Von einem mentalen Modell wird hingegen angenommen, daß es einen zusätzlichen und damit insgesamt höheren Verarbeitungsaufwand erfordert und besonders für jene Prozesse geeignet ist, die man gewöhnlich als Inferenzen bezeichnet, während Wiedergaben weniger genau ausfallen, weil die Struktur der Sprachäußerung hier nicht bewahrt wird

und eine Wiedergabe deshalb als freie Beschreibung des betreffenden mentalen Modells stattfinden muß. Propositionale Repräsentationen und mentale Modelle können somit als komplementäre hypothetische Konstrukte angesehen werden. Dabei entspricht der Aufbau einer propositionalen Repräsentation einem oberflächlicheren, der eines mentalen Modells einem tieferen Verstehen (Johnson-Laird 1987). Befunde von Dellarosa (1983) und Fletcher (1984 a) ⫺ beide zitiert nach Perrig & Kintsch (1985) ⫺ legen nahe, daß neben einer propositionalen Repräsentation und einem mentalen Modell auch eine mentale Repräsentation der jeweiligen Textoberfläche gebildet wird: Beim Wiedererkennen von Textsätzen kommt es häufiger oder seltener zu Verwechslungen ⫺ je nachdem, auf welchen der drei Repräsentationsebenen zwischen Originalsatz und Distraktor-Satz Unterschiede bestehen. Befunde von Mani & Johnson-Laird (1982), Schmalhofer & Glavanov (1986) sowie Weaver & Kintsch (1987) zeigen darüber hinaus, daß der Leser den Hauptakzent der Verarbeitung je nach Kontext und Zielsetzung auf unterschiedliche Repräsentationsebenen legen kann.

4.

Aufmerksamkeitssteuerung

Aufgrund der begrenzten kognitiven Verarbeitungskapazität sind dem Leser jeweils nur Teile des Vorwissens einschließlich des bisher Gelesenen mental präsent bzw. im Fokus der Aufmerksamkeit (Chafe 1976). Der Leser muß deshalb wissen, wovon im Augenblick die Rede ist, um seinen Aufmerksamkeitsfokus auf den gerade relevanten Teil der mentalen Repräsentation richten und das erforderliche Vorwissen aktivieren zu können. Wird das Thema im Text gewechselt, so muß der Leser diesen Wechsel erkennen und den Fokus entsprechend verschieben (Grosz & Sidner 1986). Die für diese Aufmerksamkeitssteuerung erforderlichen Signale werden jeweils durch Topic-Angaben vermittelt: Innerhalb eines Satzes kann man jeweils zwei Informationskomponenten unterscheiden, von denen die eine mitteilt, worüber etwas gesagt wird, und die andere, was hierüber gesagt wird. Die erstgenannte Komponente wird häufig als Topic, die andere als Comment bezeichnet (Halliday 1970). Nach Grosz & Sidner (1986) identifiziert der Leser bei der Verarbeitung ei-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

nes neuen Satzes jeweils die Topic-Angabe, vergleicht sie mit dem bisher fokussierten Referenten und behält je nach Übereinstimmung oder Nichtübereinstimmung den Fokus bei oder sucht nach einem neuen Referenten innerhalb der mentalen Repräsentation. In diesen mentalen Suchprozeß werden implizit verschiedene Suchparameter eingegeben: Dem Leser wird signalisiert, ob ein TopicWechsel stattgefunden hat, ob eine kleine oder große Fokus-Verschiebung notwendig ist, wo der neue Topic zu suchen ist und anhand welcher Merkmale dieser identifiziert werden kann. Nach Givo´n (1983) kann z. B. der Topic eines Satzes durch syntaktische Mittel unterschiedlich stark markiert werden. Der Grad der Markiertheit gibt dem Leser jeweils Hinweise auf die Größe der erforderlichen Fokus-Verschiebung. Nach Befunden von Fletcher (1984 b; 1985) wird eine geringe Markiertheit vom Leser als Hinweis darauf interpretiert, daß der bisherige Topic beibehalten wurde; eine stärkere Markiertheit hingegen wird als Indiz gewertet, daß ein Topic-Wechsel stattgefunden hat. Durch ein singulares Pronomen als TopicBezeichnung wird nach Sanford & Garrod (1982) erstens signalisiert, daß der Referent zuvor explizit an der Sprachoberfläche genannt wurde. Zweitens wird darauf hingewiesen, daß sich der Referent noch innerhalb des aktuellen Aufmerksamkeitsfokus befindet. Drittens wird signalisiert, daß der Referent anhand von Geschlecht und Anzahl eindeutig identifiziert werden kann (vgl. KarmiloffSmith 1980; Marslen-Wilson, Levy & Tyler 1982; van Dijk & Kintsch 1983). Bei Verwendung pluraler Pronomen, die auf komplexe Referenten Bezug nehmen, sind die Zusammenhänge differenzierter, da nur bestimmte Entitäten zu komplexen Referenten kombiniert werden können. Eschenbach, Habel, Herweg & Rehkämper (1990) sehen eine gemeinsame Assoziationsbasis als wichtige Voraussetzung für die Bildung komplexer Referenten an. Demnach sind solche Entitäten miteinander kombinierbar, die der gleichen ontologischen Kategorie angehören und zwischen denen eine erfahrungsbedingte konzeptuelle Verknüpfung ⫺ etwa in Form kognitiver Schemata ⫺ besteht. Ein Nomen bzw. eine Nominalphrase stellt im Vergleich zu einem Pronomen einen wesentlich ausführlicheren „Steckbrief“ des zu suchenden Referenten zur Verfügung. Dabei bestehen zwischen den verschiedenen Arten

nominaler Referenz wiederum wichtige Unterschiede sowohl hinsichtlich der Reichhaltigkeit des Steckbriefs als auch hinsichtlich der Repräsentationsebenen, die in den mentalen Suchprozeß einbezogen sind. So bieten beispielsweise eine sog. Rekurrenz, also die Wiederholung eines bereits zuvor verwendeten Nomens (z. B. Hubschrauber), oder ein entsprechendes Synonym (z. B. Helikopter) eine reichhaltigere Beschreibung des Referenten als eine lexikalische Generalisierung (z. B. Fluggerät). Im Falle der Verwendung eines Synonyms wird der Bezug auf den gemeinten Referenten erst auf der Ebene der propositionalen Repräsentation erkennbar, während dieser Bezug im Falle einer Rekurrenz bereits an der Sprachoberfläche signalisiert wird. Eine erfolgreiche Kommunikation mittels schriftlicher Texte verlangt, die verschiedenen Suchparameter jeweils aufeinander abzustimmen: Soll ein bestimmter Referent identifiziert werden, so muß die Beschreibung dieses Referenten jeweils um so ausführlicher bzw. reichhaltiger sein, je größer die erforderliche Fokus-Verschiebung bzw. je größer der Suchbereich ist, in dem dieser Referent gefunden werden muß, und je mehr der darin enthaltenen Entitäten dem Referenten ähneln. Die Beschreibung eines Referenten muß jedoch keineswegs möglichst ausführlich sein. Sie muß lediglich so reichhaltig sein, daß der gemeinte Referent problemlos identifiziert werden kann (vgl. Grice 1967).

5.

Verarbeitungsstrategien und Verarbeitungsregulation

Lesen als ein intentionaler adaptiver Prozeß beinhaltet je nach den Bedingungen und Zielsetzungen der Verarbeitung die Verwendung unterschiedlicher Verarbeitungsstrategien. Verarbeitungsstrategien beim Lesen und Textverstehen sind mentale Programme, die die Abfolge und Gewichtung der einzelnen Verarbeitungsprozesse beeinflussen (van Dijk & Kintsch 1983). Sie werden vom Leser intentional eingesetzt, um den Erwerb, das Einprägen sowie den Abruf und die Anwendung von Wissen zu erleichtern bzw. zu verbessern. Man kann hier zwischen Mikrostrategien und Makrostrategien unterscheiden (Levin 1982). Mikrostrategien richten sich auf das Verstehen der aufeinanderfolgenden Textaussagen und deren semantische Verknüpfung. Makrostrategien hingegen richten sich auf das Herausarbeiten der Hauptideen eines Texts. Van

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82. Lesen als Textverarbeitung

Dijk & Kintsch (1983) sprechen hier von local coherence strategies einerseits und von macrostrategies und schematic strategies andererseits. In ähnlicher Weise differenziert Meyer (1984) zwischen detail strategies und structure strategies. Befunde von Bartlett (1978) sowie Meyer, Brandt & Bluth (1978) lassen darauf schließen, daß Makrostrategien in der individuellen Lerngeschichte im Vergleich zu Mikrostrategien relativ spät erworben werden. Eine andere Differenzierungsmöglichkeit ist die zwischen einer Behaltens- und einer Verstehensstrategie. Bei einer Behaltensstrategie konzentriert sich die Verarbeitung auf die Bildung einer propositionalen Repräsentation, da eine Wiedergabe des Texts hier relativ genau ausfällt. Bei einer Verstehensstrategie hingegen steht die Bildung eines mentalen Modells im Vordergrund, da so eine bessere Grundlage für die Beantwortung von Verständnisfragen oder die Anwendung des Gelernten beim Lösen von Aufgaben und Problemen geschaffen wird. Damit es zu einer flexiblen adaptiven Textverarbeitung kommt, müssen die verfügbaren Verarbeitungsstrategien situations- und anforderungsgerecht ausgewählt, koordiniert und in ihrer Ausführung überwacht werden. Nach Flavell (1979) basiert die metakognitive Überwachung des Textverstehens auf einem flexiblen Wechselspiel metakognitiven Wissens mit den individuellen Verarbeitungszielen, metakognitiven Erfahrungen und Strategien. Andere Forscher legen den Schwerpunkt mehr auf die exekutiven Prozesse der metakognitiven Kontrolle, d. h. die Prüfung, Bewertung und Steuerung der eigenen Verarbeitung (Baker 1985; Brown, Armbruster & Baker 1986). Beim Lesen und Textverstehen gehören zu diesen exekutiven Prozessen beispielsweise die Bestimmung des Ziels, die Orientierung über relevante Textmerkmale, das Fragenstellen, das Suchen nach Beispielen, die Steuerung der Lesegeschwindigkeit, das Vorwärts- und Rückwärtsspringen im Text usw. Die Verarbeitungsregulation geschieht normalerweise weitgehend automatisiert. Nur wenn Verstehensprobleme auftauchen, die mit den automatisierten Prozessen nicht bewältigt werden können, wird sie zum Gegenstand bewußter Reflexion und Kontrolle (vgl. Forrest-Pressley, MacKinnon & Waller 1985). Die Automatisierung dieser Regulation bedeutet einerseits eine Entlastung der kognitiven Verarbeitungskapazität. Anderer-

seits besteht aber die Gefahr, daß Verarbeitungsstrategien aufgrund bestimmter Merkmale der wahrgenommenen Verarbeitungssituation automatisch aktiviert werden, der Strategieeinsatz damit eingeschliffenen Verarbeitungsgewohnheiten folgt und die Verarbeitung in Widerspruch zum eigentlich vorhandenen metakognitiven Wissen gerät (vgl. Weinert & Waldmann 1988). Defizite in der metakognitiven Verarbeitungsregulation können dadurch bedingt sein, daß bestimmte Überwachungsprozeduren fehlen oder nicht zur Anwendung kommen und der Lernende somit nicht zu differenzierteren Metakognitionen gelangt. Das allgemeine metakognitive Wissen kann nicht ausreichend sein, um die vorhandenen Metakognitionen adäquat auszuwerten und die verfügbaren Strategien situationsadäquat einzusetzen. Es können auch bestimmte Verarbeitungsstrategien fehlen, zu wenig geübt sein oder einfach deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil Überwachung und Steuerung der Verarbeitung nicht adäquat koordiniert sind. Mängel in der Verarbeitungsregulation können außerdem durch inadäquate Verstehensstandards bedingt sein (Baker 1985). Selbst relativ routinierte Leser merken oft nicht, daß sie einen Text nicht hinreichend verstehen. In Anlehnung an Glenberg, Wilkinson & Epstein (1982) kann man hier von einer Verstehensillusion sprechen.

6.

Ausblick

Hinsichtlich der Art und Weise, wie beim Lesen und Verstehen eines Texts mentale Modelle anhand propositionaler Repräsentationen konstruiert werden, existieren bislang nur relativ vage Vorstellungen. Auch die Interaktion zwischen mentaler Repräsentation der Sprachoberfläche und propositionaler Repräsentation ist bislang nicht hinreichend erforscht. Im Gegensatz zu früheren Auffassungen, wo der Aufbau propositionaler Repräsentationen anhand sprachlicher Mitteilungen als Umkehrung einer generativen Grammatik gesehen wurde, geht man heute davon aus, daß hierzu eine spezielle ParsingInstanz notwendig ist (Marcus 1980; Berwick & Weinberg 1984). Die Frage nach den Funktionsprinzipien eines solchen Parsers und dem Zusammenspiel syntaktischer und semantischer Verarbeitungsprozesse ist bisher allerdings nicht befriedigend beantwortet (vgl. Hornstein 1984; Katz 1980; Tyler & Marslen-Wilson 1982).

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Angesichts neuerer Entwicklungen in der Kognitions- und Sprachpsychologie, der Linguistik und der Künstliche-Intelligenz-Forschung bietet sich bei der Erforschung der genannten Fragen eine multidisziplinäre Kooperation an. Beispielsweise haben psychologische Konzepte und Ansätze der KünstlicheIntelligenz-Forschung inzwischen Eingang in die Linguistik gefunden, während umgekehrt linguistische Analysen wiederum Anregungen für die psychologische Theorienbildung liefern. Ein Beispiel für die Fruchtbarkeit einer solchen integrativen Vorgehensweise bietet etwa die kognitive Linguistik. Hier werden mentale Strukturen und Prozesse erforscht, die ein Individuum befähigen, natürliche Sprachen zu beherrschen (Felix, Kanngießer & Rickheit 1990). Dabei werden nicht nur strukturelle Eigenschaften der Sprache unter dem Aspekt des Spracherwerbs und der Sprachverarbeitung analysiert. Die Analyse sprachlicher Strukturen und deren Verwendung wird auch als eine spezifische Art des Zugangs zur Struktur und Funktionsweise des menschlichen kognitiven Systems angesehen.

7.

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Wolfgang Schnotz, Jena (Deutschland)

83. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Schreibforschung

983

83. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Schreibforschung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1.

Literaturbericht und Forschungsstand Globale psychologische Effekte von Schreiben und Schrift Sensomotorik und Repräsentation Das Schriftsystem im Schreiben Texte organisieren Schreiben als Ausdruck und Symptom: Graphologie Literatur

Literaturbericht und Forschungsstand

1.1. Literaturbericht Eine zusammenhängende Geschichte der psychologischen Schreibforschung gibt es nicht. Ein Teil der gegenwärtigen Themen und Motive reicht in die Anfänge der experimentellen Psychologie (Ende des vorigen Jahrhunderts) zurück; ein Teil ist viel älter und von der akademischen Psychologie aus philosophischen Beständen übernommen worden (etwa die Frage nach den globalen kognitiven Effekten von Schrift und Schriftlichkeit); ein Teil schließlich ist in der akademischen Psychologie sehr neu, schließt aber an alte Fragen anderer Fächer (teils wissentlich, teils unwissentlich) an, z. B. die Psychologie der Textkomposition an Aufsatzkunde und Rhetorik. Lange Zeit stiftete die Graphologie (→ Art. 88), die Auswertung der Handschrift als charakterologisches Symptom, die Hauptverbindung zwischen Psychologie und Schreibprozeß. Sie ist heute zwar nicht verschwunden, hat aber an Ansehen stark verloren und steht kaum noch in produktiver Wechselbeziehung mit dem Rest der psychologischen Schreibforschung. Der Versuch, die Graphologie zu verwissenschaftlichen, war ein starkes Motiv am Anfang der experimentellen psychologischen Schreibforschung (vgl. Preyer 1895). Hauptquelle für die Geschichte der psychologischen Schreibforschung ist Kainz (1967), in Sachen materielle Schreibhandlung und für die Zeit von etwa 1870 bis 1950, die er in seinem Bericht resümiert. Analog zur Saussureschen Begriffstrias (Sprachfähigkeit, Sprachsystem, Rede) gliedert er die Schreibphänomene aspektiv in Schrift(fähigkeit), Schriftsystem und Schreiben: „Während das Schriftsystem Anliegen des Gebildewissenschaftlers der Schrift ist, stellt die Schreib-

handlung in ihrer generellen Vollzugsstruktur und Aktgesetzlichkeit einen Arbeitsbereich des Psychologen dar, und die persönliche Schriftform fällt dem Graphologen anheim. […] Die Forschungsarbeit hat mehrfach Anlaß, Verbindungen zwischen den einzelnen Bereichen herzustellen“ (Kainz 1967, 14).

Alle Parameter der Schreibhandlung sind psychologisch interessant und zu Zeiten auch untersucht worden. Da der Raum für problemgeschichtliche Chronologien nicht ausreicht, stelle ich die zur Schreibhandlung gehörigen Teilgebiete an klassischen, auch heute lesenswerten Forschungsbeispielen vor und deute Entwicklungen nur an. Einen ausführlichen Bericht über die experimentelle Schreibpsychologie vor dem ersten Weltkrieg gibt Meumann (1914). Für die motorische Entwicklung, die visuelle Steuerung und Kontrolle des Schreibprozesses und für den Orthographieerwerb sind die dort referierten Arbeiten sehr wichtig (vgl. zu Meumann Scheerer 1981). Während Wundt den Anwendungen der Psychologie eher skeptisch gegenüberstand (vgl. Knobloch 1992), bietet sein Schüler Meumann schon im Titel seiner Vorlesungen die Konstellation des Praktikers: er untersucht Struktur und Organisation der Schreibhandlung, um ihre schulische Vermittlung zu verbessern. Diese Haltung erreicht in den Arbeiten der Wygotski-Schule einen Höhepunkt und wird bei J. S. Bruner fortgesetzt. Eine dritte Quelle bilden die Referate zum Schreiben(lernen) in den pädagogischen Enzyklopädien (vgl. z. B. den Beitrag von Janke 1908 in Reins Enzyklopädie). Um das Literaturverzeichnis nicht aufzublähen, verzichte ich auf zahlreiche Angaben, die bei Kainz (1967), Meumann (1914) und Janke (1908) vollständig bibliographiert sind. 1.2. Eingrenzungsprobleme Eingrenzungsprobleme entstehen einmal durch das Epitheton „psychologisch“, weil die Psychologie als akademische Disziplin jung ist, die Probleme aber meistens alt sind. Ebenso unklar ist aber auch die Grenze zwischen Schreib- und Schriftforschung, zwischen linguistischer Struktur- und psychologischer Handlungsanalyse. So hat die erste Generation der Sprachpsychologen (im Anschluß an Humboldt) vielfach über die Evolution und Rangfolge der Schriftsysteme ge-

984

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

handelt (z. B. Steinthal 1852), nicht aber eigentlich über das Schreiben. In der völkerpsychologischen Richtung wurden die Schriftsysteme als Indikatoren der kulturellen Entwicklung gedeutet. Wie die Sprache den Übergang zum menschlichen, so vermittelt die Schrift den Übergang zum zivilisierten Zustand (Steinthal 1852). Entscheidend ist (analog zur inneren Sprachform) die „innere Schriftform“, die Art und Weise, wie Rede als etwas zu Bezeichnendes aufgefaßt und sichtbar gemacht wird. Weiterentwickelt wird die völkerpsychologische Schreib- und Schriftforschung bei Wuttke (1872). Später (vgl. etwa Danzel 1912) verbindet sie sich mit ethnographischen, kulturwissenschaftlichen, soziologischen Interessen. Wohl wegen der Nähe zur Wahrnehmung (als einem traditionellen Zentrum der Psychologie) und wegen der besseren experimentellen Zugänglichkeit ist das Lesen kontinuierlicher und besser erforscht als das Schreiben (vgl. Kainz 1967, 162⫺295, Scheerer 1981, → Art. 78). Schreiben setzt, wenn es nicht Abmalen ist, Lesefähigkeit voraus, nicht aber umgekehrt, wiewohl der verschränkte Erwerb beider Fähigkeiten vor oder in der Schule die Regel ist. Als Handlung ist Schreiben werkzeugvermittelt, Lesen aber ‘nur’ zeichenvermittelt. Neben den orthographischen Normen des Schriftsystems muß das Schreiben auch den medialen Eigensinn des jeweiligen Werkzeugs beherrschen und in sich einbauen. Von den sprachlichen Modi ist es mit Abstand der langsamste. Schon Wundt (1911, 583) notiert, daß das Schreiben loser mit den übrigen sprachlichen Funktionen verbunden ist als diese untereinander. Gerade darum ist es aber kaum möglich, das Schreiben in wesentlichen Bezügen ohne Rekurs auf das Lesen darzustellen. Daraus entsteht ein weiteres Abgrenzungsproblem. Schließlich ist noch einschränkend zu bemerken, daß sich die Darstellung aus Platzgründen an der deutschsprachigen Literatur orientiert. Es waren aber nicht nur die Schüler und Enkelschüler Wundts und seiner Kollegen, die psychologische Schreibforschung im angelsächsischen und frankophonen Sprachraum verbreiteten, sie verbanden sich dort vielmehr mit den jeweiligen Traditionen der Länder. Die Darstellung spiegelt also in erster Linie den beschränkten Kenntnisbereich des Autors.

2.

Globale psychologische Effekte von Schreiben und Schrift

2.1. Gedächtnis, Wissenserwerb, Wissensorganisation Ob das Schreiben für Wissen, Lernen und Erinnerung ‘Fluch oder Segen’ darstellt, ist als Kontroverse so alt wie Platos Phaidros. Die psychologische Feinanalyse des Lesens und Schreibens hat den Blick für die globalen kognitiven Effekte der Schriftsprache eher verstellt. Kainz (1967, 80) notiert zwar pauschal, die Motorik der schriftlichen Objektivierung wirke auch positiv auf den Gedankenprozeß zurück, fördere dessen Stringenz und Zielbündigkeit; auch der erhöhte Einprägungswert des Schreibens (gegenüber dem bloßen Lesen) wird erwähnt (1967, 95). Indessen sind die globalen psychologischen Effekte der Schrift eher eine Angelegenheit der Anthropologen, Kulturhistoriker und Pädagogen gewesen (vgl. Glück 1987, 142ff, Fichtner 1990 für kurze Zusammenfassungen). Es ist der Kern ihres Arguments, daß die Schrift ein Distanzmittel bereitstellt, mit dessen Hilfe das Denken sich selbst und seine Ergebnisse analysieren kann, so daß es im Zuge des Schrifterwerbs kulturhistorisch zu einer umfassenden Rekonstruktion des Denkens auf höherer Ebene kommt (mit dem Erwerb ‘distanzierender’ und reflexiver Analysetechniken wie Definition, Schluß, Begriffsanalyse, Beweis). Danach wäre neben der bewahrenden, Gedächtnis und Tradition entlastenden Schriftfunktion die objektivierende weniger spektakulär, aber tiefgreifender. Entsprechende Gedanken zur Ontogenese von Denken und Schriftlichkeit findet man bei Wygotski (1964, 222ff, 302ff) und Lurija (1982, 240ff) zuerst in den 20er und 30er Jahren. Ihre Überlegungen setzen ein bei der Motivation, der Situation, der Aktionsstruktur des Schreibens und bei der Entwicklung der inneren Sprache (gegenüber dem Sprechen). In der Schreibsituation ist die Sprache nicht nur um ihre lautliche Seite gebracht, sondern auch um ihren interaktionalen Charakter und dessen Ressourcen. Das Wort gewinnt ein ganz anderes Eigengewicht, wenn es auf einem weißen Blatt Papier steht (und nicht mehr im einheitlichen Prozeß von Motivierung, Verwendung, Verstehen, Aktionserfolg aufgeht). Die sprachliche Aktion muß zurückgenommen und ohne den Druck und die Lenkung einer laufenden Interaktion neu aufgebaut werden. Auch die Motive des

83. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Schreibforschung

Schreibens entstehen nicht spontan: Schreibmotive, die sich nicht sprechend viel müheloser realisieren ließen, sind beim Schulanfänger kaum vorhanden (Wygotski 1964, 225). Das Gespräch, namentlich das sympraktische, erzeugt beständig die Motive seiner eigenen Fortsetzung. Wer schreibt, muß alles in der Vorstellung konzipieren. Bis in die orthographische Form der Wörter hinein wird in der Schrift alles zum Gegenstand willkürlicher Planung, Aufmerksamkeit und Kontrolle. Was schriftlich fixiert wird, kann Gegenstand erneuter Zuwendung werden. Dadurch erhöht sich die Bewußtheit der sprachlichen Komposition in allen Ebenen (vgl. 2.2.). Ein Schlüssel für die Umgestaltungen in der Folge des Schreibens ist die innere Sprache: Wenn die äußere Sprache in der Entwicklung der inneren vorausgeht, so steht die geschriebene nach der inneren und setzt deren Vorhandensein bereits voraus. (Wygotski 1964, 227)

Was jedoch Grad und Art der lexikalischsyntaktischen Elaboration angeht, so entwikkeln sich geschriebene und innere Sprache hin zu entgegengesetzen Polen: die innere Sprache hin zu Verdichtung, Verkürzung, prädikativem Charakter und zum Löschen der thematischen (sich für den Sprecher von selbst verstehenden) Hintergründe, die geschriebene hin zur maximalen nominativen und syntaktischen Entfaltung, zur Dualität von Nomination und Prädikation, zur Explikation der Hintergründe und Verstehensvoraussetzungen. Die gesprochene Sprache hält zwischen diesen beiden Polen die Mitte. So ist, mit Lurija (1969, 499) zu sprechen, die Schriftsprache ein vollkommen neues psychologisches Gebilde, „das sich von der mündlichen Sprache sowohl in der Genese als auch in seinen strukturellen und funktionellen Eigenschaften unterscheidet“. Während die Fähigkeit zur analytischen Ausgliederung sprachlicher Einheiten aus der zusammenhängenden Rede deren praktischer Beherrschung weit nachhängt, erfolgt der Aufbau der Schrift durch Unterweisung streng synthetisch und setzt die Ausgliederung der Wörter aus der Rede und der Phoneme aus den Wörtern voraus. Die Rekursivität und Langsamkeit des Schreibens erzeugt und fördert (zusammen mit der ausgehängten Handlung) eine neuartige Dominanz der Darstellungsfunktion und mit dieser eine Revolution des Lernens. In der Sowjetunion hat vor allem D. B. Elkonin die einschlägigen Untersuchungen der Wy-

985

gotski-Schule fortgesetzt. Auch in P. J. Galperins Lehre von der Ausbildung geistiger Handlungen findet man ihre Spuren. In den USA war es die Schule J. S. Bruners (vgl. Bruner & Olson 1978), die diese Gedanken weiterführte: Bruner nimmt drei Arten des Lernens an, die in Bezug auf Wissen konvergieren, in Bezug auf Fähigkeiten und Fertigkeiten aber divergieren: Lernen über die eigenen Handlungsresultate und deren Ausarbeitung, Lernen über Beobachtung und Modellbildung und Lernen über symbolisch codiertes Wissen und Texte. Schon die Sprache löst den Wissenserwerb von Handlung und Fertigkeit und hängt den unmittelbaren Nutzen des Wissens für die Aktion aus. Schriftsysteme verändern die sprachlichen Einheiten noch einmal in Richtung auf zeitlose, konstante, eigensinnige Einheiten, die zueinander (und nicht nur zu den bezeichneten Dingen) in geordneten Beziehungen stehen. Abstraktdefinitorische Zuordnung von Symbolen zu Symbolen ist das Signum der Schriftsprache, die in ihrem eigenen Medium eine neue und erweiterte ‘Welt der Texte’ schafft. Nur in engen Grenzen kann textuelles Wissen freilich ‘gewöhnliche’ Erfahrung ergänzen oder gar ersetzen. Die gesprochene Sprache ist hingegen ursprünglich mit unserer Ding-, Sozialund Aktionswelt so eng verflochten, daß sie in den Verweisungen auf sie fast restlos aufgeht. Indem aber das Schreiben überwiegend in den Dienst der kognitiven Präzisierung des Denkens tritt, reduziert es auch tendenziell die sozial-kommunikative Anpassungsfähigkeit der Sprache. Die ursprüngliche Gedächtnisentlastung durch „Aufschreiben“ von Wörtern und Sätzen ist Gegenstand einer interessanten Versuchsreihe von Lurija (1983 [1929]), der vorschriftlichen Kindern zwischen 3 und 8 Jahren Wörter, Phrasen und Sätze zu memorieren aufgab und sie dabei aufforderte, mit Papier und Bleistift das Gehörte „aufzuschreiben“. Sein Ziel war es, den vorschulischen Fähigkeits- und Fertigkeitsstand zu rekonstruieren, der einen relativ mühelosen Erwerb der Schrift ermöglicht. Ausgehend von bloß äußerlich imitativen Kritzeleien ohne funktional-semiotischen Bezug zum gehörten Ausdruck transformieren die Kinder ihre Kritzeleien auf mehreren Wegen in Gebilde, die sie als Anhaltspunkte für die mnemonische Rekonstruktion des vorgegebenen Ausdrucks verwenden. Dabei gibt es einen allgemein mimetischen Weg (Topographie, Quantifizierung, Länge/Kürze des „Geschriebe-

986

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

nen“) zur Zeichenfunktion und einen an Figurprägnanz orientierten, der zur Piktographie führt. Auch ganz arbiträre Zeichen werden produziert und verwendet (vgl. auch 3.1.). 2.2. Sprachbewußtsein Der Schrifterwerb führt auch zu einer Reorganisation des Sprechens über das beim Schreiben und Lesen vorausgesetzte und entwickelte Sprachbewußtsein. Daß schriftlose Vorschulkinder Fragen nach Wörtern und Sätzen auf die von ihnen bezeichneten Sachverhalte und Erfahrungsbestände beziehen, ist lange bekannt (Karpova 1977). Mit dem Schreiben muß die Sprache vom verschwindenden Mittel der kognitiv-kommunikativen Akte selbst zum Gegenstand der Aufmerksamkeit (und damit von ihren fallweisen Aktionsleistungen unterschieden und objektiviert) werden. Geschrieben wird auch die Sprache zum manipulierbaren Objekt. Die Auswirkungen des Schriftspracherwerbs auf die Sprachbewußtheit werden zwar schon früh notiert (etwa bei Wuttke 1872), untersucht worden sind sie aber vornehmlich in der Wygotski-Schule (vgl. Andresen 1985). Die Aufmerksamkeit richtet sich zuerst auf die Strukturaspekte des Sprachsystems, die für den Schrifterwerb ausgegliedert und beherrscht werden müssen. Anhand der spontan ausgliederbaren Einheiten des Sprechens (Silbe, Quant-Wort, Quant-Satz) müssen die (spontan nicht zugänglichen) Lautsegmente erarbeitet werden, die das routinierte Schreiben, mehrfach gestützt (vgl. Frith 1986), dann wieder zu ganzheitlichen Wortbildern verknüpft. In ideographischen und Silbenschriften ist das Ausgliederungsproblem naturgemäß anders gelagert. Die Veränderung des Sprachbewußtseins bleibt aber nicht auf die Parameter beschränkt, die für die Modellierung des Schriftsystems entscheidend sind. Sie ergreift durch die Objektivierung und den radikalen Umbau der Kommunikation das gesamte semantische System. Bruner & Olson (1978, 314) argumentieren, daß die schriftliche Vergegenständlichung den kognitiven Modus der Bedeutungseinheiten hin zum Zeitlosen, Konstanten, von fallweisen Feldwerten Abgelösten verändert. Dazu trägt die Virtualisierung der Aktionsbindungen bei, die das Sprechen weithin beherrschen (vgl. Olson 1980), ebenso der Umstand, daß beim Schreiben weit mehr Verstehensvorausetzungen mit den Mitteln der Sprache selbst geschaffen werden müssen,

weil die Ressourcen der direkten Kommunikation nicht zur Verfügung stehen. Der Sinn wird von seinem Urheber distanziert, und es entsteht eine anonyme und autoritative Version gesellschaftlichen Wissens, die an der objektivierten Sprachform haftet.

3.

Sensomotorik und Repräsentation

3.1. Zeichnen und Schreiben Schon Pestalozzi versteht (wie viele Pädagogen nach ihm) das Schreiben als Teil des elementaren Zeichenunterrichts. Anfang des Jahrhunderts wendet sich die empirisch-experimentelle Psychologie den perzeptiven und zeichenmotorischen Voraussetzungen des Schreibens zu. A. Huths Versuche über „Formauffassung und Schreiben“ (vgl. Meumann 1914, 561ff) kommen zu dem Ergebnis, daß die Auffassung und Reproduktion von Buchstabenformen für Vorschulkinder schwierig und voraussetzungsreich ist. Freilich hat Huth nicht (wie Lurija 15 Jahre später) eine funktionale Situation für Schreiben vorgegeben, sondern einfach eine Zeichenaufgabe. Leichter fiel den Kindern das Nachzeichnen von Buchstaben, wenn sie nicht bloß die Figur vorgelegt bekamen, sondern auch deren Zeichnung durch den Versuchsleiter beobachten konnten. Eine entwicklungspsychologische Synthese zum Thema Zeichnen und Schreiben findet man bei Bühler (1921). Er behandelt (a) die Strukturunterschiede von Zeichen- und Schreibprozeß (Schreiben ist an bestimmte Linearität gebunden, Zeichnen nicht); (b) die Darstellungsfunktion, die sich aus den Kritzeleien beiläufig ergibt und dann zum Motor der Zeichenentwicklung wird (wenn das ‘gegenständliche’ Zeichnen beginnt, sind sprachliche Schematisierungen geläufig); (c) die Analogien (optische vs. sprachliche Schematisierung der Darstellung, fehlende Erscheinungstreue, sprachliche Steuerung des Zeichnens; (d) Feldprinzipien in beiden Modi. Das Bindeglied zwischen Zeichnen und Schreiben sieht Bühler darin, daß man in beiden Modi nicht ‘sieht, was man sieht’, sondern ‘was man denkt’. Das kindliche Zeichnen ist „ideoplastisch“ und sprachmäßig (und nicht erscheinungstreu). Ganz wie das Wort ist auch die Kinderzeichnung aus abstrakten Merkmalen aufgebaut und wird nicht durch die wahrgenommene Erscheinung, sondern durch stark schematische Erinnerungsbilder gesteuert. Die zeichnend erworbene Schema-

83. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Schreibforschung

tisierungsfähigkeit und die ohnehin gegebene Beziehung des Zeichnens zur sprachlichen Schematisierung können beim Schuleintritt als Ressourcen des Schreibens verwendet werden. 3.2. Sensomotorik: Steuerung und Ablauf Der tatsächliche Schreibprozeß ist immer mehrfach werkzeugvermittelt: physisch durch das Medium der Aufzeichnung (Stift, Schreibmaschine) und sematologisch durch die abstrakten Normen des unterliegenden Schriftsystems. Dieses letztere ist etwa für Schreib-, Druck- und Maschinenschrift gleich, obwohl es sich um motorisch radikal verschiedene Tätigkeiten handelt. Kurzschriften sind dagegen auch sematologisch anders organisiert, zwar ebenfalls abgestützt in der phonologischen und graphematischen Struktur, aber näher an der Wort-, Silben- und Morphemebene (vgl. Jochems 1986, → Art. 144). Kainz (1967, 12) zerlegt die komplexe Schreibhandlung in folgende Komponenten: (a) geistiger Faktor, Vorbereitung, Konzeptualisierung; (b) innersprachlicher Faktor (Formulierung, Stil, Grammatik bis hin zur Orthographie); (c) motorischer Faktor, äußere Form, Realisierung; (d) technisch-materieller Faktor. Je nach Typ des Schreibens (freies Schreiben, Diktat, Abschreiben) ergeben sich andere Wechselbeziehungen, Reihenfolgen, Kontrollhierarchien unter den Faktoren. In diesem Abschnitt geht es um die Faktoren (c) und (d). Schon vor dem ersten Weltkrieg gibt es eine (bei Meumann 1914 referierte und bibliographierte) experimentelle Erforschung folgender Parameter des Schreibprozesses: 1. Druckstärke und Druckverteilung beim Schreiben; 2. Zeitverhältnisse und Rhythmisierung (beides ist vornehmlich in der Schule Emil Kraepelins untersucht worden, wo man viel mit der „Schriftwaage“ gearbeitet hat; vgl. Kainz 1967, 90ff); 3. Rolle des inneren Mitsprechens und Artikulierens (namentlich für die Rechtschreibung); 4. Augenbewegungen beim Schreibakt; 5. Auswirkungen des Vorbereitungstyps auf das Schreiben (freies Schreiben, Diktat, Abschreiben); 6. Rechtschreibung (vgl. 4.1.). Meumanns Interesse richtet sich auf die Struktur- und Organisationsunterschiede zwi-

987

schen kindlichem und geläufigem (oder erwachsenem) Schreibprozeß. Wie alle genuin erwerbsmotorischen Prozesse zeichnet sich auch das geläufige Schreiben durch größere, in einem ‘Takt’ bewältigte und übersehene Prozeßeinheiten aus. Der Schreibanfänger braucht pro Buchstabe (oder gar pro Strich) einen motorischen Impuls, der geläufige Schreiber ‘arbeitet’ in viel größeren Gesamtimpulsen (Meumann 1914, 544). Analog entwickeln sich die Augenbewegungen beim Schreiben: von der optischen Führung des einzelnen Strichs hin zu sprunghaft angesteuerten Ruhe- und Fixpunkten für das Auge, deren Abstand sich mit der Übung vergrößert. Zwischen Meumann (1914) und Kainz (1967) ist Werner (1937) die herausragende einschlägige Untersuchung. Sie ist erschienen in der von Felix Krueger und Johannes Rudert 1934ff herausgegebenen Reihe „Psychologie des Schreibens und der Handschrift“, deren Beiträge ganz überwiegend graphologisch perspektiviert sind, aber mit empirisch genauen modernen Verfahren und Experimenten arbeiten (u. a. Beiträge zur Schreibgeschwindigkeit, zur Korrelation von Schriftmerkmalen, zu den Bindungsarten zwischen Buchstaben, über Schreibdruck und -geschwindigkeit). Werner (1937) ist ein vorzüglicher und einfallsreicher Experimentator. Ihn interessiert der Zusammenhang von Automatisierung und Kontrollstruktur im Schreiben, das er als „sekundär automatische“ Bewegung versteht. Solche Bewegungen verlieren den ursprünglich hohen Grad der Bewußtseinsbeteiligung erst nach langer Übung. Aus einer großen Versuchsreihe (u. a. zum „Dunkelschreiben“, Schreiben bedeutungsloser und unsprechbarer Wörter, Oberzeichenversuch) entwickelt Werner Hypothesen über die Beteiligung unterschiedlicher perzeptiver Mechanismen an der Organisation und Automatisierung des Schreibens. Im Dunkelschreibversuch wird untersucht, welche Teilleistungen des Schreibens durch den Wegfall stärker, welche weniger gestört werden. Es zeigt sich, daß Wortabstand, Zeilenorganisation, Rand viel mehr leiden als die eigentlichen Wörter. Über stärkeren Schreibdruck und größere Buchstaben versuchen die Versuchspersonen die kinästhetische Steuerung zu stärken (Werner 1937, 19). Die motorisch gestaltreichen Buchstaben benötigen weniger optische Steuerung als die gestaltarmen. Im Oberzeichenversuch werden Versuchspersonen aufgefordert, i-Punkte, t-

988

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Striche und ähnliche „Oberzeichen“ immer wegzulassen, was die Geläufigkeit der Schreibmotorik tendenziell zerstört (und belegt, daß ‘abgesunkene’ Operationen nur um einen hohen Preis beständig bewußt gehalten werden können). Zum Schreiben künstlicher Gebilde stellt Werner fest, daß sprechbare Unsinnswörter („Fagutosamatur“) auch ohne Übung geläufig geschrieben werden können, unsprechbare Konsonantenhaufen hingegen durchaus nicht (auch nicht abgeschrieben!). Daraus wäre zu folgern, daß die Artikulation als ‘Vorlage’ des geläufigen Schreibens eine beträchtliche Rolle spielt. Werner (1937, 22) versteht den optischen Orientierungsraum als „Gegenform“ möglicher Bewegungen. Der Schreibvorgang enthält allgemein richtungsgeführte, zielbestimmte (Wort- und Zeilenansatz), gestaltend kontrollierte und kontrollierend überwachte Teilstücke. Von Klages übernimmt Werner das Konzept der „leitbildlichen“ Steuerung des Schreibens, definiert es aber abstrakt (und nicht personal-graphologisch). Er beobachtet in seinen Versuchen, wie sich der leitbildlich-optische Führungsanteil allmählich in die Binnenmotorik des Schreibens „einbildet“ (1937, 43). Augenführung ist laut Werner aber nicht identisch mit Bewußtheit. Zum Absinken der letzteren führt z. B. eine geringe innere Gliederung und regelmäßige Wiederkehr der Teilhandlung, während umgekehrt reich gegliederte Teilhandlungen, die in sehr unterschiedlichen Situationen eingesetzt werden, zu starker Bewußtseinsbeteiligung neigen. Im Schreiben sind die Phasen mit optischer Kontrolle bewußtseinsnah. Wo sich der optische und der motorische Teil der Handlung trennen (etwa beim Schönschreiben), steigt die Bewußtseinsbeteiligung (und sinkt die Geläufigkeit), wo die Motorik den optischen Teil aufsaugt, sinkt die Bewußtseinsbeteiligung. Die Motorik gilt im Ganzen für eher bewußtseinsfern. Optisch geführte Bewegungen treten erst in das Bewußtsein, wenn ihr gewöhnlicher Ablauf gestört wird (Dunkelversuch). Optische Kontrolle lauert dagegen immer an der Schwelle des Bewußtseins. Werners Ziel ist eine Art „Bewußtseinsrelief“ des Schreibaktes (1937, 64), und Bewußtsein gilt dabei nicht etwa als Substanz oder gar als Basis des Psychischen, sondern als eine variable Ressource der Schreibhandlung. Interessant wäre ein Vergleich mit den bewegungsphysiologischen Studien N. A. Bernsteins (1975 [1947]).

4.

Das Schriftsystem im Schreiben

4.1. Orthographie und mentales Lexikon Schon Meumann (1914, 564ff) stellt sehr deutlich heraus, daß das Rechtschreibproblem psychologisch kein Schreibproblem ist: „In Wahrheit ist es teils ein lautanalytisch-optisches Problem, zu dem die Schreibvorgänge sekundär unterstützend hinzutreten, […] teils eine Frage der Kenntnis und des Verständnisses um ein bestimmtes orthographisches System“. (Meumann 1914, 565)

Unter diesem Gesichtspunkt kritisiert Meumann die Mehrzahl der älteren psychologisch-pädagogischen Untersuchungen zur Orthographie (die bei ihm ausführlich dargestellt sind). Er selbst argumentiert, daß weder die Lautanalyse noch die Einprägung von möglichst vielen Wortbildern allein dem Charakter des orthographischen Systems gerecht werden. Für ihn ist die Wortbedeutung Grundlage des orthographischen Prozesses (daher die scharfe Kritik an Lays Versuchen zum Hören, Buchstabieren, Diktieren und Abschreiben sinnloser Wörter), das Wortgesichtsbild ist Ziel und dominante Vorstellung. Das Wortklangbild ist Ausgangspunkt der lautlichen Zerlegung, die Sprechbewegung wird zum Mittel und Werkzeug der Lautanalyse. Die Schreibbewegung selbst ist nicht autonom, sondern ihrerseits Mittel der optischen Wortanalyse und für die Orthographie sekundär (all das ist angelehnt an Wundts Analyse der komplexen Wortvorstellung; vgl. Wundt 1911, 583ff). Eine wichtige Rolle spielen produktive Musterwörter, Analogiefähigkeit und allgemeine Sprachbildung, denn das Kind muß praktische Äquivalente der Ableitungen, Prinzipien und Regeln lernen, auf denen das Schriftsystem beruht. In Anlehnung an Binet postuliert Meumann (1914, 595), daß der Erfolg des Rechtschreiberwerbs umso größer ist, je mehr „Gedächtnisse“ am Einprägen beteiligt sind. Durchaus modern fordert er eine Vielzahl der Darbietungsweisen, die alle auf dem Weg von der Wortbedeutung zum Gesichtsbild konvergieren sollen. M. W. hat keiner der älteren Psychologen erkannt, daß gerade die orthographischen Normen des Schreibsystems Basis und Voraussetzung der sensomotorischen Automatisierung des Schreibens sind. Daß die psychologischen Probleme der Rechtschreibung in den Jahrzehnten nach Meumann nicht recht vom Fleck gekommen

83. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Schreibforschung

sind, belegt ein Blick in Kainz (1967), der die einschlägigen Probleme bagatellisiert und übergeht. Er betrachtet allein den Aspekt der (variablen) Nichtübereinstimmung von phonologischer und graphematischer Diakrise und schreibt über sie: Aber ein Problem der Schreibpsychologie stellt sie immerhin dar. Es darf als gelöst betrachtet werden durch unsere vorhin gegebene Bestimmung, daß wir das die Schreibhandlung vornehmlich steuernde Wortklangbild nicht als rein akustisch-phonetische Qualität erleben, sondern in Wirkungsgemeinschaft mit optischen und motorischen Faktoren. Die phonematischen Lautkonstituenten präsentieren sich für den Geübten immer schon in Durchdringung mit den graphematischen Diacriticis. Das setzt die Schwierigkeit wesentlich herab. (Kainz 1967, 30)

Natürlich nur für den, der bereits schreiben kann! Die Psychologie hat die Schulpraktiker mit der Orthographie im Stich gelassen, und der Stand von Meumann (1914) ist erst in jüngster Zeit wieder erreicht worden. 4.2. Verschreiben und Schreibfehler Man mag erwarten, daß die traditionsreiche Analyse des Verschreibens (von Seifert 1904 und Meringer 1908, 136ff bis hin zu Kainz 1967, 415ff) Aufschluß über die Präsenz des orthographischen Systems im Schreiben geben konnte. Man hat sich aber weitgehend und lange auf diejenigen Entgleisungen beschränkt, die wider besseres Wissen des Schreibers zustandekommen und im wesentlichen die gleiche Anatomie aufweisen wie Versprecher (Antizipationen, Nachwirkungen, Vertauschungen, Kontaminationen etc.). So hat noch Kainz (1967, 427) keinerlei Verständnis dafür, daß die großangelegten Fehleruntersuchungen H. Weimers auch solche Fehler einbeziehen, die (vorwiegend bei Schülern) der Unsicherheit in orthographischen Dingen entstammen (und eben darum über die Stadien und Schwierigkeiten der Aneignung des orthographischen Systems Auskunft geben könnten). Obwohl schon frühzeitig über die Entgleisungen gehandelt wird, die sich den Besonderheiten des Schreibens gegenüber dem Sprechen verdanken (Wundt 1911, 586 führt sie z. B. auf die Tempodifferenz zwischen Sprechen und Schreiben zurück), sind nennenswerte Erkenntnisse aus der Frühgeschichte der Psychologie nicht zu verbuchen.

5.

Texte organisieren

Psychologisch hängt der Übergang von der fallweise aktional und vollzugsorientierten Praxis zur werkorientierten verbalen Poiesis

989

weitgehend am Schreiben (vgl. Antos 1988). Das heißt freilich nicht, daß es einen selbständigen Werkaspekt im Sprechen nicht geben könnte. Jedoch fördern die wesentlichen Parameter der Schreibhandlung diesen Übergang entscheidend: Aufhebung der Themaund Focusbeschränkungen des Sprechens; Tempoverlust; Rekursivität; Distanzierungsmöglichkeit; Aushängen von Handlung und Situation; Objektivierung etc. Im Schreiben treten die sprachlichen Einheiten aus den Aktionsbezügen heraus und können selbst systematisch bearbeitet werden. Die textuellen Regeln und Normen für die Zusammenstellung von Sinngehalten beginnen die ‘bloß’ grammatischen zu überlagern. Mit diesen Vorgängen hat sich die ältere Psychologie kaum befaßt. Die neuere psychologische Erforschung der Textkomposition (vgl. Eigler et al. 1990, → Art. 84, 85, 137) kann nur zurückgreifen auf Traditionen der Aufsatzkunde (vgl. Ludwig 1988) und der Rhetorik. Das problematische Verhältnis von gesprochener und geschriebener Sprache ist zwar in der Linguistik notorisch präsent. Jedoch hat sich erst die neuere Textlinguistik systematisch auch mit den psychologischen Unterschieden der mündlichen und schriftlichen Textproduktion befaßt (vgl. Matsuhashi 1987, Antos & Krings 1989). Vereinzelt findet man freilich auch in der Linguistik Reflexionen des Typs, wie ihn die Psychologie der Textproduktion anstellt, namentlich im Umkreis stilistisch interessierter Zeiten und Schulen. Den Ansatz zu einer systematischen Klärung solcher Fragen sehe ich z. B. in der ausgreifenden Diskussion um die Wiedergabe der Rede im schriftlichen Text (als direkte, indirekte, uneigentlich direkte etc.), die zu Anfang des Jahrhunderts zwischen den Anhängern Ballys und der Vossler-Schule stattfand (und von Volosinov 1975 [1927] kritisch dargestellt und fortgeführt wird). Weil die Linguistik ‘natürlich’ an ihren geschriebenen Quellen haftet, vollzieht sich die Entdeckung der Differenz als Entdeckung der Tatsache, daß Dialog, Replik, Äußerung noch ganz andere dynamische Organisationsprinzipien haben, als man sie in den geschriebenen Texten entdecken kann. Die Sprachwissenschaft hat, selbst wenn sie Gesprochenes untersucht (so Volosinov), zu dieser Dynamik keinen direkten Zugang: „Die linguistischen Kategorien ziehen uns hartnäkkig von der Äußerung und ihrer konkreten Struk-

990

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

tur ins abstrakte System der Sprache“. (Volosinov 1975 [1927], 175)

Solange die psychologische Kompositionsforschung keine Kontrastfolie in einer Theorie der dynamischen (Wechsel-)Rede hat, werden ihre Hypothesen und Theorien bleiben wie sie sind: mit einer bescheidenen Dosis gesunden Menschenverstandes vorhersagbar. Erwähnung verdient noch eine ältere Studie über Zeitverbrauch und Zeitverteilung beim Schreiben unter verschiedenen Bedingungen (Reproduktion eines memorierten Textes, freie Wiedergabe einer zuvor erzählten Geschichte, freier Aufsatz) von Van Bruggen (1946), über die Kowal & O’Connell (1987) berichten. Die Schreibgeschwindigkeit ist bei memoriertem Text am geringsten, beim Nacherzählen am größten. Wie alle Studien über Zeitverbrauch und Pausen (über die Kowal & O’Connell berichten) ist auch diese schwer zu deuten, will man nicht bloß ad hoc Trivialitäten geben: memorierter Text belastet Gedächtnis, erspart aber Konzeptualisierung und Formulierung, der freie Aufsatz braucht Raum für beides, die Nacherzählung nur für Formulierung etc. Für eine detaillierte Besprechung auch der älteren Studien über Zeitmuster und Pausen beim Schreiben sei auf die Studie von Kowal & O’Connell verwiesen, die auch eine Kritik der verbreiteten Protokollanalyse-Methode enthält. Die Autoren setzen freilich viel Hoffnung in eine gründliche Analyse der Schreibpausen, während der Autor dieser Zeilen bezweifelt, ob Schreibpausen über das Schreiben mehr verraten als Trinkpausen über das Trinken.

6.

Schreiben als Ausdruck und Symptom: Graphologie

Das Vorherschen ausdruckspsychologischer Prämissen und Axiomatiken im Umkreis der Wundt-Schule bildet den Nährboden für die graphologische Konjunktur in den Jahren um 1900. Einsetzend mit Preyer (1895) beginnt eine „Modernisierung“ der Graphologie, die mit den empirisch-experimentellen Methoden verbunden und auf den Schreibvorgang selbst als Ausdrucksphänomen (nicht mehr auf die fertige Handschrift) abgestellt wird. Am Ende verselbständigt sich die Analyse des Schreibvorgangs und hängt die graphologischen Zielsetzungen weitgehend aus. Wegen der relativen Unabhängigkeit der Ausdruckswerte von den peripheren Ausfüh-

rungsbedingungen des Schreibens (Feder, Bleistift, Schreibmaterial; bei Behinderten Fuß- oder Mundschrift) spricht Preyer von einer „Gehirnschrift“. Während der Lernende (oder der Kalligraph) seine ganze Aufmerksamkeit für die genaue Nachahmung der Schriftzeichen verbraucht, lädt sich erst das geläufige und automatisierte Schreiben zunehmend mit charakterologisch auswertbaren Ausdrucks- und Symptomwerten auf. Die Schrift, so die einfache und anfechtbare Konstruktion Preyers (und vieler seiner Zeitgenossen), fixiert und regularisiert Ausdruckswerte, die prinzipiell auch in anderen Sphären, dort aber unfixiert, flüchtig, zu haben sind. Die symptomatische Ergiebigkeit des Schreibens liegt im Charakter der „fixierten Bewegung“ einerseits, in der hohen Konzentration und Beteiligung des Individuums andererseits. Bühler hat später in seiner Besprechung von Klages (1917), dem gewiß erfolgreichsten graphologischen Werk des Jahrhunderts, die Berechtigung dieses Denkansatzes (nicht ohne Ironie) relativiert: „Im Stadium der Einübung ist die Bewegung noch nicht frei und zügig genug, um in vollem Maße als Manifestation der seelischen Wallungen zu fungieren; im Stadium der Fertigkeit beansprucht die Bewegung an sich das Individuum nicht mehr genügend, um ohne einen aus anderer Quelle gespeisten Einsatz für sie noch vollwertig als Ausdruck zu fungieren. Das ungefähr ist ohne Beiwerk die schlichte Tatsache“. (Bühler 1933:184)

Hinzu kommt die willkürliche und zirkuläre Ausdeutungspraxis mit ihren vagen Merkmalen und Konzepten, die man im Zweifelsfalle in jeder Person findet, wenn man erst einmal die entsprechenden „Merkmale“ in der Schrift gefunden hat („Egoismus, Wohlwollen, Willenskraft“ etc.). So kommt es, daß der heutige Leser, der sich etwa bei Meumann (1914) oder Werner (1937) durchaus auf der Höhe der Zeit fühlt, in den zeitgleichen graphologischen Studien in vorwissenschaftliche Bezüge einzurücken meint. Da ist von der „Egoismusschleife“ an Endbuchstaben die Rede und davon, daß die Spiegelschrift „Spiegel einer kranken Seele“ sei. Daß Graphologie gleichwohl Konjunktur hat und hatte, belegt die Bibliographie von Wintermantel (1958), → Art. 88.

7.

Literatur

Andresen, Helga. 1985. Schriftspracherwerb und die Entstehung von Sprachbewußtheit. Opladen.

83. Historisch-systematischer Aufriß der psychologischen Schreibforschung

991

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Wintermantel, F. 1958. Bibliographia graphologica. Titelsammlung von Abhandlungen über die Lehre der Handschriftendeutung. Stuttgart.

992

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Wundt, Wilhelm. 1911. Grundzüge der physiologischen Psychologie. 6. Aufl., Band 3. Leipzig.

Wygotski, Lew Sem. 1964 [1934]. Denken und Sprechen. Berlin.

Wuttke, Heinrich. 1872. Die Entstehung der Schrift, die verschiedenen Schriftsysteme und das Schrifttum der nicht alfabetarisch schreibenden Völker. Leipzig.

⫺. 1983. The prehistory of written language. In: Martlew, 279⫺292.

Clemens Knobloch, Siegen (Deutschland)

84. Methoden der Textproduktionsforschung 1. 2.

4.

Terminologische Festlegungen Methodologische Analyse der Textproduktionsforschung Ausblick: Alternativen oder/und Weiterentwicklung? Literatur

1.

Terminologische Festlegungen

3.

1.1. Textproduktionsforschung Schreiben kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden; entsprechend bildeten sich in der Forschung zum Schreiben unterschiedliche Schwerpunkte heraus. Schreiben kann als orthographisch einwandfreies und motorisch flüssiges Schreiben verstanden werden, möglicherweise unter Einschluß des Schreibenlernens in der Grundschule bzw. in einer späteren Alphabetisierung; Schreiben kann aber auch als Produzieren von Texten verstanden werden. Allein das Textproduzieren und die darauf gerichtete Forschung sind Gegenstand des folgenden Artikels. Allerdings kann Textproduzieren wiederum unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden, z. B. unter dem des Zwecks (vgl. Abb. 84.1). Textproduzieren in Beruf und Alltag

in Einrichtungen des Lernens

Textproduzieren als Prüfung der Fähigkeit des Textproduzierens

Textproduzierenlernen

von Wissen

Abb. 84.1: Zwecke des Textproduzierens

Andere Aspekte des Textproduzierens werden thematisiert, wenn Texte unter dem Gesichts-

punkt des discourse type, etwa von Cooper & Matsuhashi (1983) im Anschluß an Britton, Burgess, Martin, McLeod & Rosen (1975) betrachtet werden (vgl. Abb. 84.2). discourse type expressive

poetic instructs

transactional persuades

informs

Abb. 84.2: Typen von ‘discourse’

Wieder andere Aspekte des Textproduzierens treten hervor, wenn man von einem Textproduktionsmodell, etwa dem von Hayes & Flower (1980) mit Komponenten wie Task Environment (z. B. Topic, Audience), LongTerm Memory und Prozessen wie Planning, Translating, Reviewing, oder von einem Modell der Entwicklung des Textproduzierens, etwa dem von Bereiter (1980) mit einer Abfolge Associative, Performative, Communicative, Unified, Epistemic Writing, ausgeht (→ Art. 85; 100). Wenn man die Vielfalt der genannten und noch erweiterbaren Aspekte überblickt und das geringe Alter der kognitiv orientierten Textproduktionsforschung berücksichtigt (noch nicht ganze zwei Jahrzehnte), wird es nicht überraschen, daß diese noch kein zusammenhängendes Gebilde darstellt, sondern eine Vielfalt von Aktivitäten zeigt, z. T. zusammenhängend, z. T. völlig zusammenhangslos, vielfach explorierend und um Modellbildung bemüht. Das ist zwangsläufig mit der Gefahr verbunden, Forschungsergebnisse zu übergeneralisieren, weil noch kein konsistenter theoretischer Hintergrund entwickelt wurde, vor dem sich die Reichweite der einzelnen Aussagen abschätzen läßt. Diese Vorläufigkeit spiegelt sich auch in der methodischen Anlage der Arbeiten, die

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Wundt, Wilhelm. 1911. Grundzüge der physiologischen Psychologie. 6. Aufl., Band 3. Leipzig.

Wygotski, Lew Sem. 1964 [1934]. Denken und Sprechen. Berlin.

Wuttke, Heinrich. 1872. Die Entstehung der Schrift, die verschiedenen Schriftsysteme und das Schrifttum der nicht alfabetarisch schreibenden Völker. Leipzig.

⫺. 1983. The prehistory of written language. In: Martlew, 279⫺292.

Clemens Knobloch, Siegen (Deutschland)

84. Methoden der Textproduktionsforschung 1. 2.

4.

Terminologische Festlegungen Methodologische Analyse der Textproduktionsforschung Ausblick: Alternativen oder/und Weiterentwicklung? Literatur

1.

Terminologische Festlegungen

3.

1.1. Textproduktionsforschung Schreiben kann unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden; entsprechend bildeten sich in der Forschung zum Schreiben unterschiedliche Schwerpunkte heraus. Schreiben kann als orthographisch einwandfreies und motorisch flüssiges Schreiben verstanden werden, möglicherweise unter Einschluß des Schreibenlernens in der Grundschule bzw. in einer späteren Alphabetisierung; Schreiben kann aber auch als Produzieren von Texten verstanden werden. Allein das Textproduzieren und die darauf gerichtete Forschung sind Gegenstand des folgenden Artikels. Allerdings kann Textproduzieren wiederum unter sehr verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet werden, z. B. unter dem des Zwecks (vgl. Abb. 84.1). Textproduzieren in Beruf und Alltag

in Einrichtungen des Lernens

Textproduzieren als Prüfung der Fähigkeit des Textproduzierens

Textproduzierenlernen

von Wissen

Abb. 84.1: Zwecke des Textproduzierens

Andere Aspekte des Textproduzierens werden thematisiert, wenn Texte unter dem Gesichts-

punkt des discourse type, etwa von Cooper & Matsuhashi (1983) im Anschluß an Britton, Burgess, Martin, McLeod & Rosen (1975) betrachtet werden (vgl. Abb. 84.2). discourse type expressive

poetic instructs

transactional persuades

informs

Abb. 84.2: Typen von ‘discourse’

Wieder andere Aspekte des Textproduzierens treten hervor, wenn man von einem Textproduktionsmodell, etwa dem von Hayes & Flower (1980) mit Komponenten wie Task Environment (z. B. Topic, Audience), LongTerm Memory und Prozessen wie Planning, Translating, Reviewing, oder von einem Modell der Entwicklung des Textproduzierens, etwa dem von Bereiter (1980) mit einer Abfolge Associative, Performative, Communicative, Unified, Epistemic Writing, ausgeht (→ Art. 85; 100). Wenn man die Vielfalt der genannten und noch erweiterbaren Aspekte überblickt und das geringe Alter der kognitiv orientierten Textproduktionsforschung berücksichtigt (noch nicht ganze zwei Jahrzehnte), wird es nicht überraschen, daß diese noch kein zusammenhängendes Gebilde darstellt, sondern eine Vielfalt von Aktivitäten zeigt, z. T. zusammenhängend, z. T. völlig zusammenhangslos, vielfach explorierend und um Modellbildung bemüht. Das ist zwangsläufig mit der Gefahr verbunden, Forschungsergebnisse zu übergeneralisieren, weil noch kein konsistenter theoretischer Hintergrund entwickelt wurde, vor dem sich die Reichweite der einzelnen Aussagen abschätzen läßt. Diese Vorläufigkeit spiegelt sich auch in der methodischen Anlage der Arbeiten, die

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84. Methoden der Textproduktionsforschung

erhebliche Unterschiede aufweisen. Das dürfte u. a. durch die Herkunft der am Textproduzieren interessierten Wissenschaftler ⫺ Linguisten, Psychologen, Erziehungswissenschaftler ⫺ bedingt sein, die sich jeweils den Standards ihrer Bezugsdisziplin verpflichtet fühlen; hinzu kommt, daß sich innerhalb der einzelnen Gruppen noch einmal Unterschiede auftun je nach der Funktion, in der sich der einzelne Wissenschaftler mit dem Textproduzieren befaßt: vorwiegend aus Forschungsinteresse oder vorwiegend im Zusammenhang mit der Lehre bei der Ausbildung von Lehrern. Andererseits bietet diese Situation ⫺ Textproduzieren gleichsam als Schnittpunkt der Interessen unterschiedlicher Disziplinen ⫺ eine Herausforderung für theoretische Weiterentwicklungen (vgl. z. B. McCutchen 1986; Frederiksen, Donin-Frederiksen & Bracewell 1986), was zwangsläufig methodische Konsequenzen nach sich zieht. Das weist aber auch darauf hin, daß Fragen der Forschungsmethoden nicht ohne Bezug auf den theoretischen Rahmen abgehandelt werden können, in dem sich die betreffende Forschung vollzieht. 1.2. Methoden ⫺ Methodologie Unter Methoden einer Forschungsrichtung läßt sich Unterschiedliches verstehen; man kann an Methoden der Datenerhebung und -analyse denken, aber auch an Untersuchungstypen. Die Methodologie einer Forschungsrichtung hat dies eher punktuelle Wissen in einen Zusammenhang zu bringen und zu zeigen, wie Untersuchungen in diesem Bereich aufgebaut sind und welche Abfolge von Schritten für den Forschungsprozeß konstitutiv ist. Sie wird dabei auch zu zeigen haben, welchen Stellenwert z. B. ‘Protokolle lauten Denkens’ bzw. ‘Experiment’ im Forschungsprozeß haben. In diesem Sinn wird die Textproduktionsforschung im folgenden methodologisch betrachtet. Einen ersten Eindruck, welche Gesichtspunkte dabei zu berücksichtigen sind, vermittelt die folgende Aufstellung von (ein wenig erläuterten) Kategorien (vgl. Kerlinger 1973; Bortz 1984), die als Leitfaden bei der Analyse wie bei der Planung von Untersuchungen verwendet werden können (vgl. Abb. 84.3). Werden Untersuchungen einer Forschungsrichtung wie der Textproduktionsforschung gemäß den genannten Kategorien analysiert, zeichnet sich der methodologische Entwicklungsstand der Forschungsrichtung bzw. ⫺ bei einer Betrachtung über die Zeit ⫺ ihre methodologische Entwicklung ab (vgl. 2.1.).

Theoretischer Hintergrund (Theorie, Modell) Theorie/Modell als Ausgangspunkt Theorie/Modell als Ziel (z. B. Modellbildung angestrebt) ohne expliziten theoretischen Bezug Typ der Untersuchung Experiment Felduntersuchung ex post facto Untersuchung Falluntersuchung … Untersuchungsplan (Design) Ein-Gruppen-Design Experimental-/Kontrollgruppen-Design Vor-/Nachtest-Design … Methoden der Datenerhebung Beobachtung Test/Skalen Befragung/Interview projektive Verfahren (z. B. Textproduktion als Erhebungsinstrument…) 'lautes Denken' … Methoden der Datenanalyse Inhaltsanalyse linguistische Analyse (z. B. der Kohärenz…) … Methoden der Datenverarbeitung und der statistischen Prüfung Häufigkeiten zentrale Tendenzen (z. B. Mittelwert) Korrelationen Unterschiede und ihre Prüfung auf Signifikanzen Varianz- und Regressionsanalysen …

Abb. 84.3: Elemente der methodologischen Bearbeitung von Untersuchungen

2.

Methodologische Analyse der Textproduktionsforschung

2.1. Vorliegende Versuche: Phasenmodell gegenüber Ebenenmodell Es ist schon verschiedentlich versucht worden, die kurze Geschichte der kognitiv orientierten Textproduktionsforschung unter methodologischen Gesichtspunkten zu strukturieren. Faigley, Cherry, Jolliffe & Skinner (1985) z. B. unterscheiden drei Phasen in der Entwicklung der Textproduktionsforschung und

994

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ordnen diesen dann methodologische Charakteristika zu. In einer ersten Phase ⫺ vor der kognitiven Orientierung ⫺ dominierten Vortest-Nachtest-Untersuchungspläne (z. B. bei Untersuchungen zur Entwicklung des Revidierens), wie sie für psychologische Forschung allgemein als verpflichtend angesehen wurden. Die folgende Phase (etwa ab 1978) ist durch den theoriebedingten Wechsel der Betrachtung von den Produkten des Textproduzierens zu den diese hervorbringenden Prozessen gekennzeichnet und hier wieder insbesondere durch das Interesse an den die Prozesse organisierenden Strategien des Textproduzenten. Diese versuchte man aus Daten zu erschließen, die durch unterschiedliche Methoden ⫺ z. B. Protokolle lauten Denkens (Flower & Hayes 1980), Beobachtungen beim Textproduzieren (Matsuhashi 1981) ⫺ erhoben wurden. Zu ergänzen ist, daß es sich bei den Untersuchungen ⫺ was den Untersuchungsplan betrifft ⫺ in der Regel um Falluntersuchungen handelt. In einer dritten Phase wird die kognitive Orientierung gemäß dem Forschungsparadigma der Cognitive Science (vgl. Norman 1980) ausgestaltet, was bedeutet, daß Textproduzieren im Schnittpunkt kognitiv-psychologischer, linguistischer, rhetorischer, erziehungswissenschaftlicher, aber auch physiologischer, ethnologischer, philosophischer Betrachtung gesehen wird. Damit wird nicht die Erwartung oder gar Forderung verbunden, daß in jeder Untersuchung alle Gesichtspunkte berücksichtigt werden, wohl aber jederart monopolistischer Zugriff auf das Textproduzieren von vornherein relativiert. In diesem Zusammenhang gewinnen auch linguistisch orientierte Verfahren der Textanalyse, die im Zuge des sich in der kognitiv orientierten Forschung vollziehenden Übergangs vom Produkt zu den Prozessen (insbesondere wegen der Fixierung der Textanalyse auf den Satz, z. B. T-unit analysis von Hunt 1965) in den Hintergrund getreten waren, in der Textproduktionsforschung wieder an Interesse. Voraussetzung ist allerdings, daß sie auf der Textebene operieren wie die Kohäsionsanalyse von Halliday & Hasan 1976 (vgl. Witte & Faigley 1981; Faigley & Witte 1984). Diese Verfahren werden zunächst ausschließlich zur Beschreibung des Produkts Text genutzt. Insgesamt thematisiert diese methodologische Analyse der Textproduktionsforschung bevorzugt einen Aspekt des oben entwickel-

ten methodologischen Spektrums: die Methoden der Datenerhebung und -analyse. Zur selben Zeit wie Faigley et al. (1985) unternahmen Bereiter & Scardamalia (1987; vgl. Scardamalia & Bereiter 1983, 1986; Baurmann 1989) einen vergleichbaren Versuch. Sie unterscheiden 6 Ebenen, auf denen sich Untersuchungen zum Textproduzieren vollziehen. Die Ebenen werden mehrfach charakterisiert: durch eine Chiffre, durch die Art der Fragestellung und durch die verwendeten Methoden. Ebene 1: Reflective inquiry. Charakteristisch für Arbeiten, die dieser Ebene zugeordnet werden, ist, daß sie das Phänomen Textproduzieren als solches zu vergegenwärtigen versuchen. Methodologisch gesehen basieren die Arbeiten auf Beobachtung, maßgeblich auch auf Selbstbeobachtung; darüber hinaus werden auch Erfahrungen und Beobachtungen anderer Schreiber in die Argumentation einbezogen. Ebene 2: Empirical variable testing. Arbeiten dieser Ebene untersuchen Zusammenhänge (mit welchen Variablen z. B. mehr oder weniger expertenhaftes Textproduzieren zusammenhängt) oder prüfen Annahmen (z. B. hinsichtlich des Rückgangs der Schreibfähigkeit oder des Effekts des Revidierens auf die Textqualität). Solche Untersuchungen haben beschreibenden, jedoch keinen erklärenden Charakter. Als Methoden der Datenerhebung kommen Erhebungen, als Methoden der Datenanalyse Verfahren der Textanalyse in Frage. Ebene 3: Text analysis. Auf dieser Ebene werden Texte ausschließlich unter linguistischen Gesichtspunkten analysiert, etwa mit dem Ziel, die Verwendung von Textschemata oder lexikalischer und syntaktischer Muster zu erfassen. Einschlägige Methoden sind Fehleranalyse, story grammar analysis, inhaltlich-thematische Analyse. Ungeklärt bleibt zwangsläufig, ob die sich an der Textoberfläche abzeichnenden Regelmäßigkeiten in einem Zusammenhang mit einem entsprechenden Wissen des Textproduzenten und dem strategischen Gebrauch dieses Wissens durch den Textproduzenten stehen. Ebene 4: Process description. Sollen Prozesse als Variablen in Theorien einbezogen werden, müssen sie zunächst einmal identifiziert und dann erfaßt werden. Beispiele sind Versuche, lokale Prozesse (am Satzende oder im Satz z. B.) durch die Analyse von Schreibpausen mittels Videoaufzeichnungen, kombiniert mit Textanalysen und retrospektiven

84. Methoden der Textproduktionsforschung

Interviews (Matsuhashi & Quinn 1984), oder unterschiedliche Planungsprozesse von Schreibnovizen und Schreibexperten durch Analyse von Protokollen lauten Denkens zu identifizieren (Flower & Hayes 1980). Mittels dieser Methoden werden Prozesse faßbar, und die so gewonnenen Beschreibungen lassen sich auch ordnen und zusammenfassen; interpretierbar werden sie aber erst innerhalb eines theoretischen Rahmens. Ebene 5: Theory-embedded experimentation. Erwartet werden Untersuchungen, die sich aus einer Theorie herleiten und diese prüfen. Bereiter & Scardamalia (1986) weisen darauf hin, daß die Textproduktionsforschung bislang arm an theoretischen Fragestellungen (im Sinne von Warum-Fragen) ist. Als Beispiel für theoriegeleitete Untersuchungen führen sie das von ihnen entwickelte knowledge-telling model des Textproduzierens an (→ Abb. 85.8 in Art. 85): Untersuchungen auf Ebene 4 hatten ergeben, daß auch Schreibnovizen leidliche Texte zustandebringen, allerdings ohne auch nur Ansätze des Planungsverhaltens zu zeigen, mit dem Schreibexperten die vielfältigen Notwendigkeiten beim Textproduzieren bewältigen. Das Modell nennt die Bedingungen für das Zustandekommen akzeptabler Texte; entsprechende Annahmen können experimentell überprüft werden. Die dabei entstehenden Daten haben nur Sinn innerhalb des zuvor entwickelten theoretischen Rahmens, und auch nicht die Daten als solche oder ihre Beschreibung leisten die Erklärung, sondern die Annahmen, die vor dem jeweiligen theoretischen Hintergrund formuliert wurden ⫺ allerdings nur solange, als ihnen die Daten nicht widersprechen. Ebene 6: Simulation. Hier ist weniger an Computersimulationen zu denken ⫺ das gibt es auch ⫺ als an Verfahren, die die Belastung beim Aufbau neuer kognitiver Prozeduren beim Textproduzierenlernen zunächst herabsetzen und dann schrittweise steigern ⫺ von Bereiter & Scardamalia 1987 procedural facilitation genannt. Ein Beispiel wäre der Aufbau wirksamer Überwachungs- und Diagnoseprozeduren beim Textproduzieren. Im Gegensatz zu dem zuvor dargestellten Phasenmodell nach Faigley et al. 1985, in dem die Entwicklung der Methodologie in der Textproduktionsforschung lediglich skizziert wurde, wird in dem Ebenenmodell nach Scardamalia & Bereiter (1987) die methodologische Breite der gegenwärtigen Forschung deutlich. Es wird dabei nicht nur davon aus-

995 gegangen, daß Untersuchungen auf den verschiedenen Ebenen parallel durchgeführt werden können, sondern daß dies für die Textproduktionsforschung insgesamt förderlich ist, insofern Probleme, die sich bei der Arbeit auf einer Ebene ergeben, auf einer anderen Ebene aufgenommen werden können. Zweifellos ist das Ebenenmodell viel stärker methodologisch orientiert. Unbefriedigend ist auch hier die unspezifische Behandlung der Methoden, bei der Methoden der Datenerhebung, der Datenanalyse und der statistischen Analyse und Prüfung unvermittelt nebeneinanderstehen. 2.2. Methodologische Analyse nach dem Zweck des Vorgehens Fragen der Methodologie lassen sich auf unterschiedlichem Niveau von Abstraktheit erörtern: wissenschaftstheoretisch in hochgradig abstrakter Form oder bezogen auf einen großen Forschungsbereich, z. B. als Methodologie sozial- bzw. humanwissenschaftlicher Forschung, oder schließlich als Methodologie eines engumgrenzten Forschungsbereichs, was hier geboten ist. Eine einigermaßen vollständige methodologische Beschreibung der Textproduktionsforschung hätte zunächst den Zweck der jeweiligen Untersuchungen zu bestimmen und dann das Vorgehen zu spezifizieren (vgl. Abb. 84.4). Sieht man von dem Sonderfall der Instrumentenentwicklung für künftige Untersuchungen ab, so bietet sich hinsichtlich des Zwecks der Untersuchungen folgende Klassifikation an: Untersuchungen dienen ⫺ der Beschreibung ⫺ der Bildung von Modellen bzw. Theorien ⫺ der Prüfung von Hypothesen bei impliziter Theorie bzw. ad hoc gebildet ⫺ der Prüfung von Hypothesen auf dem Hintergrund von Modellen bzw. Theorien. Der Kategorie Beschreibung sind Untersuchungen zuzuordnen, die das Wissen von der Praxis des Textproduzierens erweitern, die Einblicke in die Bereiche des Textproduzierens verschaffen, auch in wenig beachtete Bereiche (Beispiel Textproduzieren im Beruf), die aber auch das Zutreffen selbstverständlicher Meinungen überprüfen (Beispiel Hochschätzung der Revisionen). Die Untersuchungen können als Fallstudien oder als Felduntersuchungen durchgeführt werden, im letzteren Fall keineswegs nur als Ein-GruppenUntersuchung sondern auch als Vergleichs-

996

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

beschreibend

erklärend

ZWECK Prüfung von Hypothesen Beschreibung

Bildung von Modellen/ Theorien

bei impliziter Theorie bzw. ad hoc

auf dem Hintergrund von Modellen/ Theorien

Abb. 84.4: Untersuchungszwecke in der Textproduktionsforschung

gruppenuntersuchung, gegebenenfalls mit einer Datenerhebung mittels validierter Instrumente und statistischer Datenverarbeitung mittels komplexerer Verfahren. Der Zweck der Bemühungen ist, Beschreibungen des Forschungsfeldes zu liefern. Arbeiten, die sich der zweiten Kategorie ⫺ Modellbildung ⫺ zuordnen lassen, sind nicht zahlreich: Modellbildungen und erst recht Theoriebildungen stecken noch in den Anfängen. Auf dem Hintergrund des Forschungsstandes werden Erklärungsversuche für beobachtbare Abläufe entworfen (z. B. Hayes & Flower 1980 oder Frederiksen 1986). Das ist zunächst einmal vorwiegend gedankliche, sog. theoretische Arbeit. Dann aber muß ⫺ bevor das Modell überhaupt zur Erklärung herangezogen wird ⫺ die Praktikabilität des Modells demonstriert werden. Das geschieht in der Regel im Rahmen von Falluntersuchungen. Gegenüber diesen ⫺ für die Weiterentwicklung des Forschungsbereichs unerläßlichen ⫺ in einem weiteren Sinn beschreibenden Untersuchungen bilden erklärende Untersuchungen einen anderen Typ: sie prüfen Hypothesen. Dabei können die theoretischen Vorannahmen implizit bleiben und die Hypothesen ad hoc gebildet werden, sie können aber auch aus theoretischen Vorannahmen hergeleitet werden. Hinsichtlich der Prüfung bietet sich auf allen Ebenen der Forschung (Typ der Forschung, Untersuchungsplan, Methoden der Datenerhebung, der Datenanalyse und der statistischen Datenerhebung) eine Vielfalt von Möglichkeiten an ⫺ realisiert werden neben Falluntersuchungen Experimente und Felduntersuchungen mit unterschiedlichen Versuchsplänen wie Experimental-Kontrollgruppen- oder Vor-Nachtest-Versuchsplänen, mit einer Datenerhebung mittels Beobachtung, Test und Text, einer Datenanalyse der Texte z. B. mittels inhaltsanalytischer

und linguistischer (z. B. Kohäsion erfassender) Verfahren. Da bestimmte Aspekte der Untersuchungen zum Textproduzieren (wie Typ der Forschung und Versuchsplan) sich an der allgemeinen sozialwissenschaftlichen Methodologie (vgl. z. B. Kerlinger 1973; Bortz 1984) orientieren und im Falle einer statistischen Datenverarbeitung die entsprechenden Standards gelten (vgl. Bortz 1989), sollen sich die folgenden Überlegungen zur Methodologie der Textproduktionsforschung auf das, was der Textproduktionsforschung spezifisch ist, beschränken: auf ihre Methoden der Datenerhebung und der Datenanalyse. Schon jetzt soll aber darauf hingewiesen werden, daß Methoden an sich blind sind und erst in einem theoretischen Kontext erhellend wirken, zumindest: daß sie je nach theoretischem Kontext sehr Unterschiedliches leisten können. Im Anschluß an die nun folgende Darstellung der Methoden der Textproduktionsforschung (2.3.) wird diese Frage wieder aufgegriffen (2.4.). 2.3. Methoden der Textproduktionsforschung Zwei Dichotomien haben sich in den methodologischen Reflexionen innerhalb der Textproduktionsforschung herauskristallisiert: einmal der Gegensatz ‘Produkt-Orientierung’ ⫺ ‘Prozeß-Orientierung’, zum anderen der Gegensatz ‘Text als sprachliches Gebilde’ ⫺ ‘Text als gedanklicher Zusammenhang’. Die erstere Dichotomie ist Ausdruck des sich im Zuge der kognitiven Wende durchsetzenden Interesses der Forschung, Ergebnisse von Denken, Lernen, Problemlösen ⫺ dazu gehören auch Texte ⫺ nicht nur zu beschreiben, sondern als Produkte der sie hervorbringenden Prozesse zu begreifen; die zweite Dichotomie ergibt sich aus der Einsicht in die Eigenart von Texten, die sowohl

84. Methoden der Textproduktionsforschung

sprachlich als auch gedanklich ist. Diese ist in der kurzen Geschichte der Textproduktionsforschung immer klarer herausgearbeitet worden (z. B. Frederiksen 1986) und bildet die Grundlage für die Forderung nach interdisziplinärer Erforschung von Texten, des Verstehens und des Produzierens von Texten, innerhalb einer ‘Kognitiven Wissenschaft’. Die folgende Darstellung folgt in der Anlage einer Aufstellung von Frederiksen, Bracewell, Breuleux & Renaud (1989), die in Übereinstimmung mit dem theoretischen Entwicklungsstand der Textproduktionsforschung produkt-orientierte und prozeß-orientierte Methoden unterscheiden. Sie erweitert die Aufstellung um eine Reihe von Methoden, die darüberhinausgehend in der Textproduktionsforschung, insbesondere hinsichtlich des Zusammenhangs von Wissen und Textproduzieren, verwendet werden (vgl. Eigler, Jechle, Merziger & Winter 1990). Vorangestellt wird eine kurze Erörterung der Methode der Textzerlegung, mit der sowohl im Rahmen produktorientierter als auch prozeßorientierter Analysen gearbeitet wird. 2.3.1. Textzerlegung Im Gegensatz zu eher globalen Einschätzungen von Texten wie in Schulen üblich ⫺ z. B. anhand einer Skala mit den Extremen ‘qualitativ hoch’ und ‘qualitativ niedrig’ (holistic scoring, vgl. Faigley et al. 1985) oder spezielle Textmerkmale thematisierend (trait scoring, Couture 1985) ⫺ sehen sich wissenschaftliche Untersuchungen vor der Notwendigkeit, Texte in vergleichbare Analyseeinheiten, sog. Segmente zu zerlegen, die jeweils in sich abgeschlossen sind, in ihrer Gesamtheit aber den Text repräsentieren. Verwendet werden je nach Untersuchungsinteresse verschiedene Verfahren wie z. B. die Zerlegung in T-units (Hunt 1965) oder independent clause units (McCutchen 1986); vgl. insgesamt Frederiksen et al. (1989, 98 f); Eigler et al. (1990, 84 ff). 2.3.2. Produkt-orientierte Methoden Entsprechend zu der oben erörterten Dichotomie lassen sich Methoden unterscheiden, die die sprachliche Struktur bzw. die gedankliche Struktur des Textes zu erfassen suchen. 2.3.2.1. Produkt-orientierte Methoden zur Erfassung der sprachlichen Struktur Die sprachliche Struktur eines Textes läßt sich je nach der ins Auge gefaßten Komple-

997 xitätsstufe unterschiedlich analysieren: auf Wortebene, auf Satzebene und Satz-übergreifend. a) Lexikalische Analysen Es kann die Zahl der Wörter eines Textes ausgezählt und so die Textlänge bestimmt werden ⫺ bei aller Einfachheit eine Grundinformation, auf die in fast allen Untersuchungen zurückgegriffen wird; es kann die Häufigkeit unterschiedlicher Wörter bestimmt werden, es kann die Zahl unterschiedlicher Wörter zur Zahl der Wörter überhaupt in Beziehung gesetzt werden (type-token ratio); es kann auch nach einer Segmentation des Textes die Zahl der Wörter pro Segment ausgezählt und dann die mittlere Segmentlänge bestimmt werden. b) Syntaktische Analysen Es können einfach die Wortarten wie Substantive, Verben, Adjektive, Partizipien erfaßt werden; es können die Konjunktionen ausgezählt und differenziell analysiert werden. Es kann auf sog. Indizes syntaktischer Komplexität zurückgegriffen werden (vgl. Witte & Faigley 1981). c) Satz-übergreifende Analysen Hier werden zwei Verfahren verwendet: die Kohäsionsanalyse und die topic-commentAnalyse. ⫺ Kohäsionsanalyse Texte bilden keine bloße Anhäufung von Sätzen wie diese keine bloße Anhäufung von Wörtern: in Texten stehen die Sätze in einem Zusammenhang. Dieser Textzusammenhang wird durch bestimmte sprachliche Mittel hergestellt, mit denen sich die Kohäsionsanalyse beschäftigt. Allgemein folgt man der Typologie von Halliday & Hasan (1976), die sechs Grundtypen kohäsiver Verknüpfung unterscheiden: Referenz, Substitution, Ellipse, Konjunktion, Lexikalisierung, Kataphora. Übergreifend lassen sich kohäsive Verknüpfungen als lokal bzw. distant beschreiben, je nachdem ob die Verknüpfung zum unmittelbar vorausgehenden oder nachfolgenden bzw. zu einem weiter entfernten Satz bzw. Textsegment hergestellt wird (vgl. Frederiksen et al. 1989, 99; 1986, 274 ff; Eigler et al. 1990, 120 ff). ⫺ topic-comment-Analyse Texte lassen sich unter dem Gesichtspunkt beschreiben, wer oder was durch seine Stellung im Satz bzw. im Textsegment in besonderem Maß in das Blickfeld gerückt wird (in der Regel vermittelt durch die Subjekt-Position). Die sich durch eine solche Analyse ergebende topicalization structure gibt z. B.

998

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Aufschluß, wie oft dieselbe Information in der topic-Position auftritt, wie sich die Einführung neuer Information über die comment-Position und wie sich der Wechsel einer Information aus der comment-Position in die topic-Position vollzieht (‘thematische Progression’). Das Verfahren ⫺ wenn in der Textproduktionsforschung eingesetzt (z. B. Frederiksen et al. 1986, 280 f), wird auf den Ansatz von Grimes (1976) und die Vorschläge von Clements (1979) Bezug genommen ⫺ zielt ab auf die durch das sprachliche Mittel von topic und comment hergestellte Ordnung des Textes und ist insofern ⫺ ungeachtet der Schwierigkeit, von inhaltlichen Bezügen abzusehen ⫺ zumindest der Intention nach ein Verfahren zur Erfassung der sprachlichen Struktur des Textes.

riksen et al. (z. B. 1986, 1989) nehmen den Begriff frame wieder auf. Jeweils sind Verfahren zu entwickeln, wie die Liste der Propositionen regelgeleitet in eine Darstellung der Organisation des Gesamttextes überführt werden kann. Zu diesem Zweck haben z. B. Frederiksen et al. verschiedene frame grammars entwickelt, die es erlauben ⫺ exemplifiziert an der bevorzugten Textsorte Geschichten ⫺, in einer Geschichte den narrative frame (im wesentlichen die zeitliche Abfolge der Ereignisse) und dann gegebenenfalls in einem zweiten Schritt den problem frame (die den berichteten Ereignissen zugrundeliegenden Problemlösungsprozesse, konstituiert durch Ziel, Ausgangssituation, Plan und ausführende Handlung) zu erfassen (detailliert Frederiksen et al. 1986).

2.3.2.2. Produkt-orientierte Methoden zur Erfassung der gedanklichen Struktur Es werden zunächst zwei Verfahren vorgestellt, die in der Textverstehens- und in der Textproduktionsforschung Verwendung finden: die Analyse von Propositionen und die Analyse von frames (zu beiden Verfahren vgl. Ballstaedt, Mandl, Schnotz & Tergan 1981). a) Analyse von Propositionen Propositionen, bestehend aus einem Prädikat und einem oder mehreren Argumenten, sind das Pendant der clauses auf gedanklich-konzeptioneller Ebene; sie werden durch Analyse der clauses gewonnen, indem man einem bestimmten Regelsystem (‘Grammatik’) folgt (Kintsch 1974 und die darauf bezogene Anleitung von Turner & Greene 1977; Frederiksen et al. 1986). Eine Propositionsanalyse läßt die Verteilung wichtiger Propositionstypen wie ‘Ereignis’ oder ‘Zustand’ über den ganzen Text erkennen, sie erlaubt einen Index der propositionalen Dichte (durchschnittliche Zahl von Propositionen pro Textsegment, etwa einem Abschnitt) zu berechnen; die wichtigste Funktion einer Propositionsanalyse dürfte aber sein, daß sie ein Zwischenglied darstellt auf dem Weg vom Text, repräsentiert durch clauses, zu dem, was die ‘Botschaft des Textes’ ist. b) Analyse von frames Gegenüber einer Darstellung der gedanklichen Struktur eines Textes in Form einer detaillierten Propositionenliste zielen andere Analysen auf die Erfassung der Organisation des Gesamttextes. Chafe (1977) sprach in diesem Zusammenhang von frame, Kintsch & van Dijk (1978) von Superstrukturen, Frede-

Andersgerichtete Fragestellungen ⫺ wenn z. B. der Zusammenhang von Wissen und Textproduzieren thematisiert wird ⫺ bedürfen anderer Verfahren. Bisweilen kann auf in anderen Forschungsbereichen gängige Verfahren zurückgegriffen werden, die dann anzupassen sind, bisweilen sind neue Verfahren zu entwickeln. Das soll an Verfahren zur Erfassung des Textinhalts, bezogen auf das Thema des Textes, und zur Erfassung des Textzusammenhangs, d. h. der Strukturierung der Inhalte im Text, gezeigt werden. a) Analyse des Textinhalts McCutchen (1986) unterwarf zum Zweck der Erfassung des Textinhalts den Text einer Inhaltsanalyse und verglich dann die so identifizierten Texteinheiten mit einer vorgegebenen Liste von Wissenselementen, die das erforderliche Wissen zur Behandlung des Themas umschreibt: ist diese Wissenseinheit vorhanden oder nicht? Fehlt eine solche Aufstellung von Wissenselementen, lassen sich die einzelnen inhaltlichen Texteinheiten im Hinblick auf das Thema einschätzen: z. B. als themabezogen, in einem engeren Sinn bzw. in einem weiteren Sinn themabezogen, nicht-themabezogen usw. Es lassen sich dann eine Reihe von weiterführenden Analysen durchführen, z. B. hinsichtlich des Verhältnisses von themabezogenen zu nicht-themabezogenen Aussagen innerhalb der Gesamtzahl der Aussagen, hinsichtlich der Positionierung von themabezogenen bzw. von nicht-themabezogenen Aussagen im Text (vgl. im einzelnen Eigler et al. 1990). b) Analyse des Textzusammenhangs Hier interessiert nicht nur, ob Aussagen themabezogen bzw. nicht-themabezogen sind,

84. Methoden der Textproduktionsforschung

sondern wie sie im Text inhaltlich-gedanklich verknüpft sind. In seltenen Fällen ist es möglich, die einzelnen Texteinheiten mit einer vorab entwickelten hierarchisierten Wissensstruktur zu vergleichen und so das strukturelle Niveau der einzelnen Texteinheit zu bestimmen (Voss, Vesonder & Spilich 1980; McCutchen 1986; Eigler & Nenniger 1985); in den meisten Fällen wird sich die Analyse ausschließlich an den im Text vorliegenden inhaltlich-gedanklichen Beziehungen zu orientieren haben. Ein Analyseverfahren läßt sich z. B. im Anschluß an Cooper & Matsuhashi (1983) und ihre Unterscheidung von structural sentence roles und functional sentence roles entwickeln: in bezug auf die vorangegangene Texteinheit kann eine Texteinheit als strukturell übergeordnet, untergeordnet oder nebengeordnet klassifiziert werden, wobei die strukturelle Beziehung auf der Textebene in sehr unterschiedlicher Weise realisiert werden kann. Die Anzahl über-, unter- und nebengeordneter Texteinheiten wie auch der sich daraus ergebende vertikale und horizontale Differenzierungsgrad des Textes lassen sich bestimmen. So gewonnene Inhaltsstrukturen ⫺ die auch graphisch sehr gut darstellbar sind ⫺ lassen über eine Analyse des Textinhaltes hinausgehend die Gewichtung der einzelnen Inhalte im Gesamttext erkennen. In dieselbe Richtung einer Erfassung der wesentlichen Aussagen eines Textes (gist of the message) zielt das Verfahren der Makrostrukturbildung (Kintsch & van Dijk 1978; vgl. Mandl 1981). Sie entwickelten eine Reihe von Makrooperatoren (wie Auslassen, Generalisieren, Konstruieren, Integrieren, Auswählen, Bündeln), die auf die Liste der Propositionen (s.o.: Analyse der Propositionen) angewendet, die Reduktion auf die wesentlichen Aussagen bewirken. 2.3.3. Prozeß-orientierte Methoden Obwohl die Erforschung der Prozesse beim Textproduzieren ein wesentliches Ziel kognitiv orientierter Textproduktionsforschung ist, überrascht es, daß eigentlich nur zwei Methoden, die als spezifisch prozeß-orientiert anzusehen sind, praktiziert werden: die Erhebung von Protokollen lauten Denkens und deren Analyse einerseits und die Erhebung von Zeitmaßen beim Textproduzieren und deren Analyse andererseits. Dieser Eindruck wird sich etwas ändern, wenn der Zusammenhang von Methoden und theoretischem Kontext thematisiert wird (2.4.).

999 2.3.3.1. Erhebung von Protokollen lauten Denkens und deren Analyse Hayes & Flower (1980), deren Modellbildung am Anfang der kognitiv orientierten Textproduktionsforschung stand und bis heute trotz aller Präzisierung und Verfeinerung letztlich dominant geblieben ist, arbeiteten mit der Methode des lauten Denkens (vgl. speziell: Hayes & Flower 1983). Sie hatten die Methode aus der Problemlöseforschung übernommen (Newell & Simon 1972); sie konnten sie übernehmen, weil sie in Anlehnung an die Problemlöseforschung Textproduzieren als einen Problemlöseprozeß konzipierten. Entsprechend werden Teilprozesse unterschieden: Planen (im Hinblick auf Thema und Adressaten Wissen erinnern, auswählen und ⫺ wenn auch nur vorläufig ⫺ anordnen), Übertragen (die sprachliche Gestalt des Textes erarbeiten) und Überarbeiten. Jeder Teilprozeß kann ⫺ etwa bei auftretenden Schwierigkeiten ⫺ abgebrochen werden, und der Textproduzent kann in vorangehende Teilprozesse zurückkehren (→ Art. 85). Um näheren Aufschluß über die Teilprozesse im einzelnen und insbesondere über die Übergänge zwischen Teilprozessen zu gewinnen, wird mit der Methode des lauten Denkens gearbeitet: die Versuchspersonen werden aufgefordert, alles, was ihnen während des Textproduzierens ‘in den Kopf kommt’, zu verbalisieren. Als großen Vorteil dieses Vorgehens ⫺ im Gegensatz zu allen am Produkt Text orientierten Analysen ⫺ sehen Hayes & Flower an, daß sich durch das Verbalisieren aller Überlegungen beim Planen, Übertragen und Überarbeiten für den Forscher ⫺ im Bild gesprochen ⫺ ein Fenster auftut, das zumindest Teile des information processing beim Textproduzieren zugänglich werden läßt. In der methodologischen Auseinandersetzung um die Erhebung von Protokollen lauten Denkens und deren Analyse lassen sich zwei Etappen unterscheiden. In den frühen 80er Jahren war die Datenerhebung der Gegenstand der Auseinandersetzung: So erhobene Daten könnten nicht valide sein, da die Prozesse, in die sie Einblick geben sollen, nicht bewußt wären, und wenn sie es wären, würden sie durch die Erhebung verzerrt. Die Einwände stützten sich insbesondere auf Nisbett & Wilson (1977), die die Möglichkeiten des Verbalisierens allerdings nicht im Zusammenhang mit Textverarbeiten und Textproduzieren, sondern mit der Veränderung von Einstellungen, also in Zusammenhang mit einem affektiven Prozeß, untersucht hatten.

1000

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Demgegenüber kamen Ericson & Simon (1980) zu dem Ergebnis, daß die Einwände von Nisbett & Wilson zwar für eine Reihe von Fällen gelten: wenn Versuchspersonen z. B. im Nachhinein über ihre Überlegungen in bestimmten Phasen des Textproduzierens berichten sollen (retrospective reports) oder aber ihre Aufmerksamkeit auf einen Aspekt des Textproduzierens richten sollen, der in normalen Situationen unbeachtet bleibt (directed reports), nicht aber für sog. gleichzeitige verbale Protokolle. Nicht bestritten wird, daß sich aufgrund des Verbalisierens der Textproduktionsprozeß verlangsamt und die zugänglich werdenden Daten zweifellos unvollständig sind. Konsequentermaßen wird der wissenschaftliche Wert der Daten in erster Linie darin gesehen, daß sie vielfältige Erfahrungen zur Bildung von Hypothesen bereitstellen, die dann über Daten zu prüfen sind, die durch andere Verfahren zu erheben sind. (vgl. insgesamt: Huber & Mandl 1982; Frederiksen et al. 1989). Während Anfang der 80er Jahre der Wert der Datenerhebung zunächst strittig war und dann hinsichtlich des relativen Werts der Daten ein gewisser Konsens erreicht wurde, entwickelt sich in der zweiten Hälfte der 80er Jahre eine neue Auseinandersetzung, nun um die Analyse der Protokolle, d. h. ihre Codierung und Interpretation (Breuleux 1991). Das ist keineswegs überraschend, wenn man bedenkt, daß auf eine Seite Text bis zu zwanzig Seiten Protokoll kommen können. Breuleux (1991) folgt ⫺ formal gesehen ⫺ Hayes & Flower (1980): Textproduzieren ist ein Problemlöseprozeß. Er entfaltet diese Konzeption allerdings weit systematischer, wie sich das schon bei Scardamalia & Bereiter (1985) anbahnte: Problemlösen vollzieht sich in einem Problemraum, der durch Ausgangs- und Zielzustand einerseits und durch verschiedene Wissenszustände und auf ihnen operierende Operatoren andererseits gekennzeichnet ist. Protokolle lauten Denkens lassen sich einerseits unter dem Gesichtspunkt der Abfolge der Problemlöseschritte analysieren (Verhaltensgraph), zum anderen unter dem Gesichtspunkt der durchlaufenen Wissenszustände und der eingesetzten Operatoren, womit der Raum aufgedeckt wird, in dem sich der Problemlöser bewegt hat (individueller Problemraum). Ein solches Vorgehen bietet auch bei sog. schlecht-definierten Aufgaben, zu denen das Textproduzieren gehört ⫺ der Zielzustand ist nicht eindeutig fixiert und damit auch nicht die zu durchlau-

fenden Wissenszustände und einzusetzenden Operatoren ⫺, einen Zugang zum Zusammenspiel von Wissenszuständen und Operatoren beim Textproduzieren. Die wirkungsvollste Strategie beim Lösen von Problemen ist das Planen. Gerade bei schlecht-definierten Problemen ist der gesamte Problemlösungsprozeß von Planungsüberlegungen durchsetzt: Zunächst kommt es zu einer auf den ganzen Text bezogenen Zielsetzung hinsichtlich Inhalt und Zweck, wodurch die Textform weitgehend bestimmt wird, dann bei jedem Schritt der Realisation des Plans zu neuerlichen untergeordneten Planungen, etwa auf der Satzebene, bei der Verknüpfung von Sätzen usw., mit der Konsequenz, daß der Text planvoll entwickelt wird und sich die Zieldimensionen fortlaufend präzisieren (vgl. Dörner 1976: dialektische Probleme). Zu diesen Planungsüberlegungen findet die Forschung Zugang durch die Aufforderung an den Textproduzenten, möglichst alle Überlegungen zu verbalisieren. Die so entstehenden Protokolle lauten Denkens spiegeln eine Abfolge von über- und untergeordneten Zielformulierungen. Sie stellen für Breuleux einen ⫺ wenn auch aufgrund der speziellen Sprachproduktionsbedingungen reduzierten ⫺ Text auf einer zweiten Ebene dar, auf den die Methoden der Propositions- und der frame-Analyse (s.o.) in einer adaptierten Form angewendet werden können. Wenn das Verfahren voll entwickelt ist, wird es möglich sein, Textpartien dem Prozeß ihrer Genese, dargestellt durch die Interaktion eindeutig kategorisierter Wissenszustände und Denkhandlungen (Operatoren), gegenüberzustellen, aber auch Unterschiede im Vorgehen von sog. Schreibnovizen gegenüber sog. Schreibexperten weitergehend zu präzisieren. 2.3.3.2. Erhebung von Zeitmaßen beim Textproduzieren und deren Analyse Der Textproduktionsprozeß ist beobachtbar ⫺ das scheint in vielen Überlegungen zum Textproduktionsprozeß nicht gegenwärtig zu sein. Die zeitliche Erstreckung des Textproduktionsprozesses ist beobachtbar: die Abfolge der Produktionsphasen und Pausen. Es lassen sich unmittelbar Protokolle anfertigen oder zunächst eine Aufzeichnung mit Video vornehmen, d. h. es sind ‘harte’ Daten erzeugbar, die irgendetwas mit dem Prozeß des Textproduzierens zu tun haben müssen. Eine Beschäftigung mit der zeitlichen Erstreckung des Textproduktionsprozesses scheint umso

84. Methoden der Textproduktionsforschung

mehr geboten, als Textproduzenten bei der Erstellung des Textes bis zu 70% der Gesamtzeit pausieren (Gould 1980; Matsuhashi 1981, 1982). Die Schwierigkeit ist nur, wie die Daten interpretiert werden sollen, d. h. für welchen Aspekt des Textproduzierens Zeitdaten als Indikator dienen sollen. Flower & Hayes (1981) vermuteten Beziehungen zum Planen: komplexe globale Planung erfordert längere Pausen als lokale Planung. Matsuhashi (1982) vermutete einen Zusammenhang mit dem Aufgabentyp, ob z. B. ein berichtender oder ein generalisierend-darstellender Text zu erstellen ist; Eigler et al. (1990) untersuchten im Bezug auf die letztere Textart den Zusammenhang mit dem themenspezifischen Wissen. Insgesamt läßt sich feststellen, daß die Zeitdaten das Produkt Text (z. B. Abschnitte, Sätze, innerhalb von Sätzen) zu strukturieren erlauben, was durchaus aufschlußreich ist, aber die Brücke zur Erfassung der Prozesse ⫺ und dazu sollten die Zeitdaten ursprünglich dienen ⫺ noch nicht überzeugend geschlagen ist (insgesamt vgl. Eigler et al. 1990, 42 ff, 141 ff). 2.4. Methoden und theoretischer Kontext Wenn man der letzten Feststellung, daß Zeitdaten ⫺ deren unmittelbarer Zusammenhang mit dem Prozeß ins Auge springt ⫺ zu dessen Aufklärung nichts beitragen, nur ein wenig nachgeht, wird der Grund sichtbar: Daten und die Methoden, mit denen sie erhoben werden, führen zu Beschreibungen ⫺ verdoppeln die Wirklichkeit gleichsam ⫺, erklären aber nicht. Erklärungen leisten theoretische Entwürfe, die zu prüfen sind, und das geschieht über Daten, die als Indikatoren für die Konstrukte der Hypothesen dienen, die aus den theoretischen Entwürfen hergeleitet werden; ein solcher Entwurf fehlt im Fall der im Zusammenhang mit dem Textproduzieren erhobenen Zeitdaten. Entsprechend werden Verbalisierungen beim Textproduzieren (‘lautes Denken’) erst auf dem Hintergrund eines theoretischen Entwurfs (etwa eines flexibilisierten Phasenmodells Planen-ÜbertragenÜberarbeiten) produktiv; an sich reichern Protokolle lauten Denkens nur die Vorstellung an, was beim Textproduzieren alles geschieht. Im Gegensatz zu Zeitdaten müssen Verbalisierungen allerdings erst noch in Daten überführt werden, wenn sie einer weiteren Verarbeitung zugänglich werden sollen. Dieser Zusammenhang von Methoden und theoretischem Entwurf, in dessen Rahmen mittels bestimmter Methoden Daten erhoben

1001 werden, gilt in gleicher Weise für die produkt-orientierten Methoden: die Zerlegung von Texten in clauses und deren Überführung in Propositionen und schließlich die Aufdekkung von frame-Strukturen ist zwar an sich interessant, wird aber erst im Rahmen eines theoretischen Entwurfs für die Forschung relevant. Einen fortgeschrittenen theoretischen Entwurf bietet Frederiksen (Frederiksen 1986; Frederiksen et al. 1986; Frederiksen & Donin-Frederiksen 1991). Als erstes macht sich die Gruppe frei von fast durchgängig als selbstverständlich respektierten Beschränkungen: nämlich das Produzieren von Texten unabhängig vom Verstehen der Texte zu erforschen. Man fragt, durch welche Mittel des Textes ⫺ rückführbar jeweils auf Textproduzieren ⫺ der Textverarbeitungsprozeß, verstanden als Konstruktion des Textverständnisses gesteuert wird. Bezogen auf das Verstehen von Texten und das Produzieren von Texten werden dieselben Strukturen unterschieden: konzeptionelle, gedankliche Strukturen und sprachliche Strukturen des Textes. In Übereinstimmung mit der von McCutchen (1986) formulierten Maxime ⫺ the text is the trace of the process which produced it ⫺ wird dann nach den beide Strukturen vermittelnden Prozessen gefragt. Es ist offensichtlich, wie hier die bisher dominanten, jedoch weitgehend isolierten Betrachtungsweisen von Seiten der Linguistik und von Seiten der kognitiven Forschung verknüpft und aufeinanderbezogen werden (vgl. Abb. 84.5). Im einzelnen werden beim Textproduzieren unterschieden: das Konstruieren von conceptual frames, d. h. Ordnen des erinnerten Wissens durch und in frames erzählender, prozeduraler, problementwickelnder oder erklärender Art, das Überführen der so entwickelten Bedeutungsstruktur in Propositionen, deren Überführen in clauses und schließlich deren Sequenzierung mittels sprachlicher Mittel wie Textkohäsion oder topic-comment-Verknüpfungen ⫺ so kommt es zu einem Text, der ‘beobachtet’, d. h. analysiert werden kann. Zur Analyse der konzeptuellen und der sprachlichen Strukturen des Textes werden unterschiedliche Methoden eingesetzt (vgl. oben: Methode der Analyse von Propositionen, von frames). Vermittelt durch den Bezug auf einen übergreifenden theoretischen Entwurf wird es nicht nur möglich, Ergebnisse der Analyse der konzeptuellen Struktur (frames und Propositionen) und der sprachlichen Struktur (clauses und deren Verknüpfungen)

1002

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Conceptual Structure

Textual Structure

coherence constraints

CLAUSES encoding

frame constraints

PROPOSITIONS instantiating

FRAMES

staging

signalling

TEXT

textual constraints

Abb. 84.5: Frederiksens prozeßorientiertes Modell der Textstruktur

aufeinanderzubeziehen, sondern auch die vermittelnden Prozesse zu präzisieren. Durch den Bezug auf den übergreifenden theoretischen Entwurf wird es insbesondere möglich, die Ergebnisse der Analyse der sprachlichen Verknüpfungen als Wirkung der spezifischen Ausprägung der frame-Struktur und die vermittelnden Prozesse (signalling processes) als frame-gesteuert zu interpretieren. Das bedeutet: die Verknüpfung linguistischer und kognitiver Analysen im Rahmen eines theoretischen Entwurfs erschließt nicht nur das Produkt Text, sondern auch Aspekte der vermittelnden Prozesse. Prozesse zu erfassen ist nicht das Privileg sog. prozeß-orientierter Methoden, und auch so gewonnene Daten ermöglichen entsprechende Aussagen nicht unmittelbar, sondern werden ⫺ wie gezeigt ⫺ erst fruchtbar, wenn sie auf einen entsprechenden theoretischen Rahmen bezogen werden.

3.

Ausblick: Alternative Methoden oder/und Weiterentwicklung?

Das bisher analysierte Vorgehen läßt sich in seiner Tendenz zusammenfassen: man rekonstruiert die Wirklichkeit theoretisch und prüft die Angemessenheit der theoretischen Rekonstruktion empirisch. Bereiter & Scardamalia (1982) gehen anders vor. Sie fragen, was Kindern den Übergang vom Sprechen zum elementaren Textproduzieren und Heranwachsenden den zum entwickelten Textproduzieren so schwierig macht. Auf dem Hintergrund von Modellen für die unterschiedlichen Arten des Textproduzierens bilden sie Hypothesen hinsichtlich der für ein jeweils fortgeschritteneres Textproduzieren notwendigen Prozesse, versuchen dann durch Erleichtern

beim Textproduzieren (Methode des procedural facilitation) die ‘kritischen’ Teilprozesse aufzubauen und schließlich aus dem Wirksamwerden des dieser Art angeleiteten Lernens auf die Existenz der angenommenen Teilprozesse und zwar in der angenommenen Spezifität zurückzuschließen. Diese Art Entwicklungsmethodologie, angeregt durch Wygotskis Vorstellung von der Zone der nächsten Entwicklung, verknüpft in der Methode des procedural facilitation in einer sehr interessanten Weise didaktische und forschungsmethodologische Intentionen: Entwicklung wird durch Lehren, geleitet von theoretischen Annahmen, herausgefordert, und diese werden im Licht des Erfolgs beurteilt. In einem ganz anderen Sinn wird Entwicklung in der Methode der Textgenese thematisiert. Sie entstand am ‘Institute des Textes et Manuscrits Modernes’ des ‘Centre National de la Recherche Scientifique’. Im Umgang mit unterschiedlichen Fassungen eines literarischen Textes stellte sich die Frage, was eine linguistische Analyse der Textgenese, der verschiedenen Textphasen und Varianten, für eine Interpretation des Textes zu leisten und welche Einblicke sie mittelbar in die Prozesse, die zu dieser spezifischen Textgenese führten, zu eröffnen vermag (vgl. Gre´sillon 1987, → Art. 53). Die Analyse der Textgenese ⫺ als Methode betrachtet ⫺ weist auf eine Dimension des Textes hin, die in der Textproduktionsforschung durchweg ignoriert wird oder wegen der Kürze bzw. Trivialität der untersuchten Texte gar nicht zum Tragen kommen kann: daß an Texten ⫺ nicht nur an literarischen Texten, sondern auch an expositorischen Texten ⫺ über längere Zeiträume gearbeitet

84. Methoden der Textproduktionsforschung

wird. Texte dieser Art sind vorhanden (z. B. in Nachlässen von Wissenschaftlern), ja das Produzieren solcher Texte kann im Rahmen einer quasi-experimentiellen Versuchsanordnung kontrolliert werden. Eine Aufnahme der Anregungen, die sich aus den beiden skizzierten Ansätzen ergeben, würde den Horizont der Textproduktionsforschung stark erweitern. Zugleich bedarf es einer Weiterentwicklung der bisherigen Forschungspraxis. Auf der einen Seite herrscht eine strukturelle Betrachtung vor ⫺ am klarsten in der Gruppe um Frederiksen formuliert ⫺, die die unterschiedliche Repräsentation desselben semantischen Gehalts über die verschiedenen Ebenen beim Textproduzieren verfolgt, die Inhalte selbst aber, die ständig weiterverarbeitet werden, im Hintergrund läßt. Auf der anderen Seite interessiert ⫺ z. B. Hayes & Flower (1980), Scardamalia & Bereiter (1985, 1986) bis hin zu Eigler et al. (1990; in Vorb.) ⫺ wie Wissen für die Zwecke des Textproduzierens aktiviert bzw. aus externen Informationsquellen aufgesucht wird, wie es ausgewählt wird, und wie es schließlich inhaltlich in dem Text repräsentiert wird. Die Ansätze widersprechen sich nicht, sie sind eher komplementär ⫺ was aussteht, ist, sie aufeinanderzubeziehen, und das muß auf theoretischer Ebene geschehen. Dann aber dürfte es leichter fallen, die einzelnen Methoden nicht nur zu beschreiben, sondern auch ihre Funktion, bezogen auf den erweiterten theoretischen Bezugsrahmen, zu bestimmen.

4.

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Gunther Eigler, Freiburg (Deutschland)

1005

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß 1. 2. 3.

7.

Einleitung Schreiben als Problemlöseprozeß Vom Schreibenlernen zur Schreibkompetenz: Entwicklungspsychologische Aspekte Vom Gedanken zum Wort: Schreiben als Sprachproduktion Aufgabenspezifische Strategien der Textproduktion Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß: Grenzen der Modelle Literatur

1.

Einleitung

4. 5. 6.

Der Begriff Schreiben im engen Sinne bezeichnet die graphomotorischen Prozesse bei der Produktion schriftlicher Äußerungen (→ Art. 86). Eine weite Auslegung des Begriffs umfaßt dagegen alle übergeordneten Ebenen der Planung und Redaktion von Texten, insbesondere jene Aspekte, in denen sich Schreiben vom Sprechen unterscheidet (→ Art. 77). Für alle gezielten Aktivitäten, die Schreiben als mentalen und sprachlichen Prozeß charakterisieren, wurde der Begriff Textproduktion eingeführt. Gegenstand dieses Artikels sind Modelle der Textproduktion. Schreiben in diesem Sinne war zwar schon immer ein Thema der Rhetorik und Stilistik (z. B. Ueding 1985; Ueding & Steinbrink 1986; Ludwig 1988), die systematische Analyse und Modellierung der Textproduktion wurde jedoch erst in den letzten zwei Jahrzehnten geleistet. Zur Textproduktion gibt es eine Vielzahl heterogener Ansätze, was eine repräsentative Auswahl homogen gruppierter Modelle erschwert. Eine Klassifikation nach strukturellen Gesichtspunkten würde z. B. sequentielle Modelle umfassen, wie sie der didaktischen Konzeption „Planen ⫺ Schreiben ⫺ Überarbeiten“ zugrunde liegen (s. Ludwig 1989; Rohman 1965; Coe 1986), und solche Modelle, die den Schreibprozeß entlang der linguistischen Ebene aufteilen (z. B. Beaugrande 1984, s. u. Zf. 2 und 4). Modelle können auch nach ihrer Herkunft klassifiziert werden: Je nachdem, ob sie aus einer pädagogischen, linguistischen oder psychologischen Perspektive entwickelt wurden, bilden sich unterschiedliche Schwerpunkte für die Erkenntnisgewinnung heraus. Die zunehmende Grenzverwischung zwischen den Fächern läßt dieses Klassifikationskriterium allerdings wenig

sinnvoll erscheinen (vgl. Sammelband von Antos & Krings 1989). Aus diesen Gründen werden die im folgenden dargestellten Modelle nach inhaltlichen Schwerpunkten gruppiert: Schreiben als Problemlöseprozeß (Zf. 2), als Erwerb von Fähigkeitskomplexen (Zf. 3), als Sprachproduktion (Zf. 4) sowie aufgabenspezifische Modelle der Textproduktion (Zf. 5). Der Modellbegriff ist hierbei sehr weit gefaßt und wird auch auf einfache Verlaufsschemata oder geordnete Listen von Handlungen und Prozessen angewandt, die laut Forschung die Grundlage verschiedener Schreibaktivitäten bilden.

2.

Schreiben als Problemlöseprozeß

Beim derzeit populärsten Ansatz wird Schreiben als Problemlöseprozeß aufgefaßt (z. B. Hayes & Flower 1980; Beaugrande 1984; Eigler 1985, Eigler et al. 1990; Ludwig 1983; Molitor 1984). Dieser Ansatz löste die lang favorisierte Vorstellung des Schreibens als sequentiellem Prozeß mit eingrenzbaren, chronologisch angeordneten Produktionsstufen ab. In den linguistisch fundierten sequentiellen Schreibmodellen wurde der Schreibprozeß als Sequenz von meistens fünf aufeinander folgenden (und aufeinander aufbauenden) Stufen angesehen. Demnach werden beim Schreiben zunächst pragmatische, dann semantische, syntaktische und lexikalische Entscheidungen getroffen, die schließlich mittels Buchstabenketten graphisch umgesetzt werden (s. Abb. 85.1). Der Problemlöse-Ansatz dagegen betont die Interaktivität dieser Prozesse. Er verdankt seine Verbreitung im wesentlichen den Arbeiten von John Hayes und Linda Flower (z. B. Hayes & Flower 1979), die bei der Analyse handlungsbegleitender Verbalisationen von Autoren die klassischen Kategorien der Problemlöse-Literatur wiederfanden: die Formulierung von Zielen und Problemen, vorwärtsgerichtete Suchprozesse nach einer geeigneten Vorgehensweise (d. h. nach einer Sequenz von Operatoren) zur Erreichung dieser Ziele, sowie die Analyse und Bewertung der Lösungswege beim Auftreten von Schwierigkeiten im Lösungsvorgang.

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

pragmatische Ebene/Pläne

syntaktische Ebene/ Phrasenstruktur

semantische Ebene/ Bedeutung

lexikalische Ebene/ Wörter

phonemischgraphemische Ebene/Laute, Buchstaben

TEXTOBERFLÄCHE

AUTOR/SPRECHER

1006

Zeit

Abb. 85.1: Schema eines sequentiellen Schreibmodells (nach Beaugrande (1982 a, 236); übers. v. d. Verf.)

AUFGABENUMFELD Schreibauftrag

bisher geschriebene Textteile

- Thema - Adressat - Motivation

SCHREIBPROZESS FORMULIEREN

PLANEN Langzeitgedächtnis des Autors

Generieren

- Wissen zum Thema - Wissen über Adressat - vorhandene Pläne

ÜBERARBEITEN

Strukturieren

Lesen

Ziele setzen

Revidieren

KONTROLL-/STEUERUNGSINSTANZ

Abb. 85.2: Allgemeines Modell der Textproduktion (nach Hayes & Flower (1980, 11); übers. v. d. Verf.)

2.1.

Das Ur-Modell von Hayes & Flower 1980 2.1.1. Globalmodell Das Modell von Hayes & Flower 1980 erfüllt die Bedingungen eines Problemlösemodells weitgehend: Es nennt Ziele, Probleme, eine Sequenz von Operatoren und enthält einen Mechanismus zur Analyse und Bewertung des Lösungsvorgangs (s. Abb. 85.2). Die Schreibaufgabe stellt das Problem dar, dessen Lösung die erfolgreiche Durchführung verschiedener Prozesse erfordert, die als Zielhierarchie angegeben werden. Dabei handelt es sich um die aus der Schreibdidaktik bekannten Prozesse des Planens (planning), Formulierens (translating) und Überarbeitens (reviewing), deren Abfolge und Interaktion

durch eine Kontroll- und Steuerungsinstanz ⫺ dem sogenannten Monitor ⫺ reguliert werden. Jeder dieser Prozesse ist seinerseits in weitere Teilprozesse aufteilbar, die zur Erreichung entsprechender Teilziele notwendig sind (s. u. Zf. 2.1.2). Inhalt und Gestaltung sämtlicher Prozesse werden nach Hayes & Flower durch die Schreibsituation und das Langzeitgedächtnis des Schreibenden beeinflußt. Hier werden die Bedingungen, das notwendige Wissen, die Prüfkriterien und Einschränkungen genannt, denen der Schreibprozeß unterliegt. Das Modell setzt keine feste Abfolge zwischen den Prozessen voraus, und alle Prozesse können beliebig oft wiederholt werden. Mit dem Monitor, der nach bestimmten Regeln die Abfolge der Prozesse reguliert, wird die Schreib-

1007

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

strategie des Autors beschrieben. Formal hat diese Kontrollinstanz die Struktur eines Produktionssystems (Anderson 1980). Damit lassen sich kognitive Fertigkeiten als Regeln beschreiben, die angeben, unter welchen Bedingungen welche Handlungen bzw. Operationen erfolgen sollen. Ein Produktionssystem besitzt demnach zwei Seiten: auf der linken Seite die Bedingung, auf der rechten Seite die Aktion. Die Bedingung gibt an, unter welchen Umständen die Produktionsregel gilt, die Aktion bezeichnet die zu erfolgende Operation, wobei es sich um Verhaltensweisen (äußere Operationen) oder kognitive (innere) Operationen handeln kann. Aus den Produktionsregeln geht also hervor, unter welchen Bedingungen ein Prozeß eingeleitet bzw. abgebrochen wird, und wie die Interaktivität der Prozesse zustande kommt. Die Verlagerung des Arbeitsschwerpunktes geht nach Hayes & Flowers Auffassung mit zunehmender Fertigstellung des Textes eindeutig von links nach rechts, d. h. von der Inhaltsgenerierung zum Formulieren und Überarbeiten (s. u. Beaugrande 1980, Zf. 2.2.2). Unter dem Problemlöseparadigma wurden die Hauptprozesse des Schreibens von den Autoren teilweise weiter unterteilt. Als Beispiel werden im folgenden Abschnitt Planungsprozesse dargestellt. 2.1.2. Detailmodell: Planungsprozesse Planungsprozesse werden von Hayes & Flower in die Teilprozesse Generieren, Strukturieren und Zielsetzungen untergliedert. Mit dem Generierungsprozeß ist der Abruf relevanter Informationen aus dem Langzeitgedächtnis gemeint. Durch den Strukturierungsprozeß sollen aus den abgerufenen Informationen die nützlichsten ausgesucht und zu einem Plan zusammengestellt werden. Hierzu gehören außer den Inhalten, über die geschrieben werden soll, auch die Gütekriterien, nach denen man sich beim Schreiben richtet und die später zur Evaluation des Geschriebenen herangezogen werden. Die Gütekriterien zu identifizieren und festzuhalten ist die Funktion des Zielsetzungsprozesses. Generierungs- und Strukturierungsprozesse werden als Entscheidungsketten dargestellt, die in einem Flußdiagramm veranschaulicht sind. Als empirische Hinweise für diese Vorstellung nennen die Autoren längere Assoziationsketten in den Protokollen lauten Denken, und die Notizen (einzelne Inhalts-

wörter und Satzbruchstücke) in den schriftlichen Produkten. Abb. 85.3 zeigt exemplarisch den Verlauf eines Generierungsprozesses: Eine Idee oder ein Planungselement dient als Suchschema bei der Aktivierung des Gedächtnisses. Bei Fehlanzeige wird das aktuelle Suchschema durch ein Neues ersetzt. Ideen, die dem Suchschema entsprechen, werden evaluiert, wobei ein inneres Modell des Adressaten die Selektionsentscheidungen unterstützen kann, indem dessen potentielle Motive vom Autor vorweggenommen werden. „Gute“ Ideen werden eventuell niedergeschrieben, unbrauchbare Ideen führen u. U. zu einer Wiederholung des Generierungsprozesses mit dem gleichen oder einem neuen Suchschema.

mit aktuellem Suchschema Ideen abrufen

aktuelles Suchschema durch neues ersetzen mißlungen

gelungen ja

abgerufenes Element ⇒ aktuelles Suchschema

Evaluation des abgerufenen Elements

Ziel = Genererieren? nicht brauchbar

brauchbar

nein

aus

Notieren?

Notiz schreiben

ja

nein

Ziel = Generieren? nein

aus

Abb. 85.3: Der Prozeß der Inhaltsgenerierung (nach Hayes & Flower (1980, 13); übers. v. d. Verf.)

1008

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

In ähnlicher Form wird der Strukturierungsprozeß mit folgenden Arbeitsschritten veranschaulicht (Hayes & Flower 1980, 14): Die Notizen der Materialsammlung werden gesichtet und jedes brauchbare Element unter dem Gesichtspunkt bewertet, ob es als Anfangs- oder als Schlußpunkt in Frage kommt, in welchem Verhältnis es zu (einem) früher notierten Punkt(en) steht, ob es bereits Punkte gibt, die ihm über- bzw. untergeordnet werden können, und ob sich eine Kategorie daraus ableiten läßt (z. B. ein Teil eines Textschemas). Eine positive Bewertung nach einer dieser Kategorien führt zur entsprechenden Systematisierung der Notizen durch Einrükkung, Numerierung usw., so daß eine Gliederung entsteht. Jeder Punkt bekommt seinen Platz in einer chronologisch, hierarchisch oder gemischt aufgebauten Sequenz. Änderungen in der Gliederung sind durch Wiederholungen des Strukturierungsprozesses jederzeit möglich. Auch die Prozesse des Formulierens (s. u. Zf. 4) und des Revidierens (s. u. Zf. 5) wurden von Hayes & Flower in dieser Form veranschaulicht. 2.2. Parallel- und Weiterentwicklungen des Modells Das Modell von Hayes & Flower ist von verschiedenen Autoren kritisiert, aber auch weiterentwickelt oder auf spezifische Schreibstrategien adaptiert worden (s. u. Zf. 5). Eigler 1985 bemängelt, daß auf den Problemlösungscharakter des Schreibprozesses zwar häufig hingewiesen wird, dies aber im Gegensatz zu einer früheren Abhandlung der Autoren (Flower & Hayes 1977) nur wenig ausgeführt wird. Ferner zeige das Modell nur das Verhalten von Schreibexperten, ohne Anhaltspunkte zu bieten, wie aus Schreibnovizen Schreibexperten werden könnten. Auch die Hierarchisierung der Teilprozesse des Schreibens ist problematisch (Molitor 1984): So wird z. B. den Prozessen des Planens, des Formulierens und des Überarbeitens die gleiche Komplexitätsebene zugesprochen, während der Prozeß des Lesens als Teil des Überarbeitens sich auf der HierarchieEbene des Generierens befindet. Durch die fehlende Verbindung zwischen Formulieren und Überarbeiten wird die Rückwirkung verschiedener Zwischenprodukte des Schreibens auf Planungsprozesse nicht berücksichtigt. Ferner werden im Modell keine Auswirkungen des Schreibens auf den Bestand des Langzeitgedächtnisses in Betracht gezogen.

2.2.1. Ludwig (1983) Ludwig (1983) teilt die genannten Kritikpunkte und bemängelt die Reduktion des Schreibprozesses auf rein kognitive Prozesse sowie das Fehlen motorischer Handlungen und den untergeordneten Stellenwert der Motivation. Des weiteren könne der Text als Produkt des Schreibvorgangs nicht anderen Elementen der Schreibsituation gleichgestellt werden. Ludwigs Modellentwurf sieht insgesamt fünf Komponenten vor: eine motivationale Basis, konzeptionelle Prozesse, innersprachliche Prozesse, motorische Prozesse und redigierende Aktivitäten (s. Abb. 85.4). Die vollständige Ausführung dieser Komponenten führt zu einem komplexen Verlaufsdiagramm, das hier nicht vollständig, sondern nur in seinen Unterschieden zum Schema von Hayes & Flower erläutert werden kann. Abweichend von Hayes & Flower wird die motivationale Basis als Teil des Schreibprozesses i. e. S. gesehen und der entstehende Text aus den situativen Bedingungen des Aufgabenumfeldes ausgegliedert. Die Funktion der Komponente Monitor ist z. T. in der Anlage der konzeptionellen Prozesse wiederzufinden und erhält somit einen anderen Stellenwert. In einem detaillierteren Diagramm, das den Ablauf des Schreibprozesses unter Einbeziehung aller genannten Komponenten darstellt, taucht der Monitor in Form eines ist-soll-Vergleichs auf, der die konzeptionellen, innersprachlichen und motorischen Prozesse begleitet. Dabei liefern die konzeptionellen Prozesse zur Generierung der Zielvorstellungen die Soll-Kriterien. Die Prozesse der „gedanklichen Konzeption“ entsprechen der Planung, und die „innersprachlichen Prozesse“ der Durchführung, während die „redigierenden Aktivitäten“ die Kontrolle des gesamten Schreibprozesses betreffen. Neu in Ludwigs Modell sind die Komponenten Vorbereitungshandlungen (z. B. Wahl der Schreibwerkzeuge) und Kontextbedingungen, womit der entstehende Text gemeint ist. 2.2.2. Beaugrande (1984) Unabhängig von Hayes & Flower entwickelte auch Beaugrande ein Modell, das dem Problemlöseparadigma verhaftet ist (Beaugrande 1982a, 1984). Er befaßt sich nicht primär mit einzelnen Zwischenzielen wie Generieren oder Planen, sondern stellt diese als grundlegendere Abrufs- oder Strukturierungsprozesse auf verschiedenen Abstraktionsniveaus

1009

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß 1

MOTIVATIONALE BASIS

LANGZEITGEDÄCHTNIS Wissen - insbes. sprachliches Wissen - auch Wissen über Schreibpläne Fähigkeiten Beherrschung der motorischen Prozesse

S 2 KONZEPC TIONELLE H PROZESSE R E I B 3 INNERSPRACHLICHE P PROZESSE R O Z E S S 4 MOTORISCHE PROZESSE

VORBEREITUNGSHANDLUNGEN

5 REDIGIERENDE AKTIVITÄTEN

SITUATIVE BEDINGUNGEN

2.1 2.2 2.3 3.1 3.2 3.3

4.1

S C Zielsetzung H R Gedankliche Konzeption E Bildung eines Schreibplanes I B Textbildung P R Satzbildung O Z Berücksichtigung von E Konventionen der S geschriebenen Sprache S Bildung eines Bewegungsprogamms

4.2

Ausführung

4.3

Kontrolle

5.1

Lesen

5.2

Korrigieren

5.3

Emendieren

5.4

Redigieren

5.5

Neu fassen

KONTEXTBEDINGUNGEN Der entstehende Text

Anlaß, Leser, Ort, Zeit und weitere Umstände

Abb. 85.4: Die Struktur des Schreibprozesses (Ludwig 1983, 46)

LAUTE/BUCHSTABEN LINEARISIEREN PHRASEN LINEARISIEREN AUSDRUCK/VERBALISIERUNG KONZEPTIONELLE ENTWICKLUNG IDEEN ABRUFEN ZIELE SETZEN

LAUTE/BUCHSTABEN LINEARISIEREN PHRASEN LINEARISIEREN AUSDRUCK/VERBALISIERUNG KONZEPTIONELLE ENTWICKLUNG IDEEN ABRUFEN ZIELE SETZEN

Zeitachse

Abb. 85.5: Interaktives Parallel-Prozeß-Modell (nach Beaugrande (1984, 129); übers. v. d. Verf.)

dar, die grob den Ebenen des o. g. sequentiellen Modells entsprechen. In seinem interaktiven Parallell-Prozeß-Modell unterscheidet er Abrufprozesse (ideation), Linearisierungsprozesse (linearization) und Verbalisierungsprozesse (expression). Am Anfang beziehen diese Prozesse sich eher auf abstraktere Vorstellungen und Vorformen des Textes, wie z. B.

Pläne, Ziele und Inhalte, später verstärkt auf deren sprachliche Realisierung (z. B. Syntax, Grammatik und Wortwahl). Wie Abb. 85.5 zeigt, überlappen sich die Prozesse mit zeitlich verschobenen Dominanzen (s. Klammern am Rand), wobei die Verlagerung des Arbeitsschwerpunktes ⫺ ähnlich wie in den o. g. Modellen ⫺ von den konzeptionellen

1010

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Prozessen zu den Formulierungsprozessen (s. Zickzack-Kurve) übergeht. Durch die Vermischung von Prozessen und Produkten wird Beaugrandes Schema etwas undurchsichtig und ein Vergleich mit anderen Modellen erschwert. Sein Interesse gilt v. a. der Identifizierung jener Stellen im zeitlichen Verlauf des Produktionsprozesses, an denen die Informationsverarbeitungskapazität des Schreibenden besonders strapaziert wird (vgl. Schema in Beaugrande 1982 b, 129). Das Modell von Hayes & Flower stellt eine brauchbare Aufgabenanalyse für den Forscher und den Pädagogen dar. Es zeigt, was die kognitiven Prozesse beim Schreiben zu leisten haben, und wodurch diese Prozesse beeinflußt werden können. In pädagogischer Hinsicht kann das Modell genutzt werden, um Engpässe bei der kognitiven Beanspruchung des Schreibens vorherzusehen und so den Stellenwert einzelner Schreibübungen und Hilfen zu ermessen. Nach Ludwig 1983 können solche Modelle der Textproduktion auch als Folie für das Gebiet des Schriftspracherwerbs dienen, um die einzelnen Schritte in der Entwicklung der Schreibfähigkeit, sowie Defizite oder Fehlentwicklungen deutlich ablesen zu können (Ansätze dazu s. Zf. 3). Aufgabe der Forschung sei, auf der Grundlage solcher Schemata die einzelnen Komponenten zwecks Modellbildung empirisch zu überprüfen.

3.

Vom Schreibenlernen zur Schreibkompetenz: Entwicklungspsychologische Aspekte

In diesem Abschnitt werden entwicklungspsychologische Modelle beschrieben. In ihnen werden Komponenten des Schreibens benannt und isoliert, deren Erwerb den Kindern gemeinhin Schwierigkeiten bereitet und die pädagogisch unterstützt werden können. Im Mittelpunkt der Modelle steht die Komponente des Wissens (das Langzeitgedächtnis im Modell von Hayes & Flower): Fähigkeiten-Modelle veranschaulichen Entwicklung und Aufbau von Teilkompetenzen des Schreibens (Zf. 3.1) und Strategie-Modelle zeigen den unterschiedlichen Verlauf einzelner Teilprozesse des Schreibens während der Ontogenese aufgrund unterschiedlichen Wissens (Zf. 3.2).

3.1.

Ontogenese der Schreibkompetenz

3.1.1. Erwerb von Fähigkeitskomplexen Ein viel zitiertes Modell zur Differenzierung der Fähigkeiten, die man zum Erwerb vollständiger Schreibkompetenz braucht, stammt von Bereiter (1980). Der Begriff Schreibkompetenz ist in diesem Zusammenhang als vollausgereifte Schreibfähigkeit zu verstehen: die Fähigkeit, sich anderen schriftlich mitzuteilen und seine Gedanken schriftlich zu artikulieren und dabei weiterzuentwickeln. Bereiter beschreibt Fähigkeitskomplexe, die ein Kind nach und nach erwerben und integrieren muß, bevor es über eine solche Schreibkompetenz verfügt. Die in der folgenden Grafik dargestellten Fähigkeiten betreffen nicht nur den Schreibprozeß, sondern beziehen auch das Produkt ⫺ den Text ⫺ und den Leser mit ein (s. Abb. 85.6). Für die erste Stufe des assoziativen Schreibens (associative writing) müssen grundlegende prozeßbezogene Fähigkeiten wie „flüssige“ schriftliche Sprachproduktion und gezieltes Abrufen von Ideen durch kontrollierte Assoziationen vorhanden sein, wobei die Schreibkonventionen der Gesellschaft noch nicht befolgt werden müssen. Erst wenn als produktbezogene Fähigkeit die Beherrschung der Schreibkonventionen hinzukommt, wird mit dem Stadium des flüssigen Schreibens (performative writing) zumindest auf der mechanischen Ebene eine gewisse Vollendung der Schreibkompetenz erreicht. Die Fähigkeit, sich in andere hineinversetzen zu können ⫺ soziale Kognition ⫺ ermöglicht Leserbezogenheit und damit das kommunikative Schreiben (communicative writing). Zwei weitere produkt- und prozeßbezogene kognitive Fähigkeiten ergänzen die Schreibkompetenz zum reflektierten Schreiben (unified writing), wenn Texte unter literarischen und logischen Gesichtspunkten kompetent bewertet werden können, und zum epistemischen Schreiben (epistemic writing), wenn die Fähigkeit zur Selbstreflexion gegeben ist. Die beiden letztgenannten Fähigkeiten ermöglichen eine Weiterentwicklung der Gedanken beim Schreiben und unterstützen dadurch den Wissenserwerb. Schreiben wird eine „produktive Kraft“ (Eigler 1985, 309). Bereiter begründet sein Modell mit der Piaget-nahen Theorie von Pascual-Leone: Demnach werden Kinder aufgrund ihrer be-

1011

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß Fokus Leser

Produkt

soziale Kognition Schreibkonventionen

kommunikatives Schreiben flüssiges Schreiben

kritische Urteilsfähigkeit (literarisch/logisch)

assoziatives Schreiben

reflexives Denken

reflektiertes Schreiben

kontrollierte Assoziationen Prozeß

epistemisches Schreiben

schriftliche Sprachproduktion

Abb. 85.6: Fähigkeiten der Schreibkompetenz (nach Bereiter 1980; übers. v. d. Verf.)

grenzten Kapazität, Informationen zu verarbeiten, erst mit zunehmendem Alter fähig, mehrere Tätigkeiten gleichzeitig zu koordinieren (Pascual-Leone & Smith 1969). Experten gelingt dies erst durch die Automatisierung „niederer“ Prozesse. Sie erlaubt es, die Aufmerksamkeit zeitweise zwischen verschiedenen ranghöheren Tätigkeiten (im Sinne von Bereiters Modell) zu verteilen. Mit seinem Modell schafft Bereiter eine brauchbare Grundlage für die Entstehung und Erklärung von Schreibstrategien, die sich in der Ontogenese durch schrittweise Integration neuer Fähigkeitskomplexe immer wieder umstrukturieren und zu neuen Formen des Schreibens führen (s. u. Zf. 3.2, → Art. 100). 3.1.2. Entwicklung des Makrostrukturwissens Die Möglichkeit, ein fundiertes Modell über die Entwicklung der Schreibkompetenz zu erstellen, wird von Feilke & Augst (1989) skeptisch eingeschätzt. Sie weisen auf die theoretischen Probleme hin, die in Ermangelung einer empirisch begründeten Theorie des Schriftspracherwerbs und einer konsensfähigen entwicklungspsychologischen Theorie bereits bei der Bezeichnung des Gegenstandsbereiches entstünden: Ist der Schriftspracherwerb ein Reifungsprozeß in nuce, ein Erwerb im Sinne Chomskys, ein Sozialisationsprozeß, der lediglich internalisiert werden muß, oder ein vom Individuum ausgehender Lernprozeß? Angesichts dieser Lage definieren die Autoren Entwicklungsprozesse als Veränderungen von Wissensbeständen innerhalb des kognitiven Systems, zu deren Erklärung sie auch auf Handlungs- und Kommunikationsbedingun-

gen zurückgreifen. Die Ebenen des kognitiven Systems und die des kommunikativen Handelns werden in einem dritten Schritt zu generellen Annahmen über den Verlauf bzw. die Richtung der stattfindenden Prozesse in Beziehung gesetzt. An erster Stelle steht demnach ein kognitives Modell (s. Abb. 85.7). In Anlehnung an das Handlungsmodell von Leontjew 1975 unterscheiden Feilke & Augst zwischen drei Arten des Wissens, die in einer hierarchischen Verbindung stehen und eine Stufenfolge von bewußtem zum unbewußtem Wissen darstellen: Konzeptionswissen, Realisierungswissen und Routinewissen. Das Konzeptionswissen umfaßt Wissen über allgemeine Kommunikationsnormen und Weltwissen, d. h. Erfahrungswissen. An zweiter Stelle steht das Realisierungswissen, das davon handelt, wie man Konzeptionswissen sprachlich umsetzt. Zum Realisierungswissen, das bereits als sprachliches Wissen im engeren Sinne betrachtet werden kann, zählen linguistisches Makrostrukturwissen (z. B. Kenntnis von Planungstechniken) und linguistisches Mikrostrukturwissen (z. B. Beherrschung syntaktischer und lexikalischer Alternativen der Formulierung und der Verkettung von Propositionen). An dritter Stelle steht der am wenigsten bewußte Teil des Wissens, das Routinewissen. Es umfaßt nicht nur schriftsprachliche Routinen, sondern auch Planungsprozesse beim Formulieren und Strukturieren der Texte (s. Abb. 85.7). In Abb. 85.7 markieren die Pfeile zwischen den genannten Wissensbeständen Bezüge zwischen den unterschiedlichen Parametern linguistischer, kognitiver und sozial-kognitiver Entwicklungen, die die Hypothesenbildung erleichtern sollen. So bedeutet z. B. der Pfeil

1012

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Konzeptionswissen

Realisierungswissen

Kommunikationsnormenwissen

Linguistisches Makrostrukturwissen

-

- Planungstechniken - Textsortenwissen - Kohärenzprinzipien

Aufrichtigkeit Objektivität Verständlichkeit situative Angemessenheit

Weltwissen - frames - Prototypen - Begriffe

Linguistisches Mikrostrukturwissen

Routinewissen

- Schreibmotorik - Schreibung und Interpunktion - literale Routinen

- Kohäsionstechniken - Syntax - Lexik (Formulierung)

Abb. 85.7: Kognitives Modell für die Ontogenese der Schreibkompetenz (Feilke & Augst 1989, 302)

vom Weltwissen zum Mikrostrukturwissen, daß mit zunehmender Ausweitung und Komplexität des Weltwissens auch die Anforderungen an die linguistische Kompetenz steigen (vgl. Augst & Faigel 1986; Scardamalia 1982; Rickheit 1975). In diesem Modell wird der Entwicklung von Makrostrukturwissen als entwicklungspsychologischer Komponente im Erwerb schriftsprachlicher Fähigkeiten eine Schlüsselstellung eingeräumt. Da die Makrostruktur im kognitionspsychologischen Sinne die top-down-Prozesse der Textproduktion organisiert, beeinflußt sie alle anderen Merkmale des Textes. Weil sie den Schreibprozeß als Versuch auffassen, ein komplexes Kommunikationsproblem zu lösen, ergänzen Feilke & Augst (1989) das interaktive Modell der Wissenskomponenten durch ein semiotisch begründetes Modell kommunikativer Handlungsprobleme, die in einen expressiven, einen kognitiven und einen sozialen Problemraum aufgeteilt sind. Diese Dimensionen, bei denen das Bühlersche Organon-Modell Pate stand, werden durch einen weiteren, textuellen Problemraum ergänzt, in dem alle anderen Problemaspekte münden. Als Norm für die Textqualität gilt die Homogenität des gesamten Textes. Die expressive Problemdimension besagt, daß beim Schriftspracherwerb unter ontogenetischer Perspektive aufgrund steigender Affektdistanz eine zunehmende symbolische Durchstrukturierung der Ausdruckskommunikation erfolgt (Desymptomatisie-

rungsfähigkeit). Hinsichtlich der kognitiven Problemdimension müssen die Fähigkeiten zur Versprachlichung und zur Dekontextualisierung erworben werden, um das Fehlen des gemeinsamen Handlungskontextes zwischen Autor und Leser und den verstärkten Einfluß des semantischen Umfeldes im schriftlichen Text zu kompensieren. Als besonders schwierig betrachten Feilke und Augst die soziale Problemdimension. Schriftliche Kommunikation erfordert bzw. ermöglicht die Ausbildung einer Kontextualisierungskompetenz, weil alle möglichen Reaktionen des Adressaten in der Phantasie vorweggenommen und beim Schreiben bedacht werden müssen. Die textuelle Problemdimension besagt, daß die Anforderungen, die an „Texte“ im Sinne der Texttheorie gestellt werden, in jeder Modalität andere Probleme mit sich bringen. Hier wird die funktionale Integration aller angesprochenen Problemdimensionen verlangt, was vor allem durch das Verhältnis der genannten Probleme zueinander im Text und durch genuin schriftsprachlich bedingte Probleme ⫺ z. B. den richtigen „Startpunkt“ zu finden (vgl. Feilke 1988) ⫺ erschwert werden kann. Die hier erforderliche Planungskompetenz verlangt eine möglichst weit gehende geistige Vorwegnahme aller Handlungskonsequenzen im Schreiben (Reflexivierungskompetenz). Während Bereiters Modell teilweise auf eigenen Untersuchungen beruhte, handelt es sich bei Feilke & Augst um ein heuristisches

1013

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

Modell mit bestimmten Hypothesen zur Entwicklung der Schreibkompetenz. Es umfaßt allerdings nur kognitive und sprachliche Entwicklungsprozesse, die zur Lösung der angeführten kommunikativen Schreibhandlungsprobleme notwendig sind. Da Schreibenlernen meist als Erwerb einer kommunikativen Fähigkeit angesehen wird, ist dieser Fokus aus entwicklungspsychologischer Sicht sinnvoll. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Entwicklung des Makrostrukturwissens, dessen Ordnungsprinzipien bisher wenig in vergleichenden Untersuchungen erforscht wurden.

Eine Folge der Entwicklung der Wissenskomponente ist, daß Teilprozesse der Schreibhandlung je nach Alter in Abhängigkeit des Wissens unterschiedlich durchgeführt werden. Die nun folgenden Modelle über Schreibstrategien beschreiben den Umgang mit diesem Wissen. 3.2. Ontogenese von Schreibstrategien Mit Schreibstrategien unter entwicklungspsychologischem Aspekt befassen sich Scardamalia & Bereiter (1986, 1987) aus pädagogischen Gründen. Sie untersuchten die Schreibstrategien von Schülern und Studenten und

mentale Repräsentation der Aufgabe

Prozeß der Wissensreproduktion

inhaltsbezogenes Wissen

thematische Hinweise suchen

sprachbezogenes Wissen

Hinweise auf Textart suchen

Abrufschemata konstruieren

mit Hilfe der Suchschemata Inhalte aus dem Gedächtnis abrufen

Inhalte auf Angemessenheit prüfen angemessen

nicht angemessen

Schreiben (Notizen, Rohfassung usw.)

mentale Repräsentation des Textes aktualisieren

Abb. 85.8: Strategie der Wissensreproduktion (knowledge telling model) nach Scardamalia & Bereiter (1986, 62; übers. v. d. Verf.)

1014

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

versuchten diese durch procedural facilitation (einem Verfahren, das fehlerhafte oder unvollständige Denkprozesse durch strategische Hinweise unterstützen soll) weiterzuentwikkeln. Aus ihren Untersuchungen gingen zwei Strategie-Modelle hervor: Das sogenannte knowledge-telling-model, eine Strategie der bloßen Wiedergabe von Wissen beim Schreiben, und das knowledge-transforming-model, eine Schreibstrategie, bei der Wissen durch den Produktionsprozeß verändert wird. Formal gesehen entsprechen diese Modelle dem Problemlöseschema, mit Schwerpunkt auf dem Prozeß der Inhaltsgenerierung. Die Strategie der einfachen Wissensreproduktion (knowledge-telling-model), die Scardamalia & Bereiter als typische Herangehensweise bei Anfängern feststellten, ermöglicht es, Inhalte ohne übergreifende Planung oder Ziel, d. h. ohne die für das Schreiben üblichen Problemlöseverfahren, zu generieren (Bereiter & Scardamalia 1985). Dieses Verfahren läßt sich allerdings nur bei einer vertrauten Textart und einem ansprechenden Thema aufrechterhalten. Das inhaltliche und sprachliche Wissen zum Thema wird dabei praktisch ungefiltert assoziativ wiedergegeben (s. Abb. 85.8). Auf der Grundlage einer mentalen Repräsentation der Aufgabe werden thematische und textartspezifische Reizwörter zur Steuerung der Suchprozesse im Gedächtnis bestimmt. Diese Suchwörter aktivieren automatisch zusammenhängende Konzepte, im Sinne einer spreading activation (Anderson 1983). Bei dieser Art der Gedächtnisaktivierung werden im wesentlichen solche Informationen abgerufen, die dem unmittelbaren Kontext bzw. dem Aktivierungsursprung am nächsten sind. Dies führt im allgemeinen automatisch zu kohärenten Texten, ohne daß der Schreibende diese Kohärenz über Planungsprozesse sicherzustellen braucht. Jede geschriebene Texteinheit dient ihrerseits als weitere Quelle für themenbezogene und genrespezifische Reizwörter und verstärkt dadurch die Tendenz zur Kohärenz. Literarisches Wissen oder eine gezielte und bewußte Anwendung des Erfahrungswissens spielen für Kohärenz und Stil eines mit dieser Strategie produzierten Textes eine untergeordnete Rolle. Diese Schreibstrategie wird häufig bis ins Erwachsenenalter beibehalten und hat unübersehbare Vorteile: Sie erlaubt schnelles Schreiben und erfordert nicht wesentlich

mehr Planungs-, Zielsetzungs- und Überarbeitungsprozesse als ein normales Gespräch. Dadurch können Kinder ihre bereits weiterentwickelten Gesprächsführungsstrategien beim Schreiben übernehmen (Bereiter & Scardamalia 1982). Für die Plausibilität dieses Strategie-Modells sprechen laut Scardamalia & Bereiter zahlreiche Belege: Schreibanfänger „kleben“ an bekannten literarischen Textschemata und wählen die Inhalte ohne große Rücksicht auf den Adressaten (vgl. auch writer-based prose nach Flower 1979). Anzeichen von Zielsetzungs-, Planungs- oder anderen Problemlöseverhaltensweisen zeigen sie beim lauten Denken wie in Selbstberichten allenfalls auf lokaler Ebene. Die Anlaufzeit beim Schreiben ist daher unabhängig von der Schwierigkeit der Schreibaufgabe, und die Art Kohärenz der produzierten Texte entspricht den Erwartungen des Modells. Ähnliche Verhaltensweisen wurden beim Revidieren und den Lesestrategien von Schreibanfängern beobachtet (Bereiter & Scardamalia 1987). Im Unterschied zum Modell der Wissensreproduktion umfaßt das Modell der Wissenstransformation (knowledge-transforming-strategy) eine Reihe von Problemlöseverfahren. Diese fortgeschrittenere Schreibstrategie enthält das erstgenannte Modell noch als Unterprozeß im Rahmen eines komplexen Problemlösevorgangs. Es handelt sich also weder um eine Verfeinerung des ersten Modells noch um etwas völlig Neues. Bei der Strategie der Wissenstransformation wird im Sinne Newells (1980) von einem inhaltlichen und einem rhetorischen Problemraum ausgegangen. Der Begriff Problemraum bezeichnet eine abstrakte Einheit, bestehend aus verschiedenen Wissenszuständen und Operationen, die dazu dienen, einen Wissenszustand in einen nächsten zu überführen. Im vorliegenden Beispiel werden im inhaltlichen Problemraum die Überzeugungen des Schreibenden angenommen, die durch Operationen wie Schlußfolgern und Hypothesenbildung geändert werden können. Der rhetorische Problemraum seinerseits besteht aus Repräsentationen der rhetorischen Situation, d. h. des Textes und der damit verbundenen Ziele. Im rhetorischen Problemraum setzt man sich demnach mit der Beziehung zwischen Inhalten und den möglichen Reaktionen eines Lesers auseinander. Die Wissenszustände im rhetorischen Problemraum werden durch Operationen beeinflußt, mit denen der Text, die Ziele oder die

1015

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

mentale Repräsentation der Aufgabe

Problemanalyse, Zielsetzung inhaltsbezogenes Wissen

inhaltlicher Problemraum

sprachbezogenes Wissen

Problemübersetzung

rhetorischer Problemraum Problemübersetzung

Prozeß der Wissensreproduktion

Abb. 85.9: Modell der Wissenstransformation (knowledge-transforming-strategy) nach Scardamalia & Bereiter (1987, 146; übers. v. d. Verf.)

Beziehungen zwischen dem Text und den Zielen geändert werden. Wissenstransformation durch Schreiben findet im inhaltlichen Problemraum statt, wenn eine Wechselwirkung zwischen inhaltlichem und rhetorischem Problemraum gegeben ist. Dazu müssen Probleme aus dem rhetorischen Problemraum in Teilziele übersetzt werden, die im inhaltlichen Problemraum erfüllt werden, und umgekehrt. Ein Beispiel: Das rhetorische Problem, eine Aussage klar und überzeugend zu gestalten, kann in Teilziele wie „Generiere Beispiele für einen Begriff“, „Begründe eine Überzeugung“, „Generiere Zwischenschritte in einer Argumentationskette“ usw. übersetzt werden. Diese Operationen werden im inhaltlichen Problemraum durchgeführt und können ihrerseits auf die Überzeugungen des Schreibenden zurückwirken. Es entstehen z. B. neue Bezüge, neue Zusammenhänge oder Ziele für weiteres Nachdenken. So kann die dialektische Wechselwirkung zwischen beiden Problemräumen Inhalt und Struktur des Wissens verändern (s. Abb. 85.9). Obwohl die Art und Weise, wie Information aus dem Gedächtnis abgerufen wird, in

beiden Modellen gleich ist, gibt es einen Unterschied in der Qualität der aktivierten Gedächtnisinhalte. Bei der Strategie der Wissenstransformation spielen rhetorische Teilziele eine wesentlich größere Rolle. Infolgedessen passen die abgerufenen Informationen nicht nur zum Thema und zum Textgenre, sondern auch zu den konkreten Gegebenheiten der rhetorischen Situation. Mit wachsender Übung des Schreibenden ist den Texten äußerlich oft kaum noch anzumerken, mit welcher Strategie sie produziert wurden, doch bleibt als charakteristischer Unterschied das Fehlen oder Vorhandensein von strategisch formulierten Zielen und Teilzielen, von Suchkriterien sowie anderen Komponenten von Problemlöseprozessen. Die Tatsache, daß das Modell der Wissensreproduktion in dem fortgeschritteneren Modell integriert ist, läßt vermuten, daß es sich um allgemein gültige Entwicklungsstadien des Schreibens handelt. Wahrscheinlicher ist jedoch, daß jemand, der beim Schreiben über eine ausgeprägte Strategie der Wissenstransformation verfügt, bereits von Anfang an eine zielgerichtetere Einstellung zum Schreiben hatte (vgl. Britton 1982; Scardamalia &

1016

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Bereiter 1982). Die reifere Strategie ermöglicht es, zwischen verschiedenen Schreibaktivitäten abzuwechseln, deren Angemessenheit fortlaufend zu überprüfen und deren Ergebnisse zu koordinieren. Die Anwendung heuristischer Suchprozesse erhöht die Wahrscheinlichkeit, die richtigen Inhalte zu finden. Der Umgang mit unterschiedlichen mentalen Repräsentationen des Textes ermöglicht eine gezieltere und präzisere Denkarbeit: Wortwörtliche Repräsentationen, detaillierte Repräsentationen des Inhalts (Mikropropositionen) oder des allgemeinen Sinns (Makropropositionen), Repräsentationen der Struktur, der Probleme und Ziele erlauben eine genauere Fehlerdiagnostik und bieten Möglichkeiten für kreative Momente, die bei der Strategie der Wissensreproduktion nicht zu erwarten sind.

4.

Vom Gedanken zum Wort: Schreiben als Sprachproduktion

Historisch gesehen hat die Schreibforschung auch wesentliche Impulse aus der Forschung zur mündlichen Sprachproduktion erhalten. Es wurden daher auch einige Modelle entwikkelt, deren Komponenten aus den Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Sprechen und Schreiben hervorgehen. Im Mittelpunkt steht bei diesen Modellen die Umsetzung von (vermutlich) sprachfreien Gedanken in gesprochene und geschriebene Sprache. Im Vergleich zu den Modellen der vorausgegangenen Abschnitte, in denen der gesamte Schreibprozeß und die Komponente des Wissens modelliert wurden, handelt es sich hier um einen Versuch, den Prozeß des Formulierens mit seinen Planungsstufen zu beschreiben. Die hier entwickelten Modelle enthalten als Komponenten linguistische Kategorien, die die Stufen der Versprachlichung von Gedanken zu Sätzen sowie sprachlichstilistische Unterschiede zwischen Sprechen und Schreiben kennzeichnen sollen. Die derzeit umfassendste Modellierung der mündlichen Sprachproduktion bietet Levelt (1989 a, b). Sein Prozeßmodell umfaßt mehrere parallel arbeitende Module: eines für die konzeptuelle Verarbeitung (Inhaltsplanung und Überwachung der Sprachproduktionsprozesse), einen Formulator (grammatisches und phonologisches Enkodieren), einen Artikulator (Regulation der Sprechmotorik) und ein Modul für das Verstehen (Lauterkennung, phonologisches und grammatisches Decodie-

ren), das zur Überwachung der eigenen Sprachproduktion notwendig ist. Der Weg vom Gedanken zum Wort geht von der präverbalen Botschaft über die innere Sprache zur Äußerung, aus der zur Kontrolle die postverbale Botschaft heraus interpretiert wird. Levelt belegt den Verlauf dieser Prozesse vor allem mit einer Sammlung von Versprechern und dem Verhalten bei Selbstkorrekturen. Da Fehleranalysen von Texten auf die gleiche Vorgehensweise beim Prozeß der schriftlichen Formulierung hindeuten (s. Daiute 1986; Kaufer et al. 1986; Nystrand 1982 a; Hotopf 1983; Wiese 1989), spricht einiges dafür, die mündliche wie schriftliche Sprachoder Textproduktion zumindest unter dem Aspekt der „Verbalisierung“ (im Sinne der Versprachlichung sprachfreier Gedanken) als größtenteils gleichwertig anzusehen. In den bekannten Modellen wird dieser Weg im allgemeinen in drei Stufen eingeteilt (s. Zf. 4.1). Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Untersuchung der beobachtbaren Prozeßabläufe (s. Zf. 4.2). 4.1. Stufen der Sprachproduktion In diesem Abschnitt werden mehrere Modelle zur schriftlichen Sprachproduktion beschrieben und den Stufen mündlicher Sprachproduktion zum Vergleich gegenübergestellt. Ein typisches Stufenmodell der Sprachproduktion stammt von Herrmann & HoppeGraff (1989). Sie unterscheiden als Produktionsstufen eine Stufe der Wissensaktualisierung und -fokussierung, eine Stufe der Selektion und Linearisierung und eine Stufe der verbalen Enkodierung. (1) Als erstes wird demnach Wissen aktualisiert und fokussiert. Dabei unterliegt die Auswahl des aktualisierten Wissens verschiedenen Einschränkungen: den eigenen Erfahrungen und darauf aufbauenden Schlußfolgerungen, dem Handlungsziel und den Besonderheiten der Kommunikationssituation und des Kommunikationspartners. Diese, auf das Ziel und den Partner bezogene Thematik des Textes nennen die Autoren den Fokus bzw. die fokussierte gedankliche (informationale, kognitive, propositionale) Grundlage der Textproduktion. (2) Aus diesen fokussierten Informationen wird jedoch nur ein Teil verbalisiert (Inputselektion). Ferner werden die ausgewählten Fokuskomponenten in einer bestimmten Reihenfolge selegiert und sprachlich enkodiert (Inputlinearisierung). Zur Steuerung dieser

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

Prozesse nehmen die Autoren erlernte schematische Linearisierungsprozeduren an: So erfolgt die übliche Linearisierungsprozedur z. B. nach dem Prinzip, die Dinge in derjenigen Reihenfolge zu sagen oder zu schreiben, in der sie üblicherweise ablaufen oder sich zugetragen haben (vgl. auch Flammer et al. 1985). (3) Als nächstes muß dieser noch nicht sprachlich geformte Enkodier-Input in mündliche oder schriftliche Sprache übersetzt werden. Diese Enkodierprozesse werden in syntaktische, lexikalische und prosodische Enkodierung unterteilt. Die artikulatorische bzw. schreibmotorische Realisierung von Texten stellt eine weitere gesonderte Enkodierung dar. Als verbale Enkodierungsprozesse beim Schreiben gelten z. B. die Wahl der Wortstellung, die Pronominalisierung oder die Verwendung von Soziolekten. Da die verbale Enkodierung die letzte Planungsstufe in diesem Sprachproduktionsmodell bildet, ist sie funktional abhängig von den vorgeordneten Planungsprozessen der Fokussierung, Selektion und Linearisierung. Herrmann & Hoppe-Graff fassen den Prozeß der Sprachproduktion dennoch nicht als eine strikt lineare Abfolge von Prozeßstufen auf, sondern als parallele Prozesse auf verschiedenen Ebenen. Die Ergebnisse der aktuellen Planungsprozesse einer Ebene stellen gleichzeitig die „Daten“ für die Prozesse auf den anderen Stufen dar. Ein ähnliches dreistufiges Modell stammt von Chafe (1977, 1979). Er unterscheidet drei Arten von Textstrukturen: (1) eine semantische Struktur, d. h. Propositionen, die der Sprachproduzent auf der Grundlage seines Wissens von der Welt erstellt, (2) eine Oberflächenstruktur, womit eine linearisierte Konfiguration der semantischen Struktur gemeint ist, und (3) eine phonetische Struktur, die sich aus der Umsetzung der Oberflächenstruktur in Laute ergibt. Mit anderem Vokabular (vgl. auch Schlesinger 1977) werden hier im Prinzip die gleichen Zäsuren getroffen wie im Modell von Herrmann & Hoppe-Graff. Was letzteres auszeichnet, ist der Stellenwert des Kommunikationsziels und -partners beim Sprechen und Schreiben auf sämtlichen Produktionsstufen (vgl. auch u. Zf. 4.3). Ein weiteres Stufenmodell, bei dem der Begriff der Kohärenz im Mittelpunkt steht, wurde von Frederiksen (1977) entwickelt. Demnach muß der Schreibende auf vier Ebenen kommunikative Entscheidungen treffen, die den Text sowohl in seiner Tiefenstruktur

1017 als auch an seiner Oberfläche kohärent werden lassen. (1) Auf der „tiefsten“ Ebene der Textbedeutung wird propositionale und funktionale Kohärenz durch Festlegung der Aussagen und der illokutionären Funktionen des Textes erreicht. (2) Eine Ebene darüber werden durch geeignete Sequenzierung Entscheidungen zur thematischen Kohärenz getroffen. Bezogen auf den Formulierungsteil der Sprachproduktion spricht Frederiksen von Kohäsionsentscheidungen. (3) Kohäsionsentscheidungen dienen dazu, die auf der Bedeutungsebene vorhandene Kohärenz auch mit angemessenen Mitteln sprachlich zu signalisieren. (4) Die letzte Entscheidungsstufe soll schließlich die Kohäsion innerhalb der Sätze durch korrekte Anwendung grammatikalischer Regeln usw. gewährleisten. Die verschiedenen Stufen der Kohärenzentscheidungen zeigen, daß Kohärenz nicht nur eine Angelegenheit des Autors (Verknüpfungen im Wissen des Autors) oder des Textes (Verknüpfungen im Text) ist, sondern auch von der Beziehung zum Adressaten (Verknüpfungen zwischen der Textstruktur und den Wissensstrukturen des Adressaten) abhängt. Die hier beschriebenen Modelle unterscheiden nicht streng zwischen schriftlicher und mündlicher Sprachproduktion. Stellt man ihnen zum Vergleich Levelts Modell mündlicher Sprachproduktion gegenüber, so zeigen sich Unterschiede v. a. darin, daß in den Modellen der schriftlichen Sprachproduktion die konzeptuelle Ebene (d. h. die Erzeugung der präverbalen Botschaft nach Levelt) stärker ausgearbeitet ist, die Prozesse der Formulierung oder Verbalisierung sowie die Rolle des Lexikons dagegen wenig differenziert dargestellt werden. Diese weitgehende Übereinstimmung ist auf die wissenschaftliche Herkunft vieler Schreibforscher zurückzuführen und zeigt sich u. a. darin, daß die o. g. Autoren in der Regel beide Modalitäten in ihr Modell miteinbeziehen. 4.2. Prozeßablauf beim Formulieren Ein Modell des Formulierungsprozesses wurde von Hayes & Flower entsprechend ihres Problemlöse-Ansatzes als Flußdiagramm dargestellt (Hayes & Flower 1980, 1986). Startpunkt ist ein Element des Planes (z. B. ein Stichwort zur inhaltlichen Planung oder eine Selbstanweisung), das als Suchschema dient. Die Größe der Planungseinheiten beim Formulieren ⫺ ob Satzteile, ganze Sätze oder gar Abschnitte ⫺ hängt davon ab, wieviel Inhalte durch den betreffenden Gliederungs-

1018

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

punkt vermittelt werden sollen oder über welche Informationsverarbeitungskapazität der Schreibende verfügt. Als empirischen Beleg für die Planung eines Satzteiles werten Hayes & Flower die Suchprozesse, die in den Protokollen lauten Denkens als Selbstbefragungen und im Verhalten als wiederholtes Überlesen des Kontextes auftauchen. Diese Ausführungen sagen etwas über Planungs- und Evaluationsprozesse aus, wenig jedoch über die Stufen der eigentlichen Formulierungsprozesse. An anderer Stelle äußern sich Hayes & Flower etwas genauer zum Verhältnis von Plan und Text (Hayes & Flower 1986; Kaufer, Hayes & Flower 1986): Meist werden die Notizen der Inhaltsplanung stark detailliert und, falls notwendig, umfassende Generierungsprozesse zwischengeschaltet. Darüber hinaus besteht ein dialektisches Verhältnis zwischen Plan und Text, demzufolge die Reihenfolge der Themen im Plan häufig die Reihenfolge der entsprechenden Sätze im Text bestimmt, andererseits aber auch durch den Zwang zur Kohäsion beim Formulieren Unzulänglichkeiten im Plan aufgedeckt und korrigiert werden können (vgl. Zf. 3.2). Die Hauptschwierigkeit in den eben beschriebenen Modellen besteht darin, wie die Übersetzung von (vermutlich) averbalen Gedanken in sprachliche Äußerungen zu charakterisieren ist. Diese „Versprachlichung“ stellt vom schematheoretischen Standpunkt eine Reihe von Interpretationsakten der (vgl. Chafe 1977): Gedächtnisinhalte werden in chunks (Miller 1956) unterschiedlicher Größe und Struktur abgerufen. Diese subjektiven Einheiten entsprechen nicht unbedingt grammatischen Kategorien. Als psychologisch bedeutsam haben sich syntaktisch und längenmäßig eingrenzbare Satzeinheiten (phrasal units) und Bedeutungseinheiten (gists) erwiesen (Scardamalia & Paris 1985). Durch Schematisierungsprozesse werden diese chunks bei der Verbalisierung in kleinere (immer noch wesensgleiche) Einheiten aufgeteilt, die sich in Sätzen ausdrücken lassen. Als nächstes wird ein Rahmen (frame nach Minsky 1975) gewählt, der festlegt, welche Details (Personen, Objekte usw.) zur Charakterisierung der schematisierten Situation oder Ereignisse erwähnt werden sollen. Die Gedanken werden erst sprachlich spezifiziert, wenn durch Kategorisierungsprozesse die Wahl der Wörter erfolgt. Bis hierher lassen sich mühelos Parallelen zum Modell von Herrmann & Hoppe-Graff

ziehen. Die Frage, ob dann zuerst Wörter gewählt und zu Sätzen zusammengefügt werden, oder ob zuerst Satzschemata gewählt und mit Wörtern gefüllt werden, findet in keinem der genannten Modellen eine klare Antwort. Ergebnisse aus der mündlichen Sprachproduktion zeigen, daß es für beide Möglichkeiten Belege gibt (s. Beaugrande 1982 b). Im allgemeinen wird auf der Grundlage der generativen Grammatik angenommen, daß beim Sprechen Einheiten produziert werden, die einer clause entsprechen (z. B. Fodor, Bever & Garrett 1974). Die im Modell von Frederiksen genannten Kohäsionsentscheidungen tragen der Wörterselektion eine entscheidende Rolle zu. Beaugrande 1982 b schlägt eine Art Raster vor, nach dessen Parameter die Merkmale der in Frage kommenden Wörter im Hinblick auf bestimmte Kriterien abgetastet werden. Der Kontext bestimmt dabei die Merkmale, die ein Wort besitzen muß, um die Schwelle dieses Filters zu überschreiten. Bedenkt man allerdings die nachweislich hohe Interaktivität der verschiedenen Verbalisierungsstufen (s. Levelt 1989 a, b), so erweisen sich einige der eben genannten Fragen als hinfällig oder unbeantwortbar. 4.3. Strategien der Sprachproduktion Ausgehend von einem handlungstheoretischen Ansatz präsentieren van Dijk & Kintsch (1983) ein umfassendes StrategienModell, das die Wechselbeziehungen zwischen verschiedenen Planungs- und Evaluationsstrategien bei der Textproduktion zeigt. Es bezieht sich zwar auf die mündliche Sprachproduktion, läßt sich aber ohne weiteres auf die schriftliche Textproduktion übertragen. Eine grundsätzliche Eigenschaft dieses Ansatzes ist die Unterscheidung zwischen den beobachtbaren Merkmalen der Handlungen und den Merkmalen der kognitiven Repräsentation dieser Handlungen. Die Wirkungen oder Konsequenzen von Handlungen werden als Ziele bezeichnet; kognitiv werden Handlungen als Intentionen und Ziele als Zwecke repräsentiert. Kontrolliert werden die Ziele durch die Motivationen des Handelnden. Handlungszwecke sind ihrerseits von diesem motivationalen System abhängig. Die Sprachproduktion wird als Sequenz einzelner Handlungen und Makro-Handlungen (macroactions) betrachtet, deren kognitive Repräsentationen als Pläne bezeichnet werden. Um diese Pläne auf effektive Art umzusetzen, werden Strategien notwendig. Van Dijk & Kintsch gehen ausführlich auf prag-

1019

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß Wissen über Ziele, Vorlieben

Interessen & Werte

kontextspezifische Annahmen über Ziele, Vorlieben

soziales & kulturelles Wissen

Wissen über Kooperationsprinzipien, Überzeugungen & Interessen des Hörers

sozialer & kognitiver Kontext

Annahmen über das Erreichbare

Pläne für globale Sprechakte

Wissen über Interaktionen

Annahmen über Wirkungsmöglichkeiten verbaler Interaktion

pragmatische Analyse des aktuellen Kontextes

Strategien zur Evaluation der lokalen Durchführung

Pläne für lokale Sprechakte

Durchführung des Sprechakts

Wissen über Sprechakte & Einsatzbedingungen

Wissen über Strategien zur Verbindung vorausgegangene lokaler & globaler Pläne lokale Sprechakte & ihre Konsequenzen Gedächtnisrepräsentation vorausHypothesen gegangener zum aktuellen Sprechakte Zustand des Hörers

Abb. 85.10: Interaktion der Sprachproduktionsstrategien (nach van Dijk & Kintsch (1983, 271); übers. v. d. Verf.)

matische, semantische und Formulierungspläne ein und betonen dabei die gegenseitigen Abhängigkeiten der zur Realisierung der Pläne notwendigen Strategien (s. Abb. 85.10). In ihren Schlußfolgerungen zur Strategie der Satzproduktion stellen die Autoren z. B. fest, daß im Prinzip jede Information der semantischen oder pragmatischen Ebene an der Textoberfläche in Worten wiedergegeben werden kann und daß die Wörter der Oberflächenstruktur bereits gewählt werden können, bevor eine vollständige semantische oder pragmatische Repräsentation gebildet worden ist. Abb. 85.10 zeigt (von außen nach innen gehend), welche Wissensbestände durch welche aktuellen Annahmen und Analysen gefiltert und kombiniert werden, um zu den Plänen und Strategien zu führen, die dem Sprechakt zugrunde liegen. Das Modell bestätigt die Stufenmodelle des vorausgegangenen Abschnitts, was Art und Inhalt der Formulierungsebenen betrifft. Der Schwerpunkt liegt hier aber auf den Strategien zur Durchführung der Prozesse auf

den einzelnen Ebenen und zur Verbindung dieser Ebenen miteinander. Dabei werden auch Wissen und Motivation als die Komponenten angesprochen, aus denen die Elemente der kognitiven Repräsentationen bei Planung und Durchführung bezogen werden.

5.

Aufgabenspezifische Strategien der Textproduktion

Dieser heterogene Abschnitt umfaßt Modelle über aufgaben-, personen- und situationsspezifische Schreibstrategien. Vom Aufbauprinzip her sind sie dem Problemlöse-Ansatz verpflichtet und weisen in ihrer Konzeption meist keine grundlegend neuen Gedanken auf. Die folgenden Beispiele sollen jedoch zeigen, wie durch neue Gewichtungen, weitere Differenzierung und Rekombination einzelner Komponenten vorhandener Modelle Forschungsergebnisse zur Erklärung beobachteter Schreibphänome beitragen und interessante Fragestellungen für weitere Forschung gewonnen werden können.

1020

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

5.1. Aufgabenspezifische Adaptationen des Modells von Hayes & Flower 1980 Die Popularität eines Modells läßt sich u. a. an der Anzahl seiner aufgabenspezifischen Adaptationen bemessen. Am Beispiel fremdsprachlichen Schreibens und bibliographischen Abstrahierens wird dieser Punkt für das Modell von Hayes & Flower illustriert. 5.1.1. Fremdsprachliches Schreiben Mit dem Ziel, charakteristische Merkmale des fremdsprachlichen Schreibens in dynamisierter Form darzustellen, fügt Börner 1989 der Aufgabenumgebung und den im OriginalModell von Hayes & Flower genannten kognitiven Prozessen jene Aspekte hinzu, die sich zwangsläufig durch die Zwei- bzw. Mehrsprachigkeit des fremdsprachlichen Schreibens ergeben: Bei einer Nacherzählung z. B. den Ausgangstext in der Fremdsprache (L2), die Schreibprozesse teilweise in der Muttersprache (L1), oder in einer Interim-Sprache (Lint), den Zieltext in einer meist nicht perfekten Interim-Sprache (Lint) sowie den Korrekturtext des Lehrers in der korrekten Fremdsprache (L2). Ansonsten ändert Börner im wesentlichen nichts an der vorgegebenen Struktur des Originals. Wie im Original beschreibt Börner die Ebene der Schreibprozesse „Planen ⫺ Formulieren ⫺ Überarbeiten“ mit der kognitiven Kontrollinstanz „Monitor“, deren sprachliche Anteile vermutlich in der Interimsprache (Lint) erfolgen, wobei auch die Muttersprache (L1) mitbeteiligt sein kann. Bei der Darstellung der Schreibumgebung steht die bei der Schreibübung ablaufende Lehr-Lern-Interaktion im Mittelpunkt. Als zusätzliche Komponenten fügt Börner gezielte Hilfen zum Planen und Formulieren, sowie die Dreifachfolge von Intertexten der typischen fremdsprachlichen Schreibübung (Ausgangstext, Zieltext und Korrekturtext als Feedback) hinzu. Dem steht als weiterer Aspekt der Schreibumgebung die Ebene der lehrseitigen Planung, Steuerung und Bewertung der genannten Schreibprozesse gegenüber: Hier werden Befunde, Annahmen und Setzungen der fremdsprachlichen Schreibdidaktik als Einflußfaktoren auf den „Monitor“ und damit auf die Gestaltung der Schreibprozesse berücksichtigt. Die Adaptation auf fremdsprachliches Schreiben erforderte Hinzufügungen bei fast allen Komponenten des ursprünglichen Modells von Hayes & Flower, was angesichts der

allgegenwärtigen Rolle der Sprache nicht überrascht. Didaktische Progression, Vorgaben der Schreibziele, Aufgabengestaltung, die eigentlichen Schreibprozesse, Feedback und Bewertung erscheinen bei Börner als Kreislauf von Interaktionen zwischen Lehrer, Lernenden und Texten, die durch allgemeine Prinzipien des Schreibens, des Schreibenlernens und des Schreibenlehrens in der Fremdsprache gesteuert werden. 5.1.2. Bibliographisches Abstrahieren Die Genese von Inhaltsangaben für bibliographische Datenbanken (abstracting) zeichnet sich als Aufgabe dadurch aus, daß das übergreifende Ziel die Reduktion und Komprimierung von Inhalten ist. Diese Art der Textproduktion erfordert von seiten des Inhaltsanalytikers zwar viel implizites berufliches Wissen, doch stehen ihm auch spezialisierte Methoden zur Verfügung, die mit den mentalen Techniken der Textzusammenfassung verwandt sind (s. u. Zf. 5.2). Brigitte Endres-Niggemeyer (1989, 1993) entwickelte ein Modell, dessen Schwerpunkt auf der spezifischen Gestaltung des Generierungsprozesses liegt. Im Unterschied zum Ur-Modell von Hayes & Flower ist das Originaldokument, aus dem fast der gesamte Inhalt des zusammenfassenden Textes entnommen wird, Teil des Aufgabenumfelds. Der alles beherrschende Prozeß der Inhaltsgenerierung besteht paradoxerweise mehrheitlich aus Prozessen der Informationsreduktion: Zunächst eine Abfolge von scanning-Prozessen, um die anstehenden Dokumente nach Inhalt und Form zu klassifizieren, dann die Auswahl der zu lesenden Textabschnitte, die zusammengefaßt werden sollen. Endres-Niggemeyer greift an diesem Punkt auf die MakrostrukturTheorie von Kintsch & van Dijk 1978 zurück. Mit den anschließenden Planungsprozessen wird die Struktur des Zieltextes festgelegt. Mehrere Variablen kontrollieren diesen Teil der Schreibaufgabe: z. B. das angestrebte Produkt, der Adressat, die Arbeitsbedingungen, verfügbare Hilfen usw. Eine ähnliche aufgabenspezifische Präzisierung erfährt der Prozeß des Revidierens, der durch professionelle (nach Richtlinien und Normen festgelegte) Prüf- und Darstellungsverfahren ergänzt wird. Dieses Modell stellt den ersten Schritt zur Entwicklung eines Performanzmodells als Grundlage für ein implementierbares wissensbasiertes Expertensystem dar. Das Ziel der Simulationsfähigkeit erfordert eine diffe-

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

renziertere Darstellung der Wissenskomponenten und eine Umstrukturierung der Komponenten dahingehend, daß ein Prozeß als Steuerprogramm mit Input und Output sowie Wissensspeichern und Arbeitsstrukturen definiert wird. 5.2. Textreproduktion Textproduktionsprozesse wurden auf indirektem Wege auch als Nebenprodukte der Textrezeptionsforschung erfaßt. Die Wiedergabe eines gelesenen Textes in Form einer mündlichen oder schriftlichen Zusammenfassung stellt eine Standardmethode zur Überprüfung abgelaufener Verstehensprozesse dar. Diese Art der Textreproduktion als Sonderfall der Textproduktion verleitet zu der Annahme, daß bei der Reproduktion spiegelbildlich die gleichen Prozesse ablaufen wie beim Textverstehen. Ein Beispiel dafür ist das Schema von Schnotz, Ballstaedt & Mandl (1981). Im Mittelpunkt dieses Schemas stehen die reduktiven Prozesse, die beim Textverstehen die Information verdichten, sowie die konkretisierenden Prozesse bei der mündlichen oder schriftlichen Wiedergabe des gelesenen Textes, mit denen aus der verdichteten Bedeutungsstruktur wieder verbalisierbare Details abgeleitet werden. Das Schema basiert auf der Makrostrukturtheorie von van Dijk und veranschaulicht den konstruktiven Charakter von Verstehen und Reproduzieren (van Dijk 1977, 1980). Es zeigt, wie auf verschiedenen Ebenen der Texttiefenstruktur Informationen, um verstanden und eingeprägt zu werden, teils zusammengefaßt, teils durch leserspezifische Assoziationen ergänzt werden. Die ursprünglich zur Erklärung der Textrezeption intendierte Konstruktionstheorie entwickelte sich so zu einer Rekonstruktionstheorie der Textreproduktion (Rickheit & Strohner 1989). Danach wird bei der Reproduktion eines Textes aus den zur Verfügung stehenden Bruchstücken der Erinnerung ein sinnvolles Ganzes rekonstruiert (Weaver & Kintsch 1987). Eine wichtige Rolle in der Rekonstruktionstheorie spielen die Propositions-Theorie, die Schema-Theorie und deren Weiterentwicklung zur Script- und ScenarioTheorie sowie die Theorie der Geschichtengrammatik und die Theorie der Problemlösehandlungen im Text (Originalquellen und Überblick s. Ballstaedt et al. 1981, Rickheit & Strohner 1989). Mit diesen Theorien wird versucht, die Wissensbestände darzustellen, die zur Genese der Inhaltsstruktur des

1021 reproduzierten Textes führen und auch in den Stufenmodellen zur Sprachproduktion bereits erwähnt wurden. Bei dem Versuch, alle zur Zeit bekannten Teilaspekte der Textreproduktion in eine übergreifende Gesamttheorie zu integrieren, entwickelte Strohner (1987) ein Modell der Textreproduktion aus systemischer Sicht (s. Abb. 85.11). Als Bestandteile des Systems Textreproduktion nennt Strohner den Originaltext, den reproduzierten Text und den Reproduzenten mit seiner mentalen Repräsentation des Originaltextes. Umweltbedingungen, die das System beeinflussen können, sind das Textmedium und die Reproduktionsaufgabe. Als Verarbeitungsprozesse werden die drei Phasen der Textrezeption, der Textspeicherung und der Textrekonstruktion berücksichtigt. Der ontogenetische Erwerb der Fähigkeit zur Textreproduktion wird als Veränderung von Verarbeitungs- und Speicherfähigkeiten innerhalb des ungesteuerten wie auch des gesteuerten Spracherwerbs betrachtet. Im Sinne einer Integration vorhandener Forschungsergebnisse fassen Rickheit & Strohner bei der Erörterung ihrer Modellkomponenten zusammen, was z. Zt. zu jedem der genannten Punkte bekannt ist. Beim Originaltext sind es die Charakteristika, die zur besseren Reproduzierbarkeit beitragen (z. B. Zusammenfassungen und Überschriften). Beim Reproduzenten werden die Eigenschaften genannt, die die Qualität der Textrepräsentation über den Originaltext beeinflussen (z. B. sein Wissen, seine Emotionen und Fähigkeiten zur Selbstregulation). Von den Umweltbedingungen bestimmt die Art der Reproduktionsaufgabe (z. B. freie Textreproduktion, Wiedererkennung) Ausführlichkeit und Qualität der Textreproduktion. Zum Einfluß des Mediums wird auf die unterschiedlichen Verstehens- und Reproduktionsleistungen bei Lesen und Hören hingewiesen. Während der Textrezeption wird die Textrepräsentation nach dem Leitprinzip der Sinnkonstanz (Hörmann 1976) aufgebaut, wobei Inferenzen eine wichtige Rolle spielen (Rickheit, Schnotz & Strohner 1985). Im Zusammenhang mit der Textspeicherung, ohne die keine Textrezeption möglich wäre, gehen die Autoren auf die Bedingungen ein, die den Inhalt des Textes kurz- und langfristig einprägsam machen. Die Phase der Textrekonstruktion zeichnet sich gegenüber der Textrezeption und -speicherung vor allem durch stärkere kognitive Kontrollen, Bewußtseinsphänomene und Problemlösestrategien aus, die

1022

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Reproduktionsaufgabe

Medium

Reproduzent

Medium

Originaltext

Textrepräsentation

reproduzierter Text

Prozeßphasen Rezeption

Speicherung

Rekonstruktion

Erwerb

Abb. 85.11: Das System der Textreproduktion mit seinen Komponenten, den Umweltbedingungen, den Prozeßphasen und dem ontogenetischen Erwerb der Textreproduktion (Rickheit & Strohner 1989, 230)

die automatischen Verarbeitungsprozesse ergänzen. Der praktische Nutzen eines Modells der Textreproduktion (z. B. für die Entwicklung von Schulungsmaßnahmen oder Datenbanken in allen Bereichen der Kommunikation) ergibt sich aus der Rolle, die der Textreproduktion in der heutigen Informationsgesellschaft als Lern- und Lesestrategie und als wesentliches Mittel der Informationsspeicherung und -vermittlung zukommt. 5.3. Schreiben als Problemlöse-Strategie In den bisher beschriebenen Modellen ist ein Aspekt des Schreibens ⫺ seine Reflexivität und die damit verbundene „epistemische“ Funktion (s. Zf. 3.1.1 und 3.2) ⫺ noch nicht näher erläutert worden. Um den Schreibprozeß in diesem Sinne nicht nur als Problemlöseprozeß, sondern auch als Problemlösestrategie darzustellen, bedarf es eines Ansatzes, der die grundlegenderen Prozesse der Sprachproduktion und deren Auswirkungen auf kognitive Repräsentationen berücksichtigt. Der Gesichtspunkt der Repräsentation spielt in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle (vgl. Eigler et al. 1990): „Experten“ und „Novizen“ haben von vornherein ein unterschiedliches Problembewußtsein und damit eine unterschiedliche Repräsentation der Schreibaufgabe, mit der sie gerade konfrontiert werden (vgl. auch Chi, Glaser & Rees 1982). Die Ausführlichkeit und Komplexität dieser Repräsentation beeinflußt die Wahl der Schreib-

strategie. Ein weiterer Gesichtspunkt reflexiven bzw. epistemischen Schreibens liegt im Anteil und in der Qualität der beteiligten Leseprozesse. Untersuchungen belegen, daß das Wissen des Schreibenden bei der Textproduktion um so stärker verändert wird, je mehr eigene gedankliche Arbeit und eigene Formulierungen die Schreibarbeit verlangt (z. B. Durst 1987; Tierney et al. 1989; Newell & Winograd 1989; Molitor-Lübbert 1991). Der Text gewinnt für den weiteren Verlauf des Schreibprozesses zunehmend an Bedeutung, wenn er fortlaufend unter inhaltlichen und formalen Gesichtspunkten bewertet und das Ergebnis dieser Bewertung als Grundlage für die weitere inhaltliche Entwicklung des Textes genutzt wird. Diese Situation tritt meist beim Revidieren eines Textes auf sowie bei einer Schreibstrategie, die bewußt zur gedanklichen Klärung eingesetzt wird. Angesichts der großen Bedeutung, die der Textrevision in der Schreibforschung beigemessen wird (z. B. Faigley & Witte 1983; Fitzgerald 1987; Baurmann & Ludwig 1985; Witte 1985), wird im folgenden ein Modell dazu exemplarisch vorgestellt. Es stammt von Hayes et al. (1987) und besteht aus den Komponenten Prozesse und Wissen, deren Interaktion folgendermaßen beschrieben wird: Ausgangspunkt ist die Aufgabendefinition, eine Überprüfung des Textes vorzunehmen. Dazu und als Grundlage für die Evaluation des Textes werden Ziele, Kriterien und Vorgaben für Texte und Pläne aus dem Wissen

1023

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

herangezogen. Als Evaluationsprozesse dienen Leseprozesse mit verschiedenen Zielen: z. B. eine Repräsentation zum Verständnis des Textes, eine Repräsentation seiner Inkonsistenzen und ggf. eine Repräsentation über die Art der Inkonsistenzen aufzubauen. Je nach Art der durchgeführten Evaluation werden Inkonsistenzen entweder nur entdeckt oder diagnostiziert, und es kommt zu einer entsprechenden gut oder schlecht definierten Problemrepräsentation. Weitere Prozesse hängen von der gewählten Strategie ab (z. B. Probleme ignorieren oder vertagen, zwecks Diagnose weitersuchen, Text umschreiben, usw.). Ist der Beschluß zum Revidieren gefaßt, werden aus den verfügbaren stilistischen und inhaltlichen Ausdrucksmitteln diejenigen ausgewählt, mit denen eine Verbesserung des Textes im Hinblick auf ein spezifisches Ziel erwartet wird (s. Hayes et al. 1987, 185). Ein Teil der Textrevision ⫺ die Evaluation ⫺ kann auch in Anlehnung an das Handlungsmodell von Miller et al. 1960 (Test⫺ Operate⫺Test⫺Exit ⫽ TOTE) als Folge von Vergleichen, Diagnosen und Operationen skizziert werden (vgl. Bereiter & Scardamalia 1987, 266). Das sog. CDO-Modell (Compare⫺Diagnose⫺Operate) von Bereiter & Scardamalia macht den Vergleich zwischen der Intention und dem tatsächlich Geschriebenen zum Anhaltspunkt der Evaluation. Dieser Gedanke wird auch im folgenden Modell aufgegriffen und als Charakteristikum des reflexiven bzw. epistemischen

Schreibens herausgestellt (Molitor 1984, Molitor-Lübbert 1989a, b, 1991). Bei einem Modell des epistemischen Schreibens muß die zentrale Rolle der Interaktion zwischen Autor und Text, die über Leseprozesse abläuft, veranschaulicht werden (s. Abb. 85.12). Als Hauptkomponenten in diesem Schema stehen sich der Autor und der entstehende Text als gleichgewichtete „Partner“ gegenüber, die jeweils von bestimmten Kontextbedingungen beeinflußt sein können. Dazu gehört alles, was die Befindlichkeit und das Wissen des Autors sowie das Aussehen des Textes verändert. Ein zweiter zentraler Punkt dieses Schemas ist die Rolle der kognitiven Repräsentationen, die sowohl das Produkt als auch die Rohmaterie für die angeführten Prozesse darstellen. Die Struktur des Schemas impliziert, daß epistemisches Schreiben im schrittweisen Aufbau, dem Vergleich und der gegenseitigen Anpassung von kognitiven Repräsentationen (Intention und Realisation) besteht. Die Repräsentation des intendierten Textes bezeichnet jede Art von Vorstellung, die man beim Schreiben über Inhalte, Struktur oder Formulierungen des Textes bildet. Dementsprechend können die Planungseinheiten einzelne Wörter, ganze Sätze oder auch nur Ziele sein. Durch Produktionsprozesse (d. h. Prozesse der Sprachproduktion, s. u. Zf. 4) werden die Elemente dieser Repräsentation materialisiert, d. h. niedergeschrieben. Dadurch können sie gelesen und evaluiert werden. Durch

SCHREIBUMGEBUNG Planungsprozesse

Repräsentation des intendierten Textes

Evaluationsprozesse

Autor(en)/ Textproduzenten

Produktionsprozesse

Repräsentation des intendierten Textes

Leseprozesse

TEXT

Abb. 85.12: Schema eines reflexiven Schreibprozesses (MolitorLübbert 1991, 156)

1024

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Lesen der Notizen, Sätze oder Textabschnitte wird eine Repräsentation dessen aufgebaut, was tatsächlich geschrieben wurde: eine Repräsentation des realisierten Textes. An dieser Stelle wird deutlich, daß der Begriff Text alles Schriftliche umfaßt und sich nicht nur auf den ausformulierten Text im üblichen Sinn bezieht. Der intendierte Text kann auch als Plan, der realisierte Text als Produkt bezeichnet werden. Durch Evaluationsprozesse wird die Übereinstimmung zwischen Plan und Produkt geprüft. Dazu werden die beiden Repräsentationen unter bestimmten Urteilskriterien miteinander verglichen (im Sinne des CDO-Modells, s. o.). Das Ergebnis dieses Vergleichs liefert wiederum die Ziele für nachfolgende Planungsprozesse auf der gleichen oder einer anderen Ebene der Textproduktion. Es ist anzunehmen, daß Inhalt und Aussehen dieser kognitiven Repräsentationen vom momentanen Stadium der Textproduktion abhängen: z. B. Ziele festlegen, neue Inhalte generieren oder Formulieren eines Satzes in einem bestimmten Kontext. Schreibexperten sind nicht nur in der Lage, diese verschiedenen Repräsentationen aufzubauen, sondern auch miteinander zu verbinden. Das Schema wurde aus der Analyse von Schreibstrategien (Fallstudien) entwickelt (Molitor 1985). Es sollte als heuristisches Modell dazu anregen, den Einfluß verschiedener Kontextbedingungen (z. B. der Schreibaufgabe, des Schreibmediums oder des sozialen Kontextes) auf den Verlauf der jeweiligen Prozesse und Prozeßgruppen und den Inhalt der verschiedenen Repräsentationen zu untersuchen und darzustellen. Dabei können die einzelnen Komponenten entsprechend der Fragestellung spezifiziert und in Form von Detail-Modellen weiter ausgebaut werden. Aufbau und Komponenten des Schemas (z. B. die starke Gewichtung der Leseprozesse und die Rolle der kognitiven Repräsentationen) wurden so konzipiert, daß personen- und aufgabenspezifische Schreibstrategien an den Stellen gekennzeichnet werden können, die das Zusammenwirken von Kontextbedingungen, Schreibstrategie und Schreibprodukt deutlicher hervortreten lassen (vgl. Jakobs 1995, Molitor-Lübbert 1995).

6.

Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß: Grenzen der Modelle

Die dargestellten Modelle geben einen Eindruck von den derzeit geltenden Komponenten der Schreibforschung und sollen zeigen,

daß Schreiben nicht außerhalb seines sozialen und psychologischen Kontexts betrachtet werden kann (s. Bridwell & Beach 1985). Zusammenfassend kann gesagt werden, daß Schreiben nun als Tätigkeit aufgefaßt wird, die von zahlreichen sozialen und psychologischen Determinanten und Konsequenzen begleitet ist (vgl. die Sammelbände von Gregg & Steinberg 1980, Whiteman 1981; Nystrand 1982b, Martlew 1983, Mosenthal, Tamor & Walmsley 1983 und Antos & Krings 1989). Von den oben beschriebenen Modellen erweist sich keines bei genauerer Betrachtung als Universalmodell zur Erklärung oder auch nur Untersuchung aller bereits bekannten Phänomene des Schreibens. Die Modelle zeigen außerdem ⫺ jeweils aus unterschiedlichen Blickwinkeln ⫺, welche prekäre Angelegenheit die Unterscheidung von „mental“ und „sprachlich“ ist. Den eigentlichen Inhalt „mentaler Prozesse“ zu definieren fällt genauso schwer wie die Grenze zwischen „mental“ und „sprachlich“ festzulegen. Andererseits sprechen viele Schreibprobleme dafür, daß es einen solchen Übergang gibt. Für die allgemeine Validität der beschriebenen Modelle gibt es prinzipiell mehrere Möglichkeiten: (a) Ein Modell stellt eine Art Algorithmus über den Schreibprozeß dar. Als Beweis für seine Gültigkeit dient meist die Simulierbarkeit des betreffenden Prozesses auf dem Computer. Diese Art Modell ist am ehesten in den Detailmodellen von Hayes & Flower sowie deren Adaptation durch Endres-Niggemeyer (1989) gegeben, die damit auch ihre Nähe zur KI-Forschung dokumentiert. (b) Modelle können deskriptiv sein, indem sie beobachtete Phänomene kategorisieren und diese entsprechend dem Stand der Forschung in sinnvolle Zusammenhänge bringen. Dies trifft z. B. für die Modelle von Bereiter, Beaugrande und Rickheit & Strohner zu. (c) Die dritte und wahrscheinlich größte Gruppe umfaßt heuristische Modelle: Auch hier handelt es sich um deskriptive Modelle, doch mit theoretischer statt empirischer Grundlage. Phänomene werden durch hypothetisierte Systeme erklärt, die besagte Phänomene erzeugen könnten. Als Grundlage und Hypothesengenerator für weitere Forschung und ggf. auch zur Entwicklung von Schreibhilfen haben solche Modelle ihren Stellenwert als Konstrukte, die nicht nur Bekanntes wiedergeben, sondern Wegweiser für zukünftige Erkenntnisse darstellen.

85. Schreiben als mentaler und sprachlicher Prozeß

7.

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Schlesinger, J. M. 1977. Production and comprehension of utterances. Hillsdale.

Psychologie der Textverarbeitung: Ansätze, Befunde, Probleme. München, 108⫺167. Strohner, Hans. 1987. Systemtheorie des Textverstehens. Habilitationsschrift. Bielefeld. Tierney, R. J., Soter, A., O’Flavahan, J. F. & McGinley, W. 1989. The effects of reading and writing upon thinking critically. Reading Research Quarterly 24, 134⫺173. Ueding, Gerd. 1985. Rhetorik des Schreibens. Frankfurt/M. Ueding, Gerd. & Steinbrink, B. 1986. Grundriß der Rhetorik. Geschichte, Technik, Methode. Stuttgart. van Dijk, Teun A. 1977. Semantic macro-structures and knowledge frames in discourse comprehension. In: Just & Carpenter, 3⫺32. ⫺. 1980. Macrostructures. Hillsdale. van Dijk, Teun A. & Kintsch, Walter. 1983. Strategies of discourse comprehension. New York. Weaver, C. A. & Kintsch, Walter. 1987. Reconstruction in the recall of prose. Text 7, 165⫺180. Whiteman, Marcia F. 1981. Writing: The nature, development and teaching of written communication. Vol. 1: Variations in writing: Functional and linguistic-cultural differences. Hillsdale. Wiese, Richard. 1989. Psycholinguistik der Sprachproduktion. In: Antos & Krings, 197⫺219. Witte, Stephen P. 1985. Revising, composing theory, and research design. In: S. W. Freedman (ed.), The acquisition of written language: Response and revision. Norwood, 250⫺284.

Schnotz, Wolfgang, Ballstaedt, Steffen-P. & Mandl, Heinz. 1981. Kognitive Prozesse beim Zusammenfassen von Lehrtexten. In: H. Mandl (ed.). Zur

Sylvie Molitor-Lübbert, Karlsruhe (Deutschland)

Rickheit, Gert & Strohner, Hans. 1989. Textreproduktion. In: Antos & Krings, 220⫺256. Rohman, D. G. 1965. Pre-writing: The stage of discovery in the writing process. College Composition and Communication 31, 4. Rosenberg, S. (ed.). 1987. Advances in applied psycholinguistics. Vol. 2. Reading, writing, and language learning. Cambridge. Scardamalia, Marlene. 1982. How children cope with the cognitive demands of writing. In: C. H. Frederiksen, M. F. Whiteman & J. F. Dominic (ed.), Writing: The nature, development and teaching of written communication. Hillsdale. Scardamalia, Marlene & Bereiter, Carl. 1982. Assimilative processes in composition planning. Educational Psychologist, 17, 165⫺171. ⫺. 1986. Writing. In: R. F. Dillon & R. J. Sternberg (ed.), Cognition and instruction. New York, 59⫺81. ⫺. 1987. Knowledge telling and knowledge transforming in written composition. In: Rosenberg, 142⫺175. Scardamalia, Marlene & Paris, P. 1985. The function of explicit discourse knowledge in the development of text representations and composition strategies. Cognition and Instruction 2, 1⫺39.

86. Writing by hand 1. 2. 3. 4. 5.

Introduction Handwriting as motor activity Development and pathology of handwriting Computational approaches to handwriting References

1.

Introduction

The emphasis in the present chapter is on writing as an executive motor task. If we compare handwriting with other linguistic output modalities such as speech and typing, it has as its most typical feature that it involves very specific movement sequences. The characteristics of these movement patterns, their internal representation, organiza-

tion, and performance, are the main topic of this chapter. As will become clear, they are of great interest for their own sake, both from a scientific and a technological point of view, and from the viewpoint of education. This justifies their isolated study, detached from linguistic implications. Of course, the movements are highly constrained by the linguistic nature of the message and by the writing system used: For example, our alphabet prescribes only a limited number of movement patterns (corresponding to the 2x26 letter shapes), and orthography dictates that these can only appear in a limited number of ordered sequences. Conversely, it is also true that the linguistic processes during writing

86. Writing by hand Inferences in text processing (pp. 3⫺49). Amsterdam.

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86. Writing by hand 1. 2. 3. 4. 5.

Introduction Handwriting as motor activity Development and pathology of handwriting Computational approaches to handwriting References

1.

Introduction

The emphasis in the present chapter is on writing as an executive motor task. If we compare handwriting with other linguistic output modalities such as speech and typing, it has as its most typical feature that it involves very specific movement sequences. The characteristics of these movement patterns, their internal representation, organiza-

tion, and performance, are the main topic of this chapter. As will become clear, they are of great interest for their own sake, both from a scientific and a technological point of view, and from the viewpoint of education. This justifies their isolated study, detached from linguistic implications. Of course, the movements are highly constrained by the linguistic nature of the message and by the writing system used: For example, our alphabet prescribes only a limited number of movement patterns (corresponding to the 2x26 letter shapes), and orthography dictates that these can only appear in a limited number of ordered sequences. Conversely, it is also true that the linguistic processes during writing

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

are, amongst other things, constrained by the slowness of the writing movements. Incidentally, this low output rate is responsible for the fact that the interactions between abstract linguistic units (at the morpheme and word level or higher) and executive motor performance are in fact rather limited as compared to speech. Although linguistic slips of the pen do occur in appreciable numbers (cf. Ellis 1982), they seem to span fewer units than do slips of the tongue (cf. Fromkin 1973). Thus, without denying the reality of an interplay between linguistic and motor aspects of handwriting, we will concentrate on the latter. Furthermore, the emphasis will be on the processes involved in the production by adults of cursive script in the Latin alphabet.

2.

Handwriting as motor activity

2.1. Global description of the process The production of handwritten text may be regarded as a hierarchical process in which information is transformed from one stage to the next (cf. Ellis 1982). At the highest, semantic level, the writer first has the intention to write a certain message. At subsequent levels (syntax, lexicon), this message is transformed into words. Guided by the rules of orthography, the ordered sequences of letters (graphemes) are then looked up, following which the specific letter shapes, to be called allographs (e. g., cursive capital G and lowercase cursive o; to the definition of allographs I will return below: Section 2.4.), are selected. So far, it may be assumed that the stages involve discrete, abstract entities stored and operated upon as symbols. The abstract nature of allograph representations becomes intuitively evident by studying the similarity between small and large writing by the same writer under highly different spatial and anatomical conditions. Unlike many other motor tasks, the temporal characteristics of handwriting appear to be less clearly represented than the spatial ones (cf. 2.4.). This is probably due to the fact that handwriting serves a communicative function where the major constraint is legibility and general appearance of the finished, spatial product: In that case, the internal representation would be geared to these spatial requirements. Moreover, allographic representations must be assumed to be highly idiosyncratic. Allographs, whose internal representations thus have spatial and motor characteristics,

are subsequently transformed into continuous movement patterns. These patterns involve the spatio-temporal realization of target trajectories in terms of the strokes within letters as well as the connecting strokes between letters. In general, strokes are more or less slanted, relatively straight segments in the writing trajectory. Usually, they are performed in a ‘ballistic’ mode, so that they have a single peaked velocity profile. As such, they are delimited from adjacent strokes by loci of relatively high curvature and low velocity. Down strokes are less variable than up strokes (Maarse & Thomassen 1983). Strokes have an average duration of a tenth of a second. At the lower levels, the motor system is required to transform the two-dimensional internal represenation of stroke sequences into n-dimensional joint space, which involves the selection of an effector system (e. g., right hand and fingers; left upper and lower arm) and force levels that will result in the required trajectory. This implies solving the problems of ‘inverse kinematics’ and ‘inverse dynamics’. Lower still, the excitability pattern for the alpha and gamma motoneuron pools of the involved muscles must be specified. Finally, feedback loops must be effective to deal with the visual information on lineation and progress within and between letters and words, and on general features such as legibility. Also the proprioceptive feedback information must be processed, which informs the writer about friction parameters and irregularities in the writing plane (Schomaker 1990). Viewing handwriting as motor activity reveals many interesting features not only with respect to its research methodology, effector anatomy and movement organization, but also regarding topics such as development and pathology, and computational approaches. The remainder of the article is organized accordingly. In the present context the discussions on development and pathology can be no more than a few selected notes. More detail can, however, be obtained from the literature (Herrick 1960, 1963; Askov, Otto & Askov 1970; Peck, Askov & Fairchild 1980; Søvik 1975). Most of the publications have educational themes. This is similarly the case in a number of articles which appeared in the 1980s as reviewed more recently (Meulenbroek 1989; Wann, Wing & Søvik 1990). Outside this educational perspective, a number of edited volumes have appeared over the past decade, in which modelling, ex-

86. Writing by hand

perimental, human-performance and information-technology aspects of handwriting take a central place (Thomassen, Keuss & Van Galen 1984; Kao, Van Galen & Hoosain 1986; Plamondon, Suen & Simner 1989; Plamondon & Leedham 1990; Van Galen, Thomassen & Wing 1991; Van Galen & Stelmach 1993; Faure, Keuss, Lorette & Vinter 1994). The latter publications reflect the increased interest in the complex skill of handwriting as a cognitive and motor task with implications for information technology. 2.2. Research methodology The motoric features of the handwriting process may be studied in a variety of ways. One may, for instance, relate the writing trajectory to the muscle activity (EMG) of the arm or to the angles between the joints in shoulder, elbow, wrist and fingers. A relatively simple technique, however, which is currently used in most research departments, concerns recording the pen-point movements in the writing plane. Commercially available digitizers are suitable for this purpose. More importantly, such recording is in agreement with the notion that the motor system organizes the writing movements in terms of spatial trajectories in the writing plane rather than in joint space (Morasso 1986). A digitizer is a flat board which detects the pen position when it is in contact with the paper sheet on the digitizer (also the vertical projection of the lifted pen point onto the writing plane may be recorded, albeit with slightly reduced accuracy). The writing trace is sampled with great precision (0.2 mm) and at a high rate (100 Hz). Also axial pen pressure can be determined accurately with the same sampling frequency. Thus, spatial and dynamical features of the moving pen (the handwriting signal) are transmitted to the computer 100 times per second as a pair of planar (X,Y) coordinates and a pressure (Z) estimate. The electronic ballpoint pen is similar to a normal pen, except that in many older types a thin, flexible wire connects the top of its barrel to the far end of the digitizer. The most important data, which are obtained by analyzing the handwriting signal by means of special software, concern reaction time, movement duration, velocity, acceleration, jerk, size, curvature and pressure. For the technical details of the necessary signal processing, we refer to the literature (Teulings & Maarse 1984; Maarse 1987; Teulings 1988). The analysis of the dynamic or static

1029 writing trace often requires its segmentation into meaningful and manageable units. Larger units may be whole pages or lines of cursive script, which allow the derivation of highly informative, often idiosyncratic global features (Maarse, Schomaker & Teulings 1988). Smaller units, which have been shown to be relevant from a motor viewpoint (cf. 2.4.), are allographs and single strokes. 2.3. Anatomical aspects The human hand is an extremely complex and delicate mechanism, containing 27 bones and being controlled by over 40 muscles. As with many other skills, handwriting involves very strict requirements with respect to timing and force control. The movements of this complex wrist-hand-finger system must, moreover, be coordinated with those of the two segments of the arm. The required spatial constancy (e. g., of size, curvature, and slant), irrespective of finger, hand and arm extension and flexion across words and across the lines of a page, are only possible through the flexible use of the many degrees of freedom which characterize this system (Maarse, Schomaker & Thomassen 1986). The universal ability to achieve such constant movement patterns under varying circumstances with varying limb segments is known as motor equivalence (Bernstein 1967). Graphic space is, however, not entirely indifferent with respect to movement directions. Hand abductions and adductions (movements around the wrist joint) are generally more rapid than the movements of the fingers and the thumb holding the pen. The latter movements are more accurate, however. If the forearm of a righthanded person is placed at a normal angle of 135 degrees to the table edge, the hand preferably moves along an axis ‘upper-right to lower-left’; his or her fingers will tend to move along an axis ‘upper-left to lower-right’. These two subsystems ⫺ together responsible for producing the stroke and letter shapes ⫺ may be regarded as operating along an oblique set of orthogonal axes subtending a two-dimensional space. In a simplified fashion, graphic movements may be considered as being produced by these two orthogonal subsystems (Teulings, Thomassen & Maarse 1989). A third system, served by the forearm, is often assumed to be superimposed on these subsystems. It is held responsible for producing the much slower, but more steady rightward pro-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

gression movement within and between words. Certain mechanical and formal models of handwriting have indeed made these simplifying assumptions (e. g., Hollerbach 1981). As indicated above, however, a one-to-one mapping of the anatomy onto the geometry of handwriting does not exist. It may even be that two different orthogonal reference systems are employed, one anatomically based, as outlined above, and dependent on the angle between the forearm and the table edge; the other geometrically defined by the X and Y coordinates of the writing plane, and independent of posture (Meulenbroek & Thomassen 1991). The results of the above experiments by Maarse and Teulings and their colleagues suggest that a higher-order abstract system fully exploiting the motor-equivalence facility, and oriented on the latter geometrical coordinate system, is responsible for slant constancy. 2.4. Movement organization A number of features of the handwriting mechanisms and processes ⫺ as described above in global terms ⫺ have been defined more precisely in a multi-stage model (cf. Van Galen 1991; Thomassen & Van Galen 1992), in which successive stages for permanent storage, retrieval, movement preparation, and motor execution are postulated. It was shown (Wing, Lewis & Baddeley 1979) that the stored representations are allographic rather than graphemic. Moreover, it was argued (Van Galen & Teulings 1983) that such a storage only concerns the general ‘topological’ structure of the writing movements including the global sequence and direction of their strokes, while parameters like size and speed are most likely adjusted only at a later processing stage during execution. In the motor-control study of handwriting, the following terminology is usually adhered to. The term ‘grapheme’ denotes the whole class of handwriting symbols sharing the same (usually alphanumeric) identity (e. g., all letters *a+, i. e., A, A, a, a, etc.). The term ‘allograph’ is used for the sub-category of one grapheme sharing the same topological structure, such as the number of strokes, the global stroke orientations, and stroke joins (e. g., both A and A are allographs [A]). Finally, the term ‘graph’ indicates a particular instance of the graphic production of an allograph, which in handwriting always shows idiosyncrasies due to various contexts (it

would thus not only differentiate between A and A, but also between different realizations of A). It was found that spatial rather than temporal features of allographs are dominant in the permanently stored allograph representations. Furthermore, it appeared that allograph representations are also the units retrieved from long-term memory and kept ready in a short-term buffer store, awaiting further specification for their execution. According to the multi-stage model, this is finally achieved stroke-by-stroke in a ballistic mode by the multi-joint effector system which flexibly exploits its many degrees of freedom (Maarse, Schomaker & Thomassen 1986; Teulings, Thomassen & Van Galen 1983; Teulings 1988). The independence of form, scale and anatomy of handwriting has indeed been demonstrated (Van Galen & Teulings 1983; Meulenbroek & Van Galen 1988). Many of these experiments make use of the reaction-time (RT) paradigm. This is based on the notion that rapid actions like speech and handwriting require preliminary programming before their execution. It has long been known that the time needed for such programming increases with the number of units to be programmed. In the choice-RT (CRT) paradigm, the writer is at first uncertain as regards (certain aspects of) the message to be written. Full programming thus cannot start until the moment that the message is completely specified, which is the start of the CRT interval. The end of the interval occurs when the pen starts to move. In the simple RT paradigm, the writer is first informed of the message to be written, so that the movements can be programmed. The writer is not allowed to start, however, until a ‘go’ signal is presented. Comparing CRT with RT yields a time difference which provides information about the processes involved in programming the movements whose specification was given at the last moment in the CRT condition. For speech it was found (Sternberg, Monsell, Knoll & Wright 1978) that for each word in the sequence an extra amount of time is needed. These authors also established that words (not syllables), or ‘stress groups’, are the procesing units in speech. In handwriting it is more difficult to establish such relationships, probably due to its relatively low rate (less than 2 letters per second), which may allow writers, once they

86. Writing by hand

have started the sequence, to program subsequent letters during the execution of earlier ones. It is very likely that this is the strategy for slow sequences. Hulstijn & Van Galen (1988) present a series of experiments in which they show that unfamiliar graphemes do require a slightly longer programming time for each additional stroke, but that familiar allographs (such as the normal, overlearned letters of the alphabet) do not do so. In general, they found that the level of practice is a much stronger determinant of RT than the number of strokes. The suggestion by these authors is that practice determines the unit of processing rather than that there is a single unit of a fixed size which is processed at all levels of practice through all stages of processing. A modular model of handwriting has recently been presented by Van Galen (1991). In this model, handwriting is seen as the end product of several cooperating processing stages, each concerned with the preparation and monitoring of a different aspect of the task. Modules are engaged in hierarchical organization such that ‘higher’ ones are involved in the processing of more abstract aspects (e. g., orthography), whereas ‘lower’ ones are concerned with the production of motor output (e. g., force control). Handwriting is a parallel task in spite of these serial stages. The modular architecture of the handwriting process enables modules higher in the hierarchy to operate at a longer distance (in time) from real-time execution, simultaneously with the further specification of the details of current output segments by the lower-order processors (see also Thomassen & Van Galen 1992).

3.

Development and pathology of handwriting

3.1. Some notes on development In an earlier publication we have discussed some aspects of the development of handwriting (Thomassen & Teulings, 1983). The basis for mastering most motor skills can be characterized fairly well in terms of the development of the separate abilities required for their performance. In the case of handwriting, however, such a characteristic is less straightforward, probably because handwriting is an extremely complex perceptual-motor task, whose form and acquisition are, moreover, highly culture dependent. Like in

1031 other skills, there is an early stage in which non-motor (i. e., verbal, visual, spatial) abilities play a part, and a later stage in which a factor specific to the motor aspects of writing themselves becomes particularly important. Aiming, wrist-finger speed and arm-hand steadiness are separate abilities whose development does contribute to proficiency in writing. But there is a need for more specificity here. The complex task of handwriting encompasses numerous subskills associated with body attitude, pen grip, hand posture, small finger-and-thumb movements and hand movements producing the regularly sized and slanted lines, curves, angular transitions and loops which form the letters, and arm movements required for the production of connected words and lines of cursive script. All these motor subskills must be learned through practice and training. Firstly, the development from proximal (shoulder, arm) to distal (hand, fingers) movement control is essential for obtaining the required precision. Moreover, advanced skills must be mastered with respect to the visual analysis of percieved letter shapes, to the monitoring of produced trajectories, to the kinaesthetic differentiation between correct and incorrect attempts, and to the integration of visual and motor information (eyehand coordination). Most of these subskills start developing before the age of formal handwriting instruction. During this development, fairly regular relationships are found between age and the ability to copy specific geometrical patterns: circles at 3, squares at 4, triangles at 5, and diamonds at 7 years (cf. Connolly 1968). A special aspect of handwriting, often associated with development, is the phenomenon of handedness. Largely due to the present-day acceptance of lefthandedness in the educational system, the number of lefthanded writers has increased enormously, from a few percent in the 1950s to over 10 percent in the 1990s. Hand dominance develops relatively early (before age 5; Ingram 1975) but to different degrees in different children. Handedness is determined by cerebral function, but it is not clear what the neural circuitry of lefthanded as opposed to righthanded persons is. Righthanders often (though not always) have a dominant left hemisphere, while lefthanders must be categorized either as contralateral, with a dominant right hemisphere or as ipsilateral, with a dominant left hemisphere. Most righthanders

1032

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

from pathological data. Since space constraints do not allow a review of these models, the reader is referred to these publications. Also in recent years, attention has been paid to other than disturbed language-related functions as responsible for pathological handwriting. A decreased capacity for perception, imagery (Crary & Heilman 1988), spatial orientation, attention, or afferent deficits (Ellis & Young 1988) may also underly agraphia, dysgraphia and pagragraphias (Hecaen & Marcie 1974). Several recent studies on handwriting disturbances have used handwriting as a sensitive motor task to contrast specific diseases (e. g., cerebro-vascular accident vs Parkinsonism or Alzheimer) with respect to certain features of handwriting, such as the control of letter form vs letter size; or timing vs force (cf. Margolin & Wing 1983; Teulings & Stelmach 1992; Stelmach & Castiello 1992). Many of these studies have as a goal to establish the exact nature of the motor-control involvement of specific parts of the brain that are known to be damaged in these patient groups (e. g., the basal ganglia in Parkinsonians).

show a preference for drawing lines and making writing movements from left to right; most lefthanders show the opposite preference. This appears to indicate that there is a bias towards abduction (extension) of the arm-hand system when making these kinds of graphic movements (Van Sommers 1984). There may be intercultural differences, related to education in specific writing systems such as Arab and Hebrew, which have more and less consistent leftward directionalities, respectively. Apart from the fact that lefthanders often use a slightly different grip (e. g., to obtain an unobstructed view of the writing trace just made by the pen), they tend to adopt one of two different postures. One is to hold the pen pointing towards the top of the page and the elbow close to the body (non-inverted posture); the other is to hold the pen point towards the bottom of the page, pushing the elbow away from the body (inverted posture). A speculative theory (Levy & Reid 1976) associating these two postures with the above hemisphere-dominance distinction has now been abandoned. Speed and accuracy differences between the writing of lefthanders and righthanders, and between inverted and non-inverted lefthanders, are ⫺ if at all present ⫺ generally very small (cf. Meulenbroek 1989).

4.

3.2. Some notes on pathology The majority of the literature on the pathology of handwriting focusses on agraphias and dysgraphias as a function of damage to specific parts of the brain. Overviews and more detailed information on different forms of agraphia are available (Benson & Cummings 1985; Roeltgen 1985; Hecaen, Angelergues & Douzenis 1963; Ellis & Young 1988). When speech-related cortical areas are disturbed, writing will most likely suffer with speech. The earliest studies have indeed revealed such relationships. It was realized very soon, however, that visual and kinesthetic mechanisms also are involved in cortically determined handwriting deficits. More analytical, cognitive neuropsychological models of speech and handwriting including their pathologies have been proposed over the past decades (Lebrun 1976; Margolin 1984; Ellis & Young 1988; Roeltgen & Heilman 1985). These models are only indirectly concerned with localization issues; they aim primarily at the delimitation of processing modules. In fact, the stage model by Ellis (1982) to which we referred above (2.1.) was in part derived

4.1. Formal models of handwriting Formal models of handwriting specify which transformations must occur to achieve, ultimately, the appropriately timed muscle contractions. The principal motivation for such modelling is that, in the attempts to simulate cursive script, exactly the same problems will be met by the investigator as the ones that are solved in one way or another by the human writer. The aim of the more ambitious simulation models is to generate a novel, cursively written text in someone’s handwriting. The purpose is to do so on the basis of the idiosyncratic features of that person’s writing style, which are first derived from a sample of his or her handwriting. The ideal is to simulate not only the visible (spatial) characteristics, but also the (generalized) temporal features of this sample. Hollerbach (1981) proposed an oscillator model of handwriting. It assumes the existence of a single (narrow-banded) fundamental frequency generated by a mass-spring oscillator. Phase shifts between the two dimensions are supposed to determine the shapes

Computational approaches to handwriting

86. Writing by hand

of the allographs. This model makes only a few assumptions, but it requires a large number of parameter settings. It has not led to the simulation of an individual’s script. More recently, such a simulation model was developed (Schomaker, Thomassen & Teulings 1989) encompassing the computational stages which transform abstract, symbolic allograph representations at a higher, cognitive level into continuous movement specifications at a lower, spatio-temporal motor level. At the symbolic level, a grammar for the determination of the connections between cursive allographs specifies the form of the connecting strokes. At the quantitative level, a parsimoneous stroke parameterization in the velocity domain is used, which is based on planning in work space (not in joint space; Morasso 1986) and allocation of time to the movement components along the spatial axes. 4.2. Technological perspectives The computer recognition of connected cursive script appears to pose tremendous problems to computer scientists and experts in artificial intelligence (cf. Srihari & Bozinovic 1987). In recent years, therefore, the interest in modelling handwriting has grown in the prospect that understanding its production will provide the necessary support in the construction of a computer algorithm for the automatic recognition of cursive script (‘analysis by synthesis’). We saw that allograph representations must be assumed to be stored permanently in long-term motor memory as discrete, abstract representations and that their execution is achieved by continuous movements in a highly variable, context-sensitive fashion, i. e., under the influence of various types of constraints, including motor and biomechanical ones. Indeed, it may be stated in very general terms that the production of cursive script involves the concrete execution and concatenation of abstract symbols into connected words, whereas, logically and interestingly, the recognition of cursive script involves parsing these concatenations and identifying the resulting units as instances of the same invariant abstract symbols (cf. Thomassen, Teulings & Schomaker et al. 1988). This, however, frequently requires interaction since, e. g., segmentation often presupposes identification and vice versa. As yet there is no algorithm which is capable of reading unconstrained cursive script, but at least some priority is presently

1033 given to this research topic because it may result in a natural means of communication (via ‘electronic paper’) with computers, e. g., in situations where keyboards are inappropriate, but also in the office, e. g., for editing purposes. Obviously, online connections between the digitizer and the computer afford the real-time analysis of handwriting in which the extra information provided by the temporal characteristics of the writing trajectory can be exploited to support the recognition process. An additional feature is the application of our understanding of the motor processes in the recognition algorithm. A simple example may clarify this: Intended strokes have a duration exceeding 50 ms (their modal duration being 100 ms; cf. 2.1.), so that ‘strokes’ with a shorter duration can be discarded as non-intentional. It must be regarded impossible to equip a computer with the large amount of knowledge about the lexicon, the syntax, and the world in general that is needed ⫺ and actually used by human readers in top-down processing ⫺ to recognize cursive script. Therefore, the automatic recognition of handwriting is, much more than human recognition, in need of the very best data from the handwriting signal in order to optimize the bottom-up processes. One example of why topdown processes at word level cannot be expected to be a universal solution is the following. In every developing language, morphemes may legally be concatenated in many ways (this probably applies more to languages like German and Dutch than to English and French). In the case of novel combinations, the resulting word ⫺ acceptable as it may be ⫺ is not represented in the standard lexicon with which the algorithm is likely to be equipped. A modular handwriting recognition system based on properties of the human motor system has recently been developed (Schomaker & Teulings 1990). The system aims at providing the very best possible data ‘from the bottom up’, and at building hypotheses regarding allographs and words. It consists of six major modules, which are concerned with segmentation, normalization, featurevector computation for each stroke, construction of hypotheses regarding allographs and words, and supervised learning of the relation between stroke-vector sequences and allographs. To some extent, the system incorporates recently developed techniques involv-

1034

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ing the implementation of connectionist networks, through which the system is capable of learning and self organization.

5.

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Arnold J. W. M. Thomassen, Nijmegen (The Netherlands)

1036

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

87. Forensische Handschriftuntersuchung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

1.

Gegenstand der Forensischen Handschriftuntersuchung Physikalisch-technische Untersuchungsmethoden Konstanz und Variabilität der Handschrift Systematische Erhebung der graphischen Befunde Anforderungen an das Schriftmaterial und Informationen über Anknüpfungstatsachen Handschriftuntersuchungen im Rahmen von Urkundenprüfungen Identifizierung von Schrifturhebern Beweiswert von Schriftvergleichsgutachten Literatur

Gegenstand der Forensischen Handschriftuntersuchung

Gegenstand der Forensischen Handschriftuntersuchung (Schriftvergleichung) ist die Analyse handschriftlicher Erzeugnisse aller Art zur Prüfung ihrer Echtheit, zur Identifizierung des Schrifturhebers sowie zur Ermittlung ihrer sonstigen Entstehungsbedingungen. Forensische Handschriftuntersuchung ist zu unterscheiden von der Graphologie, die versucht, aus der Handschrift den Charakter des Schreibers zu deuten (→ Art. 88). Für die Schriftvergleichung ist es nicht von Belang, ob und inwieweit Handschriften charakterologisch gedeutet werden können. Sie ist weiterhin abzugrenzen gegenüber der Identifizierung von Maschinenschreibern (→ Art. 89). Die Forensische Handschriftuntersuchung ruht auf zwei Säulen: ⫺ Schrift stellt einerseits eine materielle Spur dar. Sie wird mit verschiedenartigen Schreibmitteln auf einen Schriftträger ⫺ meist Papier ⫺ gefertigt. Schreibmittel und Schriftträger werden Gegenstand physikalisch- und chemo-technischer Analysen. Insoweit stellt die Forensische Handschriftuntersuchung eine kriminalistische Disziplin dar. ⫺ Dem Schriftprodukt liegt eine sehr komplexe psychophysische Handlung zugrunde, das Schreiben (→ Art. 86). Insoweit ist die Forensischen Handschriftuntersuchung der Psychologie sowie angrenzender Bereiche der Neuropsychologie und -physiologie zuzuordnen. Aus dem interdisziplinären Charakter der Forensische Handschriftuntersuchung ergibt sich, daß sie unterschiedlichen Wissenschaftsbereichen zugeordnet wird, zuweilen aber

auch wissenschaftlich heimatlos geblieben ist. In der alten Bundesrepublik wurde und wird die Forensische Handschriftuntersuchung primär von Diplom-Psychologen wahrgenommen, und sie wird an einzelnen Psychologischen Lehrstühlen (Mannheim und Gießen) in Forschung und Lehre vertreten. In der ehemaligen DDR dagegen waren und sind Diplom-Kriminalisten als Schriftsachverständige tätig, und das Fach war an der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin in der Sektion Kriminalistik ⫺ bis zur ihrer Abwicklung im Jahre 1995 ⫺ vertreten (ähnlich wie in Österreich sowie in den Ländern des ehemaligen Ostblocks).

2.

Physikalisch-technische Untersuchungsmethoden

Jede fixierte Schreibleistung stellt als Urkunde i. w. S. eine materielle Spur dar. Insbesondere Schriftträger und Schreibmittel können Gegenstand vielfältiger physikalisch- und chemo-technischer Untersuchungen werden. Für den Schriftsachverständigen sind vor allem die zerstörungsfrei arbeitenden physikalisch-technischen Analyseverfahren von Bedeutung, während er in der Regel partiell zerstörende Methoden der Forensischen Chemie sowie sonstige spezielle Randfragen der Urkundenprüfung anderen Urkundenexperten überlassen sollte. (Umfassende Monographien zur Urkundenuntersuchung bieten Harrison 1966 und Hilton 1982; Überblicke vermitteln Groß-Geerds 1977 oder Pohl 1981). Eine Urkundenuntersuchung beginnt in der Regel mit einer allgemeinen Vorinspektion der Urkunde im visuellen Lichtbereich, durch die alle Besonderheiten der Urkunde erkannt werden sollen, auch wenn ihre Ursachen zuweilen nicht unmittelbar feststellbar sind. Die Voruntersuchung erfolgt mit bloßem Auge oder bei variierten Vergrößerungen und bei unterschiedlichen Beleuchtungsarten. Die Betrachtung der Urkundenoberfläche erfolgt zunächst im Auflicht. Im Streiflicht wird sodann die Urkundenoberfläche auf Unebenheiten und Unregelmäßigkeiten inspiziert (Rasurstellen, blinde Druckrillen etc.). Im Durchlicht endlich können Strukturen des Schriftträgers sowie der Schreibspur erkannt werden (unterschiedliche Transparenz des Schriftträgers, besondere Papier-

1037

87. Forensische Handschriftuntersuchung

strukturen, Auffälligkeiten des Strichbildes etc.). Die Verwendung von Farbfiltern ist dann angezeigt, wenn störende Einfärbungen ausgeblendet oder Kontraste verstärkt werden sollen. Erst nach dieser allgemeinen gründlichen Vorinspektion, die in aller Regel Vorder- und Rückseite der fraglichen Urkunden einbeziehen muß, sollten dann die weiteren technischen Hilfsmittel der Urkundenuntersuchung gezielt eingesetzt werden (Pfefferli 1989). Die Vorinspektion kann im sichtbaren Lichtbereich ergänzt werden durch Untersuchungen mit Laser-Licht. So können mit kurzwelligem Laser-Licht sichtbare Lumineszenzen angeregt werden, die eine zusätzliche Schreibmitteldifferenzierung gestatten (Zimmermann & Mooney 1988). Zu den klassischen Verfahren der Urkundenprüfung gehört die Untersuchung auf sichtbare Ultraviolett-Fluoreszenzen unter kurz- oder langwelligem UV-Licht. Sie läßt u. a. Schlüsse auf die Papierbeschaffenheit zu (Beimischung von Blankophoren), auf chemische Tilgungen und sonstige Manipulationen sowie auf Antragungen von Fremdmaterialien. Des weiteren aber können UV-Untersuchungen nützlich sein, wenn verblaßte oder kontrastarme Schriften zu untersuchen sind etc. Ein besonders breites Spektrum an Informationen über fragliche Urkunden bieten optische Untersuchungen im nicht-visuellen Lichtbereich. Einerseits wird das Reflexionsverhalten von Stoffen unter UV- und IRLicht untersucht und andererseits, ob das Material zu Lumineszenz angeregt wird. Dabei ist eine Umwandlung für die menschliche Wahrnehmung durch Bildwandler oder durch geeignete fotografische und Videosysteme erforderlich. Mit Hilfe dieser Methoden kann eine weitere Differenzierung zwischen Schreibmitteln möglich sein, können Vorzeichnungsspuren oder sonstige Manipulationen auf dem Schriftträger sichtbar gemacht werden, die mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen sind. Weiterhin können durch diese (und andere) Verfahren überstrichene oder partiell entfernte Schriftzeichen sowie Schriftzüge auf verkohltem oder verrottetem Papier wieder sichtbar gemacht werden, um nur die wichtigsten Einsatzmöglichkeiten zu nennen. In neuerer Zeit sind hierzu gut handhabbare Mehrzweckgeräte entwikkelt worden, die verschiedene UV- und IRUntersuchungsverfahren vereinen und durch Anwendung der Videotechnik eine rasche und zerstörungsfreie Urkundenuntersuchung gestatten (Richards 1977, Widmer 1991).

Für die meisten Fragestellungen von Urkundenprüfungen sind die herkömmlichen Verfahren der Lichtmikroskopie völlig ausreichend und adäquat. Lediglich für einige Spezialprobleme hat sich in zunehmendem Maße der Einsatz des Raster-ElektronenMikroskops bewährt. Dies gilt insbesondere für die Bestimmung der Reihenfolge von Strichkreuzungen. Wenn sich mit sonstigen Methoden nicht eindeutig feststellen läßt, welcher Strich oben liegt und damit als letzter gefertigt wurde, ist eine Untersuchung mit einem modernen Raster-Elektronen-Mikroskop die Methode der Wahl (Wäschle 1979, Tollkamp-Schierjott & Fackler 1989). Eine Überprüfung auf Deckungsgleichheit (Kongruenz von zwei oder mehr Schriftzügen begründet in der Regel den Verdacht einer Fälschung) kann in einfacher Weise durch paarweise Inspektion im Gegenlicht erfolgen. Mehr Komfort und zusätzliche Untersuchungsmöglichkeiten bieten jedoch Mehrkanal-Videovergleichsanlagen. Sie erlauben die elektronische Abbildung von Schriftzügen und damit die vielfältigen Möglichkeiten digitaler Bildverarbeitung. Es können dadurch nicht nur absolute Deckungsgleichheiten, sondern auch relative Entsprechungen (durch Veränderungen der vertikalen und horizontalen Ausdehnung) nachgewiesen werden (Philipp 1980). Zur Sicherung von blinden Druckrillen (Abdruck von Schreibleistungen, Stempeln und sonstigen Prägespuren auf Papieren etc., die als Schreibunterlage gedient haben) ist schon seit langem eine Reihe von Verfahren bekannt. Hierzu gehört die Fotografie im Streiflicht sowie die Auftragung von Graphit oder spezieller jodhaltiger Tinkturen. Nunmehr werden überwiegend elektrostatisch arbeitende Abbildungsverfahren (ESDA oder IMEDD; hierzu Koller 1994) verwendet, mit denen auch solche latenten Druckspuren gesichert werden, die sich im streifenden Licht nicht mehr erkennen lassen. Andererseits können aber im Streiflicht deutlich erkennbare Spuren nicht verwertbar sein. Auch im übrigen hängt die erfolgreiche Sicherung von Durchdruckspuren von einer Reihe von Randbedingungen ab (Foster & Morantz 1979).

3.

Konstanz und Variabilität der Handschrift

In der Handschrift hinterläßt der Schreiber eine Bewegungsspur, die in ihrer Eigentüm-

1038

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

lichkeit unter normalen Bedingungen interindividuell mehr oder minder unverwechselbar und intraindividuell relativ konstant ist. Diese Erfahrungstatsache ist uns auch aus dem Alltag geläufig. Der Empfänger eines Handschreibens einer ihm vertrauten Person erkennt diese in der Regel an ihrem Schriftbild unmittelbar wieder. Die Individualisierung der Handschrift beginnt schon bemerkenswert früh. Zu einer zunehmenden Verfestigung der Schreibgewohnheiten kommt es in der Regel beim Eintritt in das Erwachsenenalter. Meist bleibt dann die Schrift über einen längeren Zeitraum weitgehend konstant. Erst im höheren Alter können, bedingt durch graphomotorische Abbauerscheinungen, wieder deutlichere Schriftveränderungen auftreten (→Art. 86). Allgemein kann gesagt werden, daß durch Lernprozesse im weitesten Sinne sowie durch Anlagefaktoren sich im Individuum bestimmte Innervationsmuster für die Schreibbewegung bilden, die das normale Schriftbild bestimmen. Die Handschrift einer Person ist aber keineswegs schlechthin individuell. Gemeinsamkeiten zwischen Handschriften ergeben sich durch Gleichheit oder Ähnlichkeit der Schulvorlage, nach der die Schrift erlernt wurde, durch bewußte oder unbewußte Anlehnung der Schrift an den Schreibstil bestimmter Nationen, Schichten oder Einzelpersonen (z. B. Ehepartner) sowie an den jeweiligen „Zeitstil“ und weiter durch anatomische, physiologische und pathologische Ähnlichkeiten. Die Individualität der Handschrift ist jedoch nicht durch absolute Einmaligkeit bestimmter graphischer Einzelmerkmale gegeben. Solche können zwar einen mehr oder minder großen Seltenheitswert haben, niemals aber als singulär bezeichnet werden. Die Individualität einer Handschrift ist vielmehr durch die besondere Konfiguration ihrer graphischen Merkmale gegeben. Die Spezifität dieser Merkmalskonfiguration kann mehr oder minder groß sein. In Extremfällen kann sie so niedrig oder wegen des geringen Umfangs der Schriftzüge nur so ungenau bestimmbar sein, daß die Möglichkeit einer Forensischen Handschriftuntersuchung ausgeschlossen werden muß (Michel 1982). Die Handschrift einer Person ist aber auch nur relativ konstant. Konstanz ist in der Schrift niemals in dem Sinne gegeben, daß bei wortgleichen Schriftzügen Deckungsgleichheit zu erwarten ist. Vielmehr weist jede Schrift, auch unter gleichbleibenden Bedin-

gungen, eine mehr oder minder große Variabilität auf. Darüber hinaus kann sich die Handschrift durch eine ganze Reihe von äußeren und inneren Einflußgrößen dauerhaft oder aktuell ungewollt verändern, wobei meist nur begrenzt eine willkürliche Unterdrückung oder Kompensation solcher Veränderungstendenzen möglich ist. Man denke z. B. an verschiedene äußerliche Bedingungen beim Schreibvorgang, wie Funktionsmängel des Schreibgeräts, ungünstige Körperhaltung, fehlende oder unsichere Schreibunterlage, Schreiben mit klammen Fingern etc. Veränderungen des Schriftbildes können sich aber auch durch akute besondere psychische oder psychosomatische Bedingungen (wie Erregung oder Ermüdung), durch Alkohol-, Medikamenten- oder Drogeneinfluß sowie durch Verletzungen und Erkrankungen ergeben, die am Schreibprozeß beteiligten Teile des Nervensystems oder des ausführenden Organs betreffen (Michel 1982 mit vielen Literaturverweisen). Endlich aber ist es möglich, die Handschrift ⫺ innerhalb mehr oder minder weiter Grenzen ⫺ willkürlich zu verändern. Eine solche vorsätzliche Veränderung kann erfolgen, ⫺ um als Schrifturheber möglichst unerkannt zu bleiben (Schriftverstellung), ⫺ um die Schrift einer anderen Person zu imitieren (Schriftnachahmung), ⫺ mit sonstigen Vorsätzen, z. B. sorgfältig, „schön“ oder groß zu schreiben (willkürliche Schriftveränderung ohne Verstellungsoder Nachahmungsabsicht). Aus den vielfältigen Variabilitätsursachen ergeben sich die besonderen Problemstellungen der Forensischen Handschriftuntersuchung. Äußerliche Schriftähnlichkeit kann nicht nur durch Urheberidentität bedingt sein, sondern auch durch vorsätzliche Schriftnachahmung oder aber durch eine Schriftangleichung oder eine zufällige Ähnlichkeit mit der Schrift einer anderen Person. Äußerliche Schriftunähnlichkeit kann nicht nur auf unterschiedliche Urheberschaft zurückgehen, sondern auch darauf, daß ein und derselbe Schreiber der Urheber ist, aber unter verschiedenen Bedingungen geschrieben oder seine Schrift willkürlich verändert hat. Angesichts dieser Situation dürfte es ohne weiteres einsichtig sein, daß ein reiner Vergleich der Buchstabenformen, wie er bis zum ausgehenden vorigen Jahrhundert in der Schriftver-

87. Forensische Handschriftuntersuchung

gleichung dominierte, notwendigerweise in vielen Fällen zu Fehlschlüssen führen mußte und bekanntlich auch geführt hat.

4.

Systematische Erhebung der graphischen Befunde

Forensische Handschriftuntersuchung kann weder eine schematische Technik des Formenvergleichs sein, noch darf sie als mehr oder minder intuitive, objektiv nicht nachprüfbare „Kunst“ betrieben werden. Es muß vielmehr die Frage vorangestellt werden, wie dieses komplexe Gebilde Handschrift systematisch so analysiert werden kann, daß alle relevanten Aspekte erfaßt und in die Vergleichung einbezogen werden. Die Frage lautet also: Welches Minimum von einander (möglichst) nicht überschneidenden Dimensionen oder Komponenten muß eingeführt werden, um die vielfältigen graphischen Phänomene adäquat beschreiben oder messen zu können? Die schriftvergleichende Analyse muß also durch eine klar begründete Systematik in der Erfassung und Vergleichung des graphischen Repertoires gekennzeichnet sein. Bei einer schriftvergleichenden Untersuchung, die einer solchen Systematik entbehrt, wird sich der Sachverständige zu Recht dem Vorwurf ausgesetzt sehen, er habe willkürlich bestimmte Merkmale für seine Beweisführung herangezogen und ebenso willkürlich andere vernachlässigt. Ein solches allgemeines System zur Erfassung von Schriftmerkmalen wurde vom Verfasser vorgeschlagen (Michel 1982). Es hat sich einerseits als weitgehend universell anwendbar und andererseits als flexibel genug erwiesen, um den vielfältigen konkreten Fragestellungen Forensischer Handschriftuntersuchungen gerecht zu werden. Es bietet vor allem die Voraussetzung für eine vollständige und möglichst objektive Merkmalserfassung. Der Ansatz basiert insbesondere auf der zusammenfassenden Auswertung und Integration einer größeren Zahl von faktorenanalytischen Untersuchungen von Handschriftvariablen. Es ist hier nicht der Ort, allgemein Möglichkeiten und Grenzen der mathematischstatistischen Methode der Faktorenanalyse zu erörtern. Grundsätzlich aber erscheint sie geeignet, Schriftmerkmale nach funktionalen Einheiten zu ordnen. Die Grundfrage faktorenanalytischer Untersuchungen lautet nämlich: Wieviel Dimensionen oder Faktoren

1039 müssen eingeführt werden, um die Mannigfaltigkeit beobachteter interindividueller Merkmalsunterschiede darstellen zu können? Der Grundgedanke der Faktorenanalyse ist somit eine Weiterführung und der Versuch einer Präzisierung der Realitätserkenntnis im Alltag: Die große Fülle von Einzeleindrücken und Beziehungen zwischen ihnen wird zurückgeführt auf eine möglichst kleine Anzahl von Begriffen, die eine relativ einfache Ordnung der Vielfalt der Einzelheiten gestattet. Eine Aufteilung in neun graphische Grundkomponenten erwies sich als angemessen und zweckmäßig. Sie stellen einerseits umgrenzbare Funktionseinheiten der Schreibhandlung dar, andererseits aber weitgehend praktikable Analyseeinheiten. Sie seien im folgenden kurz allgemein gekennzeichnet: (1) Strichbeschaffenheit: Merkmale des Striches als dem „Urelement“ der Schrift; Sicherheit und Elastizität der Strichführung und ihre Störungen. (2) Druckgebung: Absolute Stärke der aufgewendeten Kraft beim Schreiben und ihre Verlaufseigenschaften (Druckrhythmus). (3) Bewegungsfluß: Strich- und Erfolgsgeschwindigkeit (Schreibweg und Schreibleistung pro Zeiteinheit) sowie Grad und Art der Verbundenheit, also Häufigkeit und Position der Unterbrechungen des Bewegungsflusses. (4) Bewegungsführung und Formgebung: Modifikation der erlernten Schulvorlage durch Bogen- und Linienzügigkeit sowie durch Tendenzen zur Reduktion und Amplifikation. (5) Bewegungsrichtung: Bewegungsentfaltung in den vier Schreibrichtungen; Bewegungsabläufe, Neigungswinkel und Zeilenführung. (6) Vertikale Ausdehnung: Absolute Schriftgröße und Größenproportionen. (7) Horizontale Ausdehnung: Buchstabenbreite und -abstände. (8) Vertikale Flächengliederung: Anordnung der Beschriftung in der Senkrechten (Oben- und Untenrand, Zeilenabstände und sonstige vertikale Gliederung). (9) Horizontale Flächengliederung: Anordnung der Beschriftung in der Waagerechten (Links- und Rechtsrand, Wortabstände und sonstige horizontale Flächengliederung). Die neun graphischen Grundkomponenten stellen allgemeine Analyseeinheiten innerhalb eines hierarchisch gegliederten Prozesses der Befunderhebung dar. Ausgehend von den einzelnen Grundkomponenten vollzieht sich

1040

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

die Merkmalserfassung in systematischen Schritten vom Allgemeinen zum Besonderen: ⫺ In einem ersten Schritt wird die allgemein kennzeichnende oder durchschnittliche Ausprägung eines Merkmals für die jeweilige Schrift ermittelt. ⫺ Weiterhin wird die allgemeine Variabilität oder Streuung des Merkmals bzw. Merkmalskomplexes erfaßt. ⫺ Sodann erfolgt die Erfassung der systematischen Variabilität, d. h. es wird untersucht, ob sich ganz bestimmte wiederkehrende Merkmalsvarianten feststellen lassen, z. B. im Gesamtverlauf, im Detailverlauf von Zeile, Wort oder Bewegungseinheit, in bestimmten Schreibzonen, Positionen oder einzelnen Schriftzügen. ⫺ Endlich ist die Merkmalsvariabilität als Funktion verschiedenartiger Schreibbedingungen zu beachten. Es ist also zu analysieren, ob und in welcher Weise bestimmte Varianten unter besonderen inneren oder äußeren Schreibbedingungen auftreten, wie z. B. bei größerer Eile oder unter Pharmakaeinfluß. Der Vorzug einer solchen, jeweils vom Allgemeinen zum Besonderen fortschreitenden Merkmalserfassung ist u. a. darin zu sehen, daß sie immer wieder dazu zwingt, die zu analysierende Schrift unter bestimmten Gesichtspunkten in ihrer Gesamtheit zu betrachten, ehe sich dann eine detailliertere Analyse anschließt. Durch die Integration der beiden Betrachtungsweisen (ganzheitliche Inspektion und Detailanalyse) wird einerseits ein ungerichtetes Sammeln von Merkmalsbesonderheiten vermieden, andererseits aber auch eine zu globale Betrachtungsweise.

5.

Anforderungen an das Schriftmaterial und Informationen über Anknüpfungstatsachen

Für die Durchführung einer wissenschaftlich vertretbaren Schriftuntersuchung müssen in der Regel vorliegen: ⫺ das Original des fraglichen Schriftstücks ⫺ quantitativ und qualitativ ausreichendes Vergleichsschriftmaterial ⫺ Informationen über die angeblichen oder tatsächlichen Entstehungsbedingungen der fraglichen Schreibleistung. Diese Grundforderungen sind in der einschlägigen Literatur seit langem einhellig und

mit großem Nachdruck vertreten worden. Trotzdem wird zuweilen immer noch mit unzureichendem Schriftmaterial gearbeitet, worin eine Hauptursache für Fehlgutachten zu sehen ist. Das Bundeskriminalamt (1977) hat die von Pfanne (1966) aufgestellten „Richtlinien für die Beschaffung von Schriftproben für die Handschriftenvergleichung“ in leicht modifizierter Form herausgegeben. Auf dem IV. Mannheimer Symposion für Schriftvergleichung 1979 wurden „Empfehlungen zur Material- und Informationsbeschaffung für Handschriftenvergleichungen in Zivilprozessen“ verabschiedet (Michel 1980). Diese Richtlinien bzw. Empfehlungen enthalten die Anforderungen, die aus fachlicher Sicht im Regelfall an das Schriftmaterial zu stellen sind. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: (1) Nach herrschender Lehrmeinung und in Übereinstimmung mit der einschlägigen Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, daß grundsätzlich nur das Original, nicht aber dessen Kopie (Durchschrift, Fotokopie oder sonstige Reproduktionen) eine verläßliche Grundlage für eine Forensische Handschriftuntersuchung bietet (Michel 1989, Bekedorf & Hecker 1989). Erscheinen in Ausnahmefällen auch anhand von Nicht-Originalen Aussagen möglich, so sind die Gründe hierfür ausdrücklich darzulegen. (2) Von jedem in Frage stehenden Schreiber soll unbefangen entstandenes Schriftmaterial (Spontanschriftproben) zur Verfügung stehen, das etwa zur gleichen Zeit wie die fragliche Schreibleistung entstanden ist. Es soll einen möglichst weiten Überblick über die Variationsbreite der jeweiligen Handschrift geben. Von besonderem Wert ist Schriftmaterial, das mit der fraglichen Schreibleistung in bezug auf Schriftsystem, Schreibgerät und Schriftträger direkt vergleichbar ist. (3) Darüber hinaus sollen in der Regel von den in Frage stehenden Personen gezielt Schriftproben abgenommen werden (Ad-hocSchriftproben). Durch solche Schriftproben soll vor allem Schriftmaterial gewonnen werden, das in der allgemeinen Schreibweise und den Entstehungsbedingungen der fraglichen Schreibleistung möglichst entspricht. (4) Bei fraglichen Unterschriften gelten die Richtlinien und Empfehlungen sinngemäß. Am wichtigsten ist in der Regel die Beschaffung einer möglichst großen Anzahl unbefangen entstandener Unterschriften des Namenseigners, die erforderlichenfalls durch ad hoc

87. Forensische Handschriftuntersuchung

geleistete Unterschriften ergänzt werden müssen. Der Untersuchungsauftrag an den Sachverständigen muß klar und eindeutig formuliert sein. In der Regel müssen ihm neben dem Schriftmaterial auch die Akten zur Verfügung gestellt werden, aus denen er die notwendigen sonstigen Informationen meist entnehmen kann. Auf jeden Fall muß er aber Informationen über den (mutmaßlichen) Zeitpunkt und die (vermuteten) Bedingungen der Entstehung der fraglichen Schreibleistung erhalten.

6.

Handschriftuntersuchungen im Rahmen von Urkundenprüfungen

6.1. Unterschriftsprüfung Die große Bedeutung der Unterschrift im Rechtsleben ist bekannt. Es verwundert daher nicht, daß der Schriftsachverständige besonders häufig zur Überprüfung der Echtheit von Unterschriften herangezogen wird. Für den Schriftsachverständigen differenziert sich die scheinbar einfache Alternative „Echt oder unecht?“ in vielfältiger Weise auf. Was dem unbefangenen Betrachter zunächst auffällt, ist eine mehr oder minder große Ähnlichkeit bzw. Unähnlichkeit zwischen einer fraglichen Namenszeichnung und den Vergleichsunterschriften des Namenseigners. Prima vista erkennbare Entsprechungen und Abweichungen sind für den Laien meist Kriterien für die Beurteilung fraglicher Unterschriften. Solche vordergründigen Ähnlichkeiten oder Unähnlichkeiten besagen jedoch für die Frage der Echtheit oder Unechtheit zunächst kaum etwas. Vielmehr kann es sich bei jedem Ähnlichkeitsgrad um eine echte oder um eine unechte Unterschrift handeln. Die schematische Übersicht in Abb. 87.1 macht deutlich, daß Alternativen echter und unechter Unterschriften auf allen Ähnlichkeitsniveaus anzutreffen sind. Selbstverständlich kann die schematische Übersicht nur in vereinfachter Form die wichtigsten Alternativen wiedergeben. Weiterhin ist anzumerken, daß einzelne Alternativen echter und unechter Unterschriften im Einzelfall nicht exakt entlang der Ähnlichkeitsachse eingeordnet werden können. Der Schriftsachverständige wird durch eine systematische schriftvergleichende Analyse zu untersuchen haben, inwieweit eine fragliche Unterschrift in den für die Schriftvergleichung relevanten graphischen Merkmalen innerhalb

1041 oder außerhalb der natürlichen Variationsbreite der Zeichnungsweise des Namenseigners liegt. Soweit sich dabei graphische Besonderheiten zeigen, wird weiterhin zu prüfen sein, ob diese mit den zu unterstellenden oder vermuteten Entstehungsbedingungen in Einklang gebracht werden können oder ob sie Zweifel an einer Urheberschaft des Namenseigners begründen. Selbstverständlich sind gerade bei Unterschriftsprüfungen vorhergehende physikalisch-technische Untersuchungen unerläßlich. Durch sie kann geprüft werden, ob es sich bei der fraglichen Unterschrift überhaupt um ein Original oder aber z. B. um eine durch Farbkopie hineinmontierte Namenszeichnung handelt. Weiterhin wird zu untersuchen sein, ob Symptome einer indirekten Pausfälschung festzustellen sind, wie z. B. abgelagerte Partikel von Pauspapier, Vorzeichnungsspuren aller Art sowie Spuren mechanischer oder chemischer Tilgungen. Wenn bestimmte authentische Unterschriften als Vorlagen gedient haben könnten, wird weiterhin zu prüfen sein, ob die fragliche Unterschrift mit einer von diesen absolute oder relative Dekkungsgleichheit aufweist. Dabei ist allerdings sehr wohl zu bedenken, daß nicht jede dabei festgestellte Auffälligkeit als Fälschungsindiz zu werten ist und daß andererseits nicht jede durchgeführte Manipulation notwendigerweise erkennbare Spuren hinterläßt. Man sehe hierzu Pfefferli (1989, 131 ff) mit weiteren Literaturhinweisen. Bei direkten oder indirekten Pausfälschungen können sich schon bei der physikalischtechnischen Untersuchung gravierende Zweifel an der Echtheit der fraglichen Unterschriften ergeben. In jedem Falle wird es jedoch ⫺ wie bei Freihandfälschungen, bei denen der Fälscher ohne besondere Hilfsmittel arbeitet ⫺ erforderlich sein, die Befunde durch eine systematische schriftvergleichende Analyse abzusichern. Neben den genannten Fälschungsarten kommt schließlich noch die Unterschriftsfälschung ohne Vorlage in Betracht, auf die ein Fälscher dann zurückgreifen muß, wenn ihm nur der Name einer Person bekannt ist, nicht aber deren Zeichnungsweise. In diese Gruppe gehören weiterhin die fingierten Unterschriften von nicht existenten Personen. Relativ selten vollzieht dabei ein Fälscher eine solche Unterschrift in seiner normalen Schrift, sondern versucht vielmehr, sie zu verstellen. Bei einer fraglichen Unterschrift, die außerhalb der natürlichen Variationsbreite

1042

Ähnlichkeit mit den Vergleichsunterschriften Nomale Unterschrift (mit ihren Zufallsvarianten)

Unwillkülich veränderte Unterschrift

Ohne direkte Vorlage (Freihandfälschung aus dem Gedächtnis)

Mit Nachahmungsabsicht

Unechte Unterschrift

Durch entwicklungsspezifische Einflüsse (Schriftwandlung)

Willkürlich veränderte Unterschrift

Ohne Verstellungsabsicht (z.B. Bemühen um besonders deutliche Schrift)

In unverstellter Schrift (oft ohne Fälschungsabsicht)

Mit Verstellungsabsicht (Unterschriftsverstellung)

In verstellter Schrift (meist mit Fälschungsabsicht)

Ohne Nachahmungsabsicht (bzw.-möglichkeit)

Unähnlichkeit mit den Vergleichsunterschriften Abb. 87.1: Alternativen fraglicher Unterschriften

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Echte Unterschrift

Durch besondere innere oder äußere Schreibbedingungen (z.B. Alkoholeinfluß, Hast, ungünstige Schreibhaltung etc.)

Nach einer Vorlage (Paus- und Freihandfälschungen)

87. Forensische Handschriftuntersuchung

der üblichen Zeichnungsweise des Namenseigners liegt, muß stets in Betracht gezogen werden, daß sie dennoch echt sein kann, aber vom Namenseigner unter besonderen inneren oder äußeren Schreibbedingungen geleistet oder von ihm in vorsätzlich verstellter Schrift geschrieben wurde. Bei Verstellung der eigenen Unterschrift in der Absicht, deren Echtheit später bestreiten zu können, wird meist ⫺ wie bei sonstiger Schriftverstellung ⫺ eine mehr oder minder vordergründige Veränderung vorgenommen. Wie empirische Untersuchungen von Buhtz & Köstner (1936) sowie Michel (1974) gezeigt haben, sind folgende Verstellungstaktiken häufiger anzutreffen: stärkere Anlehnung an die Schulform, Veränderung einzelner Buchstabenformen, Wechsel des Schriftsystems und Veränderung des Neigungswinkels. Meist zeigen sich die typischen gegensätzlichen Intentionen bei Verstellung und bei Fälschung von Unterschriften sehr deutlich. Im ersten Falle wird eine gewisse Unähnlichkeit angestrebt, wesentliche Feinheiten bleiben aber erhalten. Der Fälscher dagegen strebt in der Regel größtmögliche Formähnlichkeit an, vermag aber die Feinstruktur meist nicht richtig zu erfassen und wiederzugeben. 6.2. Sonstige Urkundenuntersuchungen Verfälschungen von Urkunden betreffen Tilgungen, Veränderungen oder Hinzufügungen handschriftlicher Schreibleistungen zur Täuschung im Rechtsverkehr. Bei Totalfälschungen (z. B. von Ausweisen, Zeugnissen etc.) sind heute meist nur noch Unterschriften bhandgeschrieben. Bei anderen Urkunden kann die Frage der Echtheit der gesamten handschriftlichen Beschriftung zur Diskussion stehen. Dies gilt z. B. auch für die Prüfung von Autographen bedeutender Persönlichkeiten, die hier nicht näher erörtert wird, sich aber grundsätzlich nach ähnlichen Prinzipien vollziehen sollte. Bei der Prüfung vollständig handschriftlich geschriebener Urkunden ist der Schriftsachverständige am häufigsten mit eigenhändigen Testamenten beschäftigt. Darüber hinaus aber können auch andere handschriftliche Urkunden durch Schriftvergleichung auf ihre Echtheit geprüft werden, wie z. B. Abschiedsbriefe von Suizidenten. Im Vordergrund aller Urkundenuntersuchungen stehen physikalisch-technische Untersuchungsmethoden. Durch sie können die Beweisfragen zum Teil schon hinreichend geklärt werden. Oft aber muß sich eine syste-

1043 matische schriftvergleichende Analyse anschließen. Die Altersbestimmung von Urkunden gehört zu den nicht selten an den Experten gestellten Fragen. Bei einer absoluten Altersbestimmung soll Entstehungsdatum bzw. -zeitraum einer fraglichen Urkunde bestimmt werden. Zum anderen kann gefragt werden, in welcher zeitlichen Reihenfolge mehrere Schreibleistungen entstanden sind (relative Altersbestimmung). Letzteres kann die Entstehungsreihenfolge mehrerer Urkunden betreffen oder aber Schreibleistungen auf ein und derselben Urkunde. Die speziellen Probleme und Methoden einer relativen Altersbestimmung werden im Zusammenhang mit Verfälschungen zu diskutieren sein. Zur Eingrenzung des Zeitraumes, in dem eine Schreibleistung entstanden ist, gibt es eine Reihe von Ansätzen, die freilich jeweils nur unter bestimmten Voraussetzungen zu brauchbaren und verläßlichen Informationen führen. Erste, zuweilen aber auch völlig eindeutige Befunde können sich bei der Untersuchung des Schriftträgers ergeben: Eine Schreibleistung kann nicht älter sein als der Schriftträger. Der Papierexperte kann gegebenenfalls Aussagen darüber machen, ob das verwendete Papier zum Zeitpunkt der angeblichen Beschriftung bereits im Handel war. Einfacher kann die Überprüfung der Datumsechtheit bei Verwendung von Druckerzeugnissen sein (Kopfbögen, Vordrucke etc.). Der anachronistische Gebrauch eines Schreibgeräts kann weiterhin zwingend die Datumsunechtheit eines Schriftstückes beweisen. Die klassischen Verfahren zur relativen und absoluten Altersbestimmung von Tintenschriften nach Mezger et al. (1931) sind bei modernen Schreibmitteln meist nicht mehr anwendbar. Neue, hinreichend verläßliche Methoden zur Altersbestimmung bei Kugelschreiberpasten sind ⫺ trotz verschiedener experimenteller Ansätze ⫺ für die forensische Praxis noch nicht verwertbar. Wertvolle Hinweise auf Datumsunechtheit können Anachronismen im Text der Urkunde sowie in verwendeten Stempeln geben (noch nicht gebräuchliche postalische Angaben, Verweise auf gesetzliche Bestimmungen, die noch nicht gültig waren etc.). Recht günstige Voraussetzungen zur Datierung können bei Urkunden gegeben sein, die ganz oder teilweise mit Schreibmaschine geschrieben wurden (→Art. 89). Darüber hinaus können im Einzelfall bei der Urkundenuntersuchung besondere Gegebenheiten festgestellt werden,

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

die zur Altersbestimmung verwertet werden können. Hierzu gehören z. B. verwertbare blinde Druckrillen anderer Beschriftungen, Rißkanten, die eine Zuordnung zu einem anderen, zeitlich datierbaren Schriftträger gestatten, oder zufällig auf die Urkunde gelangte Fremdstoffe, die eine weitere Auswertung gestatten. Endlich aber können auch direkt die Möglichkeiten einer Schriftvergleichung bei der Datierung einer Urkunde eingesetzt werden, sofern sich während des in Frage stehenden Zeitraumes systematische Veränderungen des Schriftbildes vollzogen haben (Norle´n & Wallner 1973). Tilgungen von Schriftzügen oder sonstigen Bestandteilen einer Urkunde können mit mechanischen oder chemischen Hilfsmitteln sowie durch Übermalungen, Überstreichungen etc. erfolgen. Die Überprüfung auf Schrifttilgungen und Versuche einer Rekonstruktion getilgter Urkundenteile ist eine rein physikalisch- und chemo-technische Fragestellung. Es wird hierzu auf die zitierte allgemeine Literatur zur Urkundenprüfung verwiesen. Verfälschungen von Urkunden durch Schriftzusätze treten in den vielfältigsten Formen und Arten auf, und zwar zuweilen als Ersetzungen nach einer Schrifttilgung, häufiger jedoch als alleinige Manipulation. Die Aufklärung bei fraglichen Schriftzusätzen erfolgt teilweise durch urkundentechnische Methoden, teilweise durch schriftvergleichende Analysen. Zur Klärung der Frage, ob bestimmte Schreibleistungen einer Urkunde zu einem späteren Zeitpunkt geleistet wurden, können zum Teil diejenigen Verfahren herangezogen werden, die bei der Altersbestimmung von Urkunden bereits dargestellt wurden. Darüber hinaus gibt es aber bei fraglichen Schreibleistungen, die sich auf ein und derselben Urkunde befinden, noch eine Reihe weiterer Kriterien, die für eine nachträgliche Fertigung oder eine Entstehung unter veränderten Schreibbedingungen sprechen können. Die Untersuchung von Strichkreuzungen ist ein besonders geeignetes Verfahren, um Abfolgen von Schreibleistungen zu bestimmen (Mathyer 1980, Tollkamp-Schierjott & Fackler 1989). Die Inspektion von Strichverläufen an Papierfaltstellen kann Auskunft darüber geben, ob die Schreibleistung vor oder nach der Faltung gefertigt wurde. Die Verwendung unterschiedlicher Schreibmittel kann insbesondere dann als Hinweis für eine nachträgliche Hinzufügung gewertet werden, wenn der Wechsel des Schreibgerätes an einer unüb-

lichen Stelle erfolgt. Ein solcher Verdacht kann noch verstärkt werden, wenn auch die umliegenden Schriftzüge mit diesem anderen Schreibmittel noch einmal nachgezogen wurden. Zuweilen kann sich nachweisen lassen, daß die fraglichen Schriftzüge unter andersartigen Schreibbedingungen zustande gekommen sind als die übrigen Beschriftungen. Insbesondere können sich im Schriftbild Merkmale niederschlagen, die auf variierende Schreibunterlagen schließen lassen. Es ist daher auch die Rückseite der Urkunde zu untersuchen, die unterschiedliche Antragungen von Fremdstoffen aufweisen kann. Besonderheiten der fraglichen Schriftzüge können auch die Zeilenführung, die vertikale und horizontale Ausdehnung sowie die Flächengliederung betreffen; insbesondere sind Anzeichen von Flächenbedrängnis zu beachten. Weiterhin kann sich das Schriftbild der fraglichen Zusätze durch Merkmale eines weniger zügigen und spontanen Schreibvollzuges auszeichnen. In besonderem Maße ist mit Diskrepanzen im Schriftbild verständlicherweise bei Zusätzen zu rechnen, die in Nachahmung der übrigen Schrift von einer dritten Person gefertigt wurden, es sei denn, daß es sich um so kurze Anfügungen handelt, die keine schreiberspezifischen Merkmale erkennen lassen. Eigenhändige Testamente stellen Erklärungen eines Erblassers dar, die dieser eigenhändig geschrieben und unterschrieben haben muß (§ 2247 BGB). Die Prüfung eines eigenhändigen Testaments (im folgenden wird kurz von Testament gesprochen) muß sich dementsprechend auf Text und Unterschrift erstrecken (es sei denn, nur die Echtheit einer der beiden Teile werde angezweifelt). Routinemäßig beginnt auch die Testamentsuntersuchung mit einer physikalisch-technischen Urkundenprüfung, an die sich dann ⫺ soweit noch erforderlich ⫺ eine schriftvergleichende Analyse anschließt. Selten werden Testamente solcher Erblasser strittig, die zum Zeitpunkt der angeblichen Testamentserrichtung uneingeschränkt schreibfähig waren und eine hinreichend individuelle Handschrift schrieben. Wenn eine letztwillige Verfügung strittig wird, so handelt es sich dabei vor allem um Testamente, die ⫺ sofern sie echt sind ⫺ von Personen mit altersbedingten oder pathologischen Störungen in der Handschrift geschrieben worden sind. Weiterhin werden solche Testamente häufig unter ungünstigen äußeren und inneren Schreibbedingungen gefertigt (z. B.

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87. Forensische Handschriftuntersuchung

im Bett, unter Medikamenteneinfluß und in Todesfurcht). Andererseits bemüht sich der Testator meist trotzdem um eine möglichst deutliche Schrift, wobei er sich nicht selten wieder stärker der Schulvorlage annähert. Endlich ist damit zu rechnen, daß das Testament in mehreren, zeitlich getrennten oder durch die Schreibbedingungen unterschiedenen Etappen gefertigt worden ist. All diese und viele weitere Umstände können bewirken, daß sich eine Testamentsschrift mehr oder minder beträchtlich von Schriftproben des Testators unterscheiden kann, die unter normalen oder anderen Bedingungen entstanden sind. Hinzu kommt aber, daß für die Schriftuntersuchung häufig kein befriedigendes Vergleichsmaterial zur Verfügung steht, insbesondere keine Schriftproben, die in der gleichen psychophysischen Verfassung und unter vergleichbaren sonstigen Bedingungen geschrieben wurden. Gerade diese besonderen Umstände kann sich ein Fälscher zunutze machen. Er kann nämlich in solchen Fällen immer hoffen, daß Abweichungen von der authentischen Schrift ⫺ zumindest vom Laien ⫺ auf die vermuteten besonderen Schreibumstände zurückgeführt werden oder als solche gar nicht erkannt werden können, weil keine geeigneten Vergleichsschriften mehr zur Verfügung stehen. Gar nicht so selten allerdings überschätzt ein Fälscher, der gerade bei Testamentsfälschungen ein Gelegenheitstäter ist, seine Chancen, und es kommt so zu ausgesprochen plumpen Fälschungen, bei denen nur einige äußerliche Merkmale nachzuahmen versucht wurden. Bei guten Schriftvorlagen, z. B. ein anderslautendes Testament des Erblassers, können allerdings auch graphomotorische Störungen u. U. bemerkenswert gut nachgeahmt werden (Hoffmann 1989). Bei strittigen Testamenten sollte der Sachverständige zunächst versuchen, aufgrund von Zeugenaussagen (Familienangehörige, Ärzte, Pflegepersonal etc.) die vermutlichen oder angeblichen Entstehungsbedingungen des fraglichen Testaments so genau wie möglich gedanklich zu rekonstruieren, wobei zuweilen zwei oder gar mehrere Versionen zu berücksichtigen sind. Sodann wird das strittige Testament eingehend zu analysieren und mit authentischen Schriftproben des Erblassers zu vergleichen sein. Bei allen Abweichungen zwischen Testaments- und Vergleichsschrift ist zu prüfen, ob diese durch besondere Schreibumstände erklärt werden können oder ob sie als Fälschungssymptome anzuse-

hen sind. Für diesen im Einzelfall oft sehr schwierigen Entscheidungsprozeß lassen sich kaum allgemeinere Regeln aufstellen, da sowohl echte Störungsmerkmale als auch Fälschungssymptome sehr vielgestaltig sein können. Es sind daher sehr gründliche Kenntnisse über Schriftveränderungen und -störungen erforderlich, wie sie vor allem durch Altersabbau, durch Krankheiten und Medikamenteneinfluß (Wildt 1989, 1990) und durch sonstige innere und äußere Schreibbedingungen verursacht sein können. Bei Testamentsuntersuchungen muß in der Regel auch die Möglichkeit mitbedacht werden, daß dem Erblasser bei der Niederschrift durch eine andere Person Schreibhilfe gewährt wurde. Zuweilen wird aber eine solche Schreibhilfe von einem der Beteiligten auch nur behauptet, um entweder die Echtheit des strittigen Testaments in Frage zu ziehen oder aber um von der Tatsache der Totalfälschung abzulenken. Sofern ein Schreibhelfer bekannt ist, müssen mit diesem Schreibversuche durchgeführt werden, um zunächst prüfen zu können, ob die vom Zeugen oder Tatverdächtigen behauptete Schreibhilfe überhaupt bzw. in der angegebenen Weise geleistet worden sein kann. Ist eine Schreibhilfe gewährt worden, so muß weiterhin untersucht werden, ob es sich dabei lediglich um eine (zulässige) Handstützung oder aber um eine (unzulässige) Handführung handelte, bei welcher der Testator die Schriftgestaltung nicht mehr selbst bestimmen konnte, sondern völlig unter fremder Leitung stand. Die begriffliche Trennung ist klar, in praxi freilich zeigt sich immer wieder, wie außerordentlich schwierig es für den Schriftsachverständigen sein kann, Art und Grad der gewährten Schreibhilfe im nachhinein zu bestimmen, zumal auch damit gerechnet werden muß, daß innerhalb eines Testaments Schreibhilfe unterschiedlicher Art und Intensivität geleistet wurde (Schima 1981). Vor einer nicht minder schwierigen Aufgabe steht das Gericht, wenn es die Zulässigkeit im Hinblick auf das Erfordernis der Eigenhändigkeit zu würdigen hat. Empirische Untersuchungen zur Schreibhilfe wurden vorgelegt von Buhtz (1931) und Michel (1978, 1983).

7.

Identifizierung von Schrifturhebern

7.1. Identifizierung bei Schriftverstellung Schriftverstellung erfolgt durch eine willkürliche direkte oder indirekte Einflußnahme auf den sonst weitgehend automatisiert ablaufen-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

den Schreibvorgang mit dem Ziel, den Urheber unerkennbar zu machen. Versucht man, die Vielfalt der Verstellungsstrategien zu klassifizieren, kann man mit Bellavic (1948) zunächst grob zwischen Änderungen der Schreibtechnik, Merkmalsverstellung und Typusverstellung unterscheiden. Erstere zielt nicht auf eine direkte Schriftverstellung, sondern sie wird indirekt durch das Herbeiführen ungewohnter Schreibbedingungen erreicht, wie z. B. durch das Schreiben mit ungewöhnlichen Schreibgeräten oder mit der schreibungewohnten Hand (Brandt 1976). Merkmalsverstellung ist darauf gerichtet, bestimmte graphische Merkmale der Schrift willkürlich zu verändern, z. B. den Neigungswinkel, die häufigste Art der Einzelverstellung. Die bewußte Veränderung mehrerer, voneinander unabhängiger Merkmale ist offenbar nur eingeschränkt möglich (Saudek 1929). In den meisten Fällen ist die Änderungsabsicht nicht (allein) auf bestimmte Schriftmerkmale gerichtet, sondern die Verstellung wird durch mehr oder minder globale Zielsetzungen bestimmt. Solche Leitvorstellungen können klar-bewußt sein, wie z. B. „entpersönlicht druckschriftlich“ oder „ akkurat-schulförmig“ zu schreiben. Eine solche „Typusverstellung“ kann aber diffuser darauf gerichtet sein, z. B. „grob-unbeholfen“, „wie eine alte, zittrige Person“ oder „ akkurat wie ein Buchhalter“ zu schreiben. Von solchen Ansätzen besteht schließlich ein gleitender Übergang bis zu einer ganzheitlichen, fast künstlerisch zu nennenden Art der Verstellung, die mehr oder minder aus einem Guß erfolgt. Es wird deutlich, daß Schriftverstellung nicht als ein in sich einheitlicher, nach bestimmten „Gesetzen“ sich vollziehender Vorgang aufgefaßt werden kann. Schriftverstellung kann sich vielmehr auf ganz verschiedenen Bewußtseinsebenen vollziehen (Michel 1982, 180 ff). Schriftverstellung findet man bei anonymen oder pseudonymen Schreibereien in Form von Postkarten und Briefen oder auf Wänden und Plakaten. Meist enthalten sie Beleidigungen, Drohungen, Erpressungen etc. Schriftverstellung findet man aber auch bei der Ausfüllung entwendeter Scheckformulare, bei fingierten Bescheinigungen, Quittungen und Verträgen etc. sowie auch bei Meldeformularen reisender Rechtsbrecher. Welche Möglichkeiten der Urheberidentifizierung bietet die Forensische Handschriftuntersuchung in solchen Fällen? Zunächst müssen auch auf diesem Gebiet Verfahren

der physikalisch-technischen Urkundenuntersuchung in Betracht gezogen werden. Insbesondere sollte regelmäßig der Schriftträger auf blinde Schreibspuren untersucht werden, die u. U. direkt zum Schrifturheber oder in sein Umfeld führen können. Bei der schriftvergleichenden Analyse für die Urheberidentifizierung bei verstellten Schriften wurde in der älteren Literatur im wesentlichen nur darauf verwiesen, daß es einem Versteller meist nicht gelingt, seine Schrift vollständig willkürlich zu verändern. Insbesondere werden ihm durch Aufmerksamkeitsschwankungen „Rückfälle“ in seine gewohnte Schrift unterlaufen. Die Aufgabe des Schriftsachverständigen wurde darin gesehen, diese Rudimente der gewohnten Schrift aufzuspüren, um so den Schrifturheber zu identifizieren. (In diesem Sinne beispielsweise noch Wittlich 1948 und Deitigsmann 1954). Schriftvergleichung wird als Vorgang der Entlarvung aufgefaßt. Es ist wiederholt vor solchen, einseitig von der Verstellungshypothese geleiteten Befunderhebungen und -bewertungen gewarnt worden, insbesondere wenn sie mit fachfremden Ersatzbeweisführungen und graphologischen Deutungen einhergehen (Michel 1988). Durch eine umfangreiche empirische Untersuchung hat Pfanne (1971) versucht, die Urheberidentifizierung bei Schriftverstellung auf eine rationale Basis zu stellen. Er ließ 590 gut motivierte Personen ihre Schrift verstellen, wobei die Technik völlig freigestellt war. Es bestätigte sich zunächst, daß Schriftverstellung häufig nicht klar-bewußt erfolgt. Zu global spricht Pfanne allgemein von „diffuser Komplexverstellung“. Vor allem aber konnte Pfanne die besondere Bedeutung der nichtgewollten Begleitveränderungen für die Urheberidentifizierung herausarbeiten, auf die erstmals schon G. Mayer (1900) aufmerksam gemacht hatte. Für die Praxis wiederholt er seine strikte Forderung, daß man „nur Vergleichbares miteinander vergleichen darf“ (Pfanne 1966, 18) und lehnt es daher entschieden ab, eine verstellte Schrift mit unverstelltem Vergleichsschriftmaterial zu vergleichen und distanziert sich damit von älteren, insbesondere ausdruckspsychologisch orientierten Schulen der Schriftvergleichung. Zentrale Bedeutung kommt der Schriftprobenabnahme zu, deren Aufgabe es ist, den Verdächtigen zu veranlassen, „seine Schrift experimentell so zu verstellen, wie er sie verstellt haben müßte, wenn er der fragliche Schreiber gewesen wäre“ (Pfanne 1971, 379). Erst anhand dieses Schriftmaterials soll dann in eine

1047

87. Forensische Handschriftuntersuchung

schriftvergleichende Analyse eingetreten werden, durch die insbesondere zu prüfen ist, ob bei dem provozierten Schriftmaterial dieselben oder doch ganz ähnliche Begleitänderungen auftreten oder aber ob sich unerklärbare Diskrepanzen zeigen, aufgrund derer der Verdächtigte ausgeschlossen werden kann. Pfannes Methode der Urheberidentifizierung bei Schriftverstellung erscheint unmittelbar plausibel und klar. In praxi allerdings kann es vielfältige Probleme geben, die einer adäquaten experimentellen Reproduktion der vermuteten Verstellungsstrategien und Schreibbedingungen entgegenstehen (Michel 1982, 195 ff). Wann immer aber die Methode von Pfanne anwendbar ist, stellt sie den wissenschaftlich am besten abgesicherten Ansatz zur Untersuchung verstellter Schriften dar. 7.2. Identifizierung bei Schriftnachahmung Die Frage nach der Identifizierbarkeit eines Fälschungsurhebers sollte grundsätzlich erst dann gestellt werden, wenn anhand authentischen Vergleichsschriftmaterials die Unechtheit einer Schreibleistung als erwiesen gelten kann. Bei nachgewiesener Unechtheit sind der Identifizierung des Schrifturhebers meist sehr enge Grenzen gesetzt. So ist bei mechanischen Fälschungen im direkten oder indirekten Pausverfahren ein positiver Nachweis des Urhebers durch Schriftuntersuchung in der Regel nicht möglich. Aber auch bei langsam-imitierender Schreibweise treten die eigenen Schreibgewohnheiten des Fälschungsurhebers entweder gar nicht oder so rudimentär in Erscheinung, daß sie keine ausreichende Basis für eine schriftvergleichende Analyse bieten. Günstigere Voraussetzungen für eine Urheberidentifizierung könnten bei längeren nachgeahmten Schreibleistungen (wie Testamenten) gegeben sein, vor allem wenn dem Fälscher nur eingeschränktes Material als Vorlage zur Verfügung stand.

8.

Der Beweiswert von Schriftvergleichsgutachten

In einer kritischen empirischen Untersuchung kommt Rieß (1989) zu dem Schluß, daß im Vergleich mit anderen forensischen Disziplinen die Forensische Handschriftuntersuchung eine völlig gleichberechtigte Bedeutung besitzt. Auch der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluß vom 26. Juni 1982 (4 StR 183/82) ausdrücklich die Auffassung

bekräftigt, daß Schriftvergleichsgutachten allein ausreichendes Beweismittel für eine Verurteilung sein können, vorausgesetzt, daß die Untersuchungsergebnisse keinen Raum für vernünftige Zweifel lassen. Der BGH hat sich damit von Peters (1972) und Lange (1980) distanziert, die Forensische Handschriftuntersuchungen nicht als alleiniges Beweismittel gelten lassen wollten. Dennoch wird nach wie vor gern auf die angebliche besondere Fehleranfälligkeit von Schriftgutachten verwiesen, wie z. B. K. Müller (1988). Ein solches Mißtrauen ist lediglich gegenüber einigen Außenseitern gerechtfertigt, die als selbsternannte „Schriftsachverständige“ ihre Dienste der Rechtsprechung offerieren. Die Probleme der Forensischen Handschriftuntersuchung bestehen heute nicht mehr in ihrer wissenschaftlichen Fundierung und Methodik, sondern leider immer noch in der teilweise recht unterschiedlichen fachlichen Qualifikation derjenigen, die als Schriftsachverständige tätig werden (Michel 1989, 1995).

9.

Literatur

Bellavic, Hanns. 1948. Die sekundären Veränderungen bei Schriftverstellung. Juristische Habilitationsschrift. Universität Graz. Brandt, Volkmar. 1976. Veränderungen graphischer Merkmale beim Schreiben mit der schreibungewohnten Hand. Zeitschrift für Menschenkunde 40, 344⫺410. Buhtz, Gerhard. 1931. Die Bedeutung der Handführung und Handstützung bei eigenhändigen Testamenten. Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 17, 460⫺480. Buhtz, Gerhard & Köstner, Hans. 1936. Die Beurteilung verstellter, abgestrittener, echter Unterschriften. Deutsche Zeitschrift für die gesamte gerichtliche Medizin 26, 413⫺429. Conrad, Wolfgang & Stier, Brigitte (ed.). 1989. Grundlagen, Methoden und Ergebnisse der Forensischen Handschriftuntersuchung. Lübeck. Deitigsmann, Otto. 1954. Grundlagen und Praxis der gerichtlichen Handschriftenvergleichung. Stuttgart. Foster, Doug J. & Morantz, Donald J. 1979. An electrostatic imaging technique for the detection of intented impressions in documents. Forensic Sciences International 13, 51⫺54. Groß, Hans. 1977. Handbuch der Kriminalistik. Band 1 und 2, 10. Aufl. Herausgegeben von Geerds, Friedrich. München. Harrison, Wilson P. 1966. Suspect documents. 2. Aufl. London.

1048

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

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Lothar Michel, Mannheim (Deutschland)

1049

88. Graphologie

88. Graphologie 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Einführung Aufbau der Handschrift Schreibvorgang Konstanz und Variabilität der Handschrift Deutungsansätze Der graphische Tatbestand Überprüfung graphologischer Aussagen Literatur

1.

Einführung

Es ist das Ziel der Graphologie, aus der Handschrift Rückschlüsse auf die Persönlichkeit ihres Urhebers zu ziehen. Damit ist die Interpretation der Handschrift ein Zweig der diagnostischen Psychologie. Handschrift, Schreiben und Schreiber sind Objekte der Graphologie.

2.

Aufbau der Handschrift

Die Handschrift ist ein Niederschlag der persönlichen Bewegung, die sich selbst unmittelbar in einer lebensnahen Situation aufzeichnet. Sie kann aufbewahrt und stets zu Analysen und Beurteilungen benutzt sowie mit anderen Handschriften vergleichend betrachtet werden. Darüber hinaus entsteht sie durch die Nachahmung von konventionellen Buchstabenformen zum Zwecke einer Mitteilung oder auch, um Gedanken für uns selbst in einer Eigennotiz festzuhalten. Neben Bewegung und Formgestaltung gehört zur Handschrift ein dritter Faktor, das ist die Aufgliederung auf einer Schreibfläche, auch Schreibraum genannt. Schließlich ist noch ein vierter Faktor zu erwähnen, nämlich der Strich. Der Strich ist der Stoff, aus dem die Schrift gemacht ist. Durch die persönliche Schreibbewegung werden aus dem Strich die Buchstabenformen gestaltet und auf einer Fläche verteilt. Die Handschrift ist also die Auseinandersetzung der Schreibbewegung mit einem vorgegebenen Buchstabensystem, der Schreibvorlage, auf einer Fläche mit Hilfe einer Schreibspur, nämlich dem Strich. In der Schreibhandlung prägt der Bewegungsvorgang die vorgegebenen Buchstabenformen, wandelt sie um und verteilt sie auf einer Fläche. Es sind also motorische Kräfte und gestaltende Tendenzen, die an der handschriftlichen Entstehung beteiligt sind. Entsprechend den verschiedenen Entstehungsbedingungen ist das übergreifende Ge-

samt der Handschrift aufzugliedern in einen dynamischen und einen statischen Aspekt. Zu dem dynamischen Aspekt gehört die Schreibmotorik, zu dem statischen gehören sowohl aesthetisch-figurale als auch strukturelle Prozesse. Der Strich ist sowohl unter dem Bewegungsaspekt als auch unter dem formalen Aspekt zu betrachten. Insofern er den Bewegungszug im kleinsten Bruchstück der Bewegung durchdringt und sich z. B. in Gespanntheit/Schlaffheit, Elastizität/Starre äußert, hat er Anteil am dynamischen Vorgang des Schreibens. Insofern er das Material ist, aus dem die Schriftformen gestaltet werden, hat er einen formalen Anteil. Hartge (1933) hat als erste an Handschriften von Verbrechern die Bedeutung des Strichs erkannt. Für Wieser (1938) war der Strichbefund in der Handschrift von Verbrechern ebenfalls Gegenstand ihrer Forschungen. Unter dem Begriff des Grundrhythmus machte sie ihn ab 1956 zum „Ansatzpunkt für die Gewinnung eines allgemein verbindlichen Wertmaßstabes für die Persönlichkeit“. Breil (1953) entdeckte die Bedeutung der Strichbeschaffenheit an der Handschrift von Schizophrenen. Knobloch (1950) spricht von Strichrhythmus und beschreibt ihn folgendermaßen: „Es gibt unter dem Ablaufrhythmus ein rhythmisches Vibrieren der Bewegung im Strich selbst“. In einer umfangreichen Untersuchung spricht Pophal (1949) vom Strichbild und weist damit auf die morphologische Eigenart des Strichs, d. h. auf die „Beschaffenheit der Strichstruktur“. Er spricht von dem homogenen, dem amorphen und dem granulierten Strich. Alle genannten Autoren unterscheiden zwischen dem elastischen, starren und schlaffen Strich.

3.

Schreibvorgang

Das schreiben lernende Kind lernt mühsam die Buchstabenform nach, die durch die Schulvorlage vorgegeben ist. Die freie Bewegungsweise wird von Beginn an durch die in der Schreibvorlage vorgegebene Form und Flächenaufteilung gelenkt und kanalisiert. Zu Beginn des Erlernens ist die Bewegung noch unpersönlich, doch bringt sie eine bestimmte Ordnung in die Vielfalt der Bewegungsmöglichkeiten. Mit zunehmender Übung tritt in der entwickelten Handschrift

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

an die Stelle der einzelnen, ungelenk vollzogenen Bewegung ein Bewegungszug. Aus dem Strichimpuls entfaltet sich über den Buchstaben-, Wort- und Mehrwortimpuls der Bewegungsfluß.

Strichimpuls Buchstabenimpuls Wortimpuls Mehrwortimpuls Abb. 88.1: Impulse des Bewegungsflusses

Mit dem flüssigen Bewegungsvollzug nimmt die Geschwindigkeit zu, während der Schreibdruck, als Symptom willentlicher Anstrengung, beim Erlernen der Schreibhandlung abnimmt. Der Erwachsene denkt beim Schreiben nicht mehr an den Bewegungsablauf, sondern an den gedanklichen Inhalt dessen, was er mitteilen möchte. Der Schreibvorgang ist weitgehend automatisiert. Wir verbinden die Elemente der Buchstaben in vorgeschriebener Weise zu Worten und Sätzen. Dabei verläuft der normale Schreibvorgang von links nach rechts. Normalerweise wird mit der rechten Hand geschrieben. Der Linkshänder hat einen anderen Bewegungsablauf. Er schiebt gewissermaßen die Bewegung von links nach rechts. Das führt zu einem anderen Schriftrhythmus und häufig auch zu einem anderen Neigungswinkel. Wir schreiben abduzierend, d. h. von der Körpermitte nach außen. So entspricht eine leichte Rechtsschräglage beim Rechtshänder und eine Linksschräglage beim Linkshänder der natürlichen, lockeren Bewegung von Hand und Handgelenk. Der Schreibvorgang setzt sich aus einer Vielzahl kleiner und kleinster Bewegungen der Muskulatur des Armes, der Hand und der Finger zusammen. Ein zentral vom Gehirn gesteuerter Bewegungsfluß, der die Buchstaben gestaltet, mündet in die Spitze des Schreibwerkzeuges und wird dort sichtbar vollzogen (→ Art. 86). Das daraus entstehende Gebilde ist die Handschrift. Wie der Physiologe Preyer (1895) bereits um die Jahrhundertwende ausgesagt hat, müßte die Handschrift Gehirnschrift heißen. Jedenfalls haben seine experimentellen Untersuchungen ergeben, daß Handschriften eine ähnliche Er-

scheinungsform erhalten können, wenn sie ⫺ einige Übungen vorausgesetzt ⫺ mit dem Mund, dem Fuß oder mit der schreibungewohnten Hand geschrieben wurden. Das Schreibgeschehen findet statt in einem Grenzbereich zwischen der Beachtung der Schulvorlage einerseits und der persönlichen Abwandlung der vorgegebenen Formen durch die Motorik andererseits. Jede Durchsetzung der Schriftform, die von der Gesellschaft vorgeschrieben ist, stößt an den Widerstand der individuellen Schreibmotorik. Der Grad der Lesbarkeit ist an das Verhältnis zwischen Schreibnorm und persönlicher Schriftform gebunden. Kroeber-Keneth (1968, 15), der sich mit der sozialen Leistung des Schreibens befaßt hat, sagt zu diesem Problem: „Hier spielt sich die Auseinandersetzung zwischen dem Entfaltungsbedürfnis des Individuums und den Ansprüchen und Rechten der Gesellschaft ab. In keiner Persönlichkeitsäußerung wird dieser große Zwiespalt, der sich durch das menschliche Leben hindurchzieht, so anschaulich wie gerade in der Handschrift“. Die Skala reicht von einem Extrem der Scheinanpassung bei Glätte und Gestochenheit der Form über eine adäquate Anpassung bei gleichzeitig vorhandener Eigenprägung bis zur Anpassungsverweigerung bei Norm- und Formlosigkeit.

4.

Konstanz und Variabilität der Handschrift

Die Schreibbewegung ist die Leistung des lebendigen Organismus. Wie jedes organische Leben einmalig ist, so tritt auch in jeder lebendigen Bewegung diese Einmaligkeit in Erscheinung. Es gehört zur Eigenart lebendiger Vorgänge ⫺ wie Pulsschlag und Atem ⫺, daß sie innerhalb einer Schwankungsbreite, die sich jeder exakten Berechnung entzieht, pulsieren. Die Handschrift einer Person ist nur relativ konstant. Es gibt einerseits Menschen, die in ihrer Handschrift eine hohe Konstanz zeigen, während andere eine schillernde Variabilität aufweisen. Dabei kann das Schriftbild entweder in sich eine hohe, gegebenenfalls regellose Schwankungsbreite der Merkmale zeigen, oder es ändert sich mehr oder minder stark je nach den Schreibbedingungen exogener oder endogener Art. Neben der intraindividuellen Variabilität der Handschrift, die bei alltäglichen Schreibleistungen zu bemerken ist, sind folgende Bedingungen zu nennen, die eine Veränderung hervorrufen können.

1051

88. Graphologie

4.1. Exogene Bedingungen Als exogene Bedingungen, die einen modifizierenden Einfluß auf die Handschrift haben können, nennen wir: Das Schreiben bei ungewohnter Körperhaltung, auf besonders weicher oder rauher Unterlage, mit der schreibungewohnten Hand, bei Ausschaltung der optischen Kontrolle, ferner der Einfluß unterschiedlicher Schreibwerkzeuge. Bei den äußeren Einflußgrößen handelt es sich um vorübergehende Veränderungen der Schreibleistung. Zur Beurteilung der Persönlichkeit des Schreibers sollten nur solche Schriftproben benutzt werden, die unter „normalen“ Bedingungen entstanden sind. 4.2. Endogene Bedingungen Von den endogenen Faktoren, die eine Veränderung des Schriftbildes hervorrufen können, sind zu erwähnen: Erkrankungen, die hirnorganische Prozesse hervorrufen, wie z. B. Dystrophie, Meningitis, Alkoholismus. Auch können Veränderungen der Persönlichkeitsstruktur, wie sie in Folge von langandauernder Angst und Todesfurcht unter extremen Lebensbedingungen, etwa in der Illegalität oder in Kriegsgefangenenlagern, entstanden sind, zu einem vorzeitigen Leistungsabbau führen mit entsprechenden Symptomen in der Handschrift. Diese Veränderungen sind in den meisten Fällen von Dauer. Dagegen erzeugen innere Einflußgrößen wie aktuelle Erregungs- oder Verstimmungszustände Veränderungen, die mit der Normalisierung des psychischen bzw. psychosomatischen Zustandes zurückgehen. 4.3. Schriftentwicklung Zu den endogenen und exogenen Faktoren, die eine Veränderung der Handschrift bewirken, gehört die normale Entwicklung. Etwa Mitte Zwanzig ist die Entwicklung in den meisten Fällen abgeschlossen. Aber auch im Erwachsenenalter ist die Handschrift Veränderungen unterworfen. Im höheren Lebensalter schließlich treten häufig stärkere Auffälligkeiten der Handschrift im Zusammenhang mit Abbauerscheinungen auf. Wir finden jedoch Personen, deren Schreibfähigkeit bis weit über 90 Jahre weitgehend ungestört geblieben ist, während andere vorzeitige Verbrauchs- und Verschleißerscheinungen aufweisen. Diese Phänomene lassen sich nur durch umfangreiche und lückenlose Längsschnittanalysen von Handschriften nachweisen.

5.

Deutungsansätze

Wir verdanken Ludwig Klages die wissenschaftliche Begründung der Graphologie als Ausdruckslehre. Er bezeichnet die Graphologie als die Wissenschaft von den Entstehungsbedingungen der persönlichen Schreibbewegung. Wegen seiner Bedeutung seien in Kürze einige Hinweise gegeben. Bereits im 18. und 19. Jahrhundert haben mehrere Forschungen auf die diagnostische Bedeutung der Bewegung für die Ausdruckspsychologie hingewiesen. Als die wichtigsten sind Engel, Lavater, Piderit, Preyer, Goldscheider und besonders der Psychiater Meyer zu nennen. Sowohl die logisch-graphologische als auch die philosophisch-psychologische Tradition stand Klages zur Verfügung. Diese Anregungen hat er aufgegriffen und daraus die Graphologie, Charakterologie und als deren Bindeglied die Ausdruckskunde entwickelt. Die Ausdruckstheorie, nach deren Prinzipien Handschriften diagnostisch interpretiert werden können, wird kurz in ihren wesentlichen Teilen dargelegt. Die Hauptfrage der Deutung der Handschrift lautet: Wie kann sich Seelisches in leiblichen Bewegungen ausdrücken? Zur Beantwortung dieser Frage stützt sich Klages auf die Aussage von Carus: „Der Leib ist die Erscheinung der Seele und die Seele der Sinn des lebendigen Leibes“. Danach sind Leib und Seele nicht voneinander getrennt, sondern Pole ein und desselben Zusammenhanges, nämlich des Lebens. Das Leben bedeutet einerseits körperliches Geschehen, das Ausdruck des Seelischen ist. Andererseits bedeutet das Leben seelisches Geschehen, das in äußeren Gestalten, vor allem in Bewegungsgestalten, erscheint. Im Vorwort von „Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft“ zieht Klages (1913) „die Psychologie der Handschrift heran, um die abstrakten Gesetze des Ausdrucks an einem unvergleichlichen Anschauungsstoff zu versinnlichen“. Er benutzt also die Handschrift als ein Mittel, um seine Gedanken über den Ausdruck zu bestätigen. Für ihn ist die Graphologie eine Seite von der Wissenschaft des Ausdrucks überhaupt. 5.1. Ausdrucks- und Leitbildgesetz Klages stützt seine Deutungen auf zwei Gesetze, die er von den Prinzipien aus dem gesamten Bereich der Ausdruckserscheinungen ableitet, nämlich dem Ausdrucks- und Leitbildprinzip. Er hat das Ausdrucksgesetz un-

1052

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ter dem Pseudonym Erwin Axel in den Graphologischen Monatsheften (1905, 54) folgendermaßen formuliert: „Jede innere Tätigkeit nun, soweit nicht Gegenkräfte sie durchkreuzen, wird begleitet von der ihr analogen Bewegung“. Das bedeutet, daß die sichtbaren Bewegungen den Seelenvorgängen entsprechen, und daß, vice versa, aus den Bewegungen und Bewegungsgestalten Seelenvorgänge erkennbar sind. Das gilt besonders für die Schreibbewegung. In dem Werk „Grundlegung von der Wissenschaft von Ausdruck“ hat er dieses Grundgesetz folgendermaßen erweitert: „Jede ausdrückende Körperbewegung verwirklicht das Antriebserlebnis des in ihr ausgedrückten Gefühls“. Im gleichen Werk, 156, entwickelt er das zweite Ausdrucksprinzip: „der Ausdruck verwirklicht nach Stärke, Dauer und Richtungsfolge die Gestalt einer seelischen Regung (Klages 1936, 147). Schon früh hat Klages erkannt, daß in manchen Handschriften die unwillkürlich auftretenden Bewegungstendenzen gehemmt oder in ihrer Wirkung gesteigert werden. In solchen Fällen werden Bewegungen zur Darstellung. In Klages (1908) hat er die darstellende Bewegung aus dem persönlichen Leitbild abgeleitet und das Darstellungsprinzip entwickelt. Er bezieht sich im wesentlichen auf die Ausführungen von Engel (1785/86) über Pantomimik und auf die Theorie des Raumgefühls von Lipps (1897). Das Darstellungsprinzip lautet: „Jede menschliche Spontanbewegung wird mitgestaltet von unbewußten Erwartungen ihres anschaulichen Erfolges“ (Klages 1932, 37). Das bedeutet, daß der Eindruck, den eine Schrift während des Schreibaktes auf den Schreiber macht, zu den Ursachen ihrer Beschaffenheit gehört. Schreibbewegungen und Schriftgestaltung sind in wechselseitiger Abhängigkeit miteinander verbunden. Sie erfahren stets eine Beeinflussung im Hinblick auf das zu erwartende anschauliche Ergebnis des Schreibens. „Es ist die unbewußte Wahlverwandtschaft zu bestimmten Gestalten, Bewegungsformen, Lagerungen, was der Begegnungsweise des Menschen mindestens ebenso sehr ein eigentümliches Gepräge verleiht wie der unvermittelte Ausdruck“ (1908, 65 f). Wir bezeichnen die individuelle Selektionskonstante als das persönliche Leitbild. Die Lehre vom persönlichen Leitbild ist ein Selektionsprinzip. Sie kommt der Theorie der psychologischen Projektion nahe und ist im Zusammenhang so-

wohl mit Problemen der Verhaltensforschung als auch mit Forschungsbereichen wie „Wahrnehmung und Motivation“ zu sehen. Leitbildtheorie und Darstellungsprinzip sind für die Deutung der Handschrift ebenso bedeutsam wie Ausdruckstheorie und Ausdrucksprinzip. Beide Deutungsgesetze bei ein und demselben Merkmal schließen sich in ihrer Anwendung nicht aus, sondern ergänzen einander, je nach ihrer Ausgeprägtheit. Sie gehören eng zusammen. In dem Aufsatz „Das persönliche Leitbild“ demonstriert Klages (1926) den Einfluß des Leitbildes an Überstreichungen, Durchstreichungen, Wortzwischenräumen, Anfangsbetonung und Neigungswinkel. Beide Prinzipien ermöglichen es, die diagnostischen Zuordnungen deduktiv herzuleiten und dadurch zu überprüfen und zu präzisieren. Sie stellen die Verbindung her von der Schreibhandlung zur Persönlichkeit des Schreibers. 5.2. Schreibbewegungstypen Die Schreibbewegung gehört zu den psychosomatischen Funktionen, bei denen sensorische, motorische, vegetative Leistungen eng miteinander verbunden sind. Im Zusammenhang mit seinen physiologischen Untersuchungen hat Pophal (1938, 1940) die Schreibbewegungstypen, die auf das gesamte Schriftbild bezogen sind, in die Graphologie eingeführt. In ihnen zeigt sich das Verhältnis von Bewegungsimpuls und Steuerungsfunktion. Sie zeigen die verschiedenen Anteile der muskulären Versteifungsgrade, die von Haltungslosigkeit über Lockerheit, Gehaltenheit, Gespanntheit zur Verkrampftheit der Schreibbewegung führen. Er geht bei der Darstellung der geschilderten Bewegungsgrundformen von bewegungsphysiologischen Überlegungen aus. Die Zuordnung der Schreibbewegungen zu Hirnstamm und Hirnrinde, wie Pophal (1949) sie vornahm, gilt inzwischen als überholt, bzw. wird von Neurophysiologen als nicht tragfähige Vereinfachung bezeichnet. Wie auch immer die bewegungsphysiologischen Zurückführungen im einzelnen zu beurteilen sind, es ist an der anschaulichen Realität und der Brauchbarkeit der Pophal’schen Konzeption der Schreibbewegungstypen nicht zu zweifeln. 5.3. Systematische Einteilung der graphischen Allgemeinmerkmale Es ist das Verdienst von Gross (1942), die Verschiedenartigkeit der allgemeinen Schriftmerkmale entsprechend den drei Faktoren

88. Graphologie

ihrer Entstehung geordnet und in ein natürliches System aufgegliedert zu haben, nämlich in Bewegungs-, Form- und Raumverteilungsmerkmale. „Alle drei Komponenten greifen einander, beeinflussen sich gegenseitig, jedoch sind die Merkmale zur wissenschaftlichen Untersuchung von einander abzuheben und gesondert zu betrachten“ (Gross 1942, 22). Das Entscheidende dieser Aufteilung der Einzelmerkmale besteht in der darin steckenden Funktionsanalyse der drei Entstehungsfaktoren. Fast gleichzeitig hat Heiß (1943) eine ähnliche Ordnung der Merkmale aufgestellt.

6.

Der graphische Tatbestand

Befunderhebung und Analyse des graphischen Tatbestandes sind die Grundlage der Interpretation. Sie können hier nur grob dargestellt werden. In der konkreten Situation des Erkennens und Deutens durchdringen und bedingen sie einander. In der wissenschaftlichen Analyse trennen wir sie und mit ihnen die Grundarten der Erkenntnisinhalte. 6.1. Gewinnung von Eindruckscharakteren bzw. Anmutungsqualitäten Bei der Aufstellung von Eindrucksqualitäten lassen wir uns auf dem Wege über das empathische Miterlebnis von dem Ausdruck der Handschrift unmittelbar beeindrucken. Ein Vorgang, der auf der „Polarität von Ausdruck und Eindruck“ sowie von Zustandserscheinung und Zustand im Betrachter beruht. Dieser polare Prozeß erfordert beim Betrachter einerseits eine Verschmelzung mit dem Gegenstand und andererseits wiederum eine Trennung, um das Erlebte zum Bewußtsein zu bringen und zu verbalisieren. Klages (1936, 78) hat in diesem Zusammenhang folgendermaßen formuliert: „Der Ausdruck eines Lebenszustandes ist so beschaffen, daß seine Erscheinung den Zustand hervorrufen kann“. Hiermit benennt er einen grundlegenden Sachverhalt der Ausdruckswissenschaft. 6.2. Einzelmerkmale Die nächste Stufe besteht in der Feststellung von Einzelmerkmalen wie z. B. Größe, Längenunterschiedlichkeit und Neigungswinkel, die in jeder Schrift vorkommen. Sie erfolgt entweder messend, zählend oder schätzend und zwar nach genauen Anweisungen bezüglich der Meß-, Zähl- und Schätzwerte. Die

1053 Merkmale werden in der Ausgeprägtheit und Schwankungsbreite auf einer siebenstufigen Skala eingetragen. Sie werden auch durch Eindrucksbeschreibung charakterisiert. So z. B. stellen wir bei der Enge nicht nur fest, daß die Entfernung der Grundstriche geringer ist als ihre Größe, sondern wir bemerken auch, ob die Enge konzentriert, gestrafft, gestaut oder verklemmt ist. Das Einzelmerkmal bleibt so bei der eindrucksmäßigen Beschreibung in das Ganze eingebettet und wird nicht aus ihm herausgenommen. Bei der Auseinandersetzung mit dem hochkomplexen Phänomen Handschrift ist stets zu berücksichtigen, daß alle zu erfassenden und zu beschreibenden Einzelbefunde eng miteinander zusammenhängen und ständig wieder in das Gesamt zurückgeführt werden müssen, andererseits von der Gesamtheit wiederum getragen werden. Es werden nur diejenigen Merkmale in das Protokoll aufgenommen, die an der fertigen Handschrift auftreten. Einige Methoden der exakten Feststellung von Merkmalen während des Schreibaktes seien hier kurz erwähnt. Für die Messung von Schreibdruck und Geschwindigkeit hat Goldscheider (1892) die Schreibwaage erfunden, die von dem Psychiater Kraepelin und dessen Schülern weiterentwickelt wurde. Heute dient die von Steinwachs verfeinerte elektronische Schreibwaage vorwiegend der graphologischen Grundlagenforschung. Auch mit Hilfe von Filmaufnahmen kann der persönliche Tempoverlauf des Schreibens festgehalten werden (Tittel 1934; Pophal 1949). Die Schätzungen von Druck und Geschwindigkeit mit Hilfe von Eindrucksqualitäten wie: fest, elastisch oder zügig, dahingleitend, gestaut, haftend, sind für die Registrierung dieser Merkmale an der fertigen Handschrift ausreichend. 6.3. Kombinatorik Letzte Aufgabe der graphischen Tatbestandsaufnahme ist die Synthese der Befunde und damit die Deutung der Persönlichkeit des Schreibers. Es ist die Übertragung der Merkmalsebene auf die Deutungsebene. Klages (1917) hat sie mit dem dominanten Verfahren vorbildlich demonstriert. Mit diesem Vorgehen läßt sich der Gang der Deutung von der jeweiligen Handschrift selbst vorschreiben. Dabei gehen wir den Kräfteverhältnissen von Bewegungsablauf, Formgestaltung und Flächenaufteilung nach. Feste Grenzen der einzelnen Befunde lassen sich nicht ziehen. Wir

1054

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

stellen die Frage, ob einer der drei Aspekte innerhalb der Gesamtheit auffallend ist und die Handschrift durch besondere Stärke und Ausgeprägtheit, bzw. durch Schwäche oder Gestörtheit charakterisiert, oder ob etwa ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den drei Aspekten besteht, so daß sie harmonisch aufeinander abgestimmt sind. Das Ordnen der Merkmale zu Syndromen, das Aufdecken des Zusammenspiels oder Gegeneinander der Aspekte ist von primärer diagnostischer Bedeutung. Als wissenschaftliches Deutungsverfahren hat es die Graphologie mit dem Problem der Vieldeutigkeit von Ausdruckssymptomen zu tun. Das ist vor allem von Klages ins methodische Bewußtsein gehoben worden. Für die Problemlösung der Vieldeutigkeit der Merkmale hat er eine Klassifizierung der Handschrift nach dem ganzheitlichen Begriff des Formniveaus eingeführt. Dieser vielumstrittene und oft mißverstandene Begriff bedeutet „Echtheit“ und „innere Lebendigkeit“. Eine Handschrift hat ein gutes Niveau, bei der ein kraftvoller, flüssiger Bewegungsablauf, eine differenzierte, eigengestaltete Formgebung mit ebenmäßiger Raumaufteilung verbunden sind. Eine Fundierung einzelner Merkmale zur Bestimmung der Höhe des Formniveaus ist nicht möglich. Als ein weiterer Schlüsselbegriff ist der Rhythmus zu nennen. Klages hat wohl als erster den Rhythmus als Urphänomen in seiner Tiefe sowie Allgemeingültigkeit erfaßt und zum Mittelpunkt der Ausdrucksforschung, insbesondere der Bewegungsspur der Handschrift gemacht. Nach seiner Formulierung ist der Rhythmus die „Erneuerung des Ähnlichen in ähnlichen Zeiten“ (1920, 35). Rhythmus ist aber nicht nur fließende Bewegung, sondern auch gegliederte Stetigkeit, Halt und feste Begrenzung. Er ist ein ordnendes, steuerndes Prinzip. Ein anderes regulierendes Prinzip ist das Regelmaß, bei dem der dynamische Aspekt zugunsten der gestaltenden und strukturierenden Kräfte zurücktritt. Einige Schriftbeispiele zeigen die unterschiedlichen Steuerungsfaktoren beider Prinzipien. Rhythmus drückt die steuernde Funktion der seelischen Lebendigkeit aus. Regelmaß weist auf die Steuerung des bewußten Willens hin. Die Beispiele in Abb. 88.2⫺88.7 verdeutlichen dies. Für die Deutung der Persönlichkeit des Schreibers sind die Anwendung des charakterologischen Denkens und die Ausdifferenzierung von Persönlichkeitsdimensionen unerläßlich.

Abb. 88.2: Mangel an Steuerung

Abb. 88.3: Lebendiges ordnendes Prinzip des Rhythmus

Abb. 88.4: Übergang vom Rhythmus zum regulierenden Prinzip des Regelmaßes

Abb. 88.5: Geringer Schwankungsgrad der Merkmale, der auf Regelmaß hinweist

1055

88. Graphologie

Abb. 88.6: Übermaß an Regelmaß

rat Lockowandt (1973) und auf eigene empirische Arbeiten hingewiesen. Die Komplexität der Handschrift macht die Ergebnisse einer Untersuchung besonders methodenabhängig. Die bisherigen Resultate bezüglich der drei genannten Kriterien sind zufriedenstellend, so daß die Graphologen zu weiteren Überprüfungen ermutigt werden. Lebendige Erfahrungen, gespeichertes Wissen und ständige Forschungen sind erforderlich, um die diagnostische Bedeutung des „unvergleichlichen Anschauungsstoffes der Handschrift“ (Klages) zu erfassen und anzuwenden.

8.

Literatur

Breil, Maria. 1959. Untersuchungen über das Strichbild und seine Veränderungen bei Schizophrenen. Zeitschrift für Menschenkunde 23, 57⫺ 89. Carus, Carl-Gustav. 1858. Symbolik der menschlichen Gestalt. Ein Handbuch zur Menschenkenntnis. Leipzig. Neudruck 1938 Dresden. Abb. 88.7: Regellosigkeit

7.

Überprüfungen graphologischer Aussagen

Da die Graphologie den Anspruch erhebt, im Rahmen der Diagnostischen Psychologie als Methode anerkannt zu sein, muß sie ihre Aussage verifizieren. Die wesentlichen Kriterien, die zur Überprüfung der Brauchbarkeit eines psychologischen Tests angewandt werden, sind: 1) Er muß objektiv sein, d. h. er muß dasjenige Merkmal, das er mißt, nach eindeutigen Meßvorschriften messen. 2) Er muß zuverlässig (reliabel) sein, d. h. er muß dasjenige Merkmal, das er mißt, exakt messen. Er muß bei derselben Probandenpopulation wiederholbar sein. 3) Er muß gültig (valide) sein. Hiermit wird die Frage untersucht, wie weit der Test tatsächlich diejenige Verhaltensweise und Fähigkeit mißt, die er diagnostizieren soll (Lienert 1961). Es ist nicht möglich, in diesem Rahmen auf die methodologischen Fragen der Graphologie näher einzugehen. Es sei nur auf die experimentellen Untersuchungen von Wallner (1962, 1968, 1970), auf das Sammelrefe-

Engel, Johann Jakob. 1785/86. Ideen zu einer Mimik. Berlin. Goldscheider, Alfred. 1892. Zu Physiologie und Pathologie der Handschrift. Archiv für Psychiatrie und Nervenkrankheiten 24, 503⫺525. Gross, Carl. 1942. Vitalität und Handschrift. Bonn. Hartge, Margret. 1933. Bericht über das Ergebnis einer Untersuchung der Handschriften von 28 Schwerverbrechern. Zentralblatt für Graphologie 3, 341⫺377. Klages, Ludwig. 1905. Das Grundgesetz des Bewegungsausdrucks. Graphologische Monatshefte 9, 53⫺62. ⫺. 1908. Das persönliche Leitbild. Graphologische Monatshefte 12, 61⫺76; 93⫺114. ⫺. 1913. Ausdrucksbewegung und Gestaltungskraft. Leipzig. ⫺. 1920. Handschrift und Charakter. Leipzig. ⫺. 1927. Zur Ausdruckslehre und Charakterkunde. Leipzig. ⫺. 1932. Graphologie. Leipzig. ⫺. 1934. Vom Wesen des Rhythmus. Kampen/Sylt. ⫺. 1936. Grundlegung der Wissenschaft vom Ausdruck. Leipzig. Knobloch, Hans. 1950. Die Lebensgestalt der Handschrift. Saarbrücken. Lienert, Gustav. 1961. Testaufbau und Testanalyse. Weinheim/Bergstraße. Lipps, Theodor. 1887. Raumästhetik und geometrisch-optische Täuschungen. Schriften der Gesell-

1056

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

schaft für psychologische Forschungen 2, 9/10, 212⫺286.

⫺. 1940. Zur Psychophysiologie der Spannungserscheinungen in der Handschrift. Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde 60, 3⫺5; 129⫺315.

Preyer, Wilhelm. 1895. Zur Psychologie des Schreibens. Leipzig. Tittel, Käthe. 1934. Untersuchungen über Schreibgeschwindigkeit. München. Wallner, Teut. 1962. Neue Ergebnisse experimenteller Untersuchungen über die Reliabilität von Handschriftvariablen. Zeitschrift für Menschenkunde 26, 257⫺269. ⫺. 1968. Zusammenhänge zwischen graphischen Variablen und Persönlichkeitsbeurteilungen. In. Zeitschrift für Menschenkunde 32, 438⫺445. ⫺. 1970. Der prognostische Wert von Tests und Handschriftenvariablen bei Eignungsuntersuchungen. Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie 17, 316⫺356. Wieser, Roda. 1978. Handschrift, Rhythmus, Persönlichkeit. München.

⫺. 1949. Die Handschrift als Gehirnschrift, Rudolstadt.

Maria Paul-Mengelberg, Linz (Deutschland)

Lockowandt, Oskar. 1973. Der gegenwärtige Stand der Überprüfung der Schriftpsychologie als diagnostisches Verfahren. In: Müller, Wilhelm & Enskat, Alice, Graphologische Diagnostik Bern, 239⫺265. Paul-Mengelberg, Maria. 1972. Die Handschrift von ehemaligen Kriegsgefangenen und politisch Verfolgten. Bonn. Pophal, Rudolf. 1938. Grundlagen der bewegungsphysiologischen Graphologie. Leipzig.

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Einführung Psychophysiologie des Maschinenschreibens Forensische Maschinenschriftuntersuchung Richtlinien zum Maschinenschreiben Variationsquellen für Schreibermerkmale Schreibermerkmale Befundbewertung Schlußbemerkung Literatur

1.

Einführung

Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung“ ist vergleichsweise schwierig. Einerseits ist die Publikationsbereitschaft von Experten, die mit einschlägigen Themen beschäftigt sind, eher gering. Allenfalls auf Fachkonferenzen werden die verschiedenen wissenschaftlichen Bereiche adäquat behandelt, und es kommt dort zu praktischem Erfahrungsaustausch. Dies gilt neben anderen kriminaltechnischen Disziplinen insbesondere auch für das Fach „Questioned Document Examination“ (QDE), in welches die Maschinenschriftuntersuchung integriert ist. Andererseits ist die unlimitierte Verbreitung von Informationen über Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen forensischer Methoden problematisch. Transparenz erlaubt schließlich jedem, also auch inkompetenten sog. „selbsternannten Experten“ oder gar po-

tentiellen Straftätern, den ungehinderten Zugriff. Zurückhaltung erscheint demnach durchaus angemessen und kann auch als Ursache dafür gelten, daß zu den theoretischen Grundlagen, Methoden und Ergebnissen der forensischen Maschinenschriftuntersuchung keine aktuelle Standardliteratur zur Verfügung steht. Der technische Fortschritt und vor allem die Ausbreitung der elektronischen Datenverarbeitung in der Büro- und Verwaltungskommunikation hat in den letzten Jahren eine ganz erhebliche Modifikation zahlreicher kriminaltechnischer Prozeduren eingeleitet und sorgfältige Grundlagenforschung erforderlich gemacht. Die durch die Entwicklung der EDV zunehmend eingeschränkte Aussagefähigkeit von Schreibgeräteanalysen könnte eine wachsende Bedeutung von Verhaltensmerkmalen schreibender Personen bewirken. Für die Identifizierung von Maschinenschreibern haben sich ebenfalls entwicklungsbedingte Änderungen des Aufgabenfeldes ergeben, da aus neuen Kommunikationstechniken andere Schreibermerkmale resultieren und/oder die Bewertungskriterien sich verschieben. Physiologische und psychologische Aspekte des Maschinenschreibens sind hingegen für die Urheberidentifizierung von geringerer

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

schaft für psychologische Forschungen 2, 9/10, 212⫺286.

⫺. 1940. Zur Psychophysiologie der Spannungserscheinungen in der Handschrift. Zeitschrift für angewandte Psychologie und Charakterkunde 60, 3⫺5; 129⫺315.

Preyer, Wilhelm. 1895. Zur Psychologie des Schreibens. Leipzig. Tittel, Käthe. 1934. Untersuchungen über Schreibgeschwindigkeit. München. Wallner, Teut. 1962. Neue Ergebnisse experimenteller Untersuchungen über die Reliabilität von Handschriftvariablen. Zeitschrift für Menschenkunde 26, 257⫺269. ⫺. 1968. Zusammenhänge zwischen graphischen Variablen und Persönlichkeitsbeurteilungen. In. Zeitschrift für Menschenkunde 32, 438⫺445. ⫺. 1970. Der prognostische Wert von Tests und Handschriftenvariablen bei Eignungsuntersuchungen. Zeitschrift für experimentelle und angewandte Psychologie 17, 316⫺356. Wieser, Roda. 1978. Handschrift, Rhythmus, Persönlichkeit. München.

⫺. 1949. Die Handschrift als Gehirnschrift, Rudolstadt.

Maria Paul-Mengelberg, Linz (Deutschland)

Lockowandt, Oskar. 1973. Der gegenwärtige Stand der Überprüfung der Schriftpsychologie als diagnostisches Verfahren. In: Müller, Wilhelm & Enskat, Alice, Graphologische Diagnostik Bern, 239⫺265. Paul-Mengelberg, Maria. 1972. Die Handschrift von ehemaligen Kriegsgefangenen und politisch Verfolgten. Bonn. Pophal, Rudolf. 1938. Grundlagen der bewegungsphysiologischen Graphologie. Leipzig.

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Einführung Psychophysiologie des Maschinenschreibens Forensische Maschinenschriftuntersuchung Richtlinien zum Maschinenschreiben Variationsquellen für Schreibermerkmale Schreibermerkmale Befundbewertung Schlußbemerkung Literatur

1.

Einführung

Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung“ ist vergleichsweise schwierig. Einerseits ist die Publikationsbereitschaft von Experten, die mit einschlägigen Themen beschäftigt sind, eher gering. Allenfalls auf Fachkonferenzen werden die verschiedenen wissenschaftlichen Bereiche adäquat behandelt, und es kommt dort zu praktischem Erfahrungsaustausch. Dies gilt neben anderen kriminaltechnischen Disziplinen insbesondere auch für das Fach „Questioned Document Examination“ (QDE), in welches die Maschinenschriftuntersuchung integriert ist. Andererseits ist die unlimitierte Verbreitung von Informationen über Anwendungsmöglichkeiten und Grenzen forensischer Methoden problematisch. Transparenz erlaubt schließlich jedem, also auch inkompetenten sog. „selbsternannten Experten“ oder gar po-

tentiellen Straftätern, den ungehinderten Zugriff. Zurückhaltung erscheint demnach durchaus angemessen und kann auch als Ursache dafür gelten, daß zu den theoretischen Grundlagen, Methoden und Ergebnissen der forensischen Maschinenschriftuntersuchung keine aktuelle Standardliteratur zur Verfügung steht. Der technische Fortschritt und vor allem die Ausbreitung der elektronischen Datenverarbeitung in der Büro- und Verwaltungskommunikation hat in den letzten Jahren eine ganz erhebliche Modifikation zahlreicher kriminaltechnischer Prozeduren eingeleitet und sorgfältige Grundlagenforschung erforderlich gemacht. Die durch die Entwicklung der EDV zunehmend eingeschränkte Aussagefähigkeit von Schreibgeräteanalysen könnte eine wachsende Bedeutung von Verhaltensmerkmalen schreibender Personen bewirken. Für die Identifizierung von Maschinenschreibern haben sich ebenfalls entwicklungsbedingte Änderungen des Aufgabenfeldes ergeben, da aus neuen Kommunikationstechniken andere Schreibermerkmale resultieren und/oder die Bewertungskriterien sich verschieben. Physiologische und psychologische Aspekte des Maschinenschreibens sind hingegen für die Urheberidentifizierung von geringerer

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung

Praxisrelevanz. Die wenigen Publikationen begrenzen sich auf physiologische Aspekte des Maschinenschreibens und dessen psychologische Determinanten, stellen jedoch keinen Bezug zu forensischen Inhalten her. Die am Schreibakt beteiligten visuellen, feinmotorischen und kognitiven Prozesse sind trotz der hohen Standardisierung und der relativ einfachen Bewegungen der einzelnen Finger recht komplex. An dieser Stelle kann jedoch nur eine Darstellung grundlegender Prinzipien erfolgen. Die über rein motorische Aspekte hinausgehenden Gesichtspunkte (Sprache, Lernen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration, visuelle und akustische Determinanten des Maschinenschreibens) werden nur kurz angesprochen.

2.

Psychophysiologie des Maschinenschreibens

2.1. Neurophysiologische Grundlagen Die physiologischen Komponenten des Maschinenschreibens lassen sich aus den allgemeinen Erkenntnissen zu den motorischen und integrativen Leistungen des Zentralnervensystems herleiten. Aus diesem Grunde können die Standardwerke der Physiologie des Menschen ⫺ wie beispielsweise Schmidt & Thews (1990) ⫺ herangezogen und deren Inhalte an das spezifische Verhalten beim Maschinenschreiben angepaßt werden. Maschinenschreiben und Mit-der-Handschreiben entsprechen sich hinsichtlich bestimmter psychophysiologischer Kriterien. Daher kann hier auf die von Baier & Bullinger-Baier (1989) und Wildt (1990) vorgelegten Ausführungen Bezug genommen werden. Aus experimentellen Ergebnissen über reizunabhängige Aktivitäten des ZNS wurde die Hypothese abgeleitet, daß Bewegungen im wesentlichen durch Programme gesteuert werden. Angeborene Verarbeitungsprozesse werden im Laufe des Lebens durch erlernte ergänzt, die nach einiger Übung automatisch ablaufen. Dieses Prinzip kann für Maschinenschreiben geradezu als charakteristisch gelten. Als gezielte feinmotorische Leistung beruht es auf einer Verzahnung vieler verschiedener Ablaufprozeduren, wobei Einzelbewegungen in bestimmten Richtungen keineswegs spezifischen Programmteilen zugeordnet werden können. Die Funktionsbereiche können in hierarchische Ebenen gegliedert werden, wobei höhere motorische Zentren durch ihre ausge-

1057

prägte Spezialisierung durchaus gleichberechtigt nebeneinander gesehen werden müssen. An den ausführenden Organen ist es zunächst notwendig, daß die Mechanosensoren und die Sensoren der Motorik (Muskelspindeln und Sehnenorgane) aktiviert werden. Die spinale Sensomotorik bildet das niedrigste Niveau im ZNS. Hier werden elementare Haltungs- und Bewegungsabläufe über Reflexe und Automatismen bereitgestellt. Diese Funktionen spielen beim Maschinenschreiben eine besondere Rolle, da Arme und Hände kaum abgestützt werden können. Auch die motorischen Zentren des Hirnstamms, die im wesentlichen Stützmotorik und Muskeltonus regulieren, sind für die Schreibhaltung und die permanent erforderlichen Anpassungen von Bedeutung. Neu entdeckten Bahnsystemen im Hirnstamm werden u. a. auch besondere Kontrollfunktionen über somatosensorische Prozesse zugeschrieben. Ein sich vom Zwischen- bis Mittelhirn erstreckendes Lokomotionszentrum im Hirnstamm scheint ein allgemein förderndes System zu sein, das entweder Bewegungen induziert oder bereits eingeleitete beschleunigt. Das Kleinhirn regelt die motorische Koordination über Kontroll- und Korrekturaufgaben bei laufenden Bewegungen bzw. in deren Programmierungsphase. Für die Umsetzung von Handlungsentwürfen (Vorbereitungsphase) in die erforderlichen Selektionsprogramme (Ausführungsphase) sind die Basalganglien relevant. Multiple, parallele Funktionsschleifen werden über die thalamischen Kerne geführt. Sofern eigene Texte verfaßt werden, sind für das Maschinenschreiben wesentliche Bestandteile in den komplexen Schleifen repräsentiert, während die okulomotorischen Schleifen vor allem zur visumotorischen Koordination beitragen, wenn bereits formulierte Texte abgeschrieben werden. Eine strenge Zentrendefinition innerhalb des Cortex, wie sie früher angenommen wurde, kann heute nicht mehr aufrechterhalten werden, da an einer integrativen Leistung des ZNS, wie es das Maschinenschreiben darstellt, mehrere Hirnabschnitte beteiligt sind, die lokal weit voneinander getrennt liegen. Von einem spezifischen Schreibzentrum kann allenfalls insofern die Rede sein, als das betroffene Areal überwiegend mit dieser Aufgabe befaßt ist. Die für Bewegungen wichtigen Gebiete des Cortex sind das präzentrale primärmotorische Areal, mehrere postzentrale, sowie ein

1058

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

frontales Areal. Zwischen motorischem Cortex und dem somatosensorischen Rindenfeld bestehen intensive Verbindungen. Hier werden Mechanismen reguliert, die Berührungsreize dahingehend verarbeiten, daß nunmehr die nachfolgenden motorischen Aktivitäten eingeleitet werden können. Zwischen Motorcortex und anderen motorischen Zentren existieren zahlreiche Rückkoppelungskreise. Einer davon ist die Pyramidenbahn, in welcher ein Bereich, das monosynaptische cortikomotoneuronale System, vermutlich die digitale Feinmotorik ⫺ und damit grundlegende Fertigkeiten beim Maschinenschreiben ⫺ ermöglicht. Im medialen supplementär-motorischen und im lateralen prämotorischen Cortex ist ein übergeordnetes motorisches Assoziationsfeld lokalisiert. Daß die Bewegungsplanung beim Maschinenschreiben hier erfolgt, belegen Experimente, in welchen evozierte Potentiale ca. eine Sekunde vor Bewegungsbeginn nachgewiesen wurden (Schmidt & Thews 1990, 125). Bei einer isolierten Betrachtung der beiden Hemisphären muß zunächst berücksichtigt werden, daß Schreiben und Sprache eng miteinander verknüpft sind. Die linke Hemisphäre ist bei Rechtshändern das alleinige Substrat für Sprache, die rechte kann ⫺ von ganz einfachen, kurzen Wortkombinationen abgesehen ⫺ weder verbale noch schriftliche Aufgaben lösen. Hingegen sind bei Linkshändern die Sprachzentren teilweise links oder rechts, teilweise auch bilateral lokalisiert. Die Aktivitäten des Cortex beim Schreiben nach Diktat und beim Abschreiben von Texten, vor allem die Verknüpfung von Sprache mit den dazugehörenden Handlungsweisen, sind am besten mit dem Wernicke-Geschwind-Modell (Geschwind & Galaburda 1984) darzustellen. Die erheblich komplexeren kortikalen Vorgänge beim freien Formulieren von Texten lassen sich dagegen nicht ohne weiteres rekonstruieren, da eine ganze Anzahl kognitiver Prozesse vorgeschaltet ist. Beim Schreiben von Texten nach Diktat wird für die rechte Schreibhand das verbale Signal nach der Aufnahme im primärauditorischen Cortex zur Interpretation in die Wernicke-Region geleitet. Von dort führen die neuralen Verbindungen zur Ausarbeitung des Schreibentwurfs in den linken assoziativen prämotorischen Bereich und dann weiter zum Bewegungsimpuls über die Armregion des linken primär motorischen Cortex und schließlich zur Schreibhand. Für die linke Schreibhand gelten prinzipiell die gleichen

Wege. Es kommt hier lediglich hinzu, daß vom linken zum rechten prämotorischen Cortex gekreuzt werden muß, und die Bewegungsausführung dann über die rechte Armregion des motorischen Cortex führt. Die linke Hemisphäre ist nicht nur für Sprache, sondern auch für das Handeln dominant, d. h. an jeder Bewegung ⫺ gleichgültig ob rechts oder links ⫺ sind die linken prämotorischen Areale beteiligt. Dies bedeutet, daß beim Maschinenschreiben von Rechtshändern der Informationsweg für die linke Schreibhand länger ist. Beim Abschreiben von Texten werden über die Sehbahnen eintreffende Informationen zunächst im primär visuellen Cortex, weiter über höhere Sehareale in ein Assoziationsareal zur Erkennung des Buchstabens verarbeitet. Die rezeptive Wortfindung schließt sich in der Wernicke-Region an. Während beim Wortlesen und Nachsprechen eine Umschaltung in die Broca-Region folgt, werden beim Maschinenschreiben nun der prämotorische und motorische Cortex aktiviert. 2.2. Kognitive Determinanten des Maschinenschreibens Wichtige kognitive Grundlagen für Maschinenschreiben sind im Lernen und Gedächtnis zu sehen. Gut trainierte Maschinenschreiber verfügen über erlernte Fähigkeiten, die ursprünglich über das Kurzzeitgedächtnis, nach häufigem Üben als verankerte Engramme in das Langzeitgedächtnis übertragen worden sind. Sie verfestigen sich mit jeder Benutzung und werden so zu einem immer weniger störbaren Gedächtnisinhalt. Dieses Phänomen wird als „Konsolidierung“ bezeichnet (Schmidt & Thews 1990, 172). Manche Autoren beschreiben es auch als „chunking“ (Miller 1956). Rabbitt (1978, 945) spricht von einem „response buffer“, in welchem „units“ verarbeitet werden. Je ausgeprägter die Konsolidierung, desto kürzer ist die Zugriffszeit, so daß die Schreibgeschwindigkeit erhöht wird. Versierte Schreiber unterscheiden sich von ungeübten dadurch, daß sie in der Lage sind, aus einer größeren Anzahl von Einzelelementen Engramme zu bilden. Diese bestehen aus ganzen Silben, möglicherweise sogar aus kompletten Wörtern, während sie sich bei Gelegenheitsschreibern lediglich aus den Informationen von Einzelbuchstaben zusammensetzen. Dieses Postulat ist u. a. belegbar durch experimentelle Ergebnisse von Rabbitt (1978). Hier werden zwischen Fehlererkennung und

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung

-berichtigung ein bis zwei korrekte Buchstaben geschrieben, die als Bestandteil des Engramms zu definieren sind. Rabbitt findet außerdem bei falschen Schriftzeichen eine geringere Anschlagstärke als bei richtigen. Aus diesem Sachverhalt zieht er den Schluß, daß die Schreibfehler bereits vor oder zumindest während ihrer Fertigung erkannt werden. Dies spricht auch für einen parallelen Ablauf der verschiedenen kognitiven und bewegungsphysiologischen Prozesse (Lesen, Speichern, Produzieren, Evaluieren und erforderlichenfalls Korrigieren). Bei der Ausbildung von Engrammen können schreibertypische Fehlkodierungen entstehen und zu Tippfehlern führen, die sich bei bestimmten Buchstabenkombinationen ständig wiederholen. Sofern es sich um einfache Vertauschung in der Reihenfolge der Schriftzeichen handelt, nennt Huber (1993, 86) sie „Antizipationsfehler“.

3.

Forensische Maschinenschriftuntersuchung

3.1. Allgemeine Grundlagen In der Praxis bedienen sich einschlägige Organe wie Staatsanwaltschaften, Gerichte, Rechtsanwälte oder auch Privatpersonen zur Entscheidungsfindung in juristischen Verfahren der Sachkunde von Experten, die ihnen in Form von Gutachten die erforderlichen Informationen liefern. In der Regel liegt dabei fragliches bzw. strittiges Schriftmaterial vor, dessen Urheber zunächst unbekannt ist. Schreiber oder Schriftstück stehen mit einer Straftat in Verbindung bzw. sind für die Sachaufklärung in zivilen Rechtsstreitigkeiten von Belang. Gleichzeitig sind ein oder mehrere Vergleichsschreiben vorhanden, bei welchen das Schreibgerät oder die schreibende Person feststehen und die mit der zu begutachtenden Schrift in Verbindung gebracht werden sollen. Dabei kann die Prüfung in zwei methodisch völlig verschieden strukturierte Arbeitsgebiete gegliedert werden, die Identifizierung des Schreibgerätes einerseits und die Ermittlung der schreibenden Person andererseits. Bei der Prüfung im Hinblick auf Schreibmaschine, Kugelköpfe, Typenräder oder Drukker ist in der Regel zuerst eine Systembestimmung der Schriftzeichen erforderlich. Hierbei werden Fabrikat und Herstellungszeitpunkt des Schreibgerätes festgelegt und die Schriftzeichen-Grundformen ermittelt. Anhand von

1059

Abweichungen zwischen diesen Grundformen und denjenigen im untersuchten Schriftbild sind individuelle Charakteristika zu bestimmen. Solche Merkmale werden insbesondere von Reliefbrüchen an den peripheren Teilen der Schriftzeichen hervorgerufen oder lassen sich auf besondere Anschlagsmerkmale zurückführen, die durch Defekte in der Mechanik eine unpräzise Positionierung bewirken. Damit ist über den Gerätetyp hinaus die einzelne Schreibmaschine als Schriftquelle zu identifizieren. Naturgemäß sind solche Besonderheiten bei älteren mechanischen Maschinen ungleich häufiger vorhanden und entsprechend leichter zu eruieren, während sich bei Produkten, die mit neueren Druckergenerationen gefertigt sind, die Analysen wesentlich schwieriger, häufig sogar erfolglos gestalten. Für diesen Arbeitsbereich bedarf es vor allem physikalischer Grundkenntnisse, Erfahrung im Umgang mit physikalisch-technischen Geräten und mit einschlägigen Schriftsystem-Sammlungen. Im zweiten Arbeitsschwerpunkt der forensischen Maschinenschriftuntersuchung ist anhand vorliegender Schriften der Urheber festzustellen. Auch hierbei ergibt sich hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades der Untersuchungen ein Gefälle zwischen Texten, die auf mechanischen (Typensegment), elektrischen (z. B. mit auswechselbarem Kugelkopf oder Typenrad) bzw. elektronischen (Speicherschreibmaschinen, Rechner) Herstellungsverfahren beruhen. Die Urheberidentifizierung ist wiederum in zwei Bereiche zu untergliedern. Die Schreiberidentifikation im engeren Sinne setzt sich mit der Frage auseinander, ob eine bestimmte Person das Schreibgerät bedient hat. Ihr steht die linguistische Textanalyse gegenüber, in welcher nach dem Verfasser eines Textes gefragt wird. Forensisch relevante Merkmale beziehen sich bei der Schreibererkennung einerseits auf die formale Gestaltung von Texten und andererseits auf Hinweise über besondere Verhaltensweisen beim Schreiben. Bei der Feststellung des Verfassers stehen vor allem Komponenten der in schriftlicher Form geäußerten Sprache im Vordergrund. Eine eindeutige Trennung zwischen Schreiber und Verfasser ist allerdings nicht möglich, da sie entweder identisch sein können, der Schreiber Verfassermerkmale kopieren kann, und schließlich viele Merkmale beiden Kategorien zuzurechnen sind. Ausschließlich auf den Textverfasser zurückzuführen sind nur komplexere linguistische Merkmale. Dem

1060

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Schreiber zugeordnet werden hingegen nur diejenigen Komponenten, die Hinweise auf die Bedienung des Schreibgerätes enthalten. Die Orientierung an Regeln der Rechtschreibung und Interpunktion ist dann schreiberspezifisch, wenn der Text nach Diktat entstand. Das Text-Layout kann insofern in weiten Teilen Verfassermerkmale enthalten, als eine schriftliche Textvorlage abgeschrieben worden ist. Unter Berücksichtigung der forensischen Praxisrelevanz reduzieren sich Schreiber- und Verfassermerkmale naturgemäß auf solche Komponenten, die sich im Nachhinein aus dem fertigen Schriftstück rekonstruieren lassen. Eine objektive Auswertung von OnlineKriterien des Schreibvorganges ist in praktischen Fällen kaum möglich. Verhaltensmerkmale, die nur während des Schreibaktes erfaßt werden können, sind für die Praxis irrelevant. Unter anderem müssen in diesem Zusammenhang viele psychologische und neurophysiologische Aspekte der Schreibhandlung angeführt werden, deren Bedeutung für die Maschinenschriftexpertise damit vermindert ist. Zur vergleichenden Analyse bedarf es neben materialkritischen Vorprüfungen und routinemäßigen physikalisch-technischen Untersuchungen der Bestimmung der Variationsbreite von Schreiber- und Verfassermerkmalen, die sich aus dem Vergleichsschriftmaterial eruieren lassen. Sodann ist festzustellen, ob die auswertbaren Befunde der fraglichen Schrift innerhalb der habituellen Ausprägung der Vergleichsmerkmale liegen. Sind nicht-erklärbare Diskrepanzen zwischen beiden Schriften nachzuweisen, ist die Urheberidentität auszuschließen. Aus der Übereinstimmung aller Befunde zwischen beiden Schriften läßt sich umgekehrt eine mehr oder minder hohe Wahrscheinlichkeit für die Identität beider Schreiber herleiten. Die Spezifität der Einzelmerkmale ist abhängig von der Häufigkeit, mit welcher sie in der schreibenden Gesamtpopulation vorkommen bzw. vom Grad der Abweichung von einschlägigen Regeln. Die Häufigkeit ist nur annähernd einzuschätzen. Weitere, zum Teil schwer erfaßbare Determinanten verhindern die Bestimmung des Individualitätsgrades allein aus der Distanz zu Normvorgaben. Analog zu den meisten menschlichen Verhaltensweisen kann auch beim Maschinenschreiben nur von einer relativen Konstanz der einzelnen Komponenten ausgegangen werden. Je geringer die intraindividuelle

Streubreite bzw. je größer die interindividuelle Variabilität eines Merkmals ist, desto höher ist seine Wertstärke innerhalb der Befundkonfiguration. 3.2. Maschinen- und Handschriftuntersuchung Zwischen der Schreibererkennung aus Maschinen- und Handschriften (→ Art. 87) bestehen Berührungspunkte, obwohl sich die spezifischen Verhaltensweisen zur Bedienung der Schreibgeräte aus sehr unterschiedlichen Komponenten zusammensetzen. Beide Schreibarten zählen zwar zu den feinmotorischen Fähigkeiten, Maschinenschreiben ist aber in der Bewegung der Endglieder undifferenzierter. Die einzelnen Arbeitsschritte können beim Maschinenschreiben problemlos voneinander getrennt werden. Beim Schreiben mit der Hand sind dagegen komplexere Sequenzen miteinander verbunden, die willkürlich nicht beliebig unterbrochen werden können, ohne daß dies sich auf das Schriftbild auswirkt (→ Art. 86). Störungen in der Feinabstimmung der Schreibfinger für Auf-, Ab-, Seitwärts- und Rotationsbewegungen sind im fertigen Maschinentext kaum erkennbar. So schlagen sich neurologische, arthritische, rheumatische Erkrankungen oder exogene Intoxikationen (z. B. Einflüsse von Psychopharmaka, Alkohol und Drogen) erst in einem erheblich weiter fortgeschrittenen Stadium und in einem geringeren Ausmaß auf das Schriftbild nieder. Auch die Dynamik der Schreibbewegungen kann anhand des vorliegenden Schriftbildes nur partiell nachvollzogen werden. Für die Schreibgeschwindigkeit gibt es beispielsweise kaum Indikatoren. Bei Handschriftanalysen stehen dagegen gerade bewegungsdynamische Prozesse im Vordergrund, die es beim Maschinenschreiben nicht gibt, bzw. die kaum zu rekonstruieren oder aber weitgehend standardisiert sind. Psychophysiologische Unterschiede zwischen beiden Schreibarten beziehen sich im wesentlichen auf die verschiedenartige Schreibhaltung und die Beteiligung anderer Endglieder. Flüssiges Maschinenschreiben fordert darüberhinaus eine höhere Fingerfertigkeit, gute Beweglichkeit und Koordinationsfähigkeit beider Hände und damit auch beider CortexHemisphären. Eine schreibungewohnte Hand im engeren Sinn gibt es beim Maschinenschreiben nicht. Die Händigkeit dürfte sich insbesondere bei geübten Schreibern wenig auswirken. Allen-

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung

falls bei geringerer Schreibfertigkeit ohne den Einsatz aller zehn Finger wird die dominante Hand eine größere Anzahl von Schriftzeichen schneller und präziser herstellen. Auf der Merkmalsebene sind beide Disziplinen hingegen kaum miteinander verknüpft. Allenfalls in der Gliederung der verfügbaren Schreibfläche gibt es partiell ähnliche Erfassungs- und Auswertungsmodalitäten. Die Identifizierung von Maschinenschreibern ist in der Regel weniger effizient als die Urheberermittlung aus Handschriften. Aufgrund der Tatsache, daß viele Einzelbewegungen keiner im Nachhinein nachvollziehbaren interindividuellen Variabilität unterliegen, sind eindeutig interpretierfähige Befunde selten. Dagegen lassen sich die Merkmalsbereiche in Maschinenschriften mitunter klar gegeneinander abgrenzen und kategorisieren. Dieser Sachverhalt erlaubt eine objektivere Erfassung von Einzelmerkmalen und eine bessere Beurteilung ihrer Spezifität. Viele Befunde sind eindeutig vorhanden, können gemessen oder gezählt werden bzw. fehlen vollständig. Kontinuierlich verteilte Merkmale oder schwer interpretierbare Varianten existieren hingegen nicht. Damit sind die Voraussetzungen für eine formale Wahrscheinlichkeitsbestimmung bei den Schlußfolgerungen aus Maschinenschriften günstiger als bei Handschriften. Im Zusammenhang mit der Schreibgeübtheit ergibt sich ein weiterer Unterschied zwischen beiden Fachbereichen. Handschriften enthalten umso mehr individuelle Eigenheiten, je weiter sie sich von der Schulvorlage fortentwickelt haben. Bei Maschinenschriften ist dies genau entgegengesetzt, da sich die Schreibermerkmale mit zunehmender Schreibfertigkeit vereinheitlichen. 3.3. Maschinenschriftuntersuchung und Linguistik Hervorgerufen durch die Erkenntnis, daß es in den forensischen Wissenschaften generell einer zunehmenden Spezialisierung bedarf, und unterstützt durch die erfolgreiche Arbeit linguistischer Experten in einigen spektakulären Gerichtsfällen (vgl. hierzu Jöns 1982) kristallisierte sich in den vergangenen Jahren eine eigenständige „Forensische Linguistik“ heraus (Kniffka 1990). Zwischen häufig komplexen und mit abstrakten Inhalten und Methoden operierenden Stilanalysen einerseits und der Erhebung

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und Bewertung von isoliert erfaßbaren Schreibergewohnheiten andererseits sind fließende Übergänge anzunehmen. Für die Identifizierung von Autoren langer und schwieriger Texte sind zweifellos fundierte linguistische Kenntnisse, eine gründliche Ausbildung und ein hohes Maß an praktischer Erfahrung unumgänglich. Aus der Sicht der Schriftexpertise wurde von Michel (1992, 39) eine Stellungnahme vorgelegt, in welcher eine Abgrenzung beider Disziplinen vorgeschlagen wird. Er vertritt die Auffassung, daß Schriftsachverständige die vergleichende Untersuchung von Rhetorik, Syntax, Grammatik und Wortschatz nicht vornehmen dürfen. Im Zusammenhang mit der Trennung der Kompetenzen postuliert Michel aber eine „kleine Orthographie“, innerhalb deren Grenzen sich Schriftsachverständige gutachterlich äußern sollen. Für die Einschätzung der Individualität mancher Besonderheiten in Rechtschreibung und Zeichensetzung erscheint danach gerade der Schriftsachverständige kompetent. So sind Varianten häufig vorkommender Wörter oder Abkürzungen in den Ausfüllschriften von Formularen anzuführen, mit denen der Praktiker oft konfrontiert ist oder gar umfangreiche Referenzsammlungen in Anspruch nehmen kann. Sofern die Interpunktion nicht spezifisches Stilmittel ist, kann sie nach Michel (1992, 40) als „kleine Interpunktion“ behandelt werden. Die Aufzählung adäquater linguistischer Befunde in Schriftvergleichsgutachten ⫺ gleichgültig ob hinsichtlich Hand- oder Maschinenschriften ⫺ erscheint demnach durchaus berechtigt. Inwieweit sie sich auch in der Befundbewertung niederschlagen dürfen, ist aber nicht generell festzulegen. Grundsätzlich ist jedem Schriftsachverständigen zu empfehlen, Sprachgewohnheiten, Rechtschreibung, Interpunktion und Stilelemente zurückhaltend zu behandeln.

4.

Richtlinien zum Maschinenschreiben

Die Ausbildung in Maschinenschreiben wird in der Bundesrepublik von berufsbildenden Schulen, in zunehmendem Maße jedoch auch in Form von Arbeitsgemeinschaften (z. B. an Realschulen, Volkshochschulen, Abendakademien) und vom Deutschen Stenographenbund angeboten. Fortbildungsmöglichkeiten bestehen in intensivem Training bzw. bei

1062

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Wettbewerben. Prüfungen werden bei den Industrie- und Handelskammern abgelegt, die spezielle Ausschüsse dafür eingerichtet haben. Deren Aufgabe besteht u. a. darin, die Prüfungskriterien (insbesondere für Schreibgeschwindigkeit und Fehlerzahl) festzulegen. Wichtigstes Ziel der Ausbildung ist es, Blindschreiben im Zehnfingersystem zu vermitteln. Die Schüler sollen bereits von Anfang an den Blickkontakt zur Tastatur und auch zum Schriftträger vermeiden und sich ausschließlich an der Textvorlage orientieren. Die Schreibbewegungen müssen einem gleichmäßigen Rhythmus unterliegen, dessen Frequenzen kontinuierlich verkürzt werden. Pausen zwischen Anschlägen sind so lang, wie es zur Herstellung des schwierigsten Zeichens erforderlich ist. Lautes Mitsprechen soll die Konsolidierungsprozesse fördern. Zahlreiche Richtlinien werden von einem dafür konstituierten Gremium festgelegt (Normenausschuß „Bürowesen“ (NBü) im Deutschen Institut für Normung e. V.), um die Textgestaltung, den Umgang mit dem Schreibgerät und sogar dessen technische Details zu vereinheitlichen. Erklärte Ziele solcher Normierungen sind weiterhin, die gute Lesbarkeit der Schrift zu gewährleisten, den Schreibvorgang so rationell wie möglich sowie Schriftstücke zweckmäßig und übersichtlich zu gestalten. Die Regeln beziehen sich u. a. auf Normtastaturen für die alphanumerische Anordnung der Schriftzeichen handelsüblicher Büromaschinen (früher DIN 2127, in DIN 2137 wurde die Tastenbelegung der Sonderzeichen geändert). Für die Buchstabenformen, die Kennzeichnung der Schreibund Funktionstasten mit Symbolen sowie die Orientierung für textverarbeitende Systeme existieren weitere DIN-Vorschriften. Die Belegung der einzelnen Tasten mit Schriftzeichen orientiert sich u. a. an deren Häufigkeit in der jeweiligen Sprache. Oft vorkommende Buchstaben werden so plaziert, daß sie von den beweglichsten Fingern bedient werden und bequem aus der Grundstellung beider Hände zu erreichen sind. Die Tastaturen für verschiedene Sprachen unterscheiden sich daher zum Teil in ganz erheblichem Ausmaß. Die erste Normierung („Universal KeyBoard“) wurde 1888 in Toronto für die englische Sprache beschlossen. Da im Deutschen das „Y“ nur selten vorkommt, hat man dessen Tastaturposition mit dem „Z“ getauscht. Analog zur Buchstabenabfolge werden die Systeme mit den Bezeichnungen „QWERTY“

und „QWERTZ“ voneinander differenziert. Neben der Häufigkeit der Buchstaben besteht ein weiterer Grund für nationale Unterschiede in der Tastaturanordnung verschiedener Sonderbuchstaben oder -zeichen. Die Belegung der Zweitzeichen über den Ziffern und die Zeichen der drei Tasten im rechten Bereich der unteren Tastaturreihe unterscheiden sich international in ganz erheblichem Ausmaß. Allgemeine Grundlage für die einheitliche Anwendung von Schriftzeichen ist DIN 5008. Für einzelne Bereiche wurden weitere Normen festgelegt. So regeln DIN 676 die Gestaltung von Geschäftsbriefen, DIN 1355 Zeit, Kalender, Wochennumerierung, Tagesdatum, Uhrzeit und DIN 1422 Veröffentlichungen aus Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Verwaltung. Die Normen werden dem technischen Fortschritt oder dem Wandel von Konventionen angepaßt bzw. auch aus Rationalisierungsgründen modifiziert. Schreibernormen wurden 1949, 1951, 1963, 1975 und 1987 in Teilen geändert. Die Einführung neuer Postleitzahlen oder Probleme im Zusammenhang mit der Postzustellung haben beispielsweise Normänderungen bewirkt. 1987 wurde der Rechtsrand verbreitert, die Grußzeile wurde an den Linksrand verlegt und eine neue Schreibweise des Datums vorgeschlagen. Durch die Internationalisierung einiger Normen ergaben sich weitere Korrekturen. Nachdem DIN-Formate der A-Reihe nunmehr ISO-Formate sind, wurde z. B. „DIN A 4“ zu „A4“. (In Anlehnung an den Duden wird auf das Leerzeichen zwischen „A“ und „4“ verzichtet.) Für Orthographie und Zeichensetzung wird die jeweils neueste Auflage des Rechtschreib-Dudens empfohlen. Die Regeln für normiertes Maschinenschreiben weichen aber in einzelnen Bereichen hiervon ab. Als Ursache werden besondere Erfordernisse angeführt, die sich aus der Tastaturanordnung der Schriftzeichen ergeben, während sich der Duden an den „Vorschriften für den Schriftsatz“ orientiert (DIN Deutsches Institut für Normung e. V. 1987, 1). Auch wenn nur sehr wenige Maschinenschreiber regulären Schreibunterricht oder gar einschlägige Prüfungen absolviert haben, kann davon ausgegangen werden, daß sich zumindest versiertere Schreiber an vorgegebenen Regeln orientieren. In der forensischen Untersuchung von Maschinenschreibern haben damit die einschlägigen Richtlinien (insbesondere gilt dies

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung

für DIN 5008) eine ähnliche Bedeutung wie die Schulvorlage bei den Handschriften. Je deutlicher Schreibweisen von den vorgeschriebenen Normen abweichen, desto höher ist im allgemeinen ihre Spezifität und damit ihre Wertstärke in der forensischen Begutachtung.

5.

Variationsquellen für Schreibermerkmale

5.1. Intraindividuelle Variabilität Die inhaltliche Gestaltung von Texten ist intraindividuell so variantenreich, daß Verfassermerkmale meist weniger aussagekräftig sind. Bei Schreibermerkmalen ist ebenfalls eine stabile Habituation kaum anzunehmen, die Variationsbreite innerhalb eines Schreibers scheint aber deutlich geringer als bei Verfassermerkmalen. Merkmalsdiskrepanzen zwischen Texten sind nicht grundsätzlich als identitätsverneinend anzusehen, sondern können gegebenenfalls mit verschiedenen Entstehungsalternativen erklärt werden. Abweichende formale Bedingungen des Schriftträgers (wie Papierformat oder Vordruck) beeinflussen u. a. Randgestaltung und Zeilenabstand. Charakteristika der Schreibmaschine führen beim Wechsel des Schreibgerätes zu Unterschieden. Wird eine ungewohnte Maschine benutzt, muß Eigenschaften der Tastatur (Größe und Elastizität der Tasten, Anordnung der Sonderzeichen, elektrische vs. mechanische Schreibmaschine und dgl.) ein Effekt zugeschrieben werden. Schreibermerkmale sind erheblichen motivationalen Einflüssen unterworfen. So unterscheidet sich ein mit Schreibmaschine erstellter Lebenslauf z. B. deutlich von einer sorglos hingeworfenen Notiz zur eigenen Erinnerung an einen Termin. Die Gestaltung eines Geschäftsbriefes wird in Form und Inhalt erheblich von einem vertraulichen Schreiben des gleichen Schrifturhebers abweichen. Krankheiten, Verletzungen, Alkohol, Drogen und Medikamenten müssen ebenfalls Auswirkungen auf Schreibermerkmale eingeräumt werden. Liegen größere Zeiträume zwischen der Herstellung verschiedener Schreibleistungen, können Lern- und Übungseffekte, Normänderungen oder der Wandel von Konventionen effektiv werden. Eine gewollte Änderung von Bedienungsgewohnheiten mit dem Ziel, eine Identifizierung der Urheberschaft zu erschweren oder

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auszuschließen, kann ebenfalls zu einer Variabilität beitragen. Verstellungsspezifische Modifikationen der Schreibermerkmale sind meist mit der Abwendung von einschlägigen Regeln verbunden. Eine Annäherung an die Normen ist als Entstehungsalternative „willkürliche Variation in Verstellungsabsicht“ wenig wahrscheinlich. Während insbesondere bei anonym erstellten Schreibleistungen oder Erpresserbriefen häufig das Schreibgerät gewechselt wird, sind bewußte Verstellungen von Schreibermerkmalen eher selten. Auch im Vergleich zur Handschriftuntersuchung ist das Problem „Verstellung“ weniger relevant. Formale Prinzipien der Texterstellung scheinen weniger aufmerksamkeitsbezogen. Möglicherweise halten schreibende Straftäter eine Identifizierung ihrer Urheberschaft über Schreibermerkmale für ausgeschlossen. 5.2. Interindividuelle Variabilität Übereinstimmungen in Schreibermerkmalen zwischen verschiedenen Schreibleistungen sind nicht generell als Hinweise auf Urheberidentität zu werten, sie können auch mehr oder minder zufällig bei verschiedenen Schreibern zu belegen sein. Bestimmte zeitoder gruppenimmanente Konventionen führen ebenfalls zu ähnlichen Merkmalsausprägungen. Seltener können Merkmalsanalogien auf der gut umgesetzten Nachahmungsabsicht eines Dritten beruhen. Hierzu zählen auch die von Ermittlungsbeamten erhobenen, mit dem zu prüfenden Material format- und textidentischen Schriftproben, die zu Vergleichszwecken hergestellt werden. Bei der interindividuellen Variation von Schreibermerkmalen sind für den Maschinenschriftexperten insbesondere die Schreibgewandtheit und die Kenntnis der Richtlinien von Bedeutung. Legien (1985, 45) findet zwar diesbezüglich eine hohe Stabilität und eine sehr gute Zuordnungsrate urheberidentischer Schriften weitgehend unabhängig vom Grad der Fertigkeit der Schreiber. Bestimmte Fehlerarten werden nach seiner Meinung ganz unabhängig von der Schreibgeübtheit gemacht. Trotzdem sollte hinsichtlich der Häufigkeit und Verteilung von Schreibermerkmalen zwischen Anfängern, Autodidakten und Berufsschreibern differenziert werden. Mit zunehmender Übung sinkt die Wahrscheinlichkeit, einen Schreiber zu identifizieren. Dieser Schluß läßt sich vor allem aus den experimentellen Ergebnissen von Grudin (1984) und den Schreibfehleranalysen von Huber (1993) ableiten. Die Abbildungen 89.1 und 89.2 de-

1064

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Abb. 89.1: Unbefangen entstandener „Geschäftsbrief“ eines angeblichen Immobilienmaklers

Abb. 89.2: Erpresserbrief ohne verwertbare Merkmale

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung

monstrieren ebenfalls anschaulich, daß die Erfolgsaussichten der Urheberidentifizierung in ganz erheblichem Ausmaß von der Gewandtheit des Schrifturhebers abhängen. Der „Geschäftsbrief“ eines angeblichen Immobilienmaklers enthält zahlreiche auswertbare Besonderheiten; im Erpresserbrief fehlen hingegen individuelle Merkmale weitgehend. Es kann vermutet werden, daß sich das Gefälle in der Schreibgeübtheit bei jüngeren Schreibern etwas nivelliert hat. Möglicherweise ist der vermehrte Umgang mit Computern hierfür ursächlich. Da die Layout- und Textgestaltung in beliebiger Form modifiziert werden kann, läßt sich aber aus Textverarbeitungs-Produkten der Grad der Gewandtheit nicht mehr unmittelbar rekonstruieren. Besondere Schreibgewohnheiten können auch dann weit verbreitet sein, wenn sie den von Normausschüssen empfohlenen Richtlinien nicht entsprechen. Die Individualität von Schreibermerkmalen läßt sich daher nicht allein aus der fehlenden Normkonformität herleiten. Grundsätzlich ist nicht alles streng reglementiert, mitunter bestehen mehrere Wahlmöglichkeiten. Viele Normvorschriften sind kaum bekannt oder unpopulär, so daß sie nicht umgesetzt werden. Regeländerungen werden nicht unmittelbar berücksichtigt, sondern erst nach und nach übernommen. Hieraus läßt sich auch eine altersabhängige Variation von Schreibermerkmalen ableiten. Ältere Schreiber orientieren sich nicht selten an ihren früher erlernten, in der Zwischenzeit modifizierten Normen. Trotz ähnlicher Normierung können sich national unterschiedliche Gewohnheiten herausbilden. Die in Zf. 4 erwähnte Verkürzung der Schreibzeile wurde beispielsweise von der Schweiz nicht eingeführt, was als Ursache für einen dort durchschnittlich schmäleren Rechtsrand gelten kann. Darüber hinaus können sich „normabweichende Schreibergewohnheiten“ herausbilden, die nur für bestimmte Teilpopulationen charakteristisch sind. Hier wäre beispielsweise an besondere Berufsgruppen zu denken, die durch die häufigere Verwendung spezieller Formulare, Karteikarten, den Umgang mit Taschen- oder Tischrechnern oder durch den Gebrauch einer speziellen Fachterminologie einen gleich gerichteten Habitus entwikkeln. So wird von Legrün (1961, 160 ff) ein Fall dargestellt, in welchem in Österreich im öffentlichen Dienst übliche Abkürzungen zur Urheberidentifizierung beigetragen haben.

1065

Spezialtastaturen, die auf einen besonderen Bedarf zugeschnitten sind, vermögen die Ausbildung gruppenspezifischer Schreibermerkmale ebenfalls zu fördern. Solche Tastaturen wurden beispielsweise für Techniker, Buchhalter, Angehörige der Bundesbahn und sogar für Zahnarztpraxen entwickelt.

6.

Schreibermerkmale

Die Merkmale, die sich zur Personenidentifizierung aus Maschinenschriften eignen, lassen sich nur schwer systematisch untergliedern. Im folgenden wird in Bedienung und Textgestaltung differenziert. Der Bedienung zugerechnet werden dabei diejenigen Merkmale, die auf manuelle Aktivitäten während des Schreibens zurückzuführen sind. In den gestalterischen Komponenten sind Layout, Orthographie und Interpunktion zusammengefaßt. 6.1. Bedienungsmerkmale Sofern genügend Schreibtext zur Verfügung steht, lassen charakteristische Tippfehler gelegentlich Rückschlüsse über die Bedienung des Schreibgerätes zu. Dabei sind vor allem Hinweise auf den Grad der Schreibfertigkeit möglich. Bei Gelegenheitsschreibern sind überwiegend zufällig verteilte Fehlgriffe zu konstatieren. Beim Zweifingersystem mit Blickkontakt zur Tastatur werden andere Fehler auftreten als beim Einsatz aller Finger ohne Tastatur- oder Schriftträgerkontrolle. Die Erreichbarkeit der Schriftzeichen aus der Grundstellung heraus ist ungleich. Der Weg der Schreibfinger zu den Umlauten und den Ziffern bzw. Sonderzeichen in der oberen Tastenzeile ist länger, sie werden seltener benutzt und sind damit schwieriger. Beim Blindschreiben kann nur der kleine Finger in der Grundstellung verbleiben. Griffehler sind daher in der Ziffernreihe häufiger zu erwarten. Nimmt eine Hand die falsche Grundstellung ein, so werden von ihr eine ganze Reihe falscher Schriftzeichen hergestellt, die sich mit den richtigen der anderen Schreibhand vermischen. Bei Textverarbeitungssystemen ist diese Fehlerart zu beobachten, wenn für besondere Steuerzeichen oder zum Bedienen der Maus die Grundstellung verlassen werden muß. Trainierten Zehnfingerschreibern unterlaufen immer wieder die gleichen, auf die in Kap. 2.2. beschriebenen kognitiven Fehlkodierungen zurückgehenden Tippfehler. Da sie intraindividuell als ausgesprochen stabil gel-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ten können, während bei verschiedenen Schreibern eine große Variabilität zu konstatieren ist, eignen sie sich sehr gut zur Urheberermittlung. Charakteristische Fehlerarten sind in diesem Zusammenhang nach Grudin (1984, 128 ff) hinzugefügte Buchstaben („mionutes“ statt „minutes“, „smaell“ statt „smell“), Auslassungen („ additonal“ statt „ additional“) und Verwechslungen („papper“ statt „pepper“). Besonders häufig sind Buchstabendreher („imporve“ statt „improve“), die bevorzugt beim Wechsel zwischen beiden Händen auftreten. In Buchstaben-Kombinationen, die mit einer Hand zu schreiben sind, lassen sie sich dagegen nur selten belegen. Es wird außerdem von der systematischen Verwechslung der Schreibhand jedoch unter Aktivierung des korrekten Schreibfingers berichtet (Huber 1993, 87). Diese Fehlerart hält Huber besonders für den Ringfinger für charakteristisch und nennt sie daher gemäß der Tastaturbelegung „S/L-Verwechslung“. Wenn beide Hände gleichzeitig agieren müssen, kommt es häufig zu Koordinationsfehlern. Beim Umschalten zu den Zweitzeichen entstehen bei mechanischen Schreibmaschinen sog. „Fluchtbuchstaben“, wenn die Umschalttaste zu früh oder zu spät betätigt wurde. Bei zu lange fixierter Umschaltung erscheint der einer Majuskel folgende Anschlag ebenfalls als Großbuchstabe. Zeige- und Mittelfinger entfalten die höchste Kraft. Bei mechanischen Schreibmaschinen weisen die von ihnen gefertigten Schriftzeichen daher oft tiefere Prägespuren und stärkere Schreibmittel-Einfärbungen auf als die mit dem schwächeren Ringfinger hergestellten Schriftzeichen. Die scharfkantigen Reliefs von Punkt und Komma erzeugen hingegen aufgrund ihrer geringen Oberfläche auch bei weniger starkem Anschlag relativ tiefe Profile. Versierte Maschinenschreiber reduzieren daher die Anschlagstärke bei diesen Schriftzeichen, um eine tiefere Prägung zu vermeiden. Für die Tilgung von Textteilen ist das Überschreiben mit „x“ oder „X“ weit verbreitet, andere Schriftzeichen („/“, „-“) haben einen höheren Seltenheitswert. Korrekturen werden häufig oberhalb der gestrichenen Schreibstelle eingefügt. Werden Buchstaben mittels Flüssigkorrektur oder Korrekturband abgedeckt bzw. vom Lift-off-System abgehoben, ist der neue Text auch in die frei gewordene Schreibfläche einzufügen. Reicht diese nicht aus, kann bei manchen Schreibmaschinen der Wagenschritt mit Halbschritten ver-

schoben werden. Da für die Gestaltung von Korrekturen vielfältige Alternativen bestehen, sind sie im allgemeinen gut zu verwerten. Handschriftliche Korrekturen oder Textergänzungen eignen sich ggf. auch zur vergleichenden Analyse graphischer Merkmale. Nachdem versierte Schreiber in der Lage sind, Fehler relativ schnell zu korrigieren, können mit Hand eingefügte oder nach Zweiteinspannung produzierte Verbesserungen von Schreibfehlern als Hinweise auf einen Gelegenheitsschreiber gelten. Aus der parallelen Fixierung des Papiers, der Textpositionierung in Vordrucken und bei Zweiteinspannungen lassen sich ebenfalls verschiedene Anhaltspunkte für die Geschicklichkeit des Schreibers im Umgang mit seiner Maschine gewinnen. Manche Schreiber setzen Orientierungsanschläge. 6.2. Merkmale der Textgestaltung In der Regel unterliegt die Randgestaltung einer großen Variabilität. Lediglich wenige, professionell einzustufende Schreiber halten sich hier genau an die Normvorgaben. Sofern das Schreibgerät keinen Blocksatz ermöglicht, kann vor allem auch die Variation des Rechtsrandes als Identifizierungsmerkmal verwertbar sein. Zeilenschaltung und Absatzbildung ⫺ hier insbesondere der Abstand zwischen Absätzen oder Einrückungen an deren Beginn ⫺ lassen insgesamt etwas weniger Raum für eine individuelle Ausgestaltung. Die Hervorhebung einzelner Textteile ist bei mechanischen Schreibmaschinen in Form von Sperrungen, Unterstreichungen oder durch die Anwendung von Blockbuchstaben möglich, bei modernen Geräten kommen Fett- oder Kursivdruck hinzu. Einrückungen können mit Hilfe des Tabulators oder mit Leerzeichen hergestellt, Zentrierungen ausgezählt werden. Durchzählungen sind mit Einrückungen, arabischen oder römischen Ziffern, lateinischen oder griechischen Buchstaben, unter Hinzufügung von einfachen bzw. doppelten Klammern oder mit Spiegelstrichen möglich. Endsummen werden üblicherweise mit dem Gleichheitszeichen, Zwischensummen einfach unterstrichen. Verwertbare Befunde liefert auch die Schreibweise von Überschriften, Anschriften, Anreden, Grußformeln, Seitenzählungen, Silbentrennungen, Fußnoten usw. Bei Michel (1992, 39) werden jeweils sechs Varianten für die Gestaltung des Datums, der Uhrzeit und von Geldbeträgen in Ziffern dargestellt, die Auswahl ließe sich beträchtlich erweitern.

89. Maschinenschreiben und forensische Urheberidentifizierung

Abkürzungen sind im Duden relativ großzügig ausgelegt. Aus diesem Grunde ist auch hier eine größere Variabilität zu erwarten. Zur Verwertung von Orthographie und Interpunktion wurde bereits in Zf. 3.3. Stellung genommen. Bei Huber (1993, 90 f) wird vor allen Dingen auf die unterschiedliche Verwendung von „ß“ und „ss“ sowie auf Eigenheiten im Gebrauch der Umlaute hingewiesen. Schließlich kann die Setzung von Leerschritten vor und nach Satzzeichen, Klammern, Anführungszeichen und anderen Sonderzeichen verschiedenartig erfolgen.

7.

Befundbewertung

Die in der forensischen Begutachtung allgemein übliche Abstufung von Sicherheitsgraden (Michel 1982, 215 ff) eignet sich auch für die Maschinenschriftexpertise. Die im Vergleich zur Handschrift stärkere Standardisierung der Schreibhandlung erbringt aber qualitativ weniger spezifische Einzelmerkmale und im allgemeinen auch eine geringere Gesamtkonfiguration an Befunden. Damit ist ein sicherer Ausschluß der Urheberschaft auf der Grundlage vergleichender Verfahren nur äußerst selten zu rechtfertigen. Nahezu alle denkbaren Diskrepanzen zwischen zwei Schriften sind erklärbar und stellen daher eine Urheberidentität nicht zwingend in Frage. Ein verbindlicher Ausschluß wäre allenfalls dann zweifelsfrei, wenn die motorischen Fähigkeiten oder die Regelkenntnisse einer Person erwiesenermaßen so gering sind, daß sie zur Herstellung normkonformer Texte nicht ausreichen. Aber auch die positive Identifizierung eines Schreibers ist meist nur auf einem geringeren Wahrscheinlichkeitsniveau abzusichern.

8.

Schlußbemerkung

Obwohl die Bewegungen der Endglieder relativ gleichförmig und undifferenziert sind, handelt es sich beim Maschinenschreiben um komplexes menschliches Verhalten, das sich aus vielfältigen, miteinander verknüpften Komponenten zusammensetzt. Im fertigen Produkt lassen sich verschiedene Merkmale bestimmen, die eine Identifizierung des Urhebers erlauben. Zwar ist dies mitunter mit Problemen verbunden. Bei elektronischen Schreibsystemen sind Anzahl und Qualität auswertbarer Kriterien reduziert. Mit der erforderlichen Sorgfalt eingesetzt, vermag die Maschinenschriftexpertise aber dennoch ih-

1067

ren Platz in der forensischen Schriftuntersuchung zu behalten.

9.

Literatur

Baier, Peter E. & Bullinger-Baier, Maria. 1989. Dynamik der Handschrift und neurophysiologische Grundlagen des Schreibens. In: Conrad, Wolfgang & Stier, Brigitte (ed.), Grundlagen, Methoden und Ergebnisse der Forensischen Schriftuntersuchung. Lübeck. DIN Deutsches Institut für Normung e. V. (ed.). 1987. Regeln für Maschinenschreiben. Berlin. Engel, Ulrich. 1993. Möglichkeiten und Grenzen der forensischen Linguistik. Kriminalistik und forensische Wissenschaften 81, 59⫺66. Geschwind, N. & Galaburda, A. (ed.). 1984. Cerebral Dominants: The Biological Foundations. Harvard. Grudin, J. 1984. Identification of Skilled Typists. Journal of the Forensic Science Society 24, 127⫺ 130. Huber, Wolfgang. 1993. Der Umgang mit der Schreibmaschine als Merkmal der Persönlichkeit. Kriminalistik und forensische Wissenschaften 81, 83⫺92. Jöns, Dietrich. 1982. Der philologische Steckbrief. Über den Einsatz der Philologie bei der Täterermittlung. In: Gesellschaft und Universität. Festschrift zur 75-Jahr-Feier der Universität Mannheim. Mannheim. Kniffka, Hannes (ed.). 1990. Texte zu Theorie und Praxis forensischer Linguistik. Tübingen. Legien, Marek. 1985. Zum Bewerten der Ausführungstechnik der Maschinenschrift als Methode der Identifikation des Urhebers. Archiv für Kriminologie 175, 40⫺46. Legrün, Alois. 1961. Ermittlung eines Schrifturhebers auf Grund der Maschinen-Schreibgewohnheiten. Kriminalistik 15, 160⫺162. Michel, Lothar. 1982. Gerichtliche Schriftvergleichung. Berlin. ⫺. 1992. Bewertung von Stil und Schreibung in der Schriftexpertise. Mannheimer Hefte für Schriftvergleichung 18, 38⫺43. Miller, George A. 1956. The magical number seven plus or minus two: Some limits on our capacity for processing information. Psychological Review 63, 81⫺97. Rabbitt, Patrick. 1978. Detection of Errors by Skilled Typists. Ergononimcs 21, 945⫺958. Schmidt, Robert F. & Thews, Gerhard. 1990. Physiologie des Menschen. Berlin. Wildt, Marzella. 1990. Pathologische Veränderungen der Handschrift ⫺ Physiologische Grundlagen und empirische Befunde. Dissertation, Universität Mannheim.

Peter E. Baier, Mannheim (Deutschland)

1068

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

90. Schreiben mit dem Computer 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1.

Entwicklung und Stand maschineller Textsysteme Die „neue“ Qualität maschineller Textverarbeitung Die Textmaschine als flexibles Werkzeug Der Schreibprozeß auf einem Textverarbeitungssystem Die Effizienz rechnerunterstützten Arbeitens Kritische Würdigung und Zusammenfassung Literatur

Entwicklung und Stand maschineller Textsysteme

Die Technologiegeschichte des Wortes ist durch die Schrift, den Druck und durch die Computertechnologie bestimmt (Ong 1987). Dieser (vorerst) letzte technologische Schritt der Entwicklung wurde durch die beliebige Transformation von Informationen, die bislang nur auf dem Papier dargestellt werden konnten, in (digitalisierte) elektronische Signale eingeleitet und eröffnet heute neue Perspektiven für die maschinell unterstützte Textkomposition. Gleichzeitig ergeben sich damit aber auch neue Arbeitsformen im Umgang mit dem Medium Computer bei der Verarbeitung und Gestaltung von Texten (Lenders & Wille´e 1986). Der Beginn der Interaktion zwischen Mensch und Computer war zunächst durch die Einführung von Lochkarten für die Datenein- und -ausgabe geprägt, die die Anweisungen und späteren Ergebnisse enthielten. Im Zuge weiterer Entwicklungen wurde der Anschluß von Fernschreibern an den Computer möglich. Analog zum Prinzip der Schreibmaschine erfolgte eine zeilenorientierte Dateneingabe durch den Benutzer und eine ebenso zeilenorientierte Datenausgabe auf demselben Medium durch den Computer. Neue Perspektiven eröffneten sich durch die Einführung von Bildschirmterminals und bildschirmorientierten Arbeitsplatzrechnern. Durch die bildschirmorientierte Technik wurde es möglich, die Bildschirmoberfläche als zweidimensionale Gestaltungsebene zu benutzen, auf der sich der Benutzer „frei“ bewegen kann. Die sich damit ergebenden Möglichkeiten der Manipulation und Gestaltung von schriftlich fixierten Texten erinnern nur noch ansatzweise an die Arbeitstechnik mit der konventionellen (zeilenorientierten) Schreibmaschine (Helander 1988).

Mit dem Stand der heutigen Technik stehen leichtgängige Tastaturen, moderne Eingabemedien wie Maus oder Rollkugel (Trackball), Ausgabegeräte wie Tintenstrahl- oder Laserdrucker und verbesserte Bildschirme (z. B. DIN A4-Bildschirme) mit graphischen Möglichkeiten zur Darstellung unterschiedlicher Schrifttypen, -größen und Stilarten sowie Digitalisierungstechniken (Scanner) zur Integration von Graphiken, Zeichnungen und Photos in den Text zur Verfügung (Balzert, Hoppe, Oppermann, Peschke, Rohr & Streitz 1988). Der Funktionsbereich heutiger PC-Computersysteme reicht über rein textbezogene Aufgaben hinaus und arbeitet zunehmend mit der Metapher des Schreibtisches (Desktop) oder Büros auf dem Bildschirm. Der aktuelle Trend favorisiert die graphische Benutzeroberfläche (Windows-Oberfläche), die ein Dokument aus Text und Bildern oder einen Schreibtisch symbolisieren kann, auf dem Texte, Dateien, Programme, Dokumente und Ordner als beliebig plazierbare Ikonen (Piktogramme) dargestellt werden können. Auf der Windows-Oberfläche lassen sich in getrennten Fenstern mehrere Applikationen gleichzeitig öffnen, so daß der aktuelle Anwendungskontext nicht mehr beendet werden muß, um ein neues Programm zu starten. Die Benutzerschnittstellen der verschiedenen Applikationen sind dabei ähnlich und untereinander (z. B. für den Datenaustausch) kompatibel (Helander 1988).

2.

Die „neue“ Qualität maschineller Textverarbeitung

Mit dem Verfahren der elektronischen Textverarbeitung lassen sich zahlreiche Aufgaben der Manipulation von sprachlichen Daten ausführen: die Texterfassung, das Editieren oder Gestalten (Löschen, Einfügen, Überschreiben, Kopieren, Ausschneiden, Verschieben, Formatieren), der Druck und die Verwaltung von Texten. Mit der sofort veränderbaren Speicherung von Texten im Hauptspeicher des Rechners erhalten Änderungsprozesse wie Löschen oder Einfügen eine unmittelbare Wirkung (Schanze & Kammer 1986). Darüberhinaus ist ein nicht-lineares Lesen möglich, also die kritische Arbeit am Text. Das maschinelle Suchen und Ersetzen von

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90. Schreiben mit dem Computer

Textstellen wird unterstützt. Textsprünge nach Seiten- oder Kapitelvorgaben erlauben die selektive Wahl bestimmter Textpassagen. Texte können aus einzelnen separaten Textteilen erstellt (Importieren) oder als neuer Textbaustein abgespeichert werden (Exportieren). Durch spezielle Formatangaben (für Schriftarten und Schriftgrößen, zur Ausrichtung des Textes, für die Kopf- und Fußnotenverwaltung, für die Gliederungsautomatik und zur Bildung von Indizes) wird schließlich eine einfache Textgestaltung erreicht (Biedermann 1984). Durch Nutzung eines gespeicherten Wörterbuches kann eine Rechtschreibprüfung durchgeführt werden. Bei dieser Rechtschreibprüfung wird in mechanischer Abfolge jedes Wort des Textes gelesen, mit dem gespeicherten Wörterbuch auf Kongruenz verglichen und daraus ein diagnostisches Urteil generiert. Allerdings kann eine Rechtschreibprüfung nur signalisieren, daß ein Wort oder dessen grammatikalisches Derivat nicht gespeichert ist. Unberechtigte Anmahnungen sind damit nicht ausgeschlossen, können aber durch Aufnahme unbekannter Begriffe in den Wortschatz reduziert werden. Umgekehrt werden Fehler dann nicht angezeigt, wenn sie zu anderen sinnvollen Worten führen. Die Zuverlässigkeit dieser Korrekturhilfen ist eingeschränkt und ohne semantische Analyse der Textinhalte kaum steigerungsfähig. Die Robustheit von sprachspezifischen Silbentrennungshilfen ist hingegen zufriedenstellend, wenn auch nicht vollkommen fehlerfrei. Einige Programme bieten außerdem die Möglichkeit einer Wahl von Synonymen aus einem sog. Thesaurus und Übersetzungsprogramme für andere Sprachen an (Holdstein 1987). Eine extreme Variante der Korrektursysteme sind (bisher nur englische) Stylechecker, die den sprachlichen Ausdruck korrigieren. Ihr normierendes Wirken scheint bedenklicher als die Unterstützung durch die Rechtschreibhilfe (schlechte Texte werden nach maschineller Unterstützung zu etwas weniger schlechten Texten; Holdstein & Selfe 1990). Die Erstellung des Textseitenbildes wird durch den Rechner ebenfalls verändert. Während Schreibmaschinen gerade das Drucken des aktuellen Zeichens verbergen, erlaubt es der Bildschirm, solche Einschränkungen zu überwinden (WhatYouSeeIsWhatYouGet) und den Text auf dem Bildschirm (graphisch) so darzustellen, wie er später gedruckt auf dem

Papier erscheinen wird (Layout). Allerdings ist die Relation zwischen Bild und Druck nur bei einer adäquaten Druckertechnologie realisiert (Coy 1987). Zur endgültigen Gestaltung des Textes werden Satzsysteme angeboten, die eine buchdruckreife Formatierung von Texten, z. B. für die Erstellung wissenschaftlicher Veröffentlichungen mit mathematischen Formeln, erlauben. Diese Satzprogramme können nahezu alle Aufgaben lösen, die bisher dem traditionellen Beruf des Setzers vorbehalten waren. Eine völlig neue Technik ist die Integration von Bildern in Form von Zeichnungen, Graphiken, Logos oder Photos in Texte (Desktop Publishing): die Seitengestaltung des Manuskriptes durch Text und Bild ist damit technisch möglich geworden (Coy 1988).

3.

Die Textmaschine als flexibles Werkzeug

Als auffälligste Konsequenz der neuen Technologie zeichnet sich ein Verlust an manuellen Elementen und eine zunehmende kognitive Orientierung beim Schreiben mit der Textmaschine ab (Koubek, Salvendy, Dunsmore & LeBold 1989). Der besondere Charakter maschineller Textverarbeitungssysteme verlangt eine neue Form des Umgangs mit diesem Medium, damit derartige Systeme einen sinnvollen und beherrschbaren Werkzeugcharakter erhalten. Den Komfort nutzen zu können bedeutet, die Arbeitstechnik beim schriftlichen Arbeiten grundlegend zu verändern. Eine kognitive Mehrbelastung ist dabei nicht ausgeschlossen, darf aber nicht unabhängig von den Eingangsbedingungen gesehen werden, unter denen das Textverarbeitungssystem eingeführt wird. Auftretende Frustration und Streß, die unter Zeitdruck zwangsläufig entstehen, sind oftmals das Resultat fehlender Vorkenntnisse und unzureichender Übung. Die Relevanz von Trainingsund Lernphasen, die den effektiven Umgang mit dem neuen Medium üben, sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben (Mocker, Mocker & Werner 1990). Mit einer Textverarbeitungssoftware verändern sich die Arbeitsphasen beim schriftlichen Arbeiten grundlegend. Mußte zuvor mit vielen Konzeptstufen gearbeitet werden, können jetzt alle brauchbaren Textteile, einschließlich der ersten Notizen, bei der Endfassung verwendet werden. Mit den Arbeits-

1070

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

techniken ist ein Text auf dem Bildschirm erfaß- und erkennbar und kann als Arbeitsergebnis auf ein wiederbeschreibbares, beliebig revidierbares Medium abgespeichert werden. Der Text wird quasi-immateriell. Bereits bei der Erfassung, solange sich der Text noch im Arbeitsspeicher befindet, können beliebige Umformungen vorgenommen und Erfassungsfehler korrigiert werden. Texte, die einmal erfaßt sind, können immer wieder verwendet werden. Mühelos sind verschiedene Versionen des gleichen Ursprungstextes erstellbar. Die bisher eindeutige Zweckbestimmung des Textes geht dadurch mehr oder minder verloren (Gregor 1987). Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß das konsequente Textverarbeiten am Bildschirm und die Archivierungstechniken nicht nur Arbeitstechniken verändern können, sondern auch eine tiefgreifende synergetische Wechselwirkung zwischen Medium, Form und Inhalt auslösen. Computergestützte Textverarbeitung hat in der Folge auch Auswirkungen auf die Textqualität. Da unmittelbar am Bildschirm korrigiert werden kann, wird u.U. die Toleranzgrenze für Schwachstellen im Text heruntergesetzt (Friedhoff 1982). Der effiziente Einsatz eines textverarbeitenden Systems als Schreibwerkzeug setzt allerdings voraus, daß die Produktwahl bewußt anhand der Kriterien der Aufgabenangemessenheit und Benutzerfreundlichkeit getroffen wird (Piepenburg & Rödinger 1989). Die Produktangemessenheit sollte dabei nicht nur an den aktuellen Bedürfnissen orientiert sein, sondern auch das wachsende Anspruchsniveau des Benutzers und wechselnde Aufgabenanforderungen berücksichtigen. Ein objektives Leistungskriterium zum Produktvergleich läßt sich derzeit dazu nicht angeben. Die Präferenz scheint vielmehr von individuellen Faktoren abhängig zu sein, z. B. der Einfachheit der Bedienung, der Gewöhnung an eine bestimmte Logik der Programmstruktur oder auch von bestimmten routinisierten Arbeitstechniken (Schütt 1983).

4.

Der Schreibprozeß auf einem Textverarbeitungssystem

Jeder Schreibprozeß (handschriftlich wie rechnerunterstützt) ist durch eine erhöhte kognitive Belastung gekennzeichnet. Dies wird vor allem dadurch deutlich, daß selten von einer endgültig festgelegten Repräsentation des Textes beim Autor ausgegangen wer-

den kann. Vielmehr ist diese Repräsentation durch einen ständigen Wechsel von Routine und Problemlöseprozessen gekennzeichnet (Molitor 1984; → Art. 85). Die Unterstützung einer sukzessiven Abhandlung von Problemen kann die kognitive Belastung beim Schreiben reduzieren. Vor allem bei der Textgenerierung kann es durchaus förderlich sein, den Textkörper ohne Rücksicht auf die Textgestaltung oder syntaktische Korrektheit als sog. Fließtext in einem Stück zu erfassen. Bei der computerunterstützten Textverarbeitung kann dieses „Rohmaterial“ dann abgespeichert und später beliebig gestaltet und weiterverarbeitet werden. Die kognitive Repräsentation des intendierten Textes muß nicht sofort vorliegen, sondern kann sich in mehreren Arbeitsschritten interaktiv aufbauen. Der Textkörper, der im Rechner gespeichert ist, kann damit in einer Vielzahl von Formen dargestellt werden. Textcorpus und Text fallen mit dem flexiblen Textmanagement auseinander. Die starre Fixierung des Textes auf dem Papier wird in eine Rechenvorschrift zur Erstellung des Textes umgewandelt und dadurch einer interaktiven Nutzung mittels rekombinierender Algorithmen zugänglich. Typische Algorithmen ermöglichen die Kombination von entfernt liegenden Textteilen. Der determinierte Charakter des linearen Textes, der einen einmal erstellten Text für immer in der Wortfolge festlegt, wird damit prinzipiell auflösbar (Antos & Krings 1989). Nicht nur der eigentliche Schreibprozeß, sondern auch den Schreibprozeß begleitende Aktivitäten können vom Computer unterstützt werden: z. B. die Informationssammlung (Suche nach bibliographischen Quellen mittels Datenbanken), die Textplanung (die Entwicklung und Organisierung von Ideen mit dem Computer als Notizblock) und die Textdurchsicht (automatische Durchsicht des Textes auf syntaktische Fehler etc.). Das Sammeln, Planen, Übersetzen und Durchsehen kann nicht als eine einfache lineare Sequenz betrachtet werden. Stattdessen lösen sich diese Prozesse rekursiv während des Schreibens ab. Jeder Prozeß kann jeden anderen Prozeß während einer Phase des Schreibens aufrufen (Biedermann 1984). Trotz dieser Unterstützungsleistung ist es ein zentraler Tatbestand, daß das Sammeln, Planen, Übersetzen und Durchsehen die Grenzen der kognitiven Leistung und das Arbeitsgedächtnis mit seinen sprachlichen und referentiellen Wissenselementen stark bean-

1071

90. Schreiben mit dem Computer

sprucht. Selbst relativ erfahrene Schreiber empfinden Schreiben als anstrengend. Dieser Eindruck bleibt trotz der Fähigkeiten bestehen, Anforderungen zu reduzieren, indem Subprozesse automatisch ausgeführt werden, nur ein Prozeß zur Zeit fokussiert wird und externe Repräsentationen benutzt werden, um die Auslastung des Arbeitsgedächtnisses zu verringern (Boscolo 1989). Ohne Frage bringt die sog. Informationsexplosion Schwierigkeiten für die Informationssammlung auf der einen Seite und für unterstützende Hilfstechniken auf der anderen Seite mit sich. Eine Zusammenfassung des gesamten Schreibprozesses in Planungs-, Ausführungsund Evalutionsphase zeigt die graphische Übersicht und wird im folgenden eingehend erläutert (Abb. 90.1).

Arbeitsphasen

Planung

4.1. Planungsprozesse Bei der Textgenerierung wird der eigentliche Schreibvorgang durch Planungsprozesse eingeleitet, dessen Resultat in einem Strukturierungsmodell (Konzept) für den Text mündet. Planungsprozesse sind dabei keine zeitlich vorgelagerten Vorbereitungsaktivitäten, sondern finden sich in jeder Phase des Schreibprozesses wieder (Molitor 1984). Spezielle Computerunterstützungen für Planungsprozesse (Idea Processors) sind derzeit nur auf dem amerikanischen Markt verfügbar und werden dort kontrovers diskutiert (Holdstein & Selfe 1990). Allgemein kann zur Organisierung von Ideen die zeitabhängige Methode der Skizzenerstellung (Outlines) eingesetzt werden. Jedes Textverarbeitungsprogramm erlaubt es

Schreibprozeß

Rechnerunterstützung

Hypothesen

Idea Processors

Materialsammlung

Pläne

Dateiverwaltung (Literatur-) Datenbank

Konzepte Notizen Skizzen

Texteditor

Gliederung Materialstrukturierung

Textverarbeitung

Ausführung

Formulierung

Texterfassung Fließtext Editieren

Textpassagen Kapitel

Inhaltliche Korrekturen Stylechecker Thesauri Rechtschreibprüfung

Überarbeitung Versionen

Formale Korrekturen Formatierung Makros

Verfeinerungen

Evaluation

Textgestaltung Layout

Korrekturlesen Artikel, Buch

Text

Abb. 90.1: Arbeitsphasen des Schreibprozesses

Drucksatz

1072

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

im Prinzip, den Computer zur Erstellung von Skizzen oder Plänen zu benutzen. Planungsnotizen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Textproduktion im Zuge von Planungsprozessen erstellt werden, bleiben ständig revidierbar und können auch Bestandteil des Textes werden (Kellogg 1986). 4.2. Ausführungs- und Übersetzungsprozesse Ausführungsprozesse sind vor allem durch die Materialsammlung, Materialstrukturierung und durch Formulierungsversuche gekennzeichnet. Zur Steigerung der Produktionsrate und zur Unterstützung des Gedankenflusses kann ein technisches System dem geübten Benutzer durchaus hilfreich sein (Holdstein 1987). Bei der Sichtung von Notizen und Materialien können diese, sofern sie bereits in digitalisierter Form vorliegen, integraler Bestandteil des Textes werden. Die Positionierung eines brauchbaren Elementes im Text ist dabei beliebig variierbar. Die Planung von Sätzen kann vollständig oder teilweise erfolgen. Die drei Formulierungsgrößen ⫺ Satzteile, Sätze und Abschnitte ⫺ lassen sich beliebig darstellen und können zur späteren Bearbeitung offenbleiben (Mocker, Mocker & Werner 1990). Das Ergebnis von Ausführungsprozessen ist die Entwicklung von Entwürfen, Kapiteln oder Textpassagen, die dann weiterbearbeitet werden können. In diesem Abschnitt liegt der Hauptanwendungsbereich herkömmlicher Textverarbeitungsprogramme. Schreibende aus dem akademischen Bereich berichten, daß die Übersetzung vom Vorformulierten zum ersten Entwurf der schwierigste Schritt sei (Kellogg 1985). Viele Programme reduzieren diese Arbeitsanstrengung, indem sie dem Schreibenden das Arbeiten von einem Plan aus erlauben oder den Vergleich alternativer Wege des Ausdrucks von Ideen über die Benutzung eines geteilten Bildschirms ermöglichen. 4.3. Evaluations- und Überarbeitungsprozesse Evaluationsprozesse können zu jeder Zeit auf allen Ebenen der Textproduktion stattfinden. Evaluationsprozesse überführen einen aktiven Schreibprozeß in einen Lese- oder Korrekturprozeß. Die Textverarbeitung ist dazu nicht unbedingt das ideale Medium, da der Text bei Standardsystemen auf dem Bildschirm nur begrenzt sichtbar ist.

Zur Verfeinerung des Entwurfes kann wiederum die Textverarbeitung dienen, mit der ein Kontrollesen mittels Rechtschreibkorrektur, Korrektur von Diktion und Punktion oder einer Grammatikkorrektur (bei englisch-sprachigen Systemen) möglich wird. Die verschiedenen Hilfen konzentrieren sich vor allem auf die folgenden drei Probleme: die Verfeinerung eines Entwurfes, das Kontrollesen von Fehlern und die Bewertung von Klarheit im Ausdruck und Stil. Die Textverarbeitung ist offensichtlich eine effektive Unterstützung zur Veränderung und Formatierung von Entwürfen zu einem endgültigen Dokument. Die Evaluation von Texten mittels der Textverarbeitung verlangt vom Benutzer ein neues taktisches Vorgehen (mit neuen Konsequenzen). Das Entfernen von Textteilen erfolgt z. B. nicht durch Streichen, sondern durch Löschen. Änderungen bekommen einen absoluten Charakter und sind nachträglich nicht mehr sichtbar bzw. nur noch bedingt revidierbar (Gregor 1987).

5.

Die Effizienz rechnerunterstützten Arbeitens

Ein Teil der textverarbeitenden Software ist von Unternehmen ohne Unterstützung durch psychologische Forschung entwickelt worden, während andere aus umfangreich angelegten Forschungen stammen. Einige sind auf der ersten Stufen der Entwicklung; andere hingegen seit Jahren auf dem Markt. Auffallend ist, daß von wenigen Evaluationen berichtet wird, speziell Arbeiten, die Feld- und Labormethoden kombinieren (Kellogg 1985). Ein Maß für die Güte von Programmen ist die Effektivität. Die Effektivität kann als Aufwand an Zeit gemessen werden und als Anstrengung, die benötigt wird, um ein Dokument definierter Länge und Typs zu produzieren. Die Qualität eines Produktes ist hingegen schwer zu messen, aber Urteile von Lesern und Analysen der Textcharakteristik können zur Bestimmung eingesetzt werden. Bei der Untersuchung von Effekten der Rechnerunterstützung auf die Effektivität und Qualität des Schreibens ist eine Kombination von Feldstudien und Laboruntersuchungen notwendig. Eine wichtiger Typ bei der Beurteilung von Rechnerunterstützungen ist die Referenz-Fallstudie. Ein Schreiber nutzt ein Produkt und beschreibt seine/ihre Eindrücke für potentielle Nutzer. Mehr de-

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90. Schreiben mit dem Computer

taillierte Studien, bei denen der Schreiber sorgfältig über eine längere Zeitperiode beobachtet wird, können diese Referenzen unterstützen. Eine Methode in diesem Zusammenhang ist die des „lauten Denkens“. Erste Ergebnisse zeigen vor allem, daß 1. das Planen durch das Zeichnen von Diagrammen immer noch am besten mit Papier und Bleistift durchgeführt werden kann, 2. Vorschreibprozesse bei der Textverarbeitung häufig verlassen werden, um erste Konzepte und Ideen zu sichten, und 3. Textverarbeitung zum häufigen Revidieren von Textpassagen veranlaßt (Kellogg 1986).

6.

Kritische Würdigung und Zusammenfassung

Computer sind kein Allheilmittel für alle Sorgen von Schreibenden. Die Werkzeuge, die ein Schreibender benutzt, sind nur ein Aspekt der Schreibmethode. Die Arbeitsplanung, Verhaltensrituale und kognitive Strategien sind andere Aspekte der Methode, die das Schreiben beeinflussen. Neben diesen Methoden bestimmen auch personale Faktoren wie Motivation die Produktivität und Kreativität des Schreibenden. Und sicherlich ist das Wissen über die Sprache und das Publikum ein kritischer Gesichtspunkt. Diese Faktoren dürften unterschiedliche Reaktionen auf den Umgang mit neuen Schreibmedien zur Folge haben (Zinsser 1985). Die computerunterstützte Textverarbeitung verlagert viele manuelle Tätigkeiten in den kognitiven Bereich. Ein angemessenes kognitives Modell von den Funktionsprinzipien von Hard- und Software kann als wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz gelten. Die Besonderheiten der Textverarbeitung bleiben ungenutzt, solange ein solches System nur als bildschirmorientierte Schreibmaschine eingesetzt wird. Die Rentabilität ist im wesentlichen von der Vertrautheit und Sicherheit mit dem System abhängig (Wagner, Sebrechts & Black 1985). Dann jedoch erlaubt es eine höhere Produktivität und ein effizienteres Generieren von Ideen und Konzepten (Holdstein 1987). Die Qualität eines Textes wird aber nicht vom Computersystem bestimmt, sondern (nach wie vor) von der Fähigkeit des Schreibenden. Das Arbeiten mit dem Computer befreit den Schreibenden nicht von den üblichen Arbeitsprozessen des Schreibens. Die Textverarbeitung

definiert den Prozeß des Schreibens nicht neu. Sorgfältige Wortwahl und Satzkonstruktion, manuelles Korrekturlesen und Korrigieren bleiben unerläßlich.

7.

Literatur

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1074

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

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Ong, Walter J. 1987. Oralität und Literalität: die Technologisierung des Wortes. Opladen. Piepenburg, Ulrich & Rödinger, Karl-Heinz. 1989. Werkstattbericht Nr. 61: Mindestanforderungen an die Prüfung von Software auf Konformität nach DIN 66234, Teil 8. Piotrowski, Raimund G. 1984. Text ⫺ Computer ⫺ Mensch. Bochum. Schanze, Helmut & Kammer, Manfred. 1986. Textverarbeitung: eine Einführung. Grundlagen und Anwendungen. München. Schütt, Bernd. (ed.). 1983. EDV ⫺ Textverarbeitung ⫺ Bildschirmarbeit: gesellschaftliche Voraussetzungen und Folgen einer neuen Technologie. Berlin. Shneiderman, Ben. 1980. Software psychology: human factors in computer and information systems. Cambridge, Mass. Wagner, Richard K., Sebrechts, Marc M. & Black, John B. 1985. Tracing the evolution of knowledge structures. Behavior Research Methods, Instruments, & Computers. 17(2), 275⫺278. Watson, George. 1987. Writing in thesis: a quick guide to long essays and dissertations. London⫺ New York. Whiteman, Marcia F. (ed.). 1981. Writing: the nature, development, and teaching of written communication. Hillsdale, N. J. Winograd, Terry & Flores, Fernando. 1986. Understanding computers and cognition. A perspective for Design. Norwood. Zinsser, William K. 1985. On writing well: an informal guide in writing nonfiction. New York.

Markus Pospeschill, Oldenburg (Deutschland)

91. Psychological aspects of spelling 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Introduction Phonology and learning to spell The development of phonological awareness Learning to spell and phonological awareness The relationship between learning to spell and learning to read Integration of spelling and reading skills Spelling difficulties and developmental disorder Models of adult English spelling Spelling errors and slips of the pen Psychological investigations of acquired disorders of spelling

11. 12. 13. 14.

Central spelling disorders Peripheral spelling disorders Summary References

1.

Introduction

In comparison with reading, hearing and speaking, experimental investigations of how we spell have been comparatively neglected until recently by psychologists. One of the reasons for their neglect, according to Ellis

1074

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

thoden, Vordruck- und Normwesen, automatisierte Korrespondenz, programmierte Textverarbeitung. Frankfurt. Helander, Martin. (ed.). 1988. Handbook of human-computer interaction. New York. Holdstein, Deborah H. 1987. On composition and computers. New York. Holdstein, Deborah H. & Selfe, Cynthia L. (ed.). 1990. Computers and writing. Theory, research, practice. New York. Kellogg, Ronald T. 1985. Computer aids that writers need. Behavior Research Methods, Instruments, & Computers. 17(2), 253⫺258. ⫺. 1986. Designing idea processors for document composition. Behavior Research Methods, Instruments, & Computers. 18(2), 118⫺128. Klix, Friedhart. (ed.), 1989. Man-computer interaction research. MACINTER II. Amsterdam, New York, Oxford, Tokyo. Koubek, Richard J., Salvendy, Gavriel, Dunsmore, Hubert E. & LeBold, William K. 1989. Cognitive issues in the process of software development: review and reappraisal. International Journal of Man-Machine Studies 30, 171⫺191. Lenders, Winfried & Wille´e, Gerd. 1986. Linguistische Datenverarbeitung. Opladen. Mandl, Heinz. (ed.). 1981. Zur Psychologie der Textverarbeitung: Ansätze, Befunde, Probleme. München. Mocker, Helmut, Mocker, Ute & Werner, Matthias. 1990. Computergestützte Arbeitstechniken für Geistes- und Sozialwissenschaftler. Bonn⫺ München. Molitor, Sylvie. 1984. Kognitive Prozesse beim Schreiben. Deutsches Institut für Fernstudien an der Unversität Tübingen, Forschungsberichte 31.

Ong, Walter J. 1987. Oralität und Literalität: die Technologisierung des Wortes. Opladen. Piepenburg, Ulrich & Rödinger, Karl-Heinz. 1989. Werkstattbericht Nr. 61: Mindestanforderungen an die Prüfung von Software auf Konformität nach DIN 66234, Teil 8. Piotrowski, Raimund G. 1984. Text ⫺ Computer ⫺ Mensch. Bochum. Schanze, Helmut & Kammer, Manfred. 1986. Textverarbeitung: eine Einführung. Grundlagen und Anwendungen. München. Schütt, Bernd. (ed.). 1983. EDV ⫺ Textverarbeitung ⫺ Bildschirmarbeit: gesellschaftliche Voraussetzungen und Folgen einer neuen Technologie. Berlin. Shneiderman, Ben. 1980. Software psychology: human factors in computer and information systems. Cambridge, Mass. Wagner, Richard K., Sebrechts, Marc M. & Black, John B. 1985. Tracing the evolution of knowledge structures. Behavior Research Methods, Instruments, & Computers. 17(2), 275⫺278. Watson, George. 1987. Writing in thesis: a quick guide to long essays and dissertations. London⫺ New York. Whiteman, Marcia F. (ed.). 1981. Writing: the nature, development, and teaching of written communication. Hillsdale, N. J. Winograd, Terry & Flores, Fernando. 1986. Understanding computers and cognition. A perspective for Design. Norwood. Zinsser, William K. 1985. On writing well: an informal guide in writing nonfiction. New York.

Markus Pospeschill, Oldenburg (Deutschland)

91. Psychological aspects of spelling 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10.

Introduction Phonology and learning to spell The development of phonological awareness Learning to spell and phonological awareness The relationship between learning to spell and learning to read Integration of spelling and reading skills Spelling difficulties and developmental disorder Models of adult English spelling Spelling errors and slips of the pen Psychological investigations of acquired disorders of spelling

11. 12. 13. 14.

Central spelling disorders Peripheral spelling disorders Summary References

1.

Introduction

In comparison with reading, hearing and speaking, experimental investigations of how we spell have been comparatively neglected until recently by psychologists. One of the reasons for their neglect, according to Ellis

91. Psychological aspects of spelling

(1988), is that writing is the least used and the least highly developed of the four modalities. In most literate societies, children start to write at around 5 to 6 years of age, long after they begin to speak. Spelling and writing are inextricably linked to formal education, although as we shall see, the process of acquiring the basics of these skills begins a good deal before formal instruction. The same can be said about reading, of course, but cognitive mechanisms involved in reading have been explored much more extensively. In contrast with spelling, reading has proved more open to experimental investigation, and a further reason for the comparative neglect of spelling has been the difficulty in taking experimental measures of spelling responses. In the past ten years or so, however, the psychological studies of spelling ability have gained in popularity. This is particularly the case in developmental work and in neuropsychological investigations, in which the problems of gaining control over production processes are far less difficult. This chapter will provide a selective review of representative work in these areas from the perspective of cognitive models of spelling and spelling development. It will be concerned exclusively with alphabetic systems and principally with written English. It will also be concerned primarily with what we know about the cognitive processes involved in written spelling, rather than other modes of spelling such as oral spelling and typing. Neither will it go deeply into the psychomotor and motor aspects of handwriting (see van Galen, 1991; → art. 86).

2.

Phonology and learning to spell

How do children learn to spell? As Ellis (1984) notes, psychologists have long assumed that children whose writing system is alphabetic habitually spell via sound. In contrast, learning to read may begin ‘by eye’, rather than ‘by ear’. A good deal of psychological data support this view, at least in the early stages of learning to spell and read. Bryant & Bradley (1980), for example, describe first-year readers (6 and 7 years old) who appeared to be reading ‘visually’, but to be spelling phonically (see also Bradley & Bryant 1979). Thus, their beginning readers could read but not write common but unusually spelled words like school and light that are difficult to decode phonically. Presuma-

1075 bly, these words were recognised visually as whole-word patterns. On the other hand, the children could spell words like bun and mat, with simple sound-spelling correspondences, that they were unable to read. Much of the evidence concerning the development of spelling in young children has been gathered from an examination of their invented spellings. The weight of this work suggests, perhaps not unreasonably, that early spellers expect that their spellings should reflect what they can hear. Their basic skills may at first be limited to a representation of the first sound and then to first and last sound and letter-name vowels (Paul 1976). Even so, some children may be able to get across their intentions in print very successfully. Thus, Bissex (1980) reports one of the very first creative written efforts of her son, who had been trying to attract her attention while she was reading: R U D F (Are you deaf?). In describing the performance of precocious ‘creative spellers’, Read (1975, 1986) suggests that early spelling attempts are generally phonetically accurate (eg. garden spelt as GARDN), even though they may not at first sight seem so. This claim is interesting because early spelling attempts are often bizarre and can appear to bear little relationship to what the child hears or says. One of the problems for the learner speller is how to represent different sounds, even though distinctions between the sounds themselves may be accurately perceived. Read claims that when children are uncertain of how to spell a sound, they may categorise related sounds together and represent them by the same letter. Thus, Read noted that long vowel sounds that are also names of letters (eg. A, E, I, O, U) and generally quickly learnt, are often used to spell similar short vowels. For example, a child might spell both long /eı/ and short /æ/ as A, so that bake and add are spelt as BAC and AD. Moreover, Read observed that the front vowel /i/ (as in bet), which lies phonetically between /eı/ and /æ/, was also most popularly represented in his sample as A and not E (eg. shelf as SHALF, devil as DAVL). Thus, Read claims that early spellers recognise at some level the close phonological relationships between certain vowels and use this similarity as a guide to inventing spellings when they do not know the standard ways. In addition, he suggests that as learner spellers generally choose vowel letters (perhaps with Y or a following W), rather than

1076

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

consonant letters, to represent vowel sounds, they must distinguish between consonant and vowels in speech very early on. It also appears that learner spellers sometimes perceive and represent in their spelling phonetic properties that their parents and teachers may no longer be aware of (Read 1986). For example, spelling troubles as CHRIBLS and lavatories as LAVCHRES may look strange, but may reflect the speller’s perception that the first sound of the cluster tr is affricated; that is, that it is not the same sound as /t/ in tip. Since it lies between /t/ and /ts/ in quality, there is some justification for spelling it as CH if the correct correspondence is not known. Although the child has an accurate perception of the speech sounds, she has to learn that the affrication is ignored in spelling. Thus, even early on in learning to spell, the child attempts to represent what she hears accurately, but within the limited means at her disposal. And though the child is concerned with categorising related speech sounds, she must learn the ways in which some features are represented in the orthography, while others are not (eg. voicing in alveolar consonants). It is interesting to note that similar types of errors have also been found to occur in the spellings of normally-developing children and are not simply a feature of the precocious spellers that Read describes. Thus, Treiman (1993) observes examples of all the effects reported by Read in the writing of a sample of 6 and 7 year-old American children in their first year of school.

3.

The development of phonological awareness

An essential part of learning to spell and read an alphabetic script consists of developing an awareness (sometimes referred to as a metalinguistic awareness) that words are made up of components such as syllables and phonemes (Liberman 1971; Mattingley 1972, 1984). A focus of lively debate has been how awareness of the phonological structure of words actually develops. According to some researchers, it arises primarily through reading development (eg. Bertelson, Morais, Alegria & Content 1985; Ehri 1985). Others have claimed that sensitivity to phonological structure develops before reading and spelling begin and in fact facilitates reading and spelling acquisition (eg. Bryant & Bradley

1985). What does the weight of existing research tell us? Well, the answer seems to depend on the level of phonological awareness that one is talking about. We know, for example, that young pre-readers generally find it too difficult to do tasks such as “phoneme tapping” (tapping out the number of individual sounds or phonemes in a word) that require phonemic knowledge ⫺ they appear to be largely insensitive to the phonemic structure of speech sounds (Bruce 1964; Liberman, Shankweiler, Fischer & Carter 1974; Liberman, Shankweiler, Liberman, Fowler & Fischer 1978; Bryant & Goswami 1987). As Goswami & Bryant (1990, 26) note, children’s “progress in learning to read (or to read an alphabetic script at any rate) is probably the most important cause of awareness of phonemes”. While tasks which involve the manipulation of phonemes are difficult for young prereaders, those which manipulate knowledge of syllable structure (eg. placing counters or tapping to indicate the number of syllables in a heard word) are completed with relative ease (eg. Treiman & Baron 1981). It also appears that young children who are just beginning to learn to read can manipulate intrasyllabic units such as the onset (eg. /skwe/ in squint and /me/ in mint) and the rime (eg. /ınt/ in squint and mint) (eg. Treiman 1985; Kirtley, Bryant, Maclean & Bradley 1989). Thus, Kirtley et al. demonstrated the fiveyear-old children were able to group words, by spotting the ‘odd-man-out’, on the basis of their first sound or onset (eg. man, mint, mug vs. peck), a decision that was considerably easier than one based on the end sound (eg. pin, gun, men vs. hat). Half of their children had made some progress in reading, while the remainder could not read at all. The authors observed that whereas the non-readers were no better than chance with the end sound words, the “readers” had low scores, but nonetheless performed better than chance. The authors attribute this difference to the specific experience of learning to read. Kirtley et al. also went on to show that the difficulty with end sounds could not merely be attributed to the fact that end sounds are more difficult per se to categorise than first sounds. Their children were able to carry out the odd-man-out task when the ends of the words had the same rime ⫺ and therefore rhymed ⫺ compared with just the final sound in common (eg. top, hop vs. rail; mop, whip vs. lead). Thus, pre-readers and young chil-

1077

91. Psychological aspects of spelling

dren just on the threshold of reading can deal with syllables and intra-syllabic units such as word onsets and rime. Sensitivity to the phonemic structure of words is a considerably more difficult task, except when the phoneme corresponds with the word onset (eg. /me/ in mint). We know that small children can readily develop an awareness of rhyme and alliteration (Bradley & Bryant 1983; Knafle 1973; Lenel & Cantor 1981), even as young as 3 years (Maclean, Bryant & Bradley 1987), but it is interesting to speculate on how this might develop. Small children are endlessly captivated by the musicality of nursery rhymes or Mother Goose songs, with their rhymes, half-rhymes, assonance and alliteration. Maclean et al. (1987) and Bryant, Bradley, Maclean & Crossland (1989) suggest that early knowledge of nursery rhymes is connected with sensitivity to rhyme and subsequent reading and spelling success. Bradley & Bryant (1983, 1985) showed that the ability of four- and five-year-old children to recognise rhyme and alliteration in spoken words before they learned to read significantly predicted performance in reading and spelling at 8⫺9 years old, even after differences in intelligence and vocabulary were taken into account (see also Lundberg, Frost & Petersen 1988). Their hypothesis, then, is that awareness of the phonological structure of words (onset and rime components of syllables, for example) plays a causal role in the development of reading and spelling. They further claim that children who are weak in such skills can be trained to improve them, with the result that reading and spelling development is also subsequently facilitated. Thus, Bradley & Bryant (1985) demonstrated that a subset of the children who to begin with had low scores on rhyme judgement tasks could be trained to improve their ability in relatively few sessions (forty tenminute sessions over two years). Instruction involved sound training (cat, rat, bat are rhyming words) and, at the end of the time, the children were 3⫺4 months ahead of a control group who had undergone instruction based on word meanings (cat, rat, bat are animal words). More impressively, perhaps, a subset of the children who had received sound training that was tied to instruction on how to make the words using letters were 8 months ahead of the control group in one reading test, 12 months in another and as much as 17 months ahead in

spelling. This type of training appeared to have a greater effect on spelling than on reading, which has led some researchers to claim that phonological awareness (particularly when linked explicitly with corresponding letter patterns) may be even more important for progress in spelling than in reading (Goswami & Bryant 1990). Bradley (1988) reports that differences between experimental and control groups were still maintained when the children were followed up at 13 years old. She claims that, “our argument is that the method worked by demonstrating to the children the connections between the two strategies, phonological and visual orthographic, which, as our previous research shows, they initially keep separate” (p. 5; our italics). What Bradley intends to convey by the last part of this statement is the view that while spelling requires the manipulation of phonological knowledge, early reading relies on a “visual orthographic strategy” ⫺ spelling by ear and reading by eye. There is something of a paradox here. As we have seen, before children begin to read, they can be aware of at least some aspects of the phonological structure of language ⫺ that words are made up of syllables and even intra-syllabic units, for example. One way of learning to read would involve learning that certain written patterns on the page correspond with particular intra-syllabic units (that mint, for example, breaks into m and int that correspond with /me/ and /ınt/). However, a major obstacle to this way of learning to read written English is that many of the spelling-sound correspondences are unpredictable (eg. -int pronounced as /aint/ in pint). Some of the commonest words that beginning readers are likely to come across (eg. one, was) have unpredictable spelling-sound patterns. So, reading this way, at least initially, has a serious drawback, and the majority of existing evidence suggests that this is not what happens. Even though young children may be sensitive to aspects of the phonological structure of language, they do not appear to make use of it in reading until at least the rudiments are established.

4.

Learning to spell and phonological awareness

Read’s (1986) findings demonstrate how young children attempt to represent what they hear in spelling. It appears that the way

1078

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

young children spell is determined by the nature of their phonological awareness. Recall that we stressed the importance of a distinction between different levels of phonological awareness ⫺ awareness of syllables, intra-syllabic units such as onset and rime, and phonemes. The spellings that beginning spellers invent often indicate that they have broken up a heard word appropriately into individual phonemes, though the phoneme sounds may sometimes be represented incorrectly: letter names, for example, are readily used to represent sounds (eg. R (are), BAB (baby)). Treiman (1983, 1993) claims that there is also evidence that children are aware of onsets and rimes as units which they attempt to represent in their spellings. She notes, for example, that beginning spellers have difficulty with consonant clusters, particularly with the second or third sound, which they tend to omit (eg. haystack spelled as HASAK). She suggests that this is not simply because consonant clusters are especially difficult. Rather, it is because the relationship between the sounds is recognised (that they constitute an onset, /ste/, in this case), and if there is a difficulty in analysing the unit further, a spelling for the whole cluster is invented (eg. S, rather than ST, in our example). A similar explanation is put forward for spellings like PN for pen and CR for car, in which the letter name spelling stands for the rime. Treiman’s analyses of invented spellings are persuasive, but there are alternative explanations that do not have to do with onsets and rimes: perhaps consonant clusters are simply difficult to process, and perhaps there are genuine confusions between letter names and sounds. Many letter names are syllabic vowel-consonant sounds: “ay” for A, “ef” for F, “en” for N, for example. If this is a more appropriate explanation, then one might expect to find errors like PN for pen, but fewer errors of this type when the rime does not correspond with the letter name (eg. PN for pan). More direct evidence has been reported by Goswami (1988) who showed that sixyear-old children tended to make more use of analogies with words in spelling when the words shared the rime segment than when they shared the onset and vowel (eg. “eak” in beak, rather than “bea” in beak).

5.

The relationship between learning to spell and learning in read

Both Read (1986) and Treiman (1993) have pinpointed the importance of phonology in governing even early attempts at spelling.

Frith (1985) casts light on the role that phonologically-based spelling plays in speeding the development of early reading skills. Frith puts forward a model of how reading and spelling abilities interact and develop through a number of phases. A useful way of understanding the model is to imagine that normal development of reading and spelling proceeds as if both are runners in a long-distance race, with first one taking the role of pacemaker, then the other. To begin with, reading sets the pace, with children starting to acquire a number of words that are instantly decoded visually or, in Frith’s terms, logographically. There is a great deal of evidence to support the claim that children initially use information about the visual characteristics of words in learning to read, rather than trying to work out spelling-sound relationships. Goswami & Bryant (1990) have reviewed this evidence in depth and a brief description of a few representative studies will suffice. Barron & Baron (1977) showed that beginning readers were not affected by “concurrent articulation” (in this case, repeating the word “double” aloud), in making judgements involving the meaning of written words, though they were impaired in making decisions about rhyme. The authors regarded the first task (to decide whether a written word and picture ‘went together’, such as the word chair with a picture of a table) as a simple task of reading for meaning. They claim that if their children (beginning readers of six years, up to children of thirteen years) had been reading by using a phonological strategy, then it should have been disrupted by a concurrent phonological task. As Besner (1987) has pointed out, though, this argument is far from watertight, since the children may indeed have been carrying out the task by using a phonological strategy, but one that makes use of a different phonological code from that demanded by concurrent articulation. However, further support for the Barron & Baron position comes from a study by Bryant & Bradley (1983) which showed that while concurrent articulation does not affect matching between a picture and a whole word (eg. a picture of a man with the written word man), it does disrupt matching between the picture and the word with some of the letters scratched out (eg. m**). The authors argue that these tasks did not differ in terms of absolute difficulty. They claim, rather, that judgements involving individual letters re-

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91. Psychological aspects of spelling

quired the intervention of a phonological code, while decisions concerning whole words could be made solely on the basis of what the words looked like. Frith has little to say about the nature of spelling during this phase, though she claims that it too is logographic. As Goswami (1992) notes, however, this stage ⫺ if it exists ⫺ must be extremely brief. While it is certainly true that very early on in development, beginning spellers may write in a largely symbolic way (simply by using unrelated letters, for example, or their own invented marks), the work discussed above clearly shows how even first spellings can be phonologically conditioned. At a logographic phase in reading, a written word may be visually cued by the recognition of one or two salient letters. Phonological characteristics of the word are entirely secondary and, moreover, the child appears to be relatively unaware of important aspects of the word such as letter length and letter order. Consistent with this view, Ellis & Large (1988) found that a task involving visual serial ordering, which emphasised the order of constituent elements in a visual array, was not a significant predictor of reading achievement at 6 years for 5 year-old beginning readers (though it was important for older readers). As children become more aware of the relationship between sounds and letters, position and order of letters increase in importance. Frith suggests that this new attention to letter order may come also about through spelling: “the piecemeal left-to-right decoding of a word might first make sense to a child as a deliberate reflection of the first-tolast writing process” (p. 312). A logographic strategy in reading is productive only up to a point, perhaps until a critical limit is reached and visually similar words begin to be confused. To enlarge one’s reading vocabulary further it is necessary to take advantage of knowledge about family relationships between words that look alike and sound alike. It appears that it is learning to spell that promotes a sensitivity to the phonological structure of written words that is so necessary for progress in reading. Thus, Cataldo & Ellis (1988) found that spelling ability was an important contributor to early reading ability and not the other way round: they found no evidence in their study that reading had an effect on spelling during the first two years, when the children were five and six years old.

It is spelling, then, that drives the alphabetic principle (Chomsky 1971). In Frith’s (1985) model, the beginning of an alphabetic phase of development is characterised by methods of reading and spelling that are out of step. This squares with Bryant & Bradley’s (1980) original finding that six and seven year old children appeared to be using different strategies in reading (visual/logographic) and spelling (phonological/alphabetic), a view recently supported by Huxford, Terrell & Bradley (1991). An increasing amount of evidence supports the view that it is the acquisition of basic spelling skills (learning sound-spelling correspondences and learning to write them in the correct sequence) that plays a crucial role in the development of phonological decoding skills in beginning reading. Does early reading play any part in influencing early spelling development? There are some demonstrable effects. The notion that early spellings are guided solely by phonological considerations predicts certain errors that in fact turn out to be rare. One might expect errors like CKUP for cup, for example, which would suggest that the child is unaware that sequences of letters are not acceptable in certain positions (Henderson 1985). Read (1986, 40), for example, states anecdotally that, “teachers of young children […] often see standard spellings in the wrong position”. Treiman (1993), on the other hand, found that in her sample of 5617 spellings, there were few examples of illegal letter sequences at the beginnings of words. This suggests that young spellers may be affected by their early experiences of reading. That Read observes such errors in the writing of his precocious spellers may reflect their young age and concomitant lack of reading experience. Goswami & Bryant (1990) also point out that even beginning spellers as a general rule use the letter S and not Z to end plural words like cats and dogs, even though Z is a more faithful representation of the actual sound in these words.

6.

Integration of spelling and reading skills

As the child becomes more practised in reading and spelling, alphabetic knowledge grows more sophisticated, with the child learning an increasing amount about sound relationships (and meaning relationships) in families of spelling patterns. Bryant & Bradley (1980),

1080

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

for example, discovered that by age 10, the category of words that their children could spell but not read had dwindled to almost nothing. Bryant & Bradley interpret this finding as showing the growing integration of spelling and reading skills. Whereas some researchers (eg. Marsh, Friedman, Welch & Desberg 1980) see the progression essentially as the development of more complex soundspelling rules, Frith (1985) claims that the information that is used becomes increasingly lexically based. At this point in her model, during an orthographic phase, reading again acts as the pacemaker, with the child able to combine successfully instant recognition abilities and analytic sequential skills. Orthographic skills refer to the rapid analysis of words into orthographic units without phonological conversion. As the description of this phase implies, it differs from a logographic phase in that words are broken down into smaller abstract orthographic units in a systematic way. During this phase, the child is demonstrably able to use knowledge about morphological relatedness in reading (eg. sign and signature) ⫺ see Smith (1983), Sterling (1983) and Sterling & Rusby (1985⫺1986). Indeed, Frith (1985, 309) suggests that morphological knowledge “may well be the hallmark of orthographic skill”. As children grow older, they begin to use orthographic knowledge in reading (eg. Snowling & Frith 1981), which may also be applied to spelling (eg. Goswami 1988). In one study, for example, Ehri (1980) asked children of different ages to produce a mental “orthographic image” of a word and then decide whether a particular letter appeared in it. Some of the letters were pronounced in the word (eg. s in listen) and some were not (eg. t in listen). Eight-year-old children could do this task well and, moreover, showed a significant advantage in judging the presence of silent letters. Younger children, on the other hand, were very poor at the task. Success requires accurate detection of silent letters that can only be achieved if the child is able to bring to mind (and to analyse) the correct visual pattern of words. Arguably, this is why young children fail on this task. Goswami (1992) claims that orthographically-based knowledge that the older children are able to use is learned from reading and aids subsequent spelling development. She further suggests that, “the gradual development of an accurate memory for the particular letters in words would explain why reading knowledge is only used in spelling after some degree

of reading development has taken place” (p. 971). In the previous section, we described just how deeply young children’s spelling is rooted in a phonological strategy. Waters, Bruck & Seidenberg (1985), for example, reported how children made many more errors in spelling ambiguous words like beef (that can be written as beaf, or bief, as well as the conventional way), than unambiguous words like best. Choice of sound-spelling correspondence is not applied in a arbitrary way, however. Campbell (1985) showed how nine- and twelve-year-old children were affected by hearing words with different spellings of a particular rime (they heard either crane or brain, for example), in deciding on a spelling for a “new” heard word with the same rime (thus, /preın/ would be spelt either as prane or prain depending on which word preceded it). Goswami (1988) has suggested that orthographic analogies (connecting sounds with a particular spelling pattern) can be made by children as young as 5 to 7 years old in deciding how to spell new words from a clue word (whether they do so automatically is another matter). She further suggests that even young children may use their reading knowledge to decide whether an analogy is appropriate in spelling. It seems, however, that children begin to use their reading knowledge to aid their spelling in a systematic way only when reading is fairly wellestablished. Frith (1985) leaves open the question of how different developmental strategies are continued in skilled reading and spelling. She notes that they may remain available at all times, allowing the reader-speller, “in case of need” (p. 306), to fall back on earlier strategies. Alternatively, as the powerful orthographic strategy becomes established, previous strategies might become less accessible. As we will see, existing models of competent adult spelling (and reading) distinguish between a visually- or orthographically-based lexical procedure (in which there are components of logographic and orthographic strategies), and a phonologically-based sound-spelling procedure (derived from alphabetic knowledge).

7.

Spelling difficulties and developmental disorder

Given what has been discussed about the importance of developing a phonological strategy in learning to spell, it is not surprising

1081

91. Psychological aspects of spelling

that children with phonological difficulties have problems with spelling. Moreover, as we have seen, strategies used in reading and spelling must be integrated at some stage, and there is evidence that children who are unable to do this also become poor spellers. Let us examine some of this evidence before we go on to consider the effects of phonological difficulties on spelling development. Levels of reading and spelling ability are highly correlated, so that good readers tend to be good spellers and poor readers tend to be poor spellers (Juel, Griffith & Gough 1986; Morris & Perney 1984; Shanahan 1980). Frith (1980, 1985), however, focussed on twelve-year-old children who were good readers but poor spellers (Type-B spellers). She compared them with children who were both poor readers and spellers. She found that the good readers made mainly phonetic errors in written spelling to dictation (such as writing SURGE for search), often selecting the wrong (if phonologically appropriate) sound-spelling correspondence. The poor readers and spellers made as many nonsound-based as sound-based errors. Frith reasoned that perhaps the good readers were bad spellers because they could not remember what words look like. To test this hypothesis, she gave them passages of prose in which words either sounded right but looked wrong (eg. skule, kassul), or looked something like the target, but sounded wrong (eg. shool, cstle). If her reasoning was correct, then the good readers⫺poor spellers would find passages containing “sounds right” words far easier than those containing “looks right” words. In fact, the opposite happened ⫺ “looks right” words were far easier for them to read (while the poor readers and spellers found the “sounds right” passages easier). Frith suggests that her findings can be explained by assuming that the critical group spell and read in different ways ⫺ they are able to read orthographically, but, for some reason, have not learned to capitalise on their orthographic skills in spelling; spelling remains rooted in phonology. Frith (1985) considers reasons for this particular arrest in the integration of reading and spelling and claims that it might be a function of individual differences. Bruck & Waters (1988) argue that reading skills may also have been in some way deficient. Rohl & Tunmer (1988) have tried to demonstrate that phonological difficulties are directly related to difficulties in acquiring ba-

sic spelling knowledge. They took three goups of schoolchildren matched on their level of spelling ability. One group consisted of precocious young spellers, the second group had average spelling ability and the third was made up of older children who were poor spellers. Rohl & Tunmer found that, in comparison with the average and good spellers, poor spellers were worse at phonemic segmentation, made more errors in spelling nonwords and made fewer phonetically accurate misspellings. They claim that phonological difficulties are related directly to poor spelling development (cf. Perin 1983; Ormrod 1990; Holligan & Johnston 1991). Goswami & Bryant (1990) point out, however, that the poor spellers were also poor readers and so a direct connection between phonological difficulties and spelling cannot be established. The wealth of interest in development reading and spelling difficulties has led to detailed case studies of individual children with severe problems. As we shall see, this has been a favoured (and profitable) method of investigating processes involved in competent adult spelling and the ways in which they can break down. Snowling, Stackhouse & Rack (1986) have reported the case of an eightyear-old child with a spelling age of 6 years. This child was found to be severely impaired in making phonological judgements such as deciding whether two spoken words rhyme (cf. Snowling & Hulme 1989). His spellings were also phonologically implausible. A similar case has been reported by Temple (1986). Neither of these children was able to use an alphabetic strategy (in Frith’s terms). Temple also describes a second case of a ten-year-old child with a spelling age of 7 years. In this case, the child was able to produce phonologically plausible errors (eg. adjective spelled as AGEKTIF), but was not able to learn conventional spellings (see also Goulandris & Snowling 1991). Although she could use an alphabetic strategy to spell, she was unable to develop orthographic spelling skills. These developmental cases appear to parallel alternative patterns of disturbance that have been observed in adult written spelling (cf. Roeltgen & Tucker 1988).

8.

Models of adult English spelling

Luria (1970) suggested that written spelling is dependent on speech, so that spelling is achieved by converting a speech form into a

1082

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

corresponding graphemic form using rules that map phonemes onto graphemes. Luria’s statement reflects a widely held and longstanding belief that phonological encoding is a mandatory step in written spelling (eg. Wernicke 1874/1968). A claim that this is the only means of written English spelling is hard to sustain, however, given the number of words in English that have difficult to predict, irregular sound-spelling correspondences (Hanna, Hanna, Hodges & Rudorf 1947). We know that young children are affected by the regularity of sound-spelling correspondences and tend to make more errors in spelling words with ambiguous correspondences (Waters, Bruck & Seidenberg 1985). However, good adult spellers have little difficulty in spelling familiar irregular words like mortgage and debt, for which the correct written lexical form has to be known for it to be spelled correctly. In fact, Luria also claimed that very frequently written words, like one’s name, can be spelled without recourse to speech (Luria, Simernitskaya & Tubylevich 1970). Popular psychological models of competent adult spelling incorporate two spelling routines. These routines, fully developed, mirror the strategies that become available to children during the course of spelling development. One is a non-phonological procedure which allows us to look up spellings of irregular words in a spelling lexicon. The other is a phonological procedure that consists of sound-spelling correspondences (eg. Ellis 1982; Margolin 1984; Morton 1980). One of the reasons for including a separate phonological sound-spelling procedure is to explain how we can write things that we have never written before (and which therefore cannot be represented in a spelling lexicon), such as new words, street names or product names. While some researchers have claimed that these routines are completely independent (eg. Goodman & Caramazza 1986), others have maintained that they interact or are interdependent (eg. Campbell 1983). Let us look at the ways in which these routines have been modelled in greater depth. Morton (1980) extended his logogen model of spoken and written word recognition and production to incorporate a system of written spelling production. In this model, a spelling lexicon (or grapheme output logogen system) receives input from word meaning descriptions (cognitive system), word speech-forms (phonological output logogen system), a reading lexicon (or visual input logogen sys-

tem) and procedures that analyse written letter strings during reading (visual analysis system). We will consider the justification for each of these systems shortly. The spelling lexicon itself is described as containing spelling patterns for words (or possibly for morphemes), but a more detailed formulation of the way in which they are represented and organised is (deliberately) underspecified. Output from the spelling lexicon is to a shortterm storage system (grapheme output buffer), which can maintain representations until a response (a word or phrase, for example) is ready to be written. Morton suggests that information from the spelling lexicon may feed back to the cognitive system and phonological output lexicon. The model also includes a system of phoneme-grapheme rules that treats word and nonword input alike. This means that output from this system for an irregular word will be in the form of a “regularised” spelling that will result in an error unless it is corrected by some sort of spelling-check procedure. The model of spelling that Margolin (1984) proposes is an extension of the Morton model. It includes a more detailed account of how peripheral procedures produce different plans for handwriting, typing and spelling aloud, following output from the spelling lexicon and phoneme-grapheme rules (see also Ellis 1982; 1988). Margolin suggests that output from a grapheme output buffer can be used either as written output (in handwriting or typing) or as spoken output (spelling aloud). Prior to written output, orthographic information is translated first into allographs or physical letter codes (which carry information about the physical form of letters such as letter case), and then into graphic motor programmes which specify the appropriate strokes needed to form each letter. Prior to spoken output, orthographic information is translated into phonologically-based name codes, which in turn activate articulatory programmes needed to speak corresponding letter names. The models of spelling that we have so far discussed suggest that lexical and sublexical systems are separate, or at least separable, mechanisms. In contrast, Campbell (1983) has claimed that there is a high degree of interactivity between these mechanisms (cf. Barry & Seymour 1988). However, the evidence from “central” disorders of spelling, that we will review shortly, supports the standard view that the two types of spelling procedure are separable.

91. Psychological aspects of spelling

9.

Spelling errors and slips of the pen

In the same way that children’s invented spellings have cast light on the development of spelling ability, so investigations of spelling errors and slips of the pen have illuminated the process involved in adult English spelling. Hotopf (1980), for example, recorded his own slips of the pen made over a nine-month period and also collected slips made by another individual and by a group of psychology students in the course of a written examination. In total, Hotopf examined over 1200 slips of the pen and compared them with over 2000 slips of the tongue, collected, like the writing errors, from a variety of sources. He distinguished between errors which involved either whole words or morphemes ⫺ lexical level errors ⫺ and those that involved letters (or phonemes) ⫺ letter/ phoneme level errors. A large number of lexical level errors (over 50% of the author’s own slips of the pen) consisted of words that were closely related phonologically to the target. These were either homophones (eg. SCENE for seen; NEW for knew), quasi-homophones (eg. WONDER for wander; ARE for our) or near-homophones (eg. SURGE for search; COULD for good). These errors demonstrate how speech forms can mediate written spelling. The question is what kind of phonologically-based procedure is responsible for such errors? One possibility is that such errors derive from sound-spelling correspondence rules, although if this were the case, one would also expect phonologically appropriate nonword spellings to be produced (eg. SENE for seen). Such procedures, by their very nature, have “no notion of wordness” (Morton 1980), and one would have to postulate a spell-checker mechanism to guarantee that only words are produced ⫺ word errors such as homophones might therefore slip through the net. Another possibility is that the errors are evidence for a connection between output lexicons, the speech output lexicon and the spelling lexicon. Supporting this view is the observtion that word errors are sometimes irregular words (eg. scene, could), and therefore unlikely responses from a rulebased procedure (eg. Ellis 1982). Hotopf observes that phonological errors, or sound-pattern slips, occur with equal frequency in slips of the pen and slips of the tongue. Movement errors such as anticipations (eg. I DO NOT SEE HOW THE FIRST PARAGRAPH FOLLOWS FROM

1083 THE FIRST ⫺ the underlined word should read SECOND), and repetitions (eg. EVEN TO GIVE TO RESPONSE WITHOUT GAINING FOOD ⫺ the underlined word should read THE) also occur equally often in speech and in spontaneous writing. He suggests that such slips might arise at a common linguistic stage. In contrast, lexical-level errors involving blends (eg. MARMALITE ⫺ a blend of marmalade and marmite), transpositions (eg. ALL PLACES REPART for all parts replaced) and semantically related responses (eg. EARLY for late) were much rarer in writing than in speech slips. Hotopf speculates that these error types are rare simply because writing normally proceeds at a slower rate than speech and that, with less time pressure, there is less chance for a linguistic routine for writing to be disrupted. On the other hand, immediate repetitions (eg. repetitions of single words, which often turn out to be functors or auxiliaries), omissions (eg. SUNDAY for sunny November day) and stem variants (eg. different morphological forms of the same stem such as PSYCHOANALYSIS for psychoanalyst) were observed in the writing slips, but hardly ever occurred in slips of the tongue. Hotopf notes that these writing errors commonly affect closed-class items: functors, auxiliaries and bound morphemes, but he has only a tentative account of why they are much rarer in speech than in writing. He notes that they appear to be less detectable (because they generally go uncorrected) than other error types, perhaps because of their close phonological relationship with the target. However, phonological detectability per se cannot be the whole story, because sound pattern slips such as homophone errors are often corrected in speech, though not in writing. Rather, the difficulty appears to be one of detecting phonologically similar errors when they are in written form. This may be because of the greater delay in writing between setting up a linguistic routine and realising it in written form, a process which might put short-term memory capacity at a premium. Although very few uncorrected spelling errors are made in the course of spontaneous writing (Chedru & Geschwind (1972), for example, reported that only 1.1% of words written in a sentence composition task contained at least one spelling error; Hotopf (1980) detected only 111 slips of his pen in a nine-month period), some researchers have looked at samples in which one would expect

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

error rates to be higher. Wing & Baddeley (1980) carried out quantitative analyses of the handwriting errors of 40 randomly chosen examination candidates writing under time pressure. Like Hotopf, the authors distinguished between words that are often or consistently misspelled because one is unsure of the correct spelling ⫺ which they called convention errors ⫺ and slips, which occur inadvertently, perhaps because of inattention or carelessness brought on by the time constraints. They were primarily interested in slips, though they acknowledged that it is sometimes difficult in practice to distinguish between the two error categories. Wing & Baddeley claim that slips involving letter level errors arise from failures of the short-term storage (or grapheme output buffer) and that a full profile can provide a greater understanding of its characteristics. Analysis of which letter positions were most vulnerable to error revealed that errors occurred more often on middle letters than on either beginning or end letters (which did not differ significantly). This finding is hard to explain in terms of decay of the memory trace (since one would expect end letter positions to be most vulnerable). On the other hand, it can be accounted for in terms of interference from neighbouring letters, an effect which is limited, the authors claim, to only a very few adjacent letters in the memory buffer. The authors identified four types of slip: omissions of letters; reversals or transpositions, in which two adjacent letters are reversed; substitutions of an incorrect letter; and insertions of an additional letter. They also looked at the shape of the distribution of each error type across each letter position (errors were ‘normalised’ across five letter positions). Differing patterns of distributions for the error types led the authors to conclude that separate processes are responsible for the production of insertions and reversals, though they suggested that omissions and substitutions may have a common origin. Ellis (1979) provides an elegant account of the stages at which letter-level errors may occur. Like Wing & Baddeley, Hotopf observed that more letters were omitted in the middle of words than at the ends. He also found that omissions tended to occur in long words and ascenders and descenders (eg. b, d, p, q) were less likely to be omitted than letters that are not so perceptually prominent (eg. a, c, e). Across word position in a sentence, Wing and Baddeley observed that slips

increased through the sentence, possibly because other procedures have initiated the preparation of another clause or sentence.

10. Psychological investigations of acquired disorders of spelling The characteristic error patterns of slips of the pen reported by Hotopf (1980) and Wing & Baddeley (1980) had been observed by Chedru & Geschwind (1972) in the spontaneous writing of patients suffering from acute confusional states and attentional disorders. Chedru & Geschwind discovered that their patients had greater problems with writing than with speech. This finding was attributed not to specific difficulties with writing routines, but to their patients being less practised in writing and therefore being more prone to disruption as a result of attentional difficulties. However, the errors analysed by Hotopf and Wing & Baddeley were produced by normal people for whom writing is familiar tool and seemed to reflect selective breakdowns of particular written spelling mechanisms. Basso, Taborelli & Vignolo (1978) demonstrated that specific disorders of spelling can arise following brain damage. They showed that these disorders did not result from general language difficulties or from problems with the action of writing. Basso and her colleagues’ investigations suggest that specific spelling disorders are rare ⫺ observed in only 2 out of 500 neurological cases. Nonetheless, it is clear that in the fifteen years since this study, much has been learnt about the organisation of spelling systems from individual cases of acquired spelling disturbances. Shallice (1988) distinguishes between central and peripheral acquired disorders of spelling, a distinction which is also drawn for acquired reading disorders (Shallice & Warrington 1980). Central disorders affect linguistic retrieval processes, preventing the production of an appropriate graphemic representation, even though processes which guide the actual realisation of the letter sequence (in writing, typing, or speech) may be intact. In peripheral disorders, linguistic routines may be intact but there is a problem in the concrete realisation of letters. In the next two sections we will consider central and peripheral disorders from the perspective of how they can aid our understanding of adult English spelling.

91. Psychological aspects of spelling

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11. Central spelling disorders

phones. However, it is possible to make “homophone” errors in which the sound of target responses is preserved, but word boundaries are split ⫺ and thereby spelled incorrectly (eg. Job, Sartori, Masterson & Coltheart 1983). Sartori (1987) uses such evidence (eg. natura as NA TURA; con equal as CONE QUAL) to suggest that Leonardo da Vinci exhibited characteristics of lexical agraphia in the idiosyncratic right-to-left, mirror writing that he displays in his notebooks. People with acquired dysgraphia who appear to rely on sound-spelling conversion to spell have enabled researchers to investigate in detail the nature of sound-spelling conversion mechanisms (eg. Goodman & Caramazza 1985; Baxter & Warrington 1987, 1988; Barry 1988; Sanders & Caramazza 1990). It has been claimed that the relative frequency of the patient’s choice of phonemegrapheme mapping is governed by the relative frequency of use in the written language and by the selection of adjacent mapping options (eg. Goodman & Caramazza 1985). Other authors have also drawn attention to the importance of higher-order sound-spelling segments such as the syllable (eg. Barry 1988; Sanders & Caramazza 1990), although there is no general agreement concerning the size of unit that sound-spelling mechanisms make use of, nor how correspondence rules are initially established. However, work from spelling development that we considered earlier, might lead one to predict that one should find evidence at least for the use of phonemes, sub-syllabic units and syllables (cf. Campbell (1983) for evidence for the use of sub-syllabic correspondences in normal adult spelling). In contrast to spelling difficulties which force reliance on sub-lexical sound-spelling mechanisms, some acquired disorders of spelling result in an inability to use such mechanisms. Thus, patients with phonological agraphia, for example, are unable to construct spellings for any spoken utterance that is unfamiliar to them (eg. Shallice 1981; Bub & Kertesz 1982 a; Roeltgen, Sevush & Heilman 1982). In the first description of such a case, Shallice (1981) describes how patient PR ⫺ a mild conduction dysphasic ⫺ was able to write only 18% of a set of 2⫺4 letter nonwords. In this case, and that of patient MH reported by Bub & Kertesz (1982 a), the difficulty did not stem from failure to perceive nonwords, since they could be

In discussing models of adult English spelling, an a priori case was made for the existence of at least two separable spelling routines ⫺ a phonologically-based system of sound-spelling correspondences and an orthographically-based system of stored word spelling knowledge. Beauvois & Derouesne (1981) produced the first detailed case study of a neurological patient who appeared to rely on sound-spelling correspondences. They termed this disorder lexical agraphia ⫺ spelling that is not informed by lexical knowledge (the disorder is also commonly referred to as surface dysgraphia ⫺ the terms are used interchangeably). Beauvois & Derouesne’s French-speaking patient was perfectly able to spell even long and complex nonwords, suggesting that he could formulate successfully sound-spelling correspondences for unfamiliar heard items. However, his word spelling was governed strictly by the number of sounds in a word that had an ambiguous or exceptional correspondence. Thus, he could generally spell correctly completely regular words in French such as madame. But if they were slightly ambiguous (eg. en in mental), the patient had some difficulty and when they were very ambiguous (eg. an and s in anchois), he was very poor indeed. Englishspeaking patients with similar patterns of performance have since been described (Hatfield & Patterson 1983; Roeltgen & Heilman 1984; Goodman & Caramazza 1986; Baxter & Warrington 1987; Rapcsak, Arthur & Rubens 1988), though most showed impairments that were less severe or less pure than the original case (Shallice 1988, 133, table 6.1). As there are many words in written English that have irregular sound-spelling correspondences, lexical agraphia is characterised by “regularisations” of irregular words (eg. yacht written as YOT). Thus, ninety-one percent of the spelling errors produced by the French-speaking patient RG could be pronounced in the same way as the target. Patient TP, reported by Hatfield & Patterson (1983) was able to spell correctly 77% of a set of regular words, but only 38% of a matched set of irregular words and many of her errors were regularisations of the target. In the case of written Italian, it is considerably more difficult to find evidence of lexical a graphia because it is a highly regular written script, with no irregularly-spelled words and homo-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

repeated successfully (PR, for example, was able to repeat 94% of the nonwords). Neither did it appear that the difficulty was in maintaining a phonological trace long enough to spell it, since in a second task, both patients were able to say aloud the nonword after trying to write it (thus, PR managed to spell only 27% of a second set of nonwords, but even so could remember 77% of them for repetition afterwards). Word spelling, on the other hand, was considerably more successful ⫺ lexical procedures were relatively well-preserved. Thus, PR was able to write and repeat words very well (94% and 100% respectively). He was slightly affected by word frequency; low frequency words were marginally harder for him to spell. He also had a mild difficulty in writing abstract/low imageability words and showed a “decided effect” of part of speech (Shallice 1988): he was able to spell 97% of a set of content words, compared with only 62% of a set of functors. In contrast, MH (Bub & Kertesz 1982 a), while affected somewhat by frequency in writing words to dictation, was not affected either by abstractness or grammatical function. Shallice (1981; 1988) suggests that PR’s spelling was based on use of a visually-based lexical procedure ⫺ access to the spelling lexicon which is driven directly by semantic and syntactic information represented in the cognitive system. He claims that even when the patient attempted to spell a nonword, he did so by using a word as mediator (thus, PR spelled “na” as GN, because, he explained, he was using GNAT as mediator). The finding that PR showed a part-of-speech effect, even when writing single words to dictation might stem from cognitive, semantic, differences between grammatical word classes: nouns are generally higher in imageability and more concrete than verbs or functors. Alternatively, the finding might suggest that he had a specific syntactic difficulty in dealing with different word classes. This problem might reflect a central difficulty, but would be manifest in spelling by a direct route from the cognitive system to spelling lexicon. Evidence germane to this issue comes from GOS, a phonological agraphic patient reported by Baxter & Warrington (1985), who also had difficulty in spelling verbs and functors compared with nouns. Baxter & Warrington claimed that this could not simply be because of differences in imageability/concreteness between word classes for their patient, since

she still found nouns easier to spell than verbs when both were matched in imageability. However, Patterson & Shewell (1987) have pointed to the pitfalls in concluding that part-of-speech effects reflect genuine syntactic distinctions. They described a patient, GA, who also found nouns easier to spell than functors in written spelling of single words and short sentences. However, in tasks requiring spoken output, such as spontaneous speech and repetition, she showed the reverse pattern, with functors easier to produce than nouns. Patterson and Shewell suggest that the pattern that GA exhibits in spelling may reflect the way in which content words and functors map onto cognitive, semantic, codes. The advantage for functors, compared with content words, in spoken output reflects a bias towards short, high frequency words (such as functors) in an impaired speech output lexicon. Neither of these explanations needs one to postulate the involvement of specific syntactic mechanisms. Other patients, in whom the ability to spell words is better preserved than a corresponding ability to speak them, provide further evidence for a direct lexical spelling procedure that by-passes all phonological processing (Hier & Mohr 1977; Basso et al. 1978; Michel 1979; Assal, Buttet & Jolivet 1981; Bub & Kertesz 1982 a; Levine, Calvino & Popovics 1982; Caramazza, Berndt & Basili 1983; Ellis, Miller & Sin 1983; Patterson & Shewell 1987). In each of these cases, speech production was disrupted to a greater or lesser extent, and for a variety of reasons. Now, of course, difficulty in speech production may stem from relatively peripheral output problems that do not debar the person from using abstract phonological processes in tasks like spelling. However, this possibility is unlikely to hold true for patient AF, described by Hier & Mohr (1977). AF had fluent spontaneous speech with no evidence of errors, ruling out peripheral speech production difficulties. However, he had a particular difficulty in naming objects aloud, though he could often write their names. AF may have had a difficulty at the level of access to the speech output lexicon, with the corollary that it would be unlikely to support written naming successfully. AF seems to provide good evidence for a direct visually-based lexical procedure in written spelling. So does Patterson & Shewell’s (1987) patient, GA. Patterson and Shewell point to the almost complete lack of overlap between the words which GA was

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91. Psychological aspects of spelling

able to speak and those which she could spell. Indeed, as we described above, since the words that she could spell generally came from a different grammatical class (nouns), than those she could speak (functors), it is unlikely that GA’s spelling of a word makes use of its phonology. Another kind of evidence that points to the same conclusion comes from patients who make semantic errors in writing to dictation (eg. Bub & Kertesz 1982 b). Such patients, said to exhibit deep dysgraphia, show a similar pattern of performance to phonological dysgraphic patients, since they are also unable to read nonwords and show imageability and part-of-speech effects. Indeed, the distinction between the two disorders may be more apparent than real: two of the four patients reported by Roeltgen, Sevush & Heilman (1983) made a few semantic errors, as did patient GOS observed by Baxter & Warrington (1985). The cases so far described appear to provide reasonably good evidence to support the notion of two alternative procedures in written spelling. Is there also evidence to support the view that a third procedure also exists ⫺ a phonological, but word-based, routine? We have seen that findings from normal slips of the pen in which a word homophonic with the target, and sometimes with an irregular spelling, is produced in error (eg. Morton 1980) provide some evidence for the existence of this routine. However, Shallice (1988, 143) notes that, “the difficulties involved in establishing an independent route of this sort are very considerable”. There are as yet, for example, no convincing reports of patients who are unable to write nonwords (because of a specific spelling deficit), and who write words better than they understand them. Several studies (eg. Schwarz, Marin & Saffran 1979; Roeltgen, Gonzales-Rothi & Heilman 1986; Patterson 1986; Rapcsak & Rubens 1990) have described patients with poor comprehension abilities (often these cases display progressive dementing disorders ⫺ Schwartz et al. 1979), in whom spelling to dictation is considerably better preserved. Investigation of these cases has centred around ability to spell homophones like blew and blue. Spelling predominantly by a lexical phonological pathway should result in errors in homophone spelling because context is required to disambiguate them (eg. the wind blew; the sea was blue). Rapcsak & Rubens (1990) describe the case of a man who was able to spell regular

and irregular words and functors correctly, but who was substantially impaired in writing homophones (he would write the alternative in error), even though a disambiguating sentence context was given. His spelling, it seems, is governed by a lexical procedure (because he was good at spelling irregular words) and this procedure is not semantically-based (otherwise homophone spelling would be considerably better than it was). A similar line of reasoning applies to a patient, GE, reported by Patterson (1986). GE was almost mute, but he was left with some ability to spell words ⫺ his success rate was between 68% and 79% correct and accuracy was unaffected by part-of-speech or regularity. Unlike the patient described by Rapcsak & Rubens, GE was helped dramatically in spelling homophones by being given a semantic context. However, when he was forced to rely less on semantic information and more on syntactic context (eg. the flag blew ⫺ the flag was blue), his performance rapidly deteriorated. In this case, it appears that GE is able to use semantic information in specialized contexts, but that he generally relies on the better preserved lexical phonological route ⫺ which can let him down when called upon to produce homophone spellings. One of the difficulties in establishing castiron evidence for the existence of this pathway is in determining the contribution of sub-lexical sound-spelling correspondences. Rapcsak & Ruben’s patient, for example, was still able to write nonwords to dictation. The argument hinges on a preserved ability to spell irregular words successfully ⫺ as their patient was able to do ⫺ because sub-lexical spelling-sound procedures would produce phonologically appropriate, but nevertheless incorrect, responses. Shallice (1988) claims that lexical and sub-lexical phonological procedures are, in any case, part of a single routine, with multiple-level sound-spelling correspondences (morphemes, syllables, sub-syllables and phonemes). This is the basis of his claim that there are considerable difficulties in establishing evidence for an independent lexical phonological pathway in written spelling.

12. Peripheral spelling disorders According to models of the output stages of spelling production (eg. Ellis 1982, 1988; Margolin 1984), one should be able to distin-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

guish a variety of peripheral disorders at a number of different levels. Several cases have been described in which it is argued that there is a specific difficulty at the level of the graphemic output buffer (eg. Nolan & Caramazza 1983; Miceli, Silveri & Caramazza 1985; Miceli, Silveri & Caramazza 1987; Caramazza, Miceli, Villa & Romani 1987; Posteraro, Zinelli & Mazzucchi 1988; Hillis & Caramazza 1989; Caramazza & Miceli 1990). On the view of how the graphemic buffer operates ⫺ as a common storage facility ⫺ word and nonword spelling should be affected equally and with similar patterns of errors. Note that impairment to the spelling lexicon would not be a viable alternative account here because it is not involved in spelling nonwords and could not therefore be the sole locus of deficit (Shallice 1988). Word spelling should be affected by word length (because of the short-term capacity of the buffer), but one would not expect sensitivity to lexical variables such as frequency, imageability or regularity. Spelling should also be affected regardless of task (eg. writing-to-dictation, written naming) and modality of output (eg. written spelling or spelling aloud). Patients FV (Miceli et al. 1987) and LB (Caramazza et al. 1987; Caramazza & Miceli 1990) fulfilled all of these criteria (except that LB was slightly better at spelling words than nonwords). Their errors were similar in nature to the letter-level slips of the pen described by Ellis (1979), Wing & Baddeley (1980) and Hotopf (1980), involving anticipations of letters, substitutions and transpositions, omissions and additions. Caramazza et al. (1987) also demonstrated that LB made more errors in writing middle letters of words, than either beginning or end letters (cf. Posteraro et al. 1988). As we have indicated above, this finding is also observed in slips of the pen and is more compatible with the notion of ‘read-out’ errors from the buffer than with that of abnormal decay of stored graphemes. Caramazza & Miceli (1990) use further evidence from LB’s spelling performance to propose that the graphemic buffer has a ‘tiered’ structure (rather than a linearly-ordered sequence of graphemes), that is based on graphemic equivalents of syllabic units (grapho-syllables), and which highlights differences between consonant and vowel graphemes. Cubelli (1991) describes the performance of two patients who have selective deficits in writing vowels, leading the author to conclude that consonants and vow-

els may be treated differently in the spelling system, a conclusion that Read (1986) also draws from considering evidence from young creative spellers. Some of the cases who appear to have a graphemic buffer deficit have presented with seemingly atypical and inconsistent features. Several patients, for example, show a word advantage in spelling and are affected by lexical variables: patient LB (Caramazza et al. 1987), for example, showed a slight word advantage, as did CB, a patient reported by Pate & Margolin (1990). CB also found it easier to spell high imageability words and regular words than their low imageability and irregular counterparts. Pate & Margolin attribute these findings to lexical and semantic support which serves to refresh the memory trace for words in the graphemic buffer, but not for nonwords. However, this account, as it stands, does not explain why other patients (with a similar constellation of symptoms) fail to show a word advantage in written spelling (nor does it explain why other features assumed to follow from lexical and semantic support, such as an imageability and even a regularity effect do not inevitably occur). Furthermore, it is possible that other deficits (such as a minor phonological output buffer problem ⫺ see Shallice 1988) can occur alongside an impaired graphemic buffer to precipitate a word advantage. Attentional deficits have also been shown to affect the operation of the graphemic buffer in selective and particular ways. Recall that the patients we have just discussed find more difficulty with letters occurring in the middle of words and nonwords than those in other positions. In contrast, patients with a spatial dysgraphia, as a result of right hemisphere damage, have been shown to have more difficulty in spelling beginning letters than middle or end letters (eg. Baxter & Warrington 1983; Hillis & Caramazza 1989). Some patients with left hemisphere damage exhibit a converse pattern of symptoms, with greater difficulty in spelling end letters (eg. Hillis & Caramazza 1989; Caramazza & Hillis 1990). It has been claimed that these problems arise because of neglect of the part of the graphemic representation contralateral to the lesion. This account is predicated on the assumption that while graphemes in the graphemic output buffer are represented in an abstract manner, their order is coded spatially and can therefore be affected by the lat-

91. Psychological aspects of spelling

eralised shifts in attention observed in unilateral neglect. The patient VB, described by Ellis, Young & Flude (1987), also showed features of left-sided neglect in written spelling (a tendency to leave a wide left margin and to write down the right side of the page). Failures to cross t’s and dot i’s and j’s were also attributed to her left sided neglect, since they were more prone to occur for letters at the beginnings of words. On the other hand, she also made errors which consisted of omissions or repetitions of letters and strokes, and they did not tend to occur in any particular letter position in the word. Ellis et al. suggest that these errors resulted from an additional difficulty in using perceptual feedback (visual and kinaesthetic), which had nothing to do with neglect. The authors neatly demonstrated that similar errors could be induced in normal subjects by preventing them from seeing what they were writing and, at the same time, giving them a secondary counting or tapping task to do with their other hand. The brain injury suffered by VB, and other patients with afferent dysgraphia, may have robbed them of their ability to attend to visual and kinasthetic feedback (Ellis & Young 1988). Impairments in assembling a graphemic level representation should affect all modes of spelling output equally. Disorders occurring later in the system should have a selective effect on just one mode of output. Ellis (1988) discusses patients who have specific difficulties with written, but not with oral, spelling. (Patients who show the reverse dissociation ⫺ a greater difficulty with oral spelling ⫺ lie outside the scope of this paper, see Kinsbourne & Warrington 1965). Some patients appear to be unable to remember which letter shapes correspond to which letter identities in written spelling, although this is not a problem for them in oral spelling (eg. Rosati & de Bastiani 1979; Goodman & Caramazza 1986). On the other hand, written letters are well-formed (both in upper and lower case), efficiently executed and legible, indicating that the difficulty is not one of selecting or realising an appropriate graphic motor pattern. Although writing is well formed and executed, individual words contain numerous omissions, transpositions, substitutions and repetitions of letters. Such errors are reminiscent of a graphemic buffer impairment. However, grapheme buffer impairments go handin-hand with a word length effect, so that the longer the word, the more errors are made.

1089 In this case, accuracy is not dependent on letter length. Rather, the difficulty seems to be at the level of translating an abstract graphemic representation into corresponding allographic or physical letter codes. Impairment at this level has been referred to as physical letter code agraphia (Margolin & GoodmanSchulman 1992). Other types of impairment have also been described that appear to affect the retrieval of an appropriate allographic code. Letter case is held to be assigned at this particular level (eg. Margolin 1984; Ellis 1982, 1988), and disturbances that selectively affect the generation either of upper or lower case letters have been reported. De Bastiani & Barry (1986), for example, have described a patient who had a progressive difficulty in writing in capital letters, preferring to write in lower case script. In contrast, Patterson & Wing (1989) reported a patient with an agraphia that was more severe for lower case than for upper case letters. De Bastiani & Barry (1989) describe a further example of a patient who had difficulty in maintaining letter case (and style), even though the sizing and scale of letters was apparently normal. Margolin & Goodman-Schulman (1992) suggest that a type of agraphia ⫺ which they call transitional agraphia ⫺ can result from impairment in translating allographs (physical letter codes) into graphic motor programs (other authors have preferred to regard such a disorder as yet another kind of impairment that can occur at the allographic level; Ellis 1988). The patient studied by Black, Behrmann, Bass & Hacker (1989), for example, had difficulties with written spelling, but typing and oral spelling were unimpaired. Written spelling was characterised by omissions, transpositions, repetitions and substitutions, but was not affected by lexical variables like imageability and regularity. Neither was it affected by word length. What did affect the patient’s performance was letter frequency: more frequent letters had a higher probability of being written correctly than less common errors. As one might anticipate, target and error contained the same number of errors 77% of the time. Specific difficulties with written letter formation have also been reported that occur in the absence of other fine-motor movements such as copying letters and words ⫺ a pattern typical of apraxic agraphia. Baxter & Warrington (1986), for example, described a patient, IDT, whose writing, even of single let-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ters was very poor. In writing capital letters to dictation, for example, he would produce incorrect letter shapes, often similar to a capital I, or would substitute poorly-formed letters. Whereas the patient with physical letter code agraphia, described by Patterson & Wing (1989), seemed unable to remember letter shapes, IDT could do so quite well ⫺ he could describe letter shapes aloud ⫺ but he could not write them. Oral spelling, on the other hand, was well preserved. He was also able to copy letters almost perfectly, regardless of case, suggesting that this difficulty is not one of carrying out fine motor movements, but rather one of selecting an appropriate graphic motor pattern. In contrast, the patient described by Margolin & Binder (1984) appeared to have difficulty with actually implementing motor patterns for writing ⫺ in his case, letters were poorly formed in writing and in copying.

13. Summary In this chapter we have set out to review existing work on spelling development and competent adult spelling from the perspective of current cognitive models. We have also examined the kinds of breakdown that can occur in written spelling as a result of developmental difficulties, performance slips in adult spelling and disorders acquired as a result of brain damage. Developmental studies reveal the nature of strategies that help the young child grow into a competent speller. We have discussed the complex interactions between spelling and reading as they occur at different phases of development. Although we know a great deal about the sources of knowledge that children have access to at different phases of spelling and reading, we still know little of the dynamics of their interplay. We also have yet to learn about the ways in which spelling strategies emerge as fully-developed mechanisms in adult written spelling. Cognitive models of adult spelling are specified in some detail. We now have some understanding of how stages which occur late in the process of spelling operate, for example, such as the point at which ‘case’ is assigned to a written formulation. Selective acquired disorders of spelling have helped to clarify our understanding considerably, though as Ellis (1988) notes, the models are not yet at a sufficient stage of development that different patterns can be explained in de-

tail. Neither do we have any idea as yet how these peripheral stages develop in the child learning to spell. However, since our understanding of the psychological processes involved in spelling has progressed so rapidly over the past fifteen years or so, during the next decade we will see answers to at least some of these questions.

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91. Psychological aspects of spelling

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1094

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

⫺. 1985. Onsets and rimes as units of spoken syllables: Evidence from children. Journal of Experimental Child Psychology 39, 161⫺181. ⫺. 1993. Beginning to Spell: A Study of FirstGrade Children. Oxford. Treiman, R. & Baron, J. 1981. Segmental analysis: Development and relation to reading ability. In G. C. MacKinnon & T. G. Waller (ed.), Reading research: Advances in Theory and Practice, Vol. III. New York. van Galen, G. P. 1991. Handwriting: Issues for a psychomotor theory. Human Movement Science 10, 165⫺191.

Waters, G., Bruck, M. & Seidenberg, M. 1985. Do children use similar processes to read and spell words? Journal of Experimental Child Psychology 39, 511⫺530. Wernicke, C. 1874/1968. The symptom complex of aphasia. (Trans.) Boston Studies in the Philosophy of Science 4, 34⫺97. Wing, A. M. & Baddeley, A. D. 1980. Spelling errors and handwriting: A corpus and distributional analysis. In Frith, 251⫺285.

Janice Kay, Exeter (England)

92. The influence of an alphabetic writing system on the reading process 1. 2. 3.

7.

Introduction Theories of printed word recognition Comparing word recognition across alphabetic writing systems The orthographic depth hypothesis Manipulating word-level information Manipulating phonological subword information References

1.

Introduction

4. 5. 6.

For each language, there is a fit between its orthography and its phonology. For example, Turkish, with little phonological complexity, efficiently utilizes an orthography in which letters map isomorphically onto phonemes and vice versa. In contrast, in English, which is more complex phonologically, the same morpheme is often pronounced differently in different words. In order to convey invariant meaning, such morphemes are often spelled the same, thereby complicating the association between letter and sound. Every alphabetic orthography can be characterized by the degree of complexity it exhibits in the relation between its spelling and pronunciation. Furthermore, the diversity in this relation that exists among alphabetic orthographies appears be paralled by the diversity of processes that readers of these orthographies use in recognizing the printed word. This article focusses on the theory and data of processing differences in word recognition that may be the result of structural differences among alphabetic orthographies.

2.

Theories of printed word recognition

Central to all information-processing theories of word recognition is the concept of the mental lexicon, the repository for a language user’s knowledge of words. Recognition of a word is said to occur when its memorial representation in the lexicon is activated. Stored with any given word form in the lexicon are its semantic, syntactic, phonological, and orthographic characteristics, and other information relevant to the use of the word. Theories of printed word recognition have focussed on the predicates by which words in print are matched to their representations in the lexicon (→ art. 81). One process is the recoding of printed information to its phonological counterpart by means of the correspondence between graphemic and phonemic units inherent to an alphabetic writing system. This process is characterized as using “assembled phonology” (Baluch & Besner 1991). In essence, the phonology that is assembled from subword components such as letters and letter clusters mediates access to the complete phonological form of a word in the lexicon. An alternative route to the lexicon is the use of visual letter information. In this view, the sound-referencing properties of alphabetic orthographies have no role in the recognition process. Rather, each of the many thousands of words in the reader’s reading vocabulary has a unique visual/spatial representation in lexicon. Lexical access, in this view, is described as “directly addressing” the internal lexicon from a visual form of the

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

⫺. 1985. Onsets and rimes as units of spoken syllables: Evidence from children. Journal of Experimental Child Psychology 39, 161⫺181. ⫺. 1993. Beginning to Spell: A Study of FirstGrade Children. Oxford. Treiman, R. & Baron, J. 1981. Segmental analysis: Development and relation to reading ability. In G. C. MacKinnon & T. G. Waller (ed.), Reading research: Advances in Theory and Practice, Vol. III. New York. van Galen, G. P. 1991. Handwriting: Issues for a psychomotor theory. Human Movement Science 10, 165⫺191.

Waters, G., Bruck, M. & Seidenberg, M. 1985. Do children use similar processes to read and spell words? Journal of Experimental Child Psychology 39, 511⫺530. Wernicke, C. 1874/1968. The symptom complex of aphasia. (Trans.) Boston Studies in the Philosophy of Science 4, 34⫺97. Wing, A. M. & Baddeley, A. D. 1980. Spelling errors and handwriting: A corpus and distributional analysis. In Frith, 251⫺285.

Janice Kay, Exeter (England)

92. The influence of an alphabetic writing system on the reading process 1. 2. 3.

7.

Introduction Theories of printed word recognition Comparing word recognition across alphabetic writing systems The orthographic depth hypothesis Manipulating word-level information Manipulating phonological subword information References

1.

Introduction

4. 5. 6.

For each language, there is a fit between its orthography and its phonology. For example, Turkish, with little phonological complexity, efficiently utilizes an orthography in which letters map isomorphically onto phonemes and vice versa. In contrast, in English, which is more complex phonologically, the same morpheme is often pronounced differently in different words. In order to convey invariant meaning, such morphemes are often spelled the same, thereby complicating the association between letter and sound. Every alphabetic orthography can be characterized by the degree of complexity it exhibits in the relation between its spelling and pronunciation. Furthermore, the diversity in this relation that exists among alphabetic orthographies appears be paralled by the diversity of processes that readers of these orthographies use in recognizing the printed word. This article focusses on the theory and data of processing differences in word recognition that may be the result of structural differences among alphabetic orthographies.

2.

Theories of printed word recognition

Central to all information-processing theories of word recognition is the concept of the mental lexicon, the repository for a language user’s knowledge of words. Recognition of a word is said to occur when its memorial representation in the lexicon is activated. Stored with any given word form in the lexicon are its semantic, syntactic, phonological, and orthographic characteristics, and other information relevant to the use of the word. Theories of printed word recognition have focussed on the predicates by which words in print are matched to their representations in the lexicon (→ art. 81). One process is the recoding of printed information to its phonological counterpart by means of the correspondence between graphemic and phonemic units inherent to an alphabetic writing system. This process is characterized as using “assembled phonology” (Baluch & Besner 1991). In essence, the phonology that is assembled from subword components such as letters and letter clusters mediates access to the complete phonological form of a word in the lexicon. An alternative route to the lexicon is the use of visual letter information. In this view, the sound-referencing properties of alphabetic orthographies have no role in the recognition process. Rather, each of the many thousands of words in the reader’s reading vocabulary has a unique visual/spatial representation in lexicon. Lexical access, in this view, is described as “directly addressing” the internal lexicon from a visual form of the

92. The influence of an alphabetic writing system on the reading process

word. The term “direct” contrasts this process with the “mediated” route that involves assembled phonology. By the direct route account, patterns of printed words are acquired as the reader learns to read. Some theorists suggest that skilled readers depend only on the direct route (Forster 1990). In this view, phonological representations may become active ⫺ they may be needed for syntactic parsing or for general comprehension ⫺ but only after the word has been directly accessed in the lexicon. The conclusion of most accounts (termed dual-route) is that the reader can use both direct as well as mediated processes in the course of recognition. Variations on this model have been proposed which differ in the degree of relative interdependence of the direct and mediated options (see, for example, Humphreys & Evett 1985; Patterson & Coltheart 1987). The process of word recognition may involve only the direct route, only the mediated route, or some combination of the two. If the routes are typically interdependent, then we can expect to find evidence of both processes. Thus, experimental evidence of direct orthographic effects does not eliminate the possibility that phonological processes were also present - and vice versa. Nevertheless, debate has often centered on the independence issue. One question has been: is the pronunciation of a printed word initiated soley via recoded phonology? Instead, an orthographic representation could be activated first (via the direct route) and, by association, its phonological lexical representation may be activated next. In recent formulations, network models have been presented that express an interdependence of direct and mediated processes. The recognition process has been modeled as a pattern of activation within a network of nodes (e. g., McClelland & Rumelhart 1981). Nodes consist of letter-, phoneme-, and word-sized units arranged in parallel hierarchical levels: letter nodes connected to orthographic whole word nodes, phonemes connected to phonological words, and these two systems connected together at each level. Complex activation patterns of facilitation and inhibition within and between levels give rise to the participation of both mediated and direct processes in word recognition (Seidenberg & McClelland 1989). Models can be constructed that will account for the differences in processing that are observed between different alphabetic systems in various word

1095

recognition tasks (e. g., Frost & Katz 1989; Lukatela & Turvey 1990 b; Van Orden, Pennington & Stone 1990). Here, lexical access is achieved neither directly by orthography alone nor indirectly by mediated phonology alone; rather, the process of lexical access is interactive in nature. It then becomes relevant to ask which of the two processes, direct or mediated, predominates in tasks associated with lexical access? Within the framework of an interactive model, we can also discuss the relative dominance of one kind of processing to the other as a characteristic of a given orthography.

3.

Comparing word recognition across alphabetic writing systems

As described above, alphabetic orthographies differ in the complexity of the mapping between grapheme and phoneme. The SerboCroatian writing system, like the Turkish system, is an example of a transparent or shallow orthography. The spoken language is not phonologically complex and the mapping is consistent. As a result, a reader can generate a fairly accurate phonological rendition of any novel word. However, even in SerboCroatian, the orthographic information is not always sufficient for pronunciation: for words of more than two syllables, syllable stress and perhaps other suprasegmental aspects of the phonological form are unspecified in the orthography. We can contrast the Serbo-Croatian orthography with that of English, a deep orthography, which is notorious for the complexity of the mapping between grapheme and phoneme. To pronounce words in English, the reader must either remember the pronunciation of such a word as a whole or remember the appropriate context-dependent rules for assigning phonological interpretations to its subword letter units.

4.

The orthographic depth hypothesis

It has been proposed that the complexity of the relation between spelling and pronunciation has a strong influence on the psychological processes that underlie word recognition (e. g., Frost, Katz & Bentin 1987; Scheerer 1986). For example, word recognition in English may be different from word recognition in Serbo-Croatian because the correspondence between subword spelling patterns and

1096

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

whole word pronunciation is less regular in English than in Serbo-Croatian. This proposal, the orthographic depth hypothesis (ODH), states that the relative salience of direct to mediated processing for word recognition is determined by the regularity of the orthography’s grapheme-to-phoneme mapping and by the sufficiency of the resultant phonological representation for accessing the phonological lexicon. Readers of shallow orthographies have simple, consistent, and relatively complete connections between subword spelling and an assembled whole word pronunciation. Accordingly, they (more than readers of deeper orthographies) should continue to use assembled phonology for word recognition as they develop from beginning readers to skilled readers. For skilled readers of such a shallow orthography, there is no cost in continuing to use the mediated route. The alternative they have available, to develop a visual-orthographic lexicon and to depend on the direct route, would be costly of resources with, perhaps, an insufficient gain in recognition efficiency. Conceivably, frequently occuring printed words may acquire some direct route processing, though to a lesser degree than would be the case in a deep orthography where the expense of mediated processing is greater. Differences in orthographic depth also have consequences for spelling and how it is taught. In languages whose orthographies are truly shallow, school-children need receive no formal instruction in spelling; to know the spoken word is to know how to spell it. For moderately shallow orthographies (e. g., Spanish or Italian), the task is comparable: the child must learn only a few context-sensitive spelling rules. In contrast, in English, where spelling is complicated, it is taught as a separate topic. It has been suggested that good spellers in English remember visual patterns (Ehri 1980), but that claim has been disputed (Fischer, Shankweiler & Liberman 1985). For example, Fischer et al. found that visual knowledge differentiated good and poor spellers only for a small set of words whose spellings were not linguistically derivable (→ art. 91). It might be supposed that children who must learn to read and write in a deep orthography should be taught by methods that emphasize the use of the direct (lexical) route. In English, several strategies have been tried; none is universally accepted by reading teachers (see Adams 1990, for a review). In

Israel, children are not taught to read and write in the deep reduced Hebrew orthography but, instead, are taught a full orthography in which vowels and consonants are completely and consistently represented (Feitelson 1988). Consistent with this point are many studies in several languages demonstrating that the children who are skilled in the segmental analysis of spoken words (all other things being equal) are the children who learn to read and write most rapidly. To cite a few such studies, there is evidence for English (Liberman & Shankweiler 1979), German (Valtin 1980), Italian (Cossu, Shankweiler, Liberman, Katz & Tola 1988), and Portugese (Morais, Cary, Alegria & Bertelson 1979). Of course, as readers gain experience in their native orthography, the depth of that orthography may determine the optimal balance of direct and mediated processing that lies between the exclusive use of one route or the other. In the remainder of this paper, we examine the evidence that the relative dependence between the two processes changes with the depth of the orthography. First, we focus on direct and then mediated aspects of processing.

5.

Manipulating word-level information

One of the first lines of investigation directly comparing word recognition processes across languages focussed on naming printed words (Katz & Feldman 1983). Their method exploited the well-known phenomenon that the presentation of any word stimulates the lexical activation of words semantically related to it. Preceding a printed target word with a semantic relative (as compared with an unrelated word) may speed the recognition of the target because the target has been partially preactivated in lexicon before its actual appearance. But this can occur only if the naming task requires access to the lexicon in order to pronounce the target. To the extent that the requisite phonological codes for naming are generated, instead, via letter-tographeme correspondences, less semantic priming should occur. Thus, by the logic of the present study, the greater the extent of lexicon (word level) involvement in the naming process, the greater the semantic priming effect observed on a target word. Companion experiments were conducted in English and in Serbo-Croatian. Target

92. The influence of an alphabetic writing system on the reading process

items consisted of real words or of orthographically legal but meaningless nonwords. Each target was displayed for 3000 ms and was preceded by the brief (300 ms) presentation of a real word prime. In one condition, prime and target were semantically related and in a second condition they were unrelated. When the prime was related to the target, it was either a synonym or it belonged to its superordinate category (e. g., music ⫺ jazz). Nonword targets were also preceded by words. Subjects in both language versions of the experiment were native-language speakers and were university students. Consistent with the ODH, responses in Serbo-Croatian showed no semantic priming for naming while English showed a strong effect. Control experiments indicated that the absence of a result for Serbo-Croatian naming was not due to any weakness in the stimulus materials; in lexical decision, for which lexical access is required, both languages showed strong semantic priming effects. Assessment of the ODH was expanded into a three-way comparison of Hebrew, Serbo-Croatian, and English (Frost, Katz & Bentin 1987). Words in spoken Hebrew are constructed around a root of three (or sometimes four) consonants; vowels are infixed between these consonants. The orthography is a reduced one (i. e., deep) in the sense that some phonological information is not represented in the spelling. Specifically, vowels are not included and several consonants are bivalent (pronounced in either of two ways). Therefore, for a particular string of consonants in Hebrew, one must have lexical knowledge in order to pronounce it as a word. Construction of materials in the three languages was coordinated to maximize equivalence with respect to target word familiarity, degree and type of semantic relatedness, as well as initial consonants and other factors related to word structure. Inquiry focussed on a comparison between response speed in lexical decision (which, as noted above, requires lexical involvement in any language) and naming (which may proceed relatively free of lexical access, at least in shallow orthographies). Lexical manipulations included word frequency and semantic relatedness; both of these variables are thought to affect activation of a word in the lexicon. Results indicated that words were named faster than they were recognized in Serbo-Croatian. In contrast, naming was slightly slower than lexical decision in He-

1097

brew. English showed intermediate effects. The relative latencies of lexical decision and naming were interpreted, respectively, as indices of the extent of direct (lexical) and mediated (phonological) processing in those languages. Naming took about as long as lexical decision in Hebrew because both tasks require accessing the lexicon. In Serbo-Croatian, naming could be performed without activating the lexicon whereas lexical decision required the lexicon. English was an intermediate case. The effect of frequency supported this interpretation: Latency differences for high and low frequency words were equal for naming and lexical decision in Hebrew, weaker on naming than in lexical decision for English and significant only on lexical decision in Serbo-Croatian. Another lexical effect, semantic relatedness, was significant on naming for Hebrew and English but nil for Serbo-Croatian. Finally, when processing bias was manipulated by varying the proportion of nonwords (fewer nonwords should bias a subject toward direct processing), lexical effects on naming were evident in Hebrew and in English but not in Serbo-Croatian. Collectively, these results supported the hypothesis that evidence of lexical involvement varies inversely with orthographic depth (see also Frost & Katz 1992). The most powerful tests of the ODH are, necessarily, cross-orthography studies because a cross-language comparison is needed to interpret the relative effects of direct and mediated processing. Absolute values are not as informative because no theory predicts how much direct or mediated processing should occur within a given orthography. Predictions of the optimal contributions of each process must await a greater understanding of the constraints on the human information processing system. Therefore, to demonstrate that direct processing sometimes occurs in a shallow orthography or that mediated processing sometimes occurs in a deep orthography is not strong proof that readers of the orthography make exclusive use of that process. Nevertheless, single-language studies can sometimes explore assumptions underlying the ODH and even provide challenging results. Several single-language studies that have addressed the ODH are outlined below. For example, in contrast to the results of Katz & Feldman (1983), evidence of semantic priming effects on naming in Serbo-Croatian have been reported. Seidenberg & Vidanovic

1098

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

(1985) found small but significant effects of semantic priming on Serbo-Croatian naming. Effects were also found by Lukatela, Feldman, Turvey, Carello & Katz (1989) and Lukatela, Turvey, Feldman, Carello & Katz (1989) but only when response latencies were very long. One interpretation of such effects is that naming in Serbo-Croatian is not isolated from lexical information, i. e., that the routes are not independent but, rather, interactive. Semantic facilitation may reflect activation from the word level to the letter and phoneme levels, thus facilitating the recoding process. Note that the ODH itself is not directly compromised by these data because the absence of lexical effects on naming in a shallow orthography is only critical in an independent dual route account. The claim is only that lexical effects should be attenuated in a shallow orthography, compared to a deeper one. Lexical involvement in naming has been observed in other shallow orthographies, as well. In a series of experiments in Spanish, Sebastian-Galles (1991) found that nonwords which were orthographically similar to real words tended to be pronounced by analogy with the real words, despite the fact that Spanish grapheme-to-phoneme rules required a different pronunciation. Thus, subjects did not rely on correspondences between letter string and phoneme and activated lexical information in naming. Sebastian-Galles also found evidence that supports the ODH. Semantic priming effects were weaker for naming than for lexical decision. This indicated less lexical involvement in naming than in lexical decision, suggesting that naming may be partially accomplished by assembled phonology instead of completely by direct lexical processing. In the same vein, the correlation between speed of responding and frequency was weaker for naming than for lexical decision. Working in the shallow Italian orthography, P. Tabossi (personal communication) failed to find semantic priming effects on naming when nonwords were included in the stimulus list but did find priming when nonwords were excluded. Tabossi interpreted this to mean that subjects are biased toward using assembled phonology only when the stimuli to be named include nonwords. Because nonwords have no representation in lexicon, the utility of a direct visual-orthographic process is diminished when nonwords are present so mediated processing may be more obvious.

In contrast, when there are no nonwords in the stimulus list, there should be no impediment to using the direct route. Because there are no nonwords (or few novel words) in natural reading, Tabossi argued that the condition in which nonwords were absent ⫺ leading to dependence on a direct visual strategy was more representative of natural reading. Of course, the implication of these results for word recognition is weakened if lexical access processes are not independent. The standard Persian orthography is, strictly speaking, not a shallow orthography but a partially reduced one in which all consonants and three of its six vowels are represented by letters but the three remaining vowels are not. As a result, some printed words (those with omitted vowels) are opaque with respect to pronunciation, like Hebrew, while the pronunciations of those with printed vowels are transparent, like Serbo-Croatian. Baluch & Besner (1991) observed, in one experiment, that semantic priming facilitated the naming of opaque words but not transparent words. Consistently, naming of opaque words but not transparent words was correlated with word frequency, a putative index of lexical involvement. These results are in harmony with the interpretation that words in shallow orthographies (here, transparent words) can be named without lexical involvement while words in deep orthographies (here, opaque words) are named only with involvement of the lexicon. The effect of word frequency on naming of opaque words was interpreted as a lexical effect because frequently used words should become familiar visual patterns. However, this effect must be interpreted with some caution because frequently seen words may also have greater letter-to-phoneme frequencies than less frequent words. Thus, word frequency indexes not only a lexical factor but also a recoding factor. Baluch & Besner (1991) also included results that, in an independent dual route framework, challenge the idea that transparent words are recognized via phonological mediation. The absence of a priming effect, reported above, occured only when nonwords were included in the stimulus list. When nonwords were absent from the list of words to be named, semantic relatedness effects and frequency effects were evident for transparent as well as for opaque words. Thus, their results echo those of Tabossi’s, reported above.

92. The influence of an alphabetic writing system on the reading process

The ratio of words to nonwords and its effect on semantic facilitation can be accomodated in a network model by assuming that the amount of lexical activation on a given trial is sensitive to the relative proportion of nonwords in the task. The presence of nonwords results in lower lexical level activity and relatively enhanced activation of letter and phonemic units. When nonwords are absent, lexical activity increases and there is a greater excitatory effect from the lexical level to letter and phoneme levels.

6.

Manipulating phonological subword information

Further support for the ODH was observed in an experimental paradigm introduced by Frost & Katz (1989). Subjects had to compare a printed and a spoken word. Subjects were required to simultaneously read and listen to two words presented by computer and judge whether or not they represented the same lexical item. In order to make this comparison, both the spoken and printed stimuli had to be placed into a common representation. The evidence indicated that subjects generated the phonology of the printed word and compared the two stimuli phonologically. There were three conditions: clear speech and clear print, degraded speech (noise added) with clear print, and clear speech with degraded print (visual noise added). Serbo-Croatian and English native speakers were tested on structurally comparable materials. When either the printed or the spoken word was degraded, performance declined sharply. However, the effect of degradation was four times worse in the deep English than in the shallower Serbo-Croatian. Apparently, the processing of grapheme-to-phoneme correspondences in English is more diffused and, therefore, more susceptible to disruptive effects of noise. For a shallow network, however, there are fewer connections and far less ambiguity; under partial degradation, the system more efficiently utilizes whatever signal exists. Another line of investigation that has suggested differences in processing across orthographies utilizes a priming task in which each target is preceded by a prime that is similar phonologically (e. g., a rhyme but a different spelling), graphemically (e. g., similar spelling but no rhyme) or both. In English, phonemic similarity effects are difficult to obtain (com-

1099

pare Martin & Jensen 1988 with Hillinger 1980 and Meyer, Schvaneveldt & Ruddy 1974), as the ODH would predict. With Serbo-Croatian stimulus materials, in contrast, a robust effect of phonemic similarity was observed in the lexical decision task (Lukatela & Turvey, 1990 a). Targets whose primes differed only in initial letter showed facilitation (such pairs rhymed) whereas targets that differed on a medial letter showed slowing. Low frequency targets (uncommon words and pseudoword targets) showed facilitation whereas high frequency (word) targets showed slowing. A network model of these phonemic similarity effects has been developed by Lukatela et al. (1990 a). In the naming task, in contrast to the lexical decision task, facilitation due to phonological similarity has been observed for both words and nonwords with both initial and medial letter differences between prime word and target. Interestingly, when targets were highly familiar words, facilitatory effects of phonological similarity were observed in naming for both word and nonword primes (Lukatela, Carello & Turvey 1990). In lexical decision, by contrast, phonemically similar primes produced inhibition for the target word while phonemically similar pseudoword primes produced facilitation relative to dissimilar pairs. The foregoing account is not meant to imply that phonological effects on word recognition can never be obtained in English. Perfetti and his associates found evidence that lexical access requires phonological mediation (Perfetti, Bell & Delaney 1988). Their technique was to rapidly (tachistoscopically) present a target word followed by a backward masking word, requiring the subject to identify the target. Partial identification of the target word can occur before the onset of the mask because phonological properties of the word can become activated, if phonological activation is an automatic inevitable precursor of lexical access. Masks were chosen to have phonological and graphemic properties that were either identical or dissimilar to those of the target. The authors found a smaller masking effect for a homophonic mask, indicating that prelexical phonology had been activated during identification of the target. Similar effects have been reported in a backward masking study in Serbo-Croatian.

1100

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

In summary, evidence from a variety of orthographies suggests that the relative strengths of direct and mediated processes in word recognition reflect the relation between written and spoken forms of the language. For current theories of word recognition that consider direct and mediated processes to be interdependent, their effects can not be meaningfully interpreted in isolation.

7.

References

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1101

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes Scheerer, Eckart. 1986. Orthography and lexical access. In: Augst, Gerhard (ed.), New Trends in Graphemics and Orthography. Berlin, 262⫺286. Sebastian-Galles, Nuria. 1991. Reading by analogy in a shallow orthography. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 17, 471⫺477. Seidenberg, Mark S. & McClelland, James L. 1989. A distributed, developmental model of word recognition and naming. Psychological Review 96, 523⫺568. Seidenberg, Mark S. & Vidanovic, S. 1985. Word recognition in Serbo-Croatian and English: Do

they differ? Paper delivered at Psychonomic Society Meetings. Boston. Valtin, Renate. 1980. Deficiences in research on reading deficiences. In: Kavanaugh, James L. & Venezky, Richard (ed.), Orthography, Reading, and Dyslexia. Baltimore. Van Orden, Guy, Pennington, Bruce F. & Stone, Gregory O. 1990. Word identification in reading and the promise of subsymbolic psycholinguistics. Psychological Review 97, 488⫺522.

Leonard Katz/Laurie B. Feldman, New Haven (USA)

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1.

Introduction: Orthographic variation Differing patterns of lexical access Intra- and inter-language Stroop interference effects Differing patterns of hemispheric asymmetries? Reading disability in a non-alphabetic script Concluding remarks References

Introduction: Orthographic variation

The advent of writing systems is undoubtedly one of the most important cultural achievements of humankind. In fact, human beings stand alone in history as the sole creature on earth who invented written symbols and who also benefited from these symbols. Without question, because of the ability to transcribe spoken language into some kind of graphic representations, communication has been vastly expanded to overcome the limitations of space and time that are usually imposed on the spoken sound. But such an enlightening thought developed slowly: Indeed, it took a span of many thousands of years for our ancestors to come up with systems that work for different languages, and it certainly takes a great deal of effort on the part of a modern learner to become a fluent reader in any writing system. This can not be simply a biological coincident. Only a correct description of the nature of symbols can help us to unravel the tangled story of success as well as failure in learning to read different scripts. Precise characterization of and closer examination into each type

of the ever existing scripts in terms of the depth of script/speech mapping is necessary for any theoretical analysis of reading processes. In his latest book on the development of various writing systems, DeFrancis (1989) concludes, after a critical evaluation of the functional usefulness of most scripts, that a fully developed writing system has to be speech based. Interestingly, under such a conceptualization, the Chinese writing system is very much sound-based and accordingly, its reading comprehension depends on the success of recovering its morphosyllabic representation. Indeed, experimental results of recent psycholinguistic and neurolinguistic studies on reading Chinese are very much consistent with such an analysis (Tzeng, Hung & Lee 1991). Writing systems have been qualified as logographic, syllabic or alphabetic according to the morphemic, syllabic or phonemic representation level of the speech (Hung & Tzeng 1981). Among the many writing systems existing in the world today, Chinese logographs are unique in that their relationship with the spoken language they transcribe is rather opaque. This relationship can be described as morphosyllabic in nature. However, the logographs and syllables do not have a one-to-one correspondence: the same syllable may be represented by different logographs with different meanings. The number of Chinese logographs has expanded to tens of thousands, and they are complex in configuration (Hung & Tzeng 1981; Tzeng & Wang 1983; Wang 1981, → art. 26, 120). There is another unique aspect of Chinese logographs that needs to be mentioned. Cen-

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93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes Scheerer, Eckart. 1986. Orthography and lexical access. In: Augst, Gerhard (ed.), New Trends in Graphemics and Orthography. Berlin, 262⫺286. Sebastian-Galles, Nuria. 1991. Reading by analogy in a shallow orthography. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance 17, 471⫺477. Seidenberg, Mark S. & McClelland, James L. 1989. A distributed, developmental model of word recognition and naming. Psychological Review 96, 523⫺568. Seidenberg, Mark S. & Vidanovic, S. 1985. Word recognition in Serbo-Croatian and English: Do

they differ? Paper delivered at Psychonomic Society Meetings. Boston. Valtin, Renate. 1980. Deficiences in research on reading deficiences. In: Kavanaugh, James L. & Venezky, Richard (ed.), Orthography, Reading, and Dyslexia. Baltimore. Van Orden, Guy, Pennington, Bruce F. & Stone, Gregory O. 1990. Word identification in reading and the promise of subsymbolic psycholinguistics. Psychological Review 97, 488⫺522.

Leonard Katz/Laurie B. Feldman, New Haven (USA)

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1.

Introduction: Orthographic variation Differing patterns of lexical access Intra- and inter-language Stroop interference effects Differing patterns of hemispheric asymmetries? Reading disability in a non-alphabetic script Concluding remarks References

Introduction: Orthographic variation

The advent of writing systems is undoubtedly one of the most important cultural achievements of humankind. In fact, human beings stand alone in history as the sole creature on earth who invented written symbols and who also benefited from these symbols. Without question, because of the ability to transcribe spoken language into some kind of graphic representations, communication has been vastly expanded to overcome the limitations of space and time that are usually imposed on the spoken sound. But such an enlightening thought developed slowly: Indeed, it took a span of many thousands of years for our ancestors to come up with systems that work for different languages, and it certainly takes a great deal of effort on the part of a modern learner to become a fluent reader in any writing system. This can not be simply a biological coincident. Only a correct description of the nature of symbols can help us to unravel the tangled story of success as well as failure in learning to read different scripts. Precise characterization of and closer examination into each type

of the ever existing scripts in terms of the depth of script/speech mapping is necessary for any theoretical analysis of reading processes. In his latest book on the development of various writing systems, DeFrancis (1989) concludes, after a critical evaluation of the functional usefulness of most scripts, that a fully developed writing system has to be speech based. Interestingly, under such a conceptualization, the Chinese writing system is very much sound-based and accordingly, its reading comprehension depends on the success of recovering its morphosyllabic representation. Indeed, experimental results of recent psycholinguistic and neurolinguistic studies on reading Chinese are very much consistent with such an analysis (Tzeng, Hung & Lee 1991). Writing systems have been qualified as logographic, syllabic or alphabetic according to the morphemic, syllabic or phonemic representation level of the speech (Hung & Tzeng 1981). Among the many writing systems existing in the world today, Chinese logographs are unique in that their relationship with the spoken language they transcribe is rather opaque. This relationship can be described as morphosyllabic in nature. However, the logographs and syllables do not have a one-to-one correspondence: the same syllable may be represented by different logographs with different meanings. The number of Chinese logographs has expanded to tens of thousands, and they are complex in configuration (Hung & Tzeng 1981; Tzeng & Wang 1983; Wang 1981, → art. 26, 120). There is another unique aspect of Chinese logographs that needs to be mentioned. Cen-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

turies ago, these logographs were adopted by the Korean, the Japanese, and the Vietnamese to become their respective national writing systems (→ art. 27). The sound systems of these languages are quite different from spoken Chinese, and there were major problems in adopting the Chinese writing system to transcribe them. Today, North Korea and Vietnam have dropped the use of Chinese logographs altogether and opted for an alphabetic system. However, South Korea and Japan maintained them, and created sound-based systems (the Hangul alphabet for Korean and Kana syllabaries for Japanese) to overcome the problem of mismatch between the writing system and the sound system. Let us take a closer look at the Japanese case. The origin of the Japanese spoken language is quite different from that of Chinese. The former evolved from the Altaic family of languages, which includes Turkish and Mongolian (Miller 1980). The latter, however, is not part of the Altaic group, and there are substantial differences in phonology between the languages. As a result of borrowing an orthography from a different spoken language, the Japanese have evolved two different pronunciations of the Kanji (the borrowed Chinese logographs) characters ⫺ a Japanese pronunciation and an approximation of the Chinese pronunciation. In addition, due to syntactic requirements, they have developed two syllable-based scripts in order to be able to represent function words and loan words. These are called Kana script in general, and the hiragana and katakana syllabaries specifically. Nowadays an ordinary Japanese text contains all three scripts in their distinctive styles. For most Indo-European languages, the writing system, patterned after that of the Greeks, evolved to an alphabetic script, with the number of written symbols extensively reduced. A full alphabet, marking vowel as well as consonant phonemes, developed over a period of about 200 years during the first millenium B. C. in Greece (Kroeber 1948; → Art. 25). The transition from the syllabic to the alphabetic system marked a gigantic jump with respect to the script/speech relationship. In fact, the development of vowel letters, which form the basis of the analytical principle of an alphabetic system, has been characterized as something of an accident rather than a conscious insight (Gleitman & Rozin 1977). As a sound-writing script, an alpha-

betic system maps onto speech at the level of the phoneme, a linguistic unit smaller than the syllable but larger than an articulatory feature. As we look back at these historical changes, we see that the evolution of writing seems to have taken a single direction: at every advance, the number of symbols in the script decreases, and as a direct consequence the abstractness of the relation between script and meaning increases and the link between graphemes and phonemes becomes clearer. This pattern of development seems to parallel the general trend of cognitive development in children and thus may have important implications for beginning readers of different orthographies. One of the major activities in learning to read is exploring the correspondence between the written script and the spoken language (Tzeng & Singer, 1981). Since the script/speech relations in different orthographies tap into different levels of speech perception, and since the size of the minimal character set required for transcribing the entire speech segments in a language depends on such mapping relations, these unique historical developments provide ample opportunity to study the effects of orthographic variations on visual information processing within and across languages, and with respect to both skilled and beginning readers. A question of psychological interest concerns the extent to which different orthographies undergo similar (or different) processing. With respect to the question of linguistic relativity due to the variations in the orthographic structure, the Chinese language has been condemned as well as appraised, all because of its many unique properties. For example, in the 19th century August Schleicher proposed that “isolating” languages, such as Chinese, which used simple elements and were thus more “primitive” than “agglutinating” languages, which build its words from distinct forms. In contrast, as Wang has cogently pointed out, “Perhaps it is this structural simplicity of the language that moved the anthropologist and linguist Edward Sapir to characterize it as ‘soberly logical’ ” (Wang 1973). It is also true that more than any other writing system, the Chinese, with its non-alphabetic nature, has been besieged by “China experts” advancing potentially embarrassing notions. Most of these self-proclaimed experts are merely harmless drudges in the grip of a private theory. But there also were Leib-

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes

niz and many other outstanding thinkers of the 17th and 18th centuries, who were much taken by the idea of creating a universal language based upon “scientific” principles similar to those which they thought underlay the Chinese system of writing (DeFrancis 1989). Such an idea persists even among modernday scholars of high academic standing. Thus, for the well-known anthropologist Margaret Mead, the Arabic numeral system provides a partial model for a universal language of science, and the Chinese system “the most complete model” (Mead & Modley 1968, 62). The enthusiasm was fueled by a research report in the prestigious journal Science which showed that disabled readers of English in a Philadelphia elementary school were successfully taught to read English represented by Chinese characters (Rozin, Portsiky & Sotsky 1971). The results of the Philadelphia study and their implications have been disputed over the last two decades and the excitement of a possible “supreme orthography” dwindles down quite a bit after the observation of a null-finding from a renowned large scale study which involved three countries across three different writing systems (Stevenson 1984). However, curiosity about the on-line reading processes from a comparative perspective continues to persist among cognitive psychologists who are interested in building a “universal” theory of reading (Hung, Tzeng, Lee & Chang, 1994; Seidenberg 1985). The new debates center around topics such as the scriptal effects on the nature of reading disability, on modeling word recognition and naming processes, on the relationship between the phonemic awareness and learning to read, and on the development of higher cortical functions. A rigorous research methodology adopted from the experimental psychology tradition and a process-oriented theorization imported from the emerging cognitive neuro-science program have helped to get rid of some of the wild notions about reading Chinese. In the following, we will review results from studies of the new approach under topics which are most relevant to our concern here.

2.

Differing patterns of lexical access

Fluent readers can read faster than they can talk, but for a child just learning to read, the opposite is usually true because every word

1103 has to be sounded out in order to get at the meaning. At some point during the process of acquiring reading skills, the transformation of visual code into speech code becomes automatic via some nonlexical symbol-sound correspondence rules, or becomes unnecessary altogether (the latter view has generally been referred to as the direct access hypothesis). In recent years, studies of word recognition in an alphabetic script like English have been dominated by concern over the nature of the code that allows the reader to go from print to meaning, a process called lexical access (Adams 1990). Almost twenty-five years ago, when experimental psychologists started to launch their first series of attacks on reading from the perspective of information processing, using reaction time as the dependent measure, a number of investigators held the view that phonological recoding was a necessary preliminary to lexical access (Gough 1972; Gough & Cosky 1977; Rubenstein, Lewis & Rubenstein 1971). A considerable amount of evidence was collected to support the phonological recoding hypothesis. However, other investigators were accumulating abundant evidence to support the direct access hypothesis. It is now clear from both the experimental and neuropsychological literature that, for a large number of words, phonological recoding for the purpose of lexical access is not necessary. In fact, some form of orthographic or visual code is sufficient for the purpose of getting meaning from print (Henderson 1982; Hung & Tzeng 1981; McCusker, Hillinger & Bias 1981; Saffran & Marin 1977; Seidenberg 1985). Adding Chinese logographs into the picture seems to complicate, rather than clarify, the issue. Early supporters of the direct access hypothesis always used the example of reading Chinese to reinforce their argument. The argument goes like this: Because Chinese logographs do not contain information about pronunciation, people must be able to read without speech recoding. However, this statement is not exactly correct. First, Chinese logographs consist of a majority of phonograms that at times do give clues to pronunciation. Thus, with the ability to pronounce a limited number of basic logographs, and knowledge of certain orthographical principles in the construction of logographs, readers of Chinese can in fact make reasonably successful guesses about how to pronounce logographs that share the same pho-

1104

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

netic component, even those that they have never encountered before (Zhou 1978). The procedure involved in this type of graphemesound conversion is of course very different from that involved in the GPC (graphemephoneme conversion) rules advocated by Coltheart (1980). But it is similar to Glushko’s (1979) activation-synthesis model of the generation of phonological codes. Indeed, such a procedure of generating phonological codes by analogy was proposed by Tzeng (1981) as one of two mechanisms in speech recoding, and was recently thought to be used by fluent readers of English for most words (Kay & Marcel 1981; Seidenberg 1985). Empirical evidence for the operation of this type of speech recoding in reading Chinese has been provided by Fang, Horng & Tzeng (1986) and by Lien (1985). Second, the Chinese writing system also makes it very clear that we cannot assume a one-to-one correspondence with respect to semantics between a word in print and a meaning in the mental lexicon. Single logographs are often recombined to make up new words; hence, there is nothing in the lexicon to be accessed. Meanings of words become available through the reference back to phonology and contexts. In this sense, it is rather difficult, if not impossible, to conceive of the access to the lexicon via some orthographic or visual configurational cues. To a lesser degree this may also be true with respect to English orthography. Reading should not be equated with the lexical access of a single word; rather, it should be regarded as a series of more general linguistic activities such as iconic scanning and storage, lexical retrieval, short-term retention, syntactic parsing at both macro- and micro-levels (Kintsch & Van Dijk 1978), and semantic integration over the entire discourse. This kind of conceptualization immediately questions the validity of the view that reading logographs involves no graphemephonology translation. Thus, despite the bias towards direct grapheme-to-semantic processing, logographs may also activate phonological recoding processes. Erickson, Mattingly & Turvey (1977) found increased errors in an immediate memory task when Kanji characters were phonologically related. Tzeng, Hung & Wang (1977) found similar effects in Chinese readers when phonetically similar logographs were used in an immediate memory task and in a sentence judgment task in which subjects decided whether sen-

tences were meaningful and grammatically correct. One implication to be drawn from all of these findings is that phonological recoding is just one of the strategies for obtaining access to meaning, rather than an obligatory stage. There are at least two major ways in which such a recoding process is important. First, in blending the individual letters (or logographs) of words, the phonological recoding of the individual letter (or logograph) sound can plausibly be argued to be an important intervening stage, at least for children learning to read. A second way in which phonological recoding may be involved in reading is concerned with the question of whether fluent readers need to phonologically recode printed materials or are assisted by doing so. In this latter view the phonological recoding is regarded as a general strategy of human information processing, and thus, the orthographic difference in the printed materials becomes less important (Tzeng et al. 1977).

3.

Intra- and inter-language Stroop interference effects

Because logographs represent units of meaning rather than units of sound it has been suggested that logographic orthographies allow more rapid access of meaning than phonetic orthographies (Biederman & Tsao 1979; Hatano, Kuhara & Akiyama 1981). Phonetic orthographies rely at least in part on phonological recoding processes; that is, the written symbols arouse names which then access meaning. Based on this view, logographic orthographies may allow more rapid access of meaning, although phonetic orthographies may allow more rapid access of names. Thus, reading Chinese may involve different cognitive processes than reading English. To obtain empirical evidence about differential script processing with logographic and alphabetic writing systems, most investigators have employed facilitating-interference paradigms like the color-word Stroop test (Stroop 1935) or its variations (Besner & Coltheart 1979). In the Stroop color-word test, a disruption and delay in naming the color of the ink occurs when the ink spells an incongruent color name (e. g., the word RED written in green ink and the subject is asked to call out aloud the name of the ink color, i. e., green in this case). The slowing of naming in the presence

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes

of conflicting words has been termed the “Stroop interference effect.” Biederman & Tsao (1979) carried out a study to see whether varying the type of orthography would produce different amounts of Stroop interference, by comparing Chinese (graduate students from Taiwan) and English readers in the Stroop task for their respective orthographies. They found a greater Stroop interference for Chinese readers, and suggested that the direct associations between symbol and meaning produced greater interference in the Chinese version of the task. Biederman & Tsao’s finding and their account for the data are interesting and immediately provoked a series of studies from all over the world to further examine effect of orthographic variations on reading (Hung & Tzeng 1981, 1988). Critics (e. g., Smith & Kirsner 1982) pointed to the fact that two totally different subject populations were tested in Biederman & Tsao’s study and thus, the results could easily be accounted for by the subject, rather than orthographic, factor. In an attempt to circumvent the problem of subject variations, investigators then focused on the Japanese writing system in which the same readers could be tested under two different scripts, namely, Kanji logographs and Kana symbols. Data from several studies upheld the orthographic-specific hypothesis (Hatta 1981; Hatta, Katoh & Aitani 1982; Fang, Tzeng & Alva 1981) with the results that for the same Japanese reader a KanjiStroop test produced more interference than a Kana-Stroop test. The Japanese evidence is far from conclusive, however. A major problem lies in the fact that in everyday ordinary reading materials, the color names are always written in Kanji logographs and thus, when readers were facing both Kanji and Kana color terms, their naming for the former is more representative of natural reading while their naming for the latter is contrived to meet the experimental demands. That is, with the Japanese subjects in a Stroop experiment under two scripts, the subject variable and the spoken language efficiency may be equated; but the orthographic variable is certainly a confound which is difficult to overcome. The methodological problem can be reasonably resolved in Singapore in which school children are brought up to be bilinguals as well as literate in two scripts. Since they are competent in both languages, their reading of either script written in its natural

1105 style should give an excellent opportunity to examine the orthographic-specific hypothesis with regard to the Stroop effect. In addition, Singapore has several unique bilingual populations in which various bi-scriptal combinations are present. For example, the Chinese-English bilingual children are learning both logographic and alphabetic scripts; the Malay-English bilinguals are learning two types of alphabetic scripts; and the IndianEnglish bilinguals are learning both syllabic and alphabetic scripts. Examinations of the Stroop interference effect across these different bilingual groups with respect to the distinctive orthographic properties would give a wide range of possibilities for theoretical considerations. Lee, Tzeng, Wee & Hung (1992) carried out a large-scale study in Singapore to examine the bilingual Stroop effects from several different perspectives. If Biederman & Tsao’s orthographic-specific hypothesis is true, then one would expect that in a subject who is bilingual in both Chinese and English, the interference when naming Chinese color-words in Chinese would be more than when naming English color-words in English. On the other hand, in a subject bilingual in English and Malay, we would not expect much difference in the interference when naming the Malay colorword in Malay compared to naming English color-words in English. This is because Malay and English are both alphabetic scripts. In fact, modern Malay script utilizes the same alphabet as English, and each alphabet represents the same or very similar phonemes in Malay as in English. The two writing systems differ in that the grapheme-phoneme conversion rules are very regular in Malay, whilst there are frequent exceptions in English. The expected findings in a subject bilingual in Tamil and English would be similar to that of the Malay-English bilingual. This is because Tamil is a syllabic script which has very regular grapheme-syllable conversion rules. Though the syllables are made up of one or more letters, each syllable has a distinct configuration different from its constituent letters. Indian children learning to read are taught how to read the syllables and combine the syllables to form words. Only later do they learn the individual letters which make up the syllables. Another point of interest when studying the Stroop interference paradigm in bilinguals is the reduction of the interference in the interlingual situation compared to the in-

1106

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

tralingual situation. It is well known that when bilinguals are asked to name the color of a color-word in a different language than that in which the word is written, the interference is less than if the task is to name it written in the same language. It has been postulated that the greater the difference between the orthographic structure of the two languages, the greater the reduction in interference in the switch language situation (Fang et al. 1981). This reduction was postulated to reflect the difference in the demand on the same central processor due to orthographic similarity. It was thought that because the greater was the orthographic similarity between the two languages, the stronger would be the competition for the same information processing mechanisms and thus, the smaller would be the reduction of Stroop interference from the intra- to the interlingual condition. In Lee et al.’s (1992) study, 177 Chinese, 24 Malay, and 24 Indian children of Singapore, bilingual in both English and their mother tongues (Chinese, Malay, and Tamil, respectively) were tested with the Stroop colornaming tasks in both languages under intralingual and interlingual conditions. The interference effect was found for each and every language, with respect to both intra- and inter-language conditions. The Chinese words were not found to cause more interference than the English words, and the reduction in interference in the switch language situation was the same for all three bilingual groups. These results contradict the predictions made by the orthography-specific hypothesis in which logographic script is expected to induce greater intralanguage interference than the sound-based scripts (e. g., syllabary and alphabet) and the reduction of interference from intra- to interlanguage condition is expected to increase as the difference between two orthographic structures increases. A further analysis suggests that the speed of decoding color words and the speed of generating color names may combine to determine the magnitude of the Stroop effect. These null findings essentially undermine the two most important predictions of the orthographic hypothesis with respect to both the intra- and inter-language Stroop interference effects. We have to conclude that the orthographic factor by itself has nothing to do with the degree of the Stroop interference. This conclusion immediately raise two questions: Why was there the excitement for the

orthography-specific hypothesis in the early years of this research? And, given our conclusion of the irrelevance of the orthographic factor, how can we account for the previous data which seem to support such a hypothesis? The answer to the first question seems to be an easy one in retrospect. When group differences are obtained, there is a tendency to account for them in terms of the most salient differences between the groups, which in this case is the linguistic descriptions of the different types of scripts. Methodologically speaking, nothing is wrong with this as long as the theorist stipulates his/her propositional account within the same level of description, i. e., without attempting to stipulate underlying psychological or neurological mechanisms in order to account for the differences. Unfortunately, in recent years, we have seen many model builders incorrectly assume that a linguistic description must have an implied knowledge of language structure, which then provides an independent rationale for the proposed specialized mechanism (or neurolinguistic pathway) in order to access the knowledge. For instance, the orthographyspecific account for the cross-language Stroop effect assumes that the reading of ideographic script (Chinese) and the processing of color information may compete for the same “perceptual capacities” in the right hemisphere (Biederman & Tsao 1979, 130). As cogently pointed out by Paradis, Hagiwara & Hildebrandt (1985, 55), “This claim is somewhat surprising in view of the fact that both kanji naming and color naming are generally impaired subsequent to left hemisphere lesion.” The mistake was made because many theorists were ready to believe that the alphabetic and logographic scripts ought to be processed differently even if there had never been data to disprove the null hypotheses. The second question is more difficult to answer, but is to be raised a more pertinent theoretical question against the interpretation of the cross-language Stroop interference effect. Since the seminal work of Preston & Lambert (1969), the consistent result from the bilingual Stroop test is that both the intralingual condition and the interlingual condition take more time to name than a control condition of naming solid color patches. Since the bilingual subjects were not able to inhibit the processing of the irrelevant color word in the other language, the result of a consistent interlingual interference by

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes

itself argues strongly against the suggestion of a bilingual switch mechanism. This inability to “switch off” the irrelevant other language provides the rationale for the competition hypothesis, which in turn provides a sensible account for the finding that the interlingual conditions induces much less interference than the intralingual account. In addition, it stimulates the idea that the amount of reduction in the Stroop interference from the intralingual to interlingual conditions may be a function of the similarity between the orthographic structures of the two languages. Comparing their own data for Chinese-English and Japanese-English bilinguals, and also data from other bilingual studies in the literature, Fang et al. (1981) are able to show the magnitude of reduction in interference between intralanguage and interlanguage conditions is greatest between Chinese and English and least between French and English, with other languages ranked in between. On the surface, these data and other similar findings seem to give a strong support for the orthography-specific view of the Stroop interference effect. However, these results were not always reproducable (see Hildebrandt 1981; Smith & Kirsner 1982; Obler & Albert 1978), but the negative findings, for whatever reasons, tended to be ignored. Procedural differences may account for some of the discrepancies. But a particularly serious problem of comparison across these different studies is the lack of control for bilingualism: Not all of the studies used fluent bilinguals! Different degrees of bilingualism affect decoding times as well as response generation times and such massive confounding makes the results from intralingual and interlingual Stroop tasks very difficult, if not impossible, to interpret. The seemingly clear relation between the orthographic factor and the magnitude of Stroop interference can easily be a reflection of different degrees of bilingualism. Due to the Government’s emphatic demand on bilingual education, Singapore’s children, regardless of their ethnic origin, are required to learn English as well as their respective native languages. This unique bilingual setting makes it possible to have three different bilingual groups comparable in terms of language competence. Consequently, results from Lee et al’s study with bilingual children in Singapore provide a much better test of the validity of the orthography-specific hypothesis. With respect to the

1107 issue of bilingualism, all three groups of bilingual children have English as their first formal written language at school and they all have to learn to read their own native language as a second written language. Based upon their more or less equal response times in naming color words (in black ink) or color patches in English, all three bilingual groups should be considered equivalent in terms of their English proficiency. This equivalence is corroborated by the fact that in the English Stroop task, all three bilingual subjects shows equal amounts of intralanguage Stroop interference. Since Chinese is the native language for the Chinese-English bilingual children, Malay is the native language for the MalayEnglish bilinguals, and Tamil is the native language for the Indian-English bilinguals, there is no reason to question the equivalence of native language proficiency in these three different bilingual groups. Again, this conclusion is corroborated by the non-significant differences in naming color words and color patches in their respective native languages. The experimental manipulations are by no means non-sensitive in the study of Lee et al. (1992). Both intra- and interlingual Stroop tasks resulted in highly significant interference for each and every language condition. But the most important fact is that there is no systematic relationship between the orthographic factor and the magnitude of the Stroop interference. In fact, the data here and those in the past literature seem to be better accounted for by one of the current theories of selective attention (Neill 1977; Tipper & Driver 1988; Tzeng & Hung, in press). Under the conceptualization of the activation-suppression model, attention “refers to selection from available, competing environmental and internal stimuli, of specific information for conscious processing.” (Posner & Rafal 1987, 138). Objects are in general processed in a parallel fashion and equivalent information is available for both relevant and irrelevant objects. Selection involves, at least in part, the selective inhibition of the ignored objects. If selective inhibition occurs after initial activation, changes in its magnitude would be expected on occasions where irrelevant memory structures have not yet undergone inhibition. Indeed, when Neill & Westberry (1987, Experiment 1), in a modified Stroop-like experiment which specifically looked at the development of inhibition as a function of speed in extracting information from the relevant and irrelevant dimensions,

1108

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

manipulated speed-accuracy trade-off by instructional emphasis on either accuracy or speed, changes in the magnitude of inhibitions was observed. In other words, a delay in processing the relevant dimension would allow time for greater interference from the irrelevant dimension to develop. This observation in the selective attentional studies has a direct implication for the interpretation of the bilingual Stroop effect. That is, for a bilingual subject, the degree of bilingualism matters a great deal because the time required for decoding the printed word in one language and the time required to generate an articulatory code for the ink color in another language combine to determine the magnitude of inter- language Stroop interference. Such an explanation also gives an excellent account for the Japanese data in which logographic Kanji induces much greater Stroop interference than the syllabery Kana script. This is because most studies comparing reading of Kanji and Kana have also shown that color names written in Kana were read faster than when they were written in Kanji (Feldman & Turvey 1980), in spite of the fact that in daily life, the color names are usually written in Kanji script. That is, speed differences in decoding words printed in different scripts play a determining role in the magnitude of the Stroop effect. The orthography-specific Stroop interference effect observed in the past literature is no more than the manifestation of such a difference in decoding speed due to phonological factors. In other words, the orthographic factor is relevant because it happens to relate to the phonological factor indirectly.

4.

Differing patterns of hemispheric asymmetries?

Throughout the history of hemispheric specialization research, there has been speculation about the possibility that the functional organization of a literate brain may be related to the type of written script one has learned to read. From Dejerine (1891) to Hinschelwood (1917) in the 19th century and from Luria (1970), Hecaen & Kremin (1976), Benson & Geschwind (1969), and Zaidel & Peters (1981) in this century, evidence has been provided to show a selective sparing of reading one type of script despite severe impairments in the reading of other scripts in

bilingual aphasic patients (for a more detailed review, see Hasuike, Tzeng & Hung 1986). Data from these bilingual studies are illuminating. However, they suffer from the lack of appropriate control of the degree of impairment of the spoken language. In this respect, recent findings of selective impairment in the reading of Kanji and Kana scripts by Japanese aphasic patients within a single spoken language have strengthened the hypothesis of the scriptal effect on cerebral organization (Hung & Tzeng 1981; Sasanuma 1980). It should be noted that the finding of selective impairment in the reading of the two types of Japanese script does not necessarily implicate a right hemispheric involvement for processing Kanji. In fact, Sasanuma and her associates (Sasanuma 1975, 1980; Sasanuma & Fujimura 1971; Tatsumi, Itoh, Konno, Sasanuma & Fujisaki 1982) have argued for a differential disruption of language due to localized lesions in the left hemisphere, rather than postulating a dichotomy of right and left hemispheric processing for Kanji and Kana scripts. According to Hasuike et al. (1986), before the mid-70’s, there seemed to be no disagreement about the role of the left hemisphere for processing Chinese logographs. However, in 1977 two papers attracted much attention because both showed some evidence for right hemispheric involvement in reading Chinese logographs. The first study was by Hatta (1977), whose results showed that native Japanese readers identified singly presented Kanji characters better when they were presented in the left visual field than in the right visual field, implying a stronger right hemispheric involvement. In previous studies (Hirata & Osaka 1967), native Japanese readers had showed the reverse lateralization pattern in identifying Kana symbols, implying a left hemispheric involvement in the processing of such sound-based script. Hatta’s new finding was in accord with results obtained by Sasanuma, Itoh, Mori & Kobayashi (1977), in which nonsensical two-character Kana and Kanji characters were presented to native Japanese readers for identification. They found a significant right visual field superiority for the recognition of Kana symbols and a non-significant left visual field superiority for Kanji characters. Results from these two studies have often been cited to give evidence for right hemispheric involvement in the processing of Kanji logographs.

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93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes

However, the seemingly clear picture begins to look very messy when one examines data from studies using Chinese readers. Visual hemifield experiments with Chinese subjects (Hardyck, Tzeng & Wang 1977, 1978; Kershner & Jeng 1972) clearly showed a right visual field (left hemisphere) superiority for processing Chinese logographs. The discrepancy between the Japanese and Chinese results in these studies is curious. One possible interpretation is that Japanese readers process Kanji characters differently from the way Chinese readers process Chinese logographs, perhaps because of some unknown interaction between Kanji and Kana. Put another way, the Japanese not only borrowed the Chinese logographs, but also developed a different brain function in order to read them hardly a plausible interpretation! The major problem with visual hemifield experiments using a tachistoscopic procedure is the lack of control over the variables that could affect the results. Paradis, Hagiwara & Hildebrandt (1985) discuss such factors related to the nature of the stimulus, the presentation conditions, the task demands, the response, and the subjects, and note that in most studies the familiarity, concreteness, and types of logographs are often not specified, let alone be controlled. Thus, discrepancies could easily arise because of procedural differences. Tzeng, Hung, Cotton & Wang (1979) manipulated the number of logographs in two experiments, and found a left visual field superiority for recognition of single logographs and a right visual field superiority for two-logograph words. Hasuike et al. (1986) went a step further, in carrying out an extensive comparison among all relevant experiments up to 1985. They identified the stimulus exposure duration as the key variable because the left visual field’s (right hemisphere) superiority was obtained only in those studies in which exposure duration was less than 50 msec. This makes sense: short exposure duration produces an incomplete visual image with a very low spatial resolution, and the literature has shown that the right hemisphere is adept in perceiving the relationship between these fragmentary components and the whole configuration (Sergent 1983). When the stimulus is presented for a longer exposure the spatial resolution is better, and under such conditions the left hemisphere seems to take over, especially when the task requires further linguistic analysis.

It should be concluded then that there is very little evidence, from either experimental or clinical studies, to suggest a stronger right hemispheric involvement in the linguistic analysis of Chinese logographs. In fact, recent experimental evidence shows a very left hemispheric dominance in the processing of Chinese characters (see Bellugi, Tzeng, Klima & Fok 1990 for a critical examination of this issue).

5.

Reading disability in a non-alphabetic script

Reading es considered as one of the fundamental tools to acquire knowledge for literacy development. Hence, children’s reading ability and disability in a modern school curriculum affect their overall school achievement. Studies on reading ability and disability among English-speaking children and adult have been the most prolific sources for the development of various theories (Adams 1991; Brady & Shankweiler 1991; Goodman 1984; Singer & Ruddell 1985; Shankweiler & Crain 1986; Stanovich 1985; Torgesen 1989). These theories have been guided by diverse research paradigms, techniques, and theoretical frameworks. In comparison, there are relatively fewer reading theories and research predicated on Chinese logographic writing system. It is both theoretically and educationally important to investigate the extent to which reading theories generated from an alphabetic writing system could be applied to a Chinese logographic writing system. Since the late 1980’s, a multidisciplinary research team, consisting of experimental psychologists, educators, speech pathologist, pediatric neurologist, and school psychologist has carried out a series of comparative studies on issues related to Chinese reading among Chinese monolingual and ChineseEnglish bilingual children. Much of the effort has been focused on systematical comparisons of reading processes and psychological correlates of reading ability and disabilities. The systematic inquiries have been carefully planned and conducted both qualitatively and quantitatively to test and generate specific and interrelated reading hypotheses using both experimental and children’s reading materials and settings. From a quantitative perspective, the psychological correlates of reading ability and disabilities were analyzed and compared.

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

They were conducted in the areas of (1) the role of linguistic and nonlinguistic memory in Chinese reading ability and disabilities (Chang, Rueda, Tzeng & Bos 1992; Lee, Wee, Tzeng & Cheng 1989); (2) the role of phonological awareness in reading Chinese logographic and English alphabetic writing systems among Chinese-English bilingual children (Lee, Chang, Tzeng, Wee & Hung 1991); and (3) a comparative study of the predictors for Chinese and English reading abilities (Lee, Wee & Wong 1987). From a qualitative perspective, children’s use of language cues in reading processes and ability for story retelling were analyzed and compared. These studies were conducted in the areas of (1) error analysis of oral reading between Chinese monolingual normal and disabled readers (Chang, Hung & Tzeng 1992); (2) multiple cue analysis of reading processes observed in reading Chinese and English passages among Chinese-English bilingual children (Chang, Cheng & Lee 1990; Chang, Lee & Tzeng 1992); and (3) the use of language cues in meaning construction between traditional and simplified Chinese writing systems (Chang, Lee, Tzeng & Loo 1990; Chang et al. 1992). Cross-linguistic comparisons of reading behavior, with respect to both normal as well as abnormal reading processes, are important for our understanding of the human cognitive system. Indeed, results from the above studies in Taiwan and Singapore have been very useful in the clarification of some misconceptions associated with reading a nonalphabetic script such as the Chinese writing language. Here we highlight two major findings which are directly relevant for the clarification of the misconception. 5.1. Memory ability and reading Studies in English have repeatedly demonstrated that reading ability is related to phonological memory and not to visuo-spatial memory (Baddeley 1986; Liberman, Mann, Shankweiler & Werfelman 1982; Mann & Liberman 1984; Shankweiler & Crain 1986). Conventional wisdom says that in a logographic script such as Chinese the reverse should be expected because of the unique visuo-spatial arrangement in the printed symbols. But so far no direct evidence has been provided for or against such an expectation with respect to the reading process of Chinese. The only study which has somewhat addressed this issue was conducted by Mann

(1986). She tested 100 Japanese second graders on visuo-spatial memory for nonsense figures as well as phonological memory for Japanese nonsense words using a recurring recognition paradigm. She found that good readers performed better on both tasks compared to the poor readers and that there was a low but significant correlation between reading ability and phonological memory for nonsense words. In addition, the results showed that visuo-spatial memory for nonsense figures was significantly correlated with reading Kanji (adopted from Chinese) but not Kana (a sound-based script with each unit representing a syllable or mora). Mann’s (1986) data with the Japanese readers are intriguing, in particular the correlation between their visuo-spatial memory for nonsense figures and their reading performance with the Kanji characters. To explore these findings further, since 1988 two systematic studies were conducted among monolingual and bilingual Chinese children to examine the relationship among reading ability/ disability and linguistic and nonlinguistic memory. One of the tasks for nonlinguistic memory was adopted from Mann’s (1986) study in which the nonsense figures were formed by abstract and nonsense patterns of lines and curves presented in a recurring visual recognition research paradigm (Mann 1986; Chang et. al. 1992). Among the monolingual readers, the results showed that the disabled readers performed equally well as their normal achieving peers in both nonlinguistic memory tasks, such as recognizing nonsense figures and reproducing geometric designs from memory. However, the disabled readers performed significantly lower than their peers in tasks requiring them to immediately recall in verbatim a sequence of digits and unrelated words. Literature shows that an inability to activate phonetic recoding, or representation, in order to maintain linguistic information in working memory is thought to be related to children with reading disabilities in English language (Brady & Shankweiler 1991; Leong 1991; Liberman et. al. 1982; Shankweiler & Crain 1986; Torgesen 1988; Wagner & Torgesen 1987). Based on the comparative study between two groups of Chinese beginning readers, the results show that Chinese disabled readers performed significantly lower, when compared with their normal achieving peers, in processing language related elements such

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes

as digits and unrelated words (Chang et. al. 1992). Regression analysis of the scores obtained from bilingual children in Singapore suggests that phonological memory, measured through recurring auditory recognition of nonsense syllables, contributed towards prediction of English reading scores but not Chinese reading scores. Visuo-spatial memory, on the other hand, was not a significant factor in predicting reading in either language. Rote memory for shapes did not appear to be an important factor in reading Chinese logographs. Contrary to conventional wisdom, visuo-spatial memory ability could not explain the phenomenon of reading disability in both languages. What is important for educators to note in this line of research is that disabled readers do have general memory ability. However, there is a correlation between poor reading performance in school and an inability to hold verbal information long enough to process language elements, such as unrelated words and digits. From an educational perspective, it is important to explore ways in which instructional strategies can be applied to compensate for such a specific memory deficit. A study was conducted to examine the interactive effect on the story retelling process to determine whether or not a minimum social mediation in the manner of restating children’s responses and/or asking for additional details would enhance disabled reader’s immediate recall of textual information. The results suggested that disabled reader indeed increased the quality of verbal responses through an aided story retelling procedure (Goodman, Watson & Burk, 1987), even though they still performed significantly lower than their normal achieving peers (Chang et. al. 1992). 5.2. Phonological awareness and reading achievement Phonological awareness is the ability to recognize the internal structure of spoken words. It is usually assessed by testing the subjects’ ability to isolate and manipulate individual phonemic segments in words. Much evidence is now available to suggest that awareness of the phonological constituents of words is an important prerequisite to fluent reading. This evidence comes from studies in several different alphabetic scripts which have shown that this awareness is predictive of reading success in young children (Adams

1111 1991; Brady & Shankweiler 1991). No similar studies have yet been conducted in children learning to read logographic scripts. Metalinguistic deficiencies in the phonological domain also have been demonstrated in adults with difficulty attaining literacy in alphabetic scripts (Morais, Carry, Alegria & Bertelson 1979). However, a study in China found that adults literate only in traditional Chinese characters could not add or delete individual consonants in spoken Chinese words whereas adults literate in alphabetic Chinese as well as Chinese characters could (Read, Zhang, Nie & Ding 1986). This study suggested that phonological skills involved in “segmentation” develop in the process of learning an alphabetic script, but not in learning a logographic script. While there has been much evidence for the requirement of phonological recoding in fluent reading of Chinese (Tzeng et. al. 1977), arguments against the idea that phonemic awareness may play a role in learning to read Chinese are still strong. This issue was examined in depth to compare the role of phonemic awareness in reading Chinese and English by studying two groups of Singaporean beginning readers who simultaneously learned to read and write both Chinese and English (Lee et. al. 1991). The findings of the first study showed that among the English-dominant bilingual children, their performance on a phonemic segmentation task correlated significantly with reading scores on both English and Chinese. It also was a significant predictor of reading ability in both languages. The findings of the second study among a group of children who were not dominant in English provided an interesting contrast. The relationship between reading achievement in English and phonemic awareness remained strong, whereas the relationship between reading Chinese and phonemic awareness became marginal. Together, these results suggest that it is alphabetic instruction, rather than maturation per se, that is responsible for the improvement in phonemic awareness occurring around the age children learn to read (Lee et. al. 1991). These two studies confirm the findings of other researchers who have studied children learning to read alphabetic scripts that phonemic awareness is important in reading English. However, the same issue is far more complex in the case of reading Chinese logographs. In our first study among the English dominant group, it is likely that these chil-

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VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

dren gain the ability for analyzing the internal structure of speech sounds from learning to read English and in turn, use this ability to explore the phonological principles of Chinese logographs or characters. It is well known that more than 85% of Chinese characters are phonograms. Each phonogram can be decomposed into two graphemic parts, a significate radical to indicate a general semantic category, and a phonetic component to give a clue to its pronunciation. Recent experiments by Tzeng and his associates have provided strong evidence that Chinese fluent adult readers take advantage of the generic properties of phonograms for decoding newly encountered Chinese characters. If this is the basic skill underlying the proficient reading of Chinese text, then it is likely that children who get access to this orthographic knowledge will be better able to expand their character size. Such a phenomenon has indeed been observed among Chinese monolingual beginning readers. Particularly, the speed in “character” acquisition among the disabled readers was impressive as they progressed through primary to intermediate grade levels (Chang et. al. 1992). Hence, the unique formation of Chinese characters presumably would not be the obstacle for reading and literacy development in Chinese logographic writing system. However, the Chinese “word” acquisition among the disabled readers lagged behind their normal achieving peers, as was evident in their reading error patterns. In order to understand this line of research and the results obtained in the bilingual studies, the major issues are summarized as follows. First, the exploration of phonological clues from the Chinese characters is useful for reading. However, this presupposes that there is indeed phonological information available in the script, albeit some Chinese characters are more difficult to decipher. However, the connnection between orthography and phonology is very important to all beginning readers. Early on Chinese children would have been exposed to some of the commonly used reading strategies to sound out unknown words. For example, if two graphic components are side by side, the strategy is to read the one on either side. If the character is formed by layers, the strategy is to try the sound clue presented in the center. Second, the exploration of the script⫺ speech, or orthography⫺phonology, rela-

tionship, though useful, is not the required way to learn to read Chinese because of the morphological differences. However, this is not to deny the importance of the role of phonological memory in the syntactic parsing and comprehension processes in which verbal elements are required to be held long enough to process information. On the contrary, since there is little pre-lexical phonological information available for the Chinese beginning readers to decipher logographs as opposed to sound-based alphabets, they have to rely solely on the post-lexical phonology, such as a learned pronunciation for each logograph or character, in order to convert the printed symbols into their phonological representation in memory. In a review of the literature, Adams (1991) concluded that such an automatic phonological processing ability is an important asset to all experienced readers. This may explain why the ability of phonological memory correlates with reading ability in Chinese. Third and perhaps most importantly, the finding that the way a Chinese beginning reader acquires his/her reading skills can be influenced by the instructional environment may hold the key for the differentiation of alphabetic and non-alphabetic scripts. For students learning to read an alphabetic script, a purely graphic-based strategy, independent of phonology is not possible, whereas for students learning to read Chinese, which is morphosyllabic in nature, either the phonological or the orthographic strategy may predominate. Of course, as long as there is some phonological information embedded in the characters, there will be some overlap of these two options. It is suggested that for Chinese readers, the choice of either option depends a great deal upon the instructional environment, as revealed in two of these interrelated studies conducted in Singapore. Such a conceptualization may help to resolve much controversy on the necessity of “speech recoding” (e. g., converting the visual image of print into its phonological representation) in learning to read Chinese (cf., Tzeng & Hung 1988; Leong 1991).

6.

Concluding remarks

The relation between written script and spoken languages seems so close that one would expect that anyone who is able to speak should be able to read. Nevertheless, this is

93. Cross-linguistic analyses of basic reading processes

not the case. Whereas all humans learn to speak effortlessly and naturally, indicating that there must be a significant influence from genetic facilitation, the situation is very different with writing. Many societies still do not have written languages, and in most literate societies there are people who cannot read or write, either for social or organic reasons (→ art. 62). Thus, for cognitive theorists and practitioners alike, the question becomes: Why do some children fail to learn to read? This question is particularly baffling when the reading failure is completely unexpected and defies commonsense explanations (Frith 1979). For example, given that the child already has learned the spoken language, and that each letter on the printed array corresponds roughly to a visual analog of some known speech category, it seems that reading should be an easy deciphering task. Yet, this view is simply wrong. Decades of intensive research have revealed that the problem of reading may has something to do with the cognitive prerequisites to understanding one’s own spoken language and to appreciating the script/speech relations embedded in a particular writing system (Hung & Tzeng 1981; Tzeng & Singer 1981). The recognition that purely external linguistic factors may contribute to the incidence of reading disability immediately brings our research focus onto several directions of inquiry. First, what are the linguistic factors that affect the process of learning to read at the entry level? Are they language specific? Second, what are the basic processing components in skillful reading? Again, are they language specific? Third, what are the defining features of developmental and acquired dyslexia? What insight about the processes of normal reading can we gain from studying the similarities and differences of these two types of reading disorders? Finally, given the varieties of writing systems with different types of script/speech relations, how does the brain adapt to these orthographic variations? From the literature review in the previous section, we have seen that orthographic variations affect basic visual information processing with respect to lexical access, code activation speed, memorial processes, and to a lesser degree, visual lateralization patterns in normal readers. However, we have not seen any convincing evidence to suggest a modification of cerebral organization due to such

1113 orthographic variations. Moreover, we have presented strong evidence from brain-damaged Chinese patients to suggest a strictly left hemispheric involvement in the writing and recognition of Chinese logographs. This discrepancy has an important message: Can different mental processes be driven by similar cortical functions? Or, do we have to entertain the possibility that our analysis of cortical functions has not been detailed enough to allow the manifestation of differences as shown in the higher cognitive processes? It is extremely important to be cautious about drawing conclusions from studies involving these two levels of analysis. Therefore, if we want to have a better understanding about the relations among orthography, reading, and cerebral functions, we need to pay more attention to research in the following four areas. First, we need to build a comprehensive theory of orthography. That theory should be capable of explaining the relationship between script and speech. Turvey (1984), consistent with the tradition of his associates at the Haskins Laboratories, employs the concept of “depth” of orthography to specify this relationship. Wang (1981) also discusses the concept of an “optimal orthography” based on the way in which the relationship between script and speech is captured in a two-dimensional array. Second, we need to build a theory of perceptual learning in which the perceptual and cognitive capacity of beginning readers can be specified, and the processes of their learning to deal with the cognitive demands imposed by the various orthographic structures can be outlined. Third, we need to have a comprehensive theory of reading that specifies its various components and explains the way in which those components interact with other conditions, such as the nature and presentation of the reading materials and the nature of the task. Finally, we need to develop a theory of neuronal organization in which the neural basis and mechanisms of reading can be detailed in both normal and aphasic populations. Each type of theory can be approached independently, and each can stand as a separate explanatory level of reading behavior. However, for any one type to be complete it will be necessary to understand the others, in order to gain an adequate understanding of itself. From a biological consideration, behaviors have been selected for their adaptation qualities, and the selection influ-

1114

VII. Psychologische Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ences do their work on processes that are available at every level of the explanation. Human beings stand alone in history as the sole creatures on earth who have invented written symbols and have benefited from these symbols. Because these symbols are arbitrary inventions external to our organismic structure, both accommodation and assimilation processes must have worked to extremes for us to achieve efficiency in manipulating them. It took a span of many thousands of years for our ancestors to come up with a system that worked for a particular language, and it takes a great deal of effort on the part of a modern learner to become a fluent reader. The diversity of orthographic structures provides excellent opportunities for investigators of human cognition to examine how children who speak different languages adjust themselves to meet various task demands imposed by their respective writing systems. In this sense, the fact that the pattern of our cerebral pattern has not been modified to a greater extent, even though our information processing strategies has been shown to organize according to meet the demands imposed by various orthographic principles, does suggest that the hemispheric basis on which languages are built seems to be “cognitive impenetratable.”

7.

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94. Störungen der Verarbeitung schriftlicher Sprache Redaktioneller Hinweis: Aus terminlich-technischen Gründen muß der an dieser Stelle vorgesehene Artikel leider entfallen.

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Hugo Aust, Köln (Deutschland)

100. Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten 1. 2. 3. 4. 5.

Überblick zur Forschungslage Merkmale der Schreibentwicklung Syntaktische Schreibfähigkeiten Textbezogene Schreibkompetenzen Literatur

1.

Überblick zur Forschungslage

Schon seit Beginn unseres Jahrhunderts hat es immer wieder verdienstvolle Untersuchungen gegeben, die die Entwicklung des sogenannten schriftlichen Ausdrucks beschrieben haben (Stormzand & O’Shea 1924; Beckmann 1927; LaBrant 1933; Heider & Heider 1940; Harrell 1957; Hunt 1965, 1970; Loban 1976). Im Brennpunkt des wissenschaftlichen Interesses an der Schreibentwicklung hat dabei über 50 Jahre bis in die 70er Jahre hinein fast ausschließlich die Syntax geschriebener Texte gestanden. Fortschritte in der Forschung beschränkten sich weitgehend auf die Optimierung von Indices zur Messung der syntaktischen Komplexität einerseits und den Ausschluß von Hypothesen über determinierende Variablen für dieses Merkmal andererseits. Eine Fülle von Variablen ist gerade im Blick auf den Parameter der syntaktischen Komplexität als wichtig behauptet und später empirisch wieder verworfen worden. Bei-

spiele sind Lesehäufigkeit und Art der Lektüre (vgl. Chomsky 1972), der Intelligenzquotient (vgl. LaBrant 1933; Hunt 1970), das Geschlecht (vgl. z. B. Harrell 1957; Richardson et al. 1976; Andresen 1979) und die soziale Schicht (vgl. Richardson et al. 1976; Poole 1983). Versuche einer Einbettung dieser Untersuchungen in eine die gesamte Kompetenz umfassende und auch entwicklungspsychologische Gesichtspunkte berücksichtigende Theoriebildung hat es bis in die 70er Jahre lediglich in Ansätzen gegeben. Schriftsprachliche Syntax schien für lange Zeit fast beliebig als Symptom für die Auswirkung von Faktoren interpretierbar zu sein, die mit dem Schreiben als Handlung selbst und den ökologischen, d. h. semiotischen, kognitiven und sozialen Randbedingungen schriftlicher Kommunikation oft nur am Rande etwas zu tun hatten. Ein Schreibbegriff oder eine Vorstellung davon, was das Schreiben als Handlungstyp und sprachliche Praxis gegenüber anderen Formen der Textproduktion auszeichnet, existierten entweder überhaupt nicht oder aber spielen für die Anlage und Hypothesenbildung der jeweiligen Untersuchung keine Rolle. Dies gilt sogar für diejenigen Untersuchungen, die mündliche und schriftliche Texte der gleichen Schreiber unter

100. Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten

Entwicklungsgesichtspunkten vergleichend untersucht haben (etwa Lull 1929; Harrell 1957; Loban 1976). Die sich seit Beginn der 70er Jahre zunehmend durchsetzende Erkenntnis (vgl. Zf. 3), daß die Entfaltung des syntaktischen Schreibwissens nicht unabhängig von pragmatischen Gesichtspunkten und einer Theorie der Entwicklung von Textkompetenzen im Schreiben zu beschreiben ist, führte zu einem Wandel in den Forschungsinteressen. In den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit rückte zunehmend die Schreibtätigkeit als eine kognitive und kommunikative Handlung, wobei der kognitive Problemaspekt zunächst stärker die Psychologen (vgl. die Überblicke bei Applebee 1984; Molitor 1984; Bereiter & Scardamalia 1987), der kommunikative dagegen zunächst primär die Pädagogen und Linguisten interessierte (etwa Britton et al. 1975, Wilkinson et al. 1980). Eine Synthese dieser beiden Perspektiven auf die Schreibentwicklung, in der nunmehr kognitives Problemlösen im Kontext des Schreibens als einer sozial-kommunikativen Handlung begriffen und studiert wurde, hat in der zweiten Hälfte der 80er Jahre begonnen (vgl. Nystrand 1986, 1989, 1990; Feilke & Augst 1989; Jechle 1992; Feilke 1993). Diese Synthese wurde vorbereitet durch die erfolgreiche Modellierung von Textstrukturen als Problemlösestrukturen, mittels derer zugleich die sozial-kommunikative Praxis und das Denken geordnet werden (vgl. z. B. v. Dijk & Kintsch 1983; Scinto 1986). Kennzeichnend für die weitere Entwicklung sind die zahlreichen Untersuchungen, die die Zusammenhänge zwischen der Entfaltung von Schreibfähigkeiten und der Entwicklung der sozialen Kognition zum Gegenstand der Theoriebildung machen (vgl. den Überblick bei Bonk 1990). Man kann die Chronologie der Schwerpunkte in den Forschungen zur Schreibentwicklung als einen Prozeß interpretieren, der bei einem zunächst zentral scheinenden Kernbereich, nämlich der sprachlichen Syntax beginnend, in der Aufklärung seines Gegenstandes immer weiter zu den ökologischen Randbedingungen des Schreibens als einer problemlösenden kommunikativen Handlung fortgeschritten ist und es nun erlaubt, von dorther Bedingungen für die Entfaltung von Schreibkompetenz anzugeben. Dies kennzeichnet auch die Entwicklung der Forschungsmethoden in diesem Bereich: neben primär strukturell-deskriptiv orientierten Querschnittstudien (z. B. LaBrant 1933; Har-

1179 rell 1957; Hunt 1965, 1970; Wilkinson 1980; Augst & Faigel 1986; McCutchen 1986) und Longitudinaluntersuchungen (z. B. Loban 1976; King & Rentel i. E.; Friedrich & Friedrich 1987; Kemper 1990) haben sich nach der sogenannten kognitiven Wende Anfang der 80er Jahre zunehmend prozeßorientierte experimentelle Ansätze etabliert, in denen der einzelne Schreiber mit seinen Schreibplänen, -problemen und -lösungen im Zentrum stand (vgl. den kritischen Überblick bei Bereiter & Scardamalia 1987, 37 ff). Diese auf den einzelnen (kognitiven) Problemlöser konzentrierte Forschung wird seit Mitte der 80er Jahre in der Folge einer zunehmenden theoretischen (vgl. Nystrand 1986, 21 ff, 81 ff; Carter 1988) und forschungspraktischen Kritik an kognitivistischen Modellen (vgl. z. B. McCutchen 1986, 433 f) durch Ansätze ergänzt, die die gesamte (soziale) Schreibsituation zu berücksichtigen und methodisch zu kontrollieren versuchen: interventive Techniken, bei denen die SchreiberInnen während des Schreibens von verschiedenen Hilfsmitteln (etwa einem Satz schriftsprachlicher Routineformeln) Gebrauch machen können oder etwa mit Gleichaltrigen gemeinsam ihre Texte überarbeiten, werden eingesetzt, um die prototypische sozial isolierte Schreibsituation aufzubrechen und auch auf diese Weise die Randbedingungen für die Entfaltung von Schreibfähigkeit zu testen (vgl. Nystrand 1986, 179 ff; zu sogenannten ‘simulation by intervention-methods’ vgl. Fitzgerald 1987, 487 ff). Das zentrale Argument für dieses Konzept ‘eingreifender Beobachtung’ nennen Scardamalia & Bereiter (1983, 68 f): „Attention to one thing means neglect of another and so one can never be sure, that the child’s failure to do something in writing indicates a lack of competence. It may merely reflect an inability to direct cognitive ressources […]. The procedure may allow underlying competencies to appear.“ Es scheint klar, daß diese wissenschaftstheoretisch im doppelten Sinne kritische Forschungsstrategie den kulturell etablierten Begriff des Schreibens selbst nicht unberührt lassen kann. Eine Diskussion der Folgen dieser Entwicklung setzt gerade erst ein. Es zeigt sich in dieser Debatte eine nicht zufällige Parallele zu der Kritik an Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung, wie sie etwa Magret Donaldson (1982, 20 ff) vorgetragen hat. Auch sie hatte Piaget vorgeworfen, die kognitiven Leistungsfähigkeiten nicht kontextsensitiv modelliert zu haben und so kognitive Defizite zu konstruieren, wo sich

1180 lediglich durch das Experiment vorgegebene, aber nicht reflektierte situative Randbedingungen auswirkten. Die Debatte macht jedenfalls darauf aufmerksam, daß Piagets asozialem Kognitionsbegriff in der Schreibforschung ein ebenso a-sozialer Schreibbegriff entsprechen könnte. Unter einem eher formalen, für Entwicklungsfragen aber gleichwohl zentralen Aspekt lassen sich Untersuchungen zur Schreibentwicklung nach den untersuchten Altersgruppen einteilen. Dazu wird im folgenden eine Reihe einschlägiger Monographien angeführt. Für die Entwicklung der Schreibfähigkeiten zwischen sechs und zehn Jahren weisen wir hin auf Hannig (1974), Kress (1982) zur Syntax; zur Schreibpraxis: Graves (1983); zur Textebene: Applebee (1978), Wilkinson et al. (1980), King & Rentel (i. E.); vgl. auch das Korpus von Pregel & Rickheit (1975) und die entsprechenden Untersuchungen dazu von Pregel (1970) und ⫺ zur Syntax ⫺ Rickheit (1975), die allerdings primär ‘werk’orientiertes Sprechen untersuchen und u. a. deshalb in Bezug auf die Altersgliederung auch zu anderen Ergebnissen kommen als Augst & Faigel (1986), deren Korpus insgesamt 200 Schreib-Texte aus sechs Altersgruppen zwischen sieben und 23 Jahren umfaßt. Eine besonders sensible Phase der Schreibwicklung liegt im Anschluß an die Ausbildung der motorischen und graphemischen Schreibroutinen etwa zwischen 8 und 14 Jahren. Theoretisch und empirisch zentral für diesen Zeitraum sind die Untersuchungen von Bereiter & Scardamalia (1987). Gleichfalls sehr instruktiv und verschiedene Parameter der Entwicklung in dieser Altersspanne übergreifend sind die Arbeiten von Langer (1986) und Schneuwly (1988). Weil Schreibentwicklung ein kontinuierlich fortsetzbarer Lernprozeß ist, der in wesentlichen Punkten der allgemeinen emotionalen, kognitiven und sozialen Entwicklung folgt, ist auch die Entfaltung der Schreibfähigkeit von der frühen Jugend bis zur Adoleszenz gesondert untersucht worden. Einschlägig dafür sind Britton et al. (1975), in jüngerer Zeit Augst & Faigel (1986) und Jechle (1992), ebenso wie die innerhalb des kognitionspsychologischen Paradigmas zu verortenden aufschlußreichen Untersuchungen der Medizinpsychologin SeiffgeKrenke (1987) zum Tagebuchschreiben 10⫺19jähriger SchreiberInnen. Auch für diese Altersspanne sind verschiedene Untersuchungen von Bereiter & Scardamalia (1987) wichtig. Für das Schreiben Erwachse-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

ner verdeutlichen z. B. die Untersuchungen von Kemper (1990), daß Schreibentwicklung einer lebenslanger Prozeß ist; → Art. 85.

2.

Merkmale der Schreibentwicklung

Seit in der zweiten Hälfte der 70er Jahre linguistische Pragmatik und Texttheorie einerseits sowie psychologische Theorien kognitiven Problemlösens andererseits eine Synthese eingingen, gilt Schreiben unbestritten als eine Form problemlösenden kommunikativen Handelns (vgl. z. B. Antos 1982 und das Vorwort von Kintsch zu Bereiter & Scardamalia 1987). Dabei dominierte in einer ersten und mittlerweile stark kritisierten Phase zunächst der Aspekt des kognitiven Problemlösens i. S. von Hayes & Flower (1980), der aber mittlerweile in den Gesamtzusammenhang kommunikativen und epistemischen Problemlösens auch theoretisch eingeordnet worden ist (vgl. dazu Carter 1988). Die Entwicklung einer Schreibkompetenz wird als Abfolge von Problemlöseschritten und als Aufbau einer durch das Medium geprägten kommunikativen Problemlösefähigkeit verstanden (vgl. Feilke & Augst 1989). Der Prozeß wird dabei als Reorganisation, Restrukturierung und Erweiterung einer bereits vor Beginn des Schreiberwerbs aufgebauten sprachlichen und kommunikativen Kompetenz konzipiert (vgl. z. B. Scinto 1986, 108; Bereiter & Scardamalia 1987, 89 ff). Bereiter & Scardamalia haben dafür den Ausdruck ‘from conversation to composition’ geprägt. Fortschritte auf diesem Weg sind nur möglich, wenn der Schreiber lernt, die verschiedenen Entlastungsmöglichkeiten, die die direkte face-to-face Kommunikation für die Textproduktion bietet, im Schreiben zu substituieren: ⫺ Weil Gestik, Mimik, Intonation, Rythmus, Sprechgeschwindigkeit und Akzent als weitgehend unbewußt gehandhabte Codierungsmöglichkeiten im Schreiben entfallen, muß der Schreiber lernen, sein Ausdrucksverhalten weitgehend symbolisch durchzustrukturieren. Die Syntax wird komplexer, das Lexikon differenzierter (vgl. Zf. 3). ⫺ Weil der im Sprechen von den Konversationspartnern immer mit wahrgenommene Kontext beim räumlich und zeitlich ‘versetzten’ Schreiben fehlt, muß er durch Kontextualisierungen, d. h. durch den Aufbau einer Textwelt ersetzt werden. Das textorientierte Schreibwissen wird damit zur zentralen Größe bei der Entfaltung von Schreibfähigkeit (vgl. Zf. 4). ⫺ Weil der ‘conversational turn’ des Gegenüber im Schreiben ausbleibt und das Schreiben wesentlich langsamer vor sich geht als die Ideengenerierung,

1181

100. Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten wird das Kurzzeitgedächtnis überlastet. Text-Pläne müssen die Textproduktion leiten. Weil die SchreiberInnen im Verlauf des Schreibens im Unterschied zum Sprechen mit ihrem eigenen Produkt konfrontiert bleiben, wird eine ständige Anpassung des Produkts an die Kommunikationsziele vorgenommen. Der Text wird überarbeitet. Die zuletzt angeführten, speziell prozeßbezogenen Schreibkompetenzen können im Rahmen dieser Darstellung nicht eigens thematisiert werden. Dafür sei auf die experimentellen Untersuchungen von Bereiter & Scardamalia (1987), den Überblick von Fitzgerald (1987) und auf Feilke (1993) verwiesen.

Diese Punkte zeigen, daß durch die Schreibentwicklung nicht einfach eine zusätzliche Kompetenz aufgebaut wird, sondern ein sprachliches und kommunikatives Handlungswissen eigener Art, das gegebenenfalls auch zur Norm mündlicher Textproduktion werden kann (vgl. Müller 1990). Fortschritte im Aufbau dieses Wissens sind abhängig von allgemeinen Randbedingungen der kognitiven und sozialisatorischen Entwicklung: von der Entwicklung des Weltwissens (vgl. McCutchen 1986; Eigler, Jechle, Merziger & Winter 1987) und von der Geltung allgemeiner kommunikativer Normen und kulturspezifischer kognitiver Standards (vgl. Bruner & Olson 1978; Scribner & Cole 1981). Hier werden die Soll-Werte für die Entfaltung von Schreibfähigkeiten festgelegt (vgl. etwa Olson & Torrance’ 1981 Konzept der „schooled language“). Diese Werte können durchaus umstritten sein. Dies zeigt z. B. Nystrands (1986, 81 ff) Kritik an der ⫺ wie er sagt ⫺ „doctrine of autonomous texts“. Gleichzeitig ist der Aufbau einer entfalteten Schreibkompetenz nur möglich, wenn sich der lernende Schreiber auf Routinen stützen kann: motorische Routinen, graphematische Routinen und literale Routinen der Formulierung und Textbildung (vgl.Keseling 1987; McCutchen 1986). In der Spannung zwischen kreativer Aneignung einerseits und einer kontinuierlichen Routinisierung im Schreiben andererseits liegt die Voraussetzung für die Fortentwicklung der Schreibkompetenz; nur sie gewährleistet das ständige Entstehen neuer Probleme für die SchreiberInnen und sichert zugleich den Lernfortschritt (vgl. Feilke & Augst 1989, 301 ff). Im folgenden soll versucht werden, an der Entwicklung syntaktischer und textorientierter Schreibkompetenzen allgemeine Entwicklungslinien für den Verlauf von Lernfortschritten aufzuzeigen. Dabei dient die Altersvariable lediglich als Orientierungsgröße;

wichtig für die Schreibentwicklung ist nicht das biologische Alter, auch nicht so sehr das in vielen der älteren Untersuchungen (vgl. etwa LaBrant 1933) oft bemühte ‘mentale Alter’, sondern das ‘Schreib’alter, mithin die praktische Schreiberfahrung und die Dauer der Auseinandersetzung mit den Standards und Normen einer literalen Kultur. Bereiter & Scardamalia (1987, 212) stellen dazu fest: „The basic developmental process […] seems to have such a strong internal consistency […] that we find it hard to imagine that it would not be found in other populations, even though the age norms might be considerably different“. Trotz dieser theoretisch von entwicklungspsychologischen Faktoren unabhängigen Modellierbarkeit der Entfaltung von Schreibfähigkeit vollzieht sich der Prozeß empirisch selbstverständlich nur in Abhängigkeit von den spezifischen Randbedingungen der Ontogenese in einer literalen Kultur (etwa: Kommunikationsziele der Handelnden, Entwicklung des Weltwissens und der Fähigkeit zu allgemeinen symbolischen Operationen, Funktionsbereich schriftlicher Kommunikation in einer Gesellschaft etc.).

3.

Syntaktische Schreibfähigkeiten

Das über Jahrzehnte andauernde Übergewicht der Syntax in den Forschungen zur Schreibentwicklung wurde bereits erwähnt. Vor allem im Kontext der nativistischen Hypothese wurde die Syntax über zwei Jahrzehnte als Kern der Sprachkompetenz und als relativ autonomes Kompetenzmaß betrachtet (vgl. z. B. Hunt 1970), wobei seit Beginn der Forschungen die syntaktische Komplexität immer auch als ein Ausdruck der Fähigkeit zu logisch-deduktivem Denken gesehen wurde (vgl. z. B. bereits unter Berufung auf Piaget LaBrant 1933, 393⫺402). Etwa ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre wird die Untersuchung syntaktischer Merkmale geschriebener Texte theoretisch auch aus einem an Kommunikationsproblemen orientierten kognitiven Schreibbegriff begründet: Während in der gesprochenen Sprache die Umfelder des Handelns und die Handlungsstruktur die empraktische Rede stützen, muß der Schreiber, der sich an der Norm eines semantisch ‘selbstversorgten’ und aus sich selbst heraus verständlichen Textes orientiert, verstärkt von sprachlichen synsemantischen und syntaktischen Strukturmitteln Gebrauch ma-

1182 chen. Die syntaktische Eigenstruktur des Textes kontextualisiert; sie erzeugt einen sprachlichen Kontext, der dem (impliziten) Leser Orientierung ermöglichen soll. Da auch außersprachlich bzw. im Weltwissen von SchreiberInnen Kontexte nicht einfach vorfindlich sind, sondern ihrerseits wiederum nur eingebettet in weitere Kontexte einen Verstehenshorizont abgeben können, ist die Fähigkeit zu einer auch sprachlichen rekursiven Einbettung und Unterordnung von Propositionen gerade für die zeitlich und räumlich versetzte partnerferne schriftliche Kommunikation von zentraler Bedeutung (vgl. Bracewell 1980; Scinto 1986, 51 ff; Bereiter & Scardamalia 1987, 155 ff). Bezogen auf die Syntax kann der Prozeß der Entfaltung von Schreibfähigkeit deshalb theoretisch als Entwicklung von einer eher handlungslogisch bestimmten zu einer darstellungslogisch bestimmten Syntax verstanden werden (vgl. auch Bruner & Olson 1978; Aebli 1981, 344 ff). Dabei ist ⫺ und dies hatte die Schreibentwicklungsforschung erst mühsam zu lernen ⫺ die Darstellungslogik empirisch primär bestimmt von der Textfunktion und damit abhängig von der Textsorte (vgl. sehr früh bereits Anderson 1937 und später Crowhurst & Piche´ 1979, Rubin 1982, Augst & Faigel 1986, 77 ff; Langer 1986, 40 ff; Schneuwly 1988, 99 ff). Empirisch, dies zeigen die Forschungsergebnisse deutlich, ist die skizzierte Entwicklung deshalb keine Einbahnstraße ⫺ etwa zu einer höheren syntaktischen Komplexität ⫺, sondern viel eher ein Lernprozeß, der zunächst in die Syntax hinein, dann aber auch aus der Syntax heraus und über die Syntax hinaus zu Text-Strukturen führt, die im Verein mit antizipierten Schemata des Weltwissens Kontextualisierungsfunktionen mit übernehmen können. Man kann die Entwicklung der syntaktischen Schreibfähigkeiten in drei Trends zusammenfassen, die zugleich auch die historischen Entwicklungslinien der Forschung zu diesem Problem widerspiegeln. Diese Trends sind mit zwei wichtigen Randbemerkungen zu versehen: Erstens sind die Beobachtungen ⫺ allerdings deutlich weniger stark ausgeprägt (vgl. Harrell 1957, 37) ⫺ auch für die Entwicklung der Sprechkompetenz zutreffend (vgl. Hunt 1970, 8 f; Loban 1976; Augst & Faigel 1986, 80 ff). Zweitens sind die mit der Altersvariable erklärbaren Entwicklungen der syntaktischen Parameter ebenfalls durch die Textsortenvariable erklärbar, woraus sich begründet ableiten läßt, daß die syn-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

taktische Kompetenz sich mit und durch die Entfaltung der textuellen Kompetenz entwikkelt und nicht als Resultat eines autonomen Reifungsprozesses verstanden werden darf (vgl. Watson 1983, Feilke & Augst 1989). ⫺ Mit steigendem Alter der Schreiber ist ein deutlicher Trend zur Syntaktisierung von Bedeutung festzustellen. Immer mehr semantische Information wird im gleichen Satz aufeinander bezogen und die Satzlänge steigt deshalb kontinuierlich. ⫺ Eine deutliche funktionale Differenzierung der syntaktischen Mittel und eine Steigerung der syntaktischen Einbettungstiefe in verschiedenen Stufen ist zu beobachten. Es gibt eine Entwicklung von der Satz-Koordination über die Subordination zur Integration auf der Phrasenebene. ⫺ Die syntaktischen Fähigkeiten werden zunehmend pragmatisch angepaßt gehandhabt. Eine Entwicklung von der syntaktisch expliziten Verknüpfung von Einzelpropositionen zur Fähigkeit einer textgesteuerten Aktivierung von Schemata ist zu beobachten. Eine Entwicklung von der syntaktischen Konnexion und Kohäsion zur semantischen und pragmatischen Kohärenz ist nachweisbar.

Diese Trends sollen im folgenden anhand von einigen Beispielsätzen von Schreibern unterschiedlicher Alterstufen illustriert werden. Dies wird verbunden mit der Interpretation einer synoptischen Graphik, die den relativen Verlauf der wichtigsten syntaktischen Parameter, bezogen auf die Altersachse, wiedergibt. Die Altersangaben auf der Koordinate sind Orientierungsdaten, die abhängig von der jeweiligen Untersuchung um ⫾ (1) abweichen können. Zur Vereinheitlichung der Darstellung unterschiedlich großer Rohwerte der einzelnen Merkmale ist auf der Ordinate immer der Quotient aus dem Mittelwert und dem Altersgruppenwert des jeweiligen Parameters abgetragen. Auf die Wiedergabe der Rohwerte selbst verzichte ich hier aus Platzgründen (vgl. die entsprechenden Angaben in O’Donnell 1967; Hunt 1970, 6, 9; Richardson et al. 1976, 104 f; Augst & Faigel 1986, 100; Langer 1986, 41). Alle Ergebnisse der Graphik sind auch durch andere Untersuchungen gut bestätigt. Die folgenden Textbeispiele entstammen dem Corpus von Augst & Faigel (1986). 1) „Mir macht lesen spaß und Sport und Zeichnen. Hausaufgaben sind doff sind immer so viele Mathe ist bescheuat, daran sise ich fon 1 bis 3.“ (8jährig, Text 2.33) 2) „Ich finde Ihre Idee mit der Hausaufgaben abschaffung sehr gut. Nachmittags kann man mehr spielen und man hat mehr Freizeit. Dann kann ich mehr mit meiner Freundin spielen. Vielleicht darf

1183

100. Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten

Die Beispiele 1 und 2 zeigen koordinative syntaktische Sequenzen, wobei die Fähigkeit zur koordinierenden Satzverbindung in dem Text der zehnjährigen Schreiberin schon deutlich weiter entwickelt ist als im ersten Beispiel: die Sätze sind durch die Interpunktion auch formal markiert, und koordinierende Konjunktionen machen die Verknüpfungsrelationen explizit (zur Entwicklung der Interpunktion und deren psychologischer Bedeutung vgl. Schneuwly 1988, 73⫺98). Die Bedeutung der Koordination für die Syntax ⫺ gemessen an einem Koordinationsindex, der die Zahl der sogenannten T-units in Relation zu den orthographisch und durch Interpunktion markierten Sätzen im Text setzt (⫽ T/s) ⫺ geht mit dem Alter ständig zurück (vgl. Graphik). Unter einer T-unit (⫽ minimal terminable unit) versteht Hunt (1965, 1970) jeden selbständigen Satz einschließlich seiner syntaktisch abhängigen Nebensätze (vgl. ebd. 1970, 4). Dem bis ca. zum 14. Lebensjahr andauernden Rückgang der Koordination entspricht auf der anderen Seite fast komplementär eine kontinuierliche Zunahme der Subordination, gemessen an der Zahl der Subjekt/Verb-Einheiten mit einfachem oder koordinierten finiten Verb(en) (⫽ clause) in Relation zur Zahl der T-units (⫽ c/T) (vgl. Hunt, a. a. O. und Graphik). Die Schwierigkeit, Subordinatio-

1,7

(w/T) (w/s) (w/c)

1,5 Relative Einheiten

ich dann auch in den Reitverein.“ (10jährig, Text 4.40) 3) „Mein Name ist Katrin ich bin ein Mädchen 10 Jahre alt ich wohne in Unterschützen. (Hausnummer 5) Ich finde das man die Hausaufgaben abgeschaft werden. Begründung: Weil wir in der Schule schon genug lernen. Und weil es keinen Spaß macht.“ (10jährig Text 4.39) 4) „Ich finde es richtig, daß sie die Hausaufgaben abschaffen wollen, da man die aufgetragenen Aufgaben in der Klasse zusammen besser lösen kann, als wenn man allein zu Hause sitzt und verbissen an einer Aufgabe knobelt.“ (13jährig, Text 7.5) 5) „Ich bin für Hausaufgaben, denn aus persönlicher Erfahrung kann ich sagen, daß Hausaufgaben für mich eine Wiederholung zum vorherigen Unterrichtsstoff sind. Durch die aufgegebene Hausaufgabe wird von mir verlangt, daß ich mich noch einmal intensiv mit dem Stoff beschäftige, die neu erworbenen Kenntnisse festige und mich mit den Aufgabentypen vertraut mache, die in Klassenarbeiten gefordert werden.“ (16jährig, Text 10.3) 6) „Nach meiner Auffassung sind Hausaufgaben ein sehr wichtiges weil nützliches Lernmittel. Der Schüler ist gezwungen, sich auch außerhalb der Schulzeit mit dem durchgenommenen Stoff zu befassen. So prägt sich das in der Schule gelernte zu Hause noch einmal ein.“ (17jährig, Text 12.5)

1,3 (c/T) 1,1 (T/s) (K/s)

0,9 0,7 0,5 0

8

10

12

14

17

20

22

Alter

Satzlänge

Parameter Koordination

Subordination

Integration

Komplexität

Satzkonjunkt.

Werte errechnet nach O'Donnell (1967), Hunt (1970), Richardson et al. (1976), Augst/Faigel (1988) und Langer (1986)

Abb. 100.1: Syntaktische Merkmale der Schreibentwicklung

nen im Weltwissen (z. B. Begründungen) auch syntaktisch zu integrieren, wird in unserem dritten Beispiel sehr schön deutlich. Auf der Textebene wird hier zwar mit den weilKonstruktionen die Subordination realisiert, aber syntaktisch findet die Integration der Begründung noch nicht statt (vgl. dazu Feilke 1995). Die differenzierte Nutzung sprachlicher Subordinationsmöglichkeiten mit verschiedenen Konjunktionen finden wir dann erst in dem Text des 13jährigen Schreibers. Die Subordination ⫺ von LaBrant (1933) bis zu den Arbeiten Hunts das prominenteste Maß der syntaktischen Entwicklung ⫺ wird von den SchreiberInnen ab ca. 14 Jahren quantitativ eher wieder im Gebrauch zurückgenommen; sie stabilisiert sich auf einem Entwicklungsplateau (vgl. O’Donnell 1967, Hunt 1970, Loban 1976, Rubin 1982, Martlew 1983a), wobei allerdings die Differenzierung der Subordinationstechniken ⫺ feststellbar etwa an der Entwicklung des Konjunktioneninventars ⫺ sich bis in die Adoleszenz fortsetzt (vgl. Augst & Faigel 1986, 95 ff). Qualitativ und quantitativ setzt im Blick auf die Syntax gleichzeitig ab diesem Zeitpunkt ein doppelter Wandel ein, der sich an den letzten beiden Beispielen verdeutlichen läßt. Zum einen setzt sich die syntaktische Integration auf der Phrasenebene fort: die Pro-

1184 positionen werden ‘tiefer’ eingebettet, und das Verb erscheint seltener an der syntaktischen Oberfläche, was eine verstärkte Ausdrucksökonomie erlaubt (vgl. auch Augst & Faigel 1986, 77 ff). Dies geschieht, wie Beispiel 5 zeigt, über Nominalisierungen (z. B. ‘Wiederholung’, ‘Erfahrung’), Linkserweiterungen von Nomina mit Hilfe von Adverbien (z. B. ‘vorheriger Unterrichtsstoff’, ‘persönliche Erfahrung’) und Partizipien (z. B. ‘aufgegebene Hausaufgabe’, ‘neu erworbene Kenntnisse’). Semantisch handelt es sich dabei um zusätzliche spezifizierende Merkmale, die mit der Differenzierung des Weltwissens auch für die Verständigung eine größere Rolle spielen. Damit stimmt die Beobachtung überein, daß bei den Subordinationen gleichzeitig eine Verschiebung zu den Attributsätzen stattfindet (vgl. Hunt 1970, 7). Dieser Entwicklungstrend führt dazu, daß die sogenannten ‘clauses’ immer mehr Wörter umfassen und damit gleichzeitig ab diesem Schreibalter sowohl die Satzlänge (⫽ w/s), der Integrationsindex (⫽ w/c) und ⫺ am deutlichsten ⫺ die T-unitLänge (⫽ w/T) noch einmal stark ansteigen (vgl. unsere Graphik u. Hunt 1970, 24 ff). Parallel zur Entwicklung der Phrasenintegration scheint sich zum anderen fast paradoxerweise ein gewisser Ausstieg aus der Syntax zu vollziehen. So wundert sich Rubin (vgl. 1982, 505) darüber, daß er entgegen Hunt (1965) bei den 14jährigen bis erwachsenen SchreiberInnen einen kontinuierlichen Rückgang des Gebrauchs sogenannter ‘logischer’, das heißt konditionaler, kausaler und finaler Adverbialsätze feststellt und es gerade in den besseren der erhobenen argumentativen Texte eine Abnahme des Gebrauchs sogenannter ‘conclusive conjunctions’ wie etwa ‘deshalb’, ‘so’, ‘aus diesem Grund’ etc. gibt. In gleicher Weise stellen Augst & Faigel (1986, 95 ff) nach einem starken Anstieg in der frühen Phase der Schreibentwicklung dann ab ca. 12 Jahren wieder einen Rückgang des Gebrauchs von Satzkonjunktionen fest (bezogen auf die Zahl der Sätze; ⫽ K/s; vgl. Graphik). Fitzgerald & Spiegel (1986) stellen den gleichen Trend, auch für die Kohäsion fest, indem sie ein „[…] overall decline in number of cohesive ties […]“ (ebd. 269) belegen, wobei der Rückgang bei den von ihnen erhobenen Erzähltexten ontogenetisch bereits früher einsetzt als in den von Augst & Faigel erhobenen argumentativen Briefen. Der weit verbreiteten Annahme von der fast zwangsläufigen größeren Explizitheit schriftlicher Texte steht diese Beobachtung entgegen. Ru-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

bin (1982, 506) bietet folgende einleuchtende Erklärung an: „In short, more mature argument tended to be enthymematic, less obvious, and to construct a more active role for the reader.“ Dies zeigt auch unser letzter Beispieltext: Zwischen dem ersten und zweiten Satz wäre unter dem Explizitheitspostulat eine kausale Konjunktion wie etwa ‘da’ oder ‘denn’ zu erwarten. Stattdessen entscheidet sich der Schreiber aber für eine thematische Progression, die auf das Vorwissen des Lesers über Hausaufgaben setzt. Dazu paßt die Beobachtung von Fitzgerald & Spiegel (1986), daß die einzige Kohäsionstechnik, von der auch mit steigendem Alter ein zunehmender Gebrauch gemacht wird, die „lexical ties“ sind, die eben eine auf frames oder andere Organisationsformen des Weltwissens gestützte aktive Konstruktion von Kohärenz durch den Leser verlangen. Auch in schriftlicher Kommunikation gilt es nur so explizit zu sein, wie es kommunikativ erforderlich ist (vgl. Mazzie 1987). Es gehört zur entfalteten Schreibfähigkeit, die syntaktische Strukturierung von Texten an den Bedingungen der Erzeugung textueller Kohärenz orientieren zu können. Damit wird neben dem Weltwissen (vgl. dazu vor allem McCutchen 1986) der SchreiberInnen ihr Textstrukturwissen offenbar zu einem Schlüsselfaktor in der Entfaltung von Schreibfähigkeit. Die syntaktische Konnexion geht in ihrer Bedeutung zurück, und an ihre Stelle treten in der Entwicklung zunehmend syntaktische Integration einerseits und eine von Textstrukturen und ihrer Darstellungslogik geleitete Erzeugung von Kohärenz andererseits (vgl. auch Schneuwly 1988, 104 ff).

4.

Textbezogene Schreibkompetenzen

Im Unterschied zum linguistischen terminus technicus verweist das Alltagskonzept „Text“ immer auf geschriebene Sprache. Entsprechend ist auch die Entwicklung von Schreibfähigkeit apostrophiert worden als eine ‘from utterance to text’ (vgl. Olson & Torrance 1981) oder ‘from conversation to composition’ (vgl. Bereiter & Scardamalia 1987, 60 ff). Für die lernenden SchreiberInnen steht der Text als Handlungseinheit im Zentrum ihrer Bemühungen, wie auch Gundlach (1981) feststellt: „[…] what the writer makes is not a word or a sentence but a text […] children if given the chance, compose whole discourses from the beginning of their development as writers“. (Gundlach 1981, 138)

100. Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten

4.1. Kategorien der Analyse Diese sich vor allem in der 2. Hälfte der 80er Jahre durchsetzende Erkenntnis hat zu einer großen Zahl textorientierter Untersuchungen über Entwicklung von Schreibfähigkeiten geführt. Diese orientieren sich dabei zum einen an etablierten Textsortenbegriffen bzw. den kommunikativen Funktionen der Texte, wie ‘Erzählung’ (vgl. Applebee 1978; Kroll & Anson 1984; Langer 1986; Freedman 1987; Seidel 1988; Golden & Vukelich 1989; Kemper 1990), ‘Argumentation’ (vgl. Augst & Faigel 1986; McCutchen 1986; Feilke 1988, 1989; Schneuwly 1988) und ‘Bericht’ oder ‘Beschreibung’ (vgl. Langer 1986; Schneuwly 1988). Zum anderen liegt der theoretische Schwerpunkt jeweils in der Regel entweder auf dem Aspekt der internen, textlinguistisch zu erfassenden Kohäsion der Texte, wie sie z. B. über lexikalische Wiederaufnahme, Pronominalisierung, Adverbien und auch Konjunktionen erzeugt wird (vgl. Fitzgerald & Spiegel 1986; McCutchen 1986, 435 ff; Schneuwly 1988, 127 ff) oder auf dem Aspekt der kognitiven und kommunikativen Gesamtstruktur, bzw. den Kohärenz erzeugenden Eigenschaften der Texte (vgl. Britton et al. 1975; Wilkinson et al. 1980; Augst & Faigel 1986, 107 ff; Freedman 1987; Feilke 1988; Feilke & Augst 1989; Golden & Vukelich 1989), wie sie sich zum großen Teil in den etablierten Textsortenkonzepten spiegeln. Bei den Versuchen, den Begriff der Kohärenz zu operationalisieren, haben sich zwei Zugänge herausgebildet: zum einen wird von der Ebene der Superstruktur i. S. van Dijks & Kintschs (1983), also Textsortenbegriffen ausgegangen, zum anderen aber wird versucht, die Kohärenz von den konzeptuellen Makrostrukturen her zu bestimmen, die gewissermaßen zwischen Satz und Textebene für die Schreibstrategie eine wichtige Rolle spielen. Solche, nicht an Textsortenbegriffen orientierte Konzepte einer Kohärenzebene zwischen Satz und Text, werden mittlerweile in mehreren Untersuchungen vorgeschlagen. Scinto (1986) spricht von ‘Textmodulen’, Langer (1986) von ‘rhetorical predicates’ als „sets of relationships between T-units“ (ebd. 36), und Golden & Vukelich (1989) verwenden ein framesemantisch motiviertes Konzept ‘lokaler Kohärenz’. Die Kohärenz ist der Kohäsion sowohl unter dem Aspekt des Textverstehens wie auch unter Entwicklungsgesichtspunkten übergeordnet. Zwar kann die kohäsive Verbindung von Sätzen die Kohärenz stützen, aber „[…]

1185 cohesion does not guarantee the presence of coherence […]“ (Golden & Vukelich 1989, 45). Im Unterschied zur Kohäsion, die weitgehend linguistisch explizite Mittel der Textbildung umfaßt, zeichnen sich kohärente Texte dadurch aus, daß sie pragmatisch auf die Kommunikationsfunktion und den Adressaten hin konstruiert sind (vgl. Nussbaumer 1991). Das heißt auch, daß sie gerade nicht explizit ausführen, was der Leser aus seinem ⫺ vom Schreiber zu antizipierenden ⫺ Vorwissen ergänzen und erschließen kann (vgl. ebd., 46). Diese Tatsache verdeutlicht den engen Zusammenhang der Entwicklung von textueller Kohärenz mit allgemeinen entwicklungspsychologisch explizierbaren Größen wie kognitive ‘Dezentrierung’ i. S. Piagets und Erzeugung einer sozialen ‘Wechselseitigkeit von Perspektiven’ (vgl. Donaldson 1982; Schneuwly 1988; Feilke & Augst 1989). Die Entfaltung der textorientierten Schreibfähigkeiten folgt der Entwicklung allgemeiner entwicklungspsychologischer Parameter, ohne jedoch dadurch determiniert zu sein (vgl. Kap. 2); sie kann sogar bestimmte Formen kognitiver und sozial-kognitiver Entwicklung ⫺ etwa abstraktes Denken (vgl. z. B. Bruner & Olson 1978; Scribner & Cole 1981; Donaldson 1982, 84 ff; Scinto 1986, 161 ff), Metakognition (vgl. Bereiter & Scardamalia 1987, 319 ff) und soziale Phantasie (z. B. Cowie 1984; Tamburrini 1984; Bonk 1990; Jechle 1992; Portmann 1992) ⫺ entscheidend fördern. 4.2. Der Ausbau von Kohärenzstrategien Auch auf Grund des engen Zusammenhangs mit entwicklungspsychologischen Größen legt die Modellierung der Entwicklung textorientierter Schreibkompetenzen am ehesten Stufenmodelle etwa nach dem Muster Piagets nahe (direkten ⫺ zum Teil kritischen ⫺ Bezug auf Piaget nehmen u. a. Applebee 1978, 124 ff; Scinto 1986; Feilke & Augst 1989). An Wygotsky orientieren sich z. B. ebenfalls Applebee (1978, 56 ff) und Schneuwly (1988). Globale textorientierte Modelle der Entwicklung von Schreibkompetenz, die bei den kohärenzerzeugenden Strategien der SchreiberInnen ansetzen, und den entwicklungspsychologischen Gesamtzusammenhang, in dem die Schreibentwicklung steht, berücksichtigen, sind vorgeschlagen worden von Britton et al. (1975), Wilkinson et al. (1980), Augst & Faigel (1986); Feilke & Augst (1989); Bereiter & Scardamalia 1987, 7 ff). Diese Modelle interpretieren Textstrukturen als Operations-

1186

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

modi unterschiedlicher Stufen der emotionalen, kognitiven, sprachlichen und sozialen Entwicklung, wobei die genannten Entwicklungsbereiche sich erst im Verlauf des Prozesses als je eigenständige und von den SchreiberInnen kontrollierbare voneinander differenzieren. Feilke (1988) nimmt in einer genetischen Interpretation des Bühlerschen Organonmodells und gestützt auf empirische Untersuchungen an argumentativen Briefen 7- bis 23jähriger SchreiberInnen (Korpus Augst & Faigel 1986) folgenden vierstufigen Prozeß einer Dezentrierung von Perspektiven an: Stufe 1: Perspektive aus der subjektiven Erlebniswelt des Ich. Stufe 2: Perspektive auf die ‘objektive’ Welt der Dinge, wie sie sich für das Ich darstellen. Stufe 3: Perspektive auf die Sprache und den Text als Medium. Stufe 4: Perspektive auf den anderen und Wechselseitigkeit der Perspektiven (vgl. Feilke 1988, 79).

In der genannten wie auch in anderen Untersuchungen (vgl. z. B. Applebee 1978, 56 ff, 124 ff; Britton et al. 1975, 88 ff; Wilkinson et al. 1980; Baurmann & Ludwig 1990) wird diese entwicklungspsychologisch plausible Folge von Differenzierungsschritten empirisch aus einer Stufenfolge in der Ausbildung von Kohärenzprinzipien begründet. Folgende Prinzipien können unterschieden werden: Stufe Stufe Stufe Stufe

1: 2: 3: 4:

Prinzip Prinzip Prinzip Prinzip

szenischer Kontiguität sachlogischer Ordnung formaler Ordnung dialogischer Ordnung

Der kompetente Schreiber ist in der Lage, alle diese Prinzipien bewußt für sein Schreiben zu nutzen und auch normative kulturelle Textmuster, die jeweils durch einzelne der Prinzipien dominiert werden, mit ihrer Hilfe zu realisieren, wie etwa Erzählung (Stufe 1), Bericht/Beschreibung (Stufe 2) und Erörterung bzw. Essay (Stufen 3 u. 4). Wir geben im folgenden noch einige Anmerkungen zur Empirie dieses synoptischen Schemas. Stufe 1: Nach einer Phase ganz zu Beginn der Schreibentwicklung, in der die Schreiber ohne ein erkennbares Strukturprinzip einfach wiedergeben, was ihnen assoziativ zu einem bestimmten Anlaß oder Thema in den Kopf kommt ⫺ Graves hat dafür den schönen Ausdruck „all about writing“ geprägt ⫺ (vgl. auch Applebee’s 1978, 57 Begriff synkretistischer „heaps“), dominiert zunächst offenbar ein Prinzip szenischer Kontiguität. Eine

Folge vom Ich konkret aufgefaßter, szenisch organisierter Erlebnisse wird wiedergegeben und strukturiert so zugleich den Text. Entsprechend nennen Golden & Vukelich (1989, 59) diesen Kohärenztyp „chronicle“. Diesem Kohärenzprinzip entspricht auf der Ebene der Kohäsion eine Dominanz temporal koordinativer Konjunktionen und temporaler Adverbien. Prototypisch für diesen Modus der Erzeugung von Kohärenz ist als entfaltete Textkategorie die Erlebniserzählung. Weil sie als konversationelles Muster bereits lange vor Beginn des Schreiberwerbs beherrscht wird (vgl. Applebee 1978), ist die Erzählung auch ontogenetisch der Texttyp, mit dessen Muster die SchreiberInnen am frühesten vertraut sind (vgl. die Ergebnisse zu 8jährigen bei Langer 1986, 35⫺52; Bereiter & Scardamalia 1987, 51, 59 ff; Golden & Vukelich 1989). Freedman (1987, 160) teilt in einer Untersuchung über die Entwicklung von Erzählfähigkeiten im Schreiben hierzu einen interessanten Befund mit: beim Vergleich der Texte 14jähriger Schreiber mit der ‘idealen’ Struktur einer “story grammar” fällt auf, daß bereits 70% aller Texte dieser Struktur entsprechen ⫺ wenn es sich um eine frei erfundene Geschichte handelt. Wird dagegen ein reales Erlebnis schreibend bearbeitet, so sind nur noch 45% der SchreiberInnen dieser Altersgruppe in der Lage, gleichzeitig auch die prototypische Form zu realisieren. Bei den 10jährigen ist es nur ein knappes Drittel, während bei den 18jährigen fast 100% auch ein persönliches Erlebnis in der prototypischen Erzählform darstellen können. Die Relationen zeigen: je jünger die SchreiberInnen sind, desto eher stehen sie noch in der Phase eines konkrete Erlebnisse verarbeitenden „expressive writing“ (Britton et al. 1975, 88 ff; vgl. auch Bereiter & Scardamalia 1987, 61f und Feilke 1988, 67 f, 71 ff), das die Textform kaum reflektiert; das Schreiben stützt sich auf einen episodischen Modus der Erlebnisverarbeitung, während von den älteren Schreibern umgekehrt die Erlebnisse nach Maßgabe des Textmodus und der intendierten kommunikativen Wirkung zur Darstellung gebracht werden. Für fortgeschrittene 18jährige SchreiberInnen kann die Normalform der Erzählung bei frei erfundenen Geschichten zum Objekt spielerischer Variation werden, was zu dem nur auf den ersten Blick erstaunlichen Ergebnis führt, daß in diesem Fall nur 65% der Schreiber das ‘ideale’ Schema der “story grammar” realisieren (vgl. Freedman 1987, 161 ff; vgl. zum Faktum der

100. Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten

abnehmenden Bedeutung des Erzählschemas auch Seidel 1988). Dies verdeutlicht gleichzeitig auch einen anderen wichtigen Aspekt, auf den für die Erzählung etwa Golden & Vukelich (1989), für die Argumentation (Britton et al. 1975, 3; Feilke & Augst 1989; Feilke 1990 und Baurmann & Ludwig 1990) hinweisen: das sogenannte ‘ideale’ Schema einer Textsorte ist immer ein normativ interpretierter Idealtyp, der nicht mit der Schreibwirklichkeit verwechselt werden darf, in der die SchreiberInnen fast immer verschiedene Kohärenzprinzipien bzw. -strategien für die Strukturierung ihrer Texte nutzen. Auch Forschungen zur Textrepräsentation und dem Textverstehen stützen eine solche pluralistische Sicht (vgl. Rickheit & Strohner 1989, 235). Stufe 2: Die referierten Ergebnisse von Freedman (1987) wie auch die Ergebnisse von Langer (vgl.1986, 52) verdeutlichen, daß die erlebnisorientierte Verarbeitung der Inhalte des Schreibens für jüngere SchreiberInnen einen eigenen Strukturzwang ausübt, dem sie folgen, der aber Kohärenz nicht sicherstellt. Dies ändert sich, wenn die Schreiber lernen, Problembereiche unabhängig von ihrer subjektiven Involviertheit nach sachlogischen Gesichtspunkten zu strukturieren. Feilke & Augst (1989) zeigen, wie Schreiber unterschiedlichen Alters in argumentativen Texten Sach-Strukturen oder thematische frames als Textstrukturen nutzen: z. B. Hausaufgaben für gute Schüler vs. Hausaufgaben für schlechte Schüler oder Hausaufgaben in schweren Fächern vs. Hausaufgaben in leichten Fächern etc. Schneuwly & Rosat (1986, 14) formulieren unter Rückgriff auf van Dijk & Kintsch (1983): „Il s’agit la` clairement d’un me´canisme cognitif de recherche et d’organisation de l’information. C’est la macrostructure, qui donne sa forme au texte“. Das Zitat weist darauf hin, daß solche Strukturen zugleich heuristische und textorganisierende Funktionen im Schreiben erfüllen können. Die Nutzung der Möglichkeit steht dabei in engem Zusammenhang mit dem Schreibalter. Zu den Varianten der Strukturierung von Texten 6⫺8jähriger SchreiberInnen bei vorgegebenen sachorientierten Themen hat Newkirk (1987) eine Untersuchung vorgelegt, die das langsame Anwachsen der Fähigkeit dokumentiert, Strukturen des Sachproblems für den Textaufbau zu nutzen. Dabei sind die 8jährigen erst zu einem knappen Drittel in der Lage, dieses Wissen ansatzweise in eine

1187 textuelle Hierarchie zu überführen. Schneuwly & Rosat stellen in ihrer Untersuchung von Zimmerbeschreibungen 8- bis 14jähriger SchreiberInnen fest, daß die Schreiber erst ab ca. 12 Jahren die Fähigkeit haben, solche zunächst perzeptiven kognitiven Strukturen auch zur sprachlichen Darstellung und zur Erzeugung textueller Kohärenz zu nutzen; im Falle der Zimmerbeschreibungen handelt es sich dabei um die Konstruktion des Raumes von der Tür her gesehen, durch die man ihn betritt, nach dem Muster: „Wenn man die Tür öffnet, sieht man in der rechten gegenüberliegenden Ecke […]“ etc. Die von Schneuwly & Rosat festgestellte Altersgruppenzuordnung für die Ausdifferenzierung dieser Kohärenzstrategie wird auch durch die Untersuchungen von Langer (1986) und Augst & Faigel (1986) bestätigt. Stufe 3: Dagegen setzt das weiter oben so genannte formale Kohärenzprinzip bereits eine sehr weitgehende Unabhängigkeit von der inhaltlichen Makrostruktur und die Fähigkeit zu einer Orientierung an rein formalen Textordnungskriterien voraus. Bei argumentativen Texten etwa ist das bekannte Erörterungsschema Pro-Contra-Conclusio ein solches, formale Kohärenz suggerierendes Verfahren, aber auch einfache Aufzählungen und stereotype Gliederungs-Schemata (z. B. erstens, zweitens und drittens) zählen dazu. Auf die Bedeutung solcher Textroutinen, die sich für alle Textsorten nachweisen lassen (vgl. z. B. Keseling 1987), weisen unter Entwicklungsgesichtspunkten u. a. McCutchen (1986), Bereiter & Scardamalia (1987) und Feilke & Augst (1989) hin. Gleichwohl ist der Bereich noch für die gesamte Schreibforschung als Forschungsdesiderat zu kennzeichnen. Der selbständige Gebrauch solcher Mittel scheint dabei erst ab dem späten Jugendalter bei den 15- und 16jährigen einzusetzen (vgl. Augst & Faigel 1986, 128 ff). Bereiter & Scardamalia (1987, 62 ff) berichten dementsprechend, daß das Anbieten von schriftsprachlich lexikalisierten Routineformeln während des Schreibens (im Rahmen der sogenannten ‘procedural fascilitation’Methode) die Fähigkeit, global kohärente Texte zu verfassen, bei 12- und 14jährigen SchreiberInnen erheblich steigert. Diese Altersgruppe scheint mit den Inhalten des Schreibens noch so beschäftigt, daß sie zwar bereits passiv, aber noch nicht produktiv über diese Kohärenzroutinen verfügt. Nachdrücklich ist deshalb Barton (1985, 198 f) zuzustim-

1188 men, der feststellt: „Learning to write is not just learning to bring units into awareness, but it is also a case of learning the units of written language“. Die Fähigkeit zur Erzeugung formaler Kohärenz kann, wie McCutchen (1986) zeigt, auch fehlendes oder inkohärentes Weltwissen eloquent verdecken. Zwar kann sie als Produktions-Routine vom Zwang zur Erzeugung inhaltlicher Kohärenz entlasten, in kommunikativer Hinsicht aber kann solche Routine auch unangemessen sein und eine soziale Inkohärenz bedingen. Stufe 4: Sehr viele Untersuchungen können deshalb zeigen, daß fortgeschrittene Schreiber die Textstruktur explizit auf den Adressaten hin orientieren (vgl. Augst & Faigel 1986; Schneuwly & Rosat 1986; Freedman 1987; Piche´ & Roen 1987; Nystrand 1989; BeckerMrotzeck 1995). Einleitung und Schluß, aufmerksamkeitssteuernde ‘organizer’, Metakommunikation und sogar konversationelle Verhältnisse simulierende Signale wie Aufforderungen an den Leser u. a. m. können hier eingesetzt werden, um die soziale Kohärenz des Textes zu sichern. Piche´ & Roen (1987) führen die Fähigkeit zur Anwendung solcher Strategien einer quasi-dialogischen Sicherung von Kohärenz empirisch auf das Niveau der sozialkognitiven Entwicklung der Schreiber zurück. Erst ab der Adoleszenz, darauf weisen auch Bereiter & Scardamalia (1987) hin, scheint sich die Fähigkeit zu entwickeln, solche Mittel kontrolliert zur Sicherung sozialer Kohärenz einzusetzen. Gleichzeitig heben sie aber noch einmal einen äußerst wichtigen Punkt hervor: je höher die makrostrukturell-darstellungslogischen Abstraktionsanforderungen im Schreiben sind, desto schwieriger ist es, die inhaltliche und die soziale Kohärenz gleichzeitig zu sichern und den Anforderungen von ‘content space’ und ‘rhetorical space’ gleichzeitig zu genügen. Dies scheint beim erlebnisorientierten Erzählen noch relativ leicht zu sein (vgl. Freedman 1987; Bereiter & Scardamalia 1987, 81f), beim sachlogisch orientierten Berichten und Beschreiben ist es schon schwerer (vgl. Langer 1986; Schneuwly & Rosat 1986), am schwierigsten aber fällt diese Integration beim argumentativen Schreiben (vgl. Augst & Faigel 1986; Feilke & Augst 1989). So sind nach den Ergebnissen von Augst & Faigel (1986, 127) erst 10% der 12jährigen in der Lage, in diesem Sinne kohärente Argumentationen zu schreiben (dies entspricht in dieser Untersuchung dem sogenannten ‘linear-dialogischen’ Text-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

typ), und auch bei den über 20jährigen Studenten sind es nur knapp 50% der Texte, die dieses Niveau erreichen. Die Vorformen zu diesen Strukturtypen der Textorganisation bestimmen jedoch bereits die Schreibentwicklung im Grundschulalter (vgl. Feilke 1995a). Gerade am Beispiel der textorientierten Schreibkompetenzen wird damit deutlich, daß der Prozeß der Entfaltung von Schreibfähigkeit nicht mit einem bestimmten Alter als abgeschlossen aufgefaßt werden kann. Er entwickelt sich nicht autogenetisch und automatisch, sondern immer in Abhängigkeit von den Aufgaben weiter, die sich den SchreiberInnen stellen und denen diese sich stellen.

5.

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101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit Schneuwly, Bernard. 1988. Le langage ecrit chez l’enfant. La production des textes informatifs et argumentatifs. Paris. Schneuwly, Bernard & Rosat, Marie-Claude. 1986. „Ma chambre“ ou comment line´ariser l’espace. Etude ontoge´ne´tique de textes e´crits. (Ms., Fribourg, Juni 1986), In: Feuillets: (im Erscheinen). Scinto, Leonard F. M. 1986. Written language and psychological development. Orlando et al. Scribner, Sylvia & Cole, Michael. 1981. Unpackaging literacy. In: Whiteman, M. F. (ed.): Variation in writing (Vol. 1). Functional and linguistic ⫺ cultural differences. Hillsdale, N. J., 71⫺87. Seidel, Rositta. 1988. Stand und Tendenzen der Entwicklung des Erzählenkönnens von Jugendlichen im Alter von 15⫺20 Jahren. Diss. A, Berlin (Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR).

1191

Seiffge-Krenke, Inge. 1987. Textmerkmale von Tagebüchern und die Veränderung der Schreibstrategie: Unterrichtswissenschaft 4, 366⫺381. Stormzand, M. J. & O’Shea, M. V. 1924. How much English grammar? Baltimore. Tamburrini, Joan. 1984. The development of representational imagination. In: Cowie, 32⫺48. van Dijk, Teun A. & Kintsch,Walther. 1983. Strategies of discourse comprehension. New York. Watson, C. 1983. Syntactic change: writing development and the rhetorical context. In: Martlew, 127⫺140. Wilkinson, Andrew, Barnsley, Gillian, Hanna, Peter & Swan, Magaret. 1980. Assessing language development. Oxford.

Helmuth Feilke, Siegen (Deutschland)

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit 1. 2.

5. 6.

Einleitung Soziale Rahmenbedingungen von Mehrsprachigkeitssituationen Erwerbssituationen in mehrsprachigen Gesellschaften Ausbildungsziele und -ergebnisse: Biliteralität und Monoliteralität Abschließende Überlegungen Literatur

1.

Einleitung

3. 4.

Im Gegensatz zum Lesenlernen in einer Fremdsprache auf der Grundlage der schriftsprachlichen Entwicklung in der Muttersprache bzw. Erstsprache ist primärer Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit noch kein wohldefinierter Gegenstandsbereich in der Fachdiskussion. Er ist eher ein vernachlässigtes Thema, das unter variierenden Aspekten zumeist im Kontext von Bilingualismus und schulischer Erziehung behandelt wird. Die Situation von Einwandererkindern steht dabei im Vordergrund, und es ist kein Zufall, daß diese Frage, die in den Vereinigten Staaten von Amerika seit der Verabschiedung des ‘Bilingual Education Act’ im Jahre 1967 auf der Tagesordnung steht, bei uns bildungspolitisch und wissenschaftlich noch ein Schattendasein führt. Zum einen wird in der Fachliteratur Kindern aus Sprachminderheiten mit geringem sozialen Prestige monolingualer Schrift-

spracherwerb in der gesellschaftlich dominanten Landessprache empfohlen, jedoch weniger aufgrund wissenschaftlich fundierter Untersuchungen als mit pragmatischen Argumenten, wie zum Beispiel: Die Integration in die Mehrheitsgesellschaft solle schnell und ohne Umwege erfolgen. Oder aber es wird behauptet, der Verlust der Minderheitssprache sei so weit vorangeschritten, daß der Schriftspracherwerb in ihr ebenso schwierig sei wie in der nur unzureichend beherrschten Zweitsprache. Auch Schulversuche zur Alphabetisierung in der Muttersprache bei türkischsprachigen Migrantenkindern in Deutschland bereiten den Schriftspracherwerb in der deutschen Landessprache vor und haben nicht die schriftsprachliche Beherrschung des Türkischen zum Ziel. Es handelt sich hierbei vielmehr um sogen. zweisprachige Übergangsprogramme. Die Entwicklung der Lesefähigkeit gilt zum anderen als bedeutsamer Indikator bei der Evaluation von zweisprachigen Erziehungsprogrammen, in denen auch bilinguale Schriftlichkeit vermittelt wird. Solche Programme wenden sich als Bereicherungsprogramme an Angehörige der gebildeten Mehrheit aus der Mittel- und Oberschicht oder an Kinder aus Sprachminderheiten, die entweder in der jeweiligen Gesellschaft ein hohes soziales Ansehen genießen und/oder das Recht auf kulturelle Eigenständigkeit errungen haben, mit dem Ziel des Spracherhalts.

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit Schneuwly, Bernard. 1988. Le langage ecrit chez l’enfant. La production des textes informatifs et argumentatifs. Paris. Schneuwly, Bernard & Rosat, Marie-Claude. 1986. „Ma chambre“ ou comment line´ariser l’espace. Etude ontoge´ne´tique de textes e´crits. (Ms., Fribourg, Juni 1986), In: Feuillets: (im Erscheinen). Scinto, Leonard F. M. 1986. Written language and psychological development. Orlando et al. Scribner, Sylvia & Cole, Michael. 1981. Unpackaging literacy. In: Whiteman, M. F. (ed.): Variation in writing (Vol. 1). Functional and linguistic ⫺ cultural differences. Hillsdale, N. J., 71⫺87. Seidel, Rositta. 1988. Stand und Tendenzen der Entwicklung des Erzählenkönnens von Jugendlichen im Alter von 15⫺20 Jahren. Diss. A, Berlin (Akademie der Pädagogischen Wissenschaften der DDR).

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Seiffge-Krenke, Inge. 1987. Textmerkmale von Tagebüchern und die Veränderung der Schreibstrategie: Unterrichtswissenschaft 4, 366⫺381. Stormzand, M. J. & O’Shea, M. V. 1924. How much English grammar? Baltimore. Tamburrini, Joan. 1984. The development of representational imagination. In: Cowie, 32⫺48. van Dijk, Teun A. & Kintsch,Walther. 1983. Strategies of discourse comprehension. New York. Watson, C. 1983. Syntactic change: writing development and the rhetorical context. In: Martlew, 127⫺140. Wilkinson, Andrew, Barnsley, Gillian, Hanna, Peter & Swan, Magaret. 1980. Assessing language development. Oxford.

Helmuth Feilke, Siegen (Deutschland)

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit 1. 2.

5. 6.

Einleitung Soziale Rahmenbedingungen von Mehrsprachigkeitssituationen Erwerbssituationen in mehrsprachigen Gesellschaften Ausbildungsziele und -ergebnisse: Biliteralität und Monoliteralität Abschließende Überlegungen Literatur

1.

Einleitung

3. 4.

Im Gegensatz zum Lesenlernen in einer Fremdsprache auf der Grundlage der schriftsprachlichen Entwicklung in der Muttersprache bzw. Erstsprache ist primärer Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit noch kein wohldefinierter Gegenstandsbereich in der Fachdiskussion. Er ist eher ein vernachlässigtes Thema, das unter variierenden Aspekten zumeist im Kontext von Bilingualismus und schulischer Erziehung behandelt wird. Die Situation von Einwandererkindern steht dabei im Vordergrund, und es ist kein Zufall, daß diese Frage, die in den Vereinigten Staaten von Amerika seit der Verabschiedung des ‘Bilingual Education Act’ im Jahre 1967 auf der Tagesordnung steht, bei uns bildungspolitisch und wissenschaftlich noch ein Schattendasein führt. Zum einen wird in der Fachliteratur Kindern aus Sprachminderheiten mit geringem sozialen Prestige monolingualer Schrift-

spracherwerb in der gesellschaftlich dominanten Landessprache empfohlen, jedoch weniger aufgrund wissenschaftlich fundierter Untersuchungen als mit pragmatischen Argumenten, wie zum Beispiel: Die Integration in die Mehrheitsgesellschaft solle schnell und ohne Umwege erfolgen. Oder aber es wird behauptet, der Verlust der Minderheitssprache sei so weit vorangeschritten, daß der Schriftspracherwerb in ihr ebenso schwierig sei wie in der nur unzureichend beherrschten Zweitsprache. Auch Schulversuche zur Alphabetisierung in der Muttersprache bei türkischsprachigen Migrantenkindern in Deutschland bereiten den Schriftspracherwerb in der deutschen Landessprache vor und haben nicht die schriftsprachliche Beherrschung des Türkischen zum Ziel. Es handelt sich hierbei vielmehr um sogen. zweisprachige Übergangsprogramme. Die Entwicklung der Lesefähigkeit gilt zum anderen als bedeutsamer Indikator bei der Evaluation von zweisprachigen Erziehungsprogrammen, in denen auch bilinguale Schriftlichkeit vermittelt wird. Solche Programme wenden sich als Bereicherungsprogramme an Angehörige der gebildeten Mehrheit aus der Mittel- und Oberschicht oder an Kinder aus Sprachminderheiten, die entweder in der jeweiligen Gesellschaft ein hohes soziales Ansehen genießen und/oder das Recht auf kulturelle Eigenständigkeit errungen haben, mit dem Ziel des Spracherhalts.

1192

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Als Bedingung für eine erfolgreiche zweisprachige Erziehung werden daher erprobte Verfahren im Bereich des Leseunterrichts gefordert, die vor allem das Lernmaterial und die Professionalität des Lehrpersonals betreffen. Die Entwicklung von Bilingualität und Biliteralität ist bei diesen Adressatengruppen hervorragend dokumentiert und wird in der Fachliteratur ausführlich behandelt ⫺ im Gegensatz zu den Ergebnissen mit den zweisprachigen Übergangsprogrammen. Zweisprachige Schulprogramme können somit auch als Ausprägungen von sozialen Hierarchien verschiedener Sprachgruppen in einer Gesellschaft angesehen werden. Trotz der Heterogenität der Forschungslage in qualitativer und quantitativer Hinsicht besteht eine enge Verknüpfung von sprachpolitischen, soziokulturellen, pädagogischen und wissenschaftlichen Herangehensweisen, die sich jedoch nicht systematisch in der Fachliteratur widerspiegelt. Wir versuchen daher in unserem Beitrag, die Forschungslage dahingehend zu analysieren, inwieweit sich hierarchische Abhängigkeitsverhältnisse von politischen, pädagogischen, soziokulturellen und sprachlichen Faktoren beim Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit ergeben. Wegen der offenkundigen Beziehung zwischen sozialen Rahmenbedingungen von Mehrsprachigkeitssituationen und entsprechenden schulischen Ausbildungsmodellen haben diese beiden Bereiche einen besonderen Stellenwert in unseren Ausführungen.

2.

Soziale Rahmenbedingungen von Mehrsprachigkeitssituationen

Offiziell erklärt sich die Mehrheit der 200 Staaten auf der Welt, in denen über 5.000 Sprachen gesprochen werden, als einsprachig. Aus diesem Zahlenverhältnis ergibt sich jedoch, daß zumindest die gesellschaftliche Zweisprachigkeit ein äußerst weitverbreitetes Phänomen ist (Haarmann 1993). Inwieweit der sozialen Zwei- oder Mehrsprachigkeit auch eine funktionale Mehrsprachigkeit ihrer Sprecher entspricht, d. h. eine ausgeglichene, nach Sprachverwendungsbereichen differenzierte Beherrschung zweier oder mehrerer Sprachen in Rede und Schrift, wird völlig von den in mehrsprachigen Gesellschaften wirkenden sozialen Faktoren determiniert, von denen die Konzeption und Qualität von Erziehungsprogrammen abhän-

gig sind. Bestimmende gesellschaftliche Faktoren für den Charakter und die Ziele der Schule als Institution für den Erwerb von bilingualer Schriftlichkeit sind: 1. der sozioökonomische Status einer auszubildenden Bevölkerungsgruppe, 2. ihre Zugehörigkeit zur machtrepräsentierenden Mehrheit bzw. zur dominierten Minderheit und 3. das Prestige der in den einzelnen Ländern verwendeten Sprachen, das jedoch nicht mit dem internationalen Rang von Sprachen gleichzusetzen ist, sondern das durch das Prestige der Sprecher innerhalb einer multi-ethnischen Gesellschaft bestimmt wird (Fthenakis et al. 1985). Die jeweiligen Dominanzverhältnisse zwischen ethnischen Gruppen sind die kritischen sozialen Variablen, die die Wirkung einer Vielfalt ökonomischer, politischer, sprachlicher und kultureller Faktoren beeinflussen. Diese Faktoren können in vielen Mehrsprachigkeitssituationen miteinander und auf unterschiedliche Weise verwoben sein. Dominante, den machtrepräsentierenden Majoritätsstatus in einer Gesellschaft innehabende Gruppen bestimmen die soziale Klassenzugehörigkeit der anderen Ethnie(n), die Leitlinien für eine pluralistische oder assimilationistische Gesellschaftsideologie mit allen bildungspolitischen Konsequenzen und somit den Stellenwert der koexistierenden oder kontaktierenden Sprachen (Baker 1993). Für unsere Thematik interessante, extreme Ausformungen eines solchen sozialen Hierarchisierungsprozesses sind einerseits der allmähliche Verlust der Minderheitssprache bei der dominierten Minderheit, der zu einem Wechsel zur dominanten Mehrheitssprache führt; dies gilt z. B. für die meisten Immigrantensprachen in den ‘klassischen’ Einwanderungsländern USA, Kanada und Australien und für viele Migrantensprachen in den westeuropäischen Industrieländern. Andererseits gibt es auch die von Minoritäten erkämpfte gesellschaftliche Funktionserweiterung ihrer Sprache, die im Idealfall einer nach Sprachverwendungsbereichen differenzierten, ausgeglichenen Zweisprachigkeit und bilingualen Schriftlichkeit in der Minderheits- und Mehrheitssprache entspricht (Fishman 1991). Erfolgreiche Spracherhaltungsbemühungen gibt es z. B. für das Schwedische in Finnland, wo die Schweden den Status einer angesehenen autochthonen Minderheitsgruppe haben (Romaine 1989). Neben den Dominanzbeziehungen, die eine soziale Solidarität zwischen verschiede-

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit

nen ethnischen Gruppen fördern oder verhindern können, bestimmen auch die Integrationsstrategien von Minderheitsgruppen in Form einer sprachlichen und kulturellen Anpassung oder einer Abkapselung von der Majorität den Grad der sozialen Distanz zur Mehrheitsbevölkerung mit (Schumann 1976). Die Tendenz zur sozialen Nähe oder Distanz zwischen ethnischen Gruppen, die in politischer und kultureller Akzeptanz oder Diskriminierung einer andersartigen Bevölkerungsgruppe zum Ausdruck kommt und in sprachlicher Hinsicht Indiz für die Stabilität/Instabilität der gesellschaftlichen Zwei- und Mehrsprachigkeit in einem mehrsprachigen Land ist, wird überdies durch Gruppencharakteristika, die sich unter den Bedingungen von (Im-)migrationssituationen herausbilden, verstärkt. Weltweit ist festzustellen, daß eine von Minoritätsangehörigen erlebte große soziale Distanz zur Mehrheitsbevölkerung, die sich in vielfältigen Diskriminierungsformen äußert, bei autochthonen Minderheiten die Ausbildung und den Erhalt der Zweisprachigkeit gefährdet. Unter gesellschaftlich ungünstigen Migrationsverhältnissen wird die Entwicklung einer stabilen Mehrsprachigkeit ebenfalls behindert und kann bei Kindern sogar zu dem Phänomen der ‘doppelseitigen Halbsprachigkeit’ (Stölting 1980), d. h. zu einer defizitären Beherrschung der Erst- und Zweitsprache führen. Herkunftsprachliche Kenntnisse verkümmern bei der jüngeren Generation, wenn die Erstsprache nicht durch die ethnische Gemeinde und schulische Spracherhaltungsprogramme ausreichend gefördert wird, da sich ansonsten das in der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit zum Ausdruck kommende geringe Prestige ihrer Sprache lernhemmend auswirkt. Bei der älteren Generation mit einem niedrigen sozioökonomischen Status, der vor allem spracharme Tätigkeitsbereiche beinhaltet und kaum soziale Aufstiegschancen bietet, stagniert die Zweitsprachentwicklung aufgrund des geringen Sprachkontaktes mit der Mehrheitsbevölkerung auf einem niedrigen Niveau. Ihre unzulängliche Beherrschung der Zweitsprache kann die Zweitsprachentwicklung ihrer Kinder, die ebenfalls von der sozialen Distanz betroffen sind und dadurch Störungen in der Identitäts- und Persönlichkeitsentwicklung erleiden können, nicht unterstützen. Aufgrund der Wirkungsweise der genannten Faktoren sind heutzutage im Zeitalter der Massenbildung zwei extreme Entwicklungen

1193

festzustellen, und zwar, daß die Schule als zweite Sozialisationsinstanz bei zweisprachigen Minderheitenkindern sich darauf konzentriert, eine Einsprachigkeit in der Mehrheitssprache bzw. Staatssprache auszubilden. Für bestimmte Gruppen von einsprachigen Kindern hingegen, die Angehörige der Majorität sind, wird jedoch auf freiwilliger Basis als Ausbildungsziel eine ausreichend fundierte Zweisprachigkeit in zwei Sprachen angestrebt, wobei die Schulsprachen sowohl innerhalb als auch außerhalb des jeweiligen Landes einen hohen Status genießen. Diese sog. elitäre Zweisprachigkeit wird seit Jahrtausenden weltweit von Angehörigen machtrepräsentierender Gruppen erfolgreich erreicht und gepflegt (Lewis 1976).

3.

Erwerbssituationen in mehrsprachigen Gesellschaften

In den folgenden Abschnitten werden mündliche Mehrsprachigkeitssituationen des Individuums und/oder der Gesellschaft im Zusammenhang mit verschiedenen Formen des schulischen Schriftspracherwerbs diskutiert. Hierbei unterscheiden wir in Anlehnung an eine Tendenz in der neueren englischsprachigen Fachliteratur zwischen der Zweisprachigkeit eines Individuums (Bilingualität) und einer Gesellschaft (Bilingualismus). Bilingualität kennzeichnet eine freiwillige individuelle Bereicherung im Sinne einer ‘elitären’ Zweisprachigkeit. Bilingualismus als soziales Phänomen hat dagegen das Merkmal der Unfreiwilligkeit und in Abhängigkeit von der Funktionsverteilung der Sprachen in zwei- oder mehrsprachigen Gesellschaften eine unterschiedliche Stabilität. Eine relativ dauerhafte Bilingualismussituation ist nur dann gegeben, wenn der Gebrauch mehrerer verschiedener Sprachen innerhalb einer Gemeinschaft davon abhängig ist, daß jede der Sprachen eine Funktion innehat, die von der Funktion der anderen Sprache verschieden ist und die nur für eine der Sprachen als gesellschaftlich angemessen angesehen wird. Diese Erscheinung wird nach Ferguson (1959) als ‘Diglossie’ bezeichnet. Eine typische Diglossiesituation besteht in einigen arabischen Staaten. Hocharabisch oder das klassische Arabisch ist die Sprache der Religion und das Medium für offizielle, feierliche Anlässe. Die einzelnen Nationalsprachen (z. B. Ägyptisch und Syrisch) sind die Sprachen für die alltägliche Kommunikation. Eine Diglossiesituation bedingt so-

1194 mit die soziale Notwendigkeit für die Mitglieder der Gesellschaft, zwei Sprachen und ihre pragmatischen Regeln zu beherrschen. Eine Bilingualismussituation ohne Diglossie, ohne eine gesellschaftlich verankerte Funktionsaufteilung der Sprachen ist instabil (vgl. die Mehrsprachigkeitssituationen unter den Bedingungen der Arbeitsmigration). Kinder von Arbeitsmigranten erleben die Situation als ‘Konfliktzweisprachigkeit’. Bei vielen ist der Verlauf ihrer Sprachenentwicklung Ausdruck des Versuches zur Konfliktbewältigung. Der Zweisprachigkeitsgrad reflektiert zu jedem Zeitpunkt ein bestimmtes Stadium der Verdrängung der ethnischen Sprache und ein bestimmtes Stadium des Ersatzes der Herkunftssprache durch die jeweilige Landessprache (Stölting 1980). Die enorme Verschiedenheit individueller Zweisprachigkeitsentwicklungen und sozialer Zweisprachigkeitssituationen in der Welt erschweren eine exakte Definition von Zweisprachigkeit. Aus den zahlreichen Definitionsversuchen von Zweisprachigkeit orientieren wir uns an der allgemeinsten, die Mackey (1968) vorschlägt, nämlich die mehr oder minder vollkommene Beherrschung von zwei und mehr Sprachen und ihre funktional notwendige wahlweise Verwendung durch eine Person. Diese weite Definition macht es möglich, verschiedene Formen von Bilingualität und Bilingualismus, die Fähigkeiten in den verwendeten Sprachen zu differenzieren und zu qualifizieren, mit den pädagogischen und sozialen Bedingungen des schulischen Schriftspracherwerbs zu verknüpfen. Der Erwerb einer bilingualen Schriftlichkeit ist in den um die Stabilität des Bilingualismus bemühten Staaten, wie z. B. in Belgien, Wales, Südafrika, Malaysia für gleichberechtigte Bevölkerungsgruppen eine folgerichtige Institution (Lewis 1981). In den meisten Ländern trifft jedoch individuelle Mehrsprachigkeit auf die offizielle Einsprachigkeit von Gesellschaft und Schule. Der schulische Schriftspracherwerb kann je nach sozialem Status des bilingualen oder monolingualen Sprechers und der Rolle der Sprachen in der Gesellschaft in der Minderheitssprache, in der Mehrheitssprache oder in beiden Sprachen stattfinden. 3.1. Bilingualität und Monoliteralität Die Anerkennung von mündlicher Mehrsprachigkeit zu Schulbeginn bedeutet in der Diskussion um bilinguale Erziehung nicht gleichzeitig auch die Möglichkeit oder sogar Not-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

wendigkeit einer Vermittlung der jeweiligen Schriftsprachen. In der Regel vollzieht sich der Schriftspracherwerb in der gesellschaftlich dominanten Landessprache. Diese Situation betrifft vor allem Kinder aus Sprachminderheiten mit geringem sozialen Prestige ⫺ seien es Kinder von Arbeitsmigranten oder aus autochthonen ethnischen Gruppen. Symptomatisch wird die Diskussion um die Vermittlung von Monoliteralität oder Biliteralität im Zusammenhang mit den spanischsprechenden Minderheiten in den USA geführt. Es geht zum einen um die Ferne dialektaler Varianten des Spanischen zur spanischen Standard- und Schriftsprache. Auf diese Frage geht besonders Natalicio (1979) ein, die auch auf das Problem der besonderen Ausprägungen spanischer Varietäten im englischsprachigen Umfeld wie das sogen. ‘Spanglish’ und ‘Englanol’ verweist und sich auf Sprachuntersuchungen bezieht, die die zusätzliche Ferne solch spezifischer Varietäten zur spanischen Standard- und Schriftsprache hervorheben. Die drei wichtigsten Dialektvarianten, die aus Kuba, Mexiko und Puerto Rico stammen, unterscheiden sich auf der phonologischen, syntaktischen und lexikalischen Ebene ebenso von der spanischen Standardschriftsprache wie amerikanische Dialekte von der geschriebenen Form des Englischen. Besonders groß ist der Sprachkontrast zwischen dem ‘Black English’ und der geschriebenen englischen Standardsprache. Neben dieser eher linguistisch motivierten Argumentation, die die Unterschiede zwischen geschriebener und gesprochener Sprache betont, wird zum anderen die geringe Bedeutung der spanischen Schriftsprache für die spanischsprechenden Minderheiten als Begründung für einen einsprachigen englischen Schriftspracherwerb herangezogen. Ortiz & Engelbrecht (1986) orientieren sich in ihrer Argumentation an der Situation der spanischsprechenden Bevölkerung Neu Mexikos und versuchen am Beispiel des Dialektes, der dort seit über 400 Jahren gesprochen wird, die Entwicklung der spanischen Schriftsprache und Schriftkultur in diesem Gebiet nachzuzeichnen, die sich erst langsam im Laufe der spanischen Kolonialisierung etablierte. Zunächst war das Schriftspanische vorwiegend an amtliche kommunikative Funktionen gebunden. Erst später entwikkelte sich auch eine eigenständige Literatur in Neu Mexiko, die Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts ihre Blüte erlebte.

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit

Der Staatsgründung im Jahre 1912 und der mit ihr einhergehenden Verlagerung der politischen und ökonomischen Interessen vom Spanischen zum Englischen konnte die noch junge eigenständige Schriftkultur jedoch nicht lange standhalten. Heute, so betonen Ortiz & Engelbrecht, ist es für die spanischsprechende Bevölkerung Neu Mexikos lebensnotwendig, Englisch lesen und schreiben zu können, obwohl der spanischsprechende Bevölkerungsanteil Neu Mexikos die Mehrheit darstellt. Da die Funktion des Spanischen unter diesen Bedingungen mehr und mehr auf den mündlichen Sprachgebrauch eingeschränkt wird, ist das Interesse und die Notwendigkeit, auch Schriftspanisch in der Schule zu vermitteln, gering. In der Mehrzahl der nordamerikanischen Staaten ist die spanischsprechende Bevölkerung jedoch auch zahlenmäßig eine Minderheit, die im Vergleich zu Neu Mexiko auf keine eigenständige spanische Schriftkultur verweisen kann. Die fehlende gesellschaftliche Bedeutung der türkischen Schriftkultur in Deutschland und der Sprachverlust bei den türkischsprachigen Arbeitsmigranten werden auch häufig als Argument für die Notwendigkeit herangezogen, den Schriftspracherwerb sowie die gesamte schulische Ausbildung selbstverständlich in der Landessprache Deutsch zu organisieren. Diese Situation und Argumentation ist symptomatisch für die einsprachige Erziehung der Kinder von Arbeitsmigranten überall in der Welt. Es fehlen zum einen gemeinhin das Interesse der Mehrheit an den Minderheitensprachen und die Einsicht, Sprachverlust auch als eine Folge der mangelnden Akzeptanz und Sprachpflege der Migrantensprachen durch die Schulen anzuerkennen. Zum anderen wird ignoriert, daß die Bedeutung der Schriftkultur einer Sprachgemeinschaft, ebenso wie die der dominanten Sprachmehrheit, auch davon abhängt, auf welchem Niveau ihre Mitglieder ihre Herkunftssprache beherrschen lernen, damit sie das Interesse und die Voraussetzungen zur Verbreitung ihrer Schriftlichkeit und Schriftkultur entwickeln können. Besonders deutlich wird die Unterdrükkung von Sprache und Schriftsprache der Kurden, ob sie nun im Iran, Irak, in Syrien oder in der Türkei leben. Die Türkei hat erst kürzlich den offiziellen Gebrauch des Kurdischen legalisiert, jedoch auf den mündlichen Gebrauch eingeschränkt. Die kurdische Schriftsprache ist weiterhin verboten. Es ist daher gar keine Frage, daß Kurden Schrift-

1195

lichkeit in der Schule in der jeweiligen Landessprache erwerben. Die Entscheidung für Monoliteralität in der Verkehrssprache, die im eigentlichen Sinne nicht die Erstsprache ist, führt in der Regel bei Angehörigen der dominanten Mehrheit nicht zum Konflikt, wie folgende Beispiele aus dem deutschen Mittelalter, der heutigen Schweiz und Luxemburg zeigen. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts mußten deutschsprachige Kinder in Latein das Lesen und Schreiben erlernen. Auch war das Deutsche als Unterrichtssprache verboten (Müller 1969). In der deutschen Schweiz besteht heute folgender gesellschaftlicher Konsens: Man schreibt prinzipiell Standarddeutsch, gesprochen wird ‘Schweizerdeutsch’ (Sieber & Sitta 1984). Dem Anderssprachigen oder deutschsprachigen Ausländer fällt zunächst auf, daß alle Deutschschweizer, gleich welchen Alters oder Standes, untereinander ganz selbstverständlich Schweizerdeutsch als mündliches Verständigungsmittel verwenden. Für den Deutschschweizer ist der Dialekt die Muttersprache. Was die deutschschweizerischen Dialekte trotz ihrer Verschiedenheit verbindet, ist neben ihrer großen Verwendungshäufigkeit auch die grundsätzlich positive Einstellung zu den Dialekten. Ebenso selbstverständlich ist für alle der Schriftspracherwerb in Standarddeutsch. Im Gegensatz zu Ferguson’s Einordnung (1959) der sprachlichen Verhältnisse in der deutschsprachigen Schweiz als Modellfall einer Diglossiesituation bezeichnen nach Andres (1990) einige Schweizer Linguisten die Sprachsituation als ‘innere Zweisprachigkeit’. Sie begründen dies vor allem mit der aktuellen Domänenverteilung von Standardsprache und Dialekt, die sich in der deutschen Schweiz gerade nicht durch Sprecherprestige und Schichtzugehörigkeit auszeichnen soll. Dementsprechend wird auch in der Schule von Kindern und Lehrern Schweizerdeutsch verwendet, wenn auch der Erwerb der deutschen Standardsprache im Vordergrund der akademischen Erziehung steht. Eine strukturell ähnliche Situation wie in der deutschen Schweiz besteht in Luxemburg. Die luxemburgische Bevölkerung spricht Luxemburgisch, einen alemannischen Dialekt. In den Schulen erfolgt der primäre Schriftspracherwerb in der deutschen Standardsprache; anschließend wird Lesen und Schreiben des Französischen vermittelt. Die schulische Ausbildung ist somit zweisprachig in Deutsch und Französisch, bei einer mündli-

1196 chen Dreisprachigkeit. Das Luxemburgische wird jedoch von Kindern und Lehrern auch in der Schule gesprochen. Für die luxemburgische Stammbevölkerung ist dies die Normalität (Lebrun & Baetens Beardsmore 1993). Für die Migranten in Luxemburg, vor allem für viele Portugiesen, führt diese Situation jedoch zum Konflikt und vielfältigem Schulversagen, denn ihre Erstsprache Portugiesisch hat außerhalb der Familie und Gruppe in der Gesellschaft und Schule keine soziale Funktion. 3.2. Bilingualität und Biliteralität Es sind die Ausnahmen von der Regel, wenn Mehrheitsgesellschaften ihren autochthonen Sprachminderheiten oder den Kindern der Arbeitsmigranten eine schulische Förderung ihrer Erstsprachen oder sogar eine zweisprachige Erziehung gewähren. Die schulische Situation z. B. der prestigelosen nationalen Minderheit der Slovenen in Kärnten/Österreich zeigt eine interessante Tendenz: Ihr wird zwar eine zweisprachige Ausbildung bis zum Schulabschluß ermöglicht, jedoch um den Preis der Segregation von den deutschsprachigen Kärtnern. Viele Slovenen machen daher von diesem Angebot keinen Gebrauch mehr und melden ihre Kinder in deutschsprachigen Klassen an (vgl. Gstettner 1988; Larcher 1991). Bei Kindern von Arbeitsmigranten wird die sprachliche Angleichung an die Mehrheitsbevölkerung offiziell angestrebt und das schulische Angebot reduziert sich auf sogen. Submersionsprogramme bzw. Übergangsprogramme (s. 4.2). Häufig findet nur die Alphabetisierung in den Muttersprachen statt, mit dem Ziel, den Schriftspracherwerb in der Zweitsprache zu erleichtern. In Deutschland wird dieses Konzept mit Kindern von türkischen Arbeitsmigranten durchgeführt (Nehr et al. 1988). Doch die relativ geringen Untersuchungen und Erfahrungsberichte (vgl. z. B. Hakuta & Diaz 1985; Lado 1981; Modiano 1979; Nehr & Karajoli 1995) zeigen bereits deutlich die Machbarkeit und den Erfolg bilingualer und biliteraler Erziehung für Minoritätsangehörige mit geringem sozialem Ansehen. 3.3. Monolingualität und Biliteralität Für die Erwerbssituation ‘mündliche Einsprachigkeit und bilingualer Schriftspracherwerb’ stellen wir Beispiele aus drei Bereichen vor.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Die Einschätzung von Bratt-Paulston (1978), daß Oberschicht- und Mittelschichtkinder gleichermaßen erfolgreich seien, ob sie nun in ihrer Muttersprache oder in einer Fremdsprache beschult werden, gilt insbesondere für die anglophonen kanadischen Schulkinder in den Immersionsprogrammen. Ziel dieser bilingualen Erziehung von englischsprachigen Kindern, die zu Schulbeginn monolingual sind, ist Bilingualität und Biliteralität in englisch und französisch. Diese Kinder werden während der sogen. Immersionsphase ⫺ von der Vorklasse bis zum Ende des ersten Schuljahres ⫺ nur auf französisch unterrichtet und auch in dieser für sie fremden Sprache alphabetisiert. Mit Beginn der sogen. zweisprachigen Phase kommt Englisch ab der zweiten Klasse als Unterrichtssprache hinzu, und erst dann lernen die Kinder in ihrer Muttersprache lesen und schreiben. Auf die weiteren Besonderheiten und die wissenschaftlichen Ergebnisse des erfolgreichen bilingualen Schriftspracherwerbs in den Immersionsprogrammen gehen wir im Abschnitt 4.1.1 ein. Einsprachigkeit zu Schulbeginn und der Erwerb von bilingualer Schriftlichkeit sind zum Beispiel in einigen arabischen Ländern und in Indien selbstverständlich. Privilegierte arabische Kinder erwerben auch in der englischen oder französischen Sprache eine Lesefähigkeit. Indische Kinder, deren Eltern das Schulgeld bezahlen können, lernen in ihrer jeweiligen Landessprache lesen und schreiben und dann Englisch, das später zweite Unterrichtssprache wird; wir haben darüber keine Untersuchungen gefunden. Es ist jedoch bekannt, daß gebildete Araber und Inder Englisch bzw. Französisch und auch die Erstsprache(n) mündlich und schriftlich beherrschen. Cummins (1989) berichtet u. a. von spanischsprechenden Kindern im Baskenland, die dort in der Minderheit sind und in der Schule gemeinsam mit baskischsprechenden Kindern in deren Muttersprache lesen und schreiben und erst später die spanische Schriftsprache lernen. Eine ähnliche, wenn auch noch nicht dokumentierte, mehrsprachige Situation besteht in Groswarasdorf einem kleinen Ort im österreichischen Burgenland. Dort lernen deutsche und kroatische Kinder gemeinsam zuerst kroatisch lesen und schreiben und dann wird das deutsche Schriftsystem vermittelt. Nach Cummins’ (1989) Interpretation zeigen entsprechende Daten aus zweisprachigen Erziehungsprogrammen in aller Welt, daß auch das Lernen in einer Minderheitenspra-

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit

che für die Angehörigen der gesellschaftlichen Mehrheit die Entwicklung der akademischen Fertigkeiten in der Mehrheitssprache nicht beeinträchtigt.

4.

Ausbildungsziele und -ergebnisse: Biliteralität und Monoliteralität

Trotz der Vielzahl der in den verschiedensten Ausbildungskontexten praktizierten ein- oder zweisprachigen Erziehungsmodelle ist die Anzahl aussagekräftiger Langzeitstudien verhältnismäßig gering. Aus den multilingualen Ländern Indien oder der ehemaligen Sowjetunion, die ein komplexes bi- und multilinguales Schulsystem aufgebaut haben, wird kaum etwas über die Sprach- und Schriftlichkeitsentwicklung der Schüler veröffentlicht. Von den vorhandenen Studien sind aus methodologischen Gründen nur wenige vergleichbar. Außerdem sind Erfolg/Mißerfolg spezieller Erziehungsprogramme von einem äußerst komplexen Faktorengeflecht abhängig, dessen Zusammensetzung und Wirkungsweise sich in den einzelnen politischen, sozialen und kulturellen Kontexten ziemlich stark voneinander unterscheiden kann. Die daraus resultierenden Besonderheiten von Mehrsprachigkeitssituationen beeinträchtigen die Generalisierbarkeit der Ausbildungsergebnisse sehr stark. Die Lesefähigkeit gilt insbesondere als Maßstab für den erreichten Zweisprachigkeitsgrad bei der Evaluation bilingualer Programme; die Entwicklung der Schreibfähigkeit ist demgegenüber ein stark vernachlässigter Untersuchungsbereich. Im folgenden werden im Anschluß an eine kurze Charakterisierung der am weitesten verbreiteten Schulprogrammtypen bzw. der am umfassendsten untersuchten Ausbildungsmodelle die für die Leseleistungen ermittelten, auch widersprüchlichen Resultate einiger repräsentativer Studien vorgestellt. In bezug auf die bildungspolitisch intendierte Förderung und Entwicklung der Erstund Zweitsprache der in einer Bilingualismussituation lebenden Kinder sind zunächst grob zwei Haupttypen von Erziehungsprogrammen zu unterscheiden, von denen es in einigen Ländern noch Sonderformen gibt: pluralistische und assimilatorische Erziehungsprogramme. 4.1. Pluralistische Schulprogramme Pluralistische Erziehungsprogramme fördern die individuelle und gesellschaftliche Zweisprachigkeit. Sie entwickeln zum einen eine

1197

ausgewogene Bilingualität bei Mehrheitskindern und schaffen zum anderen die Grundlage für einen auf die ethnische Gruppe begrenzten relativ stabilen Bilingualismus bei Minderheitskindern. 4.1.1 Bereicherungsprogramme Als Bereicherungsprogramme werden solche Schulprogramme bezeichnet, die die Ausbildung von Bilingualität und Biliteralität bei einsprachigen Mehrheitskindern fördern. Das Ergebnis dieser schulischen Sprachenvermittlung und -entwicklung wird auch als ‘additive Zweisprachigkeit’ bezeichnet (Lambert 1977). Bei den Bereicherungsprogrammen sind zwei Arten von Programmen zu unterscheiden: Bilinguale Programme und Immersionsprogramme. Bilinguale Programme: Bilinguale Erziehung wird zu allen Zeiten und in allen Kulturen für Angehörige privilegierter Bevölkerungsgruppen gefördert. Hauptcharakteristika dieser ‘echten’ bilingualen Programme in offiziell als monolingual deklarierten Gesellschaften sind (1) die Freiwilligkeit dieser Erziehungsform, (2) die Gleichbehandlung zweier angesehener Sprachen als Fach und als Unterrichtssprache und (3) das auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit basierende gemeinsame Lernen von Mehrheitskindern und Kindern nichtdiskriminierter Minderheiten, deren Eltern in der Regel zumindest Angehörige der Mittelschicht sind, (vgl. hierzu die bilinguale Ausbildung von kubanischen zusammen mit US-amerikanischen Kindern in Florida (Hakuta 1986), von ukrainischen und anglophonen Kindern in Kanada (Cummins 1989), die multilingualen EG-Schulen in Europa, die zahlreichen privaten multilingualen Schulen in aller Welt und die Einrichtung von Europaschulen in Berlin). Alle schulplanmäßig zu erwerbenden Fähigkeiten werden von Schulbeginn an in den beiden Sprachen und auf allen Gebieten entwickelt. Weltweit sind die Sprach- und Schulleistungen der Absolventen bilingualer Schulen sogar besser, als die Ausbildungsergebnisse der Kinder mit vergleichbarem sozialen Hintergrund, die eine einsprachige Schule besucht haben (Fishman 1979). Als exemplarisch für die Entfaltung von Biliteralität in einem zweisprachigen Land sind die Untersuchungen zu den Leseleistungen zweisprachiger Kinder in Wales anzusehen. In Wales gibt es dominant englischsprachige und dominant walisischsprachige Sied-

1198 lungsgebiete; Englisch ist in ganz Wales die ‘lingua franca’. Die Leseleistungen der getesteten bilingualen Schüler entsprechen den sprachlichen Verhältnissen der jeweiligen Region und reflektieren somit den soziofunktionalen Charakter ihrer zweisprachigen Lesefähigkeit. In englischen Regionen sind die Leistungen in Englisch besser als in Walisisch und umgekehrt. Bei allen Bilingualen ist der Lesestandard in Englisch etwas höher als in Walisisch (Lewis 1981). Der Einfluß der dominanten Umgebungssprache auf die Leseleistungen wurde auch in dem bilingualen Dade-County-Projekt/Florida bei den Mehrheitskindern festgestellt. Während die kubanischen Kinder in Englisch und in Spanisch monolinguale Normen in der Lesefertigkeit erreichten, erzielten die amerikanischen Kinder nur im Englischen Standardwerte und geringere Leseleistungen im Spanischen (Mackey & Beebe 1977) Des weiteren wurde bei Schülern in der Internationalen Schule in Brüssel eine ähnlich hohe Lesefähigkeit in Französisch wie bei den Immersionsschülern in Kanada gemessen, obgleich sie einen wesentlich geringeren Teil ihrer Ausbildung in Französisch hatten. Französisch ist jedoch die ’lingua franca’ in der Schule und die Sprache der größeren sozialen Umgebung (Hamers & Blanc 1989). Immersionsprogramme: Eine Sonderform der Bereicherungsprogramme sind die sogen. Immersionsprogramme nach der ‘Sprachbadmethode’, die seit Mitte der 60er Jahre in Kanada entwickelt und durchgeführt worden sind. In den Immersionsprogrammen werden einsprachige Kinder, die der dominanten Bevölkerungsmehrheit angehören und deren Erstsprache ein hohes soziales Prestige genießt, von Schulbeginn an in der bis dahin von ihnen nicht beherrschten Zweitsprache Französisch unterrichtet und alphabetisiert. Die Zweitsprache hat wie die Erstsprache einen hohen Status in der Gesamtbevölkerung. Die beiden Sprachen sind offizielle Amtssprachen des Landes. Für englischsprachige kanadische Kinder, die freiwillig und mit starker Unterstützung der Eltern an solchen Programmen teilnehmen, ist dann Französisch die Unterrichtssprache von Schulbeginn an. Die Immersionsprogramme zeichnen sich neben den schon genannten sozialen Unterschieden im Vergleich zu den zum Submersionslernen (vgl. 4.2.1) verpflichteten Kindern durch ganz besondere Rahmenbedingungen aus: In den Klassen sind nur hoch-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

motivierte Mehrheitskinder, und alle haben die gleichen Lernvoraussetzungen bei Schulbeginn. Die Lehrer sind bilingual, so daß die Kinder auch in ihrer Erstsprache kommunizieren können. In dem verbreitetsten Programm der sog. ‘frühen totalen Immersion’ werden die anglophonen Kinder in den ersten zwei Jahren (Vorschule und Klassenstufe 1) nur auf Französisch unterrichtet; eine Sprache mit der sie bis dahin keinen Kontakt hatten (immersion phase). Mit dem zweiten Schuljahr wird Englisch als zweite Unterrichtssprache eingeführt; die zweisprachige Phase (bilingual phase) beginnt. In den späteren Schuljahren wird allmählich der Anteil des Unterrichts in der Zweitsprache Französisch bis zur Grenze des Spracherhalts (maintenance phase) zugunsten des Englischen verringert. Den Evaluationsergebnissen zufolge sind die Schüler nach sechs Schuljahren funktional zweisprachig (Bruck, Lambert & Tucker 1976). Das Niveau ihrer Erstsprachentwicklung liegt z.B im Bereich des Leseverständnisses über den Leistungen monolingualer Vergleichsgruppen und in der Zweitsprache Französisch erreichen 50% der Schüler fast muttersprachige Leistungen bzw. alle eine wesentlich bessere Sprachbeherrschung als im herkömmlichen, langjährigen Fremdsprachenunterricht (Swain 1984). Selbst intelligenzmäßig unterdurchschnittliche Kinder wurden durch diesen Ansatz nicht behindert (Tucker 1975). Die Entwicklung der bilingualen Lesefähigkeit vollzog sich in dem nun schon klassischen St.-Lambert-Projekt (Lambert & Tukker 1972), das vielerorts und ausführlichst dokumentiert worden ist, folgendermaßen: Am Ende des ersten Schuljahres entsprach die Leseleistung der Experimentteilnehmer in Französisch den Leistungen der französischsprachigen Kontrollgruppe und in Englisch erreichten sie ohne formale Instruktion bis zu 40% der Lesefähigkeit der englischsprachigen Kontrollgruppe. Ihre zu erwartende schwache englische Wortdiskriminationsfähigkeit konnten die Kinder beim Lesen von Sätzen sogar durch ihre intuitive erstsprachige Grammatikkenntnis ausgleichen. Nach der Einführung des englischen Schriftsystems im Lese- und Schreibunterricht in der zweiten Klasse erzielten sie gegen Ende des zweiten Schuljahres in Englisch und in Französisch die gleichen Leseleistungen wie die entsprechenden Kontrollgruppen. Die erstprachliche Entwicklung der Schreibkompetenz wies le-

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit

diglich im Bereich der Rechtschreibung bis zum Abschluß des dritten Schuljahres einige Unsicherheiten auf. Am Ende der vierten Klasse waren überhaupt keine Unterschiede mehr im Vergleich zu den englisch einsprachig ausgebildeten Kindern zu verzeichnen. Vom Ende des fünften Schuljahres an bis zum Ende des siebenten Schuljahres lagen die Testergebnisse im Bereich der englischen Lese- und Schreibkompetenz über dem Niveau der gleichaltrigen Kontrollgruppen (Tucker 1975; Swain 1984). In der Zweitsprache unterschieden sich bis zum Ende der zweiten Klasse die Lesetestergebnisse der Experimentschüler im Französischen nicht von den Leseleistungen einsprachiger französischer Kinder. Aufgrund der zuerst in der Zweitsprache Französisch erfolgten Alphabetisierung identifizierten sie in der dritten Klasse sogar typische französische Graphemkombinationen besser als englische Silbenstrukturen (Mes-Prat & Edwards 1981). In den folgenden Klassen wurde jedoch die Abhängigkeit der schriftsprachlichen Fähigkeiten von der mündlichen Sprachbeherrschung in dem Maße immer größer, wie der Unterricht in Französisch abnahm. Gegen Ende des siebenten Schuljahres wurden folgerichtig im Bereich des Leseverständnisses und bei Schreibaufgaben zwar sehr gute und unvergleichlich bessere als im normalen Fremdsprachenunterricht, aber nicht mehr durchgängig muttersprachige Testresultate erzielt (Tucker 1975). Dieser Befund stimmt völlig mit anderen Untersuchungen überein, die immer ergaben, daß Bilinguale in ihrer zweiten, weniger gut beherrschten Sprache aufgrund ihres geringeren Wortschatzes langsamer lesen und dadurch nicht das vollkommen gleiche Textverständnis wie in ihrer Erstsprache erzielen (Segalowitz 1986). Diese Programme sind nunmehr in Kanada weit verbreitet und ihre Ergebnisse sind einheitlich positiv. In den USA wurden ebenfalls einige von der Mehrheitsbevölkerung initierte Immersionsprogramme eingerichtet, u.a. das ‘Culver-City-Project’ mit der Immersionssprache Spanisch in Kalifornien, die ähnliche Resultate wie in Kanada erzielen (Cohen & Laosa 1979). Im Gegensatz dazu wurde bei der Adaptation des Immersionskonzeptes in Teheran/Iran mit den Sprachen Englisch und Persisch keine ausgeglichene Biliteralitätsentwicklung erreicht. Die einfache Übertragung des Immersionsmodells erfolgte hier in einen völlig andersartigen soziolinguistischen Kontext und Kulturkreis, obwohl

1199

seitens der kanadischen Modellinitiatoren wiederholt davor gewarnt worden ist. Trotz einer sehr guten mündlichen Sprachbeherrschung waren die Leseleistungen der persischsprachigen Immersionsschüler, deren sozioökonomischer Status mit dem der kanadischen Experimentteilnehmer vergleichbar war, sowohl im Persischen als auch im Englischen von der ersten bis zur sechsten Klasse signifikant schlechter als die der einsprachigen Kontrollgruppen (Cowan & Sarmad 1976). 4.1.2. Spracherhaltungsprogramme Die Konzeption dieser Programme basiert auf der gesicherten Erkenntnis der Bilingualismusforschung, daß zur Erreichung eines hohen Zweisprachigkeitsniveaus bei zweisprachigen Minoritätenkindern diejenige Sprache in der schulischen Ausbildung unterstützt werden muß, die ansonsten in der Gesellschaft die geringsten Entwicklungschancen hat (Lambert & Tucker 1972). Das ist für die jüngere Generation der ethnischen Minderheiten ihre Familiensprache, die außerhalb der ethnischen Gruppe sozial funktionslos ist. Das erklärte Ziel der Spracherhaltungsprogramme ist eine ausgeglichene Zweisprachigkeit von Minderheitenkindern bzw. bei autochthonen Bevölkerungsgruppen die Bewahrung einer Sprache vor dem Verschwinden aus der gesellschaftlichen Kommunikation. Im Gegensatz zu den Übergangsprogrammen (vgl. 4.2.2.) wird der Erstsprache in den Spracherhaltungsprogrammen während der gesamten Schulzeit eine besondere, für die volle Sprachentfaltung ausreichende Förderung zuteil. Die Organisationsformen dieser Programme sind sehr vielfältig. Sie werden in den unterschiedlichsten soziokulturellen Kontexten für Kinder von Minderheiten mit wesentlich besseren Ausbildungsergebnissen als in den assimilatorischen Programmen durchgeführt. Spracherhaltungsprogramme sind überall dort erfolgreich, wo es einer ethnischen Gruppe gelingt, ihre besonderen Interessen innerhalb einer multikulturellen Gesellschaft durchzusetzen. Die guten Leistungen der durchgeführten Zweisprachigkeitsmessungen in Spracherhaltungsprogrammen widerlegen die landläufige Auffassung, daß Minderheitenkinder mit der Beherrschung zweier Sprachen in Wort und Schrift überfordert seien. Die Lese- und Schreibfähigkeiten werden hingegen in Spracherhaltungsprogrammen in der Erst- und Zweitsprache angemessen aus-

1200 gebildet. Die simultane oder sukzessive Einführung der jeweiligen Schriftsysteme ist in diesen Programmen vom Grad der Sprachbeherrschung in den beiden Sprachen abhängig. In den gesellschaftlichen Situationen, in denen nicht nur die Gefahr des Sprachverlustes bei der jüngeren Generation besteht, sondern auch das kulturelle Erbe einer nationalen Minderheit bedroht ist, wie z. B. bei den Indios in Lateinamerika (Modiano 1979), bei den Eskimos in Grönland (Grosjean 1982) oder bei den Navajos in den USA (Spolsky 1982), dienen diese Programme auch der Kulturerhaltung bzw. der Förderung einer bikulturellen Identität. Insbesondere im Leseunterricht der beiden Sprachen sind die Lesetexte kulturspezifisch differenziert. Wie relevant die Förderung der Erstsprache für Kinder dominierter Minderheiten ist, sollen die durch Spracherhaltungsprogramme erreichten zweisprachigen Leseleistungen bei finnischen Kindern in Schweden und den Navajos in den USA veranschaulichen, allerdings sind aufgrund der wiederholt festgestellten verzögerten Wirkung eines zweisprachigen Programmes erst die Leistungen nach vier bis sechs Jahren aussagekräftig. Die finnischen Kindern erreichten nach sechsjährigem muttersprachlichen Unterricht bei den Lese- und Schreibfähigkeiten finnische Schulnormen, das Leseverständnis im Schwedischen entsprach ebenfalls der Leistung monolingualer Vergleichsgruppen und die Schreibfähigkeit im Schwedischen war bis auf kleine Rechtschreibprobleme fast genauso gut entwickelt (Yletyinen 1982). Ähnliche Ergebnisse sind bei den NavajoKindern im Rock-Point-Projekt zu verzeichnen. Nach einem anfänglichen Rückstand im Vergleich zu den Schuljahresnormen in den beiden Sprachen, entsprachen die Leistungen im Leseverständnis in der Erstsprache und im Englischen im 6. Schuljahr exakt den Altersnormen (Rosier & Holm 1980). Die guten Ergebnisse dieser Spracherhaltungsprogramme sind auch unter lernpsychologischen Aspekten äußerst interessant, da in der einschlägigen Forschung häufig die sprachliche Distanz zwischen gesellschaftlich kontaktierenden Sprachen und die Komplexität der zu erlernenden Schriftsysteme als individuelles Lernproblem dargestellt wird. In den angeführten Beispielen erwies sich der Unterschied zwischen einer indoeuropäischen und einer nicht-indoeuropäischen Sprache keinesfalls als sprachleistungsvermindernd.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Zu dieser viel diskutierten Problematik führten Fishman et al. (1985) eine umfangreiche vergleichende Studie zum Erwerb von bilingualer Schriftlichkeit bei Kindern von Minoritätsangehörigen an vier privaten ethnischen Gemeindeschulen in New York durch. Armenisch, Französisch, Griechisch und Hebräisch wurden neben dem Englischen als Fach und Sprache unterrichtet. Die untersuchten Kinder erreichten mit Leichtigkeit im Lesen und Schreiben die monolinguale Norm im Englischen und zusätzlich eine über der ethnischen Gemeindenorm liegende Lesefähigkeit. Beim Vergleich der Schulen stellte sich heraus, daß überall die Sprach- und Schriftsystemunterschiede nicht extensiv behandelt wurden und sich dennoch die Verschiedenheiten der Verschriftungsprinzipien, der Schriftzeicheninventare und im Falle des Hebräischen auch der Schriftrichtung nicht als Lernhindernis erwiesen. In der Unterrichtsmethodik, die häufig auch problematisiert wird, wichen die Schulen stark voneinander ab. In Anbetracht des von den Kindern erworbenen Biliteralitätsgrades scheint dieser Faktor ebenfalls nicht relevant zu sein. Fishman et al. (1985, 436 f) interpretieren die Problematisierung des Sprachkontrastes, der verschiedenen Schriftsysteme und Unterrichtsmethodiken als Ausdruck der Vorurteile gegenüber Biliteralität und Bilinguismus. 4.2. Assimilatorische Schulprogramme Als Assimilationsprogramme sind solche Programme zu klassifizieren, die der Erstsprache zweisprachiger Kinder in der Schulausbildung keine ausreichende Förderung und Entwicklungsmöglichkeiten zuteil werden lassen. Sie sind typisch für die Schulausbildung von Kindern, die einer ethnischen Minderheit mit niedrigem sozialem Status angehören und deren Erstsprache in der jeweiligen Gesellschaft nicht als prestigehaft angesehen wird. Mit diesen Programmen wird von Minderheitenkindern die sprachliche und kulturelle Angleichung an die Mehrheitsbevölkerung verlangt. Das Ergebnis dieser Ausbildungssituation wird auch als ‘subtraktive Zweisprachigkeit’ charakterisiert (Lambert 1977). 4.2.1 Submersionsprogramme Eine Ausformung der Assimilationsprogramme stellen die sogen. Submersionsprogramme nach der ‘sink or swim’-Methode dar. In diesen Programmen müssen Minderheitenkinder, die aufgrund ihrer Lebensbedingungen schon bis zu einem gewissen Grad

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit

zweisprachig (folk bilingualism) sind, von Schulbeginn an durch das Medium der prestigehaften Mehrheitssprache lernen. Die Unterrichtsbedingungen stellen zwangsläufig eine Benachteiligung der Minderheitenkinder dar. Sie werden zusammen mit den einsprachigen Mehrheitskindern unterrichtet, die ihnen im Sprachbeherrschungsniveau der Schulsprache überlegen sind. Die Lehrer verfügen nur in Ausnahmefällen über herkunftssprachliche Kenntnisse der Kinder, folglich sind die Kinder in dieser Lernsituation im Gegensatz zu den Immersionsprogrammen (vgl. 4.1.1.) von Anfang an gezwungen, sprachlich in der Zweitsprache zu reagieren. Der Schriftspracherwerb erfolgt in den Submersionsprogrammen in der nicht ausreichend beherrschten Mehrheitssprache, so daß die Minderheitenkinder schwerlich dem Leseunterricht folgen können, da sie neben den Problemen mit der Sprache aufgrund ihrer familiären Sozialisation zwangsläufig auch große Schwierigkeiten haben, die die Mehrheitskultur repräsentierenden Inhalte in den Texten zu verstehen. An diesem Prinzip des Schriftspracherwerbs in der Zweitsprache bei Minderheitenkindern wird weiterhin vielerorts festgehalten, obwohl eine speziell zu den Leseleistungen von Downing (1974) in 14 Ländern in den verschiedensten Teilen der Welt durchgeführte Studie erbrachte, daß die Leseleistungen eine schwere Retardierung aufweisen, wenn der Leseunterricht bei Sprachminderheiten mit geringem sozialen Prestige nicht in der Erstsprache des Kindes durchgeführt wurde. Durch die Ausklammerung ihrer Erstsprache aus dem Schulprogramm wird ihnen zudem das niedrige Prestige ihrer Herkunftssprache und Kultur bewußt. Diese Erfahrung kann die Einstellung der Kinder zu ihrer Sprache und ihrem Gebrauch so negativ beeinflussen, daß die Entwicklung ihrer Erstsprache auf einem recht niedrigen Niveau verharrt. Einigen wenigen gelingt es, erfolgreich durch das Medium der Zweitsprache zu lernen; sie werden einsprachig in der Zweitsprache oder die Zweitsprache wird zur dominanten Sprache. Die Schullaufbahnen der Mehrzahl der Minderheitenkinder in den Submersionsprogrammen enden nicht selten mit einer mangelhaften Beherrschung der Erst- und der Zweitsprache (sogen. Halbsprachigkeit). Bei einer Untersuchung finnischer Migrantenkinder in Schweden, die nur Schwedischunterricht erhielten, nahm die

1201

sprachliche Entwicklungsverzögerung z. B. folgende Ausmaße an: In der Beherrschung der Erstsprache blieben sie nach sechs Schuljahren drei bis vier Jahre hinter dem normalen Entwicklungsstand zurück und beim Lesen einfacher zweitsprachiger Texte stellte sich heraus, daß in der 3. bis 6. Klasse über 10% der Kinder Analphabeten waren und nur 60 % die gestellte Leseaufgabe überhaupt bewältigen konnten (nach Fthenakis et al.1985, 39). Bei den Navajo-Kindern in den USA betrug der Rückstand zur Schuljahresnorm in der englischen Lesefähigkeit vor der Einführung eines Spracherhaltungsprogrammes im 6. Schuljahr zwei Jahre (Rosier & Holm 1980). 4.2.2. Übergangsprogramme Als Reaktion auf die total einsprachige Erziehung von Minderheitenkindern, die in allen Ausbildungskontexten ein überdurchschnittlich hohes Schulversagen zur Folge hatte, und auf das Aufleben von ethnischen Bewegungen erfolgte in der 70er Jahren in den USA eine Wende in der Sprachenpolitik mit der Einführung eines zweisprachigen Erziehungsmodells, das jedoch auf drei bis fünf Jahre begrenzt ist. In diesen als ‘bilingual-bikulturell’ bezeichneten Programmen ist bei Schulbeginn entweder die Erstsprache die einzige Unterrichtssprache oder die Instruktion erfolgt abwechselnd in der Erst- und Zweitsprache. In vielen Übergangsprogrammen wird Lesen und Schreiben in der Erstsprache gelehrt, um einen Transfer dieser Fähigkeiten in die Standardsprache zu ermöglichen. Im Falle von unverschrifteten Erstsprachen (z. B. Indianersprachen in den USA) oder von Erstsprachen, die in der Gemeinschaft kaum über eine ausgeprägte Schrifttradition der gesprochenen Sprachvarietät verfügen (z. B. spanischer Dialekt in New Mexico), findet der Schriftspracherwerb in der Zweitsprache (monoliterate bilingualism) statt (Ortiz & Engelbrecht 1986). Die Einführung der Erstsprache der Minderheitenkinder als Fach oder Unterrichtssprache soll der Verringerung zweitsprachlicher Defizite bei Schulbeginn dienen. In allen Programmen wird jedoch der Zweitsprache Englisch die größte Aufmerksamkeit gewidmet, um den Kindern zumeist im dritten Ausbildungsjahr den vollständigen Übergang in die Normalklassen, in denen nur noch die Zweitsprache Englisch Unterrichtssprache ist, zu erleichtern. Die Erstsprache stellt gleichsam eine Brücke zur Zweitsprache dar. Die

1202 vollständige Entfaltung der Erstsprache wird nicht angestrebt. Sie wird nach den ersten Schuljahren nur noch als Fach mit einer Stundenzahl unterrichtet, die für eine angemessene Entwicklung der Erstsprache zu gering ist, da der Assimilationsdruck in dem sozialen Umfeld dieser Sprachlernsituation sehr groß ist. Diese Übergangsprogramme bringen die Kinder um die Vorteile einer bilingualen Erziehung, deren kumulative Vorteile erst nach einer ca. sechsjährigen Ausbildung in den Sprachen und den sprachabhängigen Schulfächern zum Ausdruck kommen soll (Skutnabb-Kangas 1988). Hinsichtlich der Entwicklung der Erst- und Zweitsprache haben Untersuchungen ergeben, daß über 80% dieser ‘bilingualen’ Programme assimilatorisch sind und somit der pluralistischen Etikettierung, die eine Entwicklung und Förderung von Zwei- und Mehrsprachigkeit in einer multikulturellen Gesellschaft erwarten ließe, nicht gerecht werden (Kjolseth 1972). Diese Einschätzung wird durch den von Cohen & Laosa (1979) durchgeführten interessanten Vergleich der zweisprachigen Lesefähigkeitsentwicklung in dem schon erwähnten ‘Culver City Spanish Immersion Program’ für amerikanische Mittelschichtkinder und in dem fünfjährigen ‘Bilingual Redwood City Project’ für vornehmlich spanischsprechende mexikanisch-amerikanische Kinder bestätigt. Während im ‘Culver City Project’ die gleichen Ergebnisse wie in Kanada erreicht wurden, lag im ‘Redwood City Project’ das Niveau der Leseleistung in der Zweitsprache Englisch vom 3. bis zum 5. Schuljahr unter dem Niveau der Vergleichsgruppen, und in ihrer Erstsprache Spanisch erzielten nur zwei Drittel der Schüler etwas bessere Leseleistungen als die Kontrollgruppen. Gravierende Qualitätsmängel des ‘Redwood City Project’ und das für Übergangsprogramme typische Bestreben, die von den Minderheitskindern unzulänglich beherrschte Zweitsprache Englisch zum frühestmöglichen Zeitpunkt als dominante Unterrichtssprache einzusetzen, sind hauptsächlich für die schlechten Programmergebnisse verantwortlich (Cohen 1975). Viele Varianten dieser Übergangsprogramme existieren auch auf anderen Kontinenten. Sie sind z. B. als Modell zum Erwerb schriftsprachlicher Fähigkeiten in den ehemaligen Kolonialsprachen Englisch oder Französisch in zahlreichen afrikanischen Staaten äußerst verbreitet (Hamers & Blanc 1989).

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

In einigen westeuropäischen Ländern existieren Modellversuche, die in unterschiedlichem Maße bemüht sind, der Diskriminierung der Erstsprache, die eine totale Verkümmerung oder sogar den totalen Sprachverlust zur Folge haben kann, durch einen Einbezug der Erstsprache in Form eines Zusatzunterrichts in die schulische Ausbildung entgegenzuwirken. Allerdings ist nach dem Abschluß der zeitlich begrenzten Modellversuche, z. B. für marokkanische Kinder in Frankreich, pakistanische Kinder in Dänemark (Gogolin 1988) und für türkische Kinder in Deutschland (Nehr 1990) immer wieder ein Rückfall in den ‘status quo ante’ zu verzeichnen oder zu befürchten. Trotz dieser Versuche, die Erstsprache von Minoritätenkindern in einigen Schulsituationen institutionell etwas aufzuwerten, haben die Übergangsprogramme assimilatorische Ziele. Assimilatorische Programme sind weltweit das verbreitetste Erziehungsmodell für Kinder ethnischer Minderheiten, deren Eltern überdies noch einen niedrigen sozioökonomischen Status haben (Grosjean 1982).

5.

Abschließende Überlegungen

Wie wir in dieser Arbeit aufzeigen konnten, besteht keine psycholinguistisch begründbare Notwendigkeit, den Schriftspracherwerb in der mündlichen Erstsprache des Kindes zu organisieren. Wir haben gesehen, in welchem Maße Spracherwerb, und damit auch Schriftspracherwerb, vor allem von der sozialen und kulturellen Verankerung der Menschen in der Mehrheitsgesellschaft abhängig ist. Aus dieser Sicht verdeutlichen die Beispiele der Immersions- und Spracherhaltungsprogramme für Mehrheits- bzw. Minderheitskinder aus Gruppen mit positivem sozialen Prestige, daß Schriftspracherwerb gleichermaßen erfolgreich sein kann, ob er nun in der ersten, zweiten oder in beiden Sprachen gleichzeitig stattfindet. Bei Kindern aus Sprachminderheiten mit geringem sozialem Prestige hingegen gelingt der primäre Erwerb der Schriftsprache in der gesellschaftlich dominanten (Zweit)sprache nur unzureichend. Eine ausreichende wissenschaftliche Erklärung gibt es für diesen Sachverhalt trotz verschiedener Interpretationen bisher nicht. Auch haben die von uns diskutierten Untersuchungen gezeigt, daß Verwandtschaft oder Ferne zwischen einer gesprochenen Sprache und der zu erlernenden Schriftsprache nur

101. Schriftspracherwerb unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit

quantitativ mitentscheidend für den Schriftspracherwerb sind, die erheblichen Unterschiede in den Schulkarrieren jedoch qualitativ nicht beeinflussen. Ein Phänomen und bislang nur unbefriedigend erklärt ist der Transfer der Lesefertigkeit von der Zweitsprache auf die Erstsprache in Immersionsprogrammen. Nach der unterrichtlichen Einführung des englischen Schriftsystems entsprach die Leseleistung der Experimentteilnehmer immer den englischsprachigen Kontrollgruppen. Diese Übertragung konnte auch in den Varianten der kanadischen Immersionsprogramme festgestellt werden, in denen mit der Einführung des englischen Leseunterrichts experimentiert worden ist. Selbst ein Aufschub des formalen Englischunterrichts bis zur vierten Klasse beeinträchtigte die erstsprachlichen Leseleistungen nicht (McDougall & Bruck 1976). Ähnliches wurde auch in dem immersionsähnlichen RIZAL-Experiment auf den Philippinen mit den Sprachen Tagalog und Englisch beobachtet. Die gute Lesefähigkeit in der Erstsprache Tagalog war vom Ausmaß des Unterrichts in ihr völlig unabhängig (Davis 1967). Eine mögliche Erklärung des Transfereffektes ist der Umstand, daß die Erstsprachen der Kinder in beiden Sprachlernsituationen außerschulisch gesichert waren. Nach Cummins’ Erklärungsmodell (1979) verdeutlichen die Leseleistungen in den kanadischen Immersionsexperimenten den Transfer sogen. kognitiv-akademischer Fähigkeiten von der Erstsprache auf die Zweitsprache und umgekehrt. Die Interdependenz von Erst- und Zweitsprache bestehe im Bereich der kognitiv-akademischen Sprachfähigkeit, die Fähigkeiten wie Grammatikbeherrschung, Leseverständnis und Schreibfähigkeit beinhalte. Während die Kinder in den Immersionsprogrammen diese Sprachebene bereits bei Schulantritt erreicht haben, seien die Erstsprachen der sozial und kulturell nicht verankerten Minderheitenkinder noch so instabil, daß kein ausreichender sprachlich-kognitiver Transfer auf den Schriftspracherwerb in der Zweitsprache stattfinden könne. Das sogen. Muttersprachenaxiom des Schriftspracherwerbs, nach dem Literalität zuerst in der Erstsprache erworben werden soll, gilt aus dieser Sicht primär für sprachlich und sozial benachteiligte mehrsprachige Kinder (Verhoeven 1994). Doch ein so begründetes Festschreiben unterschiedlich sprachlich-kognitiver Niveaus zu Schulbeginn widerspricht den Untersuchungsergeb-

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nissen und Erfahrungsberichten aus solchen zweisprachigen Übergangsprogrammen, die zeigen, daß simultaner bilingualer Schriftspracherwerb auch und gerade für diese Gruppen erfolgreich organisiert werden kann. Die psycholinguistisch fundierte Annahme eines einheitlichen und unteilbaren menschlichen Sprachvermögens gilt ebenso für mehrsprachige Menschen, mit dem Unterschied, daß sich deren Sprachfähigkeit in mehr als einer Sprache entwickelt. Am Beispiel des Schriftspracherwerbs unter Bedingungen der Mehrsprachigkeit zeigt sich, daß auch die Schriftsprachfähigkeit als Teil des menschlichen Sprachvermögens in mehr als einer Sprache realisiert werden kann.

6.

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102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb Sieber, Peter & Sitta, Horst. 1984. Schweizerdeutsch zwischen Dialekt und Sprache. Kwartnalnik Neofilologiczny, 30/1. Skutnabb-Kangas, Tove. 1988. Multilingualism and the Education of Minority Children. In: Skutnabb-Kangas, Tove & Cummins, Jim (ed.), Minority Education: From Shame to Struggle, Clevedon, 9⫺44. Spolsky, Bernard. 1982. Sociolinguistics of Literacy, Bilingual Education, and Tesol. TESOL Quarterly, 16-2, 141⫺151. Stölting, Wilfried. 1980 (unter Mitarbeit von Delic, Dragica, Orlovic, Marija, Rausch, Karin & Sausner, Edeltraud). Die Zweisprachigkeit jugoslawischer Schüler in der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden. Swain, Merrill. 1984. Die Zweitsprache als Unterrichtssprache ⫺ Zur Methodik und Übertragbar-

1205

keit kanadischer ‘Immersionsprogramme’. Die Deutsche Schule 3, 199⫺205. Tucker, Richard G. 1975. The Development of Reading Skills within a Bilingual Education Program. In: Smiley, S. & Towner, J. (ed.), Language and Reading. The Sixth Western Symposium on Learning, 49⫺60. Verhoeven, Ludo T. 1994. Transfer in Bilingual Development: The Linguistic Interdependence Hypothesis Revisited. Language Lerning 44: 3, September 1994, 381⫺415. Yletyinen, Riita. 1982. Sprachliche und kulturelle Minderheiten in den USA, Schweden und der Bundesrepublik Deutschland. Ein minderheiten- und bildungspolitischer Vergleich. Frankfurt/M.

Edeltraud Karajoli / Monika Nehr, Berlin (Deutschland)

102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb 1. 2.

6.

Einführung in die Problemlage Fallbeispiele für die Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache bei einigen Formen schwerer Spracherwerbsstörungen Belege für die Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache bei Gehörlosen Entwicklungs-, wahrnehmungspsychologische und neurophysiologische Begründung der Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache Pädagogisch-therapeutische Schlußfolgerungen Literatur

1.

Einführung in die Problemlage

3. 4.

5.

In diesem Beitrag geht es allein um die Frage des Verbalspracherwerbs, das heißt der gesprochenen und geschriebenen Sprache von gehörlosen und resthörigen Kindern sowie einigen Formen schwerer Spracherwerbsstörungen. Auf die Gebärdensprache wird hier w. u. nur insoweit eingegangen, als sie für eine umfassend ganzheitliche Bildung und Erziehung gehörloser Kinder mit Bezug auf den Verbalspracherwerb notwendig einbezogen werden muß. Der Erwerb der gesprochenen Sprache stellt bei gehörlosen aufgrund des Ausfalls des auditiven Analysators, bei spracherwerbsgestörten Kindern infolge massiver auditiver und/oder artikulatorischer Schwierigkeiten das zentrale Entwicklungsproblem dar. Gesprochene Sprache kann

bei solchermaßen behinderten Kindern nicht auf natürliche Weise erworben werden, sondern muß über pädagogisch-therapeutisch initiierte Prozesse aufgebaut werden. Es liegt nahe, angesichts dieser Probleme im Bereich der gesprochenen Sprache analoge Schwierigkeiten für den Bereich der geschriebenen Sprache anzunehmen, zumal sie sich etwa im Falle von Lese-Rechtschreibschwäche selbst bei Kindern mit entwickelter Lautsprache zeigen. Tatsächlich scheint dies nicht nur den unhinterfragten Commonsense-Vorstellungen zum Verhältnis von Lautund Schriftsprache und ihrem Erwerb zu entsprechen, sondern auch durch harte Fakten pädagogisch-therapeutischer Erfahrungen bestätigt zu werden: So untersuchte Conrad (1979, 141 ff) die Lesefähigkeit von 359 gehörlosen und schwerhörigen Jugendlichen in England und Wales. Nach seinen Angaben sind über die Hälfte der gehörlosen und ein Viertel der schwerhörigen Schüler als absolute Analphabeten zu bezeichnen. Für die Bundesrepublik Deutschland kamen Günther & Schulte (1988) in einer Untersuchung mit etwa 500 gehörlosen und schwerhörigen Jugendlichen zu ähnlichen Ergebnissen. Conrad wie Günther & Schulte konnten darüber hinaus eine kumulative Wirkung des Intelligenzniveaus auf die schrift-sprachlichen Leistungen im oberen und unteren Extremgruppenbereich aufzeigen.

102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb Sieber, Peter & Sitta, Horst. 1984. Schweizerdeutsch zwischen Dialekt und Sprache. Kwartnalnik Neofilologiczny, 30/1. Skutnabb-Kangas, Tove. 1988. Multilingualism and the Education of Minority Children. In: Skutnabb-Kangas, Tove & Cummins, Jim (ed.), Minority Education: From Shame to Struggle, Clevedon, 9⫺44. Spolsky, Bernard. 1982. Sociolinguistics of Literacy, Bilingual Education, and Tesol. TESOL Quarterly, 16-2, 141⫺151. Stölting, Wilfried. 1980 (unter Mitarbeit von Delic, Dragica, Orlovic, Marija, Rausch, Karin & Sausner, Edeltraud). Die Zweisprachigkeit jugoslawischer Schüler in der Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden. Swain, Merrill. 1984. Die Zweitsprache als Unterrichtssprache ⫺ Zur Methodik und Übertragbar-

1205

keit kanadischer ‘Immersionsprogramme’. Die Deutsche Schule 3, 199⫺205. Tucker, Richard G. 1975. The Development of Reading Skills within a Bilingual Education Program. In: Smiley, S. & Towner, J. (ed.), Language and Reading. The Sixth Western Symposium on Learning, 49⫺60. Verhoeven, Ludo T. 1994. Transfer in Bilingual Development: The Linguistic Interdependence Hypothesis Revisited. Language Lerning 44: 3, September 1994, 381⫺415. Yletyinen, Riita. 1982. Sprachliche und kulturelle Minderheiten in den USA, Schweden und der Bundesrepublik Deutschland. Ein minderheiten- und bildungspolitischer Vergleich. Frankfurt/M.

Edeltraud Karajoli / Monika Nehr, Berlin (Deutschland)

102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb 1. 2.

6.

Einführung in die Problemlage Fallbeispiele für die Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache bei einigen Formen schwerer Spracherwerbsstörungen Belege für die Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache bei Gehörlosen Entwicklungs-, wahrnehmungspsychologische und neurophysiologische Begründung der Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache Pädagogisch-therapeutische Schlußfolgerungen Literatur

1.

Einführung in die Problemlage

3. 4.

5.

In diesem Beitrag geht es allein um die Frage des Verbalspracherwerbs, das heißt der gesprochenen und geschriebenen Sprache von gehörlosen und resthörigen Kindern sowie einigen Formen schwerer Spracherwerbsstörungen. Auf die Gebärdensprache wird hier w. u. nur insoweit eingegangen, als sie für eine umfassend ganzheitliche Bildung und Erziehung gehörloser Kinder mit Bezug auf den Verbalspracherwerb notwendig einbezogen werden muß. Der Erwerb der gesprochenen Sprache stellt bei gehörlosen aufgrund des Ausfalls des auditiven Analysators, bei spracherwerbsgestörten Kindern infolge massiver auditiver und/oder artikulatorischer Schwierigkeiten das zentrale Entwicklungsproblem dar. Gesprochene Sprache kann

bei solchermaßen behinderten Kindern nicht auf natürliche Weise erworben werden, sondern muß über pädagogisch-therapeutisch initiierte Prozesse aufgebaut werden. Es liegt nahe, angesichts dieser Probleme im Bereich der gesprochenen Sprache analoge Schwierigkeiten für den Bereich der geschriebenen Sprache anzunehmen, zumal sie sich etwa im Falle von Lese-Rechtschreibschwäche selbst bei Kindern mit entwickelter Lautsprache zeigen. Tatsächlich scheint dies nicht nur den unhinterfragten Commonsense-Vorstellungen zum Verhältnis von Lautund Schriftsprache und ihrem Erwerb zu entsprechen, sondern auch durch harte Fakten pädagogisch-therapeutischer Erfahrungen bestätigt zu werden: So untersuchte Conrad (1979, 141 ff) die Lesefähigkeit von 359 gehörlosen und schwerhörigen Jugendlichen in England und Wales. Nach seinen Angaben sind über die Hälfte der gehörlosen und ein Viertel der schwerhörigen Schüler als absolute Analphabeten zu bezeichnen. Für die Bundesrepublik Deutschland kamen Günther & Schulte (1988) in einer Untersuchung mit etwa 500 gehörlosen und schwerhörigen Jugendlichen zu ähnlichen Ergebnissen. Conrad wie Günther & Schulte konnten darüber hinaus eine kumulative Wirkung des Intelligenzniveaus auf die schrift-sprachlichen Leistungen im oberen und unteren Extremgruppenbereich aufzeigen.

1206

2.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Fallbeispiele für die Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache bei einigen Formen schwerer Spracherwerbsstörungen

Das am Beispiel hochgradig hörgeschädigter Jugendlicher aufgezeigte Ausmaß von Schriftspracherwerbsproblemen könnte zu der resignativen Auffassung verführen, daß diesbezüglich therapeutisch-pädagogischen Bemühungen enge Grenzen gesetzt sind. Dagegen sprechen auf dem Hintergrund des bisher aufgezeigten geradezu paradox wirkende Fallbeispiele von in der Entwicklung der gesprochenen Sprache massivst behinderten Kindern, z. B. mit verbal-auditorischer Agnosie als Extremgruppe unter den kindlichen Erwerbsstörungen. Dominantes Störungsmerkmal solchermaßen behinderter Kinder ist die Unfähigkeit, akustische Sprachsignale zu dekodieren, obwohl sich kein nennenswerter Hörverlust feststellen läßt. Als Folge davon sind verbal-auditorische Agnostiker in der Regel unfähig zu sprechen, daher die alte Bezeichnung „hörstumm“. Sie zeigen äußerste Resistenz gegenüber jeglichen lautsprachorientierten Therapieversuchen, selbst für das Ablesen vom Mund. Dagegen sind Kinder mit verbal-auditorischer Agnosie über den visuellen Kanal durch Gebärden und, was für unsere Diskussion von Bedeutung ist, durch Lesen und Schreiben sprachbildungsfähig (s. Rapin et al. 1977; Rapin & Wilson 1978; Steinberg & Chen 1980). Autistische Kinder weisen häufig schwer(st)e lautsprachliche Entwicklungsstörungen auf. Kegel & Tramitz (1991) erreichten die erfolgreiche Therapie eines solchen Falles (u. a.) mit Hilfe der Assoziationsmethode nach McGinnes (1977), bei der der Lautsprachaufbau durch die Koppelung an Schriftbild, Fingeralphabet und Absehbild sowie Lesen und Schreiben initiiert wird. Der Erfolg dieser auch bei Fällen schwerer Sprachentwicklungsstörungen und kindlichen Aphasien mit positivem Ergebnis angewandten rigide behavioristisch ausgerichteten Therapiemethode erklärt sich nach Gebhard (1992) in der konsequenten Nutzung der spezifischen Wahrnehmungsvorteile der visuell strukturierten schriftlichen gegenüber der gesprochenen Sprache und ihrer Verknüpfung durch das unmittelbare Assoziationsprinzip. Damit werden u. E. nicht nur die intakten Wahrnehmungskanäle direkt genutzt, son-

dern auch quasi schlummernd vorhandene sprachlich-kognitive Fähigkeiten, die sich über die gestörte lautsprachliche Modalität nicht aktivieren lassen, evoziert. Auch bei schweren Aphasien im Kindesalter scheinen gewisse Rehabilitationsmöglichkeiten über die schriftsprachliche Modalität zu bestehen. Becker et al. (1987) gelangen bei einem Mädchen, das mit 8 Jahren eine Totalaphasie erlitten hatte, nach intensiven rehabilitativen Bemühungen eine begrenzte Restitution sprachlicher Leistungen im Bereich der Schriftsprache. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch Fälle von Dys- bzw. Anarthrie, bei denen im Gegensatz zu den vorhergenannten von einer intakten auditiven Wahrnehmung ausgegangen werden kann. Lenneberg (1972, 373 ff) berichtet von einem Jungen mit kongenitaler Anarthrie, bei dem aufgrund dieses Schadens keine Sprechentwicklung möglich war, der aber ein normales Sprachverständnis besaß und recht erfolgreich lesen lernte. Noch extremer ist der durch seinen autobiographischen Roman inzwischen weltberühmt gewordene Fall des schwerstkörperbehinderten anarthrischen Christopher Nolan (1989). Allerdings muß darauf hingewiesen werden, daß solche gelungenen Kompensationen mittels der schriftlichen Sprache bei Schwerstkörperbehinderten selten sind, weniger aufgrund mangelhafter pädagogisch-therapeutischer Evozierung und Förderung diesbezüglicher Entwicklungsprozesse ⫺ hier wird heute der Computer sehr erfolgreich eingesetzt (Huber 1993) ⫺ als aufgrund der Tatsache, daß solche Behinderungen häufig mit zusätzlichen Störungen im Bereich der Wahrnehmung und kognitiven Verarbeitung verbunden sind, die grundsätzlich den Erwerb von Sprache in Frage stellen. Natürlich handelt es sich bei solchen Fällen um Extreme bezüglich Häufigkeit und Erscheinungsbild, dennoch vermitteln sie vielleicht gerade deshalb für unsere Überlegungen bedeutsame Einsichten: * Obwohl die Schriftsprache sich phylogenetisch wie ontogenetisch sekundär gegenüber der Lautsprache entwickelt (hat), besitzt sie nicht nur spezifische Funktionen, sondern auch einen relativ autonomen Status. * Die Verbalsprache ist auch über die schriftliche Modalität aneigbar, ohne daß die Lautsprache expressiv und/oder rezeptiv vorgängig elementar entwickelt ist. Ein für unsere Überlegungen besonders wichtiges Beispiel stellen Kinder mit verbal-

102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb

auditorischer Agnosie dar, weil hier von zentralen, die lautsprachliche Wahrnehmung und Produktion betreffenden Dysfunktionen ausgegangen werden muß, die dennoch nicht eine Unfähigkeit zur Sprachaneignung in einer anderen, der schriftlichen Modalität, implizieren. Eine Erklärung dafür bietet das Konzept der halbautonomen Systeme nach Johnson & Myklebust (1980, 45): „Es besagt, daß das Gehirn aus halbautonomen Systemen besteht […] Das bedeutet in Bezug auf das Lernen und die Lernschwächen, daß das auditive System halb-autonom vom visuellen oder taktilen System funktionieren kann und daß umgekehrt jedes dieser beiden Systeme wieder halbunabhängig von jedem der beiden anderen operieren kann“. Es muß allerdings auch darauf hingewiesen werden, daß Fälle wie die genannten außerordentlich selten und für wissenschaftlich begründete Folgerungen nicht systematisch genug dokumentiert, analysiert und interpretiert sind. Ganz anders sieht dagegen die Beweislage für gehörlose Kinder aus.

3.

Belege für die Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache bei Gehörlosen

3.1. Historische Belege Seit den ersten erfolgreichen Bemühungen zu Anfang des 16. Jahrhunderts, Taubstumme nicht mehr als unbildsame Idioten zu behandeln, liegen uns eine Vielzahl von Einzelfallbeschreibungen und -hinweisen vor, nach denen gehörlose Kinder unabhängig von einer vorgängig entwickelten oder überhaupt einmal ausgebildeten nennenswerten Lautsprachkompetenz über die Fähigkeiten des Lesens und Schreibens verfügten (vgl. Günther 1985, 8 ff sowie zahlreiche Belege bei Lane 1988). Beginnend mit dem Benediktinermönch Pedro Ponce de Leon (etwa 1500⫺ 1584) wurde die schriftorientierte Methode im 16. Jahrhundert erfolgreich bei taubstummen Kindern aus spanischen Adelsfamilien eingesetzt (s. a. Werner 1932). Mit gewissen Modifikationen geht das heute in einer Reihe von Gebärdensprachen verwandte internationale Fingeralphabet auf am kastilischen Hof tätige Privatlehrer zurück (Bonet 1620/1895). Für das 18./19. Jahrhundert liegen im deutschsprachigen Raum mehrere Berichte von Pfarrern (Lasius 1775, Solbrigs 1775) und für den schulischen Bereich von Scherr

1207

(1825) über eine schriftsprachliche Erziehung taubstummer Kinder vor. Ebenso finden wir in der Renaissance-Zeit theoretische Erklärungen für die Möglichkeit, daß Taubstumme sich die Verbalsprache primär über die schriftliche Modalität aneignen können. So schrieb der italienische Philosoph und Mathematiker Geronimo Cardano (1501⫺1576): „Wir können also einen Taubstummen dazu befähigen, sowohl zu hören durch Lektüre wie zu sprechen durch Schreiben […], denn in gleicher Weise, wie die verschiedenen Stimmlaute der Menschen durch festgelegte Konvention eine spezifische Bedeutung erhalten haben, können auch die verschiedenen geschriebenen Buchstaben durch Konvention dieselbe Bedeutung erhalten […] Schreiben ist mit der Lautsprache verbunden und durch Lautsprache mit dem Denken; aber die Schrift kann auch direkt Gedanken abrufen ohne die Vermittlung von Lautsprache“ (Cardano zit. nach Berthier 1840/1989, 18 f). 150 Jahre später legte der schottische Philosoph Dalgarno (1680) sein bemerkenswertes Werk Didascolocophus or the deaf and dumb man’s tutor vor, das die schriftsprachliche Lehrmethode in einer Weise begründete, daß es bis in die siebziger Jahre zahlreiche Nachdrucke im anglo-amerikanischen Raum erfahren hat (vgl. Günther 1985, 11 ff). In ganz analoger Weise hatte bereits der zu Unrecht in Vergessenheit geratene Zürcher Theologe Lavater (1665/66) einige Jahre zuvor speziell in der letzten Arbeit (Wiserus 1666) des von ihm herausgegebenen Sammelbandes dreier Dissertationen Schuola mutorum ac sudorum argumentiert (Literaturangaben nach Werner 1932, 120⫺125, der aus den Arbeiten ausführlich in Übersetzung zitiert). 3.2. Neuere entwicklungspsycholinguistisch und pädagogisch begründete Fälle Die aus diesen historischen Quellen und Erläuterungen ableitbare relative Autonomie der Schrift- gegenüber der Lautsprache läßt sich durch eine Reihe von neueren, gut dokumentierten Einzelfallbeispielen und kontrollierten Programmen bestätigen. Den bedeutendsten Einzelfall für den Einsatz der Schrift beim Sprachaufbau gehörloser Vorschulkinder stellt Nanninga-Boons (1929) Erziehung ihres gehörlosen Sohnes dar, der im Alter von 3 Jahren zunächst über das Lesen und kurze Zeit später über das Schreiben zur Verbalsprache kam. Bei der Sprachaneignung zeigten sich dem normalen Lautspracherwerb

1208

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

analoge Entwicklungsprozesse. Die frühe Aneignung der Verbalsprache über die Schrift erwies sich dann auch als Basis, selbstmotiviert zum Ablesen und zum Sprechen zu kommen. Von ähnlicher Bedeutung sind der von Bell (1899) betreute und beschriebene Fall eines fünfjährigen gehörlosen Jungen und Helen Keller (zur sprachentwicklungspsychologischen Analyse und Interpretation s. Stern 1905), ein insofern besonders dramatischer und bedeutungsvoller Fall, als sie im vorsprachlichen Alter ertaubte wie erblindete und den Weg zur Verbalsprache über von ihrer Betreuerin fingeralphabetisch in die Hand dargebotenen Äußerungen fand. Neben Keller sind noch einige andere Fälle Taubblinder bekannt, die gemessen an der Schwere der doppelten Sinnesbehinderung zu einer unerwarteten Sprachkompetenz gelangten. I. d. R. ist Taubblindheit jedoch mit weiteren gravierenden Zusatzbehinderungen verbunden, die dem pädagogisch-therapeutisch Erreichbaren enge Grenzen setzen (vgl. v. Dijk 1991). Bestätigung finden diese Erfahrungen aus Einzelfällen durch ein Frühleseexperiment mit drei gehörlosen Kindern (Steinberg 1982; vgl. a. Günther 1985, 63 ff). Ein viertes in das Experiment einbezogenes Kind mit einem Ausgangsalter von 1;2 Jahren war nur 8 Monate an dem Versuch beteiligt und erwarb in dieser Zeit lediglich fünf einzelne Wörter. Es liegt nahe, die Gründe für das Scheitern vor allem in dem zu frühen Ausgangsalter zu se-

hen, auch wenn sich dazu keine Hinweise in dem Untersuchungsbericht finden. In einem Zeitraum von 11⫺20 Monaten erwarben die Kinder bei einer täglichen Übungszeit von 10⫺30 Minuten 180 bis 400 Einzelwörter und 100 bis 250 Sätze. Für pädagogisch-therapeutische Folgerungen nicht uninteressant ist der Befund, daß das älteste an dem Experiment beteiligte Kind in nicht einmal der Hälfte der Übungszeit den gleichen Lernerfolg erzielte wie das jüngste und weiter, daß das mit zweieinhalb Jahren in der Mitte liegende Kind sowohl beim Wortschatz wie auch bei den verfügbaren Sätzen etwa die doppelte Anzahl erwarb. Die Bedeutung der Untersuchung von Steinberg (1982) liegt in dem Nachweis, daß der Beginn einer schrift-orientierten Sprachvermittlung bei gehörlosen Kindern bereits im Kleinkindalter möglich ist. Die Tatsache jedoch, daß der Unterricht der Kinder in dem mit dem Experiment intendierten Sinne offensichtlich nicht fortgeführt wurde und auch keinerlei Angaben über die weitere Entwicklung der Kinder bekannt sind, schränkt ihre Aussagekraft für pädagogisch-therapeutische Konsequenzen in der verbalsprachlichen Früherziehung erheblich ein. Orientiert an dem Konzept der zuvor genannten Arbeit haben Suzuki & Notoya (1984) jedoch eine Längsschnittuntersuchung vorgelegt, die den reinen Experimentalcharakter der Steinberg-Untersuchung überwindet, indem 6 gehörlose Kinder im Kleinkindalter beginnend über 4 Jahre ein gezieltes ver-

Tab. 102.1: Entwicklung des schriftlichen und oralen Wortschatzes bei 6 gehörlosen Kindern im Alter zwischen 23 und 71 Monaten (nach Suzuki & Notoya 1984, Tab. 3).

71

23

35

47

59

1851 1965 1659 2344 1955

4 0 2 0 1,5

15 14 35 20 21

114 42 144 56 89

422 231 203 203 266

keine Daten

Alter (in Monaten)

Oraler Wortschatz

keine Daten

Schriftwortschatz 23

35

47

59

Gruppe I A B C D Mittel

12 66 24 101 51

232 645 236 756 476

1099 1328 893 1421 1185

Gruppe II E F Mittel

⫺ ⫺ ⫺

585 70 328

Gruppe I⫹II Mittel



421

71

1446 621 1034

2371 1660 2016

3368 ca. 3000 3184

⫺ ⫺ ⫺

46 0 23

816 0 408

2371 3 1189

3368 8 1688

1135

1975





22

195

572



1209

102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb

gar nicht oder nur rudimentär ausgebildet ist. Hervorhebenswert erscheinen theoretischkonzeptionell vor allem folgende Punkte (vgl. Tab. 102.1 und 102.2): 1. Die Konzeption enthielt nicht nur ein schriftsprachliches, sondern auch ein orales Sprachaufbauprogramm. Analog zu vom Autor vertretenen Vorstellungen wird davon ausgegangen, daß die verbale Sprachentwicklung über die schriftliche Modalität für gehörlose Kinder schneller erfolgen kann und als Konsequenz die Lautsprachaneignung erleichtert. 2. Linguistisch betrachtet beschränkt man sich nicht auf das logographemische Lesen von Einzelwörtern, sondern baut nach der initialen Rezeptionsphase das Schreiben auf und schreitet in konsequenten Entwicklungsschritten von der Einzelwortebene über Phrasen und einfache Sätze zu komplexen syntaktischen Satzeinheiten vor. Es handelt sich also um ein wirkliches Sprachaufbauprogramm. Für die verbalsprachliche Früherziehung von gehörlosen Kindern unmittelbar relevant erscheinen folgende Ergebnisse der Untersuchung von Suzuki & Notoya (1984): 3. Nach zwei- bis vierjähriger gezielter schriftsprachlicher Vermittlung erreichen alle gehörlosen Kinder im Alter von 5 Jahren mit einem Wortschatz von knapp 2000 Wörtern

bales Sprachaufbauprogramm erhielten und die Ergebnisse für die Wortschatzentwicklung in Jahresintervallen mitgeteilt werden (vgl. zu den Untersuchungsergebnissen ausführl. Günther 1990/91, 430 f). In ihrer entwicklungstheoretischen Begründung, in der therapeutischen Übungskonzeption wie in den Ergebnissen fundiert die Arbeit von Suzuki & Notoya die Konzeption eines Zugangs zur Verbalsprache über die schriftliche Modalität in der Früherziehung gehörloser Kinder und sichert sie empirisch ab. Vor der Darstellung der wesentlich erscheinenden Ergebnisse sei darauf hingewiesen, daß es sich bei der Untersuchungsgruppe um japanische Kinder handelte. Das Schriftsprachprogramm involvierte sowohl das logographische Kanji wie (vermutlich in einer späteren Phase) das silbische Kana. Ein möglicher Einwand, daß diese Konstellation nicht auf Sprachen mit alphabetischen Schriftsystemen übertragbar sei, ist nicht stichhaltig. Neuere Ergebnisse der Schriftspracherwerbsforschung (Günther 1986) weisen darauf hin, daß der initiale Zugang zur Schrift auch bei nichtbehinderten Kindern in alphabetischen Systemen auf Worteinheiten bezogen logographemisch verläuft und nicht analysierendsynthetisierend. Dies gilt umso mehr für Kinder wie beispielsweise die gehörlosen, bei denen das lautsprachliche System noch

Dauer (i.M.) des LautsprachAufbauprogramms

Dauer (i.M.) des SchriftsprachAufbauprogramms

Alter (i.M.) zu Beginn des LautsprachAufbauprogramms

Hörverlust dB ⫹Hörg.

Alter (i.M.) zu Beginn des SchriftsprachAufbauprogramms

w/m

Diagnosealter in Monaten (i.M.)

Kinder/Gruppe (I/II)

Tab. 102.2: Personaldaten der an der Untersuchung von Suzuki & Notoya (1984, Tab. 1/2) beteiligten gehörlosen Kinder sowie Angaben zu Beginn/Dauer des Schrift- und Lautsprachprogramms. ⫺ Eintritt des Hörverlustes für alle Kinder kongenital; Messungen mit ca. 3 Jahren.

I A B C D Mittel I

w w w m

101 100 111 115 107

69 75 74 70 72

5 11 13 17 11,5

12 12 13 17 13,5

6 12 13 17 12

47 47 46 42 45,5

53 47 46 42 47

II E F Mittel II

m w

99 110 105

71 99 85

26 23 24,5

26 34 30

26 23 24,5

51 30 44,5

51 49 50

1210 annähernd altersgemäße Werte hörender Vorschulkinder. Bei den beiden älteren Kindern entspricht dann im Alter von sechs Jahen das über 3000 Wörter umfassende individuelle Lexikon voll den Durchschnittsangaben von Augst (1984). 4. Im lautsprachlichen Bereich weisen die vier jüngeren gehörlosen Kinder mit fünf Jahren ein orales Vokabular von 200 bis über 400 Wörtern auf, Werte, die für gut oral geförderte Kinder als über dem Durchschnitt zu bezeichnen sind (vgl. z. B. v. Uden 1980, 91). Es kann dementsprechend nicht der Vorwurf erhoben werden, daß dem oralen Übungsprogramm lediglich Alibifunktion in dem Gesamtkonzept zukommt. 5. Bei allen sechs gehörlosen Kindern bestätigt sich die Hypothese, daß die Aneignung der geschriebenen Sprache der gesprochenen trotz gleichzeitigem oder sogar früherem Übungsbeginn weit vorauseilt. Im individuellen Verlauf zeigen sich jedoch bemerkenswerte Unterschiede. Bei E (⫽ Untersuchungsbezeichnung), dem Kind mit dem geringsten Hörverlust (99 dB), erreicht bereits drei Jahre nach Beginn der Sprachaufbauprogramme der orale Wortschatz das Niveau des schriftlichen und entwickelt sich im weiteren Verlauf parallel auf einem altersgemäßen Stand. Der frühe Sprachaufbau über die Schrift erweist sich jedoch auch bei diesem Kind als legitim und sinnvoll, weil es schon nach einem Jahr gezielter Unterweisung im Schriftsprachbereich über einen annähernd normalen Wortschatz verfügt und auf dieser Basis die noch rudimentäre, knapp 50 Wörter umfassende Lautsprache schnell nach sich zieht. Umgekehrt wäre Kind F mit sechs Jahren bei rein oraler Erziehung sprachlos geblieben, weil das über vier Jahre praktizierte orale Programm sich bei diesem Kind als absolut erfolglos erwies. In der Schriftsprache erreichte es dagegen bei dem mit 2 ½ Jahren (!) innerhalb der Untersuchung kürzesten und spätesten Übungszeitraum wie Kind E im Alter von 6 Jahren ein altersgemäßes Wortschatzniveau. 6. Die Ergebnisse der Untersuchung von Suzuki & Notoya (1984) deuten schließlich auch auf eine Bestätigung der schon bei der Interpretation der Daten von Steinberg (1982) geäußerten Vermutung hin, daß der günstigste Zeitpunkt für den Beginn schrift-orientierter Sprachübungen bei gehörlosen Kindern etwa bei zwei bis drei Jahren liegt. Die Kinder, bei denen das Schriftsprachprogramm bereits mit einem bis eineinhalb Jahren begonnen

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

wurde, benötigten 3 bis 7 Monate bis zum ersten registrierbaren Wortverständnis, während es bei den beiden älteren Kindern, bei denen das Programm mit 2⫺3 Jahren einsetzte, praktisch von Beginn an positive Ergebnisse zeitigte. Die mit diesem Befund angeschnittene Frage des Zeitpunktes für den Beginn der schriftbezogenen Sprachentwicklungsarbeit ist von grundlegender Bedeutung für seinen Einsatz in der Früherziehung gehörloser Kinder. Erklären läßt sich die etwa einjährige Differenz gegenüber dem Beginn des Sprechens bei nichtbehinderten Kindern mit der unbestreitbaren Tatsache, daß der verbalsprachliche Zugang über die Schrift sich nicht aus ursprünglich natürlichen Kommunikationssituationen entwickeln läßt, sondern pädagogisch geplant und initiiert werden muß. Um gehörlose Kinder für die damit verbundene, wie auch immer spielerischkommunikativ eingekleidete Übungsatmosphäre zu motivieren, muß zunächst in alltäglichen Interaktionssituationen eine quasi „semiotische Dissonanz“ zu der nicht oder nur unzureichend wahrnehmbaren lautsprachlichen Kommunikation der hörenden Umwelt erzeugt werden. Anders ausgedrückt, das gehörlose Kind muß intuitiv ein Gefühl entwickeln, daß es über die Schrift an den schwer erreichbar erscheinenden lautsprachlichen Akten teilhaben kann. Das meint natürlich nicht, daß schon frühst möglich implizite, auf Schriftliches verweisende Aktivitäten wie das Betrachten von Bilderbüchern gerade auch mit gehörlosen Kindern initiiert werden sollen. 3.3. Dyspraktische gehörlose Kinder Bislang wurde primär auf in der Literatur vorfindliche herausragende Einzelfälle sowie Untersuchungen mit speziellen Bedingungen eingangen. Es läßt sich aber zeigen, daß die dort beobachteten Erfolge keineswegs auf außerordentliche Voraussetzungen bei den betreffenden Kindern bzw. besondere Bedingungen zurückzuführen sind. Bestätigung finden wir vielmehr ausgerechnet bei jener Gruppe gehörloser Kinder, die extreme Probleme beim Erwerb der Sprechfertigkeiten aufweisen. Diese lautsprachlichen Erwerbsschwierigkeiten bezeichnet man mit van Uden (1983) und Seubert (1989; 1989 a) als Dyspraxie und versteht sie als den Lautspracherwerb zusätzlich gefährdende neuro-

102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb

1211

gene Teilleistungsstörung, deren Anteil an den Gehörlosenschulen nach Angaben der Autoren zwischen 25 und 35% (!) liegt. Seubert (1989, 100 ⫺ Hinzufüg. d. A.) charakterisiert die Schwierigkeiten dyspraktischer Kinder folgendermaßen:

4.

„Ihren Lehrern fallen diese Kinder vor allem dadurch auf, daß ihre Sprechdeutlichkeit ganz schwer zu verbessern ist. Ihre Spontansprache ist oft […] kaum zu verstehen. Auch das (Laut-)Lesen fällt ihnen schwer.“ Ein Vergleich der Leistungsprofile (Seubert 1989 a, 136) der Dyspraktiker mit ihren neurogen unauffälligen gehörlosen Schulkameraden belegt dies für die Sprachtestergebnisse mit aller Deutlichkeit: In allen artikulationsabhängigen Prüfungen ⫺ Artikulation, aktiver Wortschatz, Sprachanwendung, passiver Wortschatz mündlich ⫺ zeigen die dyspraktischen Schüler extrem schwache Leistungen, beim Ablesen (dies im Gegensatz zu den Aussagen van Udens), passivem Wortschatz schriftlich, sowie beim Schrift und Gebärden berücksichtigenden Sprachverständnis relativ geringe Ausfälle. Dementsprechend fährt Seubert fort: „Im Schriftlichen, sowohl beim Abschreiben wie in der Rechtschreibung und im schriftlichen Ausdruck, sind sie dagegen vergleichsweise gut.“ Die schwache Tendenz bei den visuellen Sprachprüfungen tritt bei den Funktionsprüfungen in aller Deutlichkeit hervor. Mit Ausnahme der schriftsprachlich irrelevanten Operationalisierungweisen, mit denen das visuelle und auditive Sukzessivgedächtnis geprüft wird und die bezüglich des visuellen bei van Uden (1983, 75) und Broesterhuizen (1989, 258) zudem keine Bestätigung finden, zeigen dyspraktische Schüler normale bis überdurchschnittliche Leistungen in allen visuell-visomotorischen Prüfungen (s. a. v. Uden 1983, 75). Besonders bemerkenswert sind die guten auf semantische Fähigkeiten verweisenden visuell-kognitiven Leistungen (s. a. Seubert 1989, 101).

Die zuvor angeführten Fallbeispiele demonstrieren augenfällig die Möglichkeit, alternativ die Verbalsprache über die schriftliche Modalität aufzubauen. Es bedarf jedoch allgemeiner entwicklungstheoretischer, wahrnehmungspsychologischer und neurophysiologischer Erklärungen, weshalb die Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache ausgerechnet bei Kindern mit schweren kommunikativ-lautsprachlichen Entwicklungsstörungen aufgrund von Gehörlosigkeit anwendbar sein soll. Im Gegensatz zur weithin geteilten wissenschaftlichen Common-senseVorstellung wird hier davon ausgegangen, daß die basalen Wahrnehmungs- und Kognitionsfähigkeiten für einen initialen Zugang zur Schriftsprache sehr niedrig liegen und etwa selbst bei zusätzlich schweren kognitiven Beeinträchtigungen noch elementar erreichbar sind. Im Kern geht es um die Frage, in welchem Verhältnis die basalen Sinnesleistungen und die Sprach- oder allgemeiner die Symbolfähigkeit zueinander in der physischen und psychischen Entwicklung des Kindes stehen, und ob trotz des Ausfalls eines Sinneskanals oder der Beeinträchtigungen basaler Wahrnehmungsleistungen Entwicklung und Förderung der Verbalsprache in (relativ) intakten Wahrnehmungsbereichen möglich sind. Mit Bezug auf gegenwärtig in der heilpädagogischen Diskussion dominante Theorievorstellungen zur frühkindlichen Entwicklung und zu behinderungsbedingten Störungen muß desweiteren gefragt werden, ob sich die frühkindlichen Entwicklungsprozesse tatsächlich allein auf taktil-kinästhetische Wahrnehmungstätigkeiten zurückführen lassen, wie es am konsequentesten von Affolter (1987) vertreten wird. Es ist unbestritten, daß beim menschlichen Neugebornen als nicht selbständig fortbewegungsfähigen Brustsäuger in den ersten Lebenswochen der taktil-kinästhetische Wahrnehmungsmodus dominant ist, weil es eigenständig nur das „erspüren“ (Affolter 1987) kann, was unmittelbar an, auf oder unter ihm liegt bzw. herangetragen wird. Schon im Laufe des ersten Lebensjahres aber gewinnen die visuelle und etwas später auch ⫺ worauf in diesem Rahmen nicht weiter eingegangen

Seubert (1989, 102) faßt ihre Charakterisierung dyspraktischer gehörloser Kinder zusammen: „Der Ausfall der auditiven Kontrolle bei an Taubheit grenzend schwerhörigen (⫽ gehörlosen ⫺ d. A.) Kindern kombiniert mit einer Dyspraxie erschwert das Sprechenlernen ⫺ die Automatisierung von Sprechbewegungsmustern ⫺, nicht primär den Sprachaufbau i. S. von Semantik und Syntax.“ Dezidierter noch als Seubert folgert Broesterhuizen (1989) aus seinen Untersuchungsergebnissen, daß eine Dyspraxie des Sprechens nicht die verbalsprachliche Fähigkeit als solche tangiert, sondern durch gut entwickelte visuell-simultane Fähigkeiten in der schriftsprachlichen Modalität kompensiert werden kann.

Entwicklungs-, wahrnehmungspsychologische und neurophysiologische Begründung der Kompensationsfunktion der schriftlichen Sprache

1212 wird ⫺ die auditive Wahrnehmung an Bedeutung und werden allmählich dominant. Elkonin (1967, 112 f) bspw. berichtet von einer Untersuchung, in der das Verhalten von Kindern zwischen 0;9 und 2;8 Jahren beim selbständigen Hantieren mit Spielgegenständen untersucht wurde. Die Dominanz des taktilkinästhetischen Wahrnehmens sank von über 50% im Alter von 1;1 innerhalb von nur 2 Monaten auf 8,6% und weiter auf 7,6% mit 2;8 Jahren. Komplementär stieg der Anteil der visuellen Wahrnehmungstätigkeit an. Der Zeitpunkt des rapiden Absinkens der taktil-kinästhetischen Wahrnehmungsdominanz erscheint nicht zufällig, deckt er sich doch mit dem Auftauchen der Symbolfunktion beim Kleinkind. Die Entdeckung der Symbolfunktion, die ihre höchste und spezifisch menschliche Ausprägung in der Sprache erfährt, ist der bedeutendste Entwicklungssprung in Phylogenese (Leroi-Gourhan 1988) wie Ontogenese (Wygotski 1969; Piaget 1969), weil damit erst die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, die visuellen und auditiven Wahrnehmungsmöglichkeiten zur Überwindung des orts- und situationsgebundenen sensomotorischen Denkens einzusetzen (s. a. Johnson & Myklebust 1980, 19, 55 ff). Der enorme Anstieg von Wissen, Fähigkeiten und Fertigkeiten und ihre gedächtnismäßige Speicherung schon im Vorschulalter wären undenkbar, wenn zu ihrer Aneignung nicht ein repräsentatives Symbolsystem zur Verfügung stände und jeder neue Erfahrungsgegenstand erst taktil-kinästhetisch erspürt werden müßte. Mit Ausnahme von schwersten zentralen Totalstörungen ist davon auszugehen, daß sich die allgemeine Symbolfunktion in zumindest elementarer Weise ausbildet und für Wissensaneignung, Denktätigkeit und Verhaltensteuerung dominant ist. Die zentrale Rolle der sprachlichsymbolischen Fähigkeit wirkt sich notwendig auch auf die nonverbalen Perzeptions- und Verarbeitungsbereiche aus (vgl. Günther 1983, 214/215). In Umkehrung der basalen Wahrnehmungstheorien sind nach der hier vertretenen Auffassung sprachlich-symbolische Probleme als primärer, perzeptuelle, motorische und kognitive als sekundärer Störungsgrund anzunehmen. Daraus folgt konsequent, das Primat bei der Arbeit mit Kindern, deren (laut-) sprachliche Entwicklung aus unterschiedlicher Ätiologie massiv gestört ist, auf den Aufbau ihrer symbolisch-sprachlichen Fähigkeiten in Modalitäten (relativ) intakter Wahr-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

nehmungsbereiche zu legen. Eine solche alternativ-kompensatorische Möglichkeit bietet nach der hier vertretenen Vorstellung die schriftliche Sprache. Um zu klären, welche perzeptuellen und visomotorischen Leistungen für die Wahrnehmung und Wiedergabe schriftlicher Zeichen überhaupt notwendig sind und auf welchen basalen Fähigkeiten sie ontogenetisch aufbauen, sollen im folgenden einige grundlegende Daten über die Entwicklung der visuellen Wahrnehmung aus der Sinnespsychologie und -physiologie dargestellt und in Beziehung gesetzt werden zu den diesbezüglich behaupteten Aneignungsschwierigkeiten: 1. Die Neurophysiologie bezeichnet das Sehen als den wichtigsten Sinn für die Umweltwahrnehmung und das Verhalten (Jung 1978, 3). Es wird bezüglich der Fernwahrnehmung, der Raumorientierung sowie dem detaillierten Objekt- und Formerkennen von keinem anderen Sinn übertroffen. Entwicklungsphysiologisch betrachtet ist das Auge trotz nachgeburtlicher Reifungs- und Differenzierungsprozesse anatomisch und funktionell von Geburt an arbeitsfähig (Peiper 1956, 45 ff). 2. Dem entspricht auf der entwicklungspsychologischen Ebene, daß Formwahrnehmung, Figur-Grund-Differenzierung, Wahrnehmungskonstanz und räumliche Wahrnehmung in elementaren Formen bereits im 1. Lebensjahr ausgebildet sind (vgl. Dodwell et al. 1987; Mussen et al. 1976, 155 ff). Rock (1985, 120 f) hält in Zusammenfassung der vorliegenden Wahrnehmungsuntersuchungen bei Primaten und menschlichen Säuglingen die Formwahrnehmung für weitgehend erfahrungsunabhängig und angeboren, so daß diesbezügliche Störungen nur bei schweren frühkindlichen bzw. erworbenen Hirnschäden oder extremer Umweltdeprivation zu erwarten sind (vgl. Hubel 1989, 197 ff). Fantz (u. v. 1961) und Mitarbeiter haben in zahlreichen Untersuchungen zeigen können, daß Säuglinge schon nach wenigen Wochen bei maximaler Kontrastbildung einfache Formkonturen unterscheiden können. Die Experimente von Bower (1965; 1966) sprechen dafür, daß auch die Wahrnehmungskonstanz in elementarer Weise schon im Säuglingsalter vorhanden ist. Für die sicher als sehr komplexe Fähigkeit einzuschätzende räumliche Tiefenwahrnehmung wiesen Gibson & Walk (1960) mit einer recht genialen Experimentanordnung nach, daß sechs Monate alte Kleinkinder (wie auch junge Landtiere) bereits Tiefe erfassen: Benutzt wurde eine sogenannte „visuelle Klippe“, d. i. eine starke Glasplatte, unter der quasi als optische Täu-

102. Die Schrift als kompensatorisches Mittel zum Verbalspracherwerb schung der Eindruck eines Tiefenabfalles erzeugt wird. Die auf ein Brett gesetzten Kleinkinder waren nicht zu bewegen, zu ihrer am Rand stehenden Mutter zu krabbeln, wenn sie dazu über die visuelle Klippe mußten.

3. Um die Relevanz einer biologisch angelegten elementaren Formwahrnehmung für die Aneignung des schriftlichen Zeichenssystems zu belegen, muß die in der Schriftspracherwerbsforschung weitverbreitete Auffassung in Frage gestellt werden, daß Vielfalt und Formstrukturen der Buchstaben des Alphabets ihre differenzierte Wahrnehmung in der Erwerbsphase besonders schwierig machen. Gestützt auf Ergebnisse von Untersuchungen zur Wahrnehmung und Produktion von schriftsprachlich-symbolischen und nonsymbolischen Zeichen (Günther 1994) kann man auch mit Hilfe einer logischen Analyse des alphabetischen Zeichensystems zeigen, daß die potentiellen Leistungen des Auges bei der differenzierten Wahrnehmung der Buchstaben eher unterfordert sind, daß also der Wahrnehmungsgegenstand als solcher besonders einfach ist. Figur-Grund-Differenzierung, Form- und Größenkonstanz sowie Raumerfassung existieren in der Schrift als Wahrnehmungsprobleme nicht (s. Günther 1983, 214 f). Das lateinische und andere alphabetische Schriftsysteme passen sich somit dem simultan-ganzheitlichen Verarbeitungsmodus der visuellen Wahrnehmung an: Als Entsprechungseinheiten von sukzessiv-analytisch organisierten phonologischen Einheiten müssen die Buchstabenreihen in Worten und Sätzen sehr einfach strukturiert sein, um vom visuellen Cortex adäquat wahrgenommen und verarbeitet werden zu können. Demgegenüber sind die Zeichen von logographischen Schriftsystemen, wie z. B. dem Chinesischen, die nicht die Elementareinheiten des lautsprachlichen Systems abbilden, komplex-ganzheitlich organisiert, also in ihrer Struktur von vornherein dem zentralen visuellen Wahrnehmungsmodus angepaßt.

4. Neben der Einfachheit der Buchstabenformen gibt es drei weitere modalitätsspezifische Merkmale, die die Wahrnehmung und gedächtnismäßige Speicherung der schriftlichen Zeichenformen im Vergleich zur gesprochenen Sprache erleichtern: Materialisierung, Dauerhaftigkeit und unbeschränkt wiederholbare Abrufbarkeit. In keiner anderen Sprachmodalität kann man gestützt auf die genannten Merkmale sprachlicher Zeichensysteme auch bei schwersten kognitiv-sprachlichen Entwicklungsstörungen soweit auf elementarste Wahrnehmungsanforderungen zurückgehen und den Kindern noch einen akti-

1213

ven Zugang zur Sprache in rudimentärer Form ermöglichen, wie in der Schrift. Am Beispiel der für den initialen Zugang zur Schrift so bedeutungsvollen Schreibung des eigenen Namens (vgl. Ferreiro & Teberosky 1982, 212 ff) lassen sich die elementaren Reduktionsmöglichkeiten anschaulich demonstrieren: Nachspuren der Buchstaben des Namens in weicher Oberfläche mit dem Finger oder mit einem Stift auf Papier, Identifizieren des Namens auf einer Wortkarte, das Gleichsetzen mit einer 2. Karte, Wiedergabe des Namens mit verschiedenen Materialien, Abschreiben nach Vorlage, schließlich Schreiben aus dem Gedächtnis.

Die schriftliche Modalität impliziert somit Objektivierungsmöglichkeiten der Sprache gerade für Kinder, bei denen aus unterschiedlicher Ätiologie die Entwicklung der Lautsprache schwer gestört oder gänzlich ausgeblieben ist, weil sie gegenüber der hoch abstrakten gesprochenen Sprache gegenständlich-anschaulich konstituiert ist und im Einklang mit der kindlichen Denk- und Tätigkeitsentwicklung überhaupt ein sich entfaltendes Bewußtsein für sprachliche Strukturen und Elemente erst ermöglicht (ausf. Günther 1983, 212 ff). Von daher lassen sich Bezüge zu Wygotskis (1985, 360/361) neuropsychologischer These ziehen, nach der im Falle von Störungen höherer Formen menschlicher Bewußtseinstätigkeit, wie bspw. der gesprochenen Sprache, Kompensationsfunktionen von auf den gestörten Abschnitt bezogen niederen und ontogenetisch früheren Zentren übernommen werden können, indem die gestörten Funktionen objektiviert, d. h. nach außen verlegt und in äußere Tätigkeit verwandelt werden (s. o. den von Becker et al. 1987 beschriebenen Fall). Unser heutiger entwicklungstheoretischer, neurophysiologischer, wahrnehmungspsychologischer und psycholinguistischer Erkenntnis- und Wissensstand ermöglicht es, die emanzipatorischen Möglichkeiten der schriftlichen Sprache für Kinder, die bislang aus der verbalen Denk- und Kommunikationswelt weitgehend ausgeschlossen waren, förderdiagnostisch und -therapeutisch zu nutzen.

5.

Pädagogisch-therapeutische Schlußfolgerungen

Wenn sich ⫺ wie bei den dyspraktischen gehörlosen Kindern offensichtlich ⫺ Sprachentwicklungskapazitäten in anderen als der behinderten lautsprachlichen Modalität zeigen, dann nutzt man die darin liegenden

1214 Kompensationsmöglichkeiten nur unzureichend, wenn man sie, wie weithin üblich, lediglich als Hilfsmittel für die orale Erziehung einsetzt. Dies wird bestätigt durch den Tatbestand, daß man an den Gehörlosenschulen immer wieder Schüler findet mit sehr schwachen Sprech- und Absehleistungen und gleichzeitiger weit überdurchschnittlicher selbständig erworbener Schriftsprachkompetenz, die aber aufgrund der oralen Probleme nur unzureichende pädagogische Akzeptanz und Würdigung erfahren (vgl. Fallbeispiele bei Günther 1990/91, 434 f). Obwohl der besonderen Förderung der schriftsprachlichen Entwicklung von der Gehörlosenpädagogik in der Regel keine Bedeutung zugemessen, Schrift lediglich als Hilfsmittel für die Hör- und Sprecherziehung ⫺ meist ohne textuelle Zusammenhänge und auf die Rezeption beschränkt ⫺ verstanden wird, weisen zum Beispiel Angaben von Prillwitz & Wudtke (1988, 90 f) für institutionell betreute gehörlose Kinder zum Einschulungsalter einen logographischen Lesewortschatz von 400 bis 700 Wörtern auf. Wenn wie in der holländischen Gehörlosenschule St. Michielsgestel wenigstens dem Wortlesen mehr Bedeutung zugemessen wird, dann können gehörlose Vorschulkinder einen visuellen Wortschatz von 1000 und mehr Wörtern erreichen (van Uden 1983, 58). Wenn gehörlose Kinder in einem solchen Umfang einen Lesewortschatz quasi als „Abfallprodukt“ der Hör- und Sprechübungen erwerben, dann liegen offensichtlich in diesem Bereich von der Gehörlosenpädagogik bislang kaum genutzte Chancen für den Aufbau der Verbalsprache. Was man bei den eingangs erwähnten Fällen wie beispielsweise verbal-auditorischer Agnosie noch mit dem Hauch des Exotischen und wissenschaftlich Unerklärbaren als letztlich nicht relevant für therapeutische Überlegungen zur verbalsprachlichen Entwicklung und Förderung von Kindern mit schweren lautsprachlichen Entwicklungsstörungen zurückweisen könnte, zeigt sich bei gehörlosen Kindern in einer nicht auf Einzelfälle beschränkten Allgemeinheit: Wenn aus primärpathologischen Gründen der Erwerb der gesprochenen Sprache extrem erschwert oder gänzlich unmöglich ist, kann dieses Handicap über die geschriebene Sprache kompensiert werden. Für gehörlose Kinder ist dies grundsätzlich schon seit 500 Jahren bekannt und ⫺ wie zuvor ausgeführt ⫺ immer wieder bestätigt worden. Wenn dennoch in der Gehörlosen- und Sprachbehindertenpädagogik diese

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Erkenntnis für die heiltherapeutische Praxis bis heute so selten und diskontinuierlich Anwendung findet, ist dies hauptsächlich darauf zurückzuführen, daß phylogenetisch, ontogenisch wie pragmatisch das Primat der gesprochenen Sprache so selbstverständlich und dominant ist, daß es schwer fällt, sich eine Alternative überhaupt vorstellen, geschweige denn sie praktisch im Entwicklungsprozeß umsetzen zu können. Demgegenüber ist van Udens (1984, 166) Feststellung nachdrücklich zuzustimmen: „Verschiedene Untersuchungen […] haben deutlich gemacht, daß für alle Arten von Gehörlosen, also für Kinder und Erwachsene, für prälingual und postlingual Gehörlose, mehrfachgestörte Gehörlose, lautsprachlich erzogene und in Gebärden erzogene Gehörlose die graphische Information die beste und meist zuverlässigste ist […] Die schriftliche Form kann derartig entwickelt werden, daß sie eine starke Unterstützung für das Langzeitgedächtnis für Sprache ist.“‘ So sicher auf der einen Seite die schriftliche Sprache aufgrund spezifischer Struktureigenschaften und Funktionen als eigentliche Basis der Verbalsprache bei Gehörlosen fungieren kann ⫺ und zwar unabhängig von Entwicklung und Niveau der gesprochenen Sprache ⫺, so unzureichend ist sie modalitätsbedingt für alltägliche kommunikative Zwecke. Da die gesprochene Sprache bei Gehörlosen diese kommunikativen Funktionen nur unter schweren psycho-physischen Belastungen und zudem unzureichend oder gar nicht ausfüllen kann, wird in den letzten Jahren verstärkt eine zweisprachige Sozialisation gehörloser Kinder in Gebärden- und LautSchriftsprache gefordert (vgl. Günther 1990/ 91; Poppendieker 1992; Hamburger Arbeitsgruppe 1992 sowie historische Belege bei Lane 1988). Neben der Gebärdensprache ist in Einklang mit den hier vorgestellten empirischen Daten und ihrer interpretativen Erklärung aus entwicklungs-, wahrnehmungs- und neuropsychologischer Sicht als verbalsprachliches Mindestziel eine Basiskompetenz in der schriftlichen Sprache intendiert.

6.

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit derung. Hörgeschädigtenpädagogik Beiheft 24. Heidelberg, 98⫺106. ⫺. 1989 a. Ergebnisse bei an Taubheit grenzend schwerhörigen Schülern und Schülerinnen. In: LV Baden-W. im BDT (Hg.) „Nur hörgeschädigt?“ Neue Wege zu einer individuell ganzheitlichen Förderung. Hörgeschädigtenpädagogik Beiheft 24. Heidelberg, 129⫺138. Solbrigs, Johann David. 1775. Bericht von der Unterweisung zweyer tauber und stummer Personen, denen er im Jahre 1727 den Verstand des ganzen Catechismi beigebracht. In: Lasius 147⫺174. Steinberg, Danny D. 1982. Overcoming linguistic limitations of hearing impaired children through teaching written language. Topics in language disorders 1, 17⫺28. Steinberg, Danny D. & Chen, Sing-ren. 1980. A three year old mute-hearing child learns to read: the illustration of fundamental principles. Working papers in Linguistics. University of Hawaii at Manoa 12,2. Stern, William. 1905. HELEN KELLER. Die Entwicklung und Erziehung einer Taubblinden als psychologisches, pädagogisches und sprachtheoretisches Problem. Berlin. Suzuki, Shigetada & Notoya, Masako. 1984. Teaching written language to deaf infants and preschoolers. Topics in early childhood education 3, 10⫺16. Uden, Antonius van. 1980. Das gehörlose Kind ⫺ Fragen seiner Entwicklung und Förderung. Hörgeschädigtenpädagogik Beiheft 5. Heidelberg. ⫺. 1983. Diagnostic testing of deaf children. The syndrome of dyspraxia. Lisse. ⫺. 1984. Zur Diagnose mehrfachbehinderter vorsprachlich tauber Kinder, bei denen eine rein lautsprachliche Erziehung in Frage gestellt ist. In: Bericht vom internationalen Kongreß für Bildung und Erziehung Hörgeschädigter, Hamburg 1980, Bd. 1. Heidelberg: Groos, 148⫺168 (englische Ausgabe ebd. 1982, 135⫺158). Werner, Hans. 1932. Geschichte des Taubstummenproblems bis ins 17. Jahrhundert. Jena. Wiserus, Johann Baltasar. 1666. Disquisitio tertia exoterica de eorumdem institione. In: Lavater, Johann (Hg.) Schola mutorum ac sudorum. Drei Dissertationen. Zürich. Wygotski, Lew Semjonowitsch. 1969. Denken und Sprechen. Frankfurt. ⫺. 1985. Die Psychologie und die Lehre von der Lokalisation psychischer Funktionen. In: Wygotski, Lew Semjonowitsch. Ausgewählte Schriften Band I: Arbeiten zu theoretischen und methodologischen Problemen der Psychologie. Berlin, 353⫺ 363.

Klaus-B. Günther, Hamburg (Deutschland)

1217

103. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Erstlesen

103. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Erstlesen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

1.

Lesenlernen ⫺ ein Langzeitlernprozeß Die Grundaufgaben beim elementaren Lesenlernen Leseunterricht ⫺ ein komplexes Handlungs- und Lernfeld Zur Methode des Lesenlernens Prinzipien der Unterrichtsgestaltung Literatur

Lesenlernen ⫺ ein Langzeitlernprozeß

Der Erwerb der Schriftsprache muß als Langzeitlernprozeß begriffen werden, der als latenter Prozeß lange vor Schuleintritt beginnt, in der Schule als sog. manifester Prozeß weitergeführt wird und weit über die Schulzeit hinaus noch vervollkommnet werden kann. Kein geringerer als Goethe hat ihn als einen quasi lebenslangen Prozeß angesehen, wenn er am 25. 1. 1830 zu Eckermann sagt: „Die guten Leutchen wissen nicht, was es einen für Zeit und Mühe kostet, um lesen zu lernen. Ich habe 80 Jahre dazu gebraucht und kann noch jetzt nicht sagen, daß ich am Ziel wäre.“ Der Beginn des latenten Lesenlernens in der vorschulischen Zeit hat zur Konsequenz, daß Kinder immer bereits mit irgendwelchen „Lesekenntnissen“ in die Schule kommen. Diese Lesekenntnisse weisen eine große Streuung auf: Sie reichen vom perfekten Lesenkönnen über rudimentäre Buchstabenkenntnisse bis hin zu minimalen Voraussetzungen zum Lesenlernen (Meiers & Herbert 1978). Die Frage, in welcher Weise Kinder sich in der vorschulischen Zeit mit Schrift befassen und in welchem Umfang sie als Leser zur Schule kommen, ist bereits öfter erörtert und untersucht worden (Notz 1968; Sauer 1970; Herff 1973; Schmalohr 1973; Erler 1972); in jüngster Zeit hat sich Elisabeth Neuhaus-Siemon erneut sehr intensiv damit befaßt (1989 a, 1991, 1993). Ihre auf einer breiten Population beruhenden Erhebungen aus den Jahren 1984⫺87 machen deutlich, aus welchen Ansätzen heraus Kinder das vorschulische Lesenlernen bewältigt haben. Die am häufigsten, aber mit unterschiedlicher Gewichtung, anzutreffenden Ausgangspunkte sind Eigeninitiative, Imitation und Instruktion (Neuhaus-Siemon 1991, 298). Für die Gestaltung des Leseunterrichts im ersten Schuljahr ergeben sich aus diesen Befunden eine Reihe von Konsequenzen:

(1) Die Weiterentwicklung der Didaktik des Schriftspracherwerbs muß die Vorlaufphase des Lesenlernens stärker als bisher berücksichtigen; das Ziel sollte sein, dem Kind in der vorschulischen Zeit die Fördermaßnahmen zukommen zu lassen (Breuer & Weuffen 1990; Schenk 1990), die zur Grundlegung der Voraussetzungen des manifesten Lesenlernens in der Schule beitragen (Meiers 1976 a, 128; Grabolle 1978, 64). (2) Die Heterogenität der Kinder bezüglich der Voraussetzungen zum Lesen sollte als systemimmanentes Strukturmerkmal der Lesedidaktik begriffen und hinsichtlich ihrer konstruktiven Möglichkeiten zum Lernen verstärkt untersucht werden. (3) Die individuellen Ansätze der Kinder zum Lesenlernen dürfen in der Schule nicht auf Instruktion verkürzt werden. (4) Der Lehrende muß aus pädagogischer Verantwortung den sachstrukturellen Entwicklungsstand der Kinder genau und umfassend erheben (Dehn 1989, 52), sei es durch freie Lernbeobachtungen oder unter Verwendung von Instrumenten (Brügelmann 1988; Meiers 1976 b). Wird Lesen in der dargestellten Weise als Langzeitlernprozeß begriffen, kann die isolationistische Betrachtungs- und Behandlungsweise der schulischen Erstlesedidaktik überwunden werden. Eine engere Kooperation mit den Institutionen Kindergarten und weiterführenden Schulen, legitimiert durch die Kategorien Kontinuität und Perspektivität, ist anzustreben.

2.

Die Grundaufgaben beim elementaren Lesenlernen

Unabhängig von der Frage, ob die Lesefertigkeit vor der Schulzeit ohne direkte Anleitung auf ähnlich natürliche Weise wie das Sprechen oder mit Eintritt in die Schule unter Anleitung und nach Methode erworben wird, hat der Lernende bestimmte Grundaufgaben zu bewältigen. Er muß 1. Kenntnisse erwerben, 2. Sprache objektivieren, 3. Einsichten gewinnen in die Struktur und Funktion der Schrift, 4. den Leseprozeß automatisieren, 5. Fehlervermeidungsstrategien aufbauen. Kinder verfügen in sehr unterschiedlicher Weise über Voraussetzungen, um diese Aufgaben selbständig zu bewältigen. „Reine“ Selbstler-

1218 ner (z. B. Sartre) sind daher selten. Den meisten Kindern müssen deshalb in der Schule Hilfen angeboten werden, um den elementaren Leselernprozeß zu beginnen und zu durchlaufen, zumal die Schule erwartet, daß dieser Prozeß a) im Zeitraum der ersten beiden Schuljahre, b) von allen Kindern, c) bis zu einem gewissen Niveau bewältigt wird. Von den o. g. fünf Grundaufgaben her ist die Mehrzahl der unterrichtlichen Maßnahmen zu begründen. 2.1. Kenntnisse erwerben Zu diesen Kenntnissen gehören u. a. das Wissen um die Bedeutungshaltigkeit der Schrift („aus Büchern kann man vorlesen“), daß es Buchstaben gibt und wie sie heißen; ferner Begriffe wie Wort, Laut; Richtungsbegriffe wie oben, unten, links, rechts, vorne, hinten; ein ungefährer Begriff von den Tätigkeiten lesen und schreiben. Eine Reihe von Begriffen sind hinsichtlich ihrer Bedeutung beim Lesenlernen zu erweitern. Das „Vorne“ ist räumlich etwas anderes als das „Vorne“ beim Wort; auch die bekannten Adjektive „groß“ und „klein“ erfahren im Zusammenhang mit den Buchstaben eine Bedeutungserweiterung, denn ein „Kleinbuchstabe“ kann genausogroß sein wie der „Großbuchstabe“ oder noch größer. 2.2. Sprache objektivieren Soll bzw. will das Kind lesen lernen, muß es zur Sprache auf Distanz gehen. Es darf nicht mehr nur reden und die Sprache als Medium seiner Gedanken und Gefühle gebrauchen, sondern muß sie zum Objekt seiner Betrachtung, seines Nachdenkens machen, indem es den semantischen Gehalt ⫺ das mit der Sprache Gemeinte ⫺ für einige Zeit außer acht läßt und sich der Sprache als Objekt zuwendet. Bernhard Bosch hat in einer einfachen, aber sehr aufschlußreichen Untersuchung auf dieses Phänomen nachdrücklich aufmerksam gemacht (Bosch 1961, 69 ff). Für den elementaren Leseunterricht in der Schule ist die Fähigkeit des Kindes, die Sprache als Objekt zu betrachten und nicht nur als Medium zu gebrauchen, die Grundvoraussetzung für den Einstieg in den Leselehrgang; wo sie nicht gegeben ist, ist vor allem anderen auf sie hinzuarbeiten. 2.3. Einsicht gewinnen Schrift ist zunächst ⫺ aber nicht nur ⫺ ein System von Zeichen, das nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten Sprachen visuell zu fixie-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

ren vermag (Coulmas 1981). Der Benutzer der Schrift gewinnt in dem Maße an Kompetenz, wie ihm die regelhaften Beziehungen zwischen Schrift und Sprache (samt der Abweichungen) einsichtig geworden sind. Dem Leseunterricht fällt die Aufgabe zu, den Kindern beim Gewinnen der unverzichtbaren Einsichten zu helfen. Diese Hilfen betreffen die Einsicht ⫺ in den Zweck der Schrift und ihre Bedeutung für die eigene Person (wichtig für die Motivation), ⫺ in die Funktion der Zeichen als bedeutungsverändernde (Hose⫺Hase), aber nicht bedeutungstragende Elemente, ⫺ in den Prozeß der Schrifterzeugung, eine Einsicht, die die Ganzheitsmethode in der Phase des naiv-ganzheitlichen Lesens den Kindern zu lange vorenthalten hat, ⫺ daß die Schrift gesprochene Sprache nur unzureichend und in groben Umrissen abbildet (Verlust der prosodischen Elemente; keine 1:1-Relation von Graphemen und Phonemen). Ein Leseunterricht, der darauf ausgerichtet ist, Kindern zu helfen, die Struktur und Funktion unserer Buchstabenschrift zunächst grundsätzlich und im weiteren Unterricht zunehmend differenzierter zu erfassen, entgeht der Gefahr, isolierte Fertigkeiten zu trainieren, die u. U. in den komplexen Leseprozeß nicht integriert werden (vgl. Spitta 1977; Röbe 1977). Einsicht gewinnen als Prinzip des elementaren Leseunterrichts ist dort ein unverzichtbarer Bestandteil, wo Unterricht sich als offener Unterricht versteht und selbstgeleitetes Lernen zum Ziel hat. Ein Schüler, der das Prinzip der Schriftgenese verstanden hat, kann in höherem Maße ein aktiver Lerner werden, weil er sein schriftsprachliches Handeln selbstbestimmt und sachgerecht steigern kann (Röbe 1977, 78). 2.4. Automatisierung des Leseprozesses Goodman hat in einem Beitrag drei Fähigkeitsstufen des Lesenlernens unterschieden (Goodman 1976, 139 ff); bei aller Kritik im einzelnen (vgl. Topsch 1979, 15 ff) wird hier gut nachvollziehbar, daß der individuelle Fortschritt des Lesenlernens darin besteht, die anfänglich kleinschrittigen und darum langsam sich vollziehenden Dekodierungsprozesse zu überwinden zugunsten des Wahrnehmens, des Verarbeitens größerer Einheiten und der Konstituierung einer Verlaufs-

1219

103. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Erstlesen

struktur des Lesens (Weigl 1974, 146). Äußerlich erkennbar wird die Automatisation an der Verringerung der sog. Sakkaden, d. h. an der Zahl der Augenbewegungen beim Lesen einer Zeile und der Fixationszeit, d. h. der Dauer des Wahrnehmens einer graphischen Einheit (Baer 1979, 102 ff; → Art. 80). Für den elementaren Leseunterricht ergeben sich daraus zwei wichtige Folgerungen, deren Nichtbeachtung den Lernprozeß der Kinder behindern bzw. zumindest verzögern würde. Einmal geht es darum, für das Üben aller Teilprozesse genügend Zeit einzuräumen; dies betrifft auch das Einüben der Buchstaben-Laut-Verbindungen. Zum andern muß es den Kindern möglich sein, den komplexen Leseprozeß immer wieder von der ersten visuellen Wahrnehmung bis zur Sinnfindung und der Überprüfung des gefundenen Sinnes zu durchlaufen, damit die den Leseakt steuernden funktionellen Hirnsysteme aufgebaut werden können. Damit ist zugleich als weitere Konsequenz inbegriffen, daß jedes vorzeitige Speichern von Wörtern im Sinne des naiv-ganzheitlichen Lesens die Automatisation des Lesens behindert und zur Oberflächenlegasthenie führen kann (Mann 1989, 27 ff). Praktisch bedeutet das, daß in dem Augenblick die Leseübung an einem Text keinen Lernzuwachs im Lesen mehr bringt, wo der Text auswendig hergesagt werden kann. 2.5. Fehlervermeidungsstrategien aufbauen Die Komplexität des Leseprozesses und die Kompliziertheit der Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (Bierwisch 1976) führen zu einer Fülle von Schwierigkeiten beim Lesenlernen, die sich in Fehlern niederschlagen. Fehler sollten darum zunächst nicht als persönliches Versagen betrachtet werden; sie sind primär Ausdruck eines Such- und Problemlöseverhaltens und stellen für den Lehrer die Möglichkeit dar, dem Kind Lernhilfen zu geben, mit deren Hilfe die Fähigkeit zur Selbstkorrektur gesteigert wird (Dehn 1984, 108). Langfristig besteht das unterrichtliche Ziel darin, daß Kinder ihr Lesen selbst auf seine Richtigkeit hin kontrollieren. Darum ist den Kindern nicht nur das Lesen beizubringen, sondern es sind ihnen Verfahrensweisen zu zeigen und mit ihnen einzuüben, die den Lehrer als Kontrollinstanz überflüssig macht. Die Fehlervermeidungsstrategien sind auf drei Ebenen angesiedelt: Auf der GraphemPhonem-Ebene geht es darum, sich des richtigen „Lauts“ zu vergewissern; Voraussetzung ist memoriertes Wissen. Auf der Wortebene

geht es um das Erfassen der Wortbedeutung; Voraussetzung ist das Kennen seines semantischen Gehaltes. Auf der Satzebene geht es um das Verstehen des Sinnes der gesamten Aussage; Voraussetzung dazu ist Mitdenken. Die wohl schwierigste Aufgabe beim Aufbau von Fehlervermeidungsstrategien ist die Bereitschaft des Kindes, eine positive Einstellung zum Fehler zu gewinnen. Dies setzt beim Lehrer voraus, daß er Fehler des Kindes nicht tadelt, sondern daß er dem Kind Mut macht, ihm Zeit läßt und dessen „Zutrauen in die eigene Handlungsfähigkeit in schwierigen und unsicheren Situationen sowie die Fähigkeit, die vorhandenen Möglichkeiten konstruktiv zum Zweck des Problemlösens einzusetzen“ (May 1987, 102), stärkt. Darüber hinaus muß dem Kind aber auch ein Verfahren gezeigt werden, wie es Fehler selbständig erkennen und vermeiden kann. Christine Mann (1989, 62 ff) empfiehlt die Pilotsprache als Hilfe zur Syntheseanbahnung (und als Grundlage des Rechtschreibens). Sie versteht darunter einen „Zwischenschritt bei der Übersetzung von der Schriftsprache in die gesprochene Sprache“ und umgekehrt. Das Ziel ist, die in der Sprecheinheit enthaltenen Phoneme durch Sprachanalyse zu erkennen. Bei unterrichtlichen Hilfen geht es darum, „heuristische Kompetenz“ (Dörner) des Kindes herauszufordern durch globale Hinweise, das Präsentieren von Teilschritten, das Strukturieren, das Zeigen von Lösungen statt nur kleinschrittig mit gezielten Fragen und diskriminierenden Äußerungen auf die Lösung hinzuarbeiten.

3.

Leseunterricht ⫺ ein komplexes Handlungs- und Lernfeld

Die Gestaltung des Leseunterrichts ist für den Lehrer eine mehrdimensionale Aufgabe, bei der von verschiedenen Bereichen her Überlegungen zu einem in sich stimmigen Handlungsgefüge zu integrieren sind. Diese Mehrdimensionalität kann vom Lehrer nicht reduziert werden, wie dies bei einem Forscher durchaus möglich ist. Was macht die Komplexität des ersten Leseunterrichts aus? 3.1. Das Kind Das Kind gibt es nicht, deshalb steht dem Lehrer kein Standardmuster kindlichen Verhaltens zur Verfügung, das ihm Richtschnur

1220 und Maßstab seines pädagogischen und didaktischen Handelns sein könnte. Unter drei Aspekten greift er Informationen auf und verarbeitet sie: (1) Zum einen sind von der Anthropologie her Fragen zum Antrieb menschlichen Lernens generell aufzunehmen, wie sie in Werken zur Pädagogischen Anthropologie (Roth 1971) und Pädagogischen Psychologie (z. B. Gage & Berliner 1977) summarisch festgehalten sind. Neugier, kognitiver Konflikt, Erfolg, Motivation, existentieller Bezug sind u. a. Begriffe, die hier einschlägig sind und sich mit ihrem theoretischen Potential in vielen unterrichtspraktischen Maßnahmen wiederfinden lassen bzw. diese legitimieren. (2) Zum zweiten sind von der entwicklungspsychologischen Seite Erkenntnisse aufzunehmen, wie sie sich in zahlreichen Stufentheorien niedergeschlagen haben (Piaget 1975; zusammenfassend bei Oerter & Montada 1987). (3) Zum dritten geht es um die Erfassung der Merkmale des einzelnen Kindes, seiner Wesensart, seiner soziokulturellen Herkunft, seiner Voraussetzungen im personalen (z. B. Anstrengungsbereitschaft, Ängstlichkeit, Konzentrationsfähigkeit), arbeitsmethodischen (z. B. Umgang mit Arbeitsmitteln, Selbstkontrolle) und sozialen Bereich, z. B. Geltungsstreben, Hilfsbereitschaft (Drunkemühle, Geppert & Gläßer 1985). Einen zentralen Punkt stellen hier die individuellen sachstrukturellen Voraussetzungen zum Lesenlernen dar, z. B. Fähigkeit zur Objektivierung der Sprache, Symbolverständnis, Diskriminationsfähigkeit, Lexik (Grabolle 1978). 3.2. Die „Sache“ Inhalt des Leseunterrichts sind die Sprache und Schrift und die sich daraus ergebenden psycholinguistischen Prozesse. Lesen und Schreiben sind nicht voneinander zu trennen. Zur Durchführung des Unterrichts sind Kenntnisse linguistischer Art (Grundbegriffe wie z. B. Graphem, Phonem, Morphem), das Verständnis der beim Lesen ablaufenden Prozesse (Lesemodelle) und der zum Lesenlernen notwendigen Schritte für den Lehrer unabdingbar. 3.3. Methode Die Methode wurde lange Zeit als entscheidendes Instrument angesehen, durch das der Erfolg des Lesenlernens garantiert werden könne. Der Streit um die richtige Methode beherrschte bis zu Beginn der 70er Jahre das

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Feld und bewegte sich wesentlich um die Frage der Effizienz ganzheitlichen und synthetischen Lernens (Heuß 1971). Diesen Auseinandersetzungen lag ein sehr eingeengter Methodenbegriff zugrunde. Obwohl heute die Einsicht in das individuelle, selbstgeleitete aktive Lernen als Komplement zu verplanten Leselernprozessen (Spitta 1977; Bergk & Meiers 1985) allgemein verbreitet ist und praktiziert wird, ist Methode weiterhin ⫺ in einem erweiterten Verständnis ⫺ gefragt (s. u. Zf. 5). 3.4. Medien Lesen und Lesenlernen vollzieht sich immer an Medien; was die Medienforschung und speziell die Lesebuchforschung seit Helmers und Bettelheim (dt. 1982) einschließlich Fibeluntersuchungen (Menzel 1975; Meiers & Herbert 1978; Doderer 1972) an Erkenntnissen zutage gebracht hat, ferner was an praktischen Versuchen zur Erstellung von Arbeitsblättern, zur Herstellung von Eigenfibeln und zur Funktion der Lese-Ecke (Klassenbibliothek) und neuerdings des Computers ermittelt worden ist, eröffnet dem Lehrer ein breites Spektrum an Hilfen zur Planung und Durchführung des Unterrichts, um die gegebene mediale Vielfalt lernwirksam nutzen zu können. Es entbindet ihn nicht von der Aufgabe, das Materialangebot sorgfältig zu prüfen; Hilfen stehen ihm dafür zur Verfügung (Conrady 1987; Meiers 1986). 3.5. Ziele Vordergründiges Ziel des Leseunterrichts ist die Lesefähigkeit. Immanent werden zugleich Fähigkeiten zum Schriftgebrauch und zur Literaturkenntnis vermittelt. Das umfassende Ziel von jedem Leseunterricht besteht darin, das Lesen beim Menschen habituell werden zu lassen, d. h. ihn zum Leser zu machen. Es genügt deshalb nicht, nur über Maßnahmen zur Steigerung der Lesekompetenz nachzudenken. Lesenlernen ist als Erziehungsaufgabe zu verstehen, bei der die Gewinnung einer positiven Einstellung zum Lesen das primäre Ziel des Leseunterrichts darstellt, dem die anderen in Lehrplänen genannten Zielkomplexe (Lesen von Texten zum Zweck der Erweiterung der Interessen, des Verstehens von Lebenssituationen, zur Entwicklung von Wertungsstandpunkten; Lesen als Fähigkeit zur selbständigen Erschließung von Texten) nachzuordnen sind. Wenn es gelingt, „Freude am Lesen“ (Meiers 1986) zu konsolidieren, ist die Basis zum Aufbau einer dauerhaften Le-

1221

103. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Erstlesen

sehaltung, wie sie von Bünning (1981); RitzFröhlich (1975); Baurmann (1980); Bamberger (1967) u. a. angestrebt wird, gelegt. Voraussetzung dazu ist, daß die Praxis immer wieder kritisch fragt, ob die jeweilige LehrLern-Handlung geeignet ist, zum Aufbau einer konstanten Lesemotivation beizutragen. 3.6. Unterricht Unterricht als Handlungsfeld integriert einerseits die in den Abschnitten 1⫺5 skizzierten Bereiche, stellt aber andererseits selbst ein Gefüge mit einer eigenen Struktur dar. Sie erweist sich auf vierfache Art. Das unterrichtsimmanente Struktur-Merkmal Intention realisiert sich als Didaktik und Mathetik. Es findet einmal ein vom Lehrer ausgehendes, von ihm angestoßenes und gelenktes Lehren statt (Didaktik). Hier wird das Lernen als eine Funktion des Lehrens betrachtet, ohne daß garantiert werden kann, daß gemäß dem Lehren gelernt wird (Loser & Terhart 1977). Es findet zum anderen ein Lernen der Kinder statt, bei dem das Lehren zu einer Funktion des Lernens wird, das sich in dem Maße reduziert und verändert, wie sich selbstgeleitetes Lernen der Kinder konsolidiert (Mathetik). Stellvertretend für die Auffassung vieler Pädagogen sei hier auf Maria Montessori verwiesen, die die Gestaltung der Lernumwelt durch den Pädagogen und die Anregung für wichtig hält, den direkten Eingriff auf das Lernen des Kindes aber eingrenzen möchte (Hasler 1991, 173 f). Ein zweites Strukturmerkmal ist die Planung der Lehr-Lern-Handlungen unter den Bedingungen der Zeit: Wieviel Zeit steht dem Kind für bestimmte Lernaufgaben zur Verfügung? Das dritte Strukturmerkmal ist die Organisation des Raumes mit dem Ziel, die hier notwendigen Leselernprozesse anzuregen, zu unterstützen, in ihren Ergebnissen zu dokumentieren usf. Das vierte Strukturmerkmal ist die Organisation der Gruppen, d. h. der Beziehung der Lehrenden und Lernenden zueinander. In diesen unterrichtlichen Strukturgefügen sind alle leselernrelevanten Ansätze und Aufgaben plaziert: Gelenktes Lernen, selbständiges Lernen, Lernen als soziale Erfahrung, Aktivierung der Lernenden, Lesenlernen als Problemlösen, Individualisierung und Differenzierung usf. Lesedidaktik im engeren Sinne auf der einen Seite und Unterrichtstheorie und Schulpädagogik auf der anderen Seite sind wechselseitig aufeinander verwiesen (Grabolle 1987, 119 ff).

4.

Zur Methode des Lesenlernens

Der derzeitige Diskussionsstand zur Frage der Lesemethode läßt sich kurz so zusammenfassen (vgl. Meiers 1987). (1) Der langjährige Kampf um die Methode (Ganzheit contra Synthese) war in dem Augenblick beendet, als neuere Erkenntnisse der Linguistik und Psycholinguistik in die Diskussion aufgenommen worden sind. Pregel kommt das Verdienst zu, durch seine theoretischen und praxisorientierten Arbeiten (Entwicklung des Leselernwerkes „Lesen heute“ 1970) den entscheidenden Impuls zur Methodenintegration gegeben zu haben. Vestner hat wohl als erster Methodenintegration in seinem Lehrgang „Sprechen, Schreiben, Lesen“ (1974) am fundiertesten realisiert, Wolfgang Menzel hat die in der wissenschaftlichen Literatur aufgelaufene Diskussion erstmals zusammengefaßt (Menzel 1975). Nicht vergessen werden sollten aber zwei bedeutende Vordenker der Methodenintegration. Bernhard Bosch (1961) gelingt in seinem grundlegenden Werk im Rückgriff auf die griechische Philosophie auf rein logischem Weg die Überwindung der Spannung zwischen den beiden Begriffen Analyse und Synthese, weil er sie als „nicht einander ausschließende, sondern aufeinander angewiesene, im Erkenntnisakt einander notwendig bedingende Denkbewegungen“ versteht (1961,23). Ferner macht er mit Nachdruck darauf aufmerksam, daß das im Sinne der Wissenschaft Einfache und Elementare nicht zwangsläufig das psychisch Naheliegende sei. In die gleiche Richtung argumentiert Walter Müller (1960); es könne keine Theorie des ganzheitlichen oder synthetischen Lesenlehrens geben, sondern nur eine des Lesenlernens überhaupt. (2) Es zeigte sich aber sehr bald, daß auch der neu gewonnene Begriff der Methodenintegration nicht ausreichend war. Er wurde immer noch zu eng verstanden und lenkte den Blick vornehmlich auf das regelgeleitete, planmäßige, systematische Aussteuern der Lernprozesse der Kinder; das aktive Lernen bezog er nur bedingt mit ein. Die Kritik (Spitta 1977; Meiers 1978, 1986) ist seither nicht verstummt und wird ständig konstruktiv weiterentwickelt, wie die „Überlegungen zur schulpädagogischen Dimension des Leseunterrichts“ von Almut Grabolle (1987, 119 ff) beispielhaft zeigen. Das Ziel ist, den Leseunterricht nicht als kleinschrittig lenken-

1222

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

des Geschehen zu sehen, sondern als Planungsaufgabe, in der die Gedanken der Anregung, des Angebots, der Offenheit, der Selbststeuerung, der Individualisierung und Differenzierung den schulpädagogischen Rahmen bestimmen. Wird Methodenintegration in diesem schulpädagogisch begründeten Rahmen mit dem Ziel, die gegenstandstheoretischen Bedingungen so einzubringen, daß keine Lerndefizite aufgrund von Lehrdefiziten auftreten, verstanden, ist es Kindern möglich, ihr Lernen selbst zu aktivieren, individuelle Zugänge zur Schrift zu suchen, Probleme eigenständig zu lösen, das Anspruchsniveau selbst zu bestimmen, kurz: das zu realisieren, was Berthold Otto bereits um die Jahrhundertwende mit dem Begriff „innerer Lehrplan des Kindes“ umschrieben hat. Der Methodenbegriff sollte als Funktionsbegriff gesehen werden, in dem sich die Komplexität der Unterrichtssituation bündelt, der mit jedem Strukturmerkmal von Unterricht interdependent ist. Die praktischen Konsequenzen für das Verfahren der Methodenintegration lassen sich aus den bisherigen Überlegungen so zusammenfassen: Im Konzept der Methodenintegration werden Analyse und Synthese gleichzeitig praktiziert mit dem Ziel, dem Kind Einsichten in Struktur und Funktion der schriftsprachlichen Elemente zu geben und dadurch sein selbstgeleitetes Lernen unter Berücksichtigung der sachstrukturellen Bedingungen zu fördern. Unter Methodenintegration wird eine Verfahrensweise verstanden, bei der die sinnerfüllte Ganzheit als eine die kognitiven Prozesse des Lesens ordnende und strukturierende Vorgabe stets präsent ist, und bei der die Kenntnis der Elemente in Verbindung mit der Einsicht in deren strukturbedingte Funktion von Anbeginn an zum Zweck umfassender schriftsprachlicher Kompetenz gesehen wird. Lesen und Schreiben werden von Anfang an miteinander verbunden. Unterrichtspraktisch heißt das, daß Artikulieren, Segmentieren, Schreiben und Lesen (Dekodieren) als Glieder einer funktionalen Einheit zu sehen sind.

5.

Prinzipien der Unterrichtsgestaltung

Die Kritik von Monika Herlemann (1971), der Lehrer fungiere als Transmissionsriemen der Fibel, muß auch heute im Bewußtsein ge-

halten werden trotz der zahlreichen Bemühungen um einen offenen, flexiblen, kindorientierten Lese-Erstunterricht (z. B. Lichtenstein-Rother & Röbe 1982; Bergk & Meiers 1984; Spitta 1985; Dräger 1988). Es ist offensichtlich noch eins der ungelösten Probleme der derzeitigen Unterrichtspraxis, daß Ansätze zur Öffnung des Unterrichts noch auf zu große Skepsis stoßen. Darum ist allen Didaktikern zuzustimmen, die analog zu Almut Grabolle (1987, 127 f) der Meinung sind, daß Lehrer die für die Gestaltung des Leseunterrichts relevanten Ziele jederzeit „im Hinterkopf“ aktualisieren können sollten, um Lernsituationen richtig einschätzen und „funktionale Situationen fruchtbar“ machen zu können. Die Ziele allein reichen jedoch nicht aus; es müßte die Gesamtheit der theoretischen Kenntnisse dem Lehrer stets verfügbar sein, sei es als Bewußtsein der unterrichtstheoretischen Ansätze (Grabolle a. a. O.), der „didaktischen Landkarte zum Lesen- und Schreibenlernen“ mit den implizierten Forschungsergebnissen (Brügelmann 1984, 64 ff), der zentralen Lehrertätigkeiten, wie sie Dehn (1988) beschreibt, oder als „Alternativen zu verplanten Leselernprozessen“ (Spitta 1977, 102 ff). Eine solche „hinterkopfgeleitete Unterrichtsgestaltung“ ist von nur wenigen verdichteten Prinzipien her leistbar. 5.1. Kontinuität Die in der Zeit vor der Schule begonnenen latenten Lernprozesse sind aufzugreifen und fortzusetzen. Die Kenntnis des individuellen sachstrukturellen Entwicklungsstandes bildet die Voraussetzung für einen den individuellen Lernprozeß unter dem Anspruch der Kontinuität fortsetzenden Unterricht, in dem die Kinder zeigen, was sie können und fragen, was sie wissen wollen; kognitionspsychologisch gesehen erhält der Lehrer so die Möglichkeit, die Kinder in die Zone der nächsten Entwicklung zu führen. Unterrichtspraktisch bedeutet dies für den Lehrer, daß er den aktuellen Stand des Wissens des Kindes um Buchstaben, Wörter, einschlägige Begriffe (Wort, Satz, Satzzeichen, Laut […]), sein Verständnis für Schrift, seine im Umgang mit Schrift erkennbaren kognitiven Prozesse möglichst genau und umfassend wahrnimmt. 5.2. Individualisierung Damit eng verbunden ist das Prinzip der Individualisierung und Differenzierung, das jetzt seit Jahrzehnten in allen einschlägigen

1223

103. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Erstlesen

Fachbüchern und in Hunderten von Aufsätzen bis zur Gegenwart hin behandelt wird. Auf drei Punkte soll deshalb nur hingewiesen werden: ⫺ Die Schule muß sich frei machen von dem verdeckten Dogma, Homogenität der Klasse sei erreichbar; die Heterogenität muß als der Normalfall betrachtet werden. Die in der Heterogenität liegenden didaktischen Möglichkeiten sind noch nicht systematisch aufgearbeitet. ⫺ Die Vorstellung ist aufzugeben, daß alle Kinder zur gleichen Zeit im gleichen Buch lesen, die gleiche Übung machen, den gleichen Buchstaben lernen. Es geht darum, die Neugier der Kinder, ihre Motivation zum Lesenlernen aufzugreifen und ihnen in anregungsreichen Situationen die Möglichkeit zum individuellen Lernen zu geben. ⫺ Das von vielen Praktikern vorgebrachte Problem der Kontrolle und des Überblicks ist ernst zu nehmen; es drückt die Bereitschaft zur Verantwortung aus. Das Problem ist lösbar durch eine Erziehung zur Selbstkontrolle und durch Anlegen einer individuellen Arbeits- bzw. Lernfortschrittskartei. Individualisierender und differenzierender Unterricht ist arbeitsintensiver als Frontalunterricht. 5.3. Aktives Lernen Der Lese-Erstunterricht sollte das anthropologische Grundphänomen des selbstgesteuerten, aktiven Lernens noch stärker als bisher einbeziehen durch eine didaktisch vorbereitete Umgebung (Lesematerialien, Leseecke, Leselernspiele […]), einen Handlungs- und Entscheidungsfreiraum für bestimmte Tätigkeiten im Umgang mit Schrift und bestimmte Problemlösestrategien (Balhorn & Brügelmann 1987, dort mehrere Beiträge), die Beherrschung elementarer Arbeitstechniken und vor allem Einsicht (Metakognition; vgl. H. Wenzel 1987, 63) in die zu bewältigende Aufgabe. 5.4. Gemeinsamkeit Auch die soziale Komponente ist in die Gestaltung des Leseunterrichts aufzunehmen. Kinder lernen gemeinsam, Kinder lernen voneinander, Kinder regen sich gegenseitig zum Lernen an. Zahlreiche Beispiele aus der Literatur (Bert & Guhlke 1977; Spitta 1977; Herbert & Meiers 1980) belegen die Fülle der Möglichkeiten und die Intensität des Arbeitens, wenn es sich nicht in der Isolation vollzieht.

5.5. Üben Für den Fortschritt im Leselernprozeß ist das Üben unerläßlich, denn es geht neben dem notwendigen Wissen um sprachliche Phänomene und Metakognition ⫺ dem Wissen um das, was man tut ⫺ auch um Können; Wissen prägt man sich ein, Können muß man üben. Von daher darf Üben a) nicht zum Übel verkommen, d. h. negativ besetzt werden, b) es muß konstanter Teil des Leseunterrichts sein, das aus Einsicht in dessen Sinn (vgl. Bollnow 1978) konzentriert durchgeführt wird.

6.

Literatur

Baer, Jörg R. 1979. Der Leselernprozeß bei Kindern, Weinheim. Balhorn, Heiko & Brügelmann, Hans (ed.). 1987. Welten der Schrift in der Erfahrung der Kinder. Konstanz. ⫺. 1989. Jeder spricht anders. Normen und Vielfalt in Sprache und Schrift. Konstanz. Bamberger, Richard. 1967. Zum Lesen verlocken. Wien. Baurmann, Jürgen. 1980. Textrezeption und Schule. Stuttgart. Bergk, Marion & Meiers, Kurt (ed.). 1985. Schulanfang ohne Fibeltrott. Überlegungen und Praxisvorschläge zum Lesenlernen mit eigenen Texten. Bad Heilbrunn. Bert, Eva-Maria & Guhlke, Jochen. 1977. Nun differenziert mal schön. Frankfurt. Bettelheim, Bruno. 1982. Kinder brauchen Bücher. Lesen lernen durch Faszination. Stuttgart. Bierwisch, Manfred. 1972. Schriftstruktur und Phonologie. In: Hofer, 50⫺81. Bollnow, Otto F. 1978. Vom Geist des Übens. Freiburg. Bosch, Bernhard. 1961. Grundlagen des Erstleseunterrichts, eine didaktische Untersuchung. Ratingen. Breuer, Helmut & Weuffen, Maria. 1907. Gut vorbereitet auf das Lesen- und Schreibenlernen? Berlin. Brügelmann, Hans u. a. 1984. Die Schrift entdekken. Konstanz. ⫺. 1988. Lese- und Schreibaufgaben für Schulanfänger. Bericht Nr. 33 e. ⫺. 1987. Umgangsformen mit Schriftsprach-Beobachtungsaufgaben zum Schulanfang. In: Eberle, 133⫺153. Bünning, Gertrud. 1981. Lesemotivation ⫺ aber wie? Zur Praxis der Buch- und Lesebucherziehung. Düsseldorf. Conrady, Peter & Rademacher, Gerhard (ed.). 1987. Fibeln im Gespräch. Essen.

1224 Coulmas, Florian. 1981. Über Schrift. Frankfurt. Dehn, Mechthild. 1988. Zum Umgang mit Lesefehlern im Förderunterricht. Die Grundschulzeitschrift 12, 26⫺29. ⫺. 1984. Lernschwierigkeiten beim Schriftspracherwerb. Kriterien zur Analyse des Leselernprozesses und zur Differenzierung von Lernschwierigkeiten. Zeitschr. für Pädagogik 1, 93⫺114. ⫺. 1989. Die Lernbeobachtung in Klasse 1 als Voraussetzung für frühe Lernhilfen. In: Balhorn & Brügelmann, 52⫺57. Doderer, Klaus. 1972. Bilderbuch und Fibel. Weinheim. Dräger, Monika (ed.). 1988. Am Anfang steht der eigene Text. Lesenlernen ohne Fibel. Heinsberg. Drunkemühle, Ludger, Geppert, Klaus & Gläßer, Ulrike. 1985. Förderunterricht in der Grundschule. Frankfurt. Eberle, Gerhard & Reiß, Günter (ed.). 1987. Probleme beim Schriftspracherwerb. Heidelberg. Erler, Luis. 1972. Untersuchungen zum Frühlesen in den USA und der BRD. Zeitschr. f. Entwicklungspsychologie 1, 51⫺67. Gage, Nathaniel & Berliner, David. 1977. Pädagogische Psychologie. München. Goodman, Kenneth. 1976. Die psycho-linguistische Natur des Leseprozesses. In: Hofer. Grabolle, Almut. 1987. Überlegungen zur schulpädagogischen Dimension des Leseunterrichts. In: Eberle & Reiß, 139⫺151. ⫺. 1978. Voraussetzungen erfolgreichen Lesenlernens. In: Grabolle, Almut & Walter, Günter (ed.), Beiträge zu einer schülerorientierten Grundschule. Stuttgart, 64⫺86. Gümbel, Ruth. 1993. Erstleseunterricht. Königstein. Hasler, Herbert. 1991. Lehren und Lernen der geschriebenen Sprache. Darmstadt. Helmers, Hermann (ed.). 1969. Die Diskussion um das deutsche Lesebuch. Darmstadt. Herbert, Michael & Meiers, Kurt. 1991. Leben und Lernen im ersten Schuljahr. Stuttgart. Herff, Eduard. 1973. Verbreitung und Erfolg des vorschulischen Lesenlernens. Köln. Herlemann, Monika. 1971. Ist die Fibel wirklich tot? In: Lehrerkolleg Didaktik der Grundschule: Sprachbildung und Sprachförderung. München. Heuß, Gertraud. 1971 a. Vorschule des Lesens. München. ⫺. 1971 b. Die wichtigsten Leselehrverfahren in der Gegenwart. Pädagogische Welt 11, 655⫺662. Hofer, Adolf (ed.). 1976. Lesen lernen. Theorie und Unterricht. Düsseldorf. Lichtenstein-Rother, Ilse & Röbe, Edeltraud. 1982. Grundschule. Der pädagogische Raum für Grundlegung der Bildung. München.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit Loser, Fritz & Terhart, Ewald (ed.). 1977. Theorien des Lehrens. Stuttgart. Mann, Christine. 1989. Legasthenie verhindern. Bochum. May, Peter. 1987. Lesenlernen als Problemlösen. Gesichtspunkte für Diagnose und Förderung. In: Balhorn & Brügelmann, 92⫺103. Meiers, Kurt. 1976 a. Schwierigkeiten beim Lesenlernen. Anregungen zur Diagnose und Prophylaxe. Die Grundschule 3, 128⫺133. ⫺. 1976 b. Informeller Test zur Erfassung von Voraussetzungen zum Lesenlernen. Reutlingen. ⫺. 1978. Schulpädagogik ⫺ die vergessene Dimension im Erstleseunterricht. Schriftenreihe des Päd. Inst. d. Landeshauptstadt Düsseldorf Nr. 39. Düsseldorf. ⫺. 1986 a. Fibeln und erster Leseunterricht. Frankfurt. ⫺. 1986 b. Freude am Lesen. Grundschule 10, 10⫺15. ⫺. 1991. Kontinuität. Anmerkungen zu einem gängigen, aber ungeklärten Begriff. Grundschule 4, 30⫺33. ⫺. 1987. Methodenintegration. Erziehungswissenschaft ⫺ Erziehungspraxis 3, 33⫺40. Meiers, Kurt & Herbert, Michael. 1978. Bedingungen des Lesenlernens. Eine empirische Untersuchung. Kronberg. Menzel, Wolfgang. 1975. Fibeln und Lesebücher für die Primärstufe. Paderborn. Müller, Walter. 1960. Das Problem der Synthese im Erstleseunterricht. Westermanns Pädagogische Beiträge, 93⫺102, 129⫺142. Neuhaus-Siemon, Elisabeth. 1989 a. Kinder kommen als Leser in die Schule ⫺ Entwicklungsprozesse im Schriftspracherwerb. In: Günther, KlausB. (ed.), Ontogenese, Entwicklungsprozeß und Störungen beim Schriftspracherwerb. Heidelberg. ⫺. 1989 b. Wenn Kinder bei Schulbeginn lesen können. Grundschule 5, 32⫺34. ⫺. 1991. Frühleser. Ergebnisse einer Fragebogenerhebung in den Regierungsbezirken Unterfranken und Köln. Zeitschr. für Pädagogik 2, 285⫺308. ⫺. 1988. Frühleser im Anfangsunterricht. Erfahrungen aus einem Langzeitprojekt. Grundschule 10, 56⫺57. ⫺. 1993. Frühleser in der Grundschule. Leseleistung, Lesegewohnheiten und Schulerfolg. Bad Heilbrunn. Notz, Irmgard. 1968. Anfangsleser. Untersuchungen in einem Berliner Bezirk. Schule und Psychologie, 174⫺180. Oerter, Rolf & Montada, Leo. 1987. Entwicklungspsychologie. Ein Lehrbuch. München, Weinheim. Piaget, Jean. 1975. Der Aufbau der Wirklichkeit beim Kinde. Stuttgart. Pregel, Dietrich. 1971. Lesen heute. Hannover.

104. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Weiterführendes Lesen Ritz-Fröhlich, Gertrud. 1975. Weiterführender Leseunterricht in der Grundschule. Bad Heilbrunn. Röbe, Edeltraud. 1977. Didaktik des Lesenlernens. Auswertung und kritische Erörterung der Unterrichtsdokumentation eines Leselehrgangs. Frankfurt. Roth, Heinrich. 1971. Pädagogische Anthropologie, 2 Bde. Hannover. Sauer, Karl. 1970. Leser kommen zur Schule. Zeitschr. für Pädagogik, 51⫺64. Schenk, Christa. 1990. Lesenlernen vorbereiten. Förderung des auditiven Differenzierungsvermögens im sprachlichen Bereich. Baltmannsweiler. Schmalohr, Emil. 1973. Frühes Lesenlernen. Heidelberg. Spitta, Gudrun. 1985. Kinder schreiben eigene Texte. Klasse 1 und 2. Bielefeld.

1225

⫺. (ed.). 1977. Legasthenie gibt es nicht […] Was nun? Kronberg. Topsch, Wilhelm. 1979. Lesenlernen/Erstleseunterricht. Bochum. Vestner, Hans. 1974. CVK-Leselehrgang. Berlin. Weigl, Egon. 1974. Zur Schriftsprache und ihrem Erwerb ⫺ neuropsychologische und psycholinguistische Betrachtungen. In: Eichler, Wolfgang & Hofer, Adolf (ed.), Spracherwerb und linguistische Theorien. München. Wenzel, Hartmut. 1987. Unterricht und Schüleraktivität. Probleme und Möglichkeiten der Entwicklung von Selbststeuerungsfähigkeiten im Unterricht. Weinheim.

Kurt Meiers, Reutlingen (Deutschland)

104. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Weiterführendes Lesen 1. 2. 3. 4.

Weiterführendes Lesen und Verstehen Lesen können ⫺ Lesen üben Übungen Literatur

1.

Weiterführendes Lesen und Verstehen

Lesen macht erst einmal frei vom Handeln. Lesen unterscheidet sich offensichtlich vom sichtbaren Tun. Die Leserin/der Leser ist mit dem Text allein. Sie/er operiert auf den verschiedenen Textebenen: ⫺ Zeichenebene (Grapheme, Phoneme) ⫺ Prosodische Ebene (Klang, Rhythmus, Satzmelodie) ⫺ Wortebene ⫽ Lexikalische Ebene (auch Morpheme) ⫺ Satzebene ⫽ Syntaktische und grammatikalische Ebene ⫺ Inhaltsebene ⫽ Semantische Ebene ⫺ Handlungsebene ⫽ Pragmatische Ebene Alle Rezeptionshandlungen zielen auf das Verstehen einer schriftlichen Mitteilung. Unser Motiv, das die Tätigkeit Lesen in Gang setzt, liegt in dem Spannungsverhältnis unbekannt ↔ bekannt. Zum Problembereich „Textverstehen“ wird im anglo-amerikanischen Sprachraum seit über 80 Jahren gearbeitet (vgl. Groeben 1982, Groeben & Vorderer 1988; → Art. 82, 138). Deutlich wird dabei insbesondere, daß es

beim Verstehensprozeß primär um inhaltliche Aspekte geht. Eigene Erfahrungen der Leserin/des Lesers werden von ihr/ihm von Anfang an in Beziehung gesetzt mit inhaltlichen Aussagen des Textes. Erstes Verstehen ist immer dann problemloser, wenn die vermittelten inhaltlichen Bereiche nicht zu fremd sind. Lesen ist ein aktiver Prozeß, bei dem die einzelnen graphischen Zeichen erkannt und zueinander in Beziehung gesetzt werden, um Bedeutungen und Sinnzusammenhänge zu erkennen (vgl. Goodman 1976; → Art. 99; im folgenden s. Luria & Cvetkova 1990): (1) Schriftzeichen werden erkannt. Das können Buchstaben, Wortteile, auch Wörter sein. (2) Diese Zeichen werden entziffert und zu Wörtern zusammengezogen. (3) Bedeutungen werden vermutet, entdeckt und erkannt. (4) Wörter werden zu größeren Sinneinheiten zusammengefügt. (5) Mehrere Sinneinheiten werden behalten und miteinander in Beziehung gesetzt. (6) Daraus entnimmt die Leserin/der Leser den Sinn, wie er für sie/ihn deutlich wird, um (er-)lesend zu verstehen. Es ist erkennbar, daß Lesen sich auf zwei Ebenen ereignet, die eine sich wechselseitig bedingende Einheit bilden: ⫺ Die sensomotorische Ebene: Wichtige Aspekte sind die Lesegenauigkeit, die Le-

104. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Weiterführendes Lesen Ritz-Fröhlich, Gertrud. 1975. Weiterführender Leseunterricht in der Grundschule. Bad Heilbrunn. Röbe, Edeltraud. 1977. Didaktik des Lesenlernens. Auswertung und kritische Erörterung der Unterrichtsdokumentation eines Leselehrgangs. Frankfurt. Roth, Heinrich. 1971. Pädagogische Anthropologie, 2 Bde. Hannover. Sauer, Karl. 1970. Leser kommen zur Schule. Zeitschr. für Pädagogik, 51⫺64. Schenk, Christa. 1990. Lesenlernen vorbereiten. Förderung des auditiven Differenzierungsvermögens im sprachlichen Bereich. Baltmannsweiler. Schmalohr, Emil. 1973. Frühes Lesenlernen. Heidelberg. Spitta, Gudrun. 1985. Kinder schreiben eigene Texte. Klasse 1 und 2. Bielefeld.

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⫺. (ed.). 1977. Legasthenie gibt es nicht […] Was nun? Kronberg. Topsch, Wilhelm. 1979. Lesenlernen/Erstleseunterricht. Bochum. Vestner, Hans. 1974. CVK-Leselehrgang. Berlin. Weigl, Egon. 1974. Zur Schriftsprache und ihrem Erwerb ⫺ neuropsychologische und psycholinguistische Betrachtungen. In: Eichler, Wolfgang & Hofer, Adolf (ed.), Spracherwerb und linguistische Theorien. München. Wenzel, Hartmut. 1987. Unterricht und Schüleraktivität. Probleme und Möglichkeiten der Entwicklung von Selbststeuerungsfähigkeiten im Unterricht. Weinheim.

Kurt Meiers, Reutlingen (Deutschland)

104. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Weiterführendes Lesen 1. 2. 3. 4.

Weiterführendes Lesen und Verstehen Lesen können ⫺ Lesen üben Übungen Literatur

1.

Weiterführendes Lesen und Verstehen

Lesen macht erst einmal frei vom Handeln. Lesen unterscheidet sich offensichtlich vom sichtbaren Tun. Die Leserin/der Leser ist mit dem Text allein. Sie/er operiert auf den verschiedenen Textebenen: ⫺ Zeichenebene (Grapheme, Phoneme) ⫺ Prosodische Ebene (Klang, Rhythmus, Satzmelodie) ⫺ Wortebene ⫽ Lexikalische Ebene (auch Morpheme) ⫺ Satzebene ⫽ Syntaktische und grammatikalische Ebene ⫺ Inhaltsebene ⫽ Semantische Ebene ⫺ Handlungsebene ⫽ Pragmatische Ebene Alle Rezeptionshandlungen zielen auf das Verstehen einer schriftlichen Mitteilung. Unser Motiv, das die Tätigkeit Lesen in Gang setzt, liegt in dem Spannungsverhältnis unbekannt ↔ bekannt. Zum Problembereich „Textverstehen“ wird im anglo-amerikanischen Sprachraum seit über 80 Jahren gearbeitet (vgl. Groeben 1982, Groeben & Vorderer 1988; → Art. 82, 138). Deutlich wird dabei insbesondere, daß es

beim Verstehensprozeß primär um inhaltliche Aspekte geht. Eigene Erfahrungen der Leserin/des Lesers werden von ihr/ihm von Anfang an in Beziehung gesetzt mit inhaltlichen Aussagen des Textes. Erstes Verstehen ist immer dann problemloser, wenn die vermittelten inhaltlichen Bereiche nicht zu fremd sind. Lesen ist ein aktiver Prozeß, bei dem die einzelnen graphischen Zeichen erkannt und zueinander in Beziehung gesetzt werden, um Bedeutungen und Sinnzusammenhänge zu erkennen (vgl. Goodman 1976; → Art. 99; im folgenden s. Luria & Cvetkova 1990): (1) Schriftzeichen werden erkannt. Das können Buchstaben, Wortteile, auch Wörter sein. (2) Diese Zeichen werden entziffert und zu Wörtern zusammengezogen. (3) Bedeutungen werden vermutet, entdeckt und erkannt. (4) Wörter werden zu größeren Sinneinheiten zusammengefügt. (5) Mehrere Sinneinheiten werden behalten und miteinander in Beziehung gesetzt. (6) Daraus entnimmt die Leserin/der Leser den Sinn, wie er für sie/ihn deutlich wird, um (er-)lesend zu verstehen. Es ist erkennbar, daß Lesen sich auf zwei Ebenen ereignet, die eine sich wechselseitig bedingende Einheit bilden: ⫺ Die sensomotorische Ebene: Wichtige Aspekte sind die Lesegenauigkeit, die Le-

1226

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

segeschwindigkeit und der Umfang der Wahrnehmung. ⫺ Die semantische Ebene: Wichtige Aspekte sind die Bedeutung und der Sinn der Information, die Steigerung des Leseinteresses i.S. lebenslanger Lesemotivation und die kritisch-distanzierte Wertung des Gelesenen. Verstehen(-wollen) als Motiv des Lesens ist ein komplexer Prozeß, der ⫺ abhängig von Wort, Satz und Text ⫺ durch die Leserin/den Leser realisiert wird. Die lexikalische Bedeutung kann durch den aktiven bzw. passiven Wortschatz präsent sein, oder sie kann durch den bisher erschlossenen Sinnzusammenhang angenommen werden. Erschwerend und verzögernd ist es, wenn externe Hilfen in Anspruch genommen werden müssen, z. B. Lehrpersonen, Nachschlagewerke usw. Problematische Sonderfälle sind die Homonyme. Die Bedeutung ganzer Sätze zu erfassen ist recht unkompliziert bei grammatikalisch einfachen Sätzen. Weitere Satzglieder und Ergänzungen bringen zusätzliche Informationen. Komplizierter werden Satzgefüge, wobei Hauptsatz-Nebensatz-Konstruktionen noch einfach sind. Relativsätze sind schwieriger, weil sie rückbeziehend ein anderes Geschehen einfordern. Um darüberhinaus den Sinn eines Satzes zu erkennen, ist es hier nötig, von der wortwörtlichen Bedeutung zu abstrahieren. (Beispiel: Schlage nie die Hand, die den Kochlöffel führt.) Ein Text, als Kette von Sätzen, stellt durch die vielen Rück- und Vorausweisungen besonders hohe Anforderungen an das Verstehen.

2.

Lesen können ⫺ lesen üben

Auch das Lernen und Lehren in der Schule ist vom ersten Schultag an immer auf das Verstehen von Inhalten bezogen. Allerdings verlagern sich die Akzente zunehmend vom Erstlesen (→ Art. 103) zum weiterführenden Lesen (vgl. Meiers 1984). Wichtig sind jetzt einerseits die qualitativen Verbesserungen der Leseleistung, bis hin zur Automatisierung und dem Bewußtsein, Lesen als Gewohnheit zu leben. Andererseits gilt es, spezifische, situationsangemessene Arten und Weisen des Lesens bewußt zu machen und zu üben. Die Lernvoraussetzungen und Lernfortschritte der Kinder sind jedoch nie gleich oder ähnlich, selbst beim Schuleintritt nicht.

Im Laufe der Schulzeit differieren auffällig und differenzieren sich zunehmend die Fertigkeiten und Fähigkeiten, angemessene, auch unbekannte Texte zu erlesen, deren Inhalte zu erfassen, sie vorzulesen. Ebenso variiert die Motivation, eigenständig solche Texte lesen zu wollen und Lesen als etwas Vergnügliches und Sinnvolles zu erleben. Gründe dafür liegen sicher in den konkreten didaktisch-methodischen Entscheidungen. Einflußreicher aber sind wohl die kognitiven, emotionalen und sozialen Erfahrungen und Motive des einzelnen Kindes, das innerhalb bestimmter gesellschaftlicher Strukturen lebt und lernt. Das komplexe Beziehungsgeflecht von Lesen und Verstehen sowie von textualen und gesellschaftlichen Zusammenhängen ist nur schwer ⫺ wenn überhaupt ⫺ durch Lesetests zuverlässig zu diagnostizieren (vgl. Baurmann 1977, Eichler 1977). Gezielter und aktueller sind die Analysen der Lehrerin/des Lehrers, die/der das (laut-)lesende Kind aufmerksam beobachtet, um genau zu erkennen, wann und wo sich Mängel zeigen. So kann individuell gefördert und geübt werden. Üben in der Klasse hat aber nur zu oft wiederholenden, reihenden Charakter. So verliert jeder Text, der für alle zum wiederholten Male lesend geübt wird, seine Spannung. Er langweilt, die Kinder ermüden. Nicht die für alle gleiche und umfassende Aufgabe wäre daher anzustreben. Vielmehr sind „Leseübungstexte“ zu konkreten und begrenzten Problemen für einzelne Schüler(-Gruppen) anzubieten. „Solche auf bestimmte Teilleistungen orientierte Texte gewährleisten unseres Erachtens eher Leseerfolge als Texte mit komplexen Problemen ⫺ und sie motivieren zudem auch in höherem Maße zum Üben und Zuhören beim Üben“ (Menzel 1989a,48). Es bietet sich außerdem an, den Bereich Lesen zu verbinden mit anderen Bereichen des Deutschunterrichts, z. B. dem Literatur- und dem Aufsatzunterricht.

3.

Übungen

Im folgenden werden zentrale Leseweisen vorgestellt, über die Leserinnen und Leser als Praktiken in spezifischen Situationen verfügen sollten. 3.1. Übungen zur Lesesicherheit (1) Graphem-Phonem-Verbindungen Insbesondere die selten verwendeten Grapheme und Graphemverbindungen, wie qu,

1227

104. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Weiterführendes Lesen

x, y, chs, ng, ph, th, zw, aber auch die anderen müssen wiederholend und wiederholt geübt werden. Reimgedichte, Reimverse, Unsinnverse, Schnellsprechsätze bieten sich dafür an. Wichtig sind in diesem Zusammenhang auch spielerische Übungen zum Einprägen der alphabetischen Folge des ABC. (2) Synthese und Lautunterscheidungen Neben den grundlegenden Übungen in der Zeit des Übergangs vom 1. zum 2. Schuljahr, wodurch das Zusammenschleifen von Lauten und Lautverbindungen gefestigt wird, sind Übungen wichtig, durch die Klang, Betonung, Segmentierung und Sinn verstärkt aufeinander bezogen werden, zum Beispiel durch Abzählverse oder Texte, die in der Wort-zuWort-Gliederung verfremdet wurden. (Beispiel: Diekuhrante bis sie fiel in die Blumento Pferde; statt: Die Kuh rannte, bis sie fiel in die Blumentopferde.) Auch hier kann über literarische Vorlagen kreatives Arbeiten angeregt werden, zum Beispiel mit Texten von Christian Morgenstern oder Texten der „Konkreten Poesie“, etwa von Ernst Jandl, Hans Manz. (3) Wort-(Teil-)Bild Das direkte Worterkennen oder Erkennen von Wortteilen hilft, problemlos schneller zu lesen (s. auch 3.2.). Häufig wiederkehrende Wörter des aktiven Wortschatzes der Kinder sind dafür wichtig. Zudem sollte verstärkt das Augenmerk gelegt werden auf Präfixe und Suffixe, auf Wortunterganze (⫽ Wörter im Wort) und auf Signalgruppen (⫽ häufig wiederkehrende Buchstabengruppen). 3.2. Übungen zur Steigerung des Lesetempos Erst dann, wenn ein Text mit einer gewissen Geschwindigkeit gelesen wird, kann er besser verstanden werden. Denn so werden die zu Sinnschritten gehörenden Wörter schneller erkannt. Im Deutschen ist das insbesondere bei Sätzen mit trennbaren Verben wichtig, bei denen ein Verbteil überwiegend erst am Ende des Satzes steht (Beispiel: vorbeirennen  rannte … vorbei). Ein zu hohes Lesetempo geht allerdings zu Lasten des Verstehens. Für die Lesedidaktik hat Braun (1971) erstmals diesen Aspekt herausgearbeitet. Um das Lesetempo ohne Druck auf Leserinnen und Leser zu erhöhen, muß die Blickspannweite verbreitert werden, weil so mehr Buchstaben „mit einem Blick“ erfaßt werden können. Zudem muß geübt werden, den Sinn relativ sicher antizipierend zu finden, weil da-

durch das zeitaufwendige zurückgreifende Lesen unnötig wird. (1) Erweiterung der Blickspannweite Hilfreich sind Übungen mit gleichem Anfang eines Wortes bzw. eines Satzes, das bzw. der dann immer länger wird. Zunächst sollten die Zeilen linksbündig stehen, um dem Auge jeweils den Ansatz zu geben, von dem aus, immer gleich, wieder begonnen werden kann: Wasser Wasserschutz Wasserschutzpolizei Wasserschutzpolizeiboot Wasserschutzpolizeibootsmann usf. (v. Wedel-Wolff 1978, 68)

Erst dann eignen sich sog. Pyramidentexte, weil sich dabei das „Ausgangswort“ in der nächsten Zeile versteckt, die Augen also bewußt und gezielt immer wieder neu zum jeweiligen Fixationspunkt geführt werden müssen: Erzählen Geschichtenerzählen Gespenstergeschichtenerzählen Kindergeburtstagsfestende Geburtstagsfestende Festende Ende (Menzel 1989 b, 12)

(2) Sinn antizipieren Dafür schlägt Braun (1971, 110) die „Antiregreßübungen“ vor. Als hilfreich und praktikabel hat sich folgende Übungsform erwiesen: Bei drei Spalten mit Wörtern läßt sich sinnvoll nur ein Ausdruck der Spalten (2) oder (3) der Spalte (1) zuordnen. Es wird reihenweise gearbeitet, wobei die nächsten Zeilen abgedeckt sind. Das hat auch eine zeilenstützende Funktion. Beispiel: (1)

(2)

(3)

gehen anziehen abschneiden

im Wald ein Auto die Haare

auf dem Mars die Jacke die Mauer

3.3. Übungen zur Steigerung des Leseumfangs Das Lesen von längeren Texten und von Büchern erfordert einen erheblichen Kraft- und Zeitaufwand. Besonders dann, wenn die Leserin/der Leser an der Thematik interessiert ist, ein gezieltes Motiv hat zu lesen, wird sie/ er diese Mühe auf sich nehmen, sie sogar

1228 nicht als solche empfinden. Der inhaltlichen Auswahl kommt daher eine hohe Bedeutung zu. Die Kinder- und Jugendliteratur bietet eine Fülle von Möglichkeiten. Die typografische Gestaltung von solchen Texten ist darüberhinaus besonders wichtig, gerade für die ungeübte Leserin/den ungeübten Leser. Die Textstrukturierung nach Sinnschritten (sinnbezogener Flattersatz), bei der in jeder Zeile nur das steht, was inhaltlich eng zusammengehört, bietet von Anfang an gute Lese- und Verstehensmöglichkeiten. Abschnitte, Kapiteleinteilungen, Illustrationen sind gleichfalls wichtige Aspekte. Notwendig ist zudem eine mikrotypografische Gestaltung (wie: Schriftart, Schriftgröße, Abstände, Druckfarbe usw.), die den kindlichen Wahrnehmungsfähigkeiten entspricht. Seit einigen Jahren werden von verschiedenen Kinderbuchverlagen Bücher angeboten, in denen diese Strukturierungen konsequent beachtet werden. Bei der Konzeption von Arbeitsblättern, dem Abschreiben und Gestalten von Lesetexten u. ä. kann das natürlich von jeder Lehrerin, jedem Lehrer selbst berücksichtigt werden. Die lesernahe typografische Gestaltung ist gerade für Leseungeübte wichtig, oft sogar unabdingbar, um später auch solche Texte problemlos lesen und verstehen zu können, die diese Aspekte wenig oder kaum berücksichtigen. 3.4. Übungen zum informationsentnehmenden Lesen Im außerschulischen Bereich dominiert das sachbezogene Lesen, das Lesen, um gezielt bestimmte Informationen aufzunehmen. Aber auch in der Schule ist es oft zentral, z. B. im Sachunterricht oder in Mathematik. Diese Leseweise wird von der Absicht, vom Ziel her bestimmt, einen auf eine bestimmte Frage hin „durchzukämmenden“ Text zu lesen, um schnell und sicher zu einer Antwort zu kommen. Dabei muß „überfliegend“ und zugleich genau gelesen werden. Leserinnen und Leser müssen im Einzelfall ihre Absichten reflektieren, um ihre Aktivitäten zu präzisieren: ⫺ Was will ich wissen? ⫺ Wo kann ich mir die Information holen? ⫺ Wer könnte mir helfen? ⫺ Wie ist das Buch, das Heft, der Plan usw. aufgebaut? ⫺ Wo muß ich gezielt suchen? ⫺ Was bedeuten die Abkürzungen? ⫺ Kann ich der Information trauen?

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Das betrifft nicht nur die Rezeption, sondern auch die Produktion von Texten, wenn also anderen eine Information zugänglich gemacht werden soll, z. B. über ein Schulfest. Entschieden werden muß über die Art und den Umfang der Information, die Publikationsweise. Gerade für Kinder ist diese Leseweise wichtig, um nicht von der Textfülle und der Fülle von Texten überwältigt zu werden. Insbesondere sollten Kinder lernen, ⫺ Inhaltsverzeichnisse zu überblicken; ⫺ Bastelanleitungen, Spielanleitungen, Betriebsanleitungen, Rezepte usw. zu verstehen und in Handlungen umzusetzen; ⫺ Informationen aus Wörterbüchern, Lexika und Sachbüchern zu entnehmen; ⫺ Anzeigen in Zeitungen gezielt zu suchen, zu finden und zu erfassen; ⫺ Listen (z. B. Telefonbücher) und Tabellen auszuwerten; ⫺ Texte mit Legenden und Abkürzungen (z. B. Fahrpläne, Freizeitkarten, Campingführer usw.) zu entschlüsseln. Gerade Abkürzungen und Fremdwörter sind nicht nur für ungeeübte Leserinnen und Leser erhebliche Lese- und Verstehenshindernisse. V. Wedel-Wolff 1978 warnt hier vor systematischem Üben und schlägt stattdessen kontextgebundenes Üben sowie einen kreativen und spielerischen Umgang mit Fremdwörtern vor. Die inhaltliche Auflösung von Abkürzungen kann ebenfalls im Textzusammenhang vorgenommen werden, z. B. beim Automarkt, Wohnungsmarkt einer Tageszeitung. Die Arbeit mit dem Wörterbuch als Nachschlagewerk ist eine notwendige Hilfe. Wichtig wäre es wohl, klasseneigene Glossare von Fremdwörtern und Abkürzungen zu erstellen. 3.5. Übungen zum produktiven Lesen Die (tätige) Auseinandersetzung mit einem Text, einer Textvorlage ist ein zentraler Aspekt des Lernens und Verstehens. Das ist auf allen Textebenen möglich. Damit erweitert sich Lesen zum Schreiben. Rezeption und Produktion beziehen sich unmittelbar aufeinander. Unterschieden werden können, ausgehend von der Textvorlage: (1) Nachgestaltung von Texten Ein Bild zum Text/Textauszug malen; eine Bildergeschichte erstellen; aus Knete einzelne Figuren oder Szenen formen; ein Spiel i.S. einer szenischen Gestaltung inszenieren; die

104. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Weiterführendes Lesen

musikalische Umsetzung von z. B. Rhythmus, Grundstimmung erproben usw. (2) Vorausgestaltung von Texten Assoziationen äußern zu einem Stichwort, zu Stichwörtern, sog. Reizwörtern, zu Figuren, Figurenkonstellationen; Antizipation erproben zur Überschrift, zur verfremdeten Überschrift, zu einem Textteil, zu einem Foto oder zu einer Bilderfolge, bei der der Text getilgt wurde. (3) Neugestaltung von Texten Teile des Textes neu schreiben oder malen oder zeichnerisch gestalten o. ä.; eine „Voraus“-Geschichte erfinden; eine „Folge“-Geschichte erfinden; Nachdenken über den Text und zum Handeln provozieren. 3.6. Übungen zum klanggestaltenden Lesen Eigentlich ist diese Leseweise eine typisch schulische, weil sie sich als lautes Lesen dokumentiert. Wichtig ist dieser Bereich jedoch, um auf die Besonderheiten und den Zusammenhang von Inhalt, Stil, Satzstruktur, Rhythmus und Melodie aufmerksam zu werden. Die komplexen Textstrukturen werden in ihren einzelnen Elementen unmittelbar wichtig, wahrgenommen, erlebt und in Szene gesetzt. Besonders hier ist es nötig, zunächst begrenzte Aufgaben gezielt anzubieten und erst nach und nach zu komplexeren Gestaltungen zu kommen. Der Zusammenhang von Textbedeutung und Satzmelodie beim Vorlesen läßt sich leicht an einzelnen Sätzen erproben. Umfangreichere Texte, etwa lautmalende Gedichte, stellen erhebliche Anforderungen an Leserinnen und Leser. Gerade hier sind viele Texte der „Konkreten Poesie“ reizvoll, weil bei ihnen oft die Beziehungen von Textstrukturen und Bedeutungen konzeptionell konstruiert wurden. 3.7. Übungen zum kritischen Lesen Lesen fordert und fördert den Einzelnen und kann ⫺ prinzipiell gesehen ⫺ sogar vereinzeln. Es ist von seiner inneren Struktur her antisozial. Diese Tätigkeit widerspricht dem offensichtlichen und folgernden Tun. Darin liegt aber auch die eigentliche Chance, denn die Leserin/der Leser ist damit frei vom Zwang, handeln zu müssen. Der (relativ) sanktionsfreie Raum Lesen eröffnet die Möglichkeiten des Probehandelns. Dabei ist die Leserin/der Leser zunächst mit und bei sich selbst. Direkte Rückfragen, gar Dialoge ⫺

1229

wie beim Sprechen und Hören ⫺ sind in der Regel nicht möglich. Das ist zu lernen, eben nicht „natürlich“ gegeben: in kritischer Distanz Übermitteltes zu bedenken und ggf. zu beanstanden. Dieser Aspekt wurde schon länger, besonders Anfang der 70er Jahre, und ausführlich für das Lesen dargestellt und diskutiert (vgl. Braun 1971, 51 ff; Kleinschmidt 1971, 7 ff; Ehlert u. a. 1971, 101 ff; Wenzel 1972, 84 ff; Grünwaldt 1974, 154 ff). Er scheint aber in der letzten Zeit ein wenig aus dem Blick geraten zu sein. Besonders Wenzel (1972, 85) hat mit seinen Ausführungen zum „Gegen-den-StrichLesen“ die spezifische Leistung pointiert: „Es geht also bei der Methode des ‘Gegen-denStrich-Lesens’ nicht so sehr um Kritik an den Intentionen des Verfassers oder am Verfasser selbst, sondern eher um die kritische Reflexion der vom Text ausgehenden unbeabsichtigten oder auch beabsichtigten Wirkung.“ Es ist zu versuchen, Absichten zu erkennen, Informationen zu überprüfen, mögliche Textwirkungen abzuschätzen. Die entschlüsselte Textaussage kann so immer nur eine vorläufige, scheinbare Sicherheit gewähren. In der Distanz wird durch Prüfen, Vergleichen, Überprüfen, Reflektieren das Vorgegebene eben nicht schlicht hingenommen. Angestrebt wird eine Bewertung, mit der zugleich nach Veränderbarkeit gefragt wird. Das verlangt vom Einzelnen einiges an Abstraktionsfähigkeit, Selbstbewußtsein und auch Verantwortungsbewußtsein, verlangt aber auf der anderen Seite von der „Institution Schule“, sanktionsfreie Räume zu schaffen, die das möglich machen. Diese Leseweise beginnt nicht erst in höheren Klassen. Sie muß jedes Lesen und Lernen mitbestimmen. Sie fordert genaues und vergleichendes Lesen von Anfang an.

4.

Literatur

Baurmann, Jürgen. 1977. Lesetests für die Primarstufe. Lehrmittel aktuell 3, 41⫺46. Braun, Peter. 1971. Das weiterführende Lesen. Düsseldorf. Ehlert, Klaus, Hoffacker, Helmut & Ide, Heinz (Bremer Kollektiv). 1971. Thesen über Erziehung zu kritischem Lesen. Diskussion Deutsch 4, 101⫺107. Eichler, Wolfgang. 1977. Sprach-, Schreib- und Leseleistung. München. Geiling, H. 1978. Weiterführendes Lesen (Lehrerfortbildung und Seminar). München.

1230

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Meiers, Kurt. 1984. Begriff und Aufgaben des weiterführenden Lesens. Informationen der International Reading Association. Sektion Deutschland, H. 2, 52⫺70.

⫺. 1989 a. Lesen lernen ⫺ Lesen üben. Grundschule 21, 46⫺48. ⫺. 1989 b. Lesetexte ⫺ Leseübungen. Praxis Grundschule, 5/1989. Menzel, Wolfgang & Pregel, Dietrich. 1972. Aufbauendes Lesen. Hannover. Müller, Erhard Peter. 1978. Lesen in der Grundschule. München. Ritz-Fröhlich, Gertrud. 1978. Weiterführender Leseunterricht in der Grundschule. Bad Heilbrunn (4. Auflage). Schwartz, Erwin. 1970. Das Erstlesen und das weiterführende Lesen im 2. Schuljahr. In: Beinlich, Alexander (ed.). Handbuch des Deutschunterrichts. 2. Band. Emsdetten (5. Auflage), 723⫺841. Texte für die Primarstufe. 1972 ff. Hannover. von Wedel-Wolff, Annegret & Rappsilber-Kurth, Dora. 1978. Weiterführender Leseunterricht. Braunschweig. Wenzel, Rudolf (Bremer Kollektiv). 1972. Vom „Gegen-den-Strich-Lesen“. In: Ide, Heinz & Bremer Kollektiv (ed.). Soziale Fronten in der Sprache. Projekt Deutschunterricht, Bd. 3. Stuttgart, 84⫺100.

Menzel, Wolfgang. 1988. Leseübungstexte. Praxis Deutsch 15, 21⫺24.

Peter Conrady, Dortmund (Deutschland)

Goodman, Kenneth S. 1976. Die psycholinguistische Natur des Leseprozesses. In: Hofer, Adolf (ed.). Lesenlernen: Theorie und Unterricht. Düsseldorf, 139⫺151. Groeben, Norbert. 1982. Leserpsychologie: Textverständnis ⫺ Textverständlichkeit. Münster. Groeben, Norbert & Vorderer, Peter. 1988. Leserpsychologie: Lesemotivation ⫺ Lektürewirkung. Münster. Grünwaldt, Joachim (Bremer Kollektiv). 1974. Das Lesebuch muß heute eine Leselehre für kritisches Lesen sein. Diskussion Deutsch 16, 154⫺162. Kleinschmidt, Gert. 1971. Theorie und Praxis des Lesens in der Grund- und Hauptschule. Frankfurt (2. Auflage). Luria, Alexander R. & Cvetkova, Ljubov S. 1990. Neuropsychologie und Probleme des Schriftspracherwerbs in der Schule. In: Brügelmann, Hans & Balhorn, Heiko (ed.). Das Gehirn, sein Alfabet und andere Geschichten. Konstanz, 48⫺67.

105. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Literaturunterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

1.

Leseunterricht im 16.⫺18. Jahrhundert Literaturdidaktik im 19. Jahrhundert Literaturdidaktik am Beginn des 20. Jahrhunderts Literaturunterricht in der Zeit des Nationalsozialismus Literaturdidaktik nach 1945 Literaturdidaktik in der DDR Literaturdidaktische Positionen der 80er und 90er Jahre: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht Literatur

Leseunterricht im 16.⫺18. Jahrhundert

Wo immer in der Geschichte der Erziehung Literatur ins Blickfeld tritt, wird sie so ausgewählt und benutzt, daß sie den Interessen der Erziehenden und im weitesten Sinne der jeweiligen Gesellschaft dient. Ein charakteristisches und bis in die Gegenwart hinein in vielen Varianten praktiziertes Beispiel dafür bietet Platons „Politeia“. Da heißt es: Die „guten Schöpfungen [der Dichter] lassen wir zu,

ihre schlechten scheiden wir aus. Die ausgewählten lassen wir dann den Kindern von Ammen und Müttern erzählen und so ihre Seelen durch die Erzählungen mehr formen als die Körper durch ihre Hände“ (Platon 377 a⫺377 c). Damit ist eine allgemeine Prämisse jeglicher Literaturvermittlung auch in der Schule formuliert, wo Lehrende die Funktionen der Ammen und Mütter übernehmen und ab dem 16. Jahrhundert in zunehmendem Maße verbindliche Lehrpläne diese Prämissen konkretisieren. Selbst die Frage eines allgemeinen Textkanons ist so schon angesprochen. Leseunterricht auf breiter Basis setzt ein mit der Erfindung des Buchdrucks; und erst auf dieser Grundlage führt er über die kommunikativen und sozialen Zwecke ⫺ das Lesen von Urkunden und Briefen ⫺ hinaus zwangsläufig zum Literaturunterricht im engeren Sinne, d. h. zur Lektüre auch poetischer oder zu den verschiedensten Zwecken zumindest poetisch eingekleideter Texte religiösen, moralischen und wissenschaftlichen Inhalts.

1230

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Meiers, Kurt. 1984. Begriff und Aufgaben des weiterführenden Lesens. Informationen der International Reading Association. Sektion Deutschland, H. 2, 52⫺70.

⫺. 1989 a. Lesen lernen ⫺ Lesen üben. Grundschule 21, 46⫺48. ⫺. 1989 b. Lesetexte ⫺ Leseübungen. Praxis Grundschule, 5/1989. Menzel, Wolfgang & Pregel, Dietrich. 1972. Aufbauendes Lesen. Hannover. Müller, Erhard Peter. 1978. Lesen in der Grundschule. München. Ritz-Fröhlich, Gertrud. 1978. Weiterführender Leseunterricht in der Grundschule. Bad Heilbrunn (4. Auflage). Schwartz, Erwin. 1970. Das Erstlesen und das weiterführende Lesen im 2. Schuljahr. In: Beinlich, Alexander (ed.). Handbuch des Deutschunterrichts. 2. Band. Emsdetten (5. Auflage), 723⫺841. Texte für die Primarstufe. 1972 ff. Hannover. von Wedel-Wolff, Annegret & Rappsilber-Kurth, Dora. 1978. Weiterführender Leseunterricht. Braunschweig. Wenzel, Rudolf (Bremer Kollektiv). 1972. Vom „Gegen-den-Strich-Lesen“. In: Ide, Heinz & Bremer Kollektiv (ed.). Soziale Fronten in der Sprache. Projekt Deutschunterricht, Bd. 3. Stuttgart, 84⫺100.

Menzel, Wolfgang. 1988. Leseübungstexte. Praxis Deutsch 15, 21⫺24.

Peter Conrady, Dortmund (Deutschland)

Goodman, Kenneth S. 1976. Die psycholinguistische Natur des Leseprozesses. In: Hofer, Adolf (ed.). Lesenlernen: Theorie und Unterricht. Düsseldorf, 139⫺151. Groeben, Norbert. 1982. Leserpsychologie: Textverständnis ⫺ Textverständlichkeit. Münster. Groeben, Norbert & Vorderer, Peter. 1988. Leserpsychologie: Lesemotivation ⫺ Lektürewirkung. Münster. Grünwaldt, Joachim (Bremer Kollektiv). 1974. Das Lesebuch muß heute eine Leselehre für kritisches Lesen sein. Diskussion Deutsch 16, 154⫺162. Kleinschmidt, Gert. 1971. Theorie und Praxis des Lesens in der Grund- und Hauptschule. Frankfurt (2. Auflage). Luria, Alexander R. & Cvetkova, Ljubov S. 1990. Neuropsychologie und Probleme des Schriftspracherwerbs in der Schule. In: Brügelmann, Hans & Balhorn, Heiko (ed.). Das Gehirn, sein Alfabet und andere Geschichten. Konstanz, 48⫺67.

105. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Literaturunterricht 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

1.

Leseunterricht im 16.⫺18. Jahrhundert Literaturdidaktik im 19. Jahrhundert Literaturdidaktik am Beginn des 20. Jahrhunderts Literaturunterricht in der Zeit des Nationalsozialismus Literaturdidaktik nach 1945 Literaturdidaktik in der DDR Literaturdidaktische Positionen der 80er und 90er Jahre: Handlungs- und produktionsorientierter Literaturunterricht Literatur

Leseunterricht im 16.⫺18. Jahrhundert

Wo immer in der Geschichte der Erziehung Literatur ins Blickfeld tritt, wird sie so ausgewählt und benutzt, daß sie den Interessen der Erziehenden und im weitesten Sinne der jeweiligen Gesellschaft dient. Ein charakteristisches und bis in die Gegenwart hinein in vielen Varianten praktiziertes Beispiel dafür bietet Platons „Politeia“. Da heißt es: Die „guten Schöpfungen [der Dichter] lassen wir zu,

ihre schlechten scheiden wir aus. Die ausgewählten lassen wir dann den Kindern von Ammen und Müttern erzählen und so ihre Seelen durch die Erzählungen mehr formen als die Körper durch ihre Hände“ (Platon 377 a⫺377 c). Damit ist eine allgemeine Prämisse jeglicher Literaturvermittlung auch in der Schule formuliert, wo Lehrende die Funktionen der Ammen und Mütter übernehmen und ab dem 16. Jahrhundert in zunehmendem Maße verbindliche Lehrpläne diese Prämissen konkretisieren. Selbst die Frage eines allgemeinen Textkanons ist so schon angesprochen. Leseunterricht auf breiter Basis setzt ein mit der Erfindung des Buchdrucks; und erst auf dieser Grundlage führt er über die kommunikativen und sozialen Zwecke ⫺ das Lesen von Urkunden und Briefen ⫺ hinaus zwangsläufig zum Literaturunterricht im engeren Sinne, d. h. zur Lektüre auch poetischer oder zu den verschiedensten Zwecken zumindest poetisch eingekleideter Texte religiösen, moralischen und wissenschaftlichen Inhalts.

105. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Literaturunterricht

Mit den im Unterricht vermittelten Texten verbinden sich zunächst sehr direkte Ziele: Kennenlernen der biblischen Aussage, Vermittlung moralisch-ethischer Normen der Gesellschaft, Aufnahme grundlegender Ergebnisse der Wissenschaft der Zeit, Gewinnung grundlegender poetischer Fertigkeiten. Natürlich haben solche Zielvorstellungen ihre Weiterungen, die aber anfangs theoretisch wenig, und wenn, dann allenfalls punktuell reflektiert werden: Gestaltung eines gottseligen Lebens mithilfe der Lektüre; Ausbildung eines die Werte und Grundsätze der Gesellschaft teilenden und mittragenden zoon politicon; Tradierung und auf dieser Grundlage Weiterentwicklung der Wissensbestände der jeweiligen Gesellschaft; Ausbildung einer im Verständnis der Zeit gebildeten Persönlichkeit usw. Diese Haltung verändert sich im 18. Jahrhundert unter dem Einfluß der aufklärerischen und speziell der Rousseauschen Pädagogik nach und nach stark. Vor allem Johann Herders Schulschrift „Von der Ausbildung der Rede und Sprache in Kindern und Jünglingen“ von 1796 bildet in dieser Hinsicht eine wichtige Marke in der Entwicklung einer eigenständigen und ausgebauten Didaktik des Literaturunterrichts. Lektüre dient nicht mehr in erster Linie dazu, die jungen Menschen mit vorbildlichen literarischen Mustern bekannt zu machen und so für den aktuellen Gebrauch Sprache und Stil zu veredeln, sondern das Gelesene „giebt dem Gemüth Freude, der Phantasie Nahrung, dem Herzen einen Vorgeschmack großer Gefühle …“ (Herder 222). Wenn Herder hinzufügt, es gehe dabei auch um die Erweckung eines „Nationalcharakters“, so lenkt er vor allem den Blick auf die mächtig aufblühende zeitgenössische deutsche Literatur, die nun ihre Muster nicht mehr nur im griechischen, römischen, französischen und englischen Raum suchen muß, sondern neben den Werken eines Shakespeare, Racine, Corneille und anderen ihren Wert zu behaupten vermag. Daß dies noch keineswegs selbstverständlich ist, belegt eine Rede des für den bayerischen Bereich bahnbrechenden Schulreformators und bedeutenden Pädagogen Friedrich Immanuel Niethammer, in der er 1808 dazu auffordert, endlich „den reichen Schatz unserer classischen National-Schriftsteller … wahrhaft national zu machen“, d. h. für breite Schichten, und folglich auch für die Schule, zu erschließen (Weimarer GoetheAusgabe, Bd. 42 II, S. 402).

1231

Realisiert wird diese Forderung durch die beiden Begründer einer Literaturdidaktik im genauen und heutigen Sinne: Robert Heinrich Hiecke und Philipp Wackernagel. Beide führen den Gedanken Herders von der Literatur als Medium einer allgemeinen Menschenbildung zu seinem unterrichtlichen Ziel. Im Zusammenhang dieser Entwürfe wird Literaturunterricht zu dem, als was er sich ⫺ mit all seinen Möglichkeiten und Problemen ⫺ bis heute in vielerlei Ausprägungen darstellt.

2.

Literaturdidaktik im 19. Jahrhundert

Eine explizite Ziel- und Methodendiskussion zum Literaturunterricht gibt es vor Herder, vor allem aber vor Hiecke und Wackernagel nicht. Zwar sagt Sulzer in seinem Lesebuch „Vorübungen zur Erweckung der Aufmerksamkeit und des Nachdenkens“ von 1768, es gelte „den eigentlichen Sinn jeder Stelle und jedes nachdrücklichen Worts zu erkennen“ (xxi), wobei die Wendung „der eigentliche Sinn“ auf das vorausweist, was dann vor allem Hiecke als Interpretation eindeutig in den Mittelpunkt der Beschäftigung mit Texten stellen wird. 2.1. Robert Heinrich Hiecke: Interpretation als kritisch-rationale Analyse Am Beginn aller Überlegungen Hieckes steht das Ziel einer allgemeinen Menschenbildung durch die Lektüre von hochrangiger Literatur, die die „ideale Heimath“ des „Gemüthes“ und zugleich „Ausdruck des nationalen Geistes“ ist (Hiecke 1842, 65). Methodisch will Hiecke von den seinem Verständnis nach das dichterische Werk in seinem hohen Wert verfehlenden Leseweisen, die den Eindruck, das Situative des Leseprozesses, das letztlich Unverfügbare der individuellen Textbegegnung thematisieren, mit Entschiedenheit weg. Dementsprechend wettert er gegen das „niederträchtige Theegeschwätz … über Göthe und Schiller“, gegen eine Schullektüre, die „eine Sache der Erholung und Unterhaltung“, nicht aber „der Anstrengung und der Arbeit“ sein wolle (81). Er fordert exakte Inhalts- und Formanalysen, sowie die gattungspoetische und literaturgeschichtliche Einordnung jedes Textes. In Hieckes „Interpretationsstunden“ wird Literatur so zum Lerngegenstand, der strikt analytisch-rational zu erschließen ist und der

1232 klare begriffliche Erkenntnisse vermittelt. Dahinter steht die problematische Vorstellung, nur über eine solche Anstrengung des Geistes lasse sich große Literatur verstehen und nur so wirke sie im angestrebten Sinne menschlich bildend. Die Schüler Hieckes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ⫺ Ernst Laas etwa ⫺ untermauern diese Vorstellung von der notwendig harten Arbeit, die das Verstehen dichterischer Texte erfordere, mit den Arbeitsweisen der Literaturwissenschaft ihrer Zeit, die diesem Verständnis nach den Schüler erst zur angemessenen Interpretation und zur sachgerechten Urteilsbildung fähig machen. In Modifikationen hat sich diese Vorstellung im gymnasialen Bereich bis heute erhalten, und wie zu zeigen sein wird, ist vieles davon auch in den wechselnden literaturdidaktischen Positionen für Volks- und Realschulen erhalten geblieben. 2.2. Philipp Wackernagel: Mit der Dichtung leben Auch für Wackernagel ist Dichtung Nahrung des Geistes und ein Bildungsgut höchsten Ranges, und auch bei ihm ist es vor allem die deutsche Dichtung, der solche Wirkung zukommt. Methodisch jedoch ist er der genaue Antipode Hieckes, wenn er nicht das Verstehen, sondern die ganzheitliche Begegnung mit Dichtung in den Vordergrund stellt. Er weiß, daß Dichtung, je nachdem, wie sie vermittelt wird, nicht nur erfreuen, nicht nur einen intellektuellen Genuß bereiten, sondern auch langweilen und „ängstigen“ kann (Wakkernagel 1832). Als hätte er alle Nöte und Qualen, die sich bis heute mit Literaturunterricht verbinden können, und als hätte er die vom hohen Ethos des Bildungswillens geprägten, vielfach an den Möglichkeiten und Interessen der Schüler vorbeigehenden Textanalysen im Unterricht vorausgeahnt, mahnt Wackernagel: „Ach schonet doch, schonet! Sie“ ⫺ die dichterischen Texte ⫺ „werden sich verklären, wenn ihr sie nicht zerklärt!“ (Wackernagel 1843, 99). Für „bedenklich“ kann die Konsequenzen dieser Konzeption nur halten (Boueke 1973, 377), wer die analytische Aufarbeitung von Dichtung in der Schule als zentral ansieht und die dabei auftretenden motivations- und lerntheoretischen Probleme außer Betracht läßt. Wackernagel hat sie in den Mittelpunkt gestellt, und Rudolf von Raumer, der den Ansatz weiterentwickelt (von Raumer 1852, 15⫺151) auch. Es widerspricht dem strikten Leistungsdenken,

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

das das Zeitalter prägt, wenn von Raumer fordert, Gedichtlektüre als „Erholung zwischen die anderen strengen Unterrichtsgegenstände“ einzuschieben und sich „besondere Erklärungen“ dabei zu sparen (135). Bis heute ist im übrigen von Raumers Forderung nach ausgebauten Schulbibliotheken als integrativem Bestandteil eines Literaturunterrichts, der nicht primär auf das Wissen über, sondern ein Leben in der Literatur zielt, in einem der materiell reichsten Länder dieser Erde nicht eingelöst. 2.3. Friedrich A. W. Diesterweg: Literaturdidaktik für die Volksschule Aus der Tradition des 18. Jahrhunderts heraus steht in der Volksschule länger als im Gymnasium die moralische Belehrung als Hauptzweck der Lektüre im Vordergrund didaktischer Überlegungen. Eberhard von Rochows „Kinderfreund“ mit seinen aufklärerischen Beispielgeschichten, im beginnenden 19. Jahrhundert vielfach plakativ christlich akzentuiert, wirkt lange nach. Erst F. A. W. Diesterwegs „Praktischer Lehrgang für den Unterricht in der deutschen Sprache“ (Crefeld 1830) eröffnet eine neue Perspektive, die den entsprechenden Bemühungen im Bereich der Höheren Schule vergleichbar ist. Der liberale Bildungspolitiker, der mit Entschiedenheit für die Aufwertung der Volksschule, für eine Verbesserung der Lehrerausbildung und für die Abschaffung der geistlichen Schulaufsicht eintritt, verfolgt in literaturdidaktischen Belangen eine Position, die die von Hiecke an Rigorosität noch übertrifft. Offensichtlich in dem Bemühen, der Volksschule das Odium einer ausschließlich auf Pragmatisch-Nützliches ausgerichteten Bildungsstätte zu nehmen, in der über den praktischen Zweck hinausreichende Geistigkeit keinen Platz hat, kommt er zu einem Leseunterricht, in dem das ‘Verstehen’ und die analytische Interpretation den Mittelpunkt bilden. Auf das den Leselehrgang eröffnende „euphonische“ Lesen, das allein auf die korrekte und ästhetisch schöne Vermittlung der Texte zielt, folgt das didaktisch absolut dominante, der gedanklichen Analyse und Durchdringung der Texte dienende „logische“ Lesen. Der Leser hat seinem Verständnis nach so zu verfahren, „wie der Arzt, wenn er einen Leichnam secirt“ (20). Deutlicher kann man die Problematik eines solchen Unterrichts, der ähnlich dem Konzept Hieckes im Laufe der Zeit zwar abgemildert und mit quasi pädagogischen Puffern und Polstern versehen

105. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Literaturunterricht

wurde, aber das Grundmuster bis in die Gegenwart herein abgibt, nicht bezeichnen! Boueke (1973, 378) konstatiert zurecht: „Diesterwegs Interesse galt gar nicht so sehr dem Text, als vielmehr einer Schulung des logischen Denkens. Der literarische Gegenstand war dabei Mittel zum Zweck. Daß Diesterweg vor allem dichterische Texte verfehlen mußte, liegt auf der Hand“. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts prägen die Herbart-Schüler Rein und Ziller sehr stark den Literaturunterricht der Volksschule, und noch 1963 setzt sich Josef Prestel (1963, 127) einerseits kritisch differenzierend von „der Formalstufenquetsche und der zerfragenden Behandlungsweise der Zillerschule (man soll den bedeutenden Namen Herbart mit diesen Auswüchsen nicht in Verbindung bringen!)“ ab, benutzt aber andererseits für die „Arbeit am Leseganzen (Prosa)“ in modifizierter Form ebendieselbe, nur etwas reduzierte Stufentheorie: „Eindrucksstufe⫺Vertiefung in Gehalt und Gestalt⫺Ausdrucksstufe …“ (125). Unter dem Einfluß der Pädagogik Herbarts bleibt in diesem Zusammenhang der Aspekt der sittlich-moralischen Erziehung, nur gegenüber dem 18. Jahrhundert stärker kirchlich bestimmt, absolut dominant, ist für Herbart doch „Charakterstärke der Sittlichkeit“ Ziel aller Erziehung.

3.

Literaturdidaktik am Beginn des 20. Jahrhunderts

Am Beginn des 20. Jahrhunderts werden drei Positionen für die weitere Entwicklung der Literaturdidaktik bestimmend, ohne daß damit allerdings die Ansätze des 19. Jahrhunderts völlig wirkungslos würden. Da ist zunächst der energische Protest Heinrich Wolgasts gegen die jugendliterarische „Tendenzliteratur“ (Wolgast 1896). Er fordert für die Jugend durchweg künstlerisch hochwertige Dichtung; Storms „Pole Poppenspäler“, auf seine Anregung hin geschrieben, wird zu einer Art Modell, und das „Hamburger Lesebuch“ von 1913 realisiert erstmals diese Forderung. Im vorliegenden Zusammenhang aber noch bedeutsamer ist seine literaturdidaktische Zielsetzung. Der Literaturunterricht „leide“ unter der vorherrschenden „moralischen Betrachtungsweise“: „Wollen wir die Jugend zum Genießen erziehen, so müssen wir ihr Bücher geben, die sie um des Genusses willen liest. Das sind die Erzählungen, Märchen, Sagen, Gedichte, kurz Bücher in

1233

dichterischer Form. Ein solches Buch soll das Kind genießen“ (23). Dieser Ansatz erinnert an Wackernagels und von Raumers Position. Allerdings ist die Vorstellung, daß Freude an Dichtung erst entwickelt werden müsse, bei Wolgast ausgeprägter vorhanden als bei seinen Vorgängern. „Das Kind hat ursprünglich ein rein stoffliches Interesse; … Daraus soll das ästhetische Interesse, das vornehmlich die Freude an der Form ist, durch Erziehung entwickelt werden“ (38). In der Folgezeit überlagert einflußmäßig das Dichtungs- und Didaktikverständnis der Kunsterziehungsbewegung und vor allem Diltheys Erlebnis- und Verstehensbegriff (Dilthey 1905) Wolgasts Ansatz. Nach Diltheys Verständnis spielt das Erlebnis sowohl bei der Entstehung als auch bei der Rezeption des dichterischen Kunstwerks eine zentrale Rolle. In jedem echten Kunstwerk manifestiert sich ein jeweils spezifischer und so bisher nicht gesehener Ausschnitt der Lebenswirklichkeit des Menschen, den der Leser nachfühlend und nacherlebend in sein eigenes Leben hineinnimmt. Dabei setzt Dilthey voraus, daß dieses Nacherleben, „dieses NachVerständnis des Singulären zur Objektivität erhoben werden könne“ und dergestalt in ein „vor romantischer Willkür“ gesichertes und kontrolliertes Verstehen übergeht (Dilthey 1900, 13 f). Damit sind die beiden wichtigsten Begriffe der Literaturdidaktik der ersten Jahrhunderthälfte genannt. In der Trias ‘Erleben⫺Ausdruck⫺Verstehen’ ist ‘Verstehen’ eindeutig die Zielgröße. Es liegt auf der Hand, daß die Volksschule zunächst den Akzent mehr auf das Erleben setzte ⫺ und da dem Prozeß der Öffnung des dichterischen Horizonts zentrale Bedeutung zukommt, erhält die quasi katalytische ‘Einstimmung’ einen außerordentlich hohen Stellenwert ⫺, während das Gymnasium seiner Tradition entsprechend das analytisch-strukturelle Verstehen bis heute in den Mittelpunkt rückt. Die reformpädagogisch bestimmte Deutschdidaktik vor allem der 20er Jahre variiert diesen Ansatz. Zentral ist hier bei prinzipiell gleichem Verständnis vom Wesen der Dichtung die Aktivität des Schülers, der ja in den Einstimmungsprozessen eine eher passive Rolle zugeschrieben bekommt. Sowohl Lotte Müller als auch Hugo Gaudig betonen die Notwendigkeit, Schüler den Texten gegenüber in eine aktive Position zu versetzen. Dementsprechend steht bei ihnen in den unterrichtlichen Arbeits- und Diskussions-

1234

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

gruppen der fragende Schüler im Vordergrund, der ohne die Gängelung des Lehrers sich Zugänge zur Dichtung sucht: aus eigenem Antrieb, mit eigenen Kräften, auf selbstgewählten Bahnen, zu frei gewählten Zielen (Gaudig). Demgegenüber wiederum verteidigt Prestel (1963) mit der Mehrzahl der Didaktiker und Lehrer das lehrergesteuerte Interpretationsgespräch bis in die 60er Jahre herein. Der Lehrer darf sich „nicht in den bloßen Zuhörerraum hinausspielen lassen. Er muß steuern, von fern oder von nah; er muß spüren und führen, wenn ein ordnender Zugriff oder die sammelnde Stille notwendig ist“ (127). Die generelle und umfassende Zielvorgabe des ‘Verstehens’ liefert über das Organisatorische („ordnender Zugriff“) hinaus die erwünschte Begründung für eine solche dominante Führungsfunktion der Lehrenden. Von einem ganz anderen Ansatz her ist Walther Seidemanns „Deutschunterricht als innere Sprachbildung“ (1927) bestimmt. Das Humboldtsche Sprachverständnis führt ihn zu der Forderung nach der Vermittlung eines Gehalt-Gestalt-Erlebnisses bei der Lektüre dichterischer Texte, und zwar so, daß beide Qualitäten als Einheit erfaßt und gewürdigt werden. Den Beleg dafür, wie das konkret unterrichtlich zu realisieren sei, bleibt Seidemann allerdings weithin schuldig; und nur wer die fast religiöse Idealisierung des sprachlichen Kunstwerks teilt, kann sich der Einschätzung Bouekes anschließen, „Seidemanns Konzeption des Literaturunterrichts (sei) zweifellos die bedeutendste, die die Reformpädagogik hervorgebracht hat, weil hier zum erstenmal der Versuch unternommen wurde, Dichtung als sprachliches Kunstwerk verstehen zu lehren“ (Boueke 1973, 382).

4.

Literaturunterricht in der Zeit des Nationalsozialismus

Nichts von dem, was in der Zeit des Nationalsozialismus den Literaturunterricht prägt, ist neu; lediglich der Diltheysche allgemeine Lebensbegriff wird völkisch-ideologisch eingeengt: Dichtung öffnet nicht neue und differenziertere Bereiche des Lebens schlechthin, sondern ist Stimme der Sprachnation, die im Biologischen ihren Wurzelgrund besitzt. Diesem gewaltsamen Identisch-Setzen von Sprache/Kunstwerk und Nation hat die Pädagogik und Didaktik im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert mit der These von der „volkstümlichen Literatur als einem

Spiegel deutschen Heldentums, deutscher Tugend und deutscher Sitte“ (Heilmann) und haben Autoren wie Otto von Greyerz mit „Der Deutschunterricht als Weg zur nationalen Erziehung“ (1921), und mittelbarer auch Walther Seidemann, Severin Rüttgers, Ulrich Peters, Martin Havenstein u. a. vorgearbeitet; und die These vom betont lehrergesteuerten Unterrichtsgespräch trägt ganz erwünscht letztlich auch dem Führerprinzip Rechnung.

5.

Literaturdidaktik nach 1945

5.1. Die Phase der Erlebnispädagogik Der ‘Neuansatz’ nach 1945 beinhaltet in Wahrheit nichts anderes als die Weiterführung der durch den hermeneutischen Zirkel (Erleben⫺Verstehen) bestimmten Erlebnisdidaktik, wobei die gymnasiale Didaktik ‘Verstehen’ jetzt vor allem durch werkimmanente Strukturanalysen zu befördern trachtet, die auch zugleich die Distanz zu allen ideologisch-politischen Vereinnahmungen signalisieren sollen. Letztlich erhält damit aber die in langer Tradition ausgebildete Textanalyse nur ein etwas neueres Gewand ⫺ der kognitive Zugriff auf den ‘Sinn’ einer mit geradezu religiösen Prädikaten besetzten ‘hohen’ Dichtung bleibt wie eh und je Zentrum des Unterrichts. Diese im Erlebnisbegriff schon angelegte Verklärung der Dichtung in den Raum des Heiligen hinein wird vor allem in der Volksschuldidaktik faßbar, etwa wenn Alexander Beinlich in der Vorbemerkung zu seinem Beitrag „Das Gedicht in der heutigen Unterrichtspraxis“ noch 1966 sagt: „Das Erschließen eines Gedichts bis zum Sich-Erschließen dieser Kunst-Gestalt bleibt stets der Gnade der Stunde anheimgegeben und fordert je und je den ganzen Menschen“ (Beinlich 1966, 1133). Entsprechende Positionen finden sich in Paul Nentwigs „Dichtung im Unterricht“: Da ist von „Erweckung“, „urplötzlichem Ahnen“ oder ⫺ in einem Zitat aus dem Werk des Religionsphilosophen Romano Guardini ⫺ von der „Lebendigkeit des Herzens“, die für das „Aufrufen“ jenes Eigentlichen (im Kunstwerk) Grund legt, die Rede (Nentwig 1962, 166 f), und auch davon, daß diese Fähigkeiten Gaben sind, die der eine eben hat und der andere nicht ⫺ das Vermögen, Dichtung aufzunehmen und zu verstehen ist letztlich ein Geschenk und stellt für den, der es besitzt und nutzt, eine immer wieder beschworene existentielle ‘Lebenshilfe’ dar. Der vielgelesene und vielzitierte

105. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Literaturunterricht

Verkünder dieser Funktion von Dichtung ist in dieser Zeit Johannes Pfeiffer mit so bezeichnenden Titeln wie „Was haben wir an einem Gedicht?“ (vgl. ebenso Pfeiffer 1951, 1953, 1965); aber auch in vielen Bildungsplänen und Richtlinien wird sie ausdrücklich festgeschrieben und dabei Diltheys Lebensphilosophie auf biedermeierliche Harmonie reduziert: „Die Dichtung soll … zur vollen Wirklichkeit des Lebens hinführen, Lebensmut und Lebensfreude geben“ (Richtlinien für die Volksschulen des Landes NordrheinWestfalen, Düsseldorf 1955). 5.2. Das literarästhetische Lesebuch (1965⫺1970) Als Helmers in der 1. Auflage seiner „Didaktik der deutschen Sprache“ 1966 den Ansatz einer neuen Bewegung in der Literaturdidaktik skizziert, hat sich das Erlebnismodell endgültig verbraucht; es entspricht nicht mehr den Erfahrungen einer auf rationale Durchdringung der Wirklichkeit setzenden und von rasanten technisch-zivilisatorischen Entwicklungen geprägten Zeit. Der französische Germanist Robert Minder hatte schon mehr als zehn Jahre zuvor in einem vielzitierten Aufsatz den deutschen Lesebüchern und den darin versammelten Texten schlichtweg Antiquiertheit bescheinigt (Minder 1953), und Walter Killy hatte drei Jahre später ganz ähnlich argumentiert (Killy 1954). Es ist deshalb nur logisch, daß die veränderte Sicht ab 1965 primär in neuen Lesebüchern ihren Ausdruck findet. Vor allem das von Klaus Gerth herausgegebene „Lesebuch 65“ wird in den folgenden Jahren zum Leitbild für eine ganze Reihe neuer Lesebuchkonzeptionen. Im Mittelpunkt steht die ‘große’ Dichtung, denn „Dichtung ist ein … Hervorbringen von Wirklichkeit … Als ursprüngliche, schöpferische Weltsicht, die durch einen Gestaltungsakt eigener Art zustande kommt, besitzt sie die Wirkung eines Gegengiftes gegen die Unwirklichkeit, das Klischee, die unwahre, verflachte Vorstellung von der Welt“ (Bauer 1969, 13). Textauswahl und Gliederung erfolgen dementsprechend ausschließlich nach literarischen Kategorien; das Lesebuch bietet „alle wesentlichen Formen und Arten der Literatur an“ und zielt auf eine „planvolle Einweisung in den Umgang mit sprachlichen und literarischen Formen“ (7). Auf dem Weg des „Elementarisierens von poetischen Strukturen“ sollen die Schüler so mit literarischen Erfahrungen und literarischem Wissen ausgerüstet werden, daß sie nach der Schule fähig

1235

sind, sich Literatur gegenüber eigenständig aktiv und kritisch zu verhalten und am ‘literarischen Leben’ (Gerth) teilzunehmen. R. Geisslers Beitrag „Für eine literarische Verfrühung“ (1962) liefert schließlich die lerntheoretische Begründung für den Einbezug hochkomplexer Texte auch schon in der Primarstufe und Sekundarstufe I. Der vieldiskutierte Aufsatz von D. Venus „Celans ‘Sprachgitter’ im 4. Schuljahr?“ (Helmers 1967, 130⫺ 136) ist ein bezeichnendes Beispiel dafür. 5.3. ‘Kritisches Lesen’ zwischen 1970 und 1980 Bereits 1969 formuliert Malte Dahrendorf gegen den literarästhetischen Ansatz im allgemeinen und im speziellen gegen die relativ rigide Konfrontation der Schüler mit einer anspruchsvoll-komplexen ‘hohen’ Literatur einen Einwand, den er in den 70er Jahren zwar nicht weiter verfolgt, der aber in den 80er Jahren in der Diskussion erneut eine Rolle spielt: Literatur erhält allzuleicht einen Eigenwert, der die zentrale didaktische Frage nach den realen Bedürfnissen und vor allem nach den Möglichkeiten der Rezipienten völlig verdrängt (Dahrendorf 1969). Im Zusammenhang der heftigen bildungspolitischen Bewegung, die die Studentenproteste am Ende der 60er Jahre ausgelöst hatte und der gleichzeitigen Übernahme des Lernzieltaxonomien-Konzepts aus der amerikanischen Lerntheorie bleibt aber diese Frage nach den Möglichkeiten einer für alles weitere Grund legenden Erziehung zum Lesen als habituell kultureller Haltung zunächst fast unbeachtet liegen. Statt dessen beginnt Anfang der 70er Jahre die Phase des ‘kritischen Lesens’, wobei das Adjektiv zunächst dominant Ideologie-Kritik einfordert, d. h. den Blick auf verdeckte weltanschauliche und politische Implikate scheinbar wertneutral ästhetischer Texte lenkt. Hubert Ivo beschreibt in „Kritischer Deutschunterricht“ (1969 a) sowie in „Allgemeine Lernziele des Literaturunterrichts“ (1969 b) diesen Neuansatz durch die Zielvorstellung einer ‘poetischen’ und ‘kritischen’ Kompetenz. Kritische Kompetenz setzt sich dabei wieder aus zwei Teilaufgaben zusammen: „Der Unterricht muß die grundlegenden formalen Kategorien bereitstellen, die es dem Schüler erlauben, sich literarischen Texten, ihrer Rezeption und ihren Wirkungen gegenüber kritisch zu verhalten, und er muß Gelegenheit bieten, literarische Kommunikations-

1236 prozesse der Gegenwart in ihren geschichtlich-gesellschaftlichen Vermittlungen analysieren zu lernen“ (Ivo 1969 b, 176). Dahrendorf ergänzt diese Zielvorstellungen durch den Hinweis auf die latente Sozialisationsfunktion der Literatur. In ihr werden, in der Regel verdeckt, die Wertmaßstäbe und das Weltbild einer Gesellschaft transportiert, und da das nach marxistischer Vorstellung Wertmaßstäbe und Weltbild der Herrschenden sind, hat Literatur, so gesehen, weithin eine indoktrinierende Funktion. Dies aufzudecken und durchschauen zu helfen ist dementsprechend vordringliche Aufgabe eines solchen kritisch-emanzipatorischen Literaturunterrichts. ⫺ Von der grundlegenden These aus, daß Literatur nicht isoliert von den gesellschaftlichen und politischen Faktoren in ihrer Entstehung wie in ihrer Rezeption verstanden werden könne, lag es nahe, eine ausgearbeitete Gesellschaftstheorie wie den Marxismus zum allerdings seinerseits ideologischen Schlüssel der didaktischen Überlegungen zu machen. Am konsequentesten geschieht das in den Publikationen des von Heinz Ide initiierten ‘Bremer Kollektivs’: „Bestandaufnahme Deutsch“ (1970), „Projekt Deutschunterricht“ (1971 ff), „Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts“ (1974). Wichtige Beiträge zu einem ideologiekritischen, häufig auf Positionen der Frankfurter Schule um Adorno aufruhenden Literaturunterricht liefern ferner Christa Bürger (1970), Ivo (1971), Grünwaldt (1970), Vogt (1972), Merkelbach (1971) u. a. Auf Probleme und Ungereimtheiten der didaktischen Forderungen und Folgerungen in der Diskussion macht u. a. Haas (1973) aufmerksam. Der Wille zu einem im genauesten Sinne radikalen Neuansatz erstreckte sich auch auf die Literaturwissenschaft, von der eine generelle Öffnung zu den Sozialwissenschaften hin verlangt wird (vgl. Gansberg & Völker 1970, Lämmert 1973). Die Forderung nach Einbezug sozialwissenschaftlicher Aspekte in der Literaturwissenschaft und -didaktik führt in den 70er Jahren zur deutlich stärkeren Gewichtung von nichtpoetischen Texten wie Zeitungsbericht, Reportage und generell Sachtexten in Lesebüchern ⫺ als prägnantestes und interessantestes Beispiel dafür ist hier das von Dahrendorf initiierte und letztlich an bildungspolitischen Vorbehalten gescheiterte Lesewerk „Drucksachen“ zu nennen; ferner zur Öffnung des Unterrichts für die Trivialliteraturdiskussion (Nusser 1973, Waldmann 1977); sowie zur intensiveren Berücksichti-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

gung der Kinder- und Jugendliteratur im Unterricht (Grebe, Dahrendorf, Karst, Haas, Doderer, Oestreich u. a.). Auch eine Mediendidaktik, die das Fernsehen, aber ebenso Zeitungen und Zeitschriften in den Deutschunterricht mit einbezieht, wird in diesem Zusammenhang als unverzichtbares Element literarischer Bildung verstanden.

6.

Literaturdidaktik in der DDR

Die zentrale und einheitliche Zielvorgabe für den Literaturunterricht in der ehemaligen DDR wurde an der Akademie der Pädagogischen Wissenschaften in Berlin ausgearbeitet und diente als absolut verbindliche Grundlage auf allen Ebenen der Ausbildung und Praxis. Ein Autorenkollektiv unter Leitung von Wilfried Bütow verfaßte das autorisierte Lehrbuch „Methodik Deutschunterricht Literatur“ (Berlin 1977), in dem die Ziele und Wege der Literaturvermittlung an Schulen beschrieben sind. Literaturunterricht dient diesem Verständnis nach wie jede Tätigkeit des Menschen und wie speziell jeder erzieherische Prozeß primär dem Auf- und Ausbau der sozialistischen Gesellschaft. Unter zahlreichen Leerformeln verbirgt sich letztlich die Vorstellung vom Lehrer ⫺ analog zum Schriftsteller ⫺ als dem ‘Ingenieur der Seele’ (vgl. Stalin auf dem Schriftstellerkongreß 1934 in Charkow): „Die Begegnung mit Literatur im Unterricht ist besonders geeignet, auf der Grundlage des bewußten, geplanten gemeinsamen Lernens und der Entwicklung im Kollektiv den ganzen Menschen zu erfassen …“. Dies erfordert, „daß im Literaturunterricht eine zielstrebige ideologische Erziehung erfolgt, daß ein wichtiger Beitrag zur Herausbildung der sozialistischen Weltanschauung und Moral sowie zur Kollektiverziehung geleistet wird“ (Bütow 1977, 13). Die so beschaffene Literaturaneignung ⫺ der zentrale Terminus ⫺ muß sich beim Schüler „in Haltung und Handlung beweisen“ (25). Und was die Bedürfnisse des Schülers angeht, so wird mit Marx im Zirkelschluß deklariert: „Indem die sozialistische Literatur ein künstlerisches Bild unseres Lebens … gibt, erzeugt sie … auch das Bedürfnis für diesen Gegenstand“ (16). Methodisch gesehen ist dieser Unterricht bestimmt durch eine strikte Steuerung und die absolute Dominanz des Lehrers, der die Autorität und den Willen der Gesellschaft bzw. des Staates repräsentiert.

105. Aspekte und Probleme des Leseunterrichts: Literaturunterricht

7.

Literaturdidaktische Positionen der 80er und 90er Jahre: handlungsund produktionsorientierter Literaturunterricht

Mit der Konzeption des kritischen Lesens unlösbar verbunden ist die Lernziel- und Curriculum-Diskussion (Mager 1965; Robinsohn 1972; Meyer 1972; u. a.). Zwar erscheinen die Lernzielkataloge mit dem stereotypen ‘Die Schüler lernen/erkennen/untersuchen/ermitteln/ erarbeiten …’ auch schon in den Handbüchern zu den literarästhetischen Lesebuchwerken (vgl. „Lernziel⫺Kurse⫺Analysen zu Schwarz auf Weiß“ 1974), aber die Lernzieldominanz entspricht dem Ansatz des kritischen Lesens doch in besonderer Weise. Daß dabei die Schüler letztlich zu Objekten eines didaktischen Kalküls gemacht werden, zu Figuren in einem vorgegebenen Spiel, und daß ausschließlich ihr Erkenntnisvermögen in diesem Spiel verlangt wird, das zudem, was die gesellschaftlichen und politischen Dimensionen anbelangt, für sie außerordentlich schwer durchschaubar ist, rückte erst nach und nach ins Bewußtsein der Lehrer und Didaktiker. Einen ersten, fast unwilligen Reflex dieser Einsicht stellt das von A. C. Baumgärtner und M. Dahrendorf herausgegebene Bändchen „Zurück zum Literaturunterricht?“ (1977) dar; aber erst der von Peter Stein zusammengestellte Sammelband „Wieviel Literatur brauchen Schüler? Kritische Bilanz und neue Perspektiven des Literaturunterrichts“ (1980) vollzieht eine nüchternselbstkritische Bestandsaufnahme. Der Tenor so gut wie aller Beiträge von Christa Bürger über Karlheinz Fingerhut bis zu den Autoren des ehemaligen Bremer Kollektivs Klaus Hildebrandt und Helmut Lethen ist: Theorie und Praxis des ‘kritischen Lesens’ hat weithin das Subjekt des Leseprozesses vergessen! Die aus dieser Einsicht abgeleiteten ‘neuen Perspektiven’ bleiben allerdings noch punktuell und vorläufig. Seit Anfang der 70er Jahre gibt es aber Ansätze, die genau diesen Aspekt in den Mittelpunkt rücken und sich mit Elementen eines Offenen Unterrichts sowie der Freinet-Pädagogik verbinden. Unter dem Begriff eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts bildet sich hier nach und nach eine Konzeption heraus, die davon ausgeht, daß der seit langem dominante Gesprächsunterricht mit seinen im Gymnasium seit eh und je und seit den 60er Jahren auch

1237

im Bereich der Volksschule weitgehend kognitiven Zielsetzungen wesentlich zum Motivationsverlust im Bereich der Leseerziehung beigetragen habe und vor allem die Bedürfnisse und Möglichkeiten der Schüler im emotiv-affektiven Bereich vernachlässige. Statt ausschließlich über Texte zu sprechen wird vorgeschlagen, die Schüler in die Freiheit zu versetzen, auf Texte auch handelnd zu reagieren und dabei eine aktiv-produktive Verbindung zu ihnen herzustellen. Vor allem für die gedanklich langsamen, gewissermaßen sinnenhaft ‘denkenden’ und eher sprachungewandten Schüler wird so eine Grundlage geschaffen, auf der sie sich im Anschluß an die Handlungsphase in das vielfach daraus hervorgehende Gespräch ⫺ das nun aber eine sachliche und persönliche Grundlage hat! ⫺ mit einbringen können. Im Zentrum eines alternativen Literaturunterrichts steht dementsprechend der intensive Aufbau einer stabilen Lesemotivation und die Entfaltung einer ‘Lust am Text’ (Barthes 1971), in dem die kognitiven Erwartungen in einer Anfangsphase zurücktreten und interpretatorische Reflexionen durch sinnliches Handeln zunächst ersetzt, in der weiteren Entwicklung jedoch auch angeregt und befördert werden. Die Begriffe ‘handlungsorientiert’ und ‘produktionsorientiert’ sind nicht identisch, sowenig es die vorrangig die Diskussion bestimmenden theoretischen Ansätze von Haas (1976; 1984), Müller-Michaels (1987), Rupp (1987), Spinner (1976; 1987 a; 1987 b) und Waldmann (1980; 1984, 1988) sind. ‘Handlungsorientiert’ meint jede Form eines aktiven sinnenhaften Reagierens auf Texte und Agierens mit Texten; ‘produktionsorientiert’ bezeichnet den Text verändernde, ergänzende, rekonstruierende, variierende oder konterkarierende Prozesse, in denen sich der Ausgangstext in seiner Eigenart, Haltung und Struktur besonders deutlich öffnet. Waldmann benutzt ausschließlich den Begriff ‘produktionsorientiert’, Rupp spricht von ‘kulturellem Handeln’, Haas von einem ‘handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterricht’. Dabei ist ‘handlungsorientiert’ der weitere Begriff, der alle Formen des aktiv mit Texten Umgehens (Texte spielen, illustrieren, musikalisch übersetzen usw.) einschließt. Letztlich bedeutet dies immer, Texte zu produzieren. Da aber der produktive Aspekt ein besonders Gewicht besitzt, wird er in der Doppelformel ‘handlungs- und produktionsorientiert’ noch einmal betont hervorgehoben.

1238

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Entworfen wird dergestalt ein Unterricht, der von den konkreten Möglichkeiten und Bedürfnissen des Subjekts der Leseprozesse ausgeht. Die im zeitgenössischen Feld als adäquat und geboten angesehenen, d. h. den Wertvorstellungen und Bedürfnissen der Gesellschaft entsprechenden Zielvorgaben, als da sind: Vermittlung von aufklärerischen Impulsen, Ausbildung von Kritikfähigkeit, Aneignung des literarischen Erbes, Einführung in das literarische Leben, Einführung in die Formsprache alter und neuer Texte, Erschließung eines humanistischen Welt- und Menschenbildes usw. sind dadurch in keiner Weise in Frage gestellt. Da sie weder literarästhetische noch aufklärerisch-kritische Aspekte ausschließt, für beide aber im Sinne der Ausbildung einer tragfähigen, alle Sinne bedienenden Lesemotivation und durch die Bereitstellung von Reaktionsweisen für alle Begabungen erst die lesepädagogische Grundlage schafft, gehört die Konzeption eines handlungs- und produktionsorientierten Literaturunterrichts auch in den Zusammenhang von im musisch-ästhetischen Bereich wieder eine stärkere Fächerintegration anstrebenden Intentionen, und sie verbindet sich nicht zuletzt mit den zahlreichen außerschulischen Aktivitäten zu einer intensiven Leseförderung.

8.

Literatur

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1240

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Gerhard Haas, Heidelberg (Deutschland)

106. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Erstschreiben 1. 2. 3. 4.

Grundlegende Aspekte Geschichte des Erstschreibunterrichts Jüngere Entwicklung und heutiger Stand Literatur

1.

Grundlegende Aspekte

1.1. Schreiben Schreiben ist neben Sprechen, Lesen und Hören eine sprachliche Grundfähigkeit und wird als ein Prozeß verstanden, der die Auseinandersetzung mit der Sprache in ihrer schriftlichen Erscheinungsform zum Ziele hat. Ausgehend von der Auffassung, daß die Schriftsprache als eine besondere Form des Sprachverhaltens (vgl. Weigl 1976, 82) von der Lautsprache unterschieden ist und der Schriftsprachgebrauch „die Fähigkeit zu planender, reflexiver und selbstbezüglicher Bewußtseinstätigkeit auf eine qualitativ neue Stufe stellte“

(Giese 1983, 22), ist Schreiben als graphische Fixierung von Sprache vor allem eine kognitive Handlung, durch die neue Erkenntnismöglichkeiten gewonnen werden (Giese 1985, 155). Schreiben wird als ein Sprachhandeln und als eine sprachanalytische Tätigkeit des Kindes (Dehn 1988, 17) verstanden. Schreiben beinhaltet ferner kommunikative formalästhetische und graphomotorische Aspekte, die in den verschiedenen Definitionen des Schreibens (Kainz 1967; Grünewald 1970; Weigl 1976) und demzufolge auch in der Schreibdidaktik (Sütterlin 1916; Kuhlmann 1917; Brückl 1933; Kern & Kern 1949, Menzel 1981) unterschiedlich gewichtet werden. 1.2. Schreibenlernen ⫺ Erstschreibunterricht Das Schreiben umfaßt alle schriftlichen Tätigkeiten vom Erlernen der Buchstabenschrift über das Auf- und Nachschreiben bis zum

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

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Gerhard Haas, Heidelberg (Deutschland)

106. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Erstschreiben 1. 2. 3. 4.

Grundlegende Aspekte Geschichte des Erstschreibunterrichts Jüngere Entwicklung und heutiger Stand Literatur

1.

Grundlegende Aspekte

1.1. Schreiben Schreiben ist neben Sprechen, Lesen und Hören eine sprachliche Grundfähigkeit und wird als ein Prozeß verstanden, der die Auseinandersetzung mit der Sprache in ihrer schriftlichen Erscheinungsform zum Ziele hat. Ausgehend von der Auffassung, daß die Schriftsprache als eine besondere Form des Sprachverhaltens (vgl. Weigl 1976, 82) von der Lautsprache unterschieden ist und der Schriftsprachgebrauch „die Fähigkeit zu planender, reflexiver und selbstbezüglicher Bewußtseinstätigkeit auf eine qualitativ neue Stufe stellte“

(Giese 1983, 22), ist Schreiben als graphische Fixierung von Sprache vor allem eine kognitive Handlung, durch die neue Erkenntnismöglichkeiten gewonnen werden (Giese 1985, 155). Schreiben wird als ein Sprachhandeln und als eine sprachanalytische Tätigkeit des Kindes (Dehn 1988, 17) verstanden. Schreiben beinhaltet ferner kommunikative formalästhetische und graphomotorische Aspekte, die in den verschiedenen Definitionen des Schreibens (Kainz 1967; Grünewald 1970; Weigl 1976) und demzufolge auch in der Schreibdidaktik (Sütterlin 1916; Kuhlmann 1917; Brückl 1933; Kern & Kern 1949, Menzel 1981) unterschiedlich gewichtet werden. 1.2. Schreibenlernen ⫺ Erstschreibunterricht Das Schreiben umfaßt alle schriftlichen Tätigkeiten vom Erlernen der Buchstabenschrift über das Auf- und Nachschreiben bis zum

106. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Erstschreiben

Abfassen von eigenen Texten. Schreibenlernen meint den Erwerb der genannten Tätigkeiten. Im Schreibunterricht des ersten Schuljahres erfolgt die erste systematische Vermittlung des Schreibens. Der Unterricht bezieht die Tatsache ein, daß Kinder sich bereits vor Schuleintritt und neben der Schule ohne gezielte Unterweisung aus eigener Aktivität und spontan mit der Schriftsprache beschäftigen und ⫺ wenn auch von Kind zu Kind sehr unterschiedlich ⫺ bereits Vorerfahrungen mit Schrift und Schreiben haben. 1.3. Zielsetzung des Erstschreibunterrichts Die Zielsetzung des Erstschreibunterrichts ergibt sich aus der gegenwärtigen Auffassung zum Schriftspracherwerb. Die Einführung in die Grundqualifikation Schreiben muß von Anfang an mit dem Ziel verbunden sein, alle Aspekte der Schriftsprache zu berücksichtigen. Den Kindern muß die kognitive und kommunikative Funktion des Schreibens vermittelt und das Verständnis des Schreibens als Problemlösen und als Nachdenken über Schriftsprache erfahrbar gemacht werden. (Dehn 1988; Brügelmann & Balhorn 1990). Ferner muß es Ziel des Schreibunterrichts sein, die Kinder für die ästhetische Qualität der Schrift zu sensibilisieren. Es geht nicht nur darum, Freude an einer ästhetisch gut gelungenen Schrift zu wecken, sondern auch um den künstlerisch-kreativen Umgang mit ihr (Krichbaum 1987; Hegele & Reinert et al. in Blumenstock & Renner 1990). Auf diesem Hintergrund soll das Erlernen der optischmotorischen Form der Buchstaben und der Buchstabenfolge, also der Erwerb der Handschrift erfolgen. Gemäß den Grundschulrichtlinien der verschiedenen Bundesländer ist es das Ziel des Erstschreibunterrichts, die Kinder zu befähigen, bis zum Ende des ersten, spätestens bis Mitte des zweiten Schuljahres einfache Texte in der jeweils vorgegebenen Ausgangsschrift graphisch und orthographisch richtig zu schreiben. Dabei wird ⫺ bedingt durch die Entwicklung der Handschrift von einer Dokumentations- zur Verkehrsschrift ⫺ nicht mehr die vollkommene Nachahmung vorgegebener kalligraphischer Formen angestrebt, sondern die Ausbildung einer lesbaren, flüssigen und entwicklungsfähigen persönlichen Handschrift. 1.4. Methoden des Schreibunterrichts Im Erstschreibunterricht werden wie im Erstleseunterricht drei Gruppen von Methoden unterschieden, die sog. synthetischen, die sog.

1241

Ganzheitsmethoden, vielfach auch analytische oder ganzheitlich-analytische Methoden genannt, und die methodenintegrierenden Verfahren. Die synthetischen Methoden, nach denen in früheren Jahrhunderten vorrangig Schreiben gelehrt wurde, bauen den Schreiblehrgang so auf, daß zunächst Einzelbestandteile der Schrift ⫺ in der Regel die Buchstaben, Buchstabenteile oder Buchstabengruppen ⫺ geübt und dann zu größeren Einheiten zusammengesetzt werden. Die ganzheitlichen Methoden in ihren verschiedenen Spielarten wollen demgegenüber den umgekehrten Weg einschlagen. Sie beginnen mit dem Schreiben von Wort- und Satzganzen und dringen von da ⫺ durch Aufgliederung ⫺ zum Schreiben der Grundbestandteile der Schrift vor. Das methodische Vorgehen war allerdings in der Praxis des Schreibunterrichts (wie im Erstleseunterricht) nie ausschließlich ganzheitlichanalytisch oder ausschließlich synthetisch ausgerichtet. Analyse und Synthese bedingen einander und sind aufeinander bezogen (vgl. bereits Bosch 1937). Während jedoch früher analytische Prozesse (bei den ganzheitlichanalytischen Methoden) und synthetische Prozesse (bei den synthetischen Methoden) zu Beginn des Lehrgangs jeweils über einen längeren Zeitraum dominierten, wurden seit den siebziger Jahren verschiedene Spielarten methodenintegrierender Verfahren entwikkelt, denen gemeinsam ist, daß analytische und synthetische Übungen von Anfang an miteinander verbunden werden. Die Methoden des Schreibunterrichts sind abhängig von der jeweiligen Sinngebung der Schrift (Dokumentations- oder Verkehrsschrift), der Zielsetzung des Schreibunterrichts, der Auffassung des Schreibens, der jeweiligen Ausgangsschrift (Erstschrift) sowie der Bestimmung des Elementaren im Schreibunterricht. Darüber hinaus wird der Schreibunterricht von den in einer Epoche der Schulgeschichte gültigen Leitbildern von Schule und Unterricht beeinflußt. So war in den fünfziger und sechziger Jahren die Durchführung eines synthetischen Erstlese- und Erstschreibunterrichts für einen Vertreter eines kindgemäßen und das hieß hier an der Erlebniswelt des Kindes orientierten Gesamtunterrichts mit dessen pädagogischen Grundauffassungen von Schule und Unterricht nicht vereinbar. Der synthetische Unterricht galt als isolierter Lehrgang, der nach damaliger Auffassung nicht in das Gesamtkonzept eines ganzheitlichen, dem Prinzip des Kindgemäßen verpflichteten Unterrichts paßte.

1242 1.5. Schreiblernvoraussetzungen auf seiten des Kindes Sprache: Zu den sprachlichen Leistungen, die für das Schreibenlernen wichtig sind, gehören Sprachverständnis, Wortschatz, Satzbau, Formenbildung, Artikulationsfähigkeit, aber auch Einsichten in die Funktion und in den Symbolcharakter der Buchstabenschrift. Das Kind muß wissen, daß in der Sprache Bedeutungen, Vorstellungen und Wissen festgehalten werden und daß man gesprochene und gedachte Sprache niederschreiben kann. Die Sprache muß als Gegenstand erkannt werden, über den man nachdenken und den man analysieren kann. Die Funktionstüchtigkeit der am Schreibakt beteiligten Sinnesorgane muß gewährleistet sein. Da vom Kind optische, akustische und manuelle Leistungen gefordert werden, ist es notwendig, daß Auge, Ohr und Hand anatomisch und physiologisch gesund sind und evtl. Mängel durch Funktionsschulung oder durch orthopädische Hilfen behoben werden. Wahrnehmung: Voraussetzung für die für das Schreiben erforderliche visuelle Unterscheidung von Buchstaben und Buchstabenverbindungen ist eine differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit, die neben dem einzelheitlichen Erkennen die „Figur-Grund-Unterscheidung“ und die „Form-Konstanz-Beachtung“ (Frostig) umfaßt. Beim Schreiben nach Diktat werden neben optischen auch akustische Wahrnehmungsleistungen gefordert. Untersuchungsergebnisse (Nickel 1967; Kleinhans 1966) sowie Schreibleistungen noch nicht eingeschulter Kinder („Spontanschreiber“) (Blumenstock 1986, 1990; Gaber & Eberwein 1986) zeigen, daß Kinder bei Schuleintritt, wenn auch in unterschiedlichem Maße, von der Wahrnehmungsfunktion her die Voraussetzungen für das Erlernen des Schreibens mitbringen. Zudem ist die Wahrnehmungsfähigkeit nicht nur reifungs- und entwicklungsbedingt, sondern kann durch entsprechende Lernprozesse gefördert werden. In jüngerer Zeit wird verstärkt darauf hingewiesen, daß die Wahrnehmung ein aktiver Prozeß ist und der Erwerb von Wahrnehmungsfähigkeiten an einen aktiven und affektiven Umweltbezug gebunden ist. Motorik: Kinder im Vorschulalter bevorzugen bei ihren Schreibversuchen Druckbuchstaben und eine große Schrift. Das erfordert weitaus geringere motorische Anstrengungen als das Schreiben einer verbundenen Schrift, die zudem kleiner ist als die von den

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Kindern im Vorschulalter gewählte Schriftgröße. Für das erfolgreiche Erlernen einer verbundenen Schrift ist ein höherer Entwicklungsstand in der Motorik Voraussetzung als für das Erlernen einer unverbundenen Schrift. Das Kind muß mit der Hand und mit dem Arm verhältnismäßig kleine Bewegungen ausführen, dabei ein Schreibgerät halten und mit ihm präzise Linien und Striche mit gleichbleibendem Druck auf einer Unterlage ausführen. Dabei sind physiologische Voraussetzungen zu beachten. Aus motorischer Sicht muß für das Schreibenkönnen die Verknöcherung der Handwurzelknochen eingesetzt haben und die Fähigkeit der Auge-Hand-Koordination gegeben sein. Die Feinstrukturen der Motorik gelingen erst, wenn das komplizierte Wechselspiel von Grob- und Feinmotorik beherrscht wird. Bei Bewegungsverläufen der Grobmotorik (Laufen, Springen etc.) werden große Teile des Körpers beansprucht. Feinmotorische Bewegungen (Schneiden, Sticken) nehmen nur kleinere Muskelpartien in Anspruch. Es ist wissenschaftlich ungeklärt, ob die grobmotorischen Bewegungen die feinmotorischen vorbereiten oder nicht. Ebenso ist fraglich, ob grobmotorische und allgemein feinmotorische Bewegungsübungen für die Unterstützung des Schreibunterrichts ausreichend sind. Von seiten der Motologie wird die Forderung erhoben, daß für ein erfolgreiches Schreibenlernen bestimmte graphomotorische Übungen (Zeichnen von Strichen, Linien, Wellen u. a. als Grundformen der Schreibschrift) notwendig sind (Schilling 1990). Es sei noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Schreibentwicklungsstand der Schulanfänger sehr unterschiedlich ist. Es muß damit gerechnet werden, daß die Schreibleistungen von Kritzelschriften über das Schreibenkönnen einzelner Buchstaben bis zur perfekten Schreibleistung der orthographisch richtigen oder fast richtigen Wiedergabe einzelner Wörter und Sätze reicht (Neuhaus-Siemon 1989; → Art. 97).

2.

Geschichte des Erstschreibunterrichts

Im Altertum (Quintilian) und Mittelalter wurde Schreiben in Form einer Meisterlehre durch Vor- und Nachmachen gelehrt (→ Art. 38, 40). Grundlage des Schreibunterrichts waren geometrische Überlegungen (Dürer

106. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Erstschreiben

1538). In den genetischen Methoden des 19. Jahrhunderts wurden die Elemente der Buchstaben als senkrechter Strich, Halbrund, Halbovale bestimmt und die Buchstaben daraus aufgebaut (Stephani 1815). Dietlein (1856) betonte den Einfluß der physiologisch bedingten Schreibbewegung auf die Buchstabenform und stellte damit den Bewegungscharakter des Schreibens heraus. Auch R. Händlers physiologische Schreibmethode folgte der Auffassung, daß Schreiben ein physiologisch-anatomisch bestimmter Bewegungsablauf sei. Die von den Kindern zu schreibenden Schriften (deutsche Kurrentschrift, englische Kursivschrift) waren Duktusschriften, die als Norm galten und vom Schreiber nicht verändert werden durften. Kriterium für die Schriftbeurteilung war die bestmögliche und abbildgetreue Nachahmung des Vorbildes. Die reformpädagogische Bewegung im ersten Drittel unseres Jahrhunderts beeinflußte durch ihre Forderung nach einer kindgemäßen Schule, in der die Produktivität und Selbsttätigkeit des Schülers gefördert und seine schöpferischen Fähigkeiten entfaltet werden sollten, die verschiedenen Schulfächer. Auch der Erstschreibunterricht blieb insbesondere von den Einflüssen der Kunsterziehungsbewegung, der Arbeitsschulbewegung und der Gesamtunterrichtsbewegung nicht unberührt (vgl. zum folgenden Neuhaus-Siemon 1981). Die Kunsterziehungsbewegung, die über eine künstlerische Erziehung eine umfassende Erziehung und Bildung des Menschen anstrebte, wies auf die in der Schrift enthaltenen Schönheitswerte hin. Schreibenlernen wurde als eine graphische Kunsttätigkeit gesehen, von der Erziehungswirkungen auf den jungen Menschen ausgehen. Bedeutende Schriftkünstler und Schriftreformer im Umkreis der Kunsterziehungsbewegung wie Rudolf von Larisch nahmen sich der Schulschrift an und beschäftigten sich mit dem schulischen Schreibunterricht. Larisch gilt als einer der ersten, der eine verbindliche Schriftnorm ablehnte und die individuellen Eigenarten des Schreibers zur Geltung kommen lassen wollte (→ Art. 14). Weitere Impulse gingen von der Arbeitsschulbewegung mit ihrer Forderung nach Produktivität und Selbsttätigkeit des Kindes aus. Fritz Kuhlmann wollte als ein leidenschaftlicher Anhänger des Arbeitsschulprinzips die Selbsttätigkeit und Produktivität des Kindes schon im Schreibunterricht des ersten

1243

Schuljahres freilegen und von Schulbeginn an das Kind zu einer individuellen Gestaltung seiner Handschrift führen. Grundlage dieser Auffassung ist die Annahme, daß im Kind künstlerische und rhythmische Fähigkeiten verborgen liegen, die zu eigener Gestaltung und zu eigenem Ausdruck drängen und die ein geeigneter Unterricht zu unterstützen hat. Diese Ansicht war in der Kunsterziehungsbewegung (C. Götze, A. Jensen, W. Lamszus u. a.) sowie bei den der Kunsterziehung nahestehenden Arbeitsschulmethodikern (P. G. Münch, H. Scharrelmann, F. Gansberg) allgemein vertreten. Auch der Anspruch, über eine künstlerische Erziehung ethische Wirkungen auszulösen, vereint Kuhlmann mit den genannten Reformpädagogen. Gemeinsam ist ihnen auch die Achtung vor der Persönlichkeit des Kindes; jeder Drill und Zwang in Erziehung und Unterricht ⫺ so auch im Schreibunterricht ⫺ wird verabscheut. Kuhlmann versteht Schreiben als Volkskunst, und schon im ersten Schreibunterricht soll ein ästhetisches Empfinden für die Schriftgestaltung geweckt werden. Schreibunterricht und Zeichenunterricht gehören nach Kuhlmann zusammen. Beide sind dem Gesamtgebiet graphischer Ausdruck zuzurechnen. Kuhlmann lehnt ein für alle verbindliches Ausgangsalphabet als Schriftvorlage für die Kinder ab, da es nach seiner Meinung die schöpferischen Fähigkeiten des Kindes unterdrücke. Das Kind lernt zunächst die Druckschrift (Gemischte Antiqua) sorgfältig nachzeichnen. Mit dem Übergang von der Druckschrift zur Schreibschrift beginnt der eigentliche Schreibunterricht. Die Selbsttätigkeit der Kinder liegt darin, daß sie die Schreibform der Buchstaben aus den gedruckten Buchstabenformen der Leseschrift selbst entwickeln und dabei sowohl eigene Buchstaben und Buchstabenverbindungen wie auch ihren eigenen Schreibrhythmus finden. Kriterium für die Bewertung der Schülerschrift ist die Originalität der vom Kinde entwickelten Buchstaben- und Schriftform unter Berücksichtigung der Lesbarkeit der Schrift (vgl. Kuhlmann 1916, 1925). Auch L. Sütterlin, ein Zeitgenosse Kuhlmanns, sieht Schrift und Schreibunterricht unter künstlerischem Aspekt. Schrift ist graphische Kunst und trägt als „Flächenschmuck“ zur Geschmacksbildung bei (Sütterlin 1922, 70). Im Unterschied zu Kuhlmann ist Sütterlin der Auffassung, daß die Kinder für das Erlernen der Schrift verbindliche Ausgangsformen benötigen, von denen

1244 sie dann später zu einer persönlichen Handschrift übergehen können. Als Schriftkünstler und Kunstschriftlehrer entwickelt er eine neue Schrift in deutschen und lateinischen Buchstaben, die im Unterschied zur früheren Schrägschrift eine senkrechte Lage hat (Sütterlin-Schrift). Methodisch ging Sütterlin so vor, daß nach einem Vorkurs mit den Großbuchstaben der Antiqua die Buchstaben der Sütterlin-Schrift „aufbauend“ geschrieben wurden. Es handelt sich um ein synthetisches Lehrverfahren, bei dem die Buchstaben in Einzelteile zerlegt wurden, die Gesamtgestalt des Buchstabens den Kindern jedoch immer bewußt blieb. In den zwanziger Jahren wurde im Zusammenhang mit der Reform der Grundschule auch der Schreibunterricht nach dem Ganzheitsprinzip umgestaltet. Erste Hinweise auf einen ganzheitlichen Unterricht lassen sich schon früher verfolgen (F. Gedike 1791, J. Jacotot 1818). Die Ganzheitsmethodiker (Brückl 1923, Wittmann 1929, A. u. E. Kern 1949 u. a.) gingen von der Auffassung aus, daß das Kind die Welt als eine komplexe „Ganzheit“ erlebe und sie ganzheitlich erfasse. Wahrnehmen, Erleben und Darstellen des Kindes entwickele sich von undifferenzierten Ganzheiten zu immer differenzierteren und gegliederteren Gestalten. Das Schreiben würde von einem Gesamtimpuls gesteuert. Der Schreiblehrgang folgte diesem Entwicklungsgang. Das Kind beginnt nach einem kurzen Vorkurs im malenden Zeichnen sofort mit dem Abschreiben von Wörtern und Sätzen, die ihm aus dem Leselehrgang bekannt sind. Dabei verinnerlicht sich das Kind nach Auffassung der Ganzheitsmethodiker die Schreibbewegung. Die ganzheitlichen Methoden wurden modifiziert durch Hans Brückl (1923). Schreiben- und Lesenlernen waren bei Brückl in den Gesamtunterricht eingegliedert und damit immer auf einen für das Kind bedeutungsvollen und ganzheitlichen Inhalt gerichtet. Jedoch überwogen bei Brückl zu Beginn des Schreiblehrganges synthetische Akte, da er die Kinder über das Erlernen einzelner grundlegender Formelemente (Ball, Schlange, Spazierstock, Turnstange) zum Schreiben der Buchstaben und Sätze führte. Es handelte sich jedoch insofern um ein ganzheitliches Schreiben, als den Kindern der Sinn des Geschriebenen bekannt war. Während die Ganzheitsmethodiker Kern und Reinhard die Schreibschrift als Erstschrift wählten, beginnt

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Brückl seinen Schreiblehrgang mit der Druckschrift. In der Zeit des Nationalsozialismus wurden die Ganzheitsmethoden verboten, jedoch gingen die Bemühungen um eine Verbesserung der Ausgangsschrift weiter. Dahinter verbarg sich die Auffassung, über eine Neugestaltung der Schriftform eine Verbesserung des Schreibunterrichts zu erreichen. So wurde 1934 die Sütterlinschrift durch eine Verordnung des Reichserziehungsministeriums leicht abgeändert. Die jetzt vorgeschriebene „Deutsche Volksschrift“ hatte eine leichte Schräglage (70⬚ Rechtsneigung) und weniger Rundformen als die Sütterlinschrift. In den dreißiger Jahren wurde ferner der Streit, ob „deutsche“ oder „lateinische“ Schrift geschrieben werden sollte, weitergeführt. Die Nationalsozialisten setzten sich in „völkischer Verantwortung“ dafür ein, die deutsche Schrift als nationales Kulturgut weiter zu pflegen und hielten auch in den „Richtlinien für den Unterricht in den vier unteren Jahrgängen der Volksschulen“ vom 10. April 1937 an der deutschen Schrift als Erstschrift fest. Völlig überraschend wurde dann 1941 anstelle der deutschen Schrift die Lateinische Schrift als Verkehrsschrift eingeführt. Verbindliche Schriftvorlage war die deutsche Normalschrift. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden die ganzheitlichen Methoden in Theorie und Praxis weiterentwickelt. Grundlage für die Reformen war die Auffassung, daß Schreiben „rhythmisierte Bewegung“ sei. Zwar sei das Schreiben wie das Lesen „Sinndarstellen“ und müsse sich daher auf jeder Stufe auf „Sinnganze“ (Wörter oder kleine Sätze) beziehen. Entscheidend für das Schreiben sei darüber hinaus, daß „graphische Formeinheiten und Bewegungsganze rhythmisch und nach ausreichender Übung automatisiert und geläufig nach Gesamtimpulsen dargestellt werden“ (Reinhard 1962, 159). Der Bewegungscharakter des Schreibens wurde ebenfalls von den im Iserlohner Schreibkreis (1951⫺1965) vereinigten Schriftmethodikern betont und das Drucken der gemischten Antiqua, wie es Brückl praktizierte, abgelehnt. Da nach ihrer Meinung der Schreibunterricht eigenen Gesetzen folge, sei auch eine zu enge Verbindung von Schreibenund Lesenlernen, wie sie von Kern praktiziert würde, abzulehnen. Sie fordern daher eine Trennung von Lese- und Schreiblehrgang. Der Iserlohner Schreibkreis machte für den Schriftzerfall bei den Schülern u. a. auch die

106. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Erstschreiben

Formen der Deutschen Normalschrift verantwortlich. Er entwickelte eine neue Schriftvorlage, die Lateinische Ausgangsschrift, in der die Grundform nicht der Kreis, sondern das Oval war. Die Lateinische Ausgangsschrift sollte keine verbindliche Norm sein, sondern eine Ausgangsschrift für die spätere persönliche Handschrift. Die Lateinische Ausgangsschrift wurde von der Kultusministerkonferenz als Richtform für die Schulen gebilligt und im Jahre 1953 für die einzelnen Bundesländer verbindlich eingeführt (Bayern 1966).

3.

Jüngere Entwicklung und heutiger Stand

Die jüngere Entwicklung des Erstschreibunterrichts ist in Zusammenhang zu sehen mit der Bildungsreform der ausgehenden sechziger und der beginnenden siebziger Jahre. Impulse für die Entwicklung gingen einerseits von der Sprachwissenschaft, der Curriculumtheorie und der Lernpsychologie aus, andererseits von den Untersuchungen Grünewalds (1970) über den Bewegungsvorgang beim Schreiben. Die Linguistik wies auf den engen Zusammenhang von Schrift und Sprache hin. Schreiben gilt als sprachliche Grundfähigkeit, die Sprache in graphische Zeichen abbildet und die der schriftlichen Verständigung dient. Schreiben ist demnach ein Teillernbereich des Deutschunterrichts und dessen allgemeiner Zielsetzung verpflichtet, die sprachlichen Fähigkeiten des Schülers zu erweitern. Der Hinweis auf den engen Zusammenhang von Schrift und Sprache hatte zur Folge, daß den Schreibinhalten größere Beachtung als bislang geschenkt wurde. Die allgemeine Curriculumdiskussion wirkte sich im Schreibunterricht dahingehend aus, daß die Zielproblematik stärker in den Mittelpunkt rückte. Unter dem Einfluß der anglo-amerikanischen Lernpsychologie wurde eine schärfere Gliederung der Lernprozesse in eine sachlich angemessene Stufenfolge von elementaren zu komplizierten Lernschritten gefordert. Für jeden Lernschritt sollte das Teillernziel exakt formuliert werden. Dies wurde in einer Reihe von Lehrplänen (Nordrhein-Westfalen 1973, Baden-Württemberg 1977) und in Schreiblehrgängen (Menzel 1973/1978) verwirklicht. Bedingt durch die auf die Ziel- und Inhaltsproblematik gerichtete Curriculumforschung verlor der Methodenstreit zwischen den Vertretern der ganzheitlichen und der

1245

synthetischen Methoden um die jeweils beste Methode seine Vorrangstellung. Ferner wurde die den ganzheitlichen Methoden zugrunde liegende psychologische Auffassung, das Kind erlebe die Welt zunächst komplexganzheitlich und schreite nach und nach zu einer differenzierteren Wahrnehmung vor, durch empirische Untersuchungsergebnisse (Kleinhans 1966, Nickel 1967 u. a.) modifiziert. Die Autoren wiesen nach, daß auch bereits jüngere Kinder von vier bis sechs Jahren zu einer einzelheitlichen Auffassung fähig sind und Unterschiede bei ähnlichen Gegenständen oder Zeichen erkennen können. Der Methodenstreit wurde zudem relativiert durch empirische Forschungsergebnisse über die Leistungsfähigkeit verschiedener Methoden (Weinert, Simons & Essing 1966). Grünewald (1970) betonte den motorischen Aspekt des Schreibens. Ausgehend von der Voraussetzung, daß Schrift durch Bewegung entsteht, untersuchte er empirisch das Schreiben als einen Bewegungsvorgang und stellte Merkmale und Gesetze auf, nach denen dieser angemessen erfaßt werden kann. Nach Grünewald erfolgt das Schreiben in einer ungleichförmigen Bewegung und kommt an Punkten, an denen der Schriftzug zurück oder winklig weitergeführt wird, ganz zum Stillstand („Geschwindigkeitsnullpunkt“). Der Schreibweg zwischen zwei Geschwindigkeitsnullpunkten wird von Grünewald Bewegungsphase genannt. Charakteristisch für den Bewegungsvorgang beim Schreiben ist ferner die Drehrichtung, die sich in der Lateinischen Ausgangsschrift entweder in Linksoder in Rechtsdrehungen vollzieht. Nach Grünewald hemmt ein häufiger Drehrichtungswechsel das flüssige und schnelle Schreiben. Grünewald entwickelte auf der Grundlage seiner Untersuchungen die Vorlage für eine Vereinfachte Ausgangsschrift, die von verschiedenen Kommissionen weiterentwikkelt wurde und in einigen Bundesländern bisher gebräuchlich ist. In der ehemaligen DDR wurde mit Beginn des Schuljahres 1968/69 eine neue Ausgangsschrift eingeführt, in der im Vergleich zur bisherigen Schriftvorlage die Großbuchstaben vereinfacht wurden, während bei den Kleinbuchstaben nur geringfügige Veränderungen vorgenommen wurden. Ziel war dabei eine Annäherung der Schreibschriftform an die gedruckte Fibelschrift und an eine deutlich geschriebene Erwachsenenschrift (Kaestner & Tost 51974, 37). Diese Schrift hat in der DDR positive Ergebnisse erbracht (38 f). Sie wird

1246 in den neuen Bundesländern entweder als alleinige Schulausgangsschrift (SAS) beibehalten oder mit der Lat. Ausgangsschrift (LA) und/oder der Vereinfachten Ausgangsschrift (VA) zur Wahl gestellt. Die Tatsache, daß auch in anderen Ländern (z. B. Polen, der ehemaligen Tschechoslowakei, Belgien, USA) vereinfachte Schriftalphabete geschrieben werden, zeigt, daß das Bedürfnis nach Vereinfachung der Formen international gegeben ist, ohne daß jeweils die von Grünewald vertretene Fundierung vorliegt. Gegen die Untersuchung Grünwalds zum Bewegungsablauf beim Schreiben ist einzuwenden, daß Grünewald den Schreibvorgang als eine mit physikalischen Kriterien zu beschreibende ungleichförmige Bewegung kennzeichnet. Dabei wird zu wenig beachtet, daß Schreiben als graphische Fixierung von Sprache als ein kompliziertes Zusammenspiel von motorischer Bewegung und geistiger Steuerung anzusehen ist und nicht allein als ein Aneinanderreihen von Bewegungsphasen erfaßt werden kann. Man wird dem Schreibvorgang nicht hinreichend gerecht, wenn man die kognitiven Prozesse, die sich beim Schreiben abspielen, außer acht läßt. Außerdem wird von Grünewald zu wenig berücksichtigt, daß jeder Mensch auf Grund eines individuellen Bewegungs- und Schreibrhythmusses (vgl. Lockowandt & Honegger-Kaufmann 1981) beim Schreiben individuell unterschiedlich absetzt und demzufolge auch die Bewegungsphasen individuell variieren. Demgegenüber stellt der Spracherfahrungsansatz (Brügelmann 1989, Dehn 1988, Spitta 1986, Brügelmann & Balhorn 1990) die inhaltliche Seite des Schreibens in den Mittelpunkt. Ausgangspunkt ist die These, daß die Kinder „aktive Konstrukteure“ ihrer Auffassungen von der Schriftsprache sind (Brügelmann u. a.). Von Interesse ist jetzt die Erkenntnisgewinnung, die das Kind durch das Schreiben erfährt, also inhaltliche Aspekte. Was schreibt das Kind spontan? Sind rechtschreibliche Gesetzmäßigkeiten zu erkennen? Wie verläuft die „sprachanalytische Tätigkeit“ des Kindes (Dehn 1988)? Mit der Einsicht, daß sich der Schriftspracherwerb durch eigenes Sprachhandeln auch unabhängig von der Schule vollzieht, geht die Erkenntnis parallel, daß es sich hier um einen sich ständig im Leben vollziehenden Vorgang handelt. Ihn gilt es zu erforschen, um daraus für den Unterricht Rückschlüsse ziehen zu können. Aus diesem Grunde finden auch die spontanen Schreibversuche von Kindern im Vor-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

schulalter (Blumenstock 1986) große Beachtung. Im Spracherfahrungsansatz tritt der graphomotorische Aspekt des Schreibens zurück. Schilling (1990, 17) betont jedoch, daß Schreiben als eine komplexe psychomotorische Fähigkeit vor allem in der Phase des Erwerbs in Abhängigkeit steht von visuomotorischen und psychomotorischen Fähigkeiten. Nach seiner Auffassung ist ein gezieltes graphomotorisches Funktionstraining zur Förderung der graphomotorischen Fähigkeiten vor Vermittlung des Buchstabenschreibens notwendig. Auf die lange Zeit vernachlässigte ästhetische Qualität von Schrift und Schreiben weisen Bärmann (1979) und Krichbaum (1987) hin. Der Schreibunterricht wird damit Teil einer musisch-ästhetischen Erziehung. Der künstlerische Umgang mit der Schrift wird im Spracherfahrungsansatz ebenfalls wenig thematisiert. In der gegenwärtigen fachdidaktischen Diskussion werden demnach verschiedene Aspekte des Schreibens herausgestellt: Schreiben als produktive Tätigkeit, als Sprachhandeln, als individueller Umgang mit der Schrift (Spracherfahrungsansatz); Schreiben als künstlerische Tätigkeit; Schreiben als graphomotorische Tätigkeit, einschließlich der Bemühungen, über eine Änderung der Ausgangsform der zu erlernenden Schreibschrift eine Verbesserung des Erstschreibunterrichts zu erreichen. Die verschiedenen fachdidaktischen Ansätze zum Schreibunterricht haben unmittelbare Konsequenzen für die Unterrichtspraxis. Wird Schreibenlernen als eine aktive Tätigkeit und als Problemlösungsversuch von Kindern verstanden, müssen in der Schule Unterrichtsformen praktiziert werden, die eine freie und selbständige Auseinandersetzung des Kindes mit dem Gegenstand ermöglichen. Das heißt, daß dem Kind vielfältige Gelegenheiten zum freien Schreiben, zum selbständigen Ausprobieren der Schrift gegeben werden müssen (Beispiele: Spitta 1986; Dehn 1988; Brügelmann 1989). Im Schreiblehrgang hat jedoch ebenso das schulisch geleitete Lernen (systematische Einführung der Buchstabenformen und -verbindungen, graphomotorische Übungen) seinen Platz, wobei letzteres an das vorschulische Lernen anknüpfen und die hohe Schreibmotivation der Schulanfänger nutzen sollte. Freies Schreiben und schulisch geleitetes Schreiben werden heute in ihrer Ergänzungsbedürftigkeit erkannt (Blumenstock & Renner 1990).

106. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Erstschreiben

Die Frage, ob dem Erlernen der Schreibschrift ein Druckschriftvorkurs vorgeschaltet werden soll, ist umstritten. Da sich im Erstleseunterricht wegen der leichteren Lesbarkeit für Leseanfänger die Druckschrift (Gemischte Antiqua) als erste Leseschrift durchgesetzt hat, ist wegen der angestrebten engen Verzahnung von Erstlese- und Erstschreibunterricht (beide Lehrgänge stützen sich gegenseitig) ein Vorkurs in Druckschrift im Schreiblehrgang wünschenswert, zumal sie für Anfänger leichter zu schreiben ist, wie Meis (1963) und Daumenlang (1972) nachwiesen. Menzel befürwortet, gestützt durch eigene Untersuchungen (1981), eine „Lateinische Ausgangsdruckschrift“ und möchte die Alternative „Vereinfachte oder Lateinische Ausgangsschrift“ überwinden. Schreibmethodiker wie Grünewald (1981) und in der Vergangenheit der Iserlohner Schreibkreis vertreten demgegenüber die Auffassung, daß der Bewegungsablauf beim Schreiben und der Schreibrhythmus durch das „Malen“ einzelner Buchstaben beeinträchtigt würden. Weinert, Simons & Essing haben jedoch bereits 1966 nachgewiesen, daß dieser Frage eine geringere Bedeutung zukommt als manche Auseinandersetzungen vermuten lassen. Vielmehr schreiben Schüler, die zunächst Druckschrift und danach Schreibschrift erlernt haben, weniger verkrampft und in der Regel schneller als Schüler, die sofort mit der Schreibschrift beginnen. Nach dem vierten Schuljahr sind Unterschiede nicht mehr feststellbar. Neuerdings wird auch die Großantiqua-Schrift als eine kindgemäße Erstschrift im Lesen und Schreiben wieder ins Gespräch gebracht (Brügelmann 1987; Valtin 1990), nicht zuletzt auch deswegen, weil das Schreiben in Großbuchstaben von Kindern im Vorschulalter und von Schulanfängern bei freien Schreibversuchen bevorzugt wird. Die heutigen Forschungen zum Erstschreibunterricht richten ihr Augenmerk auf die nicht schulisch geleiteten Schreibaktivitäten der Kinder, um von hier aus Rückschlüsse für den Erstschreibunterricht zu ziehen. Gegenstand des Interesses sind demzufolge nicht in erster Linie Methoden der Vermittlung, sondern Lern- und Problemlösungsstrategien der Kinder beim selbständigen Schriftspracherwerb (Dehn 1988; Brügelmann 1989; Giese 1983). Dabei nimmt die Untersuchung der Aneignung orthographischer Gesetzmäßigkeiten („Schreibentwicklungstabelle“; Spitta 1986; Valtin 1993) einen

1247

großen Stellenwert ein (Dehn 1988). Rückblickend betrachtet spiegelt sich in den verschiedenen Positionen des Schreibunterrichts ein jeweils unterschiedliches Schulverständnis. So korrespondiert die heutige Auffassung von einem auf aktive Tätigkeit des Kindes abgestellten Schriftspracherwerb mit dem gegenwärtigen Verständnis der Grundschule als einer demokratischen und humanen Kinderschule, in der Formen des Bildungserwerbs vonnöten sind, die den Kindern selbstbestimmtes Lernen ermöglichen. Dieser Zusammenhang von allgemeinem Schulverständnis und fachdidaktischer Position wird in der Literatur kaum thematisiert.

4.

Literatur

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107. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Rechtschreiben

1249

107. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Rechtschreiben 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Rechtschreiberwerb: Begriff und Gegenstand Orientierungspunkte für das Rechtschreiben Wie wird Rechtschreiben gelernt? Stufen der Aneignung Ziele des Rechtschreiberwerbs Lehrstrategien und Methoden Übungskonzepte Literatur

1.

Rechtschreiberwerb: Begriff und Gegenstand

Rechtschreiben ist Entscheidungsverhalten, Rechtschreiberwerb die Aneignung der Orientierungsgrundlagen für die Entscheidungen, die bei der Schreibung getroffen werden müssen. Wie bei jedem Entscheidungsverhalten stehen auch beim Rechtschreiben Alternativen zur Auswahl, im Unterschied zu anderen Handlungen kann aber (fast) immer nur eine gewählt werden (alle anderen wären „falsch“). Das Rechtschreiben wird im folgenden Text als kognitiv gesteuerter, wissensgeleiteter Prozeß, als eine Abfolge von Willkürhandlungen (Kainz 1956, 152), Rechtschreiberwerb als Aufbau des dazu notwendigen Wissens betrachtet. ‘Wissensgeleitet’ meint nicht automatisch auch ‘willkürlich’ und ‘bewußt’, sondern ‘wissensbasiert’ (Maas 1992). Den Grad der Bewußtheit dieses Wissens zu bestimmen erfordert Klärungen darüber, wie die Erwerbsprozesse verlaufen (Andresen 1985; Seifert 1988; Rose 1989). Mit der Annahme, Rechtschreiben sei Handeln auf kognitiver Grundlage, und Rechtschreiberwerb sei der Aufbau kognitiver Strukturen, Prozeduren und Verhaltensweisen, werden Auffassungen ausgeschlossen, Rechtschreiben sei Reproduktion fertig gespeicherter „Wortbilder“ beziehungsweise das „Abrufen gespeicherter Wortbildschemata“ (vgl. Augst 1989, IX) und der Erwerb des Rechtschreibens bestünde im Einprägen dieser „Wortbilder“. Im folgenden soll eine an den Kategorien und Annahmen kognitiver Wissenschaften orientierte, damit den Prozessen des Lernens nähere Differenzierung des Wissens, das für Rechtschreiben notwendig ist, vorgenommen werden. Danach wirken kognitive Prozesse auf zwei Ebenen, solche des direkten Zugriffs auf Speichereinheiten und Suchprozesse, die anforderungsabhängig wechseln bzw. kombi-

niert ablaufen. Sie sind mit volitiven und emotionalen Prozessen verknüpft (vgl. Dunn, Dunn & Reddix 1993). Orthographische Entscheidungen lassen sich vor diesem Hintergrund auf drei wesentliche Wissensdomänen zurückführen: Konfigurationen und Schemata, Prozeduren und Begriffe sowie Metakognitionen und Bewertungen.

2.

Orientierungspunkte für das Rechtschreiben

Zwischen den genannten Wissensdomänen müssen hierarchische Beziehungen angenommen werden. Unter funktionalem Aspekt müßten die Prozeduren den Konfigurationen übergeordnet werden, analog zur sogenannten „Dominanz der grammatischen Perspektive“ über die lexikalische. Die Metakognitionen und Bewertungen wiederum wären den beiden anderen Wissensdomänen überzuordnen. 2.1. Konfigurationen und Schemata Diese dem „deklarativen“ oder „stationären“ Teil des Gedächtnisses zugehörige Wissensdomäne ⫺ ein Inventar ⫺ bildet die Basis für die Prozeduren. Eine ältere Vorstellung vom Rechtschreiberwerb, die „Wortbildtheorie“, hat diesem Teil des Gedächtnisses ausschließliche Bedeutung zugesprochen. Inzwischen ist bekannt, daß „lexikalische Einheiten […] nicht beliebige Listen-Items“ sind (Bierwisch 1989, 23) und daß beim Rechtschreiben nur im Ausnahmefall gespeicherte „Wortbilder“ abgerufen werden. Eichler spricht dann von „Merkschreibungen“ (1978, 37), bezieht sie aber nur auf „einzelne und häufig benötigte Wörter“ (ähnlich Augst 1989, 7). Es werden wohl „kognitive schematisierte Strukturen“ (Küttel 1992, 512) niederer Ebenen unterhalb der Wörter gespeichert. Eine dieser Ebenen könnte die der Lexeme sein, von denen es überschaubare Mengen gibt (Augst 1989). Es ist für die Forschungssituation bezeichnend, daß wesentliche der orthographischen Elemente unterhalb der Ebene des Wortes und oberhalb der Ebene der Grapheme erst in neuerer Zeit ermittelt und untersucht worden sind. Lange Zeit glaubte man, die deutsche Sprache sei, anders als z. B. das Engli-

1250 sche und das Französische, nicht „überwiegend lexikalisch bestimmt“ (Eichler 1978, 39), sondern „phonetisch“ oder „phonologisch“. Es war deshalb nur konsequent, wenn nach Zweifeln an der Wortbildtheorie von fast allen Autoren, die sich zu den „Prinzipien der Orthographie“ geäußert haben, das „lautliche (phonetisch-phonologische) Prinzip“ (Eichler 1992, 27) als das dominierende angesehen und die Laute und Buchstaben bzw. die Phoneme und Grapheme zu den für das orthographische Schreiben relevanten Elementen erklärt wurden. Das Verhältnis von Laut und Buchstabe, Phonem und Graphem kann als ein theoretisches Hauptproblem der gegenwärtigen linguistischen Fundierung des Rechtschreibunterrichts bezeichnet werden. Lange Zeit war die phonologische Grundlage des Rechtschreibens unbestritten (vgl. Lüttge 1898/1902; Meumann 1914). Empirische Untersuchungen zu den ersten Schreibversuchen von Kindern belegen zudem, daß Schreibanfänger „phonetisch starten“ und dann von den „Phonen zu Phonemen“ übergehen (Dehn 1988; Andresen 1985; Naumann 1991; Eichler 1991). Daraus folgte (1) die Annahme einer lautgetreuen Schreibung als der normalen und der Charakterisierung aller Abweichungen als regelhafter oder nicht geregelter „Andersschreibungen“ und (2) die Annahme, die Beziehungen zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache könnten auf der Ebene der Einzellaute und Einzelbuchstaben dargestellt werden. Dies wird kaum noch angenommen (vgl. die grundlegende Kritik an diesen Annahmen von Bergk 1982, 56 f). Modelle zur PhonemGraphem-Beziehung (Glinz 1986; Augst 1986, 1989; Eisenberg 1988; Blanken et al. 1988) legen zumindest einen doppelten Weg zum geschriebenen Wort nahe: über die Evozierung phonemischer Strukturen und die Herstellung von Phonem-Graphem-Korrespondenzen (Bierwisch 1972) und über die Nutzung graphemischer Teilstrukturen (wobei aber eine Rück-Kopplung zur phonemischen Struktur möglich ist). Gegenwärtig besteht Konsens darüber, daß eine Alphabetschrift „das Alphabet (nur) verwendet“, daß aber auf Grund einer „Morphologisierung“ (Eisenberg) der geschriebenen Sprache, für die Schreibung von Wörtern neben den genannten (Nenn(Leit-)formen und Lexemen) vor allem drei graphemische Einheiten wichtig sind: Morpheme (Schreinert 1975; Riehme 1986), Graphemkombinationen (auch: Buch-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

stabenbündel, Konsonantencluster und Kerne, Signalgruppen, Buchstabengruppen ⫺ die Terminologie ist nicht einheitlich ⫺; vgl. Gibson 1975; Richter 1979; Augst 1989; Maas 1992; Bauer 1990) sowie Schreibsilben (Eisenberg 1983). Für den stationären Teil des orthographischen Gedächtnisses muß demnach eine Mehrfachspeicherung der orthographisch relevanten Strukturen ein und desselben Wortes angenommen werden. 2.2. Prozeduren und Begriffe Das Wirken bestimmter Prozeduren, so z. B. von „Regeln“, haben bereits K. F. Becker und W. Wander zur Grundlage ihrer Rechtschreibdidaktik gemacht. Unklar ist jedoch noch immer, welche Art von Prozeduren ⫺ neben den „Regeln“ ⫺ beim Rechtschreiblernen gespeichert und angewendet werden und wie sie zusammenwirken. Sicher ist, daß Prozeduren dem „formal-kreative(n) regelhaften Aspekt der Sprache“ (Feilke 1993, 223) ausmachen und der Hervorbringung einer Struktur dienen. Konsens besteht auch darüber, daß Rechtschreibentscheidungen nicht nur „Regeln“, sondern Prozeduren ganz unterschiedlicher Reichweite zugrunde liegen und sehr früh gelernt werden (Menzel 1986). Unter einem gegenstandsorientierten Aspekt hat Gallmann (1987) eine Hierarchisierung von orthographischen Prozeduren auf drei Ebenen vorgeschlagen und „Prinzipien“, „eigentliches Regelwerk“ und spezielle „Festlegungen“ unterschieden. Ähnlich haben Kohrt (1987) „generelle“ und „singuläre Regeln“ und Eisenberg (→ Art. 117, 127) „wortbezogene“ und „satzbezogene Regularitäten“ differenziert. Diese Einteilungen sind linguistisch motiviert. Sie sind sicher auch für den Rechtschreiberwerb bedeutsam, genügen aber weder, um das Rechtschreibverhalten kompetenter Schreiber noch um den Erwerb rechtschreiblicher Orientierungsgrundlagen ausreichend zu erklären. Mindestens für den Erwerbsprozeß müssen weitere, die Rechtschreibentscheidungen steuernde Prozeduren angenommen werden: Strategien, Handlungsprogramme, Verfahren, Begriffe und spezielle Techniken. Bei den Strategien handelt es sich um Entscheidungen, mit denen eine Richtung, nicht aber ein konkreter Weg oder Schritt festgelegt wird. Frith (1985), die die Diskussion zur Funktion von Strategien beim Schriftspracherwerb, damit auch beim Rechtschreiberwerb, wesentlich ausgelöst hat, unterscheidet für Schreibanfänger eine logographemische, eine alphabetische und

107. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Rechtschreiben

eine orthographische Strategie. Günther (1986) hat diese Liste um eine gegenständlich-manipulative und eine praeliteral-symbolische Vorstufe ergänzt. Eichler (1992, 54 ff) schlägt unter einem anderen Aspekt „vier große Rechtschreibstrategien“ vor: die lautanalytische und die motorische Strategie, die visuelle Komponente und das Nachdenken über die richtige Schreibung. Dabei verbindet er den Strategiebegriff mit dem Gedanken der psychischen „Komponenten“, den Riehme (1964, 58 ff) benutzt hat, um Lernwege psychologisch zu begründen. Handlungsprogramme, Prozeduren unterhalb der Ebene der Strategien beziehen sich auf die verschiedenen „Formen des Schreibens“ (Meumann 1914; Kainz 1956; Weigl 1972): „Spontanschreiben“ oder „willkürliches Schreiben“, „Abschreiben“ und „Diktatschreiben“. Die Handlungsprogramme für diese Schreibhandlungen unterscheiden sich in den sensorischen, motorischen und kognitiven Prozessen und damit auch in den Orientierungsgrundlagen, auf die sie sich stützen. So werden z. B. Phonem-Graphem-Korrespondenzen oder Graphemkombinationen beim Abschreiben und beim Diktatschreiben eine unterschiedliche Wichtung erfahren. Transformationen (wie Verlängern eines Wortes oder Bilden der Stammformen von Verben) helfen beispielsweise bei Variantenbildungen. Identifizierungsverfahren ermöglichen die Bestimmung von Sätzen, Satzteilen, Wörtern und Wortklassen. Zu den Prozeduren, die sich für Rechtschreiblernen als besonders wichtig erweisen, rechnen neuerdings wieder die Regeln, an deren Relevanz für den Rechtschreiberwerb lange Zeit gezweifelt wurde. Damit sind allerdings weniger die linguistisch formulierten „Regeln“ in den Anhängen zu orthographischen Wörterbüchern gemeint; die erweisen sich für das Lernen ⫺ zumindest in den gegenwärtig angebotenen Formulierungen ⫺ weithin als unbrauchbar. Gemeint sind vielmehr die sogenannten „inneren Regeln“, die sich die Lernenden beim Umgang mit der geschriebenen Sprache eigenaktiv aufbauen, die ein „sedimentiertes Produkt des Sprachgebrauchs“ (Balhorn 1983) sind und als gegenstandsspezifische, unwillkürlich gebildete, meist nicht aktuell bewußte Orientierungen für Rechtschreibentscheidungen definiert werden könnten. Der Begriff ‘Regel’ wird in diesem Konzept also nicht in dem strengen Sinn verwendet, in dem er in der Linguistik oder auch sonst in der Didaktik gebraucht wird.

1251

Er ist eher ein Sammelbegriff, bezeichnet sowohl eine Entscheidungsgrundlage, die auf der Ebene der ‘Strategie’ angesiedelt sein kann, als auch eine konkrete Orientierung, die auf die Schreibung einzelner Wörter bezogen ist (s. u.). 2.3. Metakognitionen und Bewertungen Metakognitives Wissen meint die Fähigkeit, „den Zugriff auf das im Gedächtnis Gespeicherte zu überwachen“ (Winter 1992, 66). Dabei haben neben kognitiven auch volitive und emotionale Prozesse eine wichtige Funktion. Daß Rechtschreiben und Rechtschreiberwerb auch von volitiven und emotionalen Prozessen begleitet sind, war immer unumstritten. Weniger klar war lange Zeit, wie sie zusammenwirken. Neuere Theorien (vgl. Flavell 1979) nehmen an, daß volitive Haltungen und emotionale Bewertungen nicht zuletzt auf metakognitiven Prozessen aufbauen bzw. mit ihnen verbunden sind. Zu den für den Rechtschreiberwerb wesentlichen Metakognitionen werden deshalb hier nicht nur Bewertungen des eigenen orthographischen Handelns gerechnet, sondern ⫺ in einer weiten Fassung des Begriffs ⫺ auch ein sehr allgemeines Wissen über Funktion und Bedeutung des (orthographischen) Schreibens. Flavell bezeichnet diese Fähigkeit zur Einschätzung der Aufgabe und Situation als „Sensitivität“ (1979, 69). Das Wissen um die Funktion geschriebener Sprache, Bedeutungen zu fixieren und zu übermitteln, muß als sehr frühes Wissen von Schreibanfängern angenommen werden, auch wenn sie darüber noch nicht reflektieren können. Anders lassen sich die sogenannten „Kritzelbriefe“ und ähnliche Vorformen des Schreibens kaum erklären. Auf einer sehr frühen Stufe des Schreibenlernens wird sicher auch gelernt, daß es reguläre Beziehungen zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache gibt (die Übergeneralisierungen in der Anwendung der phonologischen Strategie bei Schreibanfängern ist dafür ein Beleg). Und sehr früh wird auch gelernt, daß es eine „Orthographie“ gibt, daß die Schreibung der Wörter „geregelt“ ist und daß man sich beim Schreiben an diese „Regeln“ halten muß. Dieses Wissen kann im Idealfall zu dem führen, was Kainz (1956) „orthographisches Gewissen“ nennt und ein Bedürfnis nach orthographischer Kontrolle des Geschriebenen meint. Wesentlich für die Motivation zum Erwerb der Rechtschreibung sind auch Meta-

1252 kognitionen im engeren Sinne, das Wissen um die eigenen Fähigkeiten und ihre Bewertung, was wiederum voraussetzt, die eigenen orthographischen Leistungen analysieren und sie in Relation zu Ansprüchen und Zielen setzen zu können. 2.4. Umgebungen und interne Ordnungen Als wesentliche Merkmale der im Gedächtnis gespeicherten Wissensmassive gelten ihre Strukturiertheit und die kontextuelle Verankerung ihrer Elemente. Zur Art der Strukturierung sind verschiedene Modelle entwickelt worden. Für das semantische Gedächtnis unterscheidet Velickovskij (1988, 164 ff): lineare Ordnungen (Listen oder Ketten), lokale Ordnungen (Räume, Cluster und Netze) und hierarchische Ordnungen (Graphen oder Bäume). Es ist zumindest nicht unwahrscheinlich, daß das orthographische Gedächtnis in analoger Weise strukturiert ist. Die Existenz von Listenwissen ist für das orthographische Lexikon immer angenommen worden und für die Speicherung von Wörtern und Wortbildungselementen evident. Allerdings muß angenommen werden, daß diese Listen nicht aus willkürlichen Ansammlungen von Wörtern bestehen, sondern daß sie (z. B. nach Orthogrammen) strukturiert sind. (So könnte es eine Liste für Verben mit /ß/ geben: fließen, stoßen, …). Die Speicherung von Graphemkombinationen könnte man sich in Form einer Liste von Clusterstrukturen vorstellen (/ieß/: fließen, schießen, gießen, …). Wortfamilien dürften in Netzstrukturen verankert sein (fließen, Fluß, flüssig, …), Wortklassenzuordnungen und Satzschemata in „Bäumen“. Neben diesen internen Ordnungen des orthographischen Speichers dürfte für den Rechtschreiberwerb wichtig sein, daß Lexikoneinheiten in semantischen und in situativen Zusammenhängen gespeichert werden, die wiederum alle genannten Speichermodelle in Anspruch nehmen können. Dies dürfte z. B. für die Schreibung von Wochentagen und Monatsnamen wichtig sein, von denen man annehmen kann, daß sie als Liste gespeichert sind. Die Konsequenz daraus ist: Die Übersicht über das, was gelernt wird, kann Indizien dafür liefern, wie gelernt wird. Die Kenntnis der Vielfalt und der Differenziertheit der Verankerungen der Wörter im orthographischen Gedächtnis kann Zweifel an einspurigen Lernwegen wecken und zur Suche nach Methoden anregen, die den Verankerungen adäquat sind. Damit sollen nicht mechanische

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Inhalt-Methode-Determinationen re-animiert werden. Sie haben in der Geschichte des Rechtschreibunterrichts zu monokausalen Erklärungen und zu Methodenhypertrophierungen geführt. Dies ist ⫺ zumindest in der Theorie ⫺ überwunden. Die Ablehnung einschichtiger mechanistischer Denkmodelle darf aber nicht dazu führen, Lernwege für beliebig zu erklären und die Suche nach methodischen Präferenzen aufzugeben. Das hieße, den Anspruch aufzugeben, den Rechtschreiberwerb wissenschaftlich zu erklären. Wenn also nicht, wie das in der Rechtschreibdidaktik lange Zeit angenommen wurde, die orthographischen Lerngegenstände (die „Orthogramme“) einen bestimmten Lernweg vorschreiben ⫺ obgleich sie darauf nicht ohne Einfluß sind ⫺, dann können vielleicht die strukturellen Resultate der Speicherung orthographischen Wissens ⫺ da sie ja als deren Ergebnis mit den Prozessen der Speicherung zusammenhängen ⫺ unter Berücksichtigung weiterer Determinanten des Lernprozesses Hinweise auf präferente Lernwege liefern.

3.

Wie wird Rechtschreiben gelernt?

Die negative Bestimmung, daß Erwerb des Rechtschreibens nicht Füllen eines leeren Gefäßes ist oder im Wesen als Anreichern bzw. als Reduzieren von Fehlern beschrieben werden könnte, gehört zum fachdidaktischen Allgemeinwissen. Ihre positive Interpretation, daß Rechtschreiberwerb ein individuelles Umstrukturieren von Wissen ist, und zwar nicht nur von Lerninhalten, sondern auch von Lernhandlungen, daß dieser Prozeß stadialen Charakter hat und Strategiewechsel aufweist, ist gegenwärtig ebenfalls weithin akzeptiert. Eine für die Didaktik des Rechtschreiberwerbs zentrale These ist die vom eigenaktiven Lernen. Sie findet im Konzept der ‘inneren Regelbildung’ eine Konkretisierung. Charakteristisch für ‘innere Regeln’ ist, daß sie im wörtlichen Sinne individuell sind, von Lernenden eigenständig gebildet werden. Wenn ein Kind /sit/ schreibt (für /sieht/), kann es dabei folgenden ‘inneren Regeln’ gefolgt sein: (1) Schreibe, wie du sprichst! (2) /s/ wird mit /s/; /i/ wird mit /i/; /t/ wird mit /t/ verschriftet. (3) Die Länge des /i/ wird nicht bezeichnet. Während (1) als Strategie bezeichnet werden kann, handelt es sich bei (2) und (3) um Ent-

107. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Rechtschreiben

scheidungsgrundlagen konkreterer Art, wobei der Grad der Generalisierung zwischen (2) und (3) auch noch differiert. Alle diese Entscheidungen aber werden im Konzept der ‘inneren Regelbildung’ gegenwärtig als ‘Regeln’ bezeichnet. Welche Grundlagen diese ‘inneren Regeln’ haben, ob sie sich auf Assoziationen, Analogieschlüssen oder auf Generalisierung und Transfer (vgl. Brinkmann 1993, 267 ff) stützen, ist noch weithin unbekannt, wahrscheinlich auch interindividuell differierend. Allerdings kann man mit guten Gründen folgendes annehmen: 1. Kinder glauben an die Geregeltheit der Schreibung und suchen nach Gesetzmäßigkeiten. 2. Auf Grund von Assoziationen, Analogien, Schlußfolgerungen bilden sie sich eigene „Regeln“, nach denen sie ihre Entscheidungen treffen. 3. Beim Schreiben kommen die Lernenden über Zweifel („Stutzen“, Küttel 1992, 511) vom unbewußten zum bewußten Handeln. Nachdem sie sie erfunden haben, entdecken sie die Geregeltheiten (Eichler 1991, 35). Die Idee, die dem Konzept des eigenaktiven Rechtschreiberwerbs zugrunde liegt, kann nunmehr in fünf Schritten entfaltet werden. (1) Kinder haben, bevor sie schreiben (und lesen) lernen, einen Begriff von Schreiben und von Orthographie. Sie haben ein Bewußtsein von der Geregeltheit der Schreibung und auf einer sehr frühen Stufe ihrer Entwicklung auch von einer generellen Korrespondenz zwischen Sprechen und Schreiben (Eichler 1991). (2) Folglich suchen sie beim Schreibenlernen von Anfang an nach solchen Geregeltheiten, nach Gesetzmäßigkeiten, nach Erklärungen für Schreibungen und bilden sie sich bei ihrem Umgang mit Geschriebenem. Dabei entstehen Über- und Unterverallgemeinerungen. (3) Lernende schreiben nicht regellos. Sie entscheiden beim Schreiben über die Schreibung auf der Grundlage von Strategien oder ‘Regeln’, die wortannotiert sind oder sich auf ein orthographisch relevantes Strukturelement des Wortes beziehen. Bei ihren ‘Regelbildungen’ berücksichtigen sie Zusammenhangsbeziehungen zwischen der phonemischen und der graphemischen Struktur der Sprache, ebenso aber auch bestimmte Wahrscheinlichkeitsverteilungen im graphemischen Bereich. Das heißt: Lernende bilden beim

1253

Rechtschreiberwerb Wissen auf hoher Abstraktionsebene aus (Wissen über die Funktion der Schrift, Prinzipienwissen, Differenzierung orthographisch relevanter Sprachelemente) und wenden es an (Valtin 1991). (4) Lernende verfolgen Strategien, die sich ⫺ in Abhängigkeit vom Lernfortgang ⫺ verändern können. Lernende verfügen nicht immer über die richtigen Strategien, aber sie haben Strategien. Auch wenn sie falsch schreiben, verfolgen sie Strategien, schreiben sie nach ‘Regeln’, die sie auf der Grundlage von Strategien gebildet haben. (5) Lernende lernen auf ihre eigene Weise, auch die Orthographie. Das heißt nun aber nicht, daß es nicht Übereinstimmungen gäbe, gleiche Abläufe, übereinstimmende Abhängigkeiten, gesetzmäßige Abfolgen. Nur liegen sie nicht nur im Sachsystematischen, sondern vor allem im Prozessualen begründet. Dies zu berücksichtigen soll durch die in neuerer Zeit entwickelten Phasenmodelle des Rechtschreiberwerbs erreicht werden.

4.

Stufen der Aneignung

Versuche, beim Erwerb des Rechtschreibens individuelle Entwicklungsgänge zu verfolgen und den gesamten Prozeß in Phasen einzuteilen, hat es erst in den letzten Jahrzehnten gegeben. Eines der ersten Modelle stammt von Egon Weigl (1972). Nach dem Anteil psychischer Prozesse am Rechtschreiben unterscheidet er drei Phasen. In der 1. Phase („entfalteter Ablauf der Prozesse“) ist viel innerer Aufwand nötig, werden umfangreiche Hirnrindenareale herangezogen, sind Sehen, Hören, Artikulation, Motorik am Rechtschreiben beteiligt. In der 2. Phase werden „alle Komponenten systemhaft genutzt“. In der 3. Phase erfolgt eine „Reduzierung des Aufwands und Automatisierung der Prozesse“, wobei sich Teilfunktionen verselbständigen, Teilprozesse abgeschaltet werden, sich Teilprozesse zu einer Gesamtfunktion zusammenschließen, der Aufwand an willkürlicher Aufmerksamkeit und Konzentration zurückgeht und sich schreibmotorische Stereotypien, „kinästhetische Engramme“, „graphomotorische Cluster“ ausbilden. Damit sind zwei für den Rechtschreiberwerb grundlegende, gegenläufige Prozesse benannt: Automatisierung und Bewußtwerdung. Beide ⫺ darin besteht das

1254 Paradoxe ⫺ nehmen zu: Aneignung des Rechtschreibens bedeutet also sowohl mehr Fertigkeit als auch mehr Wissen. Legte man alte didaktische Vorstellungen zugrunde, in denen Rechtschreiberwerb als Fertigkeitsentwicklung definiert wurde, könnte man vom „Paradox der Bewußtwerdung“ (Andresen 1985, 130) sprechen. Wesentlich für die weitere Entwicklung waren Vorstellungen, nach denen Entwicklung als Strategiewechsel (Oerter 1971) beschrieben wurde. Auf dieser Basis ist eines der einflußreichsten Phasenmodelle zum Rechtschreiberwerb entstanden: das für den Erwerb des Englischen entworfene Dreiphasenmodell von U. Frith (1985). Wesentliche Punkte dabei sind: 1. Rechtschreiben wird in Stufen erworben, in denen zunächst jeweils eine bestimmte Strategie dominiert, bevor es zu einer kombinierten Anwendung verschiedener Strategien kommt. 2. Rechtschreiben wird in Interaktion mit dem Lesen erworben. Dabei gibt es wechselnde Dominanzen zwischen den rezeptiven und den produktiven Prozessen. In bestimmten Phasen dominiert das Schreiben. Es wird z. B. zum Motor des Erfassens des Wesens der Alphabetschrift. 3. Der Schriftspracherwerb beginnt mit einer an visuell auffälligen Merkmalen des Wortes orientierten „logographemischen Phase“, „dreht sich um“ auf den akustischen Kanal in der „alphabetischen Phase“, in der die segmentale Wortstruktur, die Links-RechtsRichtung und die Phonem-Graphem-Korrespondenz entdeckt wird, und findet ihren Abschluß in der „orthographischen Phase“, in der sowohl ein höheres Niveau der P-G-K erreicht als auch wiederum visuelle Merkmale, nun aber kognitiv ermittelte Graphemfolgen, als für das Schreiben relevant entdeckt werden. Rechtschreiberwerb wird in diesem Modell als Weg von assoziativen, perzeptiven zu analytischen, kognitiven Strategien beschrieben, i. e. als Weg vom ganzheitlichen Wortbildlernen über die Berücksichtigung von Strukturprinzipien (der sequentiellen phonetischen, dann phonemischen Orientierung) zur Entdeckung der orthographiespezifischen Graphemstruktur der geschriebenen Sprache. Zur weiteren Differenzierung dürften dabei vor allem folgende Orientierungsgrundlagen genutzt werden: ⫺ Lexeme (Art, Bekanntheit, Häufigkeit, semantische Merkmale),

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

⫺ Morpheme (Stamm-, wort-, formbildende Morpheme), ⫺ Konstanz-Varianz-Differenzierung bei Stamm-Morphemen, ⫺ (bei Varianz) Art der regulären Wechsel im Wortstamm, ⫺ typische Graphemkombinationen (Position im Wort; Kern-Konsonantengraphemgruppen-Struktur) ⫺ syntaktische Funktionen und Strukturen, ⫺ Intonationsregeln.

5.

Ziele des Rechtschreiberwerbs

Obgleich es jedermann klar ist, daß es eine vollständige Rechtschreibsicherheit nicht gibt (Friedrich 1980; Brügelmann 1992), obgleich es Fachdidaktiker seit langem für unmöglich erklären, „die Muttersprache in dem Umfange zu behandeln, wie sie von dem Schüler in jedem Lebensalter und in jeder Lebenslage gebraucht wird“ (Lüttge 1911) und obgleich bereits Adrion (1984, 324) feststellte, daß die Ziele des Rechtschreibunterrichts (er bezieht sich auf einen Richtlinien-Entwurf von 1973) „seither realistischer gesetzt und prägnanter formuliert sind“, werden in Lehrprogrammen immer noch nahezu vollständige Listen von Rechtschreibfällen als Ziele vorgeschrieben, erheben Lehrer(innen) im Unterricht nach wie vor Forderungen nach absoluter Rechtschreibsicherheit bereits bei der ersten Niederschrift eines Textes, haben Fachdidaktiker Schwierigkeiten, aus der genannten Einsicht Konsequenzen abzuleiten. Vorschläge, die orthographischen Lernbereiche auf „Wesentliches und Grundlegendes“ (Friedrich & Herrmann 1988), das Rechtschreibwissen auf „Grundregeln“ (Augst 1989) zu begrenzen, werden ignoriert oder in Frage gestellt. Versuche, die Lernziele über die Festlegung von Grund- und Übungswortschätzen auf ein praktikables Maß zu bringen (Hoffmann 1949; Wendelmuth 1968/1990; Hesse & Wagner 1985), wurden zwar inzwischen in Richtlinien aufgenommen und in der Schulpraxis vielfach modifiziert. In der fachdidaktischen Theorie gelten sie jedoch ⫺ obgleich sie inzwischen durch empirische Forschung fundiert wurden (Kühn 1987; Augst 1989, 1991; Friedrich & Starke 1989/1992) ⫺ zum Teil immer noch als „Märchen“ (Kühn 1987, 18; Balhorn 1990, 218). Dies mag damit zusammenhängen, daß die Wörterbuchdidaktik im deutschsprachigen Raum im Unterschied zum französisch- und zum englischsprachi-

107. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Rechtschreiben

gen „mehr Aufruf und Programm als ein fertiges Konzept“ (Kühn 1987, 7) ist und nicht als etabliert gelten kann. Der fehlende Mut zu eigenständigen pädagogischen Konzeptionen von Rechtschreibzielen könnte sich daraus erklären, daß die alte Illusion nachwirkt, Rechtschreibunterricht sei eine Angelegenheit der unteren Klassen, etwa „am Ende des sechsten Schuljahres müss(t)en die Hauptschwierigkeiten in der Rechtschreibung überwunden sein“ (Hähnel & Patzig 1893, 112; ähnlich Lüttge 1898/ 1907). Diese Auffassung spiegelt sich gegenwärtig in der Konzentration rechtschreiblicher Ziele und Stoffe in den Lehrplänen und Sprachbüchern für die Klassen 1 bis 6 wider, obgleich es doch klar ist, daß es „keinen Grund (gibt), in der 9. und vor allem 10. Klasse den Anteil des Rechtschreiblernens zu mindern, da viele Schüler erst in diesen Klassenstufen die kognitive Fähigkeit erwerben, mit elementaren abstrakten grammatischen Kategorien umzugehen“ (Augst 1989, 5; vgl. auch May 1993, 287 ff). Unter inhaltlichem Aspekt kann danach gefragt werden, ob neben den an Konfigurationen und elementare Prozeduren gebundenen Fertigkeiten auch Fähigkeiten einer weiteren Dimension, bezogen auf Prozeduren größeren Geltungsbereichs, sowie Metakognitionen als Ziele gesetzt sind. Die Tendenz ist eindeutig. Wenngleich es ein halbes Jahrhundert gedauert hat ⫺ Lüttge hat die „Befähigung zur selbständigen Fortbildung auf sprachlichem Gebiet“, zum „Zweifel an sich“ als „eine wertvolle Wirkung sprachlicher Belehrung“ schon 1911 (2 ff) gefordert ⫺, gibt es doch in der didaktischen Theorie gegenwärtig kaum noch einen Zielkatalog, der nicht Bestandteile der genannten drei Wissens- (und Könnens-)domänen enthielte (vgl. Menzel 1986, 297; Adrion 1984, 324). Allerdings weisen diese Listen oftmals eine reduzierte Auswahl aus den genannten Wissensdomänen aus und lassen generell Hierarchisierungen und Wertungen vermissen. Als Entwicklungstrend zeichnet sich ab, daß Lernverfahren mehr und mehr ins Zentrum gerückt werden. Gaudigs Forderung von 1917, der Schüler müsse „Methode haben“, ist weder strukturell wirksam geworden noch bestimmend für die Lehrgänge. Grundlegende Prinzipien und Strategien, Methoden des Lernens und Einprägens, auch Reflexionen über das Gewordensein und die Veränderbarkeit der Rechtschreibnormen, nehmen aber

1255

einen immer gewichtigeren Platz in der Theorie des Rechtschreiberwerbs ein (Glinz & Glinz 1975 ff; Kramarczyk & Walther 1991).

6.

Lehrstrategien und Methoden

Es ist in fachdidaktischen Publikationen üblich geworden, auf ausführliche Methodenlisten zu verzichten, stattdessen nur ausgewählte Methoden zu beschreiben und dafür methodische Grundsätze für den Rechtschreibunterricht zu formulieren, die den Charakter von Strategien haben. Das ist sicher auch darin begründet, daß das Arsenal von Methoden des Rechtschreibunterrichts kaum noch zu überblicken ist (vgl. z. B. Triebel & Maday 1982). Entscheidender aber dürfte ein theoretisches Unbehagen sein. Zum einen gelten viele Rechtschreibmethoden als „überholt“ und „praktisch ziemlich erfolglos“ (Kochan 1981, 158). Nach wie vor bestehen extreme Meinungsverschiedenheiten zum Nutzen altbekannter Methoden, wie z. B. zum Abschreiben (vgl. Sennlaub 1984, 87 ff). Zum anderen sind die Wechselbeziehungen von Lernen und Lehren wenig untersucht (Lompscher 1992, 5). Es besteht Unsicherheit darüber, ob Fortschritte im Rechtschreiblernen mit den praktizierten Lehrmethoden in einen eindeutigen Zusammenhang gebracht werden können. Überdies treffen weiterentwickelte Lernkonzepte auf Ansammlungen tradierter Lehrmethoden, die aus unterschiedlichen Theorien abgeleitet worden sind und einander widersprechen. Zu konstatieren sind deshalb überall in Europa und in Nordamerika „discrepancies existing between research and trends in teaching“ (Gagne´ 1990, 8; ähnlich bereits 1981 Chandler). Der Widerspruch zwischen der „Theoriearmut von Unterrichtsmethoden“ und ihrem Formenreichtum (Schneider 1982, 30) scheint zur Zeit unaufhebbar. Ergebnisse linguistischer und schreibtheoretisch fundierter Forschung werden kaum berücksichtigt (Schneider 1982, 8). Die Methodenkataloge weisen phonologische Übergewichte auf und sind Moden unterworfen. Die in den 70er Jahren erfolgte Zuwendung zur Untersuchung von Lernstrategien (Gagne´ 1973; Bruner 1974) wie auch von Lern- und Lehrstrategien (Davydov 1972; Lompscher 1967, 1970, 1971) spiegelt sich in den Methodenlisten nicht wider. Sie sind nach wie vor auf kleinschrittiges Aufgabenlösen und Üben bezogen. Strategische Orientierungen eines größeren Geltungs-

1256 bereichs finden sich außerhalb der Methodensammlungen in „Grundsätzen“ oder „Prinzipien“ des Rechtschreibunterrichts wieder. Im Nebeneinander von Methodenkatalogen auf der einen, Charakterisierungen dominierender Lehrstrategien und thesenartiger „Grundsätze“ auf der anderen Seite spiegelt sich die Trennung von kognitiven und Gedächtnisprozessen, die nicht nur für die Unterrichtstheorie bezeichnend ist. Da Rechtschreibunterricht vor allem mit orthogrammgebundenen, kleinschrittigen Einpräge- und entsprechenden Übungsprozessen verbunden wurde, spielten Prozesse der kognitiven Steuerung des rechtschreiblichen Handelns nur eine geringe Rolle. Sie wurden deshalb als generelle Setzungen und allgemeine Forderungen an die Unterrichtsgestaltung formuliert, erreichten die methodische Ebene aber nicht. Die ihnen inhärenten Probleme blieben somit unterrichtsmethodisch ungelöst. Ein solches methodisch ungelöstes Problem ist das der Eigenaktivität der Lernenden (Meiers 1993, 5). Selbstleitung ist als Strategie des Rechtschreiblernens weithin akzeptiert. Als Strategie des Lehrens aber wird Eigenaktivität der Lernenden unzureichend reflektiert. Zwar werden gegenwärtig in der Theorie des Rechtschreibunterrichts „Entdekkungsstrategien“ den „Übermittlungsstrategien“ vorgezogen. Diesen Entdeckungsstrategien haften aber zwei prinzipielle Mängel an. Zum einen wird Eigenaktivität meist reduziert behandelt, auf Ausführungs- und Kontrollhandlungen begrenzt. Die Ebenen der Ziele und der Planung werden kaum erreicht (vgl. Küttel 1992). In der mangelnden Befähigung der Lernenden, sich selber Ziele zu setzen, in der Aufforderung zu zielblindem Sprachhandeln liegt ein Schwachpunkt von Konzepten eigenaktiven Rechtschreiberwerbs. Dies wiegt umso schwerer, als zwischen der Befähigung zur Mitplanung von Lernzielen und Lernmethoden und den Lernergebnissen eine lineare Beziehung festgestellt werden konnte, vor allem auch bei Leistungsschwächeren (Kramarczyk 1988). Wie weit dieses reduzierte Verständnis von Eigenaktivität noch verbreitet ist, zeigen negative Bestimmungen wie die, daß Unterricht eigenaktive innere Regelbildung „nicht stören dürfe“. Zum anderen ist zwar theoretisch klar, daß die Ersetzung der „Vermittlungsstrategie“ durch eine „Entdeckungsstrategie“ oder ungesteuertes Lernen die Ersetzung einer Einseitigkeit durch eine andere wäre. Der naheliegende Gedanke, beide Strategien in

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

ein zweckmäßiges Verhältnis zueinander zu setzen, ist aber nur akzeptabel, wenn es gelingt, die Nachteile beider, das Erfahren von Unterricht als fremdartiges Ereignis auf der einen und als Situation der Hilflosigkeit auf der anderen Seite, auszuschalten. Dazu bedarf es eines neuen Konzepts, das für den Rechtschreibunterricht aber noch nicht vorliegt. So bleibt es in der Theorie bei Appellen, und in der Praxis kommt es zu den genannten Einseitigkeiten. Einen Vorschlag zu einer Strategie, die das Dilemma überwinden könnte, hat ⫺ freilich auf einer allgemeinen lerntheoretischen Ebene ⫺ Lompscher mit seiner „Tätigkeits- und Ausbildungsstrategie“ (1993, 8) vorgelegt. Sie wäre für den Rechtschreibunterricht zu adaptieren. Auch das Problem des zweckmäßigen Erkenntnisweges (‘induktiv’ oder ‘deduktiv’) ist nicht gelöst. Trotz des Nachweises einer prinzipiellen Überlegenheit des Operierens mit „Merkmalen großen Geltungsbereichs“ beim Wissenserwerb (Strehle 1965, 1968) und der fundamentalen Kritik an der „formal-induktiven Verallgemeinerung“ (Davydov 1972) gilt in der fachdidaktischen Theorie ⫺ entsprechend der fachdidaktischen Philosophie der Gegenwart ⫺ das induktive Lernen auf elementaristischer Grundlage als der „natürliche“ Lernweg, da nur er vom Einfachen zum Komplizierten führe und ermögliche, an den Erfahrungen der Lernenden anzuknüpfen. Einfaches wird dabei als einzelnes, aus Beziehungen Gelöstes definiert. Deduktives Lehren wird auch im Rechtschreibunterricht kritisiert. Dieser methodische Reduktionismus nimmt in Kauf, daß bei synthetischem Zusammenbau elementarer Wissenseinheiten keineswegs Ganzheiten entstehen (Wertheimer 1965). Im Rechtschreibunterricht ergibt sich als eine Folge, daß Lernenden oft jeder Überblick über die Rechtschreibung und ihre Struktur fehlt. Eine weitere womöglich schlimmere Folge ist die mit dem induktiven Lernen verbundene empiristische Grundhaltung beim Wissenserwerb. Die Partikularisierung von Lerneinheiten verhindert Metakognition und entdeckendes, auch selbstbestimmtes Lernen. Um nun der aus der induktiven Lehrstrategie resultierenden Zerstückelung der Lernbereiche zu entgehen oder entgegenzuwirken, werden in einer paradoxen Umkehr bei der Entwicklung der zerstückelten Fertigkeiten und Fähigkeiten auf Ganzheiten zielende Integrationskonzepte favorisiert. Elementarisierte Rechtschreibfertigkeiten werden so in (unter orthographischen Ge-

107. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Rechtschreiben

sichtspunkten) zufällige Schreibsituationen „integriert“. Als ob es sich bei der Rechtschreibkompetenz nur um eine Liste von elementaren Teilkompetenzen handelte, die als isolierte Elemente in ein System ‘Schreibkompetenz’ eingefügt werden müssen, nicht aber um ein eigenes Kompetenzsystem, dessen Elemente Module eines strukturierten Ganzen sind! Im Konzept integrierten Rechtschreiberwerbs werden so Elemente der Rechtschreibkompetenz im Konnex einer holistischen Schreibkomptenz auszubilden gesucht. In thematischen Situationen kann sich Rechtschreibkompetenz jedoch nur ungeplant realisieren. So bleibt z. B. der Wortschatz ⫺ da thematisch gebunden ⫺ orthographisch zufällig. Die mit Grund- oder Übungswortschätzen beabsichtigte Unterstützung des Aufbaus von Orientierungsgrundlagen durch eine für bestimmte Orthogramme prototypische, orthographisch relevante Wortauswahl kann ebensowenig erfolgen wie die notwendige Wiederholung und eine gezielte Steigerung des Schwierigkeitsgrades bei der Übung. Das alles hat mit den fachdidaktisch nicht gelösten Problemen des Verhältnisses von Komplexität und Modularität und von direktem und indirektem Lernen (Rubinstein 1946/1958) beim Rechtschreiberwerb zu tun. Aus der negativen Erfahrung eines vom Schreiben isolierten Rechtschreibunterrichts und dem Wissen um die Komplexität des Schreibens, auch unter dem Einfluß einer bestimmten, aktuelle Interessen ins Zentrum rückenden Motivationstheorie, wird an der modularen Strukturiertheit geistiger Prozesse und an der Bedeutung direkten Lernens gezweifelt, werden holistische Konzepte bevorzugt, so daß sich in den letzten Jahren Fachdidaktiker immer wieder aufgerufen fühlen, die Berechtigung direkten Lernens zu begründen (vgl. Naegele & Valtin 1983; Eichler 1992). Daß die Rechtschreibkompetenz modular strukturiert ist, belegen zwar alle Kontrollen rechtschreiblicher Leistungen. Das muß aber nicht ⫺ so ein Argumentationsmuster ⫺ auch bedeuten, daß sie in Modulen und in speziellen Lernprozessen angeeignet wird. Nun belegt aber die zeitweilige Dominanz von Strategien im Erwerbsprozeß, auch das Festhalten an einmal erworbenen Strategien insbesondere bei leistungsschwächeren Schülern (Scheerer-Neumann 1993), die Modularität des Erwerbsprozesses und die Notwendigkeit speziellen Lernens. Vor allem leistungsschwächere Schüler brauchen nicht nur ein Situations- und Materia-

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langebot, sie benötigen gezielte Reflexion beim Umsteigen von einer Strategie auf eine andere wie auch beim Verknüpfen von Strategien. Weitere Belege für die Modularität des Lernens auch komplexer Sprachhandlungen könnten aus der Struktur beliebiger Lerntätigkeiten abgeleitet werden, z. B. aus der Struktur des Fertigkeitserwerbs. Die erste seiner drei Phasen ist die kognitive, „in der eine Beschreibung der Prozedur gelernt wird“ (Anderson 1980). Rechtschreibunterricht kann sich mithin nicht darauf beschränken, Möglichkeiten zu bieten, in Situationen oder Texten zufällig auftretende Elemente, beiläufig zu lernen. Der Rechtschreiberwerb bedarf allerdings auch dieses beiläufigen, indirekten Lernens, weil sich bestimmte Teilkompetenzen nur in der Anwendung ausbilden. Das trifft z. B. auf bestimmte Kontroll- und Korrekturverfahren und -haltungen zu. Aber er bedarf auch des direkten Lernens, allerdings nicht eines, bei dem die Elemente für sich und nach und nach (‘bottom up’) herausgehoben werden, sondern eines, bei dem die Rechtschreibung als Ganzes ins Blickfeld der Aufmerksamkeit rückt und die Elemente (‘top down’) zugleich herausgehoben und eingeordnet werden.

7.

Übungskonzepte

Rechtschreiblernen gilt als übungsintensiv. Übung als eine das Niveau des Könnens steigernde Wiederholung und Variation von Handlungen wird in jedem Übungskonzept für notwendig gehalten. In einem phänomen(orthogramm-)orientierten Übungskonzept müssen die Formen geübt werden, weil einmalige Begegnung mit einer konventionalisierten Form nicht ausreicht, um sie dauerhaft anzueignen. In einem Integrationskonzept des Rechtschreiberwerbs muß zumindest „mitgeübt“, auf alle Fälle aber kontrolliert und korrigiert werden. In einem verfahrensorientierten Erwerbskonzept schließlich müßten Prozeduren eingeübt und angewandt werden. Ob konditionierendes Einprägelernen, korrigierendes Trial-and-error-Lernen oder kognitives Anwendungslernen ⫺ bei allen Übungskonzepten müssen grundlegende Gesetzmäßigkeiten des Einprägens berücksichtigt werden. Welche Probleme es in der Theorie und in der Praxis des Rechtschreibunterrichts mit der Anwendung bekannter Grundsätze, z. B. zu Wiederholungsrhythmen, zum

1258

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

„law of effect“, zu Assoziationsgesetzen, zur Merkmalsvariation etc. gibt, kann hier nicht dargestellt werden. Auf die Darstellung der Vielzahl von Übungsmethoden muß ebenfalls verzichtet werden, wie auch auf die Auflistung der Fehler beim Üben und in Rechtschreibmaterialien (Rigol 1976; Valtin 1983). Vielmehr soll die Theoriegebundenheit von Übungsformen an einem Beispiel, dem des Diktats, thematisiert werden. Seit eh und je gilt das Diktat als eine wichtige Übungs- und als die Kontrollform des Rechtschreibunterrichts schlechthin. Zugleich ist es seit Mitte des 19. Jahrhunderts umstritten (Bormann 1840). Es gilt als ein Paradebeispiel für gänzlich undifferenzierten Unterricht, ist für schwache Rechtschreiber „eine Tortur“. Als Übungsform in der häufig praktizierten, unvorbereiteten Version trägt es wenig oder „nichts zum Rechtschreiblernen bei“ (Adrion 1984, 327 f). Als Kontrollform ist es wenig aussagekräftig, wenn nicht ungeeignet (Spitta 1976) und irreführend, weil es für ein Ganzes, die Rechtschreibkompetenz, steht, obgleich nur eine Teilfähigkeit, das Nachschreiben akustisch vorgegebener Wörter, überprüft wird. Mit dem Diktat wird eine Objektivität der Leistungsmessung angestrebt und vorgegeben, die für sich pädagogisch zweifelhaft ist. Warum also hält sich dieses Verfahren trotz aller Kritik? Neben allen anderen Gründen, wie Tradiertheit, leichte Handhabbarkeit, Funktionalität im Rahmen der Auslese u. ä., wird es durch seinen theoretischen Hintergrund gestützt. Solange der Rechtschreibunterricht durchgängig nach phonologischen Aspekten gegliedert ist, phonologische Orientierungen zu den Grundlagen für Rechtschreibentscheidungen erklärt werden, wird das Diktat das dominierende Kontrollinstrument und eine wesentliche Übungsform bleiben.

8.

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108. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Aufsatzunterricht 1. 2. 3. 4. 5.

Zielsetzungen Die didaktische Modellierung des Schreibprozesses Methodische Grundsätze Anthropogene Voraussetzungen und institutionelle Bedingungen Literatur

1.

Zielsetzungen

1.1. Aufsatzunterricht in der Tradition der Schulrhetorik In den Schulen der Griechen und Römer waren Übungen zum Anfertigen schriftlicher Texte als Vorübungen (Progymnasmata) zur

1260

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

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Bodo Friedrich, Berlin (Deutschland)

108. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Aufsatzunterricht 1. 2. 3. 4. 5.

Zielsetzungen Die didaktische Modellierung des Schreibprozesses Methodische Grundsätze Anthropogene Voraussetzungen und institutionelle Bedingungen Literatur

1.

Zielsetzungen

1.1. Aufsatzunterricht in der Tradition der Schulrhetorik In den Schulen der Griechen und Römer waren Übungen zum Anfertigen schriftlicher Texte als Vorübungen (Progymnasmata) zur

108. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Aufsatzunterricht

eigentlichen Rhetorik gedacht. Erst im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde aus dem schriftlichen Gestalten in den höheren Schulen ein autonomes Bildungsziel. Damit änderte sich die Funktion von schriftlichen Übungen grundlegend (vgl. Ludwig 1988). Das Schreiben wurde zu einem Medium, das der Ausbildung der Fähigkeit zu selbständigem Denken dient. Allerdings ist der Funktionswandel bei der didaktischen Grundlegung der Aufsatzlehre bis heute weitgehend unverstanden geblieben. Aus der rhetorischen Tradition sind texttheoretisch und didaktisch Elemente erhalten geblieben, die in der neuen Umgebung ihre ursprüngliche Bedeutung verloren oder veränderten. Drei Punkte sind in diesem Zusammenhang zu erwähnen: die mündlich vorgetragene Rede als Referenzpunkt für die Texttheorie der Schulrhetorik, die Normativität der didaktischen Zielsetzung und die methodische Organisation des Unterrichts in Anlehnung an Phasen der Textproduktion. Die Texttheorie der Rhetorik war primär nicht auf die Texte einer Schriftkultur bezogen, sondern auf öffentliche mündliche Beredsamkeit. Die schriftlichen Übungen in der Schule waren somit ursprünglich nicht als selbständige Texte angelegt, sondern als einzelne Elemente der selbständigen Rede. Hinzu kommt, daß die schriftlichen Textsorten der Vorübungen unter didaktisch-methodischen Gesichtspunkten bestimmt wurden. Die Reihenfolge ihrer Einführung in den Unterricht richtete sich nach ihrem Schwierigkeitsgrad. Den Anfang bildeten Fabel und Erzählung, am Ende standen die argumentativen Formen. Viele dieser Übungsformen haben sich bis auf den heutigen Tag als Aufsatzformen in den europäischen Schulen gehalten. So lassen sich die Normen für die Schulerzählung auf die Regeln für das Anfertigen einer narratio zurückführen, der Sachverhaltsdarstellung im Rahmen einer Gerichtsrede. ⫺ Die Rhetorik verfuhr normativ und stellte Textproduktion im Hinblick auf die intendierten mustergültigen Produkte dar. Originalität und freier Umgang mit vorgegebenen Mustern waren keine Ziele des Unterrichts. Unterweisung und Übung erstreckten sich ausschließlich auf die Aneignung der formalen Eigenschaften der Muster. Das Verfertigen einer Rede modellierte die Rhetorik als das Durchlaufen von isolierbaren Phasen des Produktionsprozesses. Am Anfang standen inventio und dispositio, das gedankliche Erschließen von Sachverhalten und das Anordnen des Materials in einer Rei-

1261

henfolge, die den Bedürfnissen der wirkungsvollen Rede genügte. Die Umsetzung in eine angemessene sprachliche Form erfolgte in der Phase der elocutio; sie hatte eine schriftlich vorbereitete Rede zum Ergebnis. Diese Rede sollte nun keinesfalls abgelesen werden, sondern zu einem „freien“ Vortrag gelangen. Es schlossen sich also an das schriftliche Erarbeiten noch die Phasen des Auswendiglernens (memoria) und des Vortrags (actus) an. Die Aufteilung in Produktionsphasen bestimmt immer noch die methodische Organisation des Aufsatzunterrichts. Was jedoch ursprünglich Zwischenstufe war, hat nun den schriftlichen Text als Endprodukt zum Ergebnis. Weggefallen sind die Phasen, die in der Rhetorik der Umsetzung des schriftlich vorbereiteten Textes in einen mündlichen Vortrag galten. Einsichten in die Beschaffenheit von Texten in der Schriftkultur spielen für die Aufsatzdidaktik nach wie vor eine geringere Rolle als ein schulischer Textkanon, dessen Bestimmungen sich aus der normativen Texttheorie der Rhetorik herleiten lassen. In den „Darstellungs-“ oder „Stilformen“ erhält der überlieferte Kanon schließlich den Anschein einer systematischen Ordnung. Die Systematik gründet sich einerseits auf die Annahme, daß man einen subjektive von einem objektiven Sprachgebrauch unterscheiden kann, andererseits auf die Klassifikation von Sachverhalten als Zustand oder als Handlung bzw. Vorgang. Auf diese Weise werden „Grundformen“ des schulischen Schreibens bestimmt (vgl. Haueis 1971). Eine gewisse Sonderstellung in diesem Gefüge nimmt die Erörterung ein. Ihr Gegenstand ist eine argumentative Auseinandersetzung mit einem Problem. Da ihr Ziel ein Zuwachs an Erkenntnis sein soll, kommt hierfür im Verständnis dieser Konzeption nur eine „objektive“ sprachliche Haltung zur Welt in Frage. Zum normativen Erbe der Rhetorik gehört die Annahme, daß jede der so bestimmten Darstellungsformen durch identifizierbare sprachliche Merkmale zu charakterisieren sei. Subjektivität in Erzählungen soll sich etwa am häufigen Gebrauch direkter Rede zeigen; die Objektivität des Berichts dagegen soll dadurch zustande kommen, daß direkte Rede fehlt und auf die „Ausschmückung“ durch adjektivische Attribute verzichtet wird. Beschreibungen sollen im Präsens stehen, dagegen gilt es als Verstoß gegen die Eigentümlichkeit von Berichten und Erzählungen, wenn in ihnen ein anderes Tempus als Prä-

1262 teritum und Plusquamperfekt vorkommt. Diese Annahmen beruhen weniger auf Einsichten in die sprachliche Beschaffenheit von beschreibenden, erzählenden oder berichtenden Texten, die außerhalb der Schule verfaßt und gelesen werden, als auf einer Festsetzung von Normen für den Schulgebrauch. 1.2. Konzeptionen Didaktische Entscheidungen über Zielsetzungen, Inhalte und Methoden des Aufsatzunterrichts sind an unterschiedlichen Konzeptionen der Aufsatzdidaktik ablesbar. Dies sei an den konkurrierenden Konzeptionen des sprachgestaltenden Aufsatzes, des kommunikativen und des kreativen Schreibens exemplarisch erläutert.⫺ Der methodische Grundgedanke in der Konzeption des sprachgestaltenden Aufsatzunterrichts kann bis heute Interesse beanspruchen. Durch Sprachgestaltung sollten die Schüler in die Lage versetzt werden, lexikalische, morphologische und syntaktische Wirkungspotentiale ihrer Sprache zu entdecken. Dies konnte bedeuten, durch Sprachproduktion Prozesse der Sprachreflexion in Gang zu setzen. Um Erfahrungen über sprachliche Gestaltungsmöglichkeiten methodisch zu vermitteln, stellt Ingendahl (1975) die Verbindung zwischen Sprachproduktion und -reflexion durch die Verfahren her, die sich in einer operativ fundierten Sprachlehre als methodische Hilfen bewährt haben. Sprachtheoretisch baut die Konzeption auf die Unterscheidbarkeit von subjektiver und objektiver sprachlicher Gestaltung. In kommunikativen Konzeptionen gewinnt der Gedanke an den Adressatenbezug des Schreibens dominierenden Einfluß auf die Bestimmung von Lernzielen für den Aufsatzunterricht. Wird dieser Aspekt besonders deutlich hervorgekehrt, führt dies dazu, methodische Vorschläge weitgehend auf das Prinzip zu gründen, bei der schulischen Textproduktion von realen Schreibsituationen auszugehen (vgl. Boettcher et al. 1973). Damit ist zwar in Ansätzen die Wechselseitigkeit zwischenmenschlicher Kommunikationsprozesse zu berücksichtigen. Umstritten ist jedoch, ob man mit Hilfe dieser Auffassung von menschlicher Kommunikation schriftliche Textproduktionen adäquat modellieren kann. Die Beschränkung auf einen zweckund adressatengebundenen Aufsatzunterricht stellt zudem eine einseitige Festlegung von Zielen dar. Es besteht die Gefahr, daß sich didaktische Intentionen unkritisch am rei-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

bungslosen Funktionieren in vorgegebenen Handlungszusammenhängen orientieren. Der Versuch, Abhilfe zu schaffen (z. B. Fritzsche 1980), läßt das reformpädagogische Konzept des „freien Aufsatzes“ wiedererstehen. Damit verbinden sich heute Identitätsbildung und Kreativität als pädagogische Zielsetzungen. Vieles von dem, was man sich von der Identitätsfindung durch Prozesse des Schreibens erhofft, deckt sich inhaltlich mit dem persönlichkeitsbezogenen Begriff von Kreativität. Daß außerschulische Schreibversuche von Jugendlichen diese Funktion erfüllen, darf man begründet vermuten. Freies Schreiben scheint für Jugendliche aus allen sozialen Schichten von Bedeutung zu sein. Die Verteilung ist allerdings ungleich und nicht unabhängig von der erworbenen Schreibfähigkeit zu sehen. Der Beitrag des Aufsatzunterrichts zur Entfaltung kreativer Fähigkeiten ist vorwiegend unter Bezugnahme auf Texte mit ästhetischer Funktion erörtert worden (vgl. etwa Hurrelmann 1977). Kreativität wäre jedoch als konstitutives Moment aller Prozesse des sprachlichen Lernens zu begreifen. Sofern Kreativität vornehmlich an ästhetischen Texten wahrgenommen wird, erscheint sie im Deutschunterricht nur in ihrem produktorientierten Aspekt. Die in den Zielsetzungen konkurrierenden Konzeptionen der Aufsatzdidaktik berücksichtigen jeweils nur einige der potientiellen Funktionen des Schreibens und modellieren die daraus abgeleiteten Textformen unzulänglich. Ludwig (1980) gruppiert Funktionen des Schreibens sowohl unter dem Gesichtspunkt, inwieweit sie sich aus Funktionen des dialogischen Sprechens ableiten lassen, als auch nach dem Grad ihrer Partnerbezogenheit. Die im Aufsatzunterricht fest verankerten Sachverhaltsdarstellungen leitet er aus dem dialogischen Sprechen ab und ordnet sie im Hinblick auf ihren Partnerbezug unmittelbar den kommunikativen Funktionen des Schreibens nach. Sie weisen somit als erzählend-berichtende, beschreibende und argumentierende Texte sowohl mit den kommunikativen als auch mit den appellativen und heuristischen Texten gemeinsame Funktionsmerkmale auf. Eine Aufsatzdidaktik, die sich auf das Einüben von erzählend-berichtenden, beschreibenden und argumentierenden Texten beschränkt, berücksichtigt daher nur einen Teil der Funktion des Schreibens, die für die Lebenspraxis bedeutsam sind. Die Konzeption des sprachgestaltenden Aufsatzunterrichts modelliert Sachverhaltsdarstellungen

108. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Aufsatzunterricht

weitgehend unter Vernachlässigung ihres Partnerbezugs. In den am Adressatenbezug orientierten kommunikativen Konzeptionen drängt appellatives Schreiben andere Funktionen in den Hintergrund, so daß das Ineinandergreifen von inhaltlicher und partnerbezogener Textstrukturierung bei Sachverhaltsdarstellungen auch hier unberücksichtigt bleibt. Konzeptionen des freien und kreativen Schreibens lassen von den Sachverhaltsdarstellungen fast ausschließlich erzählende Texte zum Zuge kommen und modellieren sie als Formen des expressiven Schreibens. Die gegenwärtige Aufsatzdidaktik wendet sich verstärkt der Erörterung von methodischen Fragestellungen zu. Dabei zeichnen sich in mehrfacher Hinsicht Tendenzen zu einer Veränderung des Aufsatzunterrichts ab. Erstens sieht man die Notwendigkeit, in der didaktischen Analyse Schreibsituationen von Schreiblernsituationen zu unterscheiden. Zweitens werden didaktische Entscheidungen eher im Hinblick auf die Steuerung des Formulierungsprozesses als auf die Eigenschaften des intendierten Textproduktes getroffen; allerdings werden gelegentlich immer noch Zweifel geäußert, ob in diesem Bereich didaktisches Eingreifen überhaupt möglich ist. Drittens geht die Analyse des Lerngegenstandes stärker von Struktur und Funktion einzelner Texte aus als von denen abstrakt bestimmter Textsorten. Viertens richten sich didaktische Entscheidungen eher nach dem Aufgabenverständnis und den Lösungsstrategien von Schülern als nach etablierten schulischen Normen. Fünftens ändert sich die Funktion des kognitiven Lernens für das Verfertigen schriftlicher Texte.

2.

Die didaktische Modellierung des Schreibprozesses

2.1. Schreibsituationen und Schreiblernsituationen Schriftliche Texte sind komplexe sprachliche Gebilde, deren Hervorbringung Fähigkeiten erfordert, die sich nicht schon aus der Konfrontation mit einer interessanten Aufgabenstellung von selbst entwickeln. Die Konzentration auf die didaktische Konstruktion von lebensnahen Schreibsituationen stellt eine einseitige Festlegung dar, wenn sie nicht im vollen Sinne als Schreiblernsituationen begriffen werden.⫺ Die adäquate didaktische Modellierung des Verfassens von schriftlichen Texten erfordert nicht nur, daß alle we-

1263

sentlichen Komponenten dieser Tätigkeit erfaßt sein müssen. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die Ausführung einer komplexen Tätigkeit bei Geübten anders strukturiert ist als bei Anfängern. Die routinierte Ausführung einer Tätigkeit ist weitgehend automatisiert. Das heißt, daß einige der Teilhandlungen, auf die ein Anfänger seine Aufmerksamkeit richten muß, für den Geübten keine Rolle mehr zu spielen scheinen. Für die didaktische Modellierung hat dies zur Folge, daß man sich nicht mit der Analyse von Komponenten einer Tätigkeit, wie sie für den automatisierten Vollzug konstitutiv sind, begnügen kann. Gerade die automatisierten Handlungsschemata müssen in der didaktischen Modellierung wieder zu einem Gefüge von Teilhandlungen entfaltet werden. Dies setzt voraus, daß man das hierfür erforderliche Maß an Differenziertheit im Hinblick auf die von Schülern zu erwartenden Handlungsfähigkeiten bestimmen kann. Als Elementarisierung bedeutet Entfaltung das didaktische Ausarbeiten aller Handlungsschemata (Operationen), die für den Aufbau einer komplexen Leistung erforderlich sind. 2.2. Didaktisches Eingreifen in den Formulierungsprozeß Nach allem, was man über den Erwerb der Schriftsprache wissen kann, ist davon auszugehen, daß im Schreibprozeß für Schüler erhebliche Schwierigkeiten liegen, die sie, wenn die Schule sie im Stich läßt, allenfalls aufgrund glücklicher Zufälle von alleine überwinden können. Dies hätte zur Konsequenz, daß das, was im Bereich schriftlicher Sprachgestaltung als Leistung beurteilt wird, nur zu einem geringen Teil das Ergebnis unterrichtlicher Lerntätigkeiten ist. Man kann vermuten, daß die „mangelnde Akzeptanz des Schreibens bei Schülern wesentlich das Ergebnis einer curricularen Unterschätzung der Komplexität des Gegenstandes ist“ (Antos 1988, 39). In der gegenwärtigen Schreibforschung wird Schreiben zunehmend als Problemlösen betrachtet, das sich vor allem auf das Bewältigen von Formulierungsproblemen erstreckt. Dies bedeutet, daß der Prozeß der Textproduktion nicht als eine starre Abfolge genau festliegender Produktionsschritte aufzufassen ist. Deshalb wird man nicht erwarten können, aus Befunden der Schreibforschung ein didaktisches Programm mit einer linearen Folge von Lernschritten zu gewinnen. Man kann aber davon ausgehen, daß zumindest ei-

1264 nige der Komponenten des Schreibprozesses aufeinander aufbauen, so daß es beim Schreiben zu Teilprozessen kommt, in denen eine gewisse Abfolge von Handlungseinheiten erforderlich ist. Schreiber verfügen über eine geistige Vorwegnahme des zu erstellenden Textes. In der didaktischen Analyse ist diese Konzipierung eines Schreibziels gegen kommunikative oder heuristische Ziele abzugrenzen, die ein Schreiber mit dem Verfassen eines Textes verfolgen kann. Zum Beispiel mag ein Schreiber sich das heuristische Ziel setzen, sich Informationen über einen Sachverhalt verfügbar zu halten. Diese Intention kann ⫺ unter anderen Möglichkeiten ⫺ zum Schreibziel führen, eine schriftliche Notiz über den betreffenden Sachverhalt anzufertigen. Mit dem Erreichen eines Schreibziels gewinnt der Schreiber ein Instrument, das ihm beim Verfolgen einer übergreifenden Zielsetzung dienlich sein kann. Es mag sich später aber vielleicht auch herausstellen, daß der mit einem bestimmten Schreibziel verfaßte Text für die ursprünglich intendierten Zwecke unbrauchbar ist. In solchen Fällen ist es sogar möglich, daß Schreibziel und übergeordnetes Handlungsziel sich als unvereinbar erweisen. Einige bekannte Lehrverfahren im Aufsatzunterricht setzen die Unterscheidung von Schreibziel und übergeordnetem Handlungsziel voraus. So dient die unterrichtliche Analyse von Schreibsituationen dazu, sich über mögliche Intentionen des Schreibers klar zu werden und Gesichtspunkte herauszufinden, die beim Anfertigen eines Textes, der hierfür dienlich sein soll, zu beachten sind.⫺ Wenn man weiß, daß die Lehrkraft in den Schreibprozeß eines Schülers im allgemeinen nicht unmittelbar didaktisch eingreifen kann, andererseits aber diesen Prozeß nicht unbeeinflußt lassen will, muß man dafür Sorge tragen, daß Schüler lernen, ihre Schreibtätigkeit selbst zu steuern. Dies ist jedoch nur möglich, wenn sie sich ihre jeweiligen Schreibziele vergegenwärtigen können. Die methodische Konsequenz, die daraus zu ziehen ist, lautet, daß man das Festlegen von Schreibzielen im Aufsatzunterricht lehren muß. Genauer gesagt, ist zu lehren, wie man sich Schreibziele vergegenwärtigen kann. Denn das Festlegen solcher Ziele ist identisch mit dem Prozeß der Konzeptbildung. Die Vergegenständlichung von Schreibzielen kann zu schriftlichen Entwürfen für den zu verfassenden Text führen. Man kann den Prozeß der Konzeptbildung nicht als abgeschlossen betrachten, solange der anzufertigende Text bearbeitet wird. Zum

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

einen können Konzeptualisierungen von Texten Gegenstand von Revisionen sein, zum andern wird die Zielbildung im Laufe des Schreibprozesses zunehmend verfeinert, da in die Konzeptualisierung zunächst nur umrißhafte Vorstellungen vom anzufertigenden Text eingehen können. In der didaktischen Analyse ist deshalb zu unterscheiden zwischen der Vergegenwärtigung von Schreibzielen und dem Gebrauch, den man davon hinsichtlich der Steuerung des Schreibprozesses macht. Eine gewisse Sonderstellung unter den Teilhandlungen der voll entfalteten Schreibtätigkeit nehmen Revisionen ein (vgl. Baurmann & Ludwig 1985). Sie sind zwar ebenfalls Teilhandlungen der Schreibtätigkeit, führen aber den Prozeß der Textproduktion nicht unmittelbar weiter, sondern beziehen sich auf bereits durchlaufene Phasen des Produktionsprozesses. Revisionen, die sich auf frühe Phasen des Produktionsprozesses, etwa auf die Konzeptbildung, beziehen, gelten als tiefer als solche, die Veränderungen in späten Phasen des Produktionsprozesses, etwa im Hervorbringen orthographisch korrekter Schreibungen, nach sich ziehen. Schreiber, die zu häufigen und grundlegenden Textrevisionen fähig sind, scheinen eher in der Lage zu sein, die Schwierigkeiten der schriftsprachlichen Gestaltung zu meistern als Schreiber, die sich von ihrer Erstversionen kaum mehr zu lösen vermögen. ⫺ Revisionen, von denen nur Teile der Konzeptbildung betroffen sind, können schon durch das systematische Anwenden von Handlungsschemata, wie sie in Ingendahls (1975) Vorschlägen zu einer operativen Stilistik zugrunde liegen, erfolgreich durchgeführt werden. Die operativen Schemata greifen hier freilich nicht in Sätze und einfache Satzverbindungen ein, sondern verändern größere textuelle Einheiten. Die gleichen Schemata sind als Überarbeitungen bei der Revision von Formulierungen wirksam. Besonders hervorzuheben sind Revisionen, die auf Umformungen beruhen. Hier wird eine sprachliche Einheit durch eine weitgehend bedeutungsgleiche andere Einheit mit unterschiedlicher syntaktischer Struktur ersetzt. Umformungen bei der Überarbeitung von Formulierungen führen u. a. zur Einoder Ausbettung von Gliedsätzen, zum Austausch von Gliedsätzen mit Adjektiven und Nominalgliedern oder zur Verfügbarkeit über verschiedene Formen „täterabgewandter“ Satzkonstruktionen durch Passivierung oder Besetzung der Subjektstelle mit einem Indefi-

108. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Aufsatzunterricht

nitpronomen. Klangproben sind ein geeignetes Mittel, um die Revisionsbedürftigkeit einer Formulierung zu erkennen. Darüber hinaus können sie dazu beitragen, syntaktische Fehlkonstruktionen aufzuspüren und zu entsprechenden Selbstkorrekturen veranlassen. 2.3. Struktur und Funktion von Texten Die Konstitution einzelner Texte zu erfassen, indem man die spezifischen Bedingungen ihrer Produktion, Rezeption und Verwendung berücksichtigt, unterscheidet sich hinsichtlich der didaktischen Implikationen von einer generellen Textsortenbestimmung nach der systematischen Variation typischer Merkmalsausprägungen. In dieser Betrachtungsweise sind Textsorten geprägt durch typische Kombinationen von Merkmalen wie Zahl und Art der Kommunikationspartner, Grad der Öffentlichkeit, Schriftkonstituiertheit und Funktion der Äußerung. Textlinguistisch ist zu untersuchen, inwieweit Verfahren der Textkonstitution durch bestimmte Formen der Satzverknüpfung, von einleitenden und abschließenden Sequenzen und anderen Eigentümlichkeiten als textsortenspezifisch zu gelten haben (vgl. Brinker 1988; → Art. 136). Ergebnisse, die auf diese Weise gewonnen werden, bieten nur insoweit Anhaltspunkte für didaktisches Handeln im Aufsatzunterricht, als sie Informationen darüber enthalten, welche sprachlichen Eigenschaften textsortenspezifisch besonders häufig anzutreffen sind. Ob daraus pädagogisch verantwortbare normative Erwartungen an Schüler abzuleiten sind, bleibt ebenso unentschieden wie die Frage, ob man das Verfügen über die betreffenden Vertextungsmittel anders als durch das Nachahmen vorgegebener Muster erlernen kann. Fortschritte auf diesem Gebiet sind durch eine Veränderung der texttheoretischen Perspektive zu erreichen, indem man von der Auffassung ausgeht, daß das mündliche Kommunizieren und das Verfassen schriftlicher Texte sprachliche Tätigkeiten sind, die im Geflecht anderer sozialer oder instrumenteller Aktivitäten auftreten (vgl. Antos 1982). Im Mittelpunkt der Analyse steht die Frage, was Sprecher oder Schreiber tun, wenn sie, Handlungsbedingungen berücksichtigend, sprachliche Äußerungen mündlich oder schriftlich konstituieren. Die Antwort darauf ist nicht in der Aufzählung der sprachlichen Mittel zu suchen, die Textproduzenten wählen; diese metaphorische Modellierung vermittelt ohnehin nur einen unzulänglichen Begriff von den Prozessen, die bei der Textpro-

1265

duktion wirksam sind (vgl. Antos 1982). Der Gewinn dieser veränderten texttheoretischen Betrachtungsweise für die Aufsatzdidaktik besteht erstens in der Möglichkeit, aus dem Gesamtkomplex von Fähigkeiten, die beim Verfassen von Texten eine Rolle spielen, spezifisch sprachliche Leistungen zu bestimmen. Zweitens kann die Förderung solcher Fähigkeiten methodisch so konzipiert werden, daß sie nicht auf der Übernahme vorgegebener Muster beruht, sondern auf der Entwicklung von sprachlichen Handlungsmöglichkeiten.

3.

Methodische Grundsätze

3.1. Aufgabenverständnis und Problemlösungen Daß es soziokulturell unterschiedliche Vertextungsweisen gibt, ist didaktisch in Rechnung zu stellen. Dies trifft insbesondere für erzählende Texte zu. Unterlassungen in diesem Bereich führen zu Benachteiligungen von Schülern, denen die schulischen Normen der Textgestaltung von Hause aus wenig geläufig sind. Ein unbefangener Blick auf Texte, die sich in der Schriftkultur als wirksam erweisen, wird oft auf überraschende, im Unterricht nicht bedachte Lösungen stoßen. Deshalb kommt es darauf an, an den Textvorgaben der Schüler zu arbeiten. Vieles von dem, was in Aufsätzen als sprachlich problematisch markiert werden kann, läßt sich als noch nicht ganz geglückten Versuch interpretieren, ein bestimmtes Formulierungsproblem zu lösen. Die Aufgabe der didaktischen Analyse von Schülertexten besteht darin, auf der Grundlage des Ausgedrückten das Gemeinte zu erschließen. So begründete Annahmen über Formulierungsprobleme können dem methodischen Prinzip gerecht werden, Schülern zu den Formulierungen zu verhelfen, die genau das ausdrücken, was sie selbst sagen wollen. 3.2. Kognitives Lernen Zahlreichen methodischen Vorschlägen zum Aufsatzunterricht liegt die Annahme zugrunde, daß kognitives Lernen sich positiv auf die Fähigkeit zur Produktion von schriftsprachlichen Äußerungen auswirkt. Wissen darüber, daß eine bestimmte Textsorte eine Reihe von Merkmalen aufweisen soll, während sie eine Reihe anderer Merkmale nicht aufweisen darf, soll nachträglich für Schüler eine handlungsanleitende Funktion übernehmen, die so in den Situationen des Kenntnis-

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

erwerbs gar nicht angelegt ist. Zwar trifft es in gewisser Hinsicht zu, daß Kenntnisse über Texteigenschaften Handlungen eines Schreibenden zu steuern vermögen, aber nur insofern, als mit der Hilfe solcher Kenntnisse Entscheidungen über Formulierungsalternativen begründbar werden. Damit sind Kenntnisse über Texteigenschaften nicht wertlos, aber sie sind kein geeigneter Ersatz für didaktische Maßnahmen zur Förderung des Schreibprozesses. Diese bestehen vor allem darin, Operationen der praktischen Sprachreflexion mit dem Ziel der Textoptimierung anzuwenden. Das kommt erstens der sprachlichen Ausdrucksfähigkeit besser zugute als isolierte Wortschatzübungen an Wortfeldern, weil hier die Suche nach einem „treffenden Ausdruck“ unter lexikalischen und syntaktischen Gesichtspunkten in Abhängigkeit von Kontext und Situation erfolgt. Zweitens bringt ein derartiges Vorgehen für die Entwicklung sprachreflexiver Fähigkeiten mehr als das Aufzwingen einer mißverständlichen grammatischen Terminologie, weil die jeweiligen Veränderungen am sprachlichen Material zu Urteilen über Angemessenheit und möglichen Konsequenzen provozieren und zugleich die Operationen der Textoptimierung identisch sind mit den Operationen einer wirksamen metasprachlichen Begriffsbildung.

4.

Anthropogene Voraussetzungen und institutionelle Bedingungen

4.1. Anthropogene Voraussetzungen für den Aufsatzunterricht Die Forderung, Aufsatzdidaktik auf der Grundlage von Kindersprachforschung zu entwickeln, ist bereits in der Reformpädagogik erhoben worden. Allerdings ist zu bedenken, daß nicht in allen einschlägigen Untersuchungen sprachliche Daten ausgewertet werden, deren Relevanz für die Konstitution von schriftlichen Texten außer Zweifel steht. Arbeiten, in denen es um Umfang und Struktur des Wortschatzes oder um syntaktische Eigenschaften einzelner Sätze geht, können nur wenig über die spezifischen Fähigkeiten aussagen, die für das Verfassen von Texten eine Rolle spielen. Für die Aufsatzdidaktik relevante Arbeiten befassen sich vor allem mit drei Fragestellungen. Erstens geht es um die altersbedingte Bewältigung von spezifischen sprachlichen Schwierigkeiten, die Kindern beim Verfassen

von schriftlichen Texten begegnen. Zweitens wird untersucht, wie sich Kinder die Fähigkeit aneignen, Probleme der Textstrukturierung zu lösen, d. h. Erwartungen an bestimmte Textmuster zu erfüllen, sowie Sachund Partnerbezug zu koordinieren. Drittens geht es um die Entwicklung der Fähigkeit, den eigenen Formulierungsprozeß zu steuern. Nicht nur für Kinder, auch für Erwachsene, die im Schreiben ungeübt sind, bedeutet es eine Schwierigkeit, die eigene Wahrnehmungssituation sprachlich so zu objektivieren, daß Leser wissen können, worauf der Schreiber referiert. Situationsunabhängige Referenz bildet eine der grundlegenden sprachlichen Schwierigkeiten beim Verfassen schriftlicher Texte. Die Schwierigkeit, in der sich Kinder befinden, ist in doppelter Hinsicht gegeben. Zum einen können sie sich die Wahrnehmungssituation von Lesern nur schwer vorstellen, zum andern verfügen sie nicht uneingeschränkt über die Fähigkeit der sprachlichen Berücksichtigung von referenzsemantischen Erfordernissen. Es spricht vieles dafür, den Zugang zum Herstellen selbständiger schriftlicher Texte über solche Formen des Schreibens zu eröffnen, bei denen weder die kognitive Strukturierung der darzustellenden Sachverhalte noch die Berücksichtigung der Leserperspektive besondere Probleme aufwirft. Hierfür bieten sich erzählende Texte an. Zum einen sind die zu versprachlichenden Sachverhalte bereits durch die zeitliche Abfolge von Ereignissen vorstrukturiert, zum andern kann die Orientierung an verfügbaren Erzählmustern von der bewußt kontrollierten Berücksichtigung des Partnerbezugs entlasten. So ist denn auch die Ontogenese der Fähigkeit, erzählende und berichtende Texte zu verfassen, besonders gut erforscht. Im Alter von etwa acht Jahren beginnen Kinder, ihre Geschichten mit einer deutlich markierten Einleitung, einer Spannungsführung bis zu einem Höhepunkt und einer Schlußformel zu strukturieren. Während zuvor Episoden meistens nicht als Einheiten gestaltet werden, in denen das auslösende Ereignis und die Aktivitäten der Erzählfiguren aufeinander bezogen sind, enthalten Erzähltexte nun Orts- und Zeitangaben zur Orientierung des Lesers oder Hörers und eine Ausgestaltung der Beziehungen zwischen episodischen Erzähleinheiten. Daß die Einhaltung der Reihenfolge eine so große Rolle bei der didaktischen Modellierung des Erzählens spielt, hängt wohl damit zusammen, daß sich für jeden Erzähler das Problem stellt, ei-

108. Aspekte und Probleme des Schreibunterrichts: Aufsatzunterricht

nen komplexen Handlungszusammenhang in eine Folge von Erzählschritten zu zerlegen. Das Problem ist aber nur vordergründig als die Schwierigkeit zu charakterisieren, sich an die „richtige“ Chronologie der Ereignisse zu halten. Im Kern besteht es darin, einen Handlungskomplex überhaupt erst einmal in relevante Ereignisse aufzugliedern. Inwieweit Kinder in der Lage sind, den eigenen Formulierungsprozeß zu kontrollieren und steuernd in ihn einzugreifen, hängt von der Entwicklung sprachlich gebundener operativer Schemata zur Steuerung geistiger Aktivitäten ab, wie sie im Konzept der inneren Sprache beschrieben werden. Einige dieser Schemata treten in der Form von Textrevisionen in Erscheinung. Die Beobachtung der Schreibtätigkeit von Schülern ergibt, daß jüngere Kinder dazu neigen, sich mit Revisionen in bezug auf orthographische und grammatische Richtigkeit zu begnügen, während ältere Schüler in stärkerem Maße revidierend in Formulierungen und in den Textaufbau eingreifen (vgl. Baurmann & Ludwig 1985). Es zeichnet sich aber auch ab, daß Anzahl und Qualität der Revisionen schon bei Grundschülern didaktisch beeinflußbar sind. 4.2. Aufsatzbeurteilung Inwieweit der Aufsatz als zuverlässiges, objektives und gültiges Prüfungsinstrument gelten kann, ist umstritten. Der unbefriedigende Zustand, in dem sich die Praxis der Aufsatzbenotung befindet, ist zum einen auf das Festhalten an Organisationsformen zurückzuführen, die als Fehlerquellen bei der Leistungsfeststellung bekannt sind. Zum andern tragen einige grundsätzliche Schwierigkeiten, die mit dem Beurteilen sprachlichen Könnens verbunden sind, zu der besonderen Ausprägung des Problems der Aufsatzbewertung bei. Zu den Fehlerquellen, die sich auf die Objektivität und Reliabilität der Bewertung auswirken, gehört das Festhalten an der Personalunion von Lehre und Leistungsfeststellung. Ein didaktisches Urteil, das einem Schüler aus Kenntnis seiner individuellen Lernsituation gerecht zu werden vermag, darf jedoch nicht mit der Objektivität und Zuverlässigkeit des Urteils über eine Prüfungsleistung verwechselt werden. Eine andere Fehlerquelle, die allerdings auch das didaktische Urteil trübt, beruht auf irrtümlichen Annahmen über die vermeintliche Gültigkeit von bestimmten moralischen, grammatischen, stilistischen und orthographischen Normen. Was Lehrkräfte in Aufsätzen als

1267

sprachliche Abweichung markieren, erfolgt oft nach subjektiven Maßstäben, die rigider zu sein scheinen als die kodifizierten Normen (vgl. Ivo et al. 1983). An Vorschlägen zur Vereinheitlichung von Beurteilungskriterien fehlt es nicht (vgl. Beck 1979). In der Praxis haben sie sich als nahezu wertlos erwiesen, solange sie nicht mit dem unter sozialer Kontrolle vermittelten Einüben des Gebrauchs der in den Kriterienkatalogen benutzten Prädikate verbunden sind. Mittelbar sind die Kataloge insofern von Nutzen, als sie dazu beitragen können, die Diskussion um Ziele des Aufsatzunterrichts offenzuhalten.

5.

Literatur

Antos, Gerd. 1982. Grundlagen einer Theorie des Formulierens. Tübingen. ⫺. 1988. Eigene Texte herstellen! Schriftliches Formulieren in der Schule. Der Deutschunterricht 40, 3. Antos, Gerd & Krings, Hans P. (ed.). 1989. Textproduktion. Tübingen. Augst, Gerhard & Faigel, Peter. 1986. Von der Reihung zur Gestaltung. Frankfurt/M. Bamberg, Michael. 1987. The acquisition of narratives: learning to use language: Berlin et al. Baurmann, Jürgen. 1990. Aufsatzunterricht als Schreibunterricht. Praxis Deutsch 104. Baurmann, Jürgen & Ludwig, Otto. 1985. Schüler revidieren Texte. In: Boueke, Dieter & Hopster, Norbert (ed.), Schreiben lehren ⫺ Schreiben lernen. Paderborn. Beck, Oswald. 1979. Theorie und Praxis der Aufsatzbeurteilung. Bochum. Beck, Oswald & Hofen, Nikolaus. 1990. Aufsatzunterricht Grundschule. Handbuch für Lehrende und Studierende. Hohengehren. Beisbart, Ortwin. 1989. Schreiben als Lernprozeß. Anmerkungen zu einem wenig beachteten sprachdidaktischen Problem. Der Deutschunterricht 41, 3. Boettcher, Wolfgang et al. 1973. Schulaufsätze ⫺ Texte für Leser. Düsseldorf. Boueke, Dieter & Schülein, Frieder. 1988. Von der Lehr- und Lernbarkeit des Erzählens. Diskussion Deutsch 102. Brinker, Klaus. 1988. Bedingungen der Textualität. Zu Ergebnissen textlinguistischer Forschung und ihren Konsequenzen für die Textproduktion. Der Deutschunterricht 40, 3. Ehlich, Konrad (ed.). 1984. Erzählen in der Schule. Tübingen.

1268 Ehlich, Konrad & Wagner, Klaus R. (ed.). 1989. Erzähl-Erwerb. Bern et al. Eigler, Gunther et al. 1990. Wissen und Textproduzieren. Tübingen. Fritzsche, Joachim. 1980. Aufsatzdidaktik. Stuttgart et al. Gössmann, Wilhelm. 1976. Sätze statt Aufsätze. Düsseldorf. Gregg, L. W. & Steinberg, E. R. (ed.). 1980. Cognitive Processes in Writing. Hillsdale, N. J. Haueis, Eduard. 1971. Die theoretische Grundlegung des gegenwärtigen Aufsatzunterrichts. Essen. ⫺. (ed.). 1987. Produktion schriftlicher Text. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) 36. Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.). 1983. Textproduktion und Textrezeption. Tübingen. Herrmann, Wolfgang. 19792. Schriftliches Arbeiten im Sprachunterricht. In: Boueke, D. (ed.). Deutschunterricht in der Diskussion. Paderborn.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit Hurrelmann, Bettina. 1977. Kreatives Schreiben ⫺ ästhetische Kommunikation in der Grundschule. Linguistik und Didaktik 32. Ingendahl, Werner. 1975. Sprechen und Schreiben. Heidelberg. Ivo, Hubert et al. 1983. Aufsätze korrigieren. Diskussion Deutsch 71. Ludwig, Otto. 1980. Funktionen geschriebener Sprache und ihr Zusammenhang mit der gesprochenen Sprache. Zeitschrift für Germanistische Linguistik 8, 74⫺92. ⫺. 1988. Der Schulaufsatz. Seine Geschichte in Deutschland. Berlin⫺New York. Ossner, Jakob (ed.). 1995. Schriftaneignung und Schreiben. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST). 51. Schau, Albrecht. 1976. Aufsatzunterricht. Baltmannsweiler. Wild, Edeltraud. 1980. Inneres Sprechen ⫺ Äußere Sprache. Stuttgart.

Eduard Haueis, Heidelberg (Deutschland)

109. Geschichte der Didaktik und Methodik des Literaturunterrichts und der Lektüre 1. Allgemeine Bildung und klassischer Kanon (1812⫺1848) 2. Biedermeierlicher Gefühlskult und forcierter Nationalismus (1848⫺1918) 3. Streit um die Deutschkunde und Sieg des völkischen Wahns (1918⫺1945) 4. Zwischen Methodenlehren und didaktischen Definitionen von Wissensfeldern (1945⫺1992) 5. Literatur

Noch 1796 beklagte J. G. Herder in seiner berühmt gewordenen Schulrede, daß die Schule immer noch nicht die Werke jüngerer deutscher Autoren behandle, an denen Geist, Empfindung und nationale Identität der Jugendlichen sich bilden können. Damit drohe Deutschland in der literarischen Bildung hinter Italien, Britannien und Frankreich zurückzufallen. In der Tat war die Besprechung deutscher Literatur im 18. Jahrhundert eher die Ausnahme. Zwar gab es Ansätze in einzelnen Schulen schon ab 1745, etwa in St. Afra in Meißen oder am Braunschweigischen Karolinum, in denen Schüler zweimal in der Woche aus deutschen Dichtern lasen, aber es blieben vereinzelte Versuche engagierter Lehrer, die sich nicht durchsetzten. Selbst nachdem die fortschrittliche Kurfürstlich Sächsi-

sche Schulordnung von 1773 die Lektüre der besten Werke der Nationalliteratur forderte, folgte keine Welle unterrichtlicher Besprechung deutscher Literatur. Teilweise war es den Schülern sogar verboten, in ihrer Freizeit deutsche Werke zu lesen, so daß A. Matthias mutmaßen konnte: „Wer weiß, in wie vielen stillen Kämmerlein Schillers Räuber von Hand zu Hand gegangen ist, während der strenge Magister in seiner Weltfremdheit annahm, daß der Schüler seinen Cicero pflichtgemäß betreibe.“ (1907, 196) Auf solche subversive und unmittelbar bildungswirksame Leistung von Literatur setzten im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts aber deutsche Schriftsteller, wie K. Ph. Moritz, Lessing, Herder, Schiller. In seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ bestimmte Schiller die Funktion von Kunst: „Durch die ästhetische Gemütsstimmung wird also die Selbständigkeit der Vernunft schon auf dem Felde der Sinnlichkeit eröffnet.“ (23. Brief) Dieser Grundgedanke, daß im ästhetischen Zustand Kräfte gebildet werden, die zur Erreichung vernünftiger Zustände unabdingbar sind, wird bis zum Ende des Jahrhunderts zur tragenden Begründung für die Notwendigkeit der Lektüre deutscher Schriftsteller in den Schulen.

1268 Ehlich, Konrad & Wagner, Klaus R. (ed.). 1989. Erzähl-Erwerb. Bern et al. Eigler, Gunther et al. 1990. Wissen und Textproduzieren. Tübingen. Fritzsche, Joachim. 1980. Aufsatzdidaktik. Stuttgart et al. Gössmann, Wilhelm. 1976. Sätze statt Aufsätze. Düsseldorf. Gregg, L. W. & Steinberg, E. R. (ed.). 1980. Cognitive Processes in Writing. Hillsdale, N. J. Haueis, Eduard. 1971. Die theoretische Grundlegung des gegenwärtigen Aufsatzunterrichts. Essen. ⫺. (ed.). 1987. Produktion schriftlicher Text. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) 36. Hess-Lüttich, Ernest W. B. (ed.). 1983. Textproduktion und Textrezeption. Tübingen. Herrmann, Wolfgang. 19792. Schriftliches Arbeiten im Sprachunterricht. In: Boueke, D. (ed.). Deutschunterricht in der Diskussion. Paderborn.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit Hurrelmann, Bettina. 1977. Kreatives Schreiben ⫺ ästhetische Kommunikation in der Grundschule. Linguistik und Didaktik 32. Ingendahl, Werner. 1975. Sprechen und Schreiben. Heidelberg. Ivo, Hubert et al. 1983. Aufsätze korrigieren. Diskussion Deutsch 71. Ludwig, Otto. 1980. Funktionen geschriebener Sprache und ihr Zusammenhang mit der gesprochenen Sprache. Zeitschrift für Germanistische Linguistik 8, 74⫺92. ⫺. 1988. Der Schulaufsatz. Seine Geschichte in Deutschland. Berlin⫺New York. Ossner, Jakob (ed.). 1995. Schriftaneignung und Schreiben. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST). 51. Schau, Albrecht. 1976. Aufsatzunterricht. Baltmannsweiler. Wild, Edeltraud. 1980. Inneres Sprechen ⫺ Äußere Sprache. Stuttgart.

Eduard Haueis, Heidelberg (Deutschland)

109. Geschichte der Didaktik und Methodik des Literaturunterrichts und der Lektüre 1. Allgemeine Bildung und klassischer Kanon (1812⫺1848) 2. Biedermeierlicher Gefühlskult und forcierter Nationalismus (1848⫺1918) 3. Streit um die Deutschkunde und Sieg des völkischen Wahns (1918⫺1945) 4. Zwischen Methodenlehren und didaktischen Definitionen von Wissensfeldern (1945⫺1992) 5. Literatur

Noch 1796 beklagte J. G. Herder in seiner berühmt gewordenen Schulrede, daß die Schule immer noch nicht die Werke jüngerer deutscher Autoren behandle, an denen Geist, Empfindung und nationale Identität der Jugendlichen sich bilden können. Damit drohe Deutschland in der literarischen Bildung hinter Italien, Britannien und Frankreich zurückzufallen. In der Tat war die Besprechung deutscher Literatur im 18. Jahrhundert eher die Ausnahme. Zwar gab es Ansätze in einzelnen Schulen schon ab 1745, etwa in St. Afra in Meißen oder am Braunschweigischen Karolinum, in denen Schüler zweimal in der Woche aus deutschen Dichtern lasen, aber es blieben vereinzelte Versuche engagierter Lehrer, die sich nicht durchsetzten. Selbst nachdem die fortschrittliche Kurfürstlich Sächsi-

sche Schulordnung von 1773 die Lektüre der besten Werke der Nationalliteratur forderte, folgte keine Welle unterrichtlicher Besprechung deutscher Literatur. Teilweise war es den Schülern sogar verboten, in ihrer Freizeit deutsche Werke zu lesen, so daß A. Matthias mutmaßen konnte: „Wer weiß, in wie vielen stillen Kämmerlein Schillers Räuber von Hand zu Hand gegangen ist, während der strenge Magister in seiner Weltfremdheit annahm, daß der Schüler seinen Cicero pflichtgemäß betreibe.“ (1907, 196) Auf solche subversive und unmittelbar bildungswirksame Leistung von Literatur setzten im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts aber deutsche Schriftsteller, wie K. Ph. Moritz, Lessing, Herder, Schiller. In seinen Briefen „Über die ästhetische Erziehung des Menschen“ bestimmte Schiller die Funktion von Kunst: „Durch die ästhetische Gemütsstimmung wird also die Selbständigkeit der Vernunft schon auf dem Felde der Sinnlichkeit eröffnet.“ (23. Brief) Dieser Grundgedanke, daß im ästhetischen Zustand Kräfte gebildet werden, die zur Erreichung vernünftiger Zustände unabdingbar sind, wird bis zum Ende des Jahrhunderts zur tragenden Begründung für die Notwendigkeit der Lektüre deutscher Schriftsteller in den Schulen.

109. Geschichte der Didaktik und Methodik des Literaturunterrichts und der Lektüre

1.

Allgemeine Bildung und klassischer Kanon (1812⫺1848)

Die Gedanken einer Erziehung zur Humanität wurden von den Reformern in Preußen aufgegriffen und zur zentralen Idee für die neue Schule, das Gymnasium, gemacht. Freiherr vom Stein gab die Richtung an: Die Schule habe dafür zu sorgen, daß „durch eine auf die innere Natur des Menschen gegründete Methode jede Geisteskraft von innen heraus entwickelt und jedes edle Lebensprinzip angereizt und genährt, alle einseitige Bildung vermieden“ wird. Humboldt wurde noch konkreter: Nur die Dichtung vermag den Menschen über sich hinaus zur Totalität seines Daseins zu führen (Brief an Schiller vom 18.12.1796). Ihr gehört der zentrale Platz im Bildungskanon. Noch auf Humboldts Veranlassung hin trat 1812 die neue Abitur-Ordnung in Kraft, in der zum ersten Male Deutsch als Prüfungsfach vorgesehen war. Der wichtigste Mitarbeiter der „Sektion für den Kultus und öffentlichen Unterricht“ war Johann Wilhelm Süvern, der den maßgeblichen Lehrplan für das Gymnasium entwarf (1818). Zwar ist der Lehrplan nie in Kraft getreten, gilt aber als „die Konstitutionsakte des neuen Gymnasiums“ (Paulsen II, 1896, 291). Dieser Lehrplan zählte immerhin das Deutsche neben dem Latein, dem Griechischen und der Mathematik zu den Hauptfächern des gymnasialen Unterrichts und sah für den Unterricht in der deutschen Sprache insgesamt 44 Wochenstunden während einer zehnjährigen Schullaufbahn vor. In der Folgezeit wurden die Stundenzahlen für den Deutschunterricht zusammengestrichen. Der preußische Normalplan von 1837 räumte ihm nur noch 22 Wochenstunden ⫺ verteilt auf neun Schuljahre ⫺ ein, und bei einer weiteren Lehrplanrevision (1856) erfolgte eine nochmalige Reduzierung des Deutschen. Diese Entwicklung kehrte sich erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder um. Die Weichen aber waren gestellt. Im Rahmen des Deutschunterrichts nahm das Gewicht der Literatur zu, auch wenn die Stundenzahlen wieder zurückgingen. Die Schüler wurden verstärkt zu Privatlektüre angehalten, über die an vielen Schulen vierteljährlich Rechenschaft abzulegen war. Das preußische Ministerium empfahl überdies 1829, der Meldung zum Abitur Leselisten beifügen zu lassen.

1269

Trotz mancher Bedenken gegen den deutschen Literaturunterricht, der vor allem von den Verfechtern des altsprachlichen Unterrichts kam, die Lektüre in der Muttersprache für eine Freizeitbeschäftigung hielten, nahmen die Anstrengungen, ein Curriculum zu entwickeln, in den zwanziger Jahren zu. In Schulpforta las der junge Karl August Koberstein mit seinen Primanern deutsche Literatur vom Nibelungenlied bis Goethe. Er wurde vom preußischen Kultusministerium ermuntert, eine Literaturgeschichte, den von Süvern formulierten Ansprüchen folgend, als Leitfaden für den Unterricht zu schreiben. Und so entstand 1827 die erste deutsche Literaturgeschichte „Grundriß der Geschichte der deutschen Nationalliteratur“ nicht in der noch sehr jungen Germanistik, sondern in der Didaktik. Bis zu seiner vierten Auflage (1847) war es das erfolgreichste Werk seiner Art und dürfte den Literaturunterricht und die Literaturgeschichtsschreibung maßgeblich bestimmt haben. Ebenso wichtig wie der Leitfaden durch die Literaturgeschichte wurden aber Textsammlungen für die unterrichtlichen Besprechungen. Bestimmenden Einfluß gewannen die Gedichtsammlungen von Echtermeyer „Auswahl deutscher Gedichte für gelehrte Schulen“ (1836) und Wackernagels „Deutsches Lesebuch“ (1843). War es Echtermeyers Ziel, durch seine Auswahl Sinne und Verständnis für Poesie zu wecken sowie der sittlichen Erziehung Impulse zu geben, kam es Wackernagel darauf an, der „Mühseligkeit des unaufhörlichen Lernens“ Entlastung durch Literatur zu verschaffen, das „Moment der Freiheit und Liebe“ einzuführen. Literaturunterricht wurde zur Feierstunde. Von Wackernagel stammt der folgenschwere Satz „Das Amt eines deutschen Sprachlehrers ist ein königliches, ein hohepriesterliches Amt“ (1843, 90). Bevor diese überhebliche Selbsteinschätzung nach 1848 ihre unheilvollen Folgen haben sollte, fand der Gedanke einer allseitigen Bildung durch Literatur ihren Höhepunkt in der ersten Gesamtdarstellung „Der deutsche Unterricht auf deutschen Gymnasien“ von Robert Heinrich Hiecke (1842). Mindestens zwei Stoßrichtungen läßt das umfangreiche Werk erkennen: zum einen die Einführung in die klassischen Werke der deutschen Nationalliteratur. Die deutsche Literatur sollte endlich ihren gleichberechtigten Platz gegenüber der griechischen und lateinischen behaupten. Die Entdeckung einer eige-

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

nen Klassik, neben der antiken, ist in ihren Anfängen noch ganz Ausdruck der Begründung einer Tradition, aus der Vorstellungen von Freiheit, Kampf für Gleichheit und Behauptung eines Selbst-Bewußtseins sich speisen. Zum zweiten ist Hieckes Didaktik bestimmt von der Entwicklung einer Interpretationsmethode, mit der die Schüler befähigt werden sollen, sich Literatur selbständig zu erschließen. Zugleich bekommt der Literaturunterricht damit eine Aufgabe, die ihn, in der Vermittlung formaler Bildung, den alten Sprachen gleichstellt. Der Logik der Literatur zu folgen, fordert gedankliche Leistungen, die der Anstrengung von Übersetzungen aus und ins Lateinische vergleichbar werden. Hiecke möchte die Schüler zu genauem und kritischem Lesen anleiten, damit sie „ein freieres und bewußteres Verhalten gegen das Gelesene“ einnehmen. Seine analytische Methode führte die Lektüre über vier Stufen zu diesem Ziel. In der letzten Phase kann die Analyse der Texte durch „Productionen“ der Schüler ergänzt werden. Solche Ansätze für eine Integration von analytischen und synthetischen Verfahren werden erst im 20. Jahrhundert weiter ausgebaut.

2.

Biedermeierlicher Gefühlskult und forcierter Nationalismus (1848⫺1918)

Nach 1848 wurde ein radikaler Bruch mit dem Ziel der allseitigen Bildung und der von Hiecke propagierten analytischen Methode vollzogen. Die Nachahmung und Verflachung dieser Methode in Präparationen und Handbüchern rief Gegner auf den Plan, denen das ganze Konzept einer rationalen Arbeit am Text nicht paßte, weil sie die unmittelbare Wirkung der Dichtung auf das Gefühl behindere. Rudolf von Raumer hat 1852 die Position ausdrücklich gegen Hiecke legitimiert. Er tat das ganz im biedermeierlichen Sinne, indem er Dichtung begriff als das nur unmittelbar auf empfängliche Herzen Wirkende, als das Unreflektierbare, das Idyllische, das Weltferne. Die geeignete Methode für diese Art von Literatur war das Vorlesen, das sich z. B. bei Dramen, als Höhepunkt des Schuljahres, über einen ganzen Vormittag hinziehen sollte, „ohne daß man ein Wort an ihnen erklärt“. Diese Strömung paßte in die Zeit. So fordern denn auch die Richtlinien für Realschu-

len von 1859, im Unterricht zu verhüten, „daß die Totalanschauung durch minutiöse Zergliederung und vorzeitige Kritik geschwächt werde, wobei die Poesie nicht mehr als Poesie auf das Gemüth und die Phantasie wirken kann“. Ähnliches findet sich auch in dem Gymnasialplan von 1862; deutlicher dann, verbunden mit dem Pathos nationaler Begeisterung, im Plan von 1882: „Besonders Werthvolles aus der classischen Dichtung des eigenen Volkes als einen unverlierbaren Schatz im Gedächtnis zu bewahren, ist eine nationale Pflicht jedes Gebildeten.“ Sich von der Dichtung anrühren, sich erheben und bewegen zu lassen, wird zum alleinigen Ziel des Unterrichts. Nicht mehr auf die Entfaltung aller menschlichen Kräfte, Denken und Empfinden, kommt es an, sondern nur noch auf die Ausbildung des „lebendigen Gefühls“. Einen neuen Schub erhielt die Empfindsamkeitsschule durch die Grundannahmen von Diltheys Hermeneutik. Folgenreich für die didaktische Diskussion war die These, daß Dichtung immer Ausdruck von Erlebnissen sei, nicht als Abbild, sondern als deren künstlerische Gestaltung. Jedes Erlebnis sollte von verschiedenen Gefühlen begleitet werden, die sich in Stimmungen verdichten und zu dichterischem Werk sich bilden. Aufgabe der Lektüre solcher Dichtung war es also, die Ausdrucksform in das Erlebnis zurückzuübersetzen, aus dem es hervorgegangen war. Das Verstehen wird zur Umkehrung der Entstehung von Dichtung; es bedeutet Nacherleben dichterischer Erlebnisse. Das nacherlebende Verstehen führt zur „Erhöhung und Erweiterung“ des Daseins und bildet Kräfte aus, die den Menschen über das banale Leben erheben und ihm Freude vermitteln. Die Kerngedanken der Diltheyschen Dichtungstheorie und Verstehenslehre griff die Kunsterziehungsbewegung auf und machte sie zum methodischen Programm des Literaturunterrichts. Um den Erfolg zu verstehen, muß bedacht sein, daß die Praxis des Unterrichts immer noch bestimmt war von Interpretationsschulen, die die Deutungsschritte auf der Grundlage von Hieckes Interpretationsmethode und mit Hilfe der Herbartschen Formalstufen völlig schematisiert und veräußerlicht hatte. Sie vor allem war Anlaß für Nietzsches Bildungsphilisterkritik. Ihr vielfältiger Gebrauch an den Schulen macht auch die radikale Forderung der Reformbewegung verständlich: „jede Unterrichtsstunde soll ein Erlebnis werden“ (Ernst Weber,

109. Geschichte der Didaktik und Methodik des Literaturunterrichts und der Lektüre

1907). Die Handbücher für diesen neuen, gefühlsbetonten Unterricht zeichnen zunächst keine Ablaufskizzen für die Stunden, sondern präparieren den Lehrer für einen stimmungsvollen Vortrag, der den Schülern zum Erlebnis verhilft. In dem Maße aber, in dem die Methode überprüfbar, wiederholbar, vermittelbar werden sollte, um erfolgreich zu bleiben, setzte sich auch hier ein Schema durch. Entscheidend wird dabei der erste Schritt: die Entfaltung einer Stimmung, die mitten hinein in die Erlebniswelt der Dichtung führen sollte. Im Extrem ging das so weit, daß Frühlingsgedichte nur im Frühling, Moor-Gedichte im Moor, Mitternachtsgedichte „in später Abendstunde“ besprochen wurden. Es ging aber auch so, daß die Lehrer durch Worte eine Stimmung zu erzeugen versuchten, die an das Erlebnis der Dichtung heranführte. Dabei halfen die Handreichungen durch Stimmungsskizzen neuen Typs (z. B. Alfred M. Schmidt, 1907). Noch nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dieses Konzept des kunsterzieherischen Literaturunterrichts wieder aufgegriffen, um zum ‘rechten’ Erlebnis von Literatur zu führen. Mit der Förderung des Irrationalismus einher ging von Anfang an ein neues nationales Pathos, das nicht mehr nach Gleichheit des Deutschen und Freiheit für die deutschen Länder strebte, sondern Überheblichkeit und Vormachtstreben zum Ausdruck verhalf. Nach 1871 wurde diese Aufgabe radikal verstärkt und bis zum Ersten Weltkrieg zu der immer beherrschenderen Idee. Stufen auf dem Weg zur entschiedenen nationalistischen Bildung waren Paul de Lagardes „Über die gegenwärtige Lage des Deutschen Reichs“ (1875) und Julius Langbehns „Rembrandt als Erzieher“ (1889). Vor allem dieses Buch war in seiner Wirkung bedeutsam, weil es mit Rembrandt die besonderen deutschen Eigenschaften auszuzeichnen versuchte ⫺ wie z. B. exzentrischer Charakter, Schöpferkraft, Genie, Natürlichkeit, Individualität ⫺ und über die Bildung zur Kunst den Deutschen die Vorrangstellung in der Welt nicht nur ökonomisch und politisch, sondern auch im Künstlertum sichern sollte. Mit der Erziehung zum Deutschtum einher ging die Erziehung zur Kunst. Ähnlich argumentierte schließlich auch Alfred Lichtwark, der in seinem Vortrag „Der Deutsche der Zukunft“ (1901) Ideen der Kunsterziehung mit der nationalen Bildungsidee verbunden hat. Wenn er durch die Kunst eine sittliche Erneuerung des deutschen Volkes erwartete, so diente dieses Pro-

1271

gramm der Stärkung des deutschen Volkstums in seinem Kampf um die Geltung in der Welt. Das nationalistische Pathos griff schnell über in Vorschläge für einen neuen Deutschunterricht. Für die Volksschule formulierte Hugo Weber in der Preisschrift der Diesterweg-Stiftung, die nationale Bildung habe ihr Ziel erreicht, „wenn die Begriffe Mensch und Deutscher sich möglichst decken“; doch ließe sich dieses Ziel nur erreichen, „indem sie das Volksindividuelle berücksichtigt und so entwickelt, daß sich die Nation von den anderen durch größere Zahl und höhere Grade allgemein-menschlicher Tugenden unterscheidet.“ Das Studium des Deutschen gelingt am besten durch die Lektüre literarischer Zeugnisse, in denen die Tugenden sich spiegeln: die „deutsche Treue in Herren-, Frauen- und Gottesdienst, deutscher Edelsinn, deutsche Romantik, deutsche Lust am Singen und Sagen, aber auch deutsche Lust am kecken Rauben und Raufen, deutsche Rohheit und Rechtsungleichheit“. Entsprechend wird das Literaturcurriculum erneuert und auf die volkstümliche, geistlose, historisierende Basis gestellt, die das Volksschullesebuch seither auszeichnen sollte. Für das Gymnasium vollzog niemand geringerer als der Germanist Konrad Burdach (1886) die radikale Wendung zum nationalistischen Literaturunterricht. Er vermißte in dem an den alten Sprachen ausgerichteten Unterricht den „Wärme ausstrahlenden Mittelpunkt“, den nur der Unterricht im Deutschen einnehmen könne. Außerdem müsse an die Stelle zersetzender Reflexion Entfaltung von Gefühl und Vertiefung des Erlebens treten, wenn der Unterricht nicht sein Ziel verfehlen solle, „das innere, sittliche Leben der Nation“ zu bilden. Diese Töne wurden alsbald durch Gymnasiallehrer verschärft. Besonders einflußreich wurde Otto Lyon, der seit 1887 die „Zeitschrift für den deutschen Unterricht“ herausgab. In seinem grundlegenden Beitrag „Der deutsche Unterricht auf dem Realgymnasium“ (1893) zieht er eine Verbindung zwischen seinem und dem 16. Jahrhundert, zwischen 1813 und 1517: „wie damals eine neue Weltanschauung, der Humanismus, heraufstieg, der ein neues Menschheitsideal in sich barg, […] so pocht auch in unserem Jahrhundert eine neue Weltanschauung an die Pforten der Welt, der Germanismus.“ Der Germanismus solle den Humanismus nicht verdrängen, aber das Deutschmoderne müsse mindestens gleichberechtigt (in einer eigenen Schulform, dem

1272

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Realgymnasium) neben das Altklassische (im humanistischen Gymnasium) treten. Neben der auf dem altklassischen Grundkonzept aufbauenden Kunst von Opitz bis Goethe sei ein „rein deutscher“ Kanon zu entwickeln, der seinen „Ausgang von der altheimischen Heldendichtung, dem Hildebrandslied, den Nibelungen, der Gudrun“, den „unsterblichen Liedern Walthers, Neidharts und Wolframs“ nahm, dann, von fremden Einflüssen verdrängt, verschwunden war, um im 16. Jahrhundert „in den Werken eines Luther und Hans Sachs mit ungestümer, alles mit sich fortreißender Kraft wieder zu Tage“ zu treten. Das war zunächst nur Programm, hatte aber auf der Berliner Schulkonferenz 1890 Beifall von allerhöchster Seite gefunden, als der neu gewählte junge deutsche Kaiser selber das Wort ergriff, um seine Therapie gegen die allgemeine Misere auszurufen: „Wir müssen als Grundlage für das Gymnasium das Deutsche nehmen; wir sollen nationale junge Deutsche erziehen und nicht junge Griechen und Römer.“ Nach und nach wurde dann in den Lehrplänen ab 1891 dieser Forderung entsprochen. Der Boden für den nationalen Taumel, der das Volk zu Beginn des Weltkriegs erfaßte, war damit bereitet. Gestützt wurde er durch Literatur, die Kriegsbegeisterung schüren sollte: Neben altdeutsche Dichtung und Literatur der Reformationszeit traten zunehmend Lieder aus der Zeit der Befreiungskriege, vor allem von Arndt, Körner und Schenkendorf. Die Erinnerung an die Befreiungskriege wurde auch während des Krieges weiterhin wachgehalten. Überhaupt änderte sich an dem didaktischen Ton während des Krieges wenig: Weiterhin wurde eine Erneuerung von der nationalen Gesinnung erhofft, von der Unterwerfung des Einzelnen unter das Ganze von Volk und Staat, von der historischen Bildung im Deutschtum. Niemand anderer als Eduard Spranger hat 1916 das klassische Bildungsideal, „erfüllt von dem Ethos der Selbstheit, d. h. der Selbstvollendung, Selbsthilfe und Selbstverantwortlichkeit“, endgültig verabschiedet und an seine Stelle das nationale, einer Unterwerfung des Individuums unter das Ganze, und damit dessen Entmündigung, gesetzt.

3.

Streit um die Deutschkunde und Sieg des völkischen Wahns (1918⫺1945)

Von dieser Idee der Deutschheit erhoffte man sich nach dem Krieg die Erneuerung. Was ins Verderben geführt hatte, sollte zum Keim des

Neuanfangs werden: „die deutsche Schule des neuen Deutschlands hat ein gemeinsames Bildungsideal und ein allen gemeinsames Bildungsmittel: das Ideal heißt Deutschheit, das Mittel ist die Spracherziehung, in ihr, nicht in einer sogenannten allgemeinen Bildung […] liegt das Gemeinsame der Nationalerziehung, es liegt in dem gemeinsamen Mittel, dem deutschen Unterricht.“ So formulierte Hans Richert 1920 das neue Erziehungsprogramm, das er 1924 in konkrete Lehrpläne für das Gymnasium in Preußen umsetzen konnte. Anzuschließen war dabei an eine Theorie von Deutschkunde, die nach 1916 von Walter Hofstaetter formuliert und 1921 konkret ausgestaltet worden war („Gesamtplan des deutschen Unterrichts“). Demnach sollte der Deutschunterricht das Zentrum einer Fächergruppe von Religion, Philosophie, Geschichte, Erdkunde und Kunst“ (bis zu 36 % aller Unterrichtsstunden) bilden, in dem die Schüler in drei chronologischen Durchgängen mit deutscher Art, Kunst, Philosophie, Lebensform vertraut gemacht werden sollten. Während aber bei Hofstaetter ganz das germanisch-deutsche Erbe im Mittelpunkt stand, rückte in Richerts Richtlinien die gesamte deutsche Kultur, einschließlich der von fremden Kulturen, der antiken, der englischen, französischen, russischen, beeinflußten (z. B. Aufklärung, Empfindsamkeit, Klassik) in den Mittelpunkt. Das war den Vertretern der reinen Lehre einer Deutschkunde zu viel Konzession ans Fremde. Sie wollten lieber die ganz deutsche Literatur der Heldensagen, des 16. Jahrhunderts, des Sturm und Drang und der Befreiungskriege in den Mittelpunkt rükken: statt Kulturkunde eben Deutschkunde. So kam dann der erste Einwand gegen die völkische Deutschkunde aus der Reihe ihrer Vertreter selbst, die, wie Richert, den Kulturbegriff weiter fassen wollten, um nicht wichtige Epochen der deutschen Geschichte ausblenden zu müssen. Der zweite Einwand gegen die Deutschkunde schloß die Richertschen Richtlinien mit ein und zielte gegen die Form historisierender Bildung, die in der Präsentation deutscher Lebensbilder sich erschöpfte und die Kurse hoffnungslos stofflich überfrachtete. Martin Havenstein knüpfte damit an Nietzsches kulturkritische Schriften eine Generation zuvor an, war aber sicher ebenso inspiriert von der Historismus-Kritik seiner Zeit (Troeltsch, Karl Mannheim etc.). Er wetterte einerseits gegen die stoffliche Überfrachtung des deutschkundlichen Unterrichts, denn es

109. Geschichte der Didaktik und Methodik des Literaturunterrichts und der Lektüre

gäbe eben doch Grenzen des für die Jugend Erfaßbaren. Was diese Grenze überschreite, wie etwa „Fontanes Romane oder z. B. Goethes Wahlverwandtschaften und Wilhelm Meister“ sei untauglich, „um als Bildungsstoff für junge Leute zu dienen“. Andererseits forderte er, gegen den blinden Historismus, aktuelle Bezüge des Wissensstoffes zur Lebenswelt der Schüler. Die deutschkundlichen Stoffe müssen sich eben auch daraufhin befragen lassen, inwieweit sie Leben und Welt der Jugendlichen verständlicher machen. Lebenskunde statt Deutschkunde war Havensteins Programm. Die öffentliche Debatte wurde erregter, als Walter Schönbrunn 1929 seine Thesen zur „Not des Literaturunterrichts“ vorlegte und damit der Deutschkunde die ganze Basis einer relevanten Bildungsidee entzog. Er hatte festgestellt, daß den Schülern der Großstädte überhaupt keine ältere Literatur mehr vermittelt werden könnte, weil sie deren Probleme gar nicht mehr verstünden: „Welche Dichtungsform entspricht denn nun unserer Zeit des Radios und des Kinos, der kniefreien Röcke, der Sensationspresse, der dachlosen Häuser, der Sportrekordleistungen?“ Auf keinen Fall die der Deutschkunde; eher die moderne Literatur von Döblin, Joseph Conrad, Dos Passos. Die Kritik an Schönbrunns Thesen und Feststellungen war vehement und entschlossen: sahen doch die Deutschkundler ihr didaktisches Prinzip, die Schüler mit der Geschichte deutschen Lebens und Denkens vertraut zu machen, bevor sie zu sich selber kommen durften, in Frage gestellt, sahen doch auch die Literaturwissenschaftler (allen voran H. A. Korff), wie ihre historisch geordneten „Kulturwerte“ durch radikale didaktische Fragen nach deren Geltung aus dem Schulkanon zu fallen drohten. Zu der Kritik an der Verknappung des Wissens im Sinne des Völkischen, am Historismus, an der Verfehlung gegenwärtiger Fragen kamen Einwände gegen die Wissenschaftlichkeit von Deutschkunde (Theodor Litt) und gegen die methodische Einseitigkeit einer Wissensvermittlung, die Aktivitäten und Selbständigkeit der Schüler massiv einschränkte (Arbeitsschulbewegung). Die deutschkundliche Gesinnungsbildung überlebte nur, weil der Faschismus ihr, gegen die Bedürfnisse des Lebens, zum Überleben verholfen hat. Schnell aber zeigte sich, daß im Dritten Reich auch mit den Ideen der Deutschkunde ein radikaler Bruch vollzogen wurde. Die Tradition wurde beschworen, um sie um so

1273

ungenierter den eigenen Machtinteressen dienstbar zu machen. Nur die Klügeren hätten verstehen können, daß die Deutschkunde unter dem verhaßten liberalen Weimarer Staat mehr Chancen hatte, sich zu behaupten, wie die Richertschen Reformen gezeigt hatten, als unter dem diktatorischen faschistischen Regime, das gerade scheinbar affine Ideen der eigenen Interpretation unterwarf. Unmißverständlich deutlich wurde dies im Erlaß über „Erziehung und Unterricht in der Höheren Schule“ von 1938, in dem der Irrtum der alten Nationalerziehung unterstrichen wurde, um sich dagegen abzusetzen. Zunächst wurde der Gedanke der ‘Kunde’ verworfen, der darin seinen Kern hatte, daß die Vertreter der Deutschkunde annahmen, durch Vermittlung des Wissens über das Deutsche in der Tradition deutsche Charaktere in der Gegenwart zu bilden. Nicht Wissen aber bildet, sondern nur die entschlossene Tat: „An die Stelle der nur betrachtenden, kritisch-wissenschaftlichen, historischen und ästhetischen Einstellung tritt die wertende, schaffensbereite und kämpferische Haltung“ (Erziehung und Unterricht in der Höheren Schule). Nur das Wissen, das sich in der Tat für die nationale Sache bewährte, zählte. In der Unterwerfung unter das Opportune verlor selbst das Wissen über die Tradition ‘deutscher Art und Kunst’ seinen Eigenwert und wurde für den politischen Zweck funktionalisiert. Das ‘Kerngut’ der Bildung wurde dabei noch einmal verknappt. Es zählten nunmehr nur noch die als ‘deutsch’ ausgewiesenen Bewegungen der vergangenen Epochen: Germanentum, Rittertum, Mystik, Reformation, Sturm und Drang, Befreiungskriege. Nicht nur, daß die moderne Literatur, deren Einbeziehung in den Kanon Schönbrunn so entschieden gefordert hatte, endgültig auf dem Scheiterhaufen der Bücherverbrennungen landete, auch die großen Epochen der deutschen Literatur, die sich durch produktive Aneignung antiker und europäischer Einflüsse herausgebildet hatten und die noch Richert berücksichtigt sehen wollte, wurden aus dem Kanon eliminiert. Hingegen aufgenommen wurde die Literatur der Gegenwart, die völkstümlich war und ideologische Einpassung forderte: Werke von Hermann Stehr, Hans Carossa, Emil Strauß, Paul Ernst, Wilhelm Schäfer, Hans Grimm u. a. Das war Zeitgenossenschaft, die wegführte aus der Gegenwart in eine Zeitlosigkeit und die sich ideologisch so gut funktionalisieren ließ wie

1274 die alte Dichtung, um die man sich weniger philologisch mühte, als daß man sie ausbeutete, um dem neuen Ideal der Unterwerfung die Würde des Traditionellen zu verleihen. Da immer noch die Gefahr bestand, daß die Werke der deutschen Tradition in der Vermittlung doch ihren eigenen Sinn entfalteten (wie das Verbot von Schillers „Wilhelm Tell“ 1941 anschaulich zeigt), wurde das literarische ‘Kerngut’ noch einmal gefiltert durch die Rassenideologie. Gelesen werden durfte nur noch, was von rassisch ausgewiesenen Autoren stammte und von rassisch vorbildlichen Charakteren handelte. Houston Stewart Chamberlain verstand die Weltgeschichte als Geschichte von Rassenkämpfen, letztlich als die des Kampfes zwischen arischnordischer Rasse und dem Weltjudentum. Für diesen Endkampf mußte vor allem die junge Generation gerüstet sein: Erziehung hatte nunmehr die Aufgabe, „alle seelischen Kräfte des Kindes, welche in der Richtung des nordischen Idealbildes liegen, aufzurütteln“. Das konnte am besten gelingen durch Schrifttum, aus dem nordisches Wesen sprach. Die Literaturwissenschaft beeilte sich, die Literatur nach rassischen Merkmalen zu klassifizieren; Heinz Otto Burger ordnete Autoren der fälischen, ostischen, dinarischen und nordischen Rasse zu, wobei letztere den höchsten Stellenwert bekam. Zu den nordischen Dichtern zählten Hutten, Klopstock, Lessing, Gerstenberg, Kleist; Goethe und Schiller nur mit ihrem Frühwerk. Im Unterricht trat an die Stelle von Lessings Nathan der Shylock Shakespeares, der dem faschistischen Antibild besser entsprach. In Storms „Schimmelreiter“ war nachzuweisen, wie der nordische Mensch, wenn er nicht konsequent handelte, notwendig scheitern mußte. Nimmt man die Ausscheidung der jüdischen Autoren aus dem Kanon hinzu, dann zeigt sich auch im Bereich der Stoffe, daß die nationalsozialistische Bildungspolitik nicht Traditionen der Deutschen Bildung fortsetzte, sondern ihr eine radikal neue Richtung gab, die normative Menschenbilder benutzte, um Fremdes zu diskriminieren und dem ‘Nicht-Artgemäßen’ Vernichtung anzudrohen. Um die Vernichtung auch ausführen zu können, mußten die Heranwachsenden im Unterricht in Unterwerfung unter das Ganze, das die Nazis vertraten, eingeübt werden. „Die Zeit, in der die Ausbildung der selbstherrlichen Einzelpersönlichkeiten als wesentliche Aufgabe der Schule angesehen wurde, ist vorbei“ ⫺ dies ließ der Reichsinnenmini-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

ster gleich 1933 verlauten. Es galt vielmehr schon in der Schulklasse, Unterwerfung unter eine Gesinnungs- und Willensgemeinschaft zu praktizieren. Der Deutschkundler Ulrich Peters prägte das entlarvende Wort vom „politischen Dienstwert“ des Menschen, der die individuelle Persönlichkeit ersetzen sollte. Also gehörten in den nationalsozialistischen Literaturunterricht keine Werke mehr, in denen das Individuum sich gegenüber dem Ganzen behauptet, in denen es sich bürgerliches Recht gegen staatliche Zwänge verschafft, in denen Freiheit gegen gesellschaftliche Notwendigkeit siegt. Vielmehr sollte durch die Literatur Opferhaltung eingeübt werden. Dienst- und opferbereit zeigten sich Schüler und Studenten schon zu Beginn des Dritten Reiches, als es darum ging, ‘undeutsches’ Schrifttum aus den Bibliotheken zu holen und zu verbrennen. Das wurde als ein Stück Pädagogik der ‘Tat’ angesehen. Gedanklich einen Schritt weiter gingen Deutschlehrer wie Rudolf Ibel, die den Kriegszustand gegen alles Fremde im Deutschunterricht forderten. „Ein gewisser Mut zur Barbarei ist eine politische Notwendigkeit“, um nicht genehme Kultur zu zerstören. Kein Schüler brauche etwas über die Psyche des Hans Castorp oder auch ‘des’ barocken Menschen auszusagen, „es ist aber notwendig, daß er zu handeln versteht, wie es die politische Lage verlangt“. So wirkte auch der Literaturunterricht mit, opferbereite Täter zu schaffen, die nicht nur fraglos in den Krieg zogen, um sich selbst zu opfern, sondern zugleich ebenso unbedenklich Unschuldige zu Opfern zu machen. Es ist ein Schritt in die Unmenschlichkeit, wenn der Literatur im Unterricht der vielfache Sinn genommen und einsinnig zugespitzt wird, um damit Vernichtung, erst von Ideen und dann von Menschen, zu legitimieren. In diesem Sinne hat der Literaturunterricht des Faschismus einen radikalen Bruch mit allen vorangegangenen Strömungen vollzogen, auch denen, die ihm von der Idee her so nahe standen.

4.

Zwischen Methodenlehren und didaktischen Definitionen von Wissensfeldern (1945⫺1992)

Noch immer wissen wir zu wenig, in welchem Maße die gesamte Praxis des Deutschunterrichts des Nationalsozialismus den offiziellen

109. Geschichte der Didaktik und Methodik des Literaturunterrichts und der Lektüre

Forderungen entsprochen hat und wie möglicherweise die kleinen Versuche, diesen zu widerstehen, ausgesehen haben. Ebensowenig bekannt ist, in welchem Umfang nach 1945 wirklich Neuanfänge versucht wurden oder inwieweit, mit den wenig geschwärzten Textpartien, das vertraute deutsch-nationale Unterrichtsschema weiter praktiziert wurde. Im Bereich der Inhalte jedenfalls blieb der Unterricht weitgehend stabil ⫺ mit Textbeispielen aus den deutschkundlichen Lesebüchern. Die Diskussion darüber setzte auf breiter Front erst nach 1956 ein. Auch in der Frage der Ziele herrschte weiter große Unsicherheit. Alle Versuche, das Menschenbild zu bestimmen, auf das nach 1945 hin erzogen werden sollte, endeten bei radikal konservativen Vorstellungen: Ob „der ritterliche Mensch“, „Urformen des Heldentums“, „Dürers ‘Ritter, Tod und Teufel’“ (alle Ulshöfer) oder das „Gentleman-Ideal“ (Flitner) ⫺ all dies waren Bilder längst vergangener Gesellschaftsformen, die in den als Demokratien aufzubauenden neuen deutschen Staaten völlig deplaziert waren. Auch in der SBZ waren es Helden, Kämpfer, Pioniere, die als Leitbild für eine neue sozialistische Gesellschaft dienten und doch nur Helden längst überwundener Verhältnisse waren. Später half man sich bei der Leitbilddiskussion mit dem Verweis auf die Bestimmungen des Grundgesetzes (in der Bundesrepublik Deutschland) bzw. der jeweils aktuellen Parteitagsbeschlüsse (in der DDR). So nimmt es nicht wunder, daß man bei der Darstellung des Deutschunterrichts nach 1949 am ehesten mit Methodiken vorankam. Hier ließ sich auch am konsequentesten an wirksame methodische Ideen der zwanziger Jahre anknüpfen. So ist auch der Erfolg der Methodiken von Ulshöfer (1952 ff) und Erika Essen (1955) zu verstehen. Neben zahlreichen Anregungen für einzelne Unterrichtsstunden und -sequenzen finden sich Prinzipien, die den Unterricht aus den starren Ritualen der Kunde und der deklamierenden Feier herausnehmen, z. B. Anschaulichkeit, Produktivität, Anwendungsbezug. Mißt man die Methodiken weniger an ihren Defiziten als vielmehr an dem, was sie der Praxis an Anregungen boten, dann läßt sich feststellen, daß sie alles methodische Wissen zusammengetragen und mit einem je eigenen Konzept verbunden haben: Dramaturgie des Unterrichts (Ulshöfer) und Methodische Bildung (Essen). Die Wende von der Methodik zur Didaktik wurde spätestens auf dem Pädagogischen

1275

Hochschultag 1962 von Wolfgang Klafki eingeleitet. Im Anschluß an Erich Wenigers Verständnis von Didaktik als Theorie der Bildungsinhalte und des Lehrplans formulierte Klafki die These vom Primat der Didaktik gegenüber der Methodik: Bevor man Aussagen darüber machen könne, welcher Weg für die Lernvorgänge zweckmäßig sei, „muß man das Ziel oder die Ziele und die auf die Ziele hin ausgewählten Inhalte kennen, die durch Lehre vermittelt und im Lernen angeeignet werden sollen“ (1970). Das in sich geschlossenste und zugleich erfolgreichste Modell eines didaktischen Konzepts hat Hermann Helmers, ebenfalls ein Schüler Wenigers, mit seiner Didaktik der deutschen Sprache (1966) vorgelegt. Im Zentrum steht dabei die Etablierung von sieben Lernbereichen sowie deren ausführliche Beschreibung, einschließlich der Ziele und Methoden. Die deduktive Vorgehensweise, die Inhalte im Blick auf bestimmte Ziele setzt, um sie dann in ihren methodischen Möglichkeiten zu prüfen, gilt auch für die einzelnen Lernbereiche. Im Literaturunterricht geht Helmers von der schematischen Gliederung in ästhetische und pragmatische Literatur (gemeint ist die expositorische) aus, weist die pragmatische pauschal dem Aufsatzunterricht zu und gliedert Literaturästhetik in Unterhaltungsliteratur, Werbeliteratur und Dichtung; wobei nur der Dichtung erzieherische Bedeutung zukommt. Ebenso schematisch wird der Komplex der Dichtung, der alten Goetheschen Trias entsprechend, in Lyrik, Epik und Dramatik gegliedert. Die Zuweisung zu Alters- und Klassenstufen erfolgt aufgrund allgemeinen didaktischen Wissens aus Lehrplanarbeit vergangener Epochen, in Übereinstimmung mit entwicklungspsychologischen Befunden und aus den eigenen Erfahrungen. Der so erarbeitete Kanon ist als Angebot zu verstehen, das Helmers selbst aber so lange allen didaktischen Entwürfen überlegen erscheint, als nicht auch sie systematisch, allseitig und wissenschaftlich begründet sind. Dies also hat ein präzisierter Lehrplan mit gegliederten Inhalten vor allem zu leisten: mit dem System soll ein planvolles, systematisches Lernen ermöglicht und die Allseitigkeit der Bildung sichergestellt werden ⫺ und dies auf wissenschaftlicher Grundlage. Man hat darüber gestritten, ob das System des Wissens, das Helmers entworfen hat, seinen eigenen Prinzipien entspricht. Zumindest was die wissenschaftliche Begründung des Gattungsund Genresystems angeht, sind die Zweifel

1276 berechtigt. Aber der Versuch, eine Ordnung des Wissens im Bereich des Deutschunterrichts zur Diskussion zu stellen und damit die Bildung in dem Fach auf breiteste Grundlage zu stellen, bleibt unbestritten. Ein ähnlich präzises System der Inhalte hat in den Lehrplänen der DDR vorgelegen. Vor allem der letzte Lehrplan von 1982/86 war, was die Verteilung der Stoffe angeht, trotz vieler Einseitigkeiten in der Auslegung der Texte, wohlbegründet, ausgewogen in der Berücksichtigung historischer und systematischer Aspekte. Außerdem schien er angereichert durch Erfahrungen, so daß auch er weiterhin als Diskussionsgrundlage, vor allem was die Literatur aus dem bürgerlichen Erbe angeht, für inhaltliche Entscheidungen im Literaturunterricht gelten kann. Ausgelöst durch die politischen Debatten im Vorfeld von 1968 wurde um 1970 auch der Deutschunterricht grundlegender Kritik unterzogen. Als Paradigma galt die Kritische Theorie der Frankfurter Schule. Die Theorie erklärt den Zusammenhang systematischer Aussagen mit den jeweiligen gesellschaftlichen Zuständen und bemißt sie nach dem Grad ihrer Fortschrittlichkeit auf dem Weg zu humaneren Zuständen. Kritische Didaktik verstand sich also als eine Theorie, die hinter didaktischen Modellen und Konzepten stehende wirtschaftliche und politische Interessen freizulegen trachtete. Am Anfang war es vielfach besserwisserische Polemik (Bestandsaufnahme Deutschunterricht, 1970), die jene Dialektik vermissen ließ, die man als Vorbild für sich in Anspruch nahm und die darin bestanden hätte, die Widersprüche so klar zu fassen, daß aus ihnen selbst Veränderungsprozesse aufscheinen konnten. Daß auch noch meist die Reflexion auf die eigenen Interessen ausgeblendet blieb, verstärkte nur den Charakter der Polemik. Kritik gerann zum affirmativen Gestus. Die Entwürfe zu einer Kritischen Didaktik der Literatur sind auf Vorstufen stehengeblieben. Am ehesten vermag der „Grundriß einer Didaktik und Methodik des Deutschunterrichts“ des Bremer Kollektivs (1974) Ansprüche an Entwürfe einer alternativen Praxis einzulösen. In den sechs Kapiteln geht es immer wieder um das Ziel, Kritik an den Institutionen, die das Wissen verwalten und benutzen, im Sinne des Materialismus in der Hoffnung einzuüben, daß die demonstrierte kritische Haltung zur Gewohnheit wird. Die Bedeutung der Kritischen Didaktik liegt in der Konsequenz, mit der auf die Rückführung

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

von Überbauerscheinungen auf deren materielle Basis insistiert wird. Damit werden die Gegenstände des Deutschunterrichts mit jedem Detail eingebunden in ein gesamtgesellschaftliches Erklärungsmodell. Die Kehrseite ist, daß die Gegenstände mit der funktionalen Einbindung in eine politische Idee ihren autonomen Status und damit ihre Widerständigkeit verlieren. Als die der Kritischen Didaktik adäquate Methode hat sich das ‘Projekt’ erwiesen. Es wurde in zwei Varianten realisiert. Das Bremer Kollektiv verstand unter Projekten Unterrichtsmodelle, die gesellschaftlich relevante Themen durch Sammlung von unterschiedlichen Texten interdisziplinär und kooperativ behandeln (Bände „Projekt Deutschunterricht“, 1972 ff). Im Lüneburger „Folgekurs für Deutschlehrer“ wurde eine „Begründung und Beschreibung des projektorientierten Deutschunterrichts“ versucht (1975). Demnach sind Projekte Unterrichtseinheiten, in denen praktische Probleme der Schüler aktiv und kooperativ, unter Zuhilfenahme vorhandenen Wissens, gelöst werden, so daß mit der neuen Einsicht zugleich Problemlösungsmethoden gelernt werden. Beide Varianten haben sich nicht durchgesetzt. Dabei aber wäre die Arbeit in Projekten ein Desiderat, um das systemorientierte Lernen in den Fächern durch das problemorientierte sinnvoll zu ergänzen. Gleichzeitig mit der Kritischen Didaktik entwickelte sich, angeregt durch den Werturteilsstreit in der Soziologie, eine didaktische Handlungstheorie, die Fachdidaktik als Anwendungsfall der Germanistik begreift. Wie die Rechtswissenschaft ihr Anwendungsfeld in der Rechtsprechung hat (die auf die Wissenschaft zurückwirkt), so hat die Literaturwissenschaft ihr Handlungsfeld im Unterricht. Ist die Literaturdidaktik damit einerseits an literarische Strömungen und literaturwissenschaftliche Forschungen gebunden, so etabliert sie andererseits im Wissenschaftsfeld autonome Fragerichtungen: Was leistet Literatur für die Bildung?, Welche Literatur ist geeignet für die Curricula?, Nach welchen Prinzipien sollen sie geordnet werden?, Welche Methoden sind für den Unterricht angezeigt, welche Formen der Leistungskontrollen? etc. Bei der Frage nach den Inhalten gerät die Didaktik mit ihrer Aufgabe, Literatur im Blick auf Bildungsprozesse zu beurteilen, in die Nähe der Literaturkritik, die Neuerscheinungen zu bewerten hat. Bei der Frage nach geeigneten Methoden (synthetische vs. analytische) argumentiert sie vor dem Hinter-

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts

grund fachwissenschaftlicher Methodenlehren. Dabei kann es durchaus sein, daß didaktische Probleme in die literaturwissenschaftliche Diskussion zurückwirken (z. B. Kanondebatte). Der einzige umfangreiche Versuch, Deutschdidaktik als Form angewandter Germanistik zu begreifen, liegt bisher für die gymnasiale Oberstufe vor (Müller-Michaels: Deutschkurse, 1987). Mit der gestärkten Anbindung an die Germanistik gerät die Didaktik allerdings auch schneller in deren Krisen hinein. Seit Diskurstheorien festgestellt haben, daß den großen Metaerzählungen nicht mehr geglaubt werden kann (Lyotard), gerät auch und gerade die Didaktik unter Totalitarismusverdacht: Indem sie den Kanon verwaltet, Sinn in Bildungszusammenhängen festschreibt und in Benotungen repressiv durchsetzt, wird sie zu einer Instanz des Überwachens und Strafens (Foucault). Die Alternative, jede kulturelle Variante als gleichrangig anzuerkennen, wie es postmoderne Konzepte verlangen, führt zur Abschaffung der Didaktik. Sie muß der Metaerzählung von der Aufklärung mit ihrer zentralen These von der Bildbarkeit des Menschen weiterhin Glauben schenken, weil sonst auch die Unmenschlichkeit Achtung erlangt. So ist auch und gerade die Didaktik aufgerufen, in den zentralen Kontroversen der Gegenwart Stellung zu beziehen: Für die freie Entfaltung von Subjekten bei gleichzeitiger Anerkennung universeller Normen wie Mündigkeit, Toleranz, Vernunft und Mitmenschlichkeit.

5.

1277

Literatur

Beisbart, Ortwin. 1988. Ganzheitliche Bildung und muttersprachlicher Unterricht in der Geschichte der Höheren Schule. Frankfurt/M. Frank, Horst Joachim. 1973. Geschichte des Deutschunterrichts. Von den Anfängen bis 1945. München; mit genaueren Literaturhinweisen zu den zitierten Didaktiken und Methodiken bis 1945. Herrlitz, Hans-Georg. 1974. Der Lektürekanon im Deutschunterricht des Gymnasiums. Heidelberg. Jäger, Georg. 1981. Schulgeschichte und literarische Kultur. Sozialgeschichte des deutschen Unterrichts an höheren Schulen von der Spätaufklärung bis zum Vormärz. Bd. 1: Darstellung. Stuttgart. Matthias, Adolf. 1907. Geschichte des Deutschen Unterrichts. München. Müller-Michaels, Harro. 1980. Positionen der Deutschdidaktik seit 1949. Königstein; mit Hinweisen auf die Literatur nach 1945. ⫺. 1985. Der Gegenstand der Kunst ⫺ praktisch angeschaut. Anmerkungen zu den Aufgaben des Literaturunterrichts in den Gymnasien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der Deutschdidaktik, 183⫺195. Paulsen, Friedrich. 1896. Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. 2 Bde. Berlin.

Harro Müller-Michaels, Bochum (Deutschland)

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts 1. 2. 3. 4. 5.

8. 9.

Die Anfänge im Orient Griechen und Römer Lateinisches Mittelalter Renaissance und Barockzeit Muttersprachliches Schreiben vom 13. bis zum 18. Jahrhundert Aufsatzdidaktik 1780⫺1900 Der Aufsatz zwischen Erlebnis und Sachlichkeit (1900⫺1970) Schriftliche Komunikation nach 1970 Literatur

1.

Die Anfänge im Orient

6. 7.

Ex oriente lux. Das Licht kommt aus dem Morgenland. Die Wiege des Schreibens und damit auch des Schreibunterrichts stand ⫺

wie später die der großen Religionen ⫺ im Nahen Osten. Hier entwickelten die Sumerer die Keilschrift und ungefähr gleichzeitig die Ägypter die Hieroglyphen. Unter den zahlreichen, aus Tempelruinen geborgenen Keilschrift-Tontafeln gibt es auch solche von Schülern: „mit der Vor-Schrift des Lehrers auf der einen und der Nachahmung des Kindes auf der anderen Seite; da aber Schüler wie Kinder die gleichen überall sind, fand man sehr viel mehr ‘Übungshefte’, die nur halbfertig sind, als vollständig ausgefüllte Tafeln“ (Jackson 1981, 16). Die Ägypter schrieben ihre Hieroglyphen mit Rohrpinsel und Tinte auf Papyrusrollen. Ein Kalksteinrelief aus

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts

grund fachwissenschaftlicher Methodenlehren. Dabei kann es durchaus sein, daß didaktische Probleme in die literaturwissenschaftliche Diskussion zurückwirken (z. B. Kanondebatte). Der einzige umfangreiche Versuch, Deutschdidaktik als Form angewandter Germanistik zu begreifen, liegt bisher für die gymnasiale Oberstufe vor (Müller-Michaels: Deutschkurse, 1987). Mit der gestärkten Anbindung an die Germanistik gerät die Didaktik allerdings auch schneller in deren Krisen hinein. Seit Diskurstheorien festgestellt haben, daß den großen Metaerzählungen nicht mehr geglaubt werden kann (Lyotard), gerät auch und gerade die Didaktik unter Totalitarismusverdacht: Indem sie den Kanon verwaltet, Sinn in Bildungszusammenhängen festschreibt und in Benotungen repressiv durchsetzt, wird sie zu einer Instanz des Überwachens und Strafens (Foucault). Die Alternative, jede kulturelle Variante als gleichrangig anzuerkennen, wie es postmoderne Konzepte verlangen, führt zur Abschaffung der Didaktik. Sie muß der Metaerzählung von der Aufklärung mit ihrer zentralen These von der Bildbarkeit des Menschen weiterhin Glauben schenken, weil sonst auch die Unmenschlichkeit Achtung erlangt. So ist auch und gerade die Didaktik aufgerufen, in den zentralen Kontroversen der Gegenwart Stellung zu beziehen: Für die freie Entfaltung von Subjekten bei gleichzeitiger Anerkennung universeller Normen wie Mündigkeit, Toleranz, Vernunft und Mitmenschlichkeit.

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Literatur

Beisbart, Ortwin. 1988. Ganzheitliche Bildung und muttersprachlicher Unterricht in der Geschichte der Höheren Schule. Frankfurt/M. Frank, Horst Joachim. 1973. Geschichte des Deutschunterrichts. Von den Anfängen bis 1945. München; mit genaueren Literaturhinweisen zu den zitierten Didaktiken und Methodiken bis 1945. Herrlitz, Hans-Georg. 1974. Der Lektürekanon im Deutschunterricht des Gymnasiums. Heidelberg. Jäger, Georg. 1981. Schulgeschichte und literarische Kultur. Sozialgeschichte des deutschen Unterrichts an höheren Schulen von der Spätaufklärung bis zum Vormärz. Bd. 1: Darstellung. Stuttgart. Matthias, Adolf. 1907. Geschichte des Deutschen Unterrichts. München. Müller-Michaels, Harro. 1980. Positionen der Deutschdidaktik seit 1949. Königstein; mit Hinweisen auf die Literatur nach 1945. ⫺. 1985. Der Gegenstand der Kunst ⫺ praktisch angeschaut. Anmerkungen zu den Aufgaben des Literaturunterrichts in den Gymnasien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In: Jahrbuch der Deutschdidaktik, 183⫺195. Paulsen, Friedrich. 1896. Geschichte des gelehrten Unterrichts auf den deutschen Schulen und Universitäten vom Ausgang des Mittelalters bis zur Gegenwart. 2 Bde. Berlin.

Harro Müller-Michaels, Bochum (Deutschland)

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts 1. 2. 3. 4. 5.

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Die Anfänge im Orient Griechen und Römer Lateinisches Mittelalter Renaissance und Barockzeit Muttersprachliches Schreiben vom 13. bis zum 18. Jahrhundert Aufsatzdidaktik 1780⫺1900 Der Aufsatz zwischen Erlebnis und Sachlichkeit (1900⫺1970) Schriftliche Komunikation nach 1970 Literatur

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Die Anfänge im Orient

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Ex oriente lux. Das Licht kommt aus dem Morgenland. Die Wiege des Schreibens und damit auch des Schreibunterrichts stand ⫺

wie später die der großen Religionen ⫺ im Nahen Osten. Hier entwickelten die Sumerer die Keilschrift und ungefähr gleichzeitig die Ägypter die Hieroglyphen. Unter den zahlreichen, aus Tempelruinen geborgenen Keilschrift-Tontafeln gibt es auch solche von Schülern: „mit der Vor-Schrift des Lehrers auf der einen und der Nachahmung des Kindes auf der anderen Seite; da aber Schüler wie Kinder die gleichen überall sind, fand man sehr viel mehr ‘Übungshefte’, die nur halbfertig sind, als vollständig ausgefüllte Tafeln“ (Jackson 1981, 16). Die Ägypter schrieben ihre Hieroglyphen mit Rohrpinsel und Tinte auf Papyrusrollen. Ein Kalksteinrelief aus

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

dem Grab des Kaninisut um 2500 v. Chr. zeigt Schreiber, die mit Paletten, Papyrusrollen, Pinsel und Ersatzpinseln hinter dem Ohr nach Diktat arbeiten (25). Auch Papyrustexte sind erhalten. „Ein hoher ägyptischer Beamter riet seinem Sohn in einem Brief, der später zu Lehrzwecken in den Schulen verwendet wurde, ‘Buchstaben wie Deine Mutter zu lieben’, denn durch ihre Kenntnis ‘kannst Du Dich vor harter Arbeit jeder Art schützen und ein Beamter hohen Rufs werden’“ (18). „Während des Mittleren Reiches scheint man mit der Einrichtung von Schulen begonnen zu haben, doch schon vorher lernten Beamte junge Schreiber an, indem sie einen oder mehrere ausgewählte Schüler aus ihrem eigenen Haushalt unterrichteten, und es gab ‘Hofschulen’, wo der örtliche Adel ebenso wie Familien aus niedrigeren Klassen die Söhne zusammen mit den jungen Prinzen erziehen lassen konnten“ (20). Die Schüler übten sich „mit der Abschrift von Musterbriefen und von ausgewählten Literaturabschnitten, um sich für ihre Aufgaben in der Zukunft vorzubereiten: ‘im Streitgespräch ihren Mann zu stehen und am Meinungsaustausch teilzunehmen’, wo man von ihnen erwartete, ‘mit Räten zu reden, mit der Hofordnung vertraut zu sein, auf eine Rede zu antworten und einen Brief zu beantworten’“ (20 f). Die alphabetische Schrift war „spätestens um 1000 vor Christus bei Hebräern und anderen semitischen Völkern in allgemeinem Gebrauch“. Man fand ein Alphabet, „wohl die Arbeit eines Schülers“, datiert gegen Ende des 9. Jahrhunderts v. Chr., eingeritzt in den weichen Kalkstein der Stufen des Tempels von Lachisch südwestlich Jerusalems. „Es ist in derselben konventionellen Ordnung geschrieben, die wir noch heute verwenden: Aleph, Beth, Gimel, Daleth, He“ (30).

2.

Griechen und Römer

Die Griechen schufen ihr Alphabet von 24 Buchstaben, aus dem sich das lateinische entwickelt hat, spätestens um 850 v. Chr., indem sie die Zeichen der Phönizier übernahmen und einige davon für die ⫺ vorher nicht bezeichneten ⫺ Vokale verwendeten. Die Schreibrichtung (bisher von rechts nach links) kehrten sie um. Als Schreibinstrument führten sie die Rohrfeder ein, die, aus bambusähnlichem Rohr geschnitten, anders als der ägyptische Schreibpinsel Tinte im hohlen Rohr speichert (Jackson 1981, 32⫺34). Für

schnelle Notizen des täglichen Gebrauchs diente die Wachstafel. „Diese bestand aus einem Holzgrund mit erhabenen Kanten, zwischen denen eine Wachsschicht eingebracht war, in die man mit einem eisernen oder hölzernen Griffel Buchstaben ritzen konnte. Mit dem Griffelgriff konnte man sie wieder auslöschen“ (34). In der Schule wurde die Wachstafel gegenüber dem seltenen und teuren Papyrus wie auch dem späteren Pergament bevorzugt (Marrou 1957, 228). Wie schon die Ägypter benutzte man auch unlasierte Tonscherben, sogenannte Ostraka. Die Existenz der Schreibschule in Griechenland ist aus dem allgemeinen Gebrauch der Schrift indirekt erschließbar (Marrou 1957, 66 f; 70). Unglücksberichte wie der von Herodot, daß 496 v. Chr. auf der Insel Chios ein einstürzendes Schuldach 119 Kinder unter sich begrub (524), lassen über Raumgrößen, Lehrer-Schüler-Relation und Alphabetisierungsgrad nur Schätzungen zu. Angesichts des Fehlens von Wandtafeln in der Antike vermutet Marrou (219), die Belehrung sei individueller gewesen als heute. Die sprachliche Erziehung stand gegenüber der sportlichen und musikalischen anfangs zurück, gewann zunehmend an Gewicht und beherrschte schließlich ⫺ im Hellenismus und bei den Römern ⫺ alles übrige (vgl. Marrou 1957, 67 ff). Zu ihr gehörte auch das Schreiben, trotz Platons ⫺ schriftlichem ⫺ Einwand, es fördere die Vergeßlichkeit (Phaidros 274d⫺ 276d). Über den Elementarschulunterricht gibt es vor allem für die hellenistische Epoche wertvolle Zeugnisse (Papyri, Täfelchen, Ostraka) aus Ägypten, die der trockene Boden dort konserviert hat. Indem man „Anhäufungen von Küchenabfällen, die sich an den Türen der Häusergruppen gesammelt hatten, durchwühlte, fand man in einer Art von antiken Papierkörben zahlreiche Texte, die der Schule entstammen: Übungen und Schülerhefte und sogar […] ein fast vollständiges Handbuch des Elementarunterrichts. […] Lesen, Auswendiglernen, Schreiben ⫺ und Rechnen, so lautet das sehr einfache, sehr begrenzte Programm“ (Marrou 1957, 221). ⫺ Die Reihenfolge des Schreibunterrichts, „von dem man übrigens den Leseunterricht kaum trennen kann“ (227), war streng geregelt. Man begann mit dem Lernen von Buchstaben, möglicherweise „zunächst ohne ihre Zeichen vor Augen zu haben“ (222). Seit dem 5. Jahrhundert dienten vier Trimeter-Verse zum Einprägen des Alphabets („Est’ alpha, beta, gamma,

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts

delta […]“). Die Schreibübungen, meist auf Wachstäfelchen, waren mit dem Benennen und Lesen der Buchstaben verbunden oder folgten wenig später. Hinweise von Platon (Protagoras 326 d) und Seneca (Epistulae morales 94, 51) deuten auf folgendes Verfahren: „Der Lehrer zeichnete ein Muster, wahrscheinlich mit dünnen Strichen (wie die punktierten Muster unserer Schreibhefte), dann nahm er die Hand des Kindes in die seine und ließ sie das Muster nachziehen; dergestalt lernte es den Duktus des Buchstabens, bevor es ihm erlaubt war, sich allein daran zu versuchen. Nachdem es einmal angeleitet war, übte das Kind weiter, indem es immer dieselben Buchstaben linien- oder seitenweise wiederholte“ (229). Eine andere Methode, „moderner und vielleicht der lateinischen Schule eigentümlich, verwendet auf dem Täfelchen eingegrabene Buchstaben, die der Stift des Kindes nachzieht, indem es ihren durch das Wachs durchscheinenden Furchen folgt“ (396). Nach den Buchstaben kamen die Silben, danach einsilbige Wörter, zweisilbige, „dann weitere Serien mit drei, vier, fünf Silben“ (224). Dem Lesen und Schreiben der Buchstaben, Silben und Wörter seitens der abecedarii, syllabarii und nominarii, wie die Schüler hießen (395), folgten „Abschreibesätze“ in Form situationsbezogener Lebensregeln, z. B. „Seine Buchstaben lernen ist der Anfang der Weisheit“, aber auch mit Heiterem bis hin zu „bissigen oder zotigen Maximen“ (229 f). An den Elementarunterricht in der Schreibschule, die unserer Grundschule entspricht, schloß sich bei Griechen und Römern als zweite Ausbildungsstufe der von einem Grammatisten bzw. Grammaticus besorgte Sprach- und Literaturunterricht an, in dessen Rahmen die Römer auch Griechisch lernten. Schulpapyri aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. enthalten Deklinations- und Konjugationsübungen (252). Als dritte und letzte Ausbildungsstufe folgte, dem heutigen Hochschulstudium vergleichbar, die Redeschule beim Rhetor. Diesem Bildungssystem entsprechen bei den Römern folgende Altersstufen: „mit 7 Jahren kommt das Kind in die Elementarschule, die es mit 11 oder 12 Jahren verläßt, um in die Schule des ‘grammaticus’ zu gehen. In dem Alter, in dem es die männliche Toga erhält, manchmal schon mit 15 Jahren, kommt es zum Redner. Die Hochschulstudien dauerten in der Regel ungefähr bis zum zwanzigsten Jahre, können aber auch noch länger dauern.“ (Marrou 1957, 390)

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Oberstes Bildungsziel war also die Erziehung zur Redekunst. Ihr diente auch das Schreiben (vgl. dazu auch Bahmer 1991, 77⫺96; 221). Für Cicero und Quintilian repräsentiert der Griffel (lat. stilus) das redeorientierte Schreiben bzw. schriftliche Üben. Cicero findet es „zwar nützlich, wenn man auch häufig aus dem Stegreif spricht, aber es ist noch nützlicher, wenn man sich Zeit zum Überlegen nimmt, um besser vorbereitet und sorgfältiger zu sprechen. Am wichtigsten jedoch ist […], möglichst viel zu schreiben. Der Griffel ist der beste und vorzüglichste Urheber und Lehrmeister für die Rede“ (Cicero 1981, 125; De oratore I 150). Man erkenne dann, meint Cicero, besser sämtliche wichtigen Gesichtspunkte, beim Schreiben erhielten die Wörter eine richtigere Reihenfolge und Schreibgeübte könnten auch aus dem Stegreif besser formulieren (ebd. I 151 f). Quintilian (Institutio oratoria X 3) greift das auf und baut es aus. Er erörtert die Schwierigkeit, einen Anfang zu finden, betont den Zusammenhang von Schreiben und Nachdenken, empfiehlt ungestörtes Schreiben bei Nacht, geht auch auf die Schreibtechnik ein: „man schreibe am besten auf Wachstafeln, auf denen das Geschriebene am leichtesten zu tilgen ist, es sei denn, daß schwächere Augen eher die Verwendung von Pergament erforderlich machen, das zwar den Augen guttut, aber durch das häufige Anhalten, sooft das Schreibrohr eingetaucht wird, die Hand verzögert und den Schwung der Gedanken hemmt. Bei beiden Schreibarten sollen aber gegenüber leere Seiten bleiben, damit man auf ihnen freie Bahn für Zusätze hat.“ (X 3, 31 f) Auch übers Korrigieren mittels Umkehrung des Griffels (stilum vertere) äußert er sich (X 4). ⫺ Die übungshalber geschriebenen und vorgetragenen Reden hießen Deklamationen. Sie waren schon um 300 v. Chr. im Hellenismus üblich, sind aber vor allem aus dem kaiserzeitlichen Rom bekannt. Dabei handelte es sich um Gerichtsreden (Kontroversien) und Beratungsreden (Suasorien) zu erfundenen, teils phantastischen Anlässen (Marrou 1957, 298⫺302). Wichtiger als ganze Reden wurde für die Aufsatzgeschichte das Einüben ihrer verschiedenen Teilinhalte. Eigentlich der Redeschule zugeordnet, wurden diese Teile allmählich ausgelagert und dem vorangehenden Grammatikunterricht, also der zweiten Ausbildungsstufe, zugewiesen. Deshalb heißen sie rhetorische Vorübungen oder Progymnasmata (lat. praeexercitamina). Quintilian deu-

1280 tet das Vorziehen einiger dieser „Grundlagen des Redeunterrichts“ (dicendi primordia) (I 9, 1) an und begründet es damit, daß sie ihren Ansatz im Lektüreunterricht des Grammatikers hätten (I 9, 3). Überwiegend begreift er sie aber noch als „die ersten Abschnitte im Unterricht der Rhetoren“ (II 4, 1). Die Griechen Theon, Hermogenes (2. Jh. n. Chr.) und Aphthonius (4./5. Jh.) sowie Priscian (um 500), der Hermogenes ins Lateinische übersetzte, behandelten die Progymnasmata zusammenfassend und übermittelten sie so der Nachwelt. Nach Aphthonius sind folgende Formen zu unterscheiden: 1. Fabelerzählung, griech. mythos, lat. fabula, 2. Erzählung wirklicher Begebenheiten, griech. diegema, lat. historia oder narratio, 3. Chrie, griech. chreia, lat. chria, d. h. die Behandlung eines anekdotisch-pointierten Ausspruchs oder auch Verhaltens einer historischen Person, 4. Behandlung eines allgemeinen Sinnspruchs, griech. gnome, lat. sententia, 5. Widerlegung, griech. anaskeue, lat. refutatio oder destructio, 6. Beweisführung (auch: Behauptung), d. h. die Argumentation für eine Sache, griech. kataskeue, lat. confirmatio, 7. „Gemeinplatz“, griech. koinos topos, lat. locus communis, d. h. die Behandlung eines allgemeinen Gesichtspunktes, 8. Lob einer Person oder Sache, griech. enkomion, lat. laus, 9. Tadel einer Person oder Sache, griech. psogos, lat. vituperatio, 10. vergleichende Gegenüberstellung zweier Personen oder Sachen, griech. synkrisis, lat. comparatio, 11. Ethopoiie, griech. ethopoiia, lat. ethopoeia oder sermocinatio, d. h. die einer anderen Person in den Mund gelegte, also fiktive Rede, durch deren Stil diese Person indirekt charakterisiert wird, 12. Beschreibung einer Person oder Sache, griech. ekphrasis, lat. descriptio, 13. Behandlung einer allgemeinen Frage, Problemerörterung, griech. und lat. thesis, 14. Behandlung einer Gesetzesvorlage, griech. nomu eisphora oder nomos, lat. legis latio (vgl. Asmuth 1977, 281 f; Ludwig 1988, 14). ⫺ Auch für die Gestaltung der einzelnen Vorübungen gab es genaue Vorstellungen, etwa für eine Chrie über den Satz des Isokrates „Die Wurzel der Erziehung ist bitter, aber ihre Früchte sind süß“. Dazu sollte der Schüler laut Aphthonius nacheinander in acht Abschnitten „1. Isokrates vorstellen und loben; 2. seinen Aphorismus in drei Zeilen paraphrasieren; 3. seine Meinung kurz verteidigen; 4. sie durch den Gegensatz stützen und die gegenteilige These widerlegen; 5. sie durch einen Vergleich erläu-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

tern; 6. dann durch eine Anekdote, beispielsweise aus Demosthenes; 7. zur Bekräftigung Zitate bringen, die den Alten entlehnt sind (Hesiod …); 8. folgendermaßen schließen: ‘So verhält es sich mit dem schönen Gedanken des Isokrates über den Gegenstand der Erziehung’“ (Marrou 1957, 255 f). Schreiben übte man nicht nur, um Redner, sondern auch, um Verwaltungsbeamte auszubilden. Für sie gab es auch Kurzschrift, sogenannte notae; „vor allem im spätrömischen Reich ist der Gebrauch und infolgedessen der Unterricht in der Stenographie allgemein geworden. Die notarii (das Wort bezeichnet eigentlich die Sekretäre, welche die Kunst der notae beherrschen) sind die unerläßlichen Hilfskräfte der Verwaltung.“ (Marrou 1957, 453)

3.

Lateinisches Mittelalter

Die Schulen des Mittelalters unterrichteten überwiegend nicht in der Muttersprache, sondern auf Lateinisch. Im Zentrum stand das Lesen (lectio) anerkannter Autoren und besonders der Bibel. Eigenes Schreiben entzündete sich an diesen Texten, indem man sie abschrieb, mit erklärenden Notizen (Glossen) versah und kommentierte, schließlich auch ⫺ im Hochmittelalter ⫺ zum Anlaß für dialektische Disputationen nahm (vgl. Pare´, Brunet & Tremblay 1933, 123⫺128). Die eigentliche Rhetorik verlor an Geltung. Sie ging in der „literarischen Rhetorik“ der Dichtung auf, mehr noch in der Briefschreiblehre, die im 12. Jahrhundert als ars dictandi oder ars dictaminis neu begründet wurde (vgl. Nikkisch 1991, 70 f). Mit Hilfe dieser schriftlichen Rhetorik verfochten die Autoren nicht eigene, sondern fremde Interessen. Der litteratus, in der Regel ein Kleriker, diente der Kirche oder einem Fürsten, der selber oft illiteratus war, also weder lateinkundig war noch lesen oder schreiben konnte. Demgemäß war nicht mehr die Gerichts-, sondern die Lobrede die bevorzugte Redegattung. Im übrigen war die Rhetorik nur noch eine von sieben artes liberales. Innerhalb des Triviums trat sie hinter der Grammatik und später der Dialektik (Logik) zurück (Specht 1885, 114; 126). So überrascht es nicht, daß man an den Progymnasmata der Antike „wenig interessiert“ war (Ludwig 1988, 22). Die Klosterund Domschulen bevorzugten andere Einteilungen. „Als Kaiser Karl der Große einmal

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts

die Schule visitierte, welcher der Schotte Clemens vorstand, legten ihm die Knaben ihre schriftlichen Arbeiten vor, ‘carmina et epistolas’, also Aufsätze in Prosa und Versen.“ (Specht 1885, 112 f) „Es ist sehr wahrscheinlich, daß am Schlusse der grammatischen Studien von den Schülern, gleichsam als ein Zeugnis ihrer Reife, ein größeres dictamen metricum verlangt wurde“ (Specht 1885, 113). Über Bernhard von Chartres (12. Jh.) wird berichtet, seine Schüler hätten sich täglich mit Vorübungen (praeexercitamina) in der Nachahmung von Prosa und Gedichten geübt (Norden 1983, 716 f: „prosas et poemata quotidie scriptitabant“). Solche Übungen dienten der Anwendung rhetorischer Figuren. Inhaltlich bereitete das dictamen prosaicum anhand simulierter Fälle die Abfassung geschäftlicher und vor allem juristischer Briefe und Urkunden vor. „Schon in den karolingischen Gesetzen über die Bildung der Kleriker findet sich die Verordnung, daß Geistliche die Fertigkeit besitzen müssen, ‘Briefe und Urkunden zu schreiben’.“ (Specht 1885, 117 f) Noch in den Schulen des 16. und 17. Jahrhunderts „wurde das Schreiben lateinischer Briefe gründlich geübt“ (Nickisch 1991, 37).

4.

Renaissance und Barockzeit

Das mittelalterliche Schulsystem blieb in der frühen Neuzeit weitgehend erhalten, in den protestantischen Gelehrtenschulen ebenso wie in den Gymnasien der Jesuiten. Der Lateinzwang galt weiter, auch die Schulung in Logik und dialektischer Disputation, ebenso die Verpflichtung auf Prosa- und Verstexte. Über die Breslauer Gymnasiasten um 1650 heißt es: „Die Primaner hatten wöchentlich eine prosaische und eine metrische Arbeit anzufertigen“ (Müller 1882, 11). Inhaltlich zeigen sich Verschiebungen. „Als geeignete Aufgaben werden bezeichnet für die Prosa disponirte Epistolae, Alloquia, Oratiunculae, für die poetische Arbeit Epicedia, Epithalamia, Genethliaca, Gratulationes et id genus alia“ (Müller 1882, 11). Hier zeigt sich die Vorliebe der Zeit für Gelegenheitsgedichte. Bemerkenswert ist die Wiederbelebung der Rhetorik, die in der Barockzeit sogar zur beherrschenden Kraft wurde. Die Humanisten des 16. und 17. Jahrhunderts sind auch „wieder auf die rhetorischen Vorübungen aufmerksam geworden“, vor allem auf Aphthonius, der erst jetzt aus dem Griechischen ins Latei-

1281

nische übertragen wurde (Ludwig 1988, 22). Die Württembergische Schulordnung, wohl von 1559, schreibt vor, in regelmäßigen Abständen sollten „ein Exordium, narratio, locus communis, confirmatio, peroratio, descriptio, tractatio fabulae oder dgl. Progymnasmata fürgegeben und die adolescentes also abgerichtet werden, daß ihnen nachmals ganze Declamationes zu schreiben, minder schwär sey“ (nach Barner 1970, 287).

5.

Muttersprachliches Schreiben vom 13. bis 18. Jahrhundert

Das Schreiben in der Muttersprache entwikkelte sich im Schatten des Lateinunterrichts. Ursprünglich leistete es diesem ⫺ in Form von Übersetzungen ⫺ Zubringerdienste. Seit dem 13. Jahrhundert drang das Deutsche als Urkundensprache vor, vor allem durch die Prager Kanzlei (Barner 1970, 157). Der damals aufgekommene neue Stand der Schreiber und Notare, zunächst klerikal, wurde allmählich laisiert (Nickisch 1991, 32). Als Muster dienten den Schreibern lateinische Formularbücher mit Anweisungen „für die Gliederung der Schriftsätze, für die verschiedenen Formen der Anrede (Titulaturen), für die Ausdrücke der Höflichkeit (Kurialien) und für die Ausschmückung mit geblümten Redewendungen (flores dictaminis)“ (Frank 1973, 21). Seit Ende des 15. Jahrhunderts erschienen auch deutsche Briefsteller und Kanzleibücher (Barner 1970, 158). Schreiber im Dienst der Städte unterhielten vielerorts nebenbei Schreibschulen, in denen sie täglich unterrichteten. Der Nürnberger Stadtschreiber Niklas von Wyle berichtet im 15. Jahrhundert, daß ihm „vil wol geschickter iüngling / erberer vnd fromer lüten kinder […] wurden verdingt / die in obgemelter kunst schribens vnd tichtens zeinstituwieren / zeleren vnd zevnderwysen“ waren (nach Frank 1973, 23). Ein Gemälde Hans Holbeins d. J. von 1516 zeigt das Aushängeschild einer Privatschule, das einlädt, gegen angemessenes Entgelt „dütsch schriben vnd läsen“ zu lernen. Die Werbung gilt nicht nur „jungen Knaben vnd Meitlin“, sondern ebenso „es syg wer er wil burger oder handwerksgesellen frouwen oder junkfrouwen“ (Frank 1973, 23). Im 17. Jahrhundert schlugen Ratke und andere vor, auch in öffentlichen Schulen von der Muttersprache auszugehen (vgl. Ludwig 1988, 24⫺26); ihr Vordringen ist selbst in den Lateinschulen zu beobachten (Bar-

1282 ner 1970, 295 f). Wichtigste Vorstufe zum Deutschunterricht war die Verankerung der „teutschen Oratorie“ als Unterrichtsfach im 18. Jahrhundert (Frank 1973, 87 f). Den Anstoß gab um 1690 der Zittauer Schulrektor Christian Weise (Barner 1970, 296; Ludwig 1988, 28⫺30; 50⫺52). Die Progymnasmata hielten, vor allem wohl durch Gottscheds „Vorübungen der Beredsamkeit“ (1754), in modifizierter Form Einzug in den neuen Unterricht und trugen so zur Entwicklung deutscher Aufsatzarten bei (Asmuth 1977, 282⫺284; vgl. Ludwig 1988, 76 f). Andererseits erhielt der sich anbahnende Deutschunterricht in der Aufklärung eine Prägung, die dem Rhetorischen entgegenwirkte. Die Unterscheidung von hohem, mittlerem und niedrigem Stil wurde mit der Infragestellung der Ständegesellschaft problematisch. Dem Figurenschmuck barocker Adelsrhetorik stellten die bürgerlichen Intellektuellen das Ideal der Natürlichkeit entgegen, das bis heute die Schreibdidaktik beherrscht. Die in der Rhetorik verankerte Gegenüberstellung von Sachen und Wörtern machte der neuen, noch heute wirksamen Formel von der Sprache als Ausdruck des Denkens Platz. Das Begriffspaar Gedanke/Ausdruck signalisiert die Abkehr von der mimetischen Sprachauffassung, zugleich die Unterordnung der Sprache unter das individuelle Denken, die Umorientierung vom Überredenwollen zum zweckfreien Ausdruck der eigenen Psyche. Vor diesem Hintergrund verlagerte sich im deutschen Unterricht der Schwerpunkt von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, entwikkelte sich aus der rhetorischen Elokutionslehre die primär schreibbezogene Stilistik (Ludwig 1988, 132 ff), formierte sich der deutsche „Aufsatz“, vor 1850 vorwiegend unter dem Begriff „Stilübungen“ (die damals also mehr bedeuteten als das bloß Formulierungstechnische), als Medium vernünftigen Nachdenkens (vgl. Ludwig 1988, 79). Letzteres gilt speziell für die im 18. Jahrhundert aufkommende Form der Abhandlung (tractatio), welche die an mündlicher Auseinandersetzung orientierte Disputation ersetzte, in anderer Weise auch für die seit dem 18. Jahrhundert übliche Charakteristik (vgl. Ludwig 1988, 175⫺179). Die neue Bindung des Aufsatzunterrichts an die Muttersprache setzte Energien frei. Er kam nun auch für jüngere Schüler in Frage, die ihre Kräfte bisher auf das Lateinlernen hatten konzentrieren müssen. So ergab sich das Problem, die Aufsatzarten auf ein breite-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

res Spektrum von Altersstufen zu verteilen. Das begünstigte die als kindgemäßer angesehenen narrativen Textarten, die nun gegenüber den diskursiven vermehrt und gebündelt hervortraten. Voran ging Johann Jacob Schatz („Kurtze und Vernunft-mäßige Anweisung zur Oratorie oder Beredsamkeit“, 1734). „War es bisher üblich gewesen, die deutsche Beredsamkeit als ‘galantes’ Lehrfach erst auf der Oberstufe des Gymnasiums zu berücksichtigen, so wollte Schatz mit der deutschen Stilbildung bereits in den unteren Klassen beginnen. Und zwar sollten einfache Übungen im Satzbau den Anfang machen. Folgen sollten mündliche und schriftliche Nacherzählungen kurzer Geschichten, die dem kindlichen Verständnis angemessen waren. Schatz dachte sogar an kleine Erlebniserzählungen, worin die Schüler von dem berichten sollten, was sie selbst gesehen oder gehört hatten“ (Frank 1973, 89 f). Basedow forderte 1774 in seinem „Elementarwerk“, Aufsatzübungen aus dem Anschauungsbereich der Schüler zu wählen, und schlug vor: „1. Die Beschreibung eines Zimmers, eines Hauses, eines Gartens, eines Marktplatzes […] 2. Die Erzählung dessen, was auf einer kleinen Reise bemerkt und geschehen ist […] 3. Lebensbeschreibungen und Charaktere, wozu Nepos und Plutarch Materialien geben. Aber besser ist es, sie aus der Familie des Lehrenden zu holen.“ (nach Frank 1973, 101)

6.

Aufsatzdidaktik 1780⫺1900

Seit etwa 1780, als der Deutschunterricht und mit ihm der deutsche Aufsatz und seine Didaktik (Villaume 1781, Gedike 1793, Niemeyer 1796, Schaaf 1812, Falkmann 1818) allgemein Fuß faßten, verstärkten sich die Bemühungen um ein Curriculum der Aufsatzarten. Sie spiegeln sich in Lehrplänen und staatlichen Richtlinien zum Deutschunterricht aus dem 19. Jahrhundert (vgl. Matthias 1907, 322⫺356). Der argumentative Aufsatz der gymnasialen Oberklassen, speziell der Abituraufsatz, der nach Einführung des Abiturs in Preußen 1788 bald als „die eigentliche Blüthe der ganzen Bildung“ galt (Verfügung des Provinzialschulkollegiums Breslau vom 8. 6. 1829; nach Ludwig 1988, 142), und die für die jüngeren Schüler gedachten narrativen Aufsatzarten entwickelten sich weiter auseinander. Während die zur Zeit der Romantik wohlwollend beurteilte Subjektivität mit der Schilderung als subjektiver Variante

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts

der Beschreibung im Bereich der narrativen Formen damals Heimatrecht gewann, ist die Tendenz zur Unterdrückung der Subjektivität, die dem literarischen Realismus der zweiten Jahrhunderthälfte entspricht, eher in dem der Denkschulung verpflichteten Oberstufenaufsatz spürbar, wie ihn Ernst Laas vertrat (Frank 1973, 199 ff; Ludwig 1988, 173 f; 201 ff). Mit dieser Tendenz verband sich eine verstärkte „Entrhetorisierung“ (Ludwig 1988, 128⫺132; 208⫺212; vgl. Asmuth 1977, 278). Die mit der Logifizierung einhergehenden Dispositionsübungen ließen dem freien Zugriff wenig Raum. Dies gilt auch für den ⫺ an die neue Lektüre deutscher Dichtung anknüpfenden ⫺ literarischen Aufsatz, den Robert Hiecke 1842 propagierte und der sich spätestens ab 1870 im Gymnasialunterricht allgemein verbreitete (Ludwig 1988, 240). Er zielte zwar nicht mehr wie frühere Stilübungen auf Imitation der Dichtung, sondern auf Reproduktion dessen, was dazu im Unterricht erarbeitet wurde; aber von der Hoffnung, die Karl Philipp Moritz 1793 geäußert hatte, ist im Verstandesaufsatz des späten 19. Jahrhundert wenig geblieben. Moritz hatte gemeint, daß „durch die Aufmerksamkeit auf das Eigenthümliche in den fremden Werken, die Nachahmungssucht immer mehr verdrängt wird, und das Eigenthümliche in unserer Vorstellungsart allmälig sich entwikkeln kann, wodurch erst der Ausdruck sein Gepräge erhält, und der Styl sich bildet“ (nach Frank 1973, 111). Diese Hoffnung erfüllte sich in breiterem Umfang erst im Erlebnisaufsatz des 20. Jahrhunderts.

7.

Der Aufsatz zwischen Erlebnis und Sachlichkeit (1900⫺1970)

Kaiser Wilhelm II. sagte am 4. 12. 1890 auf einer Berliner Schulkonferenz: „Wir müssen das Deutsche zur Basis machen. Der deutsche Aufsatz muß der Mittelpunkt sein, um den sich Alles dreht.“ (nach Frank 1973, 512) Von da an bis etwa 1970 war der Deutschunterricht wichtigstes Schulfach, genügte hier ein „mangelhaft“ im Aufsatz, um das Bestehen des Abiturs zu verhindern. Der nationale Ehrgeiz, der sich hinter dieser Bedeutungserhöhung verbirgt, schlug sich ⫺ in der Wilhelminischen Ära ebenso wie im Dritten Reich ⫺ in den Inhalten des Deutschunterrichts und in der Thematik der Aufsätze nieder (vgl. Frank 1973, 485 ff; 753 ff; Ludwig 1988, 257 ff; 363 ff). Die entscheidenden Verände-

1283

rungen in der Aufsatzdidaktik waren indes anderer Art. Unter dem Einfluß der Kunsterziehungsbewegung und der von Dilthey herkommenden Erlebnispädagogik wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts der auf Verstandesschulung bedachte Reproduktionsaufsatz durch den freien oder Produktionsaufsatz ersetzt. Die schon früher, z. B. 1867 von Rudolf Hildebrand, erhobene Forderung, das von Schülern Erzählte solle „selbst erlebt und erfahren“ sein, erhielt eine neue Begründung: Der freie Aufsatz baute, besonders in Form des Erlebnisaufsatzes, auf die schöpferische Selbstentfaltung des Kindes, in dem man nun einen kleinen Künstler sah, und auf seine irrationalen Kräfte. Dieser vor allem von Volksschullehrern (Gansberg, Scharrelmann, Jensen, Lamszus) vertretene Ansatz wurde seit etwa 1910 heftig diskutiert, hat angeblich „bis zum Ende des ersten Weltkrieges die Aufsatzpraxis nicht bestimmt“ (Sorgenfrei 1966, 43), sich dann aber um so kräftiger durchgesetzt. Repräsentativste Aufsatzform wurde die Schilderung. Zum Erfolg des neuen Denkens trug auch das als Reaktion in den 20er Jahren aufgekommene Gegenprogramm der Sachlichkeit bei, insofern es den freien Aufsatz nicht eigentlich untergrub, sondern ergänzte, teilweise zurückstutzte und somit erträglich machte. Es waren vor allem Gymnasiallehrer (z. B. Wilhelm Schneider), die einer Überbewertung des Erlebnisprinzips entgegentraten und dem Erleben das Erkennen als nicht minder wichtig an die Seite stellten. Sie forderten allerdings keine Rückkehr zum Verstandesaufsatz des 19. Jahrhunderts, sondern propagierten eine neue, der Literatur der Neuen Sachlichkeit entsprechende Ausrichtung (Asmuth 1988). Zeugnis dieser Bestrebungen ist der Bericht. In der Rechts- und Verwaltungspraxis beheimatet, um 1800 im Rahmen von „Geschäftsaufsätzen“ auftauchend, dort noch ohne begrifflichen Zusammenhang mit der Erzählung (Ludwig 1988, 172), im 19. Jahrhundert das mündliche Referat (z. B. über Gelesenes), dann vorübergehend auch die schriftliche Wiedergabe von Selbsterlebtem bezeichnend, gewann er erst ab 1920 sein bis heute gültiges fachdidaktisches Profil: Als objektive Ereigniswiedergabe trat er der nun auf Subjektives beschränkten Erzählung gegenüber, vervollständigte er so das seitdem übliche System der vier narrativen Aufsatzformen, zu denen auch Beschreibung und

1284

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Schilderung gehören (Asmuth 1988, 118⫺ 123). In Anlehnung an die Preußischen Richtlinien von 1925, die das Gymnasium in die „Stufe des naiven Erlebens“ (Klassen 5⫺6), die „Stufe des anschaulichen Verständnisses“ (Klassen 7⫺10) und die „Stufe der gedanklichen Durchdringung“ gliederten, entwarf Georg Kühn eine komplizierte „Systematik der Aufsatzlehre“ (Kühn 1930, 52), die bis in die 60er Jahre die fachdidaktische Literatur (Rahn, Ulshöfer, Essen) und die Richtlinien zum Deutschunterricht beherrschte und zum Teil heute noch nachwirkt. Vom Einfacheren zum „Vollkommeneren“ fortschreitend, schrieb er jeder Stufe Erlebnis- wie Erkenntnisformen zu, teilweise auch Mischformen. Den Sachaufsatz und damit den Bericht rechnete er ähnlich wie 1926 schon Seidemann zu den Erkenntnisformen (Kühn 1964, 49). Kühns „Stilformen“ implizieren eine Hochschätzung der „reinen“ Formen (Kühn 1930, 60), auch wenn ihre Grenzen fließend erscheinen und er selber zu elastischer Handhabung riet (1930, 57; 1964, 50). Andere nach ihm haben sich rigoroser geäußert, vor allem Rahn. Er, der vermutlich an den NS-Richtlinien von 1938 beteiligt war (Ludwig 1988, 377), verlangte „ausschließlich Aufgaben, die eine möglichst stilreine Behandlung herausfordern“ (Rahn 1938, 15). Den Nationalsozialisten kam ⫺ neben dem von Rahn und Pfleiderer 1936 eingeführten „Besinnungsaufsatz“, der als „wertende Betrachtung“ der Problemerörterung zur Seite trat (vgl. Ludwig 1988, 397 f) ⫺ besonders der „Sachbericht“ entgegen. Sie sahen ihn bestimmt „durch Zurücktreten des nur Persönlichen, durch reine Hingabe an die Sache“ (nach Frank 1973, 831; ähnlich Rahn 1938, 10). Mit dem Gegensatz von Erleben und Sachlichkeit bzw. Erkennen rückte der sprachliche Ausdruck in den Hintergrund. So konnten Susanne Engelmann und andere in den 20er Jahren fordern, die Stilübungen vom eigentlichen Aufsatzunterricht abzutrennen (Ludwig 1988, 335 f; 361 f; 384 f). Andererseits erklären sich der „sprachschaffende Aufsatz“ im Gefolge Seidemanns und der „sprachgestaltende Aufsatz“ der 50er Jahre als Reaktionen gegen die Vernachlässigung der Sprache.

8.

Schriftliche Kommunikation nach 1970

Um 1970 ist in der fachdidaktischen Literatur zum Deutschunterricht wie auch in den staatlichen Richtlinien ein Unbehagen gegen-

über den etablierten „Stilformen“ zu verspüren, besonders gegenüber der als pseudopoetisch verdächtigten Schilderung und dem ideologisch belasteten Besinnungsaufsatz. Einflüsse der Pragma- und Soziolinguistik, der Kommunikations- und Zeichentheorie wie auch der neubelebten Rhetorik begünstigten die Umorientierung von thematischen zu kommunikativen Differenzierungen, die in der Unterscheidung subjektiver und objektiver Formen vorher allenfalls rudimentär zur Geltung gekommen waren. Wichtig wurde nun ⫺ im Hinblick auf die Bewältigung außerschulischer Schreibsituationen ⫺ die Einbettung des Schreibens in eine lebensnahe Situation mit möglichst aktuellem Anlaß, konkretem Adressaten und klarem Wirkungsziel. Statt nach Gegenstandsarten (Erzählung, Beschreibung, Erörterung) unterschied man jetzt nach Zielrichtungen (z. B. informieren, kommentieren, produzieren). Das Interesse verschob sich vom großen Klassenaufsatz auf kleinere Formen „schriftlicher Kommunikation“. Statt eines Aufsatzthemas wird dem Schüler nun vielfach ein Bündel mehrerer Aufgaben, oft als Fragenraster zu einem Text, vorgelegt. Ein genaueres Bild dieser Vorstellungen vermitteln in knapper Form Beck (1981), Payrhuber (1982) und auch Boueke & Schülein 1985. Sie geben auch den Einwänden Raum, die sich mittlerweile erhoben haben. Unübersehbar ist die Kluft zwischen der neuen Theorie und der in den tradierten Aufsatzformen verharrenden Unterrichtspraxis (Payrhuber 1982, 10 f). Einerseits zeigt sich, daß auf eine Differenzierung nach Gegenstandsarten schwerlich verzichtet werden kann. Andererseits bringt die kommunikative Einbettung neue Bindungen mit sich, steht sie ihrerseits der neuen Lust an kreativem Schreiben entgegen, deren Anspruch etwa Sanner und Gössmann vertreten haben (Payrhuber 1982, 23). Im übrigen ist der kommunikative Aufsatz trotz allen Bemühens um reale Schreibanlässe meist doch mit einem gewissen Maß an Simulation verbunden und insofern nicht leicht plausibel zu machen, auch wenn die Simulation ein geringeres Übel sein mag als die Situationsabstraktheit der Aufsätze vor 1970. Manches spricht für einen „Ausgleich der Extreme“ (Payrhuber 1982, 20), für den Versuch, thematische und kommunikative Differenzierung zu verbinden, und zwar so flexibel, daß eine Aufgabenstellung den Schüler nicht unbedingt in beiderlei Hinsicht festlegt (vgl. Steffens 1977, 68 f). Auf die Unterscheidung

110. Geschichte der Didaktik und Methodik des Schreib- und Aufsatzunterrichts

subjektiver und objektiver Aufsatzformen oder jedenfalls auf deren Verbindlichkeit läßt sich wohl verzichten, nicht aber auf die Strukturunterschiede zwischen erzählerischem Nacheinander, deskriptivem Nebeneinander, argumentativem Verknüpfen bzw. dessen Varianten (Beweisführung, Begutachtung, dialektische Auseinandersetzung, vergleichende Gegenüberstellung) und frei assoziierendem Phantasieren. Die sachbedingte Eigenart des Textzusammenhangs (z. B. einer Beschreibung) bereitet letztlich mehr Schwierigkeiten, erfordert zumindest nicht weniger Übung als die kommunikative Besonderheit, die etwa einen Brief von einer Rede unterscheidet.

9.

Literatur

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1285

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Bernhard Asmuth, Bochum (Deutschland)

1286

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

111. The teaching of reading and writing in the English-speaking countries 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

The English-speaking countries Formative models Language study Reading Reading development Writing Formative pressures References

1.

The English-speaking countries

1.1. A description of the teaching of reading and writing in the major English-speaking (ES) countries must remain an outline map for reasons of complexity. Although the English language is a common bond between a considerable number of the world’s inhabitants, differing conceptions and realisations of English in education reflect the distinctive contexts and traditions of such diverse countries as Australia, Canada, New Zealand, South Africa, the United States of America and the United Kingdom. Across the ES world the main issues under current debate in one country are known in outline to educationists in the others, interchange of educational theory and practice being promoted by: international publishing in a common language; national Associations of Teachers of English, their journals and conferences; international conferences, many sponsored or coordinated by the International Federation for the Teaching of English; the International Reading Association and affiliated national associations; exchanges and visits sponsored by official agencies such as the British Council. 1.2. The central point of reference taken here is the current situation in England and Wales, though for ease of reference the term UK will be used throughout as if it denoted a single educational system. The historical background in the UK to 1973 is described by Mathieson (1975), from 1965 to 1980 by Allen (1980), to 1983 by Ball (1984), and the current position is summarised by the new National Curriculum for ages 5⫺16 for England and Wales (DES 1989 a, DEF 1995). The main contrast will be with the United States of America (USA), and to a lesser extent with Australia and Canada, though this must ignore differences of approach between

separate states and provinces in those countries. International descriptions and comparisons may be found in Britton (1984), Sawyer et al. (1989), Britton et al. (1990) and Hayhoe & Parker (1994). 1.3. As a reference point the UK has until recently represented the non-prescriptive end of a spectrum, for its liberal, decentralised tradition has permitted, even necessitated, experimentation in its schools by classroom teachers and educationists. It has been and still is possible to find a very wide range of philosophies, resource materials and teaching methods in neighbouring schools because control of the curriculum at both detailed design and implementation level has been in the hands of individual class teachers until the syllabuses of public examination boards take over for pupils aged 14⫺16 and 16⫺18. From 1989 for the first time in the UK the broad principles of an English curriculum have been centrally prescribed in a National Curriculum (DES 1989 a), hereafter termed the UK NC. Even so, this new and very brief outline is in sympathy with the “progressive consensus” (Doughty 1974) view of English teaching in the UK, and it is unlikely in the foreseeable future to significantly curtail the freedom to experiment which has so marked the UK tradition since the nineteen sixties. No other country in the English-speaking world has allowed its first language teachers such freedom to create their own curriculum, out of which has evolved many significant practices adopted and adapted by other countries with a more structuralist tradition.

2.

Formative models

2.1. What is called the Traditional model of English teaching pertained in the UK from the time of the Newbolt Report in 1921 until the late nineteen sixties. The model emphasised the formal teaching of grammar, the writing of essays and forms which stressed logical argument, and the close study of literary classics of “the cultural heritage.” Although no empirical data is available, it is likely that most of the ES countries employed versions of this model, the precursor of the Structuralist model described below.

111. The teaching of reading and writing in the English-speaking countries

2.2. The Plowden Report (DES 1967) officially endorsed the more child-centred curriculum and pedagogy which had been developing in primary schools, emphasising a creative, less analytical, approach to English. Influenced by such approaches in primary schooling and the excitement they generated, such writers as Holbrook (1961, 1967) began to attack the Traditional model in secondary schooling on the grounds that it imposed an overly cerebral model of language use from outside children’s own context, neither harnessing children’s own creativity nor developing in them a love of literature and language. The alternative model proposed, later called the Personal Growth model (Dixon 1967), placed children’s own experience at the centre of first language learning. It aimed to stimulate language development through children’s imaginative and emotional involvement in encounters with exciting resource materials such as evocative literature, visual images or concrete experience. Because of its emphasis on “creative” writing the model was more widely known in the UK as “the creative writing movement”. 2.3. With messianic force the principles of the Personal Growth model were enthusiastically adopted throughout the UK in the nineteensixties. In 1966 there was a highly significant meeting of American and British educators at the Dartmouth seminar, officially reported by Dixon (1967). Applebee (1973), commenting on the seminar from the American point of view, summarised the most significant contrast between the two sides; that in general, American participants supported structure, sequence and system, while British participants supported self-discovery, spontaneity and growth. Such polar distinctions admittedly over-generalise, but in very broad terms that distinction between the two nations is still valid. From that time there has been a steady movement in England towards increased structure, as the new UK NC clearly demonstrates, whilst at the same time in the USA there has been a growth of interest in the learner-centred approach which has become known there as “whole language” (Goodman 1986), though the term is little known in the UK. The two countries will be taken for the present purpose as representing the extreme ends of a spectrum between a Structuralist and a Holistic or Whole Language model, with other countries in the ES

1287

world placed at less extreme points on this spectrum. 2.4. In the Structuralist model, language and literature are envisaged as a corpus of fact which is objective and fixed, hence amenable to schematic organisation. Such organisation is envisaged as a linear progression of successive stages through which children pass as they master the material, hence the concept of “mastery learning”. The corpus can be divided into sub-components of knowledge and skills which exist independently of each other, and on which children can be tested at frequent intervals to ensure that their learning is on track. Knowledge of language and literature which children have gained from elsewhere is ignored by the curriculum. The same is true for the class teacher, who is not envisaged as a curriculum designer, since that is the function of “experts” operating beyond the immediate classroom context. The detailed embodiment of such a curriculum design appears in the form of the class textbook. In many states of America there is a recommended series of text-books which constitutes at least the basis and often the totality of the subject matter for language and literature in each year of schooling. Typically language text-books contain such items as: progressive exercises in the analysis and construction of written sentences according to a system of grammatical rules; comprehension questions on passages of prose or poetry; guidelines for compositions on prescribed subjects; guidelines and exercises on a range of written genres. 2.5. In the Whole Language model, language is primarily conceived of as a medium of communication for real purposes; literature as a representation of real human experience. The model proposes that the curriculum should be essentially experiential and purposeful; that its subject matter should arise out of the local context, and the interests of the teacher and children at any given moment, though these can be predictable to some extent. It is an essential principle of the model that the teacher is in control of curriculum development, in consultation with the particular children in the classroom community in a specific time and place. The personal language experience of the child before and outside schooling is seen as a rich resource, as well as a unique and inescapable filter of the whole curriculum for each child.

1288 Although text-books may be used, such use is likely to be in support of a range of other reference, resource and stimulus materials; a prescribed text-book used as the basis for every lesson would be impossible in the model. Schematic organisation is envisaged only in general terms, in relation to the child’s interests, level of ability and psychological maturation. Specific detailed stages are rejected as an artificial imposition for the invalid purposes of standardising children’s knowledge or facilitating academic bureaucracy. Although the model recognises skills, these are identified only in broad terms and are conceived of as so interwoven that they cannot usefully be sub-divided. Development is seen as a recursive trial and error process, not a ladder of discrete skills to be mastered in sequence. Therefore the objective measurement of children’s development is seen as problematic and resisted in favour of a broad, personalised description. Formal examinations tend to be delayed till the final years of schooling and then supplemented if not displaced in part by assessed coursework. 2.6. The Whole Language model calls for a more sophisticated interpretation of the concept of correctness. For instance in the early stage of writing the concept of “invented spelling” frees the child to concentrate first on making meaning, guessing at the spelling of necessary words rather than interrupting the communication process to find out the correct spelling. In the teaching of reading the term “miscue” is used instead of “error” or “mistake” on the grounds that it more accurately indicates a process weakness which the teacher must then help to remedy, whereas the term error suggests a score on a scale of right-wrong, which can in the long term suggest a self-image of failure to the child. This sophistication however is seen by its opponents as a symptomatic weakness, a dangerous lack of objective standards. 2.7. The new UK NC (DES 1989 a) has imposed a significant degree of structure onto the existing Whole Language context. It specifies stages of development linked to children’s chronological age and describes expectations of children’s attainment at each stage in the four language modes of speaking, listening, reading and writing. Significantly it is linked to a new national system of assessment of children at ages 7, 11 and 14, in addition to that in place already at 16. However it

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

clearly reaffirms the central holistic principle that the four modes should be integrated in a curriculum where language is developed not through grammatical analysis and formal teaching of prescribed content but through purposeful language use over an increasingly wide range of real forms with an increasing degree of sophistication. By comparison with the official curriculum documents of other nations, it is open-ended in being only an indicative outline of content and pedagogy, the detail being left to individual schools and teachers to design.

3.

Language study

3.1. Until the nineteen sixties, a system of latinate grammar was universally taught throughout the high school years, but its usefulness became questioned, largely on the grounds that such analytical knowledge did not increase the effectiveness and accuracy of children’s writing. Wilkinson (1971) summarised empirical research which justified such a conclusion. 3.2. In the USA however linguistics, particularly psycho-linguistics, gained considerable influence as an academic study at university level. Alternative grammars, notably the “transformational grammar” associated with Chomsky (1965), became available and in the USA the old latinate grammar was replaced by new grammars, but to the same end, namely the child practising analytical method on prescribed extracts of language. In the UK also linguistics became significant as a university level study, but the new grammars made very little impact on the school curriculum, although efforts were made (e. g. Perera 1984). The altogether different emphases of socio-linguistics however did become influential in the UK. Rejecting the analytical approach of transformational grammar applied to language excerpts out of context, interest developed in the study of authentic examples of language in use, both spoken and written. The theories of Michael Halliday (1964, 1969, 1979) had a formative influence, emphasing that the first language speaker learns what language is through active involvement in what language does; that language development takes place when participants are challenged to use their language resources in specific contexts for purposes which have real meaning for them. It is significant that the

111. The teaching of reading and writing in the English-speaking countries

title of a new style language programme to which Halliday was a consultant was “Language in use” (Doughty et al. 1970). The book is a portfolio of language study ideas, collected under themes rather than in a developmental sequence, and notes of guidance to teachers on how pupils can be actively involved in language fieldwork, collecting significant data from their own context such as newspaper headlines, or public notices, or political speeches for subsequent analysis of their linguistic features. It rejects the formal systematic teaching of linguistic structure, relying instead on pupils’ implicit knowledge of language and the teacher’s ability to assist their perception and the formulation of their intuitions. 3.3. Though this “language awareness” approach as it was called was given official sanction in the Bullock Report (DES 1975), it has been a pivotal point in the structuralistholistic debate ever since, and a description of historical events will suggest the force of the debate. The structuralists attacked language awareness on the grounds that children need specific knowledge of language as system if they are to progress beyond their intuitive response, and the UK government supported this view, their scepticism continuing to grow throughout the eighties. The Kingman Committee (DES 1988 a) set up to inquire into the teaching of English language, recommended that knowledge about language be made a priority from upper primary level onwards. It is worth noting that the phrase used was “knowledge about language” rather than linguistics or language awareness, indicating the search for a compromise between the structuralist and holistic positions. Their report included an outline description of language knowledge they considered a basic requirement, to include terminology previously associated with traditional grammar teaching ⫺ word forms, phrase structure, sentence structure, discourse structure. 3.4. The Cox Committee (Cox 1991) was briefed to include the linguistic framework of the Kingman report into the new UK NC, while a government-funded Language in the National Curriculum (LINC) project was to produce materials for teacher support. However in the event neither the Cox Committee nor the LINC handbook (Carter 1990) prescribed the formal teaching of grammar and

1289

as a result the government refused in summer 1991 to publish the LINC study materials. In the Times Educational Supplement of June 28th 1991, the Minister of State for Education, Mr. Tim Eggar, criticised the project’s resource pack for containing material “[…] which is a distraction from the main task of teaching children to write, spell and punctuate correctly.” He continued, “Our central concern must be the business of teaching children how to use their language correctly” (14). 3.5. The search for falling standards of literacy as a result of “progressive” i. e. holistic, teaching methods has been relentless, attracting considerable media attention. The Bullock Report (DES 1975) whilst asserting that there was no evidence of declining standards, called for a national monitoring body, which later took the form of The Assessment of Performance Unit (APU). The APU in the eighties found no evidence of any significant decline in standards, but in designing a National Curriculum the government’s first step was to establish a Task Group on Assessment and Testing (DES 1987) whose reports had a formative influence on the design of the curriculum, as well as establishing a national system of standardised testing under the Schools’ Examination and Assessment Council.

4.

Reading

4.1. Of all the four language modes, the teaching of reading in the initial stage comes closest to the Structuralist model across all the ES countries, in that it is almost universally taught through use of systematically graded reading materials known as a reading scheme (UK) or a basal (USA). However within this general framework of agreement, the alternative principles on which such materials are constructed have been the focus of heated debate for many years. The alternative approaches in the UK are summarised and reviewed by Beard (1987) who represents them along a scale from “contrived” to “natural”, which complements the StructuralistHolistic axis of the present study, though in statistical terms the holistic end is represented by a very small minority of teachers. Listing from the Natural end of the scale his categories are: “Real Books”, Language Experience, Individualised Reading, Story

1290 Method, Sentence Method, Controlled Vocabulary (alternatively termed Word Recognition, Whole Word or Look and Say), Sound-letter relationships (termed Phonics), Coding/Marking systems, Augmented Alphabets, and finally at the Contrived end of the scale, Alphabetic Method. 4.2. In the reception class children aged four encounter pre-reading or reading readiness activities, ranging from such natural text as their own name on books and clothing, and labelled objects around the classroom, to contrived activities such as learning the letters of the alphabet. About the age of five the majority of children in the UK will begin some kind of reading scheme. Individual schools have the right to their own choice from those on the market, and so schemes embodying fundamentally different conceptions of the teaching/learning process may be found in the same area, even in the same school. There is a widespread belief, which has official sanction, that a variety of schemes within one school is beneficial for children, in that variety increases motivation and children not progressing on the approach of one scheme may be more suited to the content and approach of another. The research of Rost (1989) in the USA on second grade pupils suggested that there were no clearly distinguishable sub-skills involved in reading comprehension, only one general dimension (“general reading comprehension”). The UK English Working Group (DES 1989 a) also recommended a holistic conception of reading: “Teachers should recognise that reading is a complex but unitary process and not a set of discrete skills which can be taught separately in turn and, ultimately, bolted together.” (para. 16.9) 4.3. However the schemes currently in use in schools generally reflect more narrowly defined principles, whether it be phonic, visual or interest centred. A heated debate has centred for some years on two approaches in particular, Phonics and Word Recognition. Those who support the Phonics approach (e. g. Morris 1984) propose that a text suitable for a beginning reader should be constructed on principles which demonstrate clear phonetic-orthographic patterns. They claim also that the approach facilitates what are called “word attack” skills, whereby readers encountering a new word are taught how to syllabify it, saying aloud the individual syl-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

lables, thus hearing the word and possibly identifying it from their spoken language repertoire. In a reverse process of this decoding skill, children learn to “word-build” in their writing by encoding in morphemic units. 4.4. The opponents of phonics (e. g. Moon 1985) point out that the English spelling system has evolved without rational revision so that the written form of the language is an imperfect representation of the spoken form which is the dominant for children. The group of homographs cough, though, bough, tough is a notorious example of variant pronunciation; the homophone group pare, pair, pear an example of variant spelling. Supporters of the Word Recognition approach claim that reading is largely a visual recognition skill and that children can more easily recognise the visual pattern of a word such as dinosaur because of its unique and distinctive shape, particularly when the word is already in their spoken vocabulary. Its supporters claim that this approach gives greater freedom to writers of early learning texts to create interesting material. Morris (1984) disputes this, asserting that the advantage of structured progress for the reader far outweighs the supposed disadvantages ⫺ and so the debate rages. 4.5. In the nineteen eighties reading schemes began to come under attack not only for their selective principle of linguistic construction but also for their limitations of content. A range of arguments was summarised by Parker (1989), suggesting the term “ideo-literacy” as a descriptor for literacy used for personal purposes, an alternative design principle of reading programmes, i.e individualised from the outset. The Language Experience approach for instance uses the learner’s own language as the basis of reading and writing materials. One of the approach’s best known schemes was “Breakthrough to literacy” (Mackay et al. 1970), also influenced by the socio-linguistic theories of Halliday. In essence the scheme involves the child telling the teacher what s/he wants to write e. g. “I went to the zoo on Saturday”. The child has a folder containing a basic vocabulary of words, each printed on a separate piece of card. From this word bank the teacher shows the child where to find the words the child already has e. g. I, went, to etc., and on blank pieces of card the teacher writes the more unusual words not already provided, in the

111. The teaching of reading and writing in the English-speaking countries

same print style. To make up the sentence the word cards are placed in a slotted stand (a sentence maker) on the desk; the child reads back the sentence to the teacher and then copies it down on paper. The scheme is supplemented by reading books and by a wide range of teacher procedures which highlight reading within the context of the classroom. Significant features of the approach are the reading-writing interaction and the focus on the immediate concerns of the child. It is also claimed that the child in handling the sentence maker sees syntax at work, and that the scheme lays a foundation for more advanced writing skills. 4.6. The most recent approach to enter the debate is that of “Real Books”, a development from the Language Experience approach and the Whole Language model. In the last twenty years there has been an explosion in the publication of books for children, now running at around 4000 titles per year, many from other ES countries or in translation. Traditionally teachers in primary schools read fiction to their class every day, and once children are making progress in reading independently, it is common practice for their reading scheme diet to be supplemented by exciting picture books, then illustrated story books to promote independent reading through heightened interest. From that traditional practice of supplementation, Bennett (1979) went further to propose that children could be taught to read from good children’s literature alone i. e. from “real books” (known as “trade books” in the USA) bought in a book-shop as distinct from the artificially constructed materials provided for school purposes. The approach was developed by Waterland (1985) who suggests that learning to read can be treated as an “apprenticeship”, with the child learning to read real materials alongside a skilled adult practitioner, in the same way as a trade apprentice learns a craft. Supporters of the approach claim that the best of such texts are so appealing that children concentrate totally so as to catch first the sense of the story as the teacher reads it, then using picture clues, they return over and over to rehearse and refine their performance of the story as a reading for themselves. Children begin with wordless picture books, telling the story of the picture sequence and so becoming accustomed to the purpose and structure of books, thence progressing to books with a

1291

little text and so on, with increasing quantity and complexity of text. 4.7. In its extreme form the approach means that the teacher is free to select the best material from the total stock of children’s literature available, constructing a scheme which is as tightly or as loosely framed as suits the local context and the needs of specific children in the class, without recourse to a graded reading scheme. The approach needs children to be able to move freely amongst a large number of attractive books which they look at together, with the teacher and with parent helpers. They are encouraged to browse among bookshelves, to read to each other, to read sections or selections for their own purposes as adults do (hence “apprenticeship”). The emphasis is upon enjoyment and upon books used for real purposes, not as a special educational event. However the approach requires detailed knowledge of available books, an alternative means of structuring and recording children’s progress from one book to the next and considerable teacher confidence in handling the logistics of such organisation. 4.8. Its opponents claim that children learn to decode imprecisely, guessing the meaning from the strong contextual clues such literature provides; that they cannot break down words with which they are not already familiar, nor can they decode more complex texts; that their reading ability is built on weak foundations which limits later development. Although Real Books has had a limited impact upon classroom practice in the UK (official estimates are of 5% of infant classes) perhaps because of these organisational difficulties, it has become highly controversial and is hence very well known at least in theory in all the ES countries because it symbolises to its opponents (e. g. Turner 1990) all that is wrong with so-called “progressive” education; it is nebulous and unscientific, it is undemanding and leads to a lowering of literacy standards. However a survey of 120 schools in England led HMI to conclude (DES 1991) that since 1978 their findings had pointed to: “satisfactory or better standards in the teaching and learning of reading in the large majority of primary schools. Comparisons of earlier findings with those from the schools in this survey do not support the view that there has been an overall decline in the standards of reading.” (3). An independent study

1292

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

by the National Foundation for Educational Research (Cato et al. 1991) supported this conclusion.

5.

Reading development

5.1. HMI (DES 1991) report that in the UK beyond the age of seven children are not given consistent reading extension. A less publicised criticism is that the usual reading programme is confined within a narrow range; literacy development is synonymous with literary development since narrative, fictive and aesthetic texts predominate in the reading curriculum from initial reading onwards. Where reading instruction is given, it is not usually focused on transactional texts in a technical register. The new UK NC has attempted to remedy this by specifying that children should be given instruction in reading across a wide range of texts, though what techniques or materials should be used is not specified. In a structuralist climate such as the USA by contrast graded reading material across a wide range of forms is widely used for all stages of reading from the initial and is available through to the top grades of high school. One of the best known programmes, called SRA after its American publisher (Science Research Associates), has been used in some areas of the UK. The reading materials in this scheme take the form of cards, on each of which there is an extract from a book or a specially written passage. Each box of cards represents a range of text types across fiction and non-fiction. A box of such cards is available for each school year, and within each box the cards are graded for difficulty, so that the total programme suggests a finely graded progression. On the reverse of the typical card is a series of comprehension questions on the passage and additionally grammar questions with information about an aspect of language. 5.2. The Whole Language criticism of the SRA approach is that such reading material is purposeful only in itself and has no relevance to the actual interests of the child or work in progress in other areas of the curriculum, hence comprehension is of a mechanical, stimulus-response kind. As an alternative which can be used on any text to develop comprehension skill, a range of techniques has been developed in the UK (see Beard 1987), known as DARTS (directed activity

related to texts). Such techniques include (i) cloze procedure ⫺ a sequence of words is omitted from a text and pupils deduce what the words might be (ii) sequencing ⫺ sections of a text are placed into jumbled order for pupils to re-order (iii) prediction ⫺ a text is read out in stages, pupils predicting what will happen next. In all cases pupils must use contextual clues, in discussion with their peers; group problem-solving has become a characteristic of the Whole Language classroom. 5.3. The debate over which classics of the literary canon should be included in the curriculum is not an issue at primary level. Modern children’s literature is accepted as the norm in primary and as a significant component up to the examination years of secondary. There is a constant throughput of modern texts as once popular authors fall out of fashion, though a very few do become established as modern classics. “The Iron Man” (entitled “The Iron Giant” in the USA) written by the English Poet Laureate Ted Hughes has a remarkably wide appeal across the complete 5⫺11 age range. “Charlotte’s Web” by the American E. B. White is another. More recently Allan Ahlberg’s “The Jolly Postman” written for infant children has become internationally celebrated for its witty inter-textuality. In most countries there is a consensus as to what constitutes reading material of a high quality. Such accord is promoted by formal professional training, by national associations of teachers of English, linked internationally by IFTE, by associations of youth librarians and by literary awards to new publications, such as the American Newbery and Carnegie Awards. The books of such British award winners as Allan Ahlberg, writing for first school children and such American award winners as Katharine Paterson, writing for young adolescents, are well known throughout the ES world. From the earliest age children are encouraged to borrow fiction and non-fiction books from the school library to read at home. In the upper primary the popularity of project work gives an added incentive to use of the school and local public library. However inadequate resourcing must limit the effectiveness of any teaching approach which claims interaction with a wide range of good modern texts as its basis. According to a sample taken by Her Majesty’s Inspectors of Schools (HMI) about one third of primary school libraries are now inade-

111. The teaching of reading and writing in the English-speaking countries

quate (DES 1991). It is rare in primary schools to find the use of a set text, where all children in a class have a copy of the same book which they follow as the teacher and perhaps some children read aloud. Set text study is the normal practice in secondary schools and the basis of literary education. 5.4. In the selection of appropriate literature for any age range none of the ES countries totally prescribes what is to be read by specific ages and abilities of pupils. In the UK the choice for pupils younger than 14 is made completely by the school, which will usually delegate that choice to the class teacher. For 14⫺16 year olds studying for public examinations the prescribed list of texts will allow teachers a choice. Notions still abound as to what reading matter would be desirable for “the well-educated citizen”. The Cox report (DES 1988 b), preparing the ground for the new UK National Curriculum, recommended a list of “suitable” authors but this caused so much public and professional debate that the list was excluded from the final report. There is some evidence of cultural engineering in the selection of a literary curriculum. In both Canada and Australia there is considerable government interest in the building up of a corpus of children’s literature which in some way promotes a national identity. In some states of the USA there has been considerable interest in native American literature, and in literature which promotes positive attitudes towards blacks and ethnic minorities. Similarly in the UK, DES reports since Bullock (DES 1975) have consistently referred to the desirability of classroom literature projecting a positive image of ethnic minorities, expressing a vision of a pluralistic society. This is reflected in the editorial policy of the major publishers, as a kind of benign censorship, although in a sense this works against the literary canon of the Anglo-Saxon culture. Such shifts in values can be problematic. Simmons (1990) recounts significant cases of retrospective censorship in the USA as various and sometimes contradictory pressure groups try to influence the selection of school reading materials, on the grounds that the values of the literature in question are in opposition to the values of a group within the local community, even such established members of the literary canon as Shakespeare’s “Othello”. 5.5. The literary theory of reader-response critics such as Umberto Eco, Louise Rosen-

1293

blatt and Wolfgang Iser places the response of the individual reader at the centre of the reading process and challenges the notion of a definitive reading. Research on the impact of reader response theory in education across the ES world is summarised by Squire (1990). Corcoran (1987) in Australia considers that such theory raises doubts about the validity of close text analysis, and instead promotes teaching methods which put emphasis on peer-group interaction, collaborative problem-solving and active reader-response. It is now usual for pupils throughout schooling to express their response to literature in a variety of ways. UK primary schools have a strong tradition both of cross-curricular project work and of creative art, so a text which the teacher has read to the whole class is often used as a stimulus for visual response: pictures, collages, posters, mobiles of characters, scenes and dramatic moments. A popular response for 5⫺7 year olds to “The Iron Man” (Hughes 1968) is the making of models of the central figure, a giant robot, out of cardboard boxes. Oral responses include drama, acting out scenes of the book but particularly group and whole class discussion. Written response can include the transactional: writing the diary of a character in the story, a letter between characters, a warning notice about the robot. It can include the poetic: a sequel to the story, a play script. It is particularly important to note that even the transactional response has a high degree of creativity about it; it is only the form which is transactional. Teachers brought up in the Whole Language model place a high premium on inventiveness in devising new ways for children to respond. 5.6. This emphasis on active, cross-curricular and multi-media response has now become the norm in the secondary school below the age of fourteen and it is facilitated thereafter by the replacement of formal examination structures with course-work assessment. It is possible to find pupils aged sixteen drawing sketches of scenes, characters and events to illustrate written work, while the formerly major forms of response to literature, the comprehension exercise and the literary-critical essay, have now become minor, even rare forms of response until the 16⫺18 Advanced level literature course. For all age groups it is talk which is considered to be the first level of response, at a range of levels from informally sharing reactions with a friend to formally re-

1294 porting research findings to the class. The widespread introduction of mixed ability teaching has done a great deal to promote active response, which harnesses a wider range of human faculties and skills, so enabling a wider ability range of children to become more personally involved in their reading. The rationale for active response to literature and a range of techniques is described by Hayhoe (1984, 1989). 5.7. It is in the optional post 16 syllabus that the “cultural heritage” of literature and the academic tradition of response through literary analysis is retained. The traditional route to university entrance is through the General Certificate of Education Advanced Level examination (GCE “A” level) though the syllabus is followed by a wider range of pupils who opt to take English as one of up to four subjects in the two year A level course. Although alternative syllabuses are available, normally students study in depth a small number of texts, between 6 and 10, usually including at least one Shakespeare play, the poetry of one or more poets such as William Wordsworth and novels by such authors as Charles Dickens, Thomas Hardy, William Golding. The emphasis is upon literary criticism, of understanding classic works in their cultural setting and, in the form of the argument essay, expressing interpretations of their significance in relation to received interpretation. Within the same ideology a very different pattern can be found in the USA where older pupils in three successive years study classics of the literary canon of the US, Britain and then the world. Through the use of extensive anthologies of brief extracts such courses create a broad outline sketch-map of cultures in their historical context. 5.8. Both the panorama course design of the USA and the cameo of the UK are premised on the belief that a literary text can be taught as a body of scientific fact and that a definitive response is both possible and desirable. There are however signs elsewhere that this approach is weakening. Bogdan (1990) in Canada has extended the mechanism of the “reading journal” to upper high school and university students in order to deepen their response beyond the merely intellectual game of literary criticism. Originally developed for younger and less committed pupils in the USA and now widely known in the ES world, the reader writes down spontaneously in a

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

journal reactions, reflections and questions in response to a text as it is read, either in class or in private. Although intended primarily to be intensely personal, the responses may then be the subject of open-ended discussion with the teacher or peers, provided such use does not restrict the frankness of the pupil’s dialogue with the text. Although these responses may be useful to the teacher in bridging opposing cultures i. e. that of the text with that of the student, the journal does tend to promote a literary confidence of a divergent kind, opposing orthodox readings. 5.9. This attack on orthodox readings is also apparent in an aspect of reader response theory, the concept of “resistance”, attributed to Giroux (1983), which has attracted considerable interest among Australian commentators such as Corcoran (1990). In acknowledging the active part played by the reader in interacting with the text, the concept goes further to suggest that the young reader should be taught to detect and if necessary resist the values hidden in the text. Corcoran speaks of the reader “reading against the grain” and O’Neill (1990) of “molesting the text”, terms which suggest the opposite of willing acquiescence. The concept has considerable implications for the classroom because it opposes convergent readings and proposes that all texts should be open to divergent, sceptical response. This is already an accepted stance in the teaching of such written forms as journalism and advertising, but the argument is more subversive when applied to the literary canon of the cultural heritage and it has significant implications for syllabus design and assessment. Transferred to another context, the concept of resistance can take on political significance. In South Africa, Janks (in press) in the preface to a school textbook states that it is her intention to create “oppositional readers”, capable of challenging what writers and speakers say as well as how they say it.

6.

Writing

6.1. In the initial stages of writing in the UK children are taught to copy italic letters as a series of patterns, progressing then to words made up of separate letters, in parallel with their learning to read the alphabet. It is common practice for the child to dictate a sentence to the teacher who writes it down for them to copy. Longer forms then follow, par-

111. The teaching of reading and writing in the English-speaking countries

ticularly imaginative stories, one characteristic of development being increasing length. There is no national standard script in the UK, nor is the typeface of reading schemes standardised, though this is not currently a focus of debate in the teaching profession. By the age of eight the most able are expected to be writing in a continuous cursive script. Both handwriting and spelling are separately provided for in the UK NC though some schools link the two at the initial stage by basing handwriting practice on the letter clusters of common spelling patterns. Critics of the Personal Growth model consistently attacked the low priority it afforded to spelling and there is now considerable official pressure on teachers to make spelling accuracy a greater priority. Though “invented spelling” is encouraged in the early stages of the UK NC, developmental progression is towards increasing accuracy, through focused reading, direct teaching of spelling patterns, memorisation routines, acquisition of work habits such as dictionary use and the selfmonitoring protocols of proof reading. 6.2. Revealing its Whole Language origins, the main emphasis of the UK NC is on the message or purpose of writing rather than on the medium itself. This position has its origins in the “theory of language functions” developed by James Britton and his research team (1975), influenced by the socio-linguistic theories of Halliday (1969). In the theory, writing is seen as shaped by three forces: function (or purpose), form (or genre) and audience. Britton also postulated three kinds of writing: (i) the Expressive where writing is used, without the need for mechanical accuracy, to work out ideas, to explore thoughts and feelings (ii) the Transactional, where the writer is a participant in the world’s events and writes to get things done (iii) the Poetic, where the writer is a spectator of events and uses language as a representation of the experience. The theory began an expansion of the range of writing functions far beyond that of the Personal Growth model, the UK NC now requiring children from the first stage to write for a variety of purposes and audiences. 6.3. Development is described in the UK NC in broad terms of increasing ability in such strands as the following: range of written forms; sophistication/complexity of form; range of functions; appropriacy of registers;

1295

mechanical accuracy. The appeal of story writing for young children is recognised, and the assistance which chronological structure gives to transactional writing, but children are expected to be competent in handling non-chronological structures by the later primary years. Since in primary schools one teacher normally takes a class of children for all subjects, the total writing programme can be readily designed to serve a wide range of purposes. Cross-curricular projects designed by the teacher around locally available resources and children’s interests allow considerable scope for creativity even in transactional forms, such as posters, letters, and reports, usually illustrated with the child’s art work. In secondary schooling where all subjects are taught by specialist teachers, crosscurricular uses of writing are less amenable to monitoring as a unitary programme of development. Formerly English was focused on either the academic forms such as the essay or the aesthetic such as poetry, story and drama with a high imaginative content. The UK NC however, without rejecting previous practice, has now made the secondary English teacher responsible for covering all the real-life forms of writing, called in second language teaching “authentic texts.” This does not specifically include the expository writing one might expect in subjects such as History or Biology, but it does cover forms such as the business letter, the formal report, the many aspects of journalism. In this the functional ideology of the era is apparent, in marked contrast with the ideology of the Personal Growth model. 6.4. One might expect from this that there would be detailed description both of the desirable characteristics of such forms, and of the hoped for stages of children’s development. However neither description is currently available, perhaps because Whole Language ideology opposes such structuralist tendencies. The linguist Gunter Kress (1982) criticised holistic teaching methods for assuming that children acquire knowledge of form through osmosis. Influenced by his work, a so-called “genre group” (Reid 1987) in Sydney is attempting to construct more detailed descriptions of the structural characteristics of major forms of writing so that they can be directly taught in schools. The central tenets of the group are that genres of writing have identifiable characteristics which are relatively fixed; that these characteristics

1296 must be consciously controlled by the writer; that children can and should be taught how to control genres from the initial stage of writing. They object to the predominance of narrative forms of writing in traditional primary school practice, and to child-centred methods. They propose that genre characteristics are a matter of demonstrable fact which can be directly taught. In the UK this work has been taken further by Parker (1993). However genre theory has its opponents, Sawyer & Watson (1988) attacking it on several grounds. Firstly linguistic: that genres are fluid and that in authentic texts there are too many examples of mixed mode for categorisation to be helpful. Secondly diagnostic: that in authentic texts there are few rigid categories that could be identified and taught to children. Thirdly pedagogic: that the most effective learning is through experience rather than rote learning of rules. Fourthly psychologic: that personal and narrative forms are not only an enjoyable means of expression but also a crucial developmental stage, needing sustaining until the later stages of schooling while transactional forms, being less amenable and more formal, induce resistance to writing if made a priority too early. Additionally theorists, like the Canadian Smith (1982) working with older pupils, challenge linear conceptions of the writing process and argue that composing is recursive and interactive. 6.5. While descriptions of stages of writing development have remained problematic across the ES world, there has been considerable systematisation of the Whole Language model, particularly the role of the teacher in the child’s writing process. Thus the concept of “process pedagogy” has developed particularly in the USA and Australia. Formative in such pedagogy is the work of Donald Graves (1983) who in the USA developed a sophisticated set of protocols around the interaction of teacher and child during the writing process, protocols which he termed “conferencing”. In conferencing the teacher’s role is to prompt the child’s decision-making so as to guide and facilitate the writing’s development rather than prescribe or dictate it. Writers such as Calkins (1986) describe the writing process as a series of distinct stages: pre-writing, drafting, revising and post-writing. In each stage the teacher can use protocols which will help the child, no matter how unique the context and focus of the writing, and personalised development comes from

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

this child-teacher interaction on meaningful tasks. 6.6. It is significant that such protocols have arisen from a systematisation of their experiences by practitioner-theorists as a result of working with children in the classroom in a Whole Language context. In the UK considerable curriculum development in all subject areas has traditionally come from teachers’ groups, often working from the teachers’ centres run by each Local Education Authority across the country, such formative participation ranging from first-aid to the formulation of high level theory. In the USA, though without a similar teachers’ centre tradition, the Whole Language approach was given a boost by the Bay Area Writing Project, begun in California in the nineteen seventies, where in short intensive in-service meetings, groups of teachers collaborated to develop ideas and procedures for writing, significantly also becoming involved themselves as writers. It is typical of the ebb and flow of ideas across the ES world that in the UK the National Writing Project imitated the Bay Area Project in using teacher groups to devise curriculum ideas for developing writing, particularly the more recent conceptions of functional writing and the use of information technology. 6.7. Information technology within first language teaching, particularly word-processing (WP), has become a major focus of research and debate across the ES world. The coining of the term “computer literacy” indicates a widely held concern that children’s skill base should be widened beyond traditional definitions of literacy to include this influential and rapidly developing medium, and the definition of English as subject in the UK NC has been widened to include information technology. Assisted by government purchase grants, most classes have access to a computer and increasingly they are instructed in WP and use of software which directly or indirectly serves a language development purpose. There has been considerable research, particularly in the USA and Australia, on the effect of WP on the writing process of children of all ages resulting in progressively refined classroom procedures. In general terms WP has been found to be highly motivating, to reduce fear of surface feature error, to encourage re-drafting, and to assist collaborative writing. Increasingly secondary schools are involving pupils in sophisticated desk-top

111. The teaching of reading and writing in the English-speaking countries

publishing projects, producing newspapers, class magazines, or material related to business enterprise projects. There has been criticism in the UK of software which is primarily concerned with drills and skills, and it is likely that in preference the Whole Language model will continue to favour toolkit software such as data bases, simulations and WP.

7.

Formative pressures

7.1. In addition to the ideologies of the structuralist and holistic models the definition of first language teaching is shaped by the pressure of alternative ideologies, some with a political orientation. One highly significant pressure in the ES world is what has been called the “Back to Basics” movement. It arises from a popular belief that schools are failing to provide children with basic skills in reading and writing, an assertion which the contrary findings of empirical research (e. g. Cato 1991) fail to counter. The movement calls for the monitoring of literacy standards with more stringent and more frequent testing of pupils, and by implication greater accountability of teachers. It calls for renewed emphasis on direct teaching of reading skills, of grammar and of technical accuracy in writing as the central objectives of first language education, and looks back to the supposed golden age of the Traditional model. It opposes so-called “progressive” teaching methods which emphasise collaborative learning, project work and continuous assessment in favour of direct teaching. It asserts that there is such an objective fact as Standard English, and asserts that it is every child’s right to acquire it, as a passport to acceptability, even success, in the adult world. The inclusion of the concept of Standard English in the UK NC and the pervasiveness of testing throughout the ES world indicate the power of the movement. 7.2. The tendency of the “back to basics” movement to narrow the scope of English is contradicted by a tendency throughout the ES world for the subject to expand. The Traditional model defined the subject as Language and Literature, but this has been widened in the new subject definition in the UK NC to include drama, media studies and information technology, while the subject matter of literacy extends far beyond literary forms.

1297

7.3. Since the Dartmouth seminar there has been increasing pressure from the ideology of functionalism or “the new realism”. The ideology suggests that the main objective for education is to prepare children to take their place in the adult world, defined widely as “citizens of Europe in the 21st century” or narrowly as “skilled employees in the workplace”. In the USA where vocational subjects with a strong language base such as journalism and media studies can be studied at university level, vocationally related language study has a high status in the secondary school curriculum. In the UK high status has traditionally been reserved for academic uses and the cultural heritage, but the Bullock Report (DES 1975) marked a shift in ideology towards the vocational, suggested in the report’s title, “A language for life”. The redirection of English towards the vocational/ functional was given a powerful boost in the eighties from Thatcherism, a highly materialistic, pragmatic ideology emphasising the importance of the commercial world to the nation’s well-being. This was accompanied by increasingly direct involvement of government ministers in the formulation of not just the direction but the detail of curriculum policy, resulting in a steady shift from an imaginative-creative to a functional-vocational ideology, affecting the curriculum throughout schooling. 7.4. It is typical of teachers of English to see the significance of their subject in total as far exceeding the sum of its parts; to see themselves as champions in a war of ideologies, defenders of their pupils’ innocence against the forces of corruption. Maintaining a long tradition, Dombey (1987) asserted: “The teaching of English is powerful stuff […] It’s hardly surprising that teachers of English are an irritant to the government […] We are clearly not in the business of teaching pupils to be obedient workers, docile citizens, and eager consumers. Instead we are primarily concerned with putting our pupils in charge of their own lives. Learning to be sensitive to the ways others use language, which means in part to recognise manipulation, deception and coercion, protects our pupils from exploitation.”

8.

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112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum O’Neill, Marnie. 1990. Molesting the text: promoting resistant readings. In: Hayhoe & Parker, 84⫺93. Parker, Stephen. 1989. The initial reading scheme; is there an alternative ? In: Sonino, Elizabeth. Literacy in School and Society. New York, 235⫺243. ⫺. 1993. The craft of writing. London. Perera, Katharine. 1984. Children’s writing and reading: analysing classroom language. Oxford. Reid, Ian. (ed.). 1987. The place of genre in learning: current debates. Victoria. Rost, D. H. (1989). Reading comprehension: skill or skills ? Journal of Research in Reading 12, 2, 85⫺113. Sawyer, Wayne & Watson, Ken. 1988. Questions of genre. In: Reid, Ian, The place of genre in learning: current debates. Geelong.

⫺. (ed.). 1989. English teaching from A ⫺ Z. 2nd edition. Milton Keynes. Simmons, John. 1990. US censorship: an increasing fact of life. In: Hayhoe & Parker, 115⫺123. Smith, Frank. 1982. Writing and the writer. London. Squire, James. 1990. Research on reader response and the National Literature Initiative. In: Hayhoe & Parker, 13⫺24. Turner, Martin. 1990. Sponsored reading failure. Warpingham. Waterland, Liz. 1985. Read with me; an apprenticeship approach to reading. Stroud. White, E. B. 1952. Charlotte’s web. New York Wilkinson, Andrew. 1971. The foundations of language. London.

Stephen Parker, Norwich (England)

112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Verbreitung der arabischen Sprache und Schrift Zum arabischen Alphabet Diglossie und Bilingualismus Lese- und Schreibunterricht bis zum 19. Jahrhundert Lese- und Schreibunterricht seit dem 19. Jahrhundert Moderne Lehrbücher Alphabetisierungskampagnen Muttersprachlicher Unterricht für arabische Kinder außerhalb ihres Sprachraums Literatur

durch lateinische, kyrillische oder andere Schriften namentlich in der Türkei und in den islamischen Republiken der ehemaligen UdSSR sind Ausdruck eines Bedürfnisses, den Anschluß an die Wissenschaft und Technologie der Moderne mit ihren Terminologien zu finden, eines Bedürfnisses, mit dem der Wunsch, eine islamische kulturelle Identität zu bewahren, durchaus konkurrieren kann (Wheeler 1974).

2. 1.

Verbreitung der arabischen Sprache und Schrift

Arabisch ist heute die Muttersprache von über 150 Millionen Menschen. In 20 arabischen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas ist es Staatssprache, in Staaten wie Iran, Afghanistan, der Türkei oder Israel die Sprache einer Minderheit, in einigen Staaten wird Arabisch auch als Zweitsprache verwendet. Als Sprache des Korans und der islamischen Liturgie und Kultur hat das Arabische andere Sprachen tiefgreifend beeinflußt, vor allem im Wortgut und am sichtbarsten in der Schrift: Persisch, Urdu, Paschto, Türkisch, Haussa, Suahili u. a. wurden bzw. werden bis heute mit arabischen Buchstaben geschrieben. Die Ablösung der arabischen Schrift

Zum arabischen Alphabet

Das Alphabet der arabischen Schrift, wie es in seinen wesentlichen Zügen schon seit dem Ende des 7. Jahrhunderts ausgeformt ist, besteht aus 28 Graphemen, die einer ebensogroßen Zahl konsonantischer Phoneme entsprechen. Diese Grapheme, im folgenden „Buchstaben“ genannt, werden auf einer (meist gedachten) Linie linksläufig miteinander verbunden geschrieben; nur sechs Buchstaben werden nicht nach links verbunden. Je nach ihrer Position in bezug auf die Schreibeinheit ⫺ am Anfang, in der Mitte, am Ende oder alleinstehend ⫺ erscheinen die übrigen 22 Buchstaben in vier mehr oder weniger verschiedenen Modifikationen. Die Druckschrift orientiert sich am Ideal der Schreibschrift: Je weniger die Fugen zwischen Einzelbuchstaben sichtbar sind, je größer das Inventar der

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112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum O’Neill, Marnie. 1990. Molesting the text: promoting resistant readings. In: Hayhoe & Parker, 84⫺93. Parker, Stephen. 1989. The initial reading scheme; is there an alternative ? In: Sonino, Elizabeth. Literacy in School and Society. New York, 235⫺243. ⫺. 1993. The craft of writing. London. Perera, Katharine. 1984. Children’s writing and reading: analysing classroom language. Oxford. Reid, Ian. (ed.). 1987. The place of genre in learning: current debates. Victoria. Rost, D. H. (1989). Reading comprehension: skill or skills ? Journal of Research in Reading 12, 2, 85⫺113. Sawyer, Wayne & Watson, Ken. 1988. Questions of genre. In: Reid, Ian, The place of genre in learning: current debates. Geelong.

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Stephen Parker, Norwich (England)

112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.

Verbreitung der arabischen Sprache und Schrift Zum arabischen Alphabet Diglossie und Bilingualismus Lese- und Schreibunterricht bis zum 19. Jahrhundert Lese- und Schreibunterricht seit dem 19. Jahrhundert Moderne Lehrbücher Alphabetisierungskampagnen Muttersprachlicher Unterricht für arabische Kinder außerhalb ihres Sprachraums Literatur

durch lateinische, kyrillische oder andere Schriften namentlich in der Türkei und in den islamischen Republiken der ehemaligen UdSSR sind Ausdruck eines Bedürfnisses, den Anschluß an die Wissenschaft und Technologie der Moderne mit ihren Terminologien zu finden, eines Bedürfnisses, mit dem der Wunsch, eine islamische kulturelle Identität zu bewahren, durchaus konkurrieren kann (Wheeler 1974).

2. 1.

Verbreitung der arabischen Sprache und Schrift

Arabisch ist heute die Muttersprache von über 150 Millionen Menschen. In 20 arabischen Staaten des Nahen Ostens und Nordafrikas ist es Staatssprache, in Staaten wie Iran, Afghanistan, der Türkei oder Israel die Sprache einer Minderheit, in einigen Staaten wird Arabisch auch als Zweitsprache verwendet. Als Sprache des Korans und der islamischen Liturgie und Kultur hat das Arabische andere Sprachen tiefgreifend beeinflußt, vor allem im Wortgut und am sichtbarsten in der Schrift: Persisch, Urdu, Paschto, Türkisch, Haussa, Suahili u. a. wurden bzw. werden bis heute mit arabischen Buchstaben geschrieben. Die Ablösung der arabischen Schrift

Zum arabischen Alphabet

Das Alphabet der arabischen Schrift, wie es in seinen wesentlichen Zügen schon seit dem Ende des 7. Jahrhunderts ausgeformt ist, besteht aus 28 Graphemen, die einer ebensogroßen Zahl konsonantischer Phoneme entsprechen. Diese Grapheme, im folgenden „Buchstaben“ genannt, werden auf einer (meist gedachten) Linie linksläufig miteinander verbunden geschrieben; nur sechs Buchstaben werden nicht nach links verbunden. Je nach ihrer Position in bezug auf die Schreibeinheit ⫺ am Anfang, in der Mitte, am Ende oder alleinstehend ⫺ erscheinen die übrigen 22 Buchstaben in vier mehr oder weniger verschiedenen Modifikationen. Die Druckschrift orientiert sich am Ideal der Schreibschrift: Je weniger die Fugen zwischen Einzelbuchstaben sichtbar sind, je größer das Inventar der

1300 für die Schreibschrift eigentümlichen Ligaturen ist, desto besser. Das Alphabet enthält zwei Dreiergruppen und sechs Paare von Buchstaben mit jeweils identischen Grundzügen, die nur durch verschiedene Punktierung („diakritische Zeichen“) differenziert werden. Drei Buchstaben repräsentieren neben Konsonanten auch Langvokale (a¯, ¯ı, u¯) und Diphthonge (ai und au). Die Kurzvokale a, i, u haben keine eigenen Buchstaben, sondern werden bei Bedarf nur durch Zusatzzeichen angegeben; ebenso ist die Angabe der Vokallosigkeit eines Konsonanten fakultativ (→ Art. 123). Der kursive Charakter der Schrift, etliche den Schreibfluß beschleunigende Ligaturen, nicht zuletzt die Tatsache, daß die Kurzvokale nicht eigens geschrieben werden, machen das manuelle Schreiben ökonomisch, ja bequem; sie machen auch eine eigene Kurzschrift fürs Arabische überflüssig. Im Sinne des Verhältnisses von Buchstabe und Laut ist die Orthographie des Arabischen, verglichen mit der des Deutschen, geschweige denn des Englischen, durchaus benutzerfreundlich. Auf der anderen Seite gibt es für Kinder (und Erwachsene), die die arabische Schrift lernen, einige Stolpersteine: Erstens die Buchstaben identischer Grundform, aber verschiedener Punktierung, die zu Verwechslungen einladen; zweitens die Frage der richtigen Buchstabenform je nach Position innerhalb ihrer Schreibeinheit; drittens verschiedene Ligaturen, von denen eine Reihe ein halbhohes Einsetzen über der Schreiblinie erfordern; viertens gewisse Differenzen zwischen formeller und informeller Schrift; fünftens und vor allem (im wesentlichen das Lesen betreffend) die Schwierigkeit, bei Abwesenheit zusätzlicher Vokal- und sonstiger Hilfszeichen, also in so gut wie allen Texten außer heiligen (Koran, fromme Traditionen) und formal komplizierten (Dichtung), die zutreffenden Kurzvokale eines Wortes zu ermitteln. Das Konsonantengerüst k-t-b etwa kann kataba „er schrieb“, kutiba „es wurde geschrieben“, kutub „Bücher“, katb „schreiben“ (Inf.) bedeuten, seltener auch Ableitungen mit verdoppeltem t: kattaba „er ließ (jmdn. etw.) schreiben“; erst der Kontext macht die richtige Vokalisierung (und gelegentlich die jeweilige Quantität eines Konsonanten) klar. Auch bei gebildeten native readers ist dann und wann zu beobachten, wie sie erst einige Stellen nach einem problematischen Wort dessen zutreffende Lesung erkennen und von Satzbeginn oder von der betreffenden Stelle an neu an-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

setzen. Der arabischschreibende Universalgelehrte al-Bı¯ru¯nı¯ (gest. 1048), der mit naturwissenschaftlichen Manuskripten z. T. fremder Terminologie arbeitete, beklagt sich über die genannten Defizite der arabischen Schrift und konstatiert: „Wenn man (die diakritischen Punkte und Vokalzeichen) wegläßt, wird der Sinn verdunkelt, und wenn dann noch das Vergleichen und Korrigieren nach der Vorlage vernachlässigt oder ganz unterlassen wird, und das ist bei unseren Zeitgenossen weit verbreitet, so läuft es auf eines heraus, ob das Buch noch vorhanden ist oder nicht und ob man noch weiß, was darin steht oder nicht.“ (al-Bı¯ru¯nı¯/Übers. Strohmaier 1991, 34 f).

3.

Diglossie und Bilingualismus

3.1. Schriftsprache und Dialekte: Diglossie Im arabischen Sprachraum werden regional verschiedene Dialekte und eine einheitliche Schriftsprache (Hochsprache, engl. Modern Standard Arabic) verwendet, die sich am Klassischen Arabisch orientiert, auf der Schule gelehrt wird und außer für die schriftliche Form nur zu formell-mündlichen Zwekken (Predigt, feierliche Ansprache, Vorlesung, Rundfunk- und Fernsehnachrichten) gebraucht wird. Die eigentliche Muttersprache besteht aus den Dialekten (Diem 1974, 1), die bis auf bestimmte populäre Genres Verschriftungsversuchen gegenüber bislang resistent sind (Wild 1982, 52 f; Grotzfeld 1982, 119⫺124). Neben den genannten strukturellen Problemen der Schrift bestand und besteht für den Adepten also auch die Schwierigkeit des Übergangs vom gesprochenen Dialekt zur Schriftsprache („Diglossie“, vgl. für unseren Zusammenhang Altoma 1970), deren über lange Zeit kanonische Texte (Koran, Dichtung, Kunstprosa) auch das inhaltliche Verständnis erschwerten. 3.2. Arabisch und Französisch/Englisch: Bilinguismus Ein weniger fundamentales Problem als das der Diglossie, aber nach wie vor ein virulentes, ist die Konkurrenz zwischen Arabisch und der Sprache der ehemaligen Kolonialherren in weiten Teilen der arabischen Welt ⫺ für Marokko, Algerien, Tunesien und den Libanon das Französische, für Ägypten und den Sudan das Englische. Beide Sprachen spielen im naturwissenschaftlichen Unterricht der Höheren Schulen und Universitäten

112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum

noch immer eine große Rolle; besonders das Französische ist im öffentlichen Leben der Maghreb-Staaten unübersehbar präsent. Das zeigt sich neben dem Oberstufenunterricht in allen Bereichen der Medien und der Literatur bis hin zu tiefgreifenden Interferenzen in der gesprochenen Sprache. Die Arabisierung des Unterrichts, eine erstrangige politische Forderung aller nach dem 2. Weltkrieg unabhängig gewordenen arabischen Staaten, steht allenthalben vor den Problemen der Rekrutierung ausreichend qualifizierter Lehrer, der Bereitstellung von Lehrmaterialien, die dem aktuellen Stand der Wissenschaften entsprechen und eine allgemeinverbindliche Terminologie benutzen, und allgemein der Ausbalancierung zwischen den Ansprüchen des Unterrichts in der Schriftsprache und denen der einzelnen (v. a. naturwissenschaftlichen) Fächer. Für Ägypten vergleiche man etwa Jomier (1955, 145); Szyliowicz (1973, 292 f); für den Libanon vor dem Bürgerkrieg Hanf (1969, 122 f, 262, mit einer Aufstellung über die Kombination der Unterrichtssprachen Arabisch, Französisch und Englisch nach Staatsschulen, Privatschulen und französischen Schulen); für die Maghreb-Staaten Altoma (1970, 695⫺699); für Marokko speziell Zartman (1965).

4.

Lese- und Schreibunterricht bis zum 19. Jahrhundert

4.1. Schrift und Gedächtnis im islamischen Mittelalter Da das islamische Mittelalter hinsichtlich der Institutionen des Unterrichts und der Einstellungen zum Lernen und zum Studium bis tief in die Moderne hineinwirkt, sind einige Worte über Lesen und Schreiben im Mittelalter angebracht. Man kann mit gleichem Nachdruck sagen, daß der mittelalterliche Islam eine Buchkultur und eine Gedächtniskultur war: Klassisch-arabische Autoren werden nicht müde, die Unabdinglichkeit der Schrift für die Bewahrung der religiösen und profanen Wissenschaften zu betonen und zu definieren, wie Permanenz und Ubiquität (Rosenthal 1971, 62) des schriftlichen Mediums dafür sorgen, daß Wirtschaft, Recht und Verwaltung des Gemeinwesens funktionieren. Eine Vielzahl von z. T. reichen, öffentlichen wie privaten, Bibliotheken legen für diese Einstellung Zeugnis ab; Beispiele für Bibliophilie, vor allem für den hohen Rang der Kalligraphie, einer Art „Fusion von Religion und

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Kunst“ (Rosenthal 1971, 59) sind zahlreich (→ Art. 39). Auf der anderen Seite artikulieren mittelalterlich-arabische Autoren grundsätzliches Mißtrauen gegenüber dem geschriebenen Wort, einmal wegen der beschriebenen Defizienzen der arabischen Schrift, zum andern aus der Anschauung, daß nur das mündlich Überlieferte und das Memorierte als eigentliches Wissen gelten darf. Das dem materiellen Verfall ausgelieferte Buch dient allenfalls als Gedächtnisstütze. (Zur mittelalterlichen Diskussion vgl. Rosenthal 1947, 6⫺18; allgemein und mit einigen Beobachtungen aus dem Marokko der dreißiger bis siebziger Jahre dieses Jahrhunderts diskutiert das Thema Eickelman 1978.) Einen Einblick in die Unterrichtspraxis des islamischen Mittelalters ⫺ zugleich eine bemerkenswerte philosophisch-soziologische Analyse der Schrift ⫺ bietet eine Passage der 1377 geschriebenen „Einführung in die Ge˚ aldu¯n, welche schichte“ des Historikers Ibn H in einer Aufzählung der für das Gemeinwesen konstitutiven Handwerke/Künste (Agrikultur, Architektur, Medizin usw.) über das Schreiben sagt: „Schreiben ist das Zeichnen und die Formung von Buchstaben, die hörbare Wörter bezeichnen, welche wiederum Gedanken bezeichnen. Es kommt nach dem mündlichen Ausdruck an zweiter Stelle. Es ist eine edle Kunst, weil es zu den den Menschen auszeichnenden Eigenschaften gehört, durch das er sich von den Tieren unterscheidet. Weiterhin offenbart es, was im Innern des Menschen vorgeht. Es ermöglicht ferner, daß die Absichten (eines Menschen) in ein entferntes Land getragen werden und so dessen Anliegen ausgeführt werden, ohne daß er sich persönlich ihrer annimmt. Das Schreiben ermöglicht auch, sich mit den Wissenschaften, Kenntnissen, den Büchern der Alten, deren Wissenschaften und Nachrichten bekannt zu machen. […] Die Umwandlung des Schreibens aus der Potentialität in die Aktualität findet beim Menschen durch Unterricht statt. Die Qualität des Schreibens in einer Stadt entspricht deren sozialer Organisation, Zivilisation und dem (Grad der) Konkurrenz um Genußgüter (unter ihren Bewohnern). […] Deshalb sind die meisten Beduinen illiterat. Diejenigen von ihnen, welche lesen oder schreiben können, haben eine mangelhafte Handschrift und lesen stockend. (Andererseits) zeigt sich der Schreibunterricht in Städten mit besonders entwickelter Zivilisation besser als anderswo, leichter, methodisch besser, weil die Färbung (i. e. Durchdringung,

1302 der Schreibkunst) dort fester etabliert ist. So hören wir über das zeitgenössische Kairo, daß dort Lehrer wirken, die Spezialisten für Schreib/Kalligraphie-Unterricht sind. Sie lehren die Schüler durch Regeln und Gesetze, wie jeder Buchstabe zu schreiben ist. Weiterhin lassen sie ihn (andere) lehren, wie jeder Buchstabe zu schreiben ist. Dies stärkt seinen (Respekt für den) Rang des Wissens und für seine Sensibilität im Unterricht. […] Anders wird das Schreiben in Spanien und im Maghreb gelernt. Die Buchstaben werden nicht einzeln gelernt entsprechend den Regeln, die der Lehrer den Schülern angibt, sondern das Schreiben wird durch die Nachahmung ganzer Wörter gelernt. Der Schüler wiederholt (diese Wörter), und der Lehrer prüft ihn, bis er gut (zu schreiben) weiß und die Gewohnheit (des Schreibens) in seinen Fingerspitzen sitzt.“ (Ibn H ˚ aldu¯n/Übers. Rosenthal 1967, II 377 f) 4.2. Koranschule Während Kenntnis und Gebrauch der arabischen Schrift seit der Frühzeit des Islams, also seit dem 7. Jahrhundert, belegt sind, v. a. für die schriftliche Fixierung des Korans und anderer religiöser Texte, dann auch für administrative und wissenschaftliche Zwecke, war der Schreib- und Leseunterricht nur schwach institutionalisiert. Im mittelalterlich-höfischen Milieu, etwa der Reichsmetropole Bagdad oder der zahlreichen Provinzhauptstädte, nahmen die schriftlichen Kompetenzen, bis hin zur Kalligraphie und zu den Regeln des diplomatischen Protokolls, eine zentrale Stellung ein. Ansonsten waren ⫺ abgesehen vom Privatunterricht in wohlhabenden Familien ⫺ die größtenteils recht bescheidenen Primar- oder Koranschulen (arab. kutta¯b, vgl. dazu Landau 1986) Stätten öffentlicher Instruktion, meist in den Städten, sehr oft an eine Moschee angeschlossen, deren Personal z. T. auch als Lehrer fungierte. Lehrfächer der Koranschulen waren islamische Traditionen, insbesondere Koranlektüre mit dem Ziel, möglichst große Stücke des heiligen Buches auswendig zu lernen, Lesen, Schreiben, etwas Poesie und ein bißchen Rechnen. Jungen bildeten die große Majorität der Schüler; Mädchen, wenn überhaupt, lernten in separaten Räumen. Schulpflicht bestand nicht; das Eintrittsalter war vier Jahre oder mehr; die durchschnittliche Schulzeit betrug zwischen zwei und fünf Jahren. Soweit Bücher nicht zur Verfügung standen, pflegte der Lehrer die Texte (wiederum v. a. aus dem Koran)

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

zu diktieren, welche die Schüler mit Feder oder Schreibrohr auf Holztafeln schrieben. Zur Kontrolle lasen die Schüler dann das Geschriebene dem Lehrer vor, der Fehler korrigierte und Einzelheiten kommentierte, z. T. unter orthographischen, grammatischen und stilistischen Gesichtspunkten. Der Akzent des Unterrichts lag (und liegt bis in heutige Zeiten) auf dem Auswendiglernen (vgl. Landau 1986, 568; für die spätere Osmanenzeit Gibb & Bowen 141 f); das übergeordnete Ziel, zumal in den großen Außenprovinzen, bestand in einer Art islamischer Sozialisation. 4.3. Madrasa Die mittelalterlich-islamische Stätte des höheren Unterrichts, die Schulmoschee, arab. madrasa, ist die zweite Institution, in welcher das mündliche wie das schriftliche Medium der wissenschaftlichen Überlieferung charakteristisch ausgeformt wurde und in manchen Einzelheiten bis in den heutigen Lehrbetrieb wirkt. Der Fächerkanon der madrasa bestand aus den Fächern der islamischen Theologie und Jurisprudenz sowie deren Hilfsdisziplinen Grammatik, Lexikographie und Rhetorik. Die Organisation entsprach weitgehend der mittelalterlich-europäischer Colleges, d. h. Unterrichtsräume, Internat, Bibliothek, Küche und Bäder bildeten eine architektonische Einheit; wesentlich war ferner die Zentrierung der Studenten für bestimmte Kurse auf einen Lehrer, andererseits eine hohe Mobilität der Lernbeflissenen quer durch die islamische Welt „auf der Suche nach Wissen“. Lehrbücher dienten als Gedächtnisstütze, wesentlich waren der mündliche Vortrag und das Memorieren durch die Studenten, deren Befugnis zur Lehrüberlieferung sich ausdrücklich auf das orale Medium bezog. Eine Sonderform des „amplifizierten“ mündlichen Kollegs bestand in der Person des mustamlı¯ (s. dazu Weisweiler 1951), dem der Dozent seine Werke und sein Traditionsgut diktierte und der seinerseits mit starker Stimme die Ausführungen des Meisters für größere Hörerkreise weitertrug. Bei alledem blühte die schriftliche Überlieferung, sei es als Abschrift, als „kritische Edition“ aufgrund mehrerer Manuskripte, als Kommentar oder Kompendium, sei es als Zubereitung eines Lehrstoffs in Form eines Frage- und Antwort-Katechismus oder eines Lehrgedichts ⫺ letztere Formen auch wieder zum Memorieren gedacht.

112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum

4.4. Verwaltung Weniger prägend für die späteren Jahrhunderte, aber doch nennenswert als ein Ensemble schriftlicher Muster, das bestimmte Teile des fortgeschrittenen Schreibunterrichts (Briefstellerei, Stilkunde) bis in die Moderne bestimmt hat, war der insˇa¯Å (s. dazu Roemer 1971). Damit wird die v. a. arabische, persische und türkische Literatur der nach Regeln der offiziellen Hofkorrespondenz abgefaßten Briefe und Dokumente bezeichnet, im weiteren Sinn auch Mustersammlungen für den Hofkanzleibeamten (arab. ka¯tib, wörtl. „Schreiber“, „Sekretär“), mit deren Hilfe die korrekten Formeln und Stilebenen, bis hin zur äußeren Gestaltung, eines bestimmten offiziellen Schreibens zu ermitteln waren.

5.

Lese- und Schreibunterricht seit dem 19. Jahrhundert

Während die für das islamische Mittelalter skizzierten Institutionen und Mentalitäten eine teilweise bis in die Gegenwart prägende Einheitlichkeit des (Sprach-)Unterrichts bedeuten, treten mit der Provinzialisierung der arabischen Länder durch das Osmanische Reich seit dem 16. Jahrhundert und besonders dessen Zerfall unter dem Ansturm der europäischen Mächte seit dem 19. Jahrhundert divergente Entwicklungen auf: einerseits eine teilweise mit Reformbestrebungen osmanischer Bildungspolitiker konforme, teilweise anti-osmanische säkularistische Orientierung an europäischen Unterrichtssystemen (v. a. französischen Lehrbüchern und -plänen) und andererseits eine rein anti-osmanische Rückbesinnung auf die arabische Sprache, Literatur und Kultur. Im Spannungsfeld beider Orientierungen haben sich die Formen des Arabisch-Unterrichts im vergangenen Jahrhundert entwickelt. Als Ideal hat sich, gerade nach dem Ende des 2. Weltkriegs, eine Synthese der Prinzipien eines analytischen und funktionalen Sprachunterrichts einerseits und der Traditionen der arabisch-islamischen Kultur andererseits herausgebildet. Rein formal läßt sich die Spannung zwischen „traditionell“ und „modern“ auch am arabischen Alphabet zeigen, und zwar an den oben (1.) angesprochenen Latinisierungsmaßnahmen nicht-arabischer Sprachgemeinschaften (namentlich im Türkei-Türkischen), aber auch an innerarabischen Reformvorschlägen, die, besonders in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, wenn nicht auf die Ersetzung durch la-

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teinische Buchstaben, so doch auf eine Reduktion der Buchstaben-Varianten und eine verbindliche Regelung der Vokalisierungsprobleme hinauslaufen (vgl. Al-Toma 1961). Letztlich sind diese Reformvorschläge nirgends in die Tat umgesetzt worden, zum einen, weil die arabischen Buchstaben in ihrer traditionellen Schreibung „privileged symbols of a true politico-religious unity“ (Sourdel-Thomine 1978, 1114) darstellen, zum anderen, weil die neueren Entwicklungen in der computergestützten Drucktechnik ⫺ abgesehen von Stilisierungen im Dienste der Reklame u. a. m. ⫺ auch eine Annäherung an die Ideale der handgeschriebenen Kalligraphie ermöglichen. Während die reaktionären Maßnahmen der Hohen Pforte, Türkisch als Unterrichtssprache für alle Fächer aller arabischen Schulen im osmanischen Herrschaftsbereich zu etablieren, mit dem Ende des 1. Weltkriegs gescheitert waren, sind die Gründungen europäisch-christlicher Missionsschulen und Universitäten wie auch die z. T. massive Präsenz der Sprache und Kultur der jeweiligen Kolonialherren auch für den (Sprach-)Unterricht mitbestimmend geblieben ⫺ s. auch oben unter „Bilinguismus“ (3.2.). In der Periode zwischen den beiden Weltkriegen wurden die Schulen und Universitäten Iraks, Palästinas und Jordaniens englisch geprägt, die Syriens, des Libanon und der Maghreb-Staaten französisch, die Ägyptens englisch neben französisch, diejenigen Libyens italienisch. Wenn auch Ressentiments gegen solche Einflüsse sich immer wieder heftig manifestierten, sind doch eine Reihe von organisatorischen Maßnahmen der Kolonialherren als grundlegend zu bezeichnen: die Einführung unentgeltlichen und, mindestens auf dem Papier, obligatorischen Elementarunterrichts, die Errichtung von Grundschulen für Mädchen, die Schaffung von Lehrerbildungsanstalten, der Bau zeitgemäßer Schulbauten. Nach dem Ende des 2. Weltkriegs, mit der Erlangung der Unabhängigkeit der arabischen Länder, wurde mit wenigen Ausnahmen das Recht auf Unterricht für jedes Kind zwischen dem sechsten und zwölften Lebensjahr konsolidiert. Die Koranschulen (kutta¯b) wurden reduziert, die (bis heute vorhandenen) unterstehen überall staatlicher Aufsicht; ihren relativen Wert für den ersten Lese- und Schreibunterricht akzentuieren im übrigen Eickelman 1978 und Wagner & Lotfi 1983. Allgemein verbreitet ist ferner die Dreiteilung der Schulzeit in Primar- (meistens Klasse

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

1⫺6), Mittel-/„Vorbereitungs“- (7⫺9) und Sekundarstufe (10⫺12). In Marokko, dessen Primarstufe wegen der in (8.) skizzierten Probleme v. a. der Berberophonie mit integrativen Aufgaben belastet ist, gliedert sich die Primarstufe z. B. in die Entwicklung der mündlichen Kommunikation durch Dialoge, Erzählungen, Beschreibungen aufgrund leichter schriftlicher Texte über Themen aus den Erfahrungsfeldern der Kinder wie Familie, Schule, Freunde, Stadtviertel, Natur, Feste (Klasse 1 und 2), den Ausbau des schriftlichen Ausdrucks und die explizite Einführung grammatischer Regeln (Klasse 3 und 4) und die Vorbereitung auf selbständige schriftliche Arbeiten der Mittelstufe (ab dem 7. Schuljahr) durch längere Diktate und Referate (Klasse 5 und 6). Im Libanon, der hinsichtlich seiner frankophonen Traditionen Marokko und dessen Nachbarn vergleichbar ist, gliedern die Staatsschulen den Sprachunterricht der Primarstufe in das Lesen elementarer Wörter und einfacher Sätze sowie Memorierung einfacher Gedichte und Schönschrift (1. Klasse), Diktate und kurze Aufsätze (ab 2. Klasse), Briefkomposition, Nacherzählung einfacher Geschichten und (schrift!)arabische Konversation über Themen des kindlichen Alltags (ab 3. Klasse), Verbindung von Konversation mit anspruchsvolleren Aufsatzthemen (4. und 5. Klasse); vgl. zum größeren Kontext Hanf (1969, 111). Ägypten, dessen Sprachstandard aus Gründen der Tradition und wegen der Konzentrierung der Medien aller Art in der ganzen arabischen Welt eine hohe Akzeptanz hat, legt im Sprachunterricht der Primarstufe größeres Gewicht auf die Kompetenzen der Schönschrift, des Abschreibens, des Diktats und des Memorierens; in der Mittelstufe werden freiere Übungsformen eingeführt. In konservativeren Staaten wie Saudi-Arabien sind als Textgrundlage für den Unterricht in der Primarstufe nach wie vor der Koran und fromme Traditionen vorrangig.

6.

Moderne Lehrbücher

Aufschlußreicher als Unterrichtsprogramme und Curricula sind sicherlich die Lehrbücher selbst. Hier sind in den letzten 20 Jahren die äußere Aufmachung, die Art der Darstellung, die Übungsformen, die Stadien der Progression usw. zu einem relativ einheitlichen Stil konvergiert, der mit etwas älteren europäi-

schen Lehrwerken vergleichbar ist. Die Schrift wird in handgeschriebener Form vorgestellt, Buchstabe für Buchstabe ⫺ in seinen zumeist vier verschiedenen Varianten ⫺ nach dem Alphabet oder auch nach anderen Gesichtspunkten (v. a. dem der Separierung einander ähnlicher Buchstaben), illustriert durch oft farbig abgebildete Gegenstände, die den jeweils angesagten Buchstaben enthalten, meistens in Anfangsposition. (Abb. 112.1.). Der Duktus wird entweder verbal beschrieben oder durch kleine Pfeile gekennzeichnet (Abb. 112.2.). Die ersten Schreibübungen bestehen darin, daß gepunktete Linien nachgefahren, umrandete Formen farbig ausgemalt oder vorgeschriebene Buchstaben in Reihen oder Kolumnen nachgeschrieben werden. Manche Kalligraphie-Übungen, die die ersten vier Schulklassen begleiten, enthalten, dem Alphabet nach, den jeweiligen Buchstaben (mit An- und Abstrich) und darauf eine (erbauliche, patriotische oder fromme, jedenfalls den thematisierten Buchstaben besonders häufig enthaltende) Sentenz, deren Schriftzug zuerst nach schattierter Vorlage, dann frei nachzuschreiben ist. ⫺ Lesebücher ab dem 2. Schuljahr enthalten kleine Texte über Themen aus dem Alltag des Schülers, voll vokalisiert und nach wie vor in klarer, etwas vergrößerter Handschrift, die illustriert sind und jeweils durch Erläuterungen, Verständnisfragen und Übungen erschlossen werden (Einsetzen einzelner Wörter, Ersetzung einzelner Satzteile, Negierung, Umformung von Aussage- zu Fragesatz usw.: Tunesien, 80er Jahre) oder elaboriertere Antworten auf Inhaltsfragen erwarten oder zum Sammeln von Bildern und Realien zum Text auffordern (Marokko, 3. Schuljahr, 1991) oder kleinere Aufsätze anhand von Stichworten bzw. Illustrationen aufgeben (Ägypten, 4. Schuljahr, 1987). Lesefibeln der Klassen 1 und 2, die z. Zt. in Jordanien und Syrien benutzt werden, enthalten primär kleine illustrierte Lesestücke, an die sich nicht nur Verständnisfragen und isolierte Leseübungen zur Bewußtmachung ähnlicher, jedoch zu unterscheidender Buchstaben und Laute (farblich abgesetzt) anschließen, sondern auch Schreibübungen wie Kopie und Diktat und solche Einsetz- und Transformationsübungen (mündlich wie schriftlich), die den Zusammenhang von graphischem Zeichen (v. a. Vokalisierung) und grammatischer Regel (etwa in der Nominal- und Verbalflexion) verdeutlichen sollen. Eine ähnlich frühzeitige Integration von Schriftlehre und Morphologie bzw.

112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum

1305

Abb. 112.1: Aus: Muhø ammad at-Tu¯mı¯, H ø uru¯f wa-talwı¯n. o. O. (Tunis) o. J. (ca. 1990) rechts oben: qa¯ru¯ratun (Flasche) mit rot markiertem q, daneben: q in isolierter Form (rot), darunter: q in Anfangs-, isolierter, Endform, verschiedenfarbig, 2: mal aus! 3: schreib! 4: Mal das Bild aus und setze den fehlenden Buchstaben im Wort ein: 5: (q)alamun (Stift) ⫺ (q)uffatun (Korb) ⫺ (q)itøtøun (Katze) gegenüber: mal aus! unten: qa ⫺ qu ⫺ qi (mit Vokalzeichen). Was will die Katze?

Syntax läßt sich auch in den Lese- und Schreibfibeln der Maghreb-Staaten, insbesondere in Marokko, seit den 80er Jahren beobachten. Schulbücher, die sich auf die Leseund Schreibkompetenzen der Mittelstufe (meistens Klasse 7 bis 9) beziehen, konzentrieren sich auf jetzt längere, für den Unterricht abgefaßte Texte, die zu gliedern, zu resümieren und anhand weiterführender Fragen zu kommentieren sind (Ägypten 1984). Gedichte, außer zur Auflockerung in Elementarbüchern, sind selten. Authentische literarische Texte, oft bearbeitet oder wenigstens durch Fußnoten erläutert, finden sich erst in den Büchern für die Oberstufe, also ab Klasse 10 (Ägypten 1984, Syrien um 1990, für den Libanon vgl. z. B. Hanf 1969, 111). Die vollständige Vokalisierung der Lesestücke etc.

wird, wohl zur Stabilisierung des schriftsprachlichen Standards gegenüber dem gesprochenen Dialekt, relativ lange aufrecht erhalten; unvokalisierte Texte erscheinen in Lehrbüchern der Mittelstufe und werden erst in solchen der Oberstufe zur Regel. ⫺ Für die meisten arabischen Länder läßt sich gegenwärtig, insbesondere im Anfangsunterricht, eine einheitliche Wendung zu Lehrmethoden feststellen, die mit denen des Westens durchaus vergleichbar sind: Die Themen sind altersgemäß und einigermaßen wirklichkeitsnah, sie wenden sich an Jungen wie Mädchen, sie sind illustriert; der grammatische Stoff wird durch Illustration, Dialogisierung, graphische oder farbliche Hervorhebung, zweckdienliches Layout usw. zugänglich gestaltet; die Übungen sind textorientiert und

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Abb. 112.2: Aus: Erziehungsministerium des Königreichs Jordanien, Schreibheft für Kalligraphie im Ruq¤ aStil, für das 2. Schuljahr. Kalligraph: Mahø mu¯d Tø a¯ha¯. Amman, 6. Aufl. 1411/1991. Zeile 1: unpunktiertes f oder q in Anfangsposition, q in Endposition, unpunktiertes f oder q nach rechts und links verbunden, unpunktiertes f in Endposition, jeweils mit Hinweispfeilen für den Duktus. Zeile 2: qaulu l-hø aqqi min søifa¯ti r-ragˇuli sˇ-sˇarı¯f (Das Sprechen der Wahrheit gehört zu den Eigenschaften des edlen Mannes.)

recht divers und berücksichtigen Gesichtspunkte einer angemessenen Progression. ⫺ Außerschulische Programme zur Förderung der kindlichen Lesefähigkeit sind selten. Nennenswert ist das arabische Pendant zu „Sesame Street“ (Iftahø ya¯ Simsim, „Sesam öffne dich“), das seit 1979 gesendet wird und Sequenzen enthält, die die Buchstaben in ihren verschiedenen Formen und Kontexten vorschreiben, quasi beleben und mit suggestiven Bildern und Geräuschen verbinden.

7.

Alphabetisierungskampagnen

Der Lese- und Schreibunterricht für Personen, die älter als 15 Jahre sind, war und ist eine der wichtigsten Aufgaben der öffentli-

chen Erziehung in den arabischen Staaten. Noch immer sind die Analphabetismus-Quoten in Ländern mit einem hohen Anteil ländlicher oder beduinischer Bevölkerung entsprechend hoch (→ Art. 62; nach dem Statistischen Jahrbuch der Unesco 1985 etwa für den Nordjemen 86,3% und Somalia 88,4% gegenüber Syrien 40% und dem Libanon 23%); Frauen sind gegenüber Männern traditionell und weiterhin benachteiligt (nach dem Länderbericht Syrien 1988 des Statistischen Bundesamtes sind 24,1% der Männer, aber 56,7% der Frauen illiterat; vgl. für das mittelalterliche Kairo Berkey 1992, 166⫺169; für die Neuzeit Szyliowicz 1973, 28⫺30, 304; für Syrien ¤I¯sa¯ 1979, 241⫺290). Zur Bekämpfung des Analphabetismus haben die Literacy Di-

112. Lese- und Schreibunterricht im arabischen Sprachraum

vision der Unesco und das Regional Rural Functional Literacy Center der arabischen Staaten (ASFEC) seit 1952 in Sirs-el-Layyan (Ägypten) Programme entwickelt, die sich seit 1968 insbesondere auf Forschung und Lehrerbildung, Erstellung und Verteilung von Lehrmaterialien und Etablierung von dezentralen Beratungszentren konzentrieren und reguläre Kurse in „functional literacy“ (sechs Monate) sowie Spezialkurse vorsehen (Szyliowicz 1973, 34). Für Interessenten, die über keine geeigneten Schulen verfügen oder, vor allem, zu verstreut wohnen, um kontinuierlich am Unterricht teilzunehmen, hat man Korrespondenzkurse und programmierte Unterrichtsmaterialien zum Selbststudium entwickelt, die eine individuelle Progression erlauben (vgl. dazu Müller, ed., 1975, 151⫺ 168, wo auch Formen der Gruppenarbeit vorgestellt werden, die primäres Lesen wie auch Lektüre im Sinne von „ability of contacting books and other publications with the purpose of securing information, experience, or enjoyment“ beinhalten).

8.

Muttersprachlicher Unterricht für arabische Kinder außerhalb ihres Sprachraums

Abschließend soll die Rede von Unterrichtsformen sein, die entweder als Konzept oder schon in der Praxis v. a. für arabische Kinder im Ausland existieren und trotz andersartiger sprachlicher und sozialer Voraussetzungen als Anregung für den Unterricht im arabischen Sprachraum wirksam werden können. (Außer Betracht bleiben spezifische Anregungen für den Unterricht des Arabischen als Fremdsprache, wie z. B. Attieh 1989 und alBatal 1989, die durchaus für den muttersprachlichen Unterricht zu adaptieren wären, aber bislang nirgends wirklich rezipiert werden.) Als exemplarisch für muttersprachlichen Unterricht arabischer Kinder im Ausland kann der Modellversuch der Länder Hessen und Nordrhein-Westfalen gelten, über den Landesinstitut Soest (1990) und Hessisches Kultusministerium (1991) orientieren und der sich an Kinder der Klassen 1⫺6 von marokkanischen und tunesischen Gastarbeitern in der Bundesrepublik richtet. (Erste Erfahrungen im muttersprachlichen Unterricht für marokkanische Kinder im Ausland haben holländische Schulen seit den 70er Jahren gesammelt.) Allein in Nordrhein-Westfalen besuchten 1989 über 10 000 marokkanische und

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über 1000 tunesische Schülerinnen und Schüler Klassen der Primarstufe und der Sekundarstufe I. Für sie gelten die gleichen pädagogischen Prinzipien wie für andere Kinder ausländischer Arbeitnehmer, die längerfristig in der Bundesrepublik leben: Integration, d. h. Teilnahme am Regelunterricht, zusätzliche Förderung schulischer Leistung, wo angebracht, und muttersprachliche Bildungsangebote, die die Option auf eine spätere Rückkehr und (Re-)Integration in die Gesellschaft des Herkunftslandes offenhalten. Das letztgenannte Prinzip berücksichtigt im Dialog mit, in diesem Falle, marokkanischen Vertretern die methodischen und didaktischen Grundlagen des Arabischunterrichts an marokkanischen Schulen. Diese sind, wie im Nachbarstaat Algerien (kaum in Tunesien), zusätzlich zu der im Maghreb noch starken Präsenz der Frankophonie (und zu der im ganzen arabischen Sprachraum geltenden Diglossie Schriftsprache : Regional- bzw. Lokaldialekt) von dem Problem der Berberophonie geprägt: Trotz eines seit der Frühzeit des Islams andauernden und in der Zeit der Nationalstaaten forcierten Arabisierungsprozesses gibt es in Marokko, Algerien und in der Sahara große und starke berberische Enklaven; in Marokko bilden die verschiedenen berberischen Dialekte die Muttersprache von mindestens 40% der Bevölkerung. Die Modellversuche der Länder Hessen und NordrheinWestfalen nehmen nun das Prinzip der sprachlichen Progression auf; bei der Verfolgung des Ziels, Schriftarabisch zu vermitteln, werden die verschiedenen sprachlichen Hintergründe der Schüler(innen) ⫺ Deutsch, Berberisch, arabischer Dialekt ⫺ theoretisch berücksichtigt, ohne aber als Unterrichtssprache ins Spiel zu kommen. Lernziele der Klassen 1⫺4 sind die Fähigkeiten, kurze Texte sinnentnehmend zu lesen, kleine Texte zu schreiben, vorgegebene Texte zu verändern, Mustersätze selbständig fortzuführen, Stichworte zu nutzen und einzelne Sätze frei zu formulieren. Das Unterrichtsmaterial der Klassen 5 und 6 besteht aus einer sog. Lernkartei, die es ermöglicht, hinsichtlich des Schwierigkeitsgrades, der Interessengebiete und des Arbeitstempos für verschiedene Schülergruppen differenziert zu arbeiten. Innerhalb der Erfahrungsfelder Familie, Alltag, Freizeit, Schule und Feiertage finden sich „Pflichtkarten“, „Lesekarten“ und „Anregungskarten“, die es ermöglichen, ein Thema sowohl im Plenum zu behandeln als auch individuell, in Partner- oder in Gruppenarbeit

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

zu verfolgen und auszubauen und abschließend wiederum im Plenum zusammenzufassen. Im Kontrast zu herkömmlichen Unterrichtsmethoden stehen die Aufhebung der Lehrerzentriertheit, die weitgehende Selbstorganisation des Lernens, die Ersetzung des Primats des Auswendiglernens durch den der eigenständigen Textproduktion und der Abschied vom Prinzip der vorgegebenen Progression. Wenn auch große Teile dieser Konzeption im Unterricht des arabischen Sprachraums inakzeptabel bleiben dürften, könnten doch Elemente daraus, welche vergleichbar komplexe sprachliche und soziale Unterrichtssituationen berücksichtigen (und natürlich eine zusätzliche Ausbildung der am Unterricht Beteiligten voraussetzen) ⫺ so die marokkanischen und tunesischen Gesprächspartner ⫺ Schule machen.

9.

Literatur

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1309

113. The teaching of reading and writing in East Asia Rosenthal, Fr(anz). 1947. The technique and approach of Muslim scholarship. Roma. (Analecta Orientalia 24.).

Wagner, Daniel A. and Lotfi, Abdelhamid. 1983. Learning to read by „rote“. In: International Journal of the Sociology of Language 42, 111⫺121.

cond language always put the child at a disadvantage? Some counterevidence from Morocco. Applied Psycholinguistics 10, 31⫺48. Weisweiler, Max. 1951. Das Amt des Mustamlı¯ in der arabischen Wissenschaft. In: Oriens 4, 27⫺57. Wheeler, Geoffrey. 1974. Modernization in the Muslim East. The role of script and language reform. In: Asian Affairs (Journal of the Royal Central Asian Society) 61 (⫽ N. S. 5), 157⫺164. Wild, Stefan. 1982. Die arabische Schriftsprache der Gegenwart. In: Fischer, Wolfdietrich (ed.). Grundriß der arabischen Philologie. Bd. 1. Wiesbaden, 51⫺57. Zartman, I. William. 1965. Problems of arabization in Moroccan education. In: Rivlin, Benjamin (and) Szyliowicz, Joseph S. (ed.). The contemporary Middle East. Tradition and innovation. New York, 328⫺338.

Wagner, Daniel A., Spratt, Jennifer E., & Ezzaki, Abdelkader. 1983. Does learning to read in a se-

H. H. Biesterfeldt, Bochum (Deutschland)

Rosenthal, F(ranz). 1971. Significant uses of Arabic writing. In: Rosenthal, F. Four essays on art and literature in Islam. Leiden, 50⫺62. Sourdel-Thomine, J(anine). 1978. „Khatøtø“ (Writing). In: The Encyclopaedia of Islam. New edition. Leiden. Vol. IV, 1113⫺1122. Szyliowicz, Joseph S. 1973. Education and modernization in the Middle East. Ithaca, London. Tibawi, A. L. 1972. Islamic education. Its traditions and modernization into the Arab national systems. London.

113. The teaching of reading and writing in East Asia 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Preliminaries Teaching reading and writing in China Teaching reading and writing in Japan Teaching reading and writing in Korea Conclusions References

1.

Preliminaries

The nations of East Asia include the People’s Republic of China (“China” henceforth), Taiwan, Hong Kong, Japan, and South and North Korea. The peoples of these nations share a Confucian outlook on life, and owe their cultural heritage to China. The smaller nations now surpass China in economic success and literacy. Japan in particular has become a highly literate economic superpower of the world. This chapter discusses the teaching of reading and writing in East Asia, concentrating on China, Japan, and S. Korea. These nations have much in common, notably the use of Chinese characters for all or some writing. 1.1. Writing systems of East Asia: Overview Chinese characters originated in China about 4000 years ago. They began to be borrowed by Koreans about 1600 years ago and by Jap-

anese about 1400 years ago. The Chinese characters used in the three nations are similar in some aspects and dissimilar in others (→ art. 26, 27 for aspects of the development of Chinese characters). Characters are logographs, each representing primarily the meaning of a morpheme and secondarily its sound. The same character used in different nations represents the same morpheme but is given different sounds. For example, the character ⫹ (shaped like a “plus” sign) represents the morpheme ten wherever it is used but is pronounced as /shi/ (with a rising tone) in Mandarin Chinese, /sip/ in Korean, and /too/, /to/, /so/, /juu/, /jitt-/, or /jutt-/ in Japanese, much as the Arabic number 10 is called ten in English, zehn in German, and dix in French. In each country a subset of the available characters has been designated for common use and school instruction. This set contains 3,500 characters in China, 1,945 in Japan, and 1,800 in S. Korea. Over 2,000 of the common characters have been drastically simplified in China, and a few hundred have been moderately simplified in Japan. The characters used in Taiwan, Hong Kong, and S. Korea are in their original shapes, though simplified versions are sometimes used in handwriting and calligraphy.

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113. The teaching of reading and writing in East Asia Rosenthal, Fr(anz). 1947. The technique and approach of Muslim scholarship. Roma. (Analecta Orientalia 24.).

Wagner, Daniel A. and Lotfi, Abdelhamid. 1983. Learning to read by „rote“. In: International Journal of the Sociology of Language 42, 111⫺121.

cond language always put the child at a disadvantage? Some counterevidence from Morocco. Applied Psycholinguistics 10, 31⫺48. Weisweiler, Max. 1951. Das Amt des Mustamlı¯ in der arabischen Wissenschaft. In: Oriens 4, 27⫺57. Wheeler, Geoffrey. 1974. Modernization in the Muslim East. The role of script and language reform. In: Asian Affairs (Journal of the Royal Central Asian Society) 61 (⫽ N. S. 5), 157⫺164. Wild, Stefan. 1982. Die arabische Schriftsprache der Gegenwart. In: Fischer, Wolfdietrich (ed.). Grundriß der arabischen Philologie. Bd. 1. Wiesbaden, 51⫺57. Zartman, I. William. 1965. Problems of arabization in Moroccan education. In: Rivlin, Benjamin (and) Szyliowicz, Joseph S. (ed.). The contemporary Middle East. Tradition and innovation. New York, 328⫺338.

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113. The teaching of reading and writing in East Asia 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Preliminaries Teaching reading and writing in China Teaching reading and writing in Japan Teaching reading and writing in Korea Conclusions References

1.

Preliminaries

The nations of East Asia include the People’s Republic of China (“China” henceforth), Taiwan, Hong Kong, Japan, and South and North Korea. The peoples of these nations share a Confucian outlook on life, and owe their cultural heritage to China. The smaller nations now surpass China in economic success and literacy. Japan in particular has become a highly literate economic superpower of the world. This chapter discusses the teaching of reading and writing in East Asia, concentrating on China, Japan, and S. Korea. These nations have much in common, notably the use of Chinese characters for all or some writing. 1.1. Writing systems of East Asia: Overview Chinese characters originated in China about 4000 years ago. They began to be borrowed by Koreans about 1600 years ago and by Jap-

anese about 1400 years ago. The Chinese characters used in the three nations are similar in some aspects and dissimilar in others (→ art. 26, 27 for aspects of the development of Chinese characters). Characters are logographs, each representing primarily the meaning of a morpheme and secondarily its sound. The same character used in different nations represents the same morpheme but is given different sounds. For example, the character ⫹ (shaped like a “plus” sign) represents the morpheme ten wherever it is used but is pronounced as /shi/ (with a rising tone) in Mandarin Chinese, /sip/ in Korean, and /too/, /to/, /so/, /juu/, /jitt-/, or /jutt-/ in Japanese, much as the Arabic number 10 is called ten in English, zehn in German, and dix in French. In each country a subset of the available characters has been designated for common use and school instruction. This set contains 3,500 characters in China, 1,945 in Japan, and 1,800 in S. Korea. Over 2,000 of the common characters have been drastically simplified in China, and a few hundred have been moderately simplified in Japan. The characters used in Taiwan, Hong Kong, and S. Korea are in their original shapes, though simplified versions are sometimes used in handwriting and calligraphy.

1310

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

In addition to Chinese characters, Chinese, Japanese, and Koreans use phonetic scripts: a Roman alphabet called Pinyin in China, a sort of syllabary called Zhuynfuhao in Taiwan, a syllabary called Kana in Japan, and an alphabetic syllabary called Hangu˘l in both Koreas. This chapter describes how Chinese characters and phonetic scripts are taught in China, Japan, and S. Korea, occasionally at home but mostly at school. It first describes briefly the writing system to be taught. It then examines textbooks used, achievements in reading and writing, and mass literacy.

Some characters are pictographs (derived from a pictorial representation, as the character for ‘sun’ originally depicted the circular sun) or simple ideographs (e. g., one short bar over a long bar for ‘above’). Such simple characters tend to be taught early, the teacher pointing out their pictorial and ideographic origins. Such characters tend to be learned wholistically: the character as an unanalyzed whole pattern is associated with its meaning (morpheme) and sound. Most characters contain two or more simple components. A semantic-phonetic compound consists of a semantic component that indicates the semantic category (e. g., woman) to which a morpheme (nurse or mother) belongs, together with a phonetic component that indicates, if unreliably, the sound of the syllable. A compound ideograph consists of two or more simple ideographs or pictographs (sun ⫹ moon ⫽ bright). Both seman-

1.2. Teaching Chinese characters: Overview Chinese characters are grouped into six classes, depending on how they were created and on their structure. The structure influences how characters are taught. Table 113.1 lists the six classes.

Table 113.1: Six Categories of Chinese Characters (source: Taylor 1981, 12. With permission of Academic Press) Category

Pictograph

Example

sun moon

Simple

above

Ideograph

below

Compound

bright (sun, moon)

Ideograph

good (woman, child)

Analogous or Derived

fish net; extended to any network, cobweb

Phonetic

wheat /lai/

loan

Semantic phonetic compound

come

(woman)/nu/+(horse)/ma/ =(nurse)/ma/

1311

113. The teaching of reading and writing in East Asia

tic-phonetic compounds and compound ideographs tend to be learned later than simple characters, and a compound is often taught by analyzing it into its phonetic and semantic components. Learning to write characters usually accompanies learning to read them. Writing is inherently more complex than reading. Reading a written symbol or pattern involves one (possibly complex) mental process: matching the given shape to the one stored in mind. By contrast, writing involves two processes: first one must recall the target shape, and then one must reproduce it on paper. Because characters are numerous and complex, learning to write them is much harder than learning to write the few simple letters of a phonetic script. Each character must be written according to a specified stroke order. The prescribed order is usually from left to right, from top to bottom, and from outside to inside (→ art. 120). Another aspect of writing is calligraphy or beautiful writing, which is a form of art with a venerable tradition of over a thousand years. Calligraphy is very much alive in the nations of East Asia and is taught in school (→ art. 14). Characters tend to be taught in batches: Several characters in each lesson and a specified number of characters in each grade. It is easy to learn the first few batches, which represent only a small number of common characters, but the larger the number, the greater the burden on memory and the greater the difficulty of discriminating among the many characters. 1.3. Teaching characters to preschoolers Chinese characters, or any kind of letters for that matter, can be taught to preschoolers. One method of teaching characters is to use any visual, semantic, or phonetic relations among them. Since about 80% of the common characters are composed of sound-cueing phonetics combined with meaning-cueing semantic components or radicals, children can be taught a group of characters that share either a radical or a phonetic. In Japan, the educator Ishii (1977) advocates using this method to teach as many as 1,000 characters to preschoolers as young as age 3. He also teaches multi-character compound words in groups that share the same character and have related meanings. Some of these concepts are uncommon, abstract, and irrelevant to children’s lives, and some characters are extremely complex. The systematic method

has merit, if used along with other methods, and is practised to varying degrees wherever characters are taught. Many teachers emphasize that concepts and their characters should be common, concrete, and relevant to the preschoolers’ lives. Using this approach as the basis of their method, Steinberg & Xi (1989) and Steinberg & Tanaka (1989) have taught toddlers to read in China, Japan, and United States. After one year’s instruction toddlers aged about two and three typically have learned a few hundred words. An eclectic method might be devised by combining the good points from Steinberg’s method and the systematic method. That is, one might teach preschoolers character labels for familiar objects, but in doing so, group the objects in such a way that their character labels share some components. For example, in one day’s lesson, teach the labels for common household objects that contain the character “electricity”: telephone, television, electric fan, and refrigerator (in China). The more characters learned in this way, the more helpful are the shared components in learning yet more characters.

2.

Teaching reading and writing in China

Chinese children enter primary school at age 6 or 7 and learn, in six years, to read and write about 2,800 common characters. Unlike preschoolers taught at home, schoolchildren learn the sounds of characters via Pinyin (spell-sound), the Roman alphabet for writing Chinese. Also they learn the sounds of characters in Putonghua (common speech or standard language), regardless of which dialects they may speak. 2.1. Reading instruction In 1989 I visited several grade I classrooms in Shanghai, Nanjing, and Beijing. Each had about 50 children (compared to about 30 in North America and 20 in Switzerland). The children were neatly dressed and well behaved. Reading is taught using one standard series of graded textbooks. The series published in 1987 by the People’s Education Publisher consists of two volumes for each of six grades. The numbers of new characters introduced in each of the first two grades are shown in Table 113.2.

1312

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Table 113.2: Number of new characters introduced in the first two grades (China) Volume

Grade

Characters

Pinyin Annotation

1 2 3 4

1 1 2 2

201 370 450 433

heavy moderate light light

Volume 1 (116 pages) starts with a few wordless pictures. Then it gives lessons in Pinyin, vowels alone first, and then adding the initial consonants. Four tones (high level, rising, falling, fall rise) are marked over the Pinyin letters. The lessons progress from Vs (vowels) to VVs, CVs (consonant-vowels), VCs, CVCs, and finally two-syllable-morpheme words, such as lao hu (tiger). Syllables are separated by space even within a word, as in character writing. The first Chinese characters appear on page 28. They are the numerals from one to ten. To aid writing, each lesson includes an illustration of the stroke order for each character. In the early lessons on characters, each character is accompanied by: its pictographic origin and a picture of the object it represents; Pinyin; a two morpheme-syllable word that contains the character; and the order of writing strokes. On page 53 there appears a sentence in characters: The people of the entire nation passionately love the Communist Party. A few brief stories end the thin volume. All the 201 characters introduced, annotated with Pinyin, are listed in the last three pages of the volume. Although logographic characters can be pronounced in any dialect, they are taught in Putonghua at school. The teaching of Putonghua is important in its own right as a means to facilitate oral communication among speakers of mutually unintelligible dialects. Putonghua is taught through immersion, by using it to teach all school subjects. On the first day of school the children may hear their own dialect but gradually, over a period of months, they hear more and more words and phrases of Putonghua, until at the end of the first year they hear only Putonghua. The children learn to speak it fairly rapidly, conversing in it on almost any school subject, though they retain local accents.

2.2. Literacy in China What percentage of Chinese people is literate? And how many Chinese characters should a Chinese know to be described as literate? These questions are difficult to answer (→ art. 69). In 1952 the official definition of “basic literacy” designated 1,500 characters for peasants and 2,000 for workers. Mao Zedong instructed educators to search out in each village the characters locally needed to record work points and to write down names of people, places, implements, and so on. He thought that 200⫺300 characters would do. Another few hundred would be learned to handle matters beyond the village, and so on, until 1,500 were learned. Characters, once learned, must be used often. The injunction “use it or lose it” applies to knowledge of the numerous and complex Chinese characters. Chinese peasants who do not use their literacy skill often enough are liable to lapse back into illiteracy, and they do. One might ask why so many Chinese peasants do not use characters often enough. Perhaps knowledge of thousands of characters is an unnecessary luxury for them, until they start using farm implements, fertilizers, and management methods that come with written instructions. In the census of 1982, 28.6% of people aged 12 and over were illiterates and semiliterates, but by 1990 the percentage had shrunk to 15.5%. Can mass literacy be achieved using Chinese characters? The answer must be a resounding yes. In Taiwan the rate of illiteracy in 1988 (among people over the age at which they would have completed 9 years’ free and compulsory education) was 0.3% for males and 1.3% for females, see Statistical Yearbook of Republic of China, 1989. What Taiwan has that China lacks is a high standard of living. The territory of Taiwan is small, permitting easy communication, and its peasant population is small and not so isolated from the city. Most Taiwanese are bilingual in their local dialect and Mandarin, making it easy to promote literacy in a writing system based on Mandarin. So, some day the mainland Chinese people may also achieve mass literacy, using Chinese characters alone.

3.

Teaching reading and writing in Japan

The Japanese writing system is more complex than the Chinese, yet virtually all Japanese people learn the basic literacy and numeracy

113. The teaching of reading and writing in East Asia

skills needed to build and maintain an economic superpower. 3.1. The Japanese writing system The Japanese writing system includes Chinese characters, called Kanji (letters of the Kan dynasty or the Chinese Han dynasty), a syllabary called Kana, which has two forms, Hiragana and Katakana, and the Roman alphabet (→ art. 121). The number of official Kanji called Jooyoo Kanji (Kanji for common use) is 1,945, but many educated Japanese learn an additional 1,000 or so unofficial Kanji. Any single Kanji may have at least two quite different readings, an On reading (Chinese) and a Kun reading (Japanese). For example, the Kanji ⫹ (shaped like the plus sign; ten) has three On readings (/juu, jitt-, jutt/) and three Kun readings (/to, too, so/). Kana is a simple syllabary in that each simple sign codes one simple syllable or mora such as a vowel alone /e/ or a consonant vowel group /ka/. There are 71 regular size Kana letters (47 basic and 25 secondary) and 4 small letters. There are two forms of Kana: cursive Hiragana, which are used mainly to write grammatical morphemes (postpositions after nouns, verbs or adjectives), and squarish Katakana, which are used to write foreign loan words and onomatopoeia. In annotating the sounds of Kanji, Hiragana give Kun readings while Katakana give On readings. The Roman alphabet is used to write European words, which might be measure words such as cm (centimeter), technical words such as JIS (The Japan Industrial Standard), and proper names such as Taylor. Such popular weeklies and magazines as Asahi Journal and Focus have European names written in the Roman alphabet. The letters of the Roman alphabet are used also as Roˆmaji (Roman letters) to write Japanese words for readers of the Roman alphabet, such as English, as I have been doing (e. g., Kanji, Kana, Roˆmaji). 3.2. Teaching the Japanese writing system Most children have already picked up many Hiragana at home before starting school, and hence volume 1 of the grade 1 textbook uses all types of Hiragana. Katakana is mastered in the first three grades. Learning Hiragana and Katakana is relatively fast and painless. Mastering Kanji takes time and effort, because Kanji are numerous, are associated with multiple readings, and have complex

1313 shapes. Most Japanese children learn reading and writing in the six years of primary school and the three years of middle school. They go on to consolidate and expand their reading and writing skills in the three years of high school. Because of the importance of Kanji teaching, the Ministry of Education designates “educational Kanji”, the number and kinds of Kanji to be taught in each grade of primary and middle schools. About half of the official Jooyoo Kanji (1,006 in 1989) are taught in primary school and about 940 more in middle school. The children have to read all the educational Kanji and write most of them. In high school, Kanji are learned not only in their modern uses but also from their use in Japanese and Chinese classics. Japanese classics can be passages from 1,000 year-old stories, such as the famous Genji monogatari (story of Mr. Gen), while Chinese classics could be 8th century poems or passages from the 2,000 year-old Confucian Analects. Chinese sentences are written only in characters using Chinese syntax, but are read in Japanese, reversing the order of some words and supplying Kana for grammatical morphemes. Some characters used in Chinese classics are outside the Jooyoo Kanji list. How are Kanji taught? As Benjamin Duke (1986) describes it, language teaching in Japan is a continual process of memorization, repetition, drilling, and testing. The higher a student goes in the school, the more the student memorizes, repeats, drills, and takes tests. Students seldom ask questions, conduct discussions, or engage in creative writing. Actually lessons are not as mechanical and dry as Duke described, to judge from the guides, quizzes, and drills provided in the textbook Kokugo I used in high schools. For example, at the end of a lesson on a Chinese classic, one guide asks students to discuss what the original Chinese stories are trying to say, and one drill requires them to look up the meaning of a Chinese idiom in a dictionary and then to produce a sentence using it. 3.3. Textbooks for Kokugo or Japanese language The Japanese language is referred to as Kokugo (national language). In Japan, there is no single standard textbook for Kokugo; rather, there are several textbooks published by different companies, all of which, how-

1314 ever, must follow the guidelines of the Ministry of Education and be approved by it. Let us look closely at the Kana and Kanji introduced in the very first Kokugo textbook, the most popular (Kazaguruma ‘Windmill’, 1988). ⫺ Pages 1⫺17: only basic Hiragana in simple phrases ⫺ Pages 18⫺67: secondary and small-size Hiragana in simple sentences and stories ⫺ Pages 68⫺81: a handful of Kanji ⫺ Pages 82⫺87 (end): a few Katakana words The volume ends with a list of Hiragana, Katakana, and 24 Kanji learned. The Kanji are numbers 1 to 10, and names for objects in nature such as the sun, mountain, tree, and river. These Kanji are either pictographs or simple ideographs with stroke numbers ranging from one to seven. Most of them are taught only in the Kun reading. Only one Kanji (vehicle) has an On reading. More than the simplicity of shapes, it is the single reading, usually Kun, that makes the initial learning of Kanji easy. In volume 1 of the grade 1 textbook the Kanji appear as single-Kanji words; only in volume 2 do Kanji appear in two-Kanji compounds words, such as gakkoo (school; On reading), itoguruma (spinning wheel; Kun reading), and three Kanji words such as gohyakuen (five hundred yen; On reading). Both volumes 1 and 2 of grade 1 textbook have provision for drill in writing. Now let us look briefly at one textbook on advanced Kokugo used in high school (Kokugo I, 1984). The volume consists of essays, poems, and excerpts from novels, written mostly by established Japanese writers. As well as modern writings the volume introduces classics, both Japanese and Chinese. 3.4. How well do children read and write Kanji? Children’s reading and writing skills are assessed often. A test involving 17 schools between 1953 and 1962 (when there were 881 educational Kanji) shows the following pattern that repeats in many tests. ⫺ Kanji reading skills improve from grade 1 (61.4 out of 100) through six (91.5). ⫺ Kanji reading skills develop fast especially between the end of grade 3 and the beginning of grade 4, when Hiragana and Katakana have been mastered.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

⫺ Reading skills outpace writing skills. ⫺ At grade 6, children can score 80 out of 100 on Kanji that, though not found in textbooks, appear in popular newspapers and magazines. ⫺ The Kanji learned can be easily forgotten if they are exceptionally difficult and/or seldom used in daily lives. More recently the National Language Research Institute, see 1988, No. 95, gives the following results on mastery of the primaryschool Kanji in primary school and also in high school. Table 113.3: Mastery of primary school Kanji at school

On or Kun On and Kun

At Primary School

At High School

Read

Write

Read

Write

92.7 76.0

66.2 53.5

98.6 93.7

86.0 79.5

In Table 113.3, reading is better than writing in every case; reading in either On or Kun is better than reading in both On and Kun. Most of the Kanji learned in primary school are presumably seen again and again in the next four years so that when the same Kanji are tested at high school, they are almost mastered. Yamada (1995) conducted an experiment to see what kinds of errors school-children make in reading and writing Kanji. When 4th, 5th, and 6th graders were asked to give the sounds of 48 grade 3 and 4 Kanji, even the 6th graders averaged only 61% correct. The experimental procedures perhaps were hard for the children: the test Kanji were shown in isolation without context and had to be read only in On. Not surprisingly, the most common errors were Kun readings given when On readings were required. The children scored higher (68%) in a writing test of the same Kanji than in the reading test. The typical finding ⫺ better reading than writing scores ⫺ was reversed in this study, perhaps because contexts (phrases or sentences) were provided for writing but not for reading. After “no response”, the most common writing errors were homophone substitutions: correct Kanji were replaced by incorrect ones with the same sounds but with dif-

113. The teaching of reading and writing in East Asia

ferent shapes and meanings. The patterns of errors remained similar across grades 4, 5, and 6, while both reading and writing scores improved. More and more Japanese people have difficulty writing even common Kanji, for several reasons. Kanji writing requires constant practice, which is in short supply nowadays. More and more Japanese people, like people in any wealthy industrial nations, resort to telephoning rather than letter writing. When they do write, they may use a word processor, which produces Kanji in response to input via Kana or Roman letters so that a writer no longer needs to recall Kanji and reproduce it stroke by stroke. Finally, if Japanese writers cannot recall the correct Kanji, or if they want to save time and effort, they can always substitute Kana for Kanji. So, students’ mastery of Kanji is far from perfect, despite their effort and time. But their difficulty lies more in giving the correct On or Kun readings to Kanji and in writing Kanji than in obtaining the meanings of Kanji. And it is the meaning that is important in silent reading.

4.

Teaching reading and writing in Korea

In S. Korea, children are taught Hangu˘l in primary school and Hancha (Chinese characters) in middle school and high school. 4.1. Hangu˘l and Hancha Both N. and S. Korea use an alphabetic syllabary called Hangu˘l (great letters), which was invented in the 15th century by King Sejong and his scholars (→ art. 27). Hangu˘l is the only script in N. Korea, but S. Korea uses a few Hancha. Hangu˘l is unique in having the characteristics of an alphabet, a syllabary, and a logography (see Taylor 1980; 1995). Its alphabet has 24 simple signs to represent the basic phonemes. These signs are made into complex signs with added letter features to represent added phonetic features. For example, two simple vowel signs, one for /a/ and another for /i/, are combined to form a complex vowel sign for /æ/. One simple consonant sign for /d/ can be doubled for the phonetic feature of tenseness. These alphabetic signs are, however, not the reading units. Between two and four alphabetic signs are systematically packaged into one syllable

1315 block representing V, CV, CVC, or CVCC. By this method, a handful of alphabetic signs can generate a huge number of syllable blocks, of which a few thousand are actually part of the language. A CVCC syllable block is often like a logograph in that it by itself represents a morpheme, such as /gabs/ or /ncgs/ representing unambiguously ‘price’ and ‘soul’ respectively. (The two syllable blocks are pronounced as /gab/ and /ncg/ when used in isolation; see “Teaching Hangu˘l”.) These syllable blocks are the reading units. Because of the systematic packaging of alphabetic signs into syllable blocks, it is possible to draw up a syllable matrix by listing all the vowels across the top row and all the consonants at the leftmost column. Table 113.4 lists a part of the syllable matrix, with 16 of the 21 vowels and 9 of the 19 consonants. Each of the vowels alone or in combination with each of the consonants produces V or CV syllable blocks. The more complex syllable blocks, which contain final consonants, can be derived from the matrix by placing a final C or CC at the bottom of any V or CV. At the same time, individual V or C symbols can be analyzed out of any syllable in the matrix. Hangu˘l is used in text for writing grammatical morphemes (postpositions and verb or adjective endings) and also for writing most content words, all native Korean words and some Sino-Korean words (words borrowed from China). As for Hancha (Chinese characters), N. Korea stopped using them after World War II, and S. Korea designated 1,800 of them as “official”. Almost all of the official Hancha are included among the 1,945 official Kanji in Japan and tend to be used in text in similar ways. However, there are important differences in use between Hancha and Kanji. Each Hancha usually has only one Chinese reading, whereas each Kanji tends to have multiple readings. Hancha are not used to write native Korean content words, whereas Kanji are used often to write native Japanese content words. All in all, the use of Chinese characters is simpler in S. Korea than in Japan. 4.2. Teaching Hangu˘l Because of its simplicity and rationality, Hangu˘l can be learned painlessly and rapidly. According to one of the scholars on the committee on the invention of Hangu˘l, “The

1316

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Table 113.4: Part of Hangu˘l CV syllable Matrix (with 9 of the 19 Cs and 16 of the 21 Vs) (source: Taylor & Taylor1983)

bright can learn the system in a single morning, and even the not so bright can do so within ten days.” In his book A Guide to Korean Characters, Grant (1979, 12) spends a mere half page on Hanguˇl, claiming “The Korean alphabet is so simple that its sixteen totally distinct letters can be learned in minutes with the aid of the hangul-in-a-hurry chart”. Grant devotes the rest of his book to explaining Hancha. Learning Hangu˘l may require more than a single morning or minutes but not much more. Hangu˘l, being an alphabetic syllabary, can be taught either as an alphabet or as a syllabary. In earlier times it was taught more as an alphabet than as a syllabary: Children learned individual alphabet symbols and their phonemes, plus the rules for packaging them into syllable blocks. In modern times, syllable blocks tend to be used as teaching units. A syllable block should be easier to learn than an alphabetic letter for reasons such as: the syllable block is the actual reading unit; a syllable is a larger and more stable phonetic unit than a phoneme; a Korean syllable block, especially CVC or CVCC, often represents a morpheme.

In teaching Hangu˘l, whether as an alphabet or a syllabary, a teacher can use the syllable matrix shown in Table 113.4. Children can deduce the sound of any vowel or consonant-vowel syllable within the matrix. For example, they can combine the first consonant /g/ with each of the 16 vowels to produce /ga, gya, go˘, gyo […]/ and can repeat the same process with the second consonant /n/. In this way, the children learn through deduction, instruction, and practice, all 399 possible V or CV syllables, after which they should have no trouble pronouncing any syllable string, whether familiar, unfamiliar, or nonsense. There is no need to consult a dictionary for pronouncing and spelling Korean. Spelling of Hangu˘l syllable blocks has been standardized to preserve their logographic property. For example, the Korean words for “mouth” and “leaf” sound the same when spoken in isolation but are nevertheless distinguished in spelling: ib and ip, respectively. The underlying phonetic difference between the two words becomes apparent when a vowel postposition is attached: ibi and ipi. As a second example, /s/ in gabs (price) is silent when the word is pronounced

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113. The teaching of reading and writing in East Asia

in isolation but is fully pronounced with a vowel postposition, as in /gabsi/. Beginning writers of Hangu˘l tend to spell words as they sound but learn easily the standardized spelling, which is nonarbitrary as well as useful. They merely have to test the sounds of words with a vowel or a consonant postposition. Almost all children entering school at age 6 already read some words in the simple syllable blocks of Hangu˘l. At school they learn Hangu˘l using a standard series of basal readers. The 1982 series titled Correct Living consists of two volumes for each of six grades. The first volume of grade 1 reader starts with pictures, words, and then quickly progresses to phrases, short sentences, and stories (Aesop’s fables). In the first 2⫺3 months in grade 1, children learn familiar words forming simple sentences. Once they become interested in reading, they learn the sounds that make up words or syllables. The reader has provision for drill in word recognition and letter writing. About 400 words, all in Hangu˘l, are introduced in this first half of grade 1. Volume 2 contains more new words, longer stories, and comprehension-recall questions. At the end of grade 1, in private schools, all children in a class of 60 read well, but in public schools two or three out of 60 have some difficulty with the complex syllable blocks (CVCC). No first grader can be described as a nonreader in the sense of lacking of grasp of how letters code sounds. 4.3. Teaching Hancha Hancha are taught after the children leave primary school: 900 Hancha in middle school and 900 in high school. Let us look at one textbook, Introduction to Hancha, used in the first year of middle school. Some Hancha learned in the first few lessons are the kinds of Chinese characters learned by first graders of primary schools in China and Japan. However, the pace of progress in the Korean textbook is fast so that by the end of the book, students are reading brief excerpts of Korean and Chinese classics. ⫺ Lessons 1⫺3. Individual Hancha. Pictographs for ‘sun’, ‘moon’. etc. and simple ideographs for ‘one’, ‘above’. They are accompanied by pictures. ⫺ Lesson 4. Compound ideographs, such as (sun ⫹ moon ⫽ bright) ⫺ Lessons 5⫺6. Semantic-phonetic compounds (sun ⫹ /cho˘ng/ ⫽ clear /cho˘ng/).

⫺ Lessons 7⫺13. Two-Hancha words some of which represent abstract concepts, such as “harmony” and “recollection”. ⫺ Lessons 14⫺20. Four-Hancha idiomatic phrases, such as “warm something old and acquire something new” from Confucian classics. ⫺ Lessons 21⫺27. Hancha words and phrases in brief sentences or poems, all from Chinese or Korean classics, with grammatical morphemes in Hangu˘l. There is no provision for Hancha writing, which is learned in high schools and colleges. Because of their small number and consistent sounds, Chinese characters are easier to learn in Korea than in China or Japan. Yet, perhaps because Hancha are learned late, they do not seem to be mastered well. As evidence, Korean college students and graduates recognized the same words more slowly in Hancha than in Hangu˘l, see Taylor & Park (1995). And college students read a Hancha-Hangu˘l mixed text more slowly than they did an allHangu˘l text, see Noh, Hwang, Park & Kim (1977).

5.

Conclusions

Chinese, Japanese, and S. Koreans share many Chinese characters, but use them somewhat differently: The Chinese use only characters to write words in text; the Japanese use them to write Sino-Japanese words and some Japanese native words; and the S. Koreans use them only to write some Sino-Korean words, and only in some texts. As for phonetic scripts, the Chinese use Pinyin only to annotate characters at the initial stage of teaching; the Japanese use Hiragana to write grammatical morphemes and Katakana to write foreign loan words; the S. Koreans use Hangu˘l to write grammatical morphemes as well as content words, all native Korean and some Sino-Korean. Although some preschoolers either pick up reading or are taught reading at home, most children are taught reading and writing at primary school and middle school, which are compulsory in the three nations. But the history of compulsory education varies in the East Asian nations: 9 years of education has been compulsory since 1947 in Japan but only a goal to be achieved in China. Japan, S. Korea, Hong Kong, and Taiwan enjoy high literacy rates and economic success; China has yet to catch up with them.

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6.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

References

Duke, Benjamin. 1986. The Japanese school: Lessons for industrial America. New York. Grant, B. K. 1979. A guide to Korean characters (Reading and writing Hangu˘l and Hanja). Elizabeth, N. J.⫺Seoul. Ishii, Isao. 1977. Revolution of Kanji education by Ishii method. Tokyo (in Japanese). National Language Research Institute. 1988. Children’s learning of Jooyoo Kanji. Tokyo. Number 95 (in Japanese). Noh, M.-W., Hwang, I.-C., Park, Y.-S. & Kim, B.-W. 1977. A study on the development of adults’ speed reading program. In: Research Bulletin 10, No. 97, Seoul: Korean Institute for Research in the Behavioral Sciences. (In Korean with English summary). Steinberg, Danny D. & Tanaka, Miho. 1989. Twoyear olds can read stories. Tokyo (in Japanese). Steinberg, Danny D. & Xi, J. 1989. Two-year-olds can read: Teach your child to read. Tianjin, China (in Chinese).

Taylor, Insup. 1980. The Korean writing system: an alphabet? a syllabary? a logography? In: Kolers, Paul A., Wrolsted, M. E. & Bouma, Herman (ed.), Processing of visible language (vol. 2). New York. ⫺. 1981. Writing systems and reading. In: MacKinnon, G. E. & Waller, T. G. (ed.), Reading research: Advances in theory and practice (vol. 2). New York. ⫺. 1995. Writing and literacy in Chinese, Korean, and Japanese. Amsterdam. Taylor, Insup & Park, Kwonsaeng. (1995). Differential processing of content words and function words. In: Taylor & Olson. Taylor, Insup & Olson, David R. (ed.). (in press). Scripts and literacy. Dordrecht, The Netherlands. Taylor, Insup & Taylor, M. Martin. 1983. The psychology of reading. New York. Yamada, Jun. (1995). Asymmetries between reading and writing for Japanese children. In: Taylor & Olson.

Insup Taylor, Toronto (Kanada)

114. Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit 1. 2. 3. 4.

Problemlage Lesen Schreiben Literatur

1.

Problemlage

Zweifellos ist die Schule die entscheidende Instanz für die Vermittlung der Schriftlichkeit; der Grad der Alphabetisierung einer Gesellschaft hängt unmittelbar von der Verbreitung und der Länge des Schulbesuchs ab. Andererseits ist aber offensichtlich die Schule nicht die einzige Instanz der Vermittlung von Schriftlichkeit. Ein über die Anfangsgründe hinausgehender Erwerb der Lese- und Schreibfähigkeit bedarf der außerschulischen Unterstützung. Dies ist nicht nur der Fall in Ländern mit geringer schulischer Versorgung, sondern gerade auch in hochentwickelten Industriestaaten, in denen ja die von der Gesellschaft gestellten Anforderungen an die Leseund Schreibfähigkeit enorm wachsen und die Ansprüche der Individuen an kultureller Partizipation steigen. Am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland werden im folgenden Ziele, Gegenstände

und Verfahren des außerschulischen Erwerbs der Schriftlichkeit dargestellt, und es werden die Institutionen genannt, die sich darum kümmern. Dabei sind zum einen die Tätigkeiten Lesen und Schreiben zu unterscheiden, zum anderen müssen nebenschulische von nachschulischen Bereichen unterschieden werden.

2.

Lesen

2.1. Leseförderung für Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule Bei der in der Freizeit betriebenen Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 17 Jahren nimmt das Lesen von Büchern nach dem Fernsehen den 2. Platz ein, auf Platz 5⫺9 folgen das Lesen von Publikumszeitschriften, von Zeitungen, von Comics, von Kinder- und Jugendzeitschriften und schließlich von Romanheften; die Häufigkeit des Lesens erreicht im Alter von 10⫺12 Jahren ihren Höhepunkt (Steinborn 1979). Schon diese Zahlen zeigen, daß sich ein beträchtlicher Teil der Lesepraxis außerhalb der Schule und ohne Bezug zum Unterricht abspielt. Zwar wird die Lektüre gele-

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

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Insup Taylor, Toronto (Kanada)

114. Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit 1. 2. 3. 4.

Problemlage Lesen Schreiben Literatur

1.

Problemlage

Zweifellos ist die Schule die entscheidende Instanz für die Vermittlung der Schriftlichkeit; der Grad der Alphabetisierung einer Gesellschaft hängt unmittelbar von der Verbreitung und der Länge des Schulbesuchs ab. Andererseits ist aber offensichtlich die Schule nicht die einzige Instanz der Vermittlung von Schriftlichkeit. Ein über die Anfangsgründe hinausgehender Erwerb der Lese- und Schreibfähigkeit bedarf der außerschulischen Unterstützung. Dies ist nicht nur der Fall in Ländern mit geringer schulischer Versorgung, sondern gerade auch in hochentwickelten Industriestaaten, in denen ja die von der Gesellschaft gestellten Anforderungen an die Leseund Schreibfähigkeit enorm wachsen und die Ansprüche der Individuen an kultureller Partizipation steigen. Am Beispiel der Bundesrepublik Deutschland werden im folgenden Ziele, Gegenstände

und Verfahren des außerschulischen Erwerbs der Schriftlichkeit dargestellt, und es werden die Institutionen genannt, die sich darum kümmern. Dabei sind zum einen die Tätigkeiten Lesen und Schreiben zu unterscheiden, zum anderen müssen nebenschulische von nachschulischen Bereichen unterschieden werden.

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Lesen

2.1. Leseförderung für Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule Bei der in der Freizeit betriebenen Mediennutzung von Kindern und Jugendlichen zwischen 6 und 17 Jahren nimmt das Lesen von Büchern nach dem Fernsehen den 2. Platz ein, auf Platz 5⫺9 folgen das Lesen von Publikumszeitschriften, von Zeitungen, von Comics, von Kinder- und Jugendzeitschriften und schließlich von Romanheften; die Häufigkeit des Lesens erreicht im Alter von 10⫺12 Jahren ihren Höhepunkt (Steinborn 1979). Schon diese Zahlen zeigen, daß sich ein beträchtlicher Teil der Lesepraxis außerhalb der Schule und ohne Bezug zum Unterricht abspielt. Zwar wird die Lektüre gele-

114. Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit

gentlich durch die Schule angestoßen, aber im wesentlichen werden die Kinder und Jugendlichen zunächst durch die Eltern und später vor allem durch Gleichaltrige zum Lesen angeregt. Wenn im folgenden Möglichkeiten der außerschulischen Leseförderung dargestellt werden, so betrifft diese Förderung nicht die „Leseschwäche“, wegen der Kinder und Jugendliche außerhalb des regulären Unterrichts Kurse besuchen (→ Art. 115), sondern sie betrifft die Motivation zum selbständigen Lesen und zum erfolgreichen Umgang mit Büchern, d. h., sie betrifft nicht den Bereich des „Erstlesens“, sondern den des „weiterführenden Lesens“. Freude am Lesen zu vermitteln und eine dauerhafte Lesemotivation aufzubauen, ist keineswegs nur das Ziel der Schule, sondern verschiedener öffentlicher Institutionen und privater Initiativen; nicht zuletzt liegt dies auch im Interesse der Verlage und des Buchhandels. Dabei geht alle Leseförderung wie selbstverständlich von der Annahme aus, daß Lesen eine positiv zu bewertende Tätigkeit ist. Demgegenüber fragen z. B. Brenner & Kolvenbach (1982, 19), ob „Lesen nicht auch eine negativ zu beurteilende Handlung sein könnte“ und geben zu bedenken: „Könnte nicht über das Lesen von stereotyper Bestätigungsliteratur hinaus auch das Lesen von sogenannter anerkannter Weltliteratur Symptom für lebensweltliche Defizite sein?“ Dies muß als Hinweis darauf verstanden werden, daß sich Leseförderung nicht nur um eine quantitative Ausweitung des Lesens zu kümmern hat, sondern auch die soziokulturelle und psychische Funktion des Lesens berücksichtigen muß, um es zu einem positiven Moment im Gesamtprozeß der Entwicklung zu machen. Historisch betrachtet, hängt es außer von der unmittelbaren Anregung wesentlich von der leichten Zugänglichkeit der Lesestoffe ab, ob Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule lesen. Zeitschriften, aber auch literarische Massenprodukte sind seit geraumer Zeit nicht nur im speziellen Buchhandel, sondern auch im Kaufhaus, Supermarkt und Kaffeegeschäft erhältlich. Überdies ermöglichen Leihbuchhandlungen und privater Verleih auch demjenigen die Lektüre, der Bücher und Zeitschriften nicht selbst erwirbt. Ob dies geschieht, hängt allerdings primär von der Bedeutung des Lesens im sozialen Umfeld ab. Eine wichtige Rolle bei der Leseförderung spielen die speziellen Kinder- und Jugendbibliotheken, die Bestandteil der öffentlichen

1319 Büchereien sind. Sie stellen einen auf die Bedürfnisse und Interessen von Kindern (vom Bilderbuchalter an) und Jugendlichen zugeschnittenen Buchbestand zur Verfügung. Er ist nach literarischen und pädagogisch-psychologischen Gesichtspunkten ausgewählt. Durch eine am Alter der Adressaten orientierte und nach literarischen Gattungen sowie Autoren gegliederte Anordnung bieten diese Freihandbibliotheken den Benutzern nicht nur einen leichten Zugang, sondern motivieren auch zu weiterer Lektüre. In den letzten Jahren hat man große Anstregungen unternommen, die Attraktivität der Büchereien zu erhöhen, um auch Kinder und Jugendliche an sie heranzuführen, die ihnen von Hause aus fernstehen. Dazu gehört neben der allgemeinen Werbung eine ansprechende Präsentation der Bücher und ein zum „Anlesen“ einladendes Ambiente (Lesenischen, Kuschelecken). „Die Bibliothek muß dem Kind deutlich machen, was sie alles bietet ⫺ gerade auch für seine speziellen Interessen oder für seine persönliche Situation (zum Beispiel Kinder ausländischer Mitbürger) und daß es ganz einfach ist, Benutzer zu werden, und daß die Bibliothek nicht nur für eifrige Leser ein angenehmer Aufenthaltsort ist.“ Die Kinder sollen erfahren, „daß die Zeit des leisen, artigen Lesens vorbei ist.“ (Kommission 1983, 10) Darüber hinaus locken die Büchereien mit ausleihbaren (Brett-)Spielen und vor allem mit Schallplatten und Hörspielkassetten. Letztere dienen nicht nur als Brücke zum Buch, sondern sind selbst ein nicht zu unterschätzendes Medium der außerschulischen literarischen Sozialisation. Des weiteren bemühen sich die Kinderund Jugendbüchereien durch besondere Veranstaltungen darum, den jungen Leserinnen und Lesern nicht nur Bücher und Medien anzubieten, sondern ihnen auch Zugangswege zu ebnen. So werden spezielle Einführungen in die Bibliotheksbenutzung und Führungen durch die Bibliothek angeboten, aber auch Ausstellungen, Vorlesestunden, literarische Quiz- und Rätselveranstaltungen und Autorenbegegnungen arrangiert. In letzter Zeit bieten einige Büchereien, vor allem während der Schulferien, auch Schreib-, Mal- und Theaterkurse für Kinder an, um Lesen und sprachlich-künstlerischen Selbstausdruck zu verbinden (vgl. 3.1.). Durch diese Programmund Kontaktarbeit werden die Kinder- und Jugendbüchereien von reinen Ausleihinstanzen zu Kommunikationszentren. Insbesondere durch die Ausweitung des Angebots ver-

1320 sucht man, auch nichtbürgerliche und bildungsfernere Kinder und Jugendliche anzusprechen. Leseförderung geschieht hier auf Umwegen. „Es mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, daß auch die Öffnung der Öffentlichen Bibliotheken gegenüber Tonträgern, Gesellschaftsspielen, AV-Medien, das Anbieten von Computersoftware, Btx-, Datenbankanschlüssen oder neuartigen alltags- und ortsbezogenen Auskünften als Beitrag zur Leseförderung zu werten ist: Aber nur wenn die Öffentlichen Bibliotheken als Kultureinrichtung mit der größten und sozial breitesten Benutzerschaft auch für möglichst viele jener Bevölkerungsmehrheit attraktiv werden, die sie allein der Bücher wegen nie (oder nicht mehr) aufsuchen würde, können davon lesefördernde Impulse ausgehen. (So gesehen leistet eine in der Stadtteilkulturarbeit engagierte Öffentliche Bibliothek, leistet ein auch für Hauptschüler und Auszubildende attraktives Angebot von Heavy-Metal-Musikkassetten, Comics oder Motorradzeitschriften wahrscheinlich einen sozial bedeutsameren Beitrag zur Leseförderung als der üblich-konventionelle Kanon von Autorenlesungen und Buchvorstellungen, die immer nur die gleiche, ohnehin schon leseorientierte Mittel- und Oberschicht anlocken.)“ (Nagel 1989).

Nach dieser Auffassung hat die Ausweitung des Angebots der Bibliotheken vor allem eine Brückenfunktion (von der Musikkassette zum Buch), sie dient aber auch der Vermittlung schriftsprachlicher Medien, die traditionellerweise nicht um Bibliotheksbestand gehören (Motorradzeitschrift, Computersoftware). In vielen Orten wird im November oder im April gemeinsam von der Kommune (Stadtbibiothek) und dem Buchhandel eine Jugendbuchwoche durchgeführt. „Durch das konzentrierte Angebot einer Vielzahl von Werbeveranstaltungen soll die Öffentlichkeit intensiver angesprochen, nachdrücklicher auf Buch und Bibliothek hingewiesen werden.“ (Kommission 1983, 241) Breitere Ziele verfolgen Kinder-Kultur-Wochen; sie animieren nicht nur zum Lesen, sondern auch zum Schreiben und zu anderen kulturellen Aktivitäten (Bundesvereinigung 1979). ⫺ Ebenfalls der Werbung für Kinder- und Jugendbücher ⫺ und damit indirekt der Leseförderung ⫺ dienen die von verschiedenen Seiten vergebenen Literaturpreise (am bekanntesten: Deutscher Jugendbuch- bzw. Jugendliteraturpreis, seit 1956); sie sollen zugleich ein Ansporn zur Qualitätssteigerung sein und Autoren anregen, für ein junges Publikum zu schreiben. Ein weiteres Mittel der Leseförderung stellen Wettbewerbe dar, die z. B. von Bibliotheken,

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Kommunen oder privaten Unternehmen durchgeführt werden. Am bekanntesten sind die vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels organisierten Vorlesewettbewerbe für Kinder der 6. Klasse und der Wettbewerb „Das lesende Klassenzimmer“ für die 1. bis 8. Klasse. Diese Wettbewerbe haben zwar außerschulische Initiatoren, sind aber auf die Mithilfe der Schulen angewiesen. Das zeigt, daß außerschulische Initiativen bei der Leseförderung häufig mit der Schule zusammenarbeiten. Dies gilt weitgehend auch noch für die bemerkenswerteste außerschulische Leseförderungsaktion, nämlich die seit 1979/80 betriebene Einrichtung von „Leseclubs“ in vielen deutschen Städten. Ihr Initiator war die „Deutsche Lesegesellschaft“, die 1977 gegründet wurde und später in der „Stiftung Lesen“ aufging. Sie stellt den Leseclubs jeweils einen Grundstock von etwa 100 Büchern kostenlos zur Verfügung. Vorbild für die deutschen Leseclubs waren entsprechende Clubs in Israel. Zielgruppe sind dort Jugendliche, die von Haus aus Büchern fremd gegenüberstehen; für sie werden Clubnachmittage organisiert, in denen zunächst andere Medien (Radio, Schallplatte, Zeitschrift) benutzt werden. „Auf diese Weise ist es den israelischen Leseclubs gelungen, das Leseverhalten in einem erstaunlichen Maße zu verbessern. Hauptergebnis: Während die Clubmitglieder zu Beginn der Leseclubzugehörigkeit 70⫺80% Nichtleser waren, gab es bei einer Zugehörigkeit von zwei Jahren […] nur noch 10⫺15% Nichtleser.“ (Stiftung Lesen 1989, 28). In Deutschland sprechen die (1989) über 90 Leseclubs insbesondere Jugendliche aus sozial problematischem Milieu, vor allem auch in Wohngebieten mit hohem Ausländeranteil an; rund 52% der Leseclubbesucher sind ausländische Kinder und Jugendliche. Die Clubs haben zum einen sozialintegrative Funktion, zum anderen bieten sie ausdrücklich eine Alternative zu den von Kindern und Jugendlichen stark konsumierten audiovisuellen Medien und sollen für sie eine Brücke bilden zur Benutzung von Bibliotheken. Der Grundgedanke der Leseclubs ist, die Kinder und Jugendlichen dort mit Büchern aufzusuchen, wo sie ihre Freizeit verbringen (auf der Straße, in Freizeitheimen, Jugendcafe´s, Jugendtreffs usw.), also nicht darauf zu vertrauen, daß sie eines Tages von selbst den Weg in eine Bücherei finden werden. Insofern vermitteln die Leseclubs zwi-

114. Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit

schen den Jugendlichen einerseits, den Bibliotheken andererseits und unterstützen damit die jugendbibliothekarische Arbeit. 2.2. Leseförderung für Erwachsene Im folgenden geht es nicht um Alphabetisierungsmaßnahmen (→ Art. 73), sondern um die nachschulische Förderung der Lesefähigkeiten, also nicht um elementares, sondern erweitertes Lesen auf der Grundlage der Beherrschung der Schrift. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Aktivitäten, die vorwiegend beruflichen Zwecken dienen, und solchen, die als Freizeitbeschäftigung kulturelle Interessen befriedigen. Die Unterscheidung entspricht weitgehend derjenigen von Sachtexten und belletristisch-philosophischer Literatur. Leseförderung mit beruflichem Nutzen hat neben einer Erweiterung der Kenntnis von allgemeinen und fachspezifischen Informationsquellen vor allem schnellere und ökonomischere Informationsentnahme, also eine Verbesserung des „Informationslesens“ zum Ziel. Dies ist nötig in allen Berufsfeldern und Arbeitsbereichen, in denen große Mengen von schriftlichen Informationen zu rezipieren sind. Kurse zur besseren Informationsentnahme werden im allgemeinen im Rahmen der innerbetrieblichen Fortbildung (vor allem in Management-Kursen) organisiert und von kommerziellen Instituten durchgeführt; bisweilen machen auch überbetriebliche Institutionen (Gewerkschaften, Parteien, Volkshochschulen usw.) entsprechende Angebote für jedermann. Im übrigen gehört eine berufsbezogene Lese- und Verstehenslehre zum Hochschulstudium verschiedener Fächer. Die Verbesserung des Informationslesens geschieht in zwei Richtungen. Zum einen wird gelernt, bei einer überfliegenden Lektüre die Aufmerksamkeit zu fokussieren und aus dem Lesestoff das für die jeweiligen Bedürfnisse Wichtige auszuwählen. Dazu ist es nötig, sich die Suchrichtung und die Fragen klarzumachen, mit denen man an die Bücher, Aufsätze oder Artikel herangeht, dann im Inhaltsverzeichnis, in einer Zusammenfassung (als „Abstract“ vorweg oder als „Resümee“ am Ende) und mit Hilfe der Zwischenüberschriften und evtl. des Stichwortregisters zu prüfen, ob der Text relevant ist und welche Stellen genauer zu lesen sind. Angezielt wird eine qualitative Veränderung des Lesens: Das mechanisch-rezeptive Lesen soll einem aktivoperativen Zugriff auf die Texte weichen. Zum anderen dient der Verbesserung des In-

1321 formationslesens die Erhöhung der Lesegeschwindigkeit („Rapid-Reading“). Besonders in den USA wurden in den 50er und 60er Jahren verschiedene Schnelleseverfahren entwickelt; bekannt wurde die Methode des „dynamischen Lesens“, bei dem durch Voraus-, Mit- und Nachdenken die wichtigen von den unwichtigen Textstellen geschieden und Rückgriffe auf bereits Gelesenes vermieden werden sollen. Vom Lesezweck hängt es ab, ob „kontrolliert“ (genau und kritisch), „statarisch“ (verweilend) oder „kursorisch“ (überfliegend) zu lesen ist (Zielke 1965). Durch die Ausschaltung der stummen Artikulation beim Lesen, durch Nichtbeachten aller überflüssigen Information (aufgrund von Rechtschreibungs-, Wortbildungs- und Satzbauregeln ist die Schriftsprache ja außerordentlich redundant) und durch Konzentration auf die semantischen Gehalte soll die Lesegeschwindigkeit bis auf 900 Wörter pro Minute gesteigert werden. Diesem Ziel dient schließlich auch eine bestimmte Lesetechnik. „Damit das geschriebene Wort ‘wie ein Film’ vorbeiziehe, nimmt man die rechte Hand als Schrittmacher, die linke zum Blättern und vollzieht dann mit der rechten den Leserhythmus: Zunächst gleitet man slalomartig, dann spiralförmig in Zeilenmitte die Seite herunter, schließlich in komplizierten Schleifen diagonal.“ (Kleinschmidt 1973)

Eine berufsbezogene Leselehre dient beim philologischen, theologischen, philosophischen, historischen und juristischen Studium der Verbesserung der Fähigkeit, Texte zu verstehen. Zwar spielen dabei im allgemeinen die Inhalte der Texte die Hauptrolle, aber darüber hinaus geht es auch um die Schulung fachspezifischer Auslegungs- und Verstehensfähigkeit (Interpretation, Exegese, Hermeneutik, Quellenstudium, Kommentierung), die insgesamt als erweiterte Lesefähigkeit bezeichnet werden kann, da es sich ja auch bei der in der Grundschule erworbenen „einfachen“ Lesefähigkeit keineswegs um eine bloße Technik handelt. Mit dem Schwierigkeitsgrad der Texte steigen auch die Anforderungen an die Lesefähigkeit; genaues Lesen („close reading“) bleibt vor allem in den philologischen Disziplinen eine permanente Aufgabe: „Die Interpretation führt hin an das Gedicht, sie lehrt zunächst einmal genau lesen. Ganz wie der Betrachter eines Bildes zunächst einmal sehen lernen muß, was ‘da’ ist. Es ist keineswegs selbstverständlich, daß ein jeder das kann oder tut. Sehen lernen, hören lernen, lesen lernen, ‘was da ist’, ist die erste Übung.“ (Domin 1969, 19).

1322 Die Äußerung Domins zeigt, daß der Übergang von professioneller Beschäftigung mit Literatur zum nicht-beruflichen Lesen aus Interesse fließend ist. Dieses Interesse zu befriedigen und zu erweitern ist das Anliegen von Lese- und Literaturkursen in der Erwachsenenbildung. Es gibt sie in Form von Einzelveranstaltungen (Vorträge, Autorenlesungen und Veranstaltungen zu aktuellen Themen), in Form wöchentlicher Seminare oder als Blockveranstaltungen (Wochenendseminare und Kompaktkurse, z. B. für Arbeitslose, vgl. Wölbert 1989). Meist bildet ein Thema, eine Epoche oder ein Autor den Rahmen; aber auch eine geographisch-kulturelle Einheit (z. B. Sowjetunion, Südamerika), eine literarische Technik (etwa Konkrete Poesie) oder ein Genre (z. B. der Bürgerliche Roman) kann die Lektüreauswahl für einen Kurs bestimmen. Nicht selten verbinden die Themen Literatur mit politischen und gesellschaftlichen Fragen (z. B. „Deutsche und Polen“ oder „Frauenliteratur”), oder die Lektüre wird vorweg nicht festgelegt, um auf aktuelle Ereignisse und Bedürfnisse eingehen zu können. Den Teilnehmern der Kurse geht es einerseits um Erweiterung ihrer Kenntnisse, indem sie auf neue und fremde Literatur aufmerksam gemacht werden, andererseits möchten sie ihr Verständnis schon bekannter Texte vertiefen. „Der Mehrzahl dieser Erwachsenen ging es um ‘besseres Verständnis von Texten’, ‘Leseanregungen’, ‘Sensibilisierung für Literatur’, ‘einen Einstieg in die Literatur’, neugewecktes ‘Verständnis für Bücher’, ja sogar um Stil-, Form- und Sprachanalyse, während eine Minderheit davon sprach, daß es wichtig sei, ‘Reflexionen zu sammeln über Probleme, die einen persönlich beschäftigten.’“ (Weinmann 1989) Die Art und Weise der Kursdurchführung nimmt auf diese Bedürfnisse Rücksicht, indem neben den Dozentenvortrag das Gespräch der Teilnehmer tritt. Die Verständigung über gemeinsam gelesene Texte ist in den meisten Kursen zentral. Insgesamt zielt diese Leseförderung auf „eine Lesekultur im Sinne der pfleglichen Verarbeitung des allseitigen Umgangs mit literarischen Texten“ und „eine Sensibilisierung für eine Erweiterung der Erfahrung durch Lesen“ (Tietgens 1989, 9). Demgegenüber spielt Literatur als Teil einer zum Sozialprestige gehörenden „Allgemeinbildung“ in der Erwachsenenbildung „heute so gut wie keine Rolle mehr“ (Nolda 1989, 94). Ohne professionellen Dozenten und ohne institutionellen Rahmen kommen die priva-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

ten, selbstorganisierten Lesezirkel aus, die ähnliche Ziele verfolgen wie die beschriebenen Kurse. Über ihren Umfang und ihre Wirkung gibt es keine aktuellen Untersuchungen. Sie knüpfen nicht an die seit dem 18. Jahrhundert bekannten vom Buchhandel organisierten Lesezirkel an, die es mehreren Menschen ermöglichte, dasselbe Zeitungsoder Buchexemplar zu lesen (Janson 1963), sondern dienen eher der kultivierten Geselligkeit und sind in ihrer zeitgenössischen Form auch als Reaktion auf die moderne Vereinzelung von Erfahrungen und auf den massenhaften Konsum von AV-Medien zu verstehen. Allerdings werden sie auch von diesen Medien beeinflußt. Nicht selten werden in den „Literaturgesprächskreisen“ gerade solche Bücher gemeinsam gelesen und besprochen, die im Fernsehen oder Rundfunk vorgestellt wurden oder von denen Filmbearbeitungen zu sehen waren. In ausländischen Bildungssystemen sind weitere Formen der Leseförderung Erwachsener entwickelt worden. In den USA führten pädagogische Ambitionen und kommerzielle Interessen nach dem 1. Weltkrieg zur Etablierung des „Great Books Program“, in dem über hundert Werke der Weltliteratur, historisch geordnet und in Zyklen eingeteilt, von regelmäßig tagenden Arbeitsgruppen ohne professionelle Anleitung besprochen werden (Becker 1965). In Frankreich wurden vom Volksbildungswerk „Clubs de Lecture“ eingerichtet; in ihnen wird jeweils ein Roman in einer Folge von Abenden auszugsweise vorgestellt. In Skandinavien gibt es „Buchstudienkreise“, in denen Sachbücher gemeinsam gelesen und kapitelweise diskutiert werden. (Vgl. zu diesen ausländischen Modellen Matzat 1973, dort auch Hinweise auf deutsche Nachahmungen.) Einen wichtigen Beitrag zur Leseförderung leisten auch bei Erwachsenen die Bibliotheken. Anders als bei Kindern und Jugendlichen werden hier aber heute kaum noch pädagogische Ziele verfolgt, sondern es werden Medien und Dienstleistungen zur Verfügung gestellt; die Initiative zur Lektüre geht vom Benutzer aus: „Aufgabe der Bibliotheken ist es daher, das für literarische Orientierung und Kommunikation von jedermann benötigte Material bereitzuhalten, die Masse dieser Literatur durch ein sinnvolles spezielles Ordnungssystem für die Benutzung zu erschließen und damit zu einem handlichen Instrument zu machen. Dazu gehört, daß die Bibliotheken sich nicht nur auf Bücher im formal engen Sinn und auf

114. Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit gedruckte Publikationen jeglicher Art beschränken, sondern auch andere Formen der Konservierung und Dokumentation literarischer Erzeugnisse und audiovisueller Informationsmittel in ihre Sammlungen einbeziehen.“ (Andrae 1973, 559)

Dies gilt vor allem für die öffentlichen Büchereien, die jedermann zugänglich sind. In den von den Kirchen und von größeren Betrieben unterhaltenen Bibliotheken spielen pädagogische und soziale Ziele eine wichtigere Rolle. Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung bei der außerschulischen Förderung des Lesens und des Umgangs mit schriftlichen Produkten haben die Funk-Kollegs, die unter der Federführung des Deutschen Instituts für Fernstudien an der Universität Tübingen erarbeitet und von den Rundfunkanstalten mehrerer Bundesländer ausgestrahlt wurden (Funk-Kolleg Sprache 1971/72, Funk-Kolleg Literatur 1976/77, Funk-Kolleg Medien und Kommunikation 1990/91). In den Volkshochschulen der beteiligten Länder fanden Begleitzirkel statt, in denen der behandelte Stoff durchgearbeitet wurde und die Kollegiaten Prüfungen ablegen konnten.

3.

Schreiben

3.1. Schreibförderung für Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule Bei der außerschulischen Förderung von Schreibfähigkeiten denkt man zunächst einmal an die Nachhilfe für Schüler, die Schwierigkeiten mit der Rechtschreibung haben oder den Anforderungen schulischen Aufsatzschreibens nicht genügen. Da immer mehr Schüler weiterbildende Schulen besuchen, diese sich aber nicht ausreichend um schwache und langsame Schüler kümmern können, entsteht ein großer Bedarf an außerschulischer Hilfe. Ihn befriedigen längst nicht mehr nur Privatpersonen (Lehrer, ältere Schüler), sondern der hilfsbedürftigen Schüler nehmen sich Organisationen und Institute an. Einige von ihnen (von Kirchen, der Gewerkschaft oder Elterninitiativen organisiert) verfolgen ideelle Ziele; in der Mehrheit aber sind kommerzielle Interessen bestimmend. Der Nachhilfecharakter wird dann gern durch wohltönende Bezeichnungen (etwa „Studienkreis“) kaschiert. Auch die Schulbuchverlage reagieren auf diesen Bedarf und bringen in großer Menge Bücher und Arbeitsmaterialien zum „Selbststudium“ bzw. für den Nachhilfeunterricht heraus. Um eine ganz andere Art des Ausbaus von Schreibfähigkeiten handelt es sich bei den

1323 Kindern und Jugendlichen, die aus eigenem Antrieb Briefe und Tagebuch, journalistische und literarische Texte schreiben. Wie die Shell-Jugendstudie von 1981 ergab, beträgt ihr Anteil unter den Jugendlichen immerhin etwa 10% (Brenner 1983, 155); die Untersuchung von 1985 bestätigte dieses Ergebnis. Diese Jugendlichen erweitern ihre Schriftsprachkompetenz nicht durch Unterricht, sondern durch Praxis. Im Schreiben sehen sie eine Möglichkeit, Klarheit zu gewinnen und sich Gehör zu verschaffen. Das Schreiben schafft ihnen einen Freiraum, den sie gegen schulischen Zugriff verteidigen. Das bedeutet aber nicht, daß das Schreiben für sie eine völlig private Angelegenheit ist. Im Gegenteil bildet die öffentliche Anerkennung und die Förderung durch Erwachsene eine wichtige Stütze besonders für diejenigen, bei denen Schreiben zuhause nicht selbstverständlich ist. Journalistisches Schreiben praktizieren die (überwiegend männlichen) Redakteure der zahlreichen (1982: ca. 1300 in der damaligen BRD), oft kurzlebigen Schülerzeitungen, die vor allem an Gymnasien verbreitet sind; Unterstützung finden sie im Bundesverband „Deutsche Jugendpresse“ und in den Landesverbänden der „Jungen Presse“. Darüber hinaus gibt es Zeitungen und Zeitschriften, die von Jugendlichen gemacht werden, aber nicht an Schulen gebunden sind, z. B. MENSCHENsKINDER“ (Bonn, bundesweit vertrieben) und „kiz“ (München). Das Spektrum der Beiträge ist weit und umfaßt keineswegs nur die klassischen journalistischen Textsorten wie Nachricht, Bericht, Reportage, Kommentar. „Die Schreibtätigkeiten der Jugendlichen orientieren sich nicht bzw. nicht nur am Journalismus, sondern sind Ausdruck von Orientierungssuche und Identitätsforschung“ (Witte 1986). Zeitungsarbeit, die von Jugendzentren angeregt wird, dient häufig sozialpädagogischen Zielen, z. B. der interkulturellen Verständigung deutscher und ausländischer Jugendlicher (etwa die „Deutschtürkische Jugendzeitung“, vgl. Bundesvereinigung 1986, 138 f). Auch die Kinder und Jugendlichen, die sich literarisch betätigen, sind an Anerkennung und Unterstützung ihrer Schreibpraxis interessiert. Eine verbreitete Form der Anerkennung sind Wettbewerbe, die auf lokaler, regionaler oder auf Landesebene durchgeführt werden (am bekanntesten: „Schüler schreiben“ in Hessen, alle zwei Jahre seit 1983), bisweilen auch bundesweit. Ihre Trä-

1324 ger sind meist öffentliche Institutionen (Ministerien, Schulbehörden), mitunter auch private Unternehmen (Versicherungen, Verlage, Zeitungen). Viele Wettbewerbe sind einmalig; nur wenige finden regelmäßig statt. Meistens sind Themen vorgegeben: Zukunft, Glück, Ausländer und Inländer, Dem Fremden begegnen, Natur und Mensch usw. Schreibwettbewerbe sind durchaus ambivalent, weil sie das literarische Schreiben als sinnerfüllte Freizeitbeschäftigung dem Leistungsdenken unterwerfen und „den ohnehin starken Konkurrenzdruck zwischen Schülern verstärken, überdies in einem Bereich, der gewöhnlich als Freiraum angesehen wird und der hoffentlich wirklich einmal ein Beispiel konkurrenzloser Kommunikation sein wird“ (Mattenklott 1979, 52). Andererseits rücken Wettbewerbe das Schreiben von Jugendlichen ins öffentliche Bewußtsein und bilden für die Jugendlichen einen Anreiz, „es einmal mit einem anderen (als dem aufsatzhörigen) Schreiben zu versuchen und ggf. dabei das zu entdecken, worin im gleichen Zug eine kleine Gruppe von Jugendlichen bestätigt und ermutigt wird: Schreiben als lustvoller Selbstausdruck, als befreiendes Spiel, aber auch als Praxis resistenter Phantasie und kritischen Eigensinns“ (Kunkel 1986, 205). Obwohl es erwiesen ist, daß Mädchen wesentlich mehr außerhalb der Schule schreiben als Jungen, beteiligen sich Jungen eher bei Wettbewerben (Brenner 1982). Am bekanntesten ist der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels jährlich bundesweit durchgeführte Wettbewerb „Das lesende Klassenzimmer“. An ihm können Schüler der 1. bis 8. Klassen teilnehmen. Verlangt wird die Gestaltung einer Gemeinschaftsarbeit (Texte, aber auch Illustrationen und Bildermappen), die von einem Jugendbuch angeregt ist; Einzelarbeiten sind nicht zugelassen. Obwohl der Wettbewerb primär die Leseförderung zum Ziel hat (s. o.), werden von den Teilnehmern vor allem produktiv-künstlerische Fähigkeiten verlangt; deshalb ist es legitim, ihn zu den Schreibwettbewerben zu rechnen. Ebenfalls bundesweit, allerdings konzentriert auf bestimmte unterstützende Länder, wird im Rahmen der Begabtenförderung seit 1986 vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft der Schreibwettbewerb „Schüler schreiben ⫺ Treffen junger Autoren“ durchgeführt. Teilnehmen können Schüler ab dem 10. Lebensjahr und Jugendliche, die in der Berufsausbildung stehen. Sie müssen einen Text im Umfang bis zu fünf

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Seiten einsenden; Form und Inhalt sind nicht festgelegt. Wie bei „Das lesende Klassenzimmer“ werden auch hier ausgewählte Arbeiten in Buchform veröffentlicht. Darüber hinaus werden die über 14 Jahre alten Preisträger zu einem mehrtägigen Treffen nach Berlin eingeladen, das außer öffentlichkeitswirksamen Lesungen und Präsentationen vor allem Werkstattgespräche und Kontakte zu erfahrenen Autoren ermöglicht. Ohne Zweifel sind diese Treffen ein sinnvollerer Preis als Geldoder Buchprämien. Allerdings kommen nur wenige der schreibbegabten Jugendlichen in den Genuß dieser Möglichkeit, und die Dauer der Treffen (vier Tage) ist für tieferreichende Lernerfahrungen zu kurz. Außerdem fehlt etwas Vergleichbares für die jüngeren Teilnehmer. Mehr Zeit steht in Ferienkursen zur Verfügung, die ebenfalls vom Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft gefördert und seit 1987 mit neun- bis vierzehntägiger Dauer für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren durchgeführt werden. Sie sind zwar prinzipiell für alle schreibinteressierten Schülerinnen und Schüler offen, wenden sich aber auch in erster Linie an Preisträger von Wettbewerben. Kursinhalte sind außer allgemeinen Schreibproblemen vor allem literarische Techniken; 1990 wurde journalistisches Arbeiten geübt. Seit 1989 können nur noch Schüler ab 14 Jahren teilnehmen. Demgegenüber gab es in der DDR seit längerem eine Fortbildungsmöglichkeit für jüngere Schüler: Es wurden seit 1971 vierzehntägige Ferienlager organisiert, in denen sich „fabulierfreudige Kinder zu gemeinsamer literarischer Tätigkeit“ trafen (Kohl 1978). An diesen Lagern nahmen jeweils zwischen 30 und 40 Kinder im Alter von 9⫺14 Jahren teil. Die Gruppen wurden von Schriftstellern und Absolventen des Literaturinstituts (Leipzig) geleitet. Es wurden nicht nur literarische Übungen (etwa zur Wirkung von Stilmitteln) durchgeführt, sondern man legte auch Wert auf die Erfahrungsgrundlage für das Schreiben, also auf Erlebnisse, besonders in der Natur: „Die Wanderungen in der Natur wurden zum Ausgangspunkt für die schöpferische Tätigkeit der Kinder“ (Kohl 1978, 33). Wesentlich schulischer sind Schreibkurse orientiert, die schreibbegabte Schüler der Sekundarstufe I in den USA während der Sommerferien besuchen können. So werden am „Center for the Advancement of Academically Talented Youth (CTY)“ der Johns-Hopkins-University in Baltimore (Maryland) vier

114. Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit

aufeinander aufbauende Kurse zum Erwerb von „Writing Skills“ angeboten: (1) Allgemeine Probleme des Schreibens und Schreiben darstellender Texte in Essay-Form, (2) Schreiben rhetorisch-appellativer Texte, (3) Analyse und schriftliche Interpretation literarischer Texte, (4) Schreiben kurzer Erzähltexte. Dieses Programm entspricht weitgehend dem schulischen Aufsatzunterricht in den USA, läßt ihn aber in kürzerer Zeit durchlaufen und konfrontiert die Schüler schon frühzeitig mit Aufgaben auf Collegeniveau. Das quantitativ und qualitativ aufwendigste Projekt zur Förderung literarischer Fähigkeiten von Jugendlichen wurde in der BRD an der Universität Hamburg zwischen 1986 und 1989 durchgeführt (Fritzsche 1988). Jährlich wurden etwa 25 sprachlich-literarisch aufgeschlossene Mädchen und Jungen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren ausgewählt. Sie besuchten regelmäßig dreimal monatlich samstags einen dreistündigen Kurs „Kreatives Schreiben“, der unter fachdidaktischer Supervision von arbeitslosen Deutschlehrern durchgeführt wurde, die über literarische Erfahrungen verfügten, speziell geschult wurden und sich im „Segeberger Kreis“ fortbildeten. In dem Kurs wurden Sprachspiele gemacht, Leseanregungen gegeben und vor allem Schreibaufgaben gestellt und gelöst. Die Aufgaben orientierten sich nicht an einem festen Curriculum, sondern reagierten auf die aktuellen Bedürfnisse; allerdings wurden im Laufe der Zeit verschiedene literarische und journalistische Schreibweisen und Textsorten geübt: Kurze Geschichten, Gedichte, Dialoge, Berichte, Porträts, Glossen. Im Unterschied zu schulischen Curricula standen aber weder diese Textsorten, noch stilistische Mittel im Vordergrund, sondern der Kurs bemühte sich, an den tatsächlichen Schreibproblemen der Teilnehmer anzusetzen. So wurde etwa auf das Problem, daß einige Mädchen über zu viele Ideen klagten, die sie nicht in einer Geschichte unterbringen könnten, durch eine Aufgabe reagiert, die genau dieses Problem künstlich erzeugte und als Übung dafür fungierte („Gestörte Erzählung“ in Fritzsche 1989, 34⫺39). Ähnlich wurde verfahren mit dem umgekehrten Problem, nämlich zu wenig Einfälle zu haben. Weitere solche Schreibprobleme betrafen das Finden von Überschriften und Textanfängen, die Einführung wörtlicher Rede, die Darstellung der Innenperspektive von Figuren u. ä.

1325 Eine Gruppengröße von höchstens 13 Teilnehmern ermöglichte die Besprechung aller von den Schülern geschriebenen Texte unter inhaltlichen und sprachlichen Gesichtspunkten. Das Interesse der Teilnehmer bestand aber weniger in der intensiven Auseinandersetzung über die Produkte als in viel Schreibpraxis. Im Unterschied zum Schulunterricht, der das Schreiben meist als „Hausaufgabe“ in die Isolation des Nachmittags verlegt, wurden die Texte im allgemeinen während der Kurszeit geschrieben. Das machte auch das gemeinsame Schreiben (Schreibspiele, Reihum-Texte, Fortsetzungsgeschichten, Gruppenroman u. ä.) möglich. In den drei Jahren der Projektdauer wurde bei vielen der Teilnehmer eine so hohe Motivation aufgebaut, daß sie eine Fortsetzung der Kurse verlangten; in der Trägerschaft der William-SternGesellschaft (Hamburg) liefen deshalb mehrere Kurse nach Projektende weiter, so daß einige Teilnehmer vom 7. bis 12. Schuljahr in den Genuß einer über fünfjährige konstanten Förderung ihrer Schreibfähigkeiten kamen. Wurden bei diesem Projekt besonders begabte Schülerinnen und Schüler ausgewählt, so ermöglichen wöchentlich dreistündige Arbeitskreise „Kreatives Schreiben“, die der Stadtstaat Hamburg im Schuljahr 1990/91 eingerichtet hat, allen Interessierten die Teilnahme und entspricht damit der Forderung, daß literarische Ausdrucksformen und -möglichkeiten jedem zugänglich sein sollten. Diese Arbeitskreise, die nach demselben Konzept und weitgehend mit demselben Material wie die beschriebenen Kurse arbeiten, dienen einer außerunterrichtlichen Schreibförderung, die zunächst noch auf Schüler der Klasse 7⫺8 beschränkt ist. In zehn Gruppen, die nicht an bestimmte Schulen gebunden, sondern stadtteilbezogen sind, werden von eigens dafür fortgebildeten Lehrerinnen und Lehrern über 90 Schüler verschiedener Schularten betreut. Angezielt wird außer einer allgemeinen Schreibroutine eine Erweiterung des Repertoires an sprachlichen, vor allem literarischen Ausdrucksmöglichkeiten. Mancherorts bieten auch Jugendzentren, Jugendverbände und Jugendbibliotheken im Rahmen der kulturellen Jugendarbeit Anregungen zum Schreiben und Gelegenheit zu gemeinsamer Schreibpraxis. Überregional bekanntgeworden ist insbesondere das „Förderzentrum JUGEND SCHREIBT“, das der Sozialpädagoge und Schriftsteller Harry Böseke zusammen mit Sozialarbeitern, Germa-

1326 nisten, Autoren und Bibliothekaren 1979 in Köln als Verein gegründet hat und das bis 1986 bestand. Es organisierte Schreibwettbewerbe, Lesetourneen und Schreibwochenenden für junge Autoren und vermittelte schreibinteressierten Jugendlichen Kontakt zu Medien und zu erfahrenen Autoren. Wie diese Initiative kümmern sich auch andere, z. B. die „Erzählwerkstatt Oberhausen“ (Herholz 1986), besonders um Jugendliche in der Berufsausbildung und um arbeitslose Jugendliche. Bei ihnen ist das Schreiben Medium zum Ausdruck und zur Veröffentlichung ihrer Erfahrungen, zur Kontaktaufnahme und zur sozialen Praxis. Sowohl institutionell als auch personell handelt es sich um deutliche Alternativen zur Schule, in der diese Jugendlichen meistens keine guten Erfahrungen mit dem Schreiben gemacht haben. Deshalb stehen die Stützung des latent vorhandenen Ausdrucksbedürfnisses und die Motivation und Ermutigung zum Schreiben als einer spezifischen Form der Kommunikation im Vordergrund. Trotz dieser vielfältigen Aktivitäten in der außerschulischen Bildungsarbeit und in verschiedenen Feldern der Jugendarbeit urteilt Brenner (1990, 8), daß „von einer Kultur des Schreibens bisher auch kaum ausgegangen werden“ kann. Diese negative Einschätzung betrifft in erster Linie den Umfang, darüber hinaus auch die Qualität der Aktionen. Kindern und Jugendlichen eine aktive Teilhabe an der Schriftkultur zu ermöglichen, erfordert größeren finanziellen Aufwand, damit es nicht nur bei medienwirksamen Einzelaktionen bleibt, die vom augenblicklichen Enthusiasmus der Beteiligten leben. Auch fehlt es noch an einer qualifizierten Aus- und Fortbildung der Veranstalter, Organisatoren und Leiter der Kurse und Werkstätten im außerschulischen Rahmen; deshalb leiden manche Aktionen trotz guten Willens aller Beteiligten an vermeidbaren Defiziten im pädagogischpsychologischen oder fachlich-literarischen Bereich. 3.2. Schreibförderung für Erwachsene Auch in diesem Abschnitt geht es nicht um den Erwerb der basalen Schreibfähigkeit (Alphabetisierung), sondern um nachschulische Erweiterung vorhandener Grundlagen. Zwar ist nach gängigem Verständnis der Schrifterwerb mit der Grundschule, spätestens aber mit der Sekundarschule abgeschlossen, aber sowohl alltägliche Erfahrungen als auch empirische Untersuchungen (Augst & Faigel

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

1986) zeigen, daß dies keineswegs zutrifft. Berufliche und gesellschaftliche Anforderungen sowie subjektive Bedürfnisse machen eine nachschulische Förderung der Schreibfähigkeiten nötig. Es mag widersinnig erscheinen, eine Darstellung der Schreibförderung mit dem Hinweis auf Rhetorikseminare zu beginnen; doch hat sich nicht nur historisch zeigen lassen, daß Rhetorik an die Schriftkultur gebunden ist, sondern auch heute dient ein Teil der rhetorischen Schulung der Förderung des monologischen Sprechens, das dem Schreiben analog ist. Notieren von Gedanken, Aufbau und Ausarbeitung eines Redetextes, Entwerfen von Argumentationsstrategien, Wahl zwischen verschiedenen Formulierungen sowie Überarbeitung sind Handlungen, die Schreibgeläufigkeit verlangen. Darüber hinaus zielt rhetorische Schulung auf öffentlichen Sprachgebrauch; auf ihn bereitet die Übung im Schreiben vor, und umgekehrt fördert die rhetorische Schulung die schriftsprachlichen Fähigkeiten. Rhetorikkurse werden vor allem in der innerbetrieblichen Fortbildung veranstaltet; aber auch öffentliche Bildungsinstitutionen (VHS, parteiliche, gewerkschaftliche und kirchliche Erwachsenenbildung) sowie kommerzielle Unternehmen (private Fortbildungsinstitute) bieten Kurse an, die sich meist an bestimmte Zielgruppen wenden. Ebenfalls stark auf beruflichen Nutzen bezogen sind Seminare, die der Übung des Schriftverkehrs und verwandter beruflicher Schreibtätigkeiten dienen („Schreibtechnik“, „Deutsch für Deutsche“). Da in ihnen orthographische, grammatische und stilistische Probleme sowie Formalia der jeweiligen Textsorte behandelt werden, sind sie im Prinzip eine unmittelbare Wiederaufnahme und Erweiterung schulischer Übungen, allerdings bezogen auf Textsorten, die beruflich benötigt werden. Auch diese Seminare werden vor allem in der innerbetrieblichen Fortbildung sowie von öffentlichen und privaten Institutionen durchgeführt. Volkshochschulen bieten darüber hinaus Kurse an, in denen die für nachgeholte Schulabschlüsse nötigen Schreibfähigkeiten erworben werden können. Andere Ziele verfolgen die Schreibwerkstätten, die in zunehmendem Maße von Volkshochschulen und anderen Trägern angeboten werden (Basse & Pfeiffer 1988, Tietgens 1990). Aus der Sicht der Veranstalter dienen sie der literarischen Bildung als wesentlichem Bestandteil von allgemeiner Er-

114. Der außerschulische Erwerb der Schriftlichkeit

wachsenenbildung; aus der Sicht der Teilnehmer befriedigen sie ein Interesse an kultureller Praxis. Das Anwachsen des Angebots in diesem Bereich ist als Folge und als Erscheinung der Schreibbewegung zu sehen, die seit Ende der 70er Jahre in der BRD hervorgetreten ist; die Schreibbewegung ihrerseits ist eine Reaktion auf kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen in der spätbürgerlichen Industriezivilisation (Individualisierung und Vereinzelung der Menschen, Entfremdung und Isolation in der Arbeitswelt, Arbeitslosigkeit, Bombardement durch Konsumgüter und Medien, Auflösung von Familienbeziehungen, Emanzipation der Frau, politische Resignation u. ä.). Wesentliche Impulse erhielt die Schreibbewegung auch durch die Zerstörung der Aura des Dichters und die Anerkennung der literarischen Fähigkeiten der Laienschreiber („Schreiben kann jeder“, Boehncke & Humburg 1980). In der Folge kam es zur Gründung von „Literaturbüros“ in vielen bundesdeutschen Städten; sie nehmen sich der Schulung von Laienschreibern und professionellen Autoren an. Als Dachverband der deutschen Schreiblehrer fungiert der „Segeberger Kreis“ (Hamburg), in dem sich neben Autoren und Journalisten vor allem Hochschuldozenten und Lehrer, die Kreatives Schreiben praktizieren, zusammengeschlossen haben (Fritzsche & Pielow 1986). In den Schreibwerkstätten werden verschiedene Ziele verfolgt. Häufig haben sie ein gleichsam psychohygienisches Ziel: Schreiben als Medium, eigene Erfahrungen zu klären und zu äußern und sie damit auch zur Grundlage für Gespräche in der Gruppe zu machen. Die Schreibwerkstatt kommt hier einer psychotherapeutischen Selbsthilfegruppe nahe („Poesietherapie“, Petzold & Orth 1985; „Kulturtherapie“, v. Werder 1986, 1988 „Selbsterfahrung“, v. Scheidt 1989), wobei die Teilnehmer allerdings gewöhnlich nicht im medizinischen Sinne krank sind, sondern am unbewältigten Alltag und an nicht verarbeiteten normalen Konflikten ihrer Lebensgeschichte leiden. Das Schreiben dient ihnen zur Selbstvergewisserung, weil es Nachdenken, Konzentration, Versenken in Erinnerungen, Ausgestalten von Phantasien und nicht zuletzt genaues Formulieren ermöglicht. Da in diesen Schreibwerkstätten meistens mit literarischen Gattungen (z. B. Märchen) und Stilmitteln (Bild, Klang, Wiederholung usw.) gearbeitet wird, lassen sie sich nicht deutlich von jenen Schreibwerkstätten ab-

1327 grenzen, in denen es ausdrücklich um die Erweiterung der literarischen Kompetenz geht. Hier ist der Grundgedanke, daß Literatur von einem Menschen besser verstanden wird, der sich selbst praktisch literarisch betätigt. Deshalb geht es in diesen Veranstaltungen ausdrücklich um das Handwerk des Schreibens; es werden zu vorhandener Literatur analoge Texte verfaßt, dasselbe Thema oder Motiv wird behandelt, es werden Umformungen und Erweiterungen an Texten vorgenommen, und es werden auch freie Texte geschrieben, allerdings mit ästhetischem Anspruch. Wiederum ohne klare Trennungslinie unterscheiden sich doch von dieser Zielsetzung die Schreibwerkstätten, in denen es vor allem um den Spaß am Umgang mit Sprache und am gemeinsamen Schreiben geht. Hier werden Sprach- und Schreibspiele durchgeführt, Unsinnsgedichte verfaßt, literarische Rätsel gelöst und Texte gemeinsam geschrieben. Alle drei, sich sowieso oft mischenden Schreib- bzw. Literaturwerkstätten beanspruchen den Begriff „Kreatives Schreiben“. Positiv meint dieser Begriff einen unkonventionellen, abweichenden, mindestens für den Schreiber innovativen Sprachgebrauch; negativ grenzt der Begriff normiertes, alltägliches und verschultes Schreiben ab. Unter dem Aspekt des nachschulischen Schriftspracherwerbs läßt sich also zusammenfassend sagen, daß Schreibwerkstätten die Schreibfähigkeit der Teilnehmer sowohl funktional erweitern, indem neue psychische und soziale Möglichkeiten des Schreibens erfahren werden, als auch inhaltlich, indem weitere literarische Verfahren angeeignet werden. Wenden sich die Schreibwerkstätten mit allgemeinbildendem Anspruch an jedermann, so dienen Schreibseminare an Hochschulen vor allem der Qualifikation von Sprach- und Literaturwissenschaftlern. Eine Umfrage von 1986 weist solche Seminare an 38 bundesdeutschen Hochschulen nach (Rau 1988). Im Unterschied zu den Creative Writing Kursen an amerikanischen Colleges und Universitäten zielen die deutschen Seminare meistens nicht auf die Ausbildung von Autoren, sondern bezwecken eine Intensivierung des literatur- und sprachwissenschaftlichen Studiums, insbesondere auch eine Verbesserung der literaturkritischen Fähigkeiten. Einige Seminare dienen auch der Erweiterung der beim wissenschaftlichen Schreiben benötigten Fähigkeiten und Motivationen (Keseling 1988, Lieber & Posset 1988).

1328

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Das Ziel einer Ausbildung professioneller Journalisten verfolgen Journalistik-Studiengänge an einigen deutschen Universitäten sowie spezielle von Verlagen getragene Journalistikschulen. Um die Ausbildung von Schriftstellern kümmerte sich als ständige öffentliche Einrichtung nur das 1955 dem Maxim-Gorki-Institut in Moskau nachgebildete Johannes-R.-Becher-Institut in Leipzig (Beyer et al. 1980, Gehrke & Zschuckelt 1986), das nach der Auflösung der DDR seine Eigenständigkeit als Literaturhochschule verlor. Eine Ausbildung zum Schriftsteller für jedermann versprechen Fernstudiengänge, die von privaten, kommerziell arbeitenden Instituten angeboten werden. Sie verschicken ihren Teilnehmern Studienmaterial, korrigieren und kommentieren eingesandte Texte, bieten Beratung bei der Veröffentlichung von Manuskripten an und veranstalten auch Wochenendseminare. Die „Axel-Andersson-Akademie“ (Hamburg) bietet außer umfassenden Lehrgängen spezielle Kurse zum belletristischen, zum sachlich-fachlichen und zum journalistischen Schreiben an; das „Poesietherapeutisch-pädagogische Institut“ (Berlin) beschränkt sich auf ein breit gefaßtes Angebot zum „Kreativen Schreiben“.

4.

Literatur

Andrae, Friedrich. 1973. Der Beitrag der Bibliotheken zur Leseerziehung. In: Baumgärtner, 554⫺573. Augst, Gerhard & Faigel, Peter. 1986. Von der Reihung zur Gestaltung. Untersuchungen zur Ontogenese der schriftsprachlichen Fähigkeiten von 13⫺ 23 Jahren. Frankfurt/M. et al. Basse, Michael & Pfeiffer, Eckard. 1988. Literaturwerkstätten und Literaturbörse in der Bundesrepublik. Lebach. Baumgärtner, Alfred Clemens (ed.). 1973. Lesen ⫺ ein Handbuch. Hamburg. Becker, Dieter. 1965. „The Great Books Program“ und seine Aufnahme in Deutschland. In: Päd. Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbands (ed.): Umgang mit literarischen Texten (Arbeitsunterlagen für Volkshochschulen 11). Frankfurt/ M., 76⫺82. Beyer, Ursula et al. (Red.). 1980. Zwischenbericht. Notate und Bibliographie zum Institut für Literatur „Johannes R. Becher“, Leipzig. Leipzig.

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Brenner, Gerd. 1982. Schreibversuche Jugendlicher in Orwells Jahrzehnt. Deutsche Jugend 30, 153⫺ 189.

Matzat, Heinz L. 1973. Leseerziehung im Rahmen der Erwachsenenbildung. In: Baumgärtner, 547⫺ 553.

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen Nagel, Manfred. 1989. Leseförderung durch öffentliche Bibliotheken. In: Stiftung Lesen, 20⫺25. Nolda, Sigrid. 1989. Tendenzen der Volkshochschularbeit im Bereich Literatur ⫺ eine Arbeitsplanauswertung. In: Nolda et al., 85⫺95. Nolda, Sigrid & Tietgens, Hans u. a. 1989. Literatur in der Mediengesellschaft. Zum Umgang mit literarischen Texten. BonnPetzold, Hilarion & Orth, Ilse (ed.). 1985. Poesie und Therapie. Über die Heilkraft der Sprache. Poesietherapie, Bibliotherapie, Literarische Werkstätten. Paderborn. Pleticha, Heinrich & Deutsche Lesegesellschaft (ed.). 1982. Anstiftung zum Lesen. Weiterkommen durch Bücher. Ravensburg. Rau, Hans Arnold. 1988. Kreatives Schreiben an Hochschulen. Berichte, Funktionen, Perspektiven. Tübingen. Scheidt, Jürgen vom. 1989. Kreatives Schreiben. Frankfurt/M. Steinborn, Peter. 1979. Kommunikationsverhalten und Buch, Teil II. Bertelsmann Briefe 97, 3⫺23. Stiftung Lesen (ed.). 1989. Leseclubs für deutsche und ausländische Kinder und Jugendliche. Mainz.

1329

Tietgens, Hans. 1989. Vorbemerkungen. In: Nolda & Tietgens, 9⫺11. Tietgens, Hans. 1990. Zur Vielfalt von Schreibwerkstätten. Eine Auswertung der Arbeitspläne mittelstädtischer Volkshochschulen. Veröffentl. von der Päd. Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbands. Frankfurt/M. Weinmann, Marianne. 1989. Kommunikation zwischen Text und Leser ⫺ Wer war mein Vater? In: Nolda & Tietgens, 54⫺62. Werder, Lutz von. 1986 … triffst Du nur das Zauberwort. Eine Einführung in die Schreib- und Poesietherapie. München/Weinheim. ⫺. 1988. Schreiben als Therapie. Ein Übungsbuch für Gruppen und zur Selbsthilfe. München. Witte, Hartmut. 1986. Ein Spaziergang durch den Blätterwald. Jugendeigene Presse in der BRD. 1986. In: Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, 128⫺137. Wölbert, Gisela. 1989. Literatur in Kursen für Arbeitslose ⫺ Überlegungen und Versuche in Kompaktkursen. In: Nolda & Tietgens, 63⫺71. Zielke, W. 1965. Schneller lesen ⫺ besser lesen. München.

Joachim Fritzsche, Erfurt (Deutschland)

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen 1. 2.

6. 7.

Einführung Störungen beim Schriftspracherwerb: Mögliche diagnostische Gruppierungen Die Erforschung der primären Ursache der Lese/Rechtschreibschwäche Die psychologisch-pädagogische Forschung Ansätze und Untersuchungen zur Intervention Prädiktion und Prävention Literatur

1.

Einführung

3. 4. 5.

Die wissenschaftliche Erforschung der besonderen Probleme beim Erwerb der Schriftlichkeit in alphabetischen Schriftsystemen kann bald auf eine 100jährige Geschichte zurückblicken: 1896 veröffentlichte Morgan den Fall eines 14 Jahre alten Jungen, der trotz guter Intelligenz und ausreichendem Unterricht nur über minimale Fähigkeiten im Lesen und Schreiben verfügte. Der Junge konnte nur wenige einsilbige Wörter lesen, obwohl ihm alle Graphem-Phonem-Korrespondenzen be-

kannt waren. Morgan sah in diesem Fall eine strukturelle Ähnlichkeit zu erworbenen Leseund Schreibstörungen, d. h. dem Verlust einer bereits bestehenden Lese- und Schreibfähigkeit durch eine Hirnschädigung und benannte das Symptombild des Jungen in Analogie zum Begriff der „Wortblindheit“ als „kongenitale Wortblindheit“. Die Idee einer Analogie zwischen erworbenen und kindlichen Lese- und Schreibstörungen wurde erst vor kurzem von englischen Neuropsychologen wieder aufgegriffen (vgl. z. B. Coltheart, Masterson, Byng et al. 1983), ihr Erklärungswert ist aber umstritten (z. B. Bryant & Impey 1986, s. u. 4.4.). In den Jahren nach Morgans Veröffentlichung folgten weitere Fallberichte, interessanterweise vor allem verfaßt von Augenärzten (Hinshelwood 1908, Schröck 1915, u. a., s. aber auch die Berichte von Schulärzten, z. B. Warburg 1911). Das Verständnis der Leseschwäche als einer Störung vor allem des visuellen Systems ⫺ einschließlich der kortikalen Verarbeitung visueller Reize ⫺ korrespondiert mit der Auf-

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen Nagel, Manfred. 1989. Leseförderung durch öffentliche Bibliotheken. In: Stiftung Lesen, 20⫺25. Nolda, Sigrid. 1989. Tendenzen der Volkshochschularbeit im Bereich Literatur ⫺ eine Arbeitsplanauswertung. In: Nolda et al., 85⫺95. Nolda, Sigrid & Tietgens, Hans u. a. 1989. Literatur in der Mediengesellschaft. Zum Umgang mit literarischen Texten. BonnPetzold, Hilarion & Orth, Ilse (ed.). 1985. Poesie und Therapie. Über die Heilkraft der Sprache. Poesietherapie, Bibliotherapie, Literarische Werkstätten. Paderborn. Pleticha, Heinrich & Deutsche Lesegesellschaft (ed.). 1982. Anstiftung zum Lesen. Weiterkommen durch Bücher. Ravensburg. Rau, Hans Arnold. 1988. Kreatives Schreiben an Hochschulen. Berichte, Funktionen, Perspektiven. Tübingen. Scheidt, Jürgen vom. 1989. Kreatives Schreiben. Frankfurt/M. Steinborn, Peter. 1979. Kommunikationsverhalten und Buch, Teil II. Bertelsmann Briefe 97, 3⫺23. Stiftung Lesen (ed.). 1989. Leseclubs für deutsche und ausländische Kinder und Jugendliche. Mainz.

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Tietgens, Hans. 1989. Vorbemerkungen. In: Nolda & Tietgens, 9⫺11. Tietgens, Hans. 1990. Zur Vielfalt von Schreibwerkstätten. Eine Auswertung der Arbeitspläne mittelstädtischer Volkshochschulen. Veröffentl. von der Päd. Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbands. Frankfurt/M. Weinmann, Marianne. 1989. Kommunikation zwischen Text und Leser ⫺ Wer war mein Vater? In: Nolda & Tietgens, 54⫺62. Werder, Lutz von. 1986 … triffst Du nur das Zauberwort. Eine Einführung in die Schreib- und Poesietherapie. München/Weinheim. ⫺. 1988. Schreiben als Therapie. Ein Übungsbuch für Gruppen und zur Selbsthilfe. München. Witte, Hartmut. 1986. Ein Spaziergang durch den Blätterwald. Jugendeigene Presse in der BRD. 1986. In: Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, 128⫺137. Wölbert, Gisela. 1989. Literatur in Kursen für Arbeitslose ⫺ Überlegungen und Versuche in Kompaktkursen. In: Nolda & Tietgens, 63⫺71. Zielke, W. 1965. Schneller lesen ⫺ besser lesen. München.

Joachim Fritzsche, Erfurt (Deutschland)

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen 1. 2.

6. 7.

Einführung Störungen beim Schriftspracherwerb: Mögliche diagnostische Gruppierungen Die Erforschung der primären Ursache der Lese/Rechtschreibschwäche Die psychologisch-pädagogische Forschung Ansätze und Untersuchungen zur Intervention Prädiktion und Prävention Literatur

1.

Einführung

3. 4. 5.

Die wissenschaftliche Erforschung der besonderen Probleme beim Erwerb der Schriftlichkeit in alphabetischen Schriftsystemen kann bald auf eine 100jährige Geschichte zurückblicken: 1896 veröffentlichte Morgan den Fall eines 14 Jahre alten Jungen, der trotz guter Intelligenz und ausreichendem Unterricht nur über minimale Fähigkeiten im Lesen und Schreiben verfügte. Der Junge konnte nur wenige einsilbige Wörter lesen, obwohl ihm alle Graphem-Phonem-Korrespondenzen be-

kannt waren. Morgan sah in diesem Fall eine strukturelle Ähnlichkeit zu erworbenen Leseund Schreibstörungen, d. h. dem Verlust einer bereits bestehenden Lese- und Schreibfähigkeit durch eine Hirnschädigung und benannte das Symptombild des Jungen in Analogie zum Begriff der „Wortblindheit“ als „kongenitale Wortblindheit“. Die Idee einer Analogie zwischen erworbenen und kindlichen Lese- und Schreibstörungen wurde erst vor kurzem von englischen Neuropsychologen wieder aufgegriffen (vgl. z. B. Coltheart, Masterson, Byng et al. 1983), ihr Erklärungswert ist aber umstritten (z. B. Bryant & Impey 1986, s. u. 4.4.). In den Jahren nach Morgans Veröffentlichung folgten weitere Fallberichte, interessanterweise vor allem verfaßt von Augenärzten (Hinshelwood 1908, Schröck 1915, u. a., s. aber auch die Berichte von Schulärzten, z. B. Warburg 1911). Das Verständnis der Leseschwäche als einer Störung vor allem des visuellen Systems ⫺ einschließlich der kortikalen Verarbeitung visueller Reize ⫺ korrespondiert mit der Auf-

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

fassung der Lesetätigkeit als einer vorrangig visuellen; dies entspricht nicht mehr den derzeitigen Modellvorstellungen vor allem des Erwerbs der Schriftlichkeit, die primär sprachliche, insbesondere phonologische Aspekte betonen. Die ophtalmologische und die neurologische Tradition in der Erforschung der Störungen des Schriftspracherwerbs lassen sich bis in die heutige Zeit weiterverfolgen, weiterhin etabliert hat sich vor allem durch die Arbeiten von Ranschburg (1916, 1928) eine psychologisch-pädagogische Forschungstradition, deren Fragestellungen und Methoden im Laufe ihrer Geschichte sehr stark von den jeweiligen Strömungen in der Allgemeinen und Differentiellen Psychologie beeinflußt wurden. Bevor die Entwicklung in den einzelnen Forschungstraditionen aufgezeigt wird, soll zunächst das Phänomen selbst genauer definiert und abgegrenzt werden; es wird deutlich werden, daß uneinheitliche Definitionen und unscharfe Operationalisierungen die Vergleichbarkeit der Forschungsergebnisse ganz erheblich einschränken.

2.

Störungen beim Schriftspracherwerb: Mögliche diagnostische Gruppierungen

2.1. Frühe Ansätze Infantile Wortblindheit vs. Legasthenie. Während es sich in den frühen Berichten von Morgan (1896) und Hinshelwood (1900, 1907) um extreme Fälle von Lese- und Schreibunfähigkeit handelte, wurden später auch Kinder in die Forschung einbezogen, die zwar lesen und schreiben konnten, aber in bezug auf ihr Alter erhebliche Rückstände aufwiesen. Ranschburg (1916, 1928) differenzierte zwischen diesen Symptombildern: Die Extremgruppe der Leseschwachen, die trotz ausreichender Intelligenz allenfalls einfache einsilbige Wörter lesen konnte und trotz Unterrichtung kaum Fortschritte machte, bezeichnete er als infantile Leseblinde, die zweite Gruppe der Lese/Rechtschreibrückständigen, bei denen er durchaus Fortschritte ⫺ wenn auch langsame ⫺ feststellte, nannte er Legastheniker. Bemerkenswert ist, daß er für den Terminus Legastheniker kein Intelligenzkriterium anlegte; Legasthenie ist bei Ranschburg eine erhebliche, aber nicht extreme Rückständigkeit im Lesen und Schreiben, unabhängig von der Höhe der Intelligenz eines Kindes.

Legasthenie vs. allgemeine Lese/Rechtschreibschwäche. Das Erscheinungsbild des infantilen Wortblinden in der Definition von Ranschburg ist relativ selten und deshalb kaum einer nomothetischen empirischen Forschung zugänglich. Das Forschungsinteresse richtete sich in der Zeit nach Ranschburg auf eine Untergruppe seiner Legastheniker, nämlich die Kinder, die im Lesen und Schreiben in der Regel zwar nicht völlig versagen, aber doch erhebliche Schwächen aufweisen, gleichzeitig aber über eine „intakte oder (im Verhältnis zur Lesefähigkeit) gute Intelligenz“ verfügen (Linder 1951, 100) und in ihren übrigen Schulleistungen keine entsprechende Schwäche zeigen (Diskrepanzdefinition). Linder (1951), deren Definition in Deutschland auch für die Schulpraxis sehr einflußreich war, schließt zudem jene Kinder von der Kategorie Legastheniker aus, deren Versagen beim Erwerb der Schriftlichkeit vermutlich auf einen der folgenden Faktoren zurückzuführen ist: ⫺ Störungen der peripheren Sinnesorgane ⫺ sonstige körperliche Behinderungen ⫺ mangelnde Übung infolge ⫺ von Krankheit, ⫺ Fehlen von Schule, ⫺ Sprach- oder Schulwechsel, ⫺ ungewöhnlichen Schulumständen, ⫺ schlechten Schulmethoden, ⫺ oder offensichtlich gestörten Lehrer-Schüler-Beziehungen Mit dieser Definition sollten aus der Gesamtgruppe aller Lese/Rechtscheibschwachen diejenigen Kinder erfaßt werden, deren Versagen unerwartet und nur durch zentrale im Kinde liegende Faktoren mit Krankheitswert erklärlich war. Das Legastheniekonstrukt in dieser Form entspricht dem „medizinischen Modell“ abweichenden Verhaltens (Ullmann & Krasner 1969). Der größte Teil der internationalen Studien zur Lese/Rechtschreibschwäche seit 1950 untersucht Probanden, auf die die Diskrepanzdefinition zutrifft, wobei in der Regel nur die Diskrepanz zwischen den Lese- und/ oder Schreibleistungen (im deutschen Sprachraum häufig nur die Rechtschreibleistung) und dem erreichten Wert in einem sprachfreien Intelligenztest ermittelt wird. Schwache Lese- bzw. Rechtschreibleistungen werden zumeist durch einen Prozentrang von 15 in einem standardisierten Test operationalisiert, daneben finden aber auch Prozentranggrenzwerte von 5, 10 und 20 Verwendung. Als Aus-

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

schlußkriterien gelten vor allem Störungen der Sinnesorgane. Die Qualität des Erstleseund Schreibunterrichts und das Lehrer-Schülerverhältnis läßt sich in den allermeisten Fällen aus rein praktischen Gründen nicht erheben. Die Definition von specific reading disability oder dyslexia im angelsächsischen Bereich entspricht der Diskrepanzdefinition von Linder. 2.2. Kritik an der Diskrepanzdefinition In der Bundesrepublik Deutschland entzündete sich die Kritik an der Diskrepanzdefinition der Legasthenie an den schulischen Fördermaßnahmen, die Legasthenikern mehr Resourcen und eine günstigere Beurteilung zustanden als allgemein lese/rechtschreibschwachen Kindern (vgl. Schlee 1976, Spitta 1977, Weinert 1977). Die Kritik an der unterschiedlichen Behandlung der beiden Gruppen war umso berechtigter, als die Diagnose „Legasthenie“ auf lediglich zwei Testwerten (aus einem Intelligenztest und einem Rechtschreibtest) beruhte, die, wie alle Testwerte, stark von dem konkret ausgewählten Test abhängen und mit Fehlern belastet sind. Die Bund-Länder-Kommission schlug deshalb 1978 in ihren „Grundsätzen zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und des Rechtschreibens“ vor, in der schulischen Praxis auf die Unterscheidung zwischen Legasthenie und Lese/Rechtschreibschwäche zu verzichten und unabhängig von der Intelligenz alle Schüler/innen mit Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftlichkeit zu fördern. Auch die Forschung bietet kaum Befunde, die die Unterscheidung zwischen den beiden Gruppen rechtfertigen könnte, obwohl viele Forscher auch weiterhin mit der Diskrepanzdefinition arbeiten. Die unerwartete Diskrepanz zwischen der Lese/Rechtschreibleistung auf der einen und der Intelligenz auf der anderen Seite verliert schon durch die in der Regel nur mittelhohe Korrelation zwischen beiden Variablen an Bedeutung (vgl. Pfeiffer & Zielinski 1975). Die Klassifikation der Kinder ist nicht nur abhängig von den verwendeten Tests, sondern auch sehr instabil über die Zeit: Nur etwa ein Viertel der von Share & Silva (1986) untersuchten Kinder wurde sowohl im Alter von 7 als auch mit 9 Jahren der gleichen diagnostischen Kategorie zugeordnet. Zudem ermitteln vergleichende Untersuchungen primär eine große Übereinstimmung in den Symptomen „intelligenter“ und

1331

„weniger intelligenter“ Lese/Rechtschreibschwacher (z. B. Seidenberg, Bruck, Fornarolo et al. 1985) und insgesamt ähnliche Reaktionen auf eine Behandlung (Scheerer-Neumann 1988), wenn auch Yule (1973) eine etwas schlechtere Prognose für die specific reading disabled fand. Selbst die Häufigkeit von Reversionsfehlern, die von vielen Lehrern und Laien als untrügliches Zeichen für eine Legasthenie angesehen wird, diskriminiert die Gruppen nicht. Interessante Unterschiede ergeben sich aber hinsichtlich des Anteils der Geschlechter: Jorm, Share, Matthews et al. (1986) und Silva, McGee & Williams (1985) fanden ein Jungen-MädchenVerhältnis von 7:1 unter den specific reading disabled, im Vergleich zu einem Verhältnis von 1:2,5⫺2,9 unter den retarded readers. Der Geschlechtsunterschied an sich spiegelt nur den allgemein bekannten Befund der besseren schulischen Lese- und Schreibleistungen von Mädchen wider, der bei Benutzung gemeinsamer Normen einen höheren Anteil lese/rechtschreibschwacher Jungen ausweisen muß. Interessanterweise fanden Rutter, Tizard, Yule, Graham & Whitmore (1976) in der bekannten umfangreichen Isle-of-Wight-Study neurologische Auffälligkeiten eher bei den retarded readers als bei den Kindern mit specific reading disability, ein Befund, der den vermuteten Krankheitswert der specific reading disability nicht stützt. 2.3. Andere diagnostische Gruppierungen lese/rechtschreibschwacher Kinder Die Population der Lese/Rechtschreibschwachen ist nun im Hinblick auf ihr Erscheinungsbild und die vermuteten Ursachen keineswegs homogen. Es wäre deshalb denkbar, daß andere Definitions- und Gruppierungsversuche das Feld doch strukturieren könnten. Zur Zeit liegen aber für eine alternative symptom- oder ursachenorientierte Gruppierung der betroffenen Kinder im Sinne der eigenschaftsbezogenen Diagnose des medizinischen Modells noch keine zufriedenstellenden Vorschläge und Daten vor. Auch Kinder mit häufigen Reversions- (z. B. d-b-Verwechslungen) und Umstellungsfehlern (z. B. Bort statt Brot) bilden keine Untergruppe, die über dieses Symptom hinaus homogen ist (Ferdinand & Müller 1965). Die Unterteilung in einen verbalen und einen sequentiell-visuellen Typus (Gerstmann-Syndrom) hat sich bisher nur in ausgewählten klinischen Fällen bewährt (Kinsbourne & Warrington 1963).

1332 Dies gilt auch für den Versuch von Boder (1973), aus den dominierenden qualitativen Rechtschreibfehlern dysphonetische, dyseidetische bzw. Kinder mit beiden Ausfällen zu diagnostizieren. Dieser Weg erscheint auch aus anderen Gründen nicht vielversprechend: Lese- und Rechtschreibfehler stehen zwar in einem engen Zusammenhang zu den unzureichenden oder gestörten Teilprozessen des Lesens und Schreibens, sie spiegeln aber auch den derzeitigen Entwicklungsstand eines Kindes beim Erwerb der Schriftlichkeit wider und dürfen deshalb nicht als Hinweise auf überdauernde Schwächen interpretiert werden. Der entwicklungspsychologische Ansatz, der die Lese/Rechtschreibschwäche als eine verzögerte Lernentwicklung interpretiert, läßt sich vor allem im Bereich der Rechtschreibung gut durch Daten stützen (May 1990, Scheerer-Neumann 1989, vgl. 4.5), ist allerdings als alleiniger Erklärungsansatz nicht ausreichend. Möglicherweise sinnvoll wäre die Ausgliederung von Kindern, bei denen gleichzeitig mit der Lese/Rechtschreibschwäche eine Sprachentwicklungsstörung vorliegt; aber neuere Daten zeigen, daß gerade diese Kinder in vielen Teilaspekten der Sprachverarbeitung allgemein Lese/Rechtschreibschwachen ähnlich sind (vgl. Weismer 1993). Stanovich (1993) hat zur Erfassung der Kinder, die nicht allgemein sprachentwicklungsverzögert sind, sondern nur an der phonologischen Komponente des Lesens scheitern, eine neue Diskrepanzdefinition vorgeschlagen, die das Leseverständnis mit dem Verstehen gesprochener Sprache in Beziehung setzt. Dies ist ein interessanter Ansatz; zu bedenken ist jedoch, daß sich das Verstehen gesprochener und geschriebener Sprache sicher nicht unabhängig voneinander entwickeln. Stanovich nimmt jedoch keine diskreten Kategorien an, sondern vermutet ein Kontinuum zwischen dem Kind mit specific reading disability, das lediglich am „phonologischen Knackpunkt“ des Lesens scheitert und gute Leistungen im Verstehen gesprochener Sprache zeigt und dem garden variety poor reader, der auch in komplexeren sprachlichen Leistungen Schwächen aufweist. 2.4. Das Ausmaß des Problems Der Prozentsatz der Kinder mit erheblichen Problemen beim Erwerb der Schriftlichkeit wird in Ländern mit alphabetischen Schriftsystemen auf 5⫺10% geschätzt. Für genauere Angaben wäre eine verbindlichen Operatio-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

nalisierung des Versagens notwendig, die nicht vorliegt. Übereinstimmend wird ein höherer Anteil betroffener Jungen im Vergleich zu Mädchen berichtet; das Verhältnis liegt mindestens bei 2,5:1 (vgl. Richter & Brügelmann, 1994). Zumeist sind sowohl das Lesen als auch das Rechtschreiben betroffen; es lassen sich jedoch auch Rechtschreibprobleme ohne Leseprobleme beobachten und weit seltener Leseprobleme ohne Rechtschreibprobleme (nur 2% bei Klicpera & GasteigerKlicpera 1993). Während die meisten lese/rechtschreibschwachen Kinder spätestens ab dem 3. Schuljahr lesen und schreiben können und nur ungewöhnlich viele Fehler machen, gibt es eine zahlenmäßig sehr kleine Gruppe, die über so geringe Lese- und Schreibfähigkeiten verfügt, daß sie diese nicht funktional einsetzen kann (vgl. die infantilen Leseblinden bei Ranschburg). Auch unter günstigen Bedingungen kann die Grundschule das für diese Kinder notwendige individuelle Förderangebot nicht leisten, sondern bedarf der Hilfestellung anderer Institutionen. Der aus dieser Situation unmittelbar ableitbare Handlungsbedarf läßt die Gruppe der „extrem Schwachen“ als eine sinnnvolle Unterkategorie aller Kinder mit Lese/Rechtschreibschwäche erscheinen.

3.

Die Erforschung der primären Ursachen der Lese/Rechtschreibschwäche

Im Laufe der fast 100jährigen Forschungsgeschichte zur Lese/Rechtschreibschwäche haben sich verschiedene Disziplinen mit dem Problem befaßt und unterschiedliche Forschungstraditionen etabliert. Während Ranschburg schon an der Analyse der Leseund Schreibprozesse langsamer Lerner interessiert war und dazu fruchtbare Experimente durchführte (Ranschburg 1928), hat sich die Forschung in den nachfolgenden Jahrzehnten sehr intensiv mit den vermuteten Ursachen des Versagens befaßt. Nach relevanten Faktoren im Sinne von proximalen und distalen Ursachen wurde und wird sowohl auf der neurologischen, der sinnesphysiologischen und der psychologischen Analyseebene gesucht. 3.1. Methodologische Probleme Unabhängig von den jeweiligen konkreten Untersuchungsverfahren stellen sich in der Ursachenforschung methodologische Pro-

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

bleme, die kaum adäquat zu bewältigen sind. Das am häufigsten verwandte Forschungsparadigma ist der Vergleich von Extremgruppen guter bzw. schwacher Leser/Rechtschreiber auf ausgewählten Merkmalsdimensionen. Parallelisiert man die Probandengruppen, die man miteinander vergleicht, nur in Bezug auf ihre Altersstufe, so sind jedoch Unterschiede in Bezug auf fast jedes erhobene Merkmal vorprogrammiert. Parallelisiert man sie dagegen bezüglich der verbalen oder nicht-verbalen Intelligenz, so vergleicht man Ausschnitte aus den beiden Populationen, die jeweils nicht repräsentativ sind. Valtin (1981) hat sehr eindrucksvoll aufgezeigt, daß die Befunde zu kognitiven Leistungsunterschieden zwischen guten und schwachen Lesern stark davon abhängig sind, welche Aspekte der Intelligenz parallelisiert wurden. Zudem ist anzunehmen, daß viele Faktoren (z. B. der Wortschatz) nicht nur Ursache, sondern auch Folge der Lese/Rechtschreibschwäche sind. Extremgruppenvergleiche sind deshalb nur schwer interpretierbar. Eine gute methodische Alternative, die jedoch erst in neuester Zeit verwandt wird, ist die Parallelisierung der Probanden nicht nach ihrem chronologischen Alter, sondern nach ihrem Lesealter. Die zugrundeliegende Überlegung ist die folgende: Finden sich Unterschiede in kognitiven Teilleistungen zwischen den in Bezug auf ihre Altersgruppe guten oder durchschnittlichen jüngeren Lesern im Vergleich zu den in Bezug auf ihre Altersgruppe schwachen älteren Leser, so wären diese nicht auf die bisherige Leseerfahrung zurückzuführen, sondern als spezifische Probleme der Leseschwachen interpretierbar. Das Lesealtervergleich-Paradigma ist sicher eine gute Alternative (vor allem, wenn sie zusätzlich zum chronologischen Altersvergleich eingesetzt wird), aber auch nicht ganz unproblematisch: Die Lerngeschichte der Vergleichsgruppen ist so unterschiedlich, daß Abweichungen in den Lesestrategien trotz einer etwa gleichen globalen Lesefähigkeit zu erwarten sind. Vor allem in der pädagogisch-psychologischen Forschung wurde bei Verwendung von metrischen Variablen auch oft mit Korrelationsverfahren gearbeitet, in die Daten von Kindern einer breit gestreuten Lesefähigkeit eingehen. Dieses Verfahren ist akzeptabel, solange die Daten nicht kausal interpretiert werden. Die erwähnten methodologischen Probleme machen es oft nicht leicht, die von den Autoren empirischer Studien nahegelegten Interpretationen ihrer Daten zu akzeptie-

1333

ren. Darüberhinaus kann die nomothetische Forschung durch die Heterogenität der betroffenen Probanden und die Variabilität, die sich aus der Interaktion ihrer kognitiven und Persönlichkeitsmerkmale mit Lern- und Entwicklungsverläufen ergibt, nur Tendenzen aufzeigen; die Problemkonstellation in Einzelfällen läßt sich davon nicht ableiten. Diese Einschränkung gilt insbesondere für die Ursachenforschung, aber auch für die Analyse der unmittelbar beim Lesen beteiligten sprachlichen Faktoren und Prozesse (vgl. 4.2 und 4.3.) 3.2.

Neurologische Faktoren und andere organische Störungen

3.2.1. Neurologische Verursachungen Offensichtlich hirngeschädigte Kinder werden in der Regel auch bei Verzicht auf die Diskrepanzdefinition nicht den „Lese/Rechtschreibschwachen“ zugeordnet. Neurologische Untersuchungen vor allem aus den 60er und 70er Jahren befaßten sich entsprechend vorrangig mit soft (oder minor) neurological signs bei lese/rechtschreibschwachen Kindern, z. B. Auffälligkeiten in der Feinmotorik und im Aufmerksamkeitsverhalten, von denen auf eine frühkindliche Hirnschädigung geschlossen wurde. Während in einigen klinischen Studien (in denen häufig aber die Kontrollgruppen fehlten) über ein vermehrtes Auftreten dieser soft neurological signs berichtet wurde (z. B. Klasen 1970), wird dieser Befund in repräsentativen Studien nicht unbedingt bestätigt (z. B. Rutter, Tizard, Yule et al. 1976). Critchley (1966) kommt zu dem Schluß: „Many a dyslexic ⫺ perhaps even the majority of cases ⫺ show no such disabilities … Perhaps they should be regarded as important epiphenomena ⫺ significant when they occur, but not essential in any consideration as to pathogenesis or aetiology“ (Critchley, 1966). Aus perinatalen Belastungen läßt sich eine spätere Lese/Rechtschreibschwäche nicht vorhersagen: In der umfassenden Untersuchung von Balow, Rubin & Rosen (1975⫺1976) fand sich kein prospektiver, wohl aber ein retrospektiver Zusammenhang zwischen perinatalen Risikofaktoren und dem späteren Auftreten einer Lese/ Rechtschreibschwäche. Während die bisher erwähnten Studien nur indirekt auf eine Hirnschädigung schließen lassen, haben Galaburda, Sherman, Rosen et al. (1985) Gehirne von vier erwachsenen verstorbenen Lese/Rechtschreibschwachen ana-

1334 tomisch untersucht. Sie beobachteten eine fehlende Asymmtrie zwischen dem rechten und linken Planum temporale des Großhirns und strukturelle Abweichungen der Zellen in diesem Bereich und zwar Ektopien, d. h. Intrusionen von Zellen aus anderen Gehirnschichten und Dysplasien, d. h. eine Desorganisation von Zellen innerhalb einer Schicht. Galaburda et al. vermuten einen Zusammenhang zwischen diesen strukturellen Abweichungen der Gehirnzellen und der Ausschüttung des Hormons Testosteron während der Schwangerschaft, sehen diese Interpretation aber selbst noch als vorläufig an. Die der heutigen Forschung zur Verfügung stehenden neurophysiologischen Methoden ermöglichen die Beobachtung der Hirnaktivitäten während des Lesens. Sowohl mit der BEAM-Technik (Brain Electrical Activity Mapping) als auch bei der Registrierung cerebraler metabolischer Prozesse wurden Unterschiede zwischen Leseschwachen und Kontrollkindern festgestellt (z. B. Duffy, Denckla, Bartels et al. 1980), die aber schwer zu interpretieren sind. Unterschiede in der elektrophysiologischen oder metabolischen Aktivität des Großhirns zwischen guten und schwachen Lesern während des Lesens können strukturell, aber auch funktional bedingt sein: Es ist geradezu zu erwarten, daß Unterschiede in kognitiven Prozessen sich auch auf der Ebene der Hirnaktivität widerspiegeln. 3.2.2. Erblichkeit In der letzten Zeit wird auch die Hypothese der Erblichkeit der Schwäche wieder verstärkt diskutiert. In der umfangreichen „Colorado Familiy Reading Study“ fanden DeFries, Vogler & LaBuda (1986) Hinweise auf die Erblichkeit des Problems bei einem Teil der betroffenen Kinder. So war z. B. die Wahrscheinlichkeit eines lese/rechtschreibschwachen Jungen, lese/rechtschreibschwache Eltern zu haben, gegenüber nichtbetroffenen Kindern deutlich erhöht. Ein Zwillingsvergleich innerhalb der gleichen Stichprobe (Olson, Wise, Conners, Rack & Fulker 1989) deutet auf die Erblichkeit vor allem phonologischer Fähigkeiten hin, die heute als Kernproblem lese/rechtschreibschwacher Kinder gelten (vgl. 4.2.). In einer methodisch sehr origninellen Arbeit, der Analyse alter Kirchenbücher, kommen auch Lundberg & Nilsson (1986) zur Vermutung erblicher Beziehungen bei Lese/Rechtschreibschwäche. Über den Modus der Vererbung lassen sich

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

aber weder aus ihrer Untersuchung noch aus den anderen Studien gesicherte Aussagen machen. 3.2.3. Störungen der Sinnesorgane Erwerbsstörungen der Schriftlickeit bei schwerhörigen und sehschwachen Kindern werden in diesem Kapitel nicht angesprochen. Es gibt aber unter den Lese/Rechtschreibschwachen ohne manifeste Ausfälle der Sinnesorgane möglicherweise Kinder mit nur subtilen Störungen, die den Erwerbsprozeß trotzdem behindern. 1) Störungen im visuellen System. Während bei den meisten lese/rechtschreibschwachen Kindern das fast fehlerfreie Abschreiben und die guten Leistungen in Wahrnehmungsaufgaben mit figürlichem Material (Valtin 1970) auf ein intaktes visuelles System schließen lassen, scheint es Kinder zu geben, für die das Lesen durch eine instabile binokulare Fixation erschwert ist; allerdings konnten die ursprünglichen Befunde von Stein & Fowler (1982) nicht bestätigt werden (Bishop 1989). Möglicherweise handelt es sich um ein relativ seltenes Phänomen, das bei repräsentativen Stichproben nicht statistisch überzufällig auftritt. Ebenfalls noch nicht geklärt ist die Situation in Bezug auf frühe Stufen der visuellen Verarbeitung: Lovegrave, Martin & Slaghuis (1986) nehmen bei einem großen Teil der leseschwachen Kinder eine Asynchronie zwischen dem transienten und dem stationären (sustained) visuellen System an, eine Hypothese, die noch weiterer Untersuchungen bedarf. In der Reihe der visuellen Faktoren, die in der Literatur mit einer Leseschwäche in Verbindung gebracht werden, sind auch Augenbewegungen zu erwähnen: Es ist schon lange bekannt, daß schlechte Leser beim Lesen mehr Regressionen, d. h. Rechts-LinksSprünge ausführen als gute Leser (Tinker 1958). Dieser Unterschied wird von vielen Autoren allerdings weniger als Ursache, sondern Ausdruck unzureichender Lesestrategien interpretiert (z. B. Tinker selbst und Rayner 1986). Trotzdem stehen Hypothesen über die primäre Störung von Augenbewegungen bei Leseschwachen noch im Raum (z. B. Pavlidis 1981) und bedürfen der weiteren Untersuchung. 2) Störungen des Gehörs. Kinder mit Störungen oder Schwächen des peripheren Hörapparates werden nach den eingangs gegebenen Definitionen nicht zur Kategorie der

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

Lese/Rechtschreibschwachen gerechnet. Es finden sich aber bei manchen lese/rechtschreibschwachen Kindern Sprachverarbeitungsstörungen, die von Audiologen als zentrale Fehlhörigkeit bezeichnet werden; gemeint ist eine Beeinträchtigung der Sprachverarbeitung trotz normaler Hörschwelle für Töne, die sich u. a. in einer erschwerten Spracherkennung unter Störbedingungen zeigt (vgl. Esser, Anderski, Birken et al. 1987). 3.3 Der Einfluß soziokultureller Faktoren Die Beziehung zwischen vorschulischer literaler Erfahrung und den Erfolgen beim Lesenund Schreibenlernen ist hinreichend belegt. Sowohl Vorlesen durch die Eltern als auch häusliches Vorlesen der Kinder korrelieren positiv mit der Leseleistung der Kinder (vgl. Teale & Sulzby, 1984, Hurrelmann 1993). Für den deutschen Sprachraum fanden sowohl Valtin (1970) als auch Niemeyer (1974) ein geringeres Bildungsniveau der Mütter, eine geringere Anzahl von Büchern im Haushalt und eine größere Geschwisterzahl bei Lese/ Rechtschreibschwachen im Vergleich zu leistungsstarken Kindern. Geringe Vorerfahrungen mit der Schrift und wenig akademische Unterstützung durch das Elternhaus sind sicher nicht alleine für unterdurchschnittliche Lese- und Schreibleistungen verantwortlich; sie können aber mit anderen unzureichenden Lernvoraussetzungen, z. B. Schwierigkeiten bei der Phonemanalyse (vgl. 4.2) negativ interagieren.

4.

Die psychologisch-pädagogische Forschung

4.1. Forschung im Rahmen der Differentiellen Psychologie Die psychologisch-pädagogische Legasthenieforschung stand vor allem in den 50er und 60er Jahren ganz in der Tradition der Differentiellen Psychologie. Sie verfolgte das Ziel, die kognitiven Funktionen oder Teilleistungen zu ermitteln, die bei lese/rechtschreibschwachen Kindern möglicherweise unzureichend ausgebildet sind und auf der kognitiven Ebene das Versagen bedingen. Die Untersuchungen sind zahlreich (Überblick bei Angermaier 1970 und Valtin 1970) und haben Anlaß zu einem bestimmten Typ von Interventionsverfahren, den Funktionstrainings, gegeben, in denen eben jene unzureichenden Funktionen trainiert und damit gestärkt wer-

1335

den sollten. Die Fragestellungen waren vor allem auf die visuelle und die akustische Wahrnehmung gerichtet, auf Gedächtnisleistungen und sprachliche Bereiche. Zum Teil wurden Aufgaben selbst entwickelt, zum Teil Tests eingesetzt. Die Frage nach einem „typischen“ Untertestprofil im Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Kinder (HAWIK) löste eine Kette von Untersuchungen aus (z. B. Schubenz & Böhmig 1964). Es ergaben sich bei Lese/Rechtschreibschwachen Minderleistungen in den sprachlichen Untertests und im Umgang mit Symbolen, mindestens durchschnittliche Leistungen dagegen bei der Lösung von Aufgaben mit bildlichem Material. Die Befunde über die Begabungsstruktur Lese/Rechtschreibschwacher sind aus der Perspektive der Forschung durchaus interessant, die Ableitung von Fördermaßnahmen ist jedoch äußerst fragwürdig. Eine gezielte Intervention im Hinblick auf eine unzureichend ausgebildete kognitive Funktion setzt eine kausale Beziehung dieser Funktion zum Lesen- und Schreibenlernen voraus. Dieser Nachweis ist aber kaum zu erbringen, wenn die untersuchten kognitiven Funktionen nicht unmittelbare Teilprozesse des Lesens und Schreibens selbst sind. Bei einem korrelativen Zusammenhang zwischen zwei Variablen ist unklar, in welcher Richtung Abhängigkeitsverhältnisse bestehen; alternativ können auch beide Faktoren mit einem dritten variieren. Hinzu kommt, daß die in der beschriebenen Forschungstradition verwendeten Konstrukte wie das visuelle Gedächtnis oder die akustische Wahrnehmung sowohl für ein Verständnis des Problems als auch für die Intervention zu grobe Konstrukte sind. Seit den sehr detaillierten Analysen von Wahrnehmungs- und Denkleistungen im Rahmen der Kognitiven Psychologie (z. B. Neisser 1967) ist bekannt, daß die Teilprozesse z. B. in visuellen Aufgaben je nach Aufgabenstellung und Reizmaterial ganz unterschiedlich ablaufen. Bilder werden nicht auf die gleiche Weise verarbeitet wie zufällige Figuren oder Wörter. Diese Erkenntnis war ein erneuter Impuls für das Teilgebiet der Leseforschung, das sich mit den gestörten Leseund Schreibprozessen selbst befaßt (vgl. Scheerer-Neumann 1977, aber auch schon Ranschburg 1928). 4.2. Neuere Forschung zu sprachlichen Leistungen bei lese/rechtschreibschwachen Kindern Die neuere Forschung zur Lese/Rechtschreibschwäche, die aus der Tradition der Differentiellen Psychologie entstanden ist, hat die

1336 kognitive Psychologie rezipiert und verzichtet auf vorschnelle kausale Interpretationen. Zum Teil sind die Übergänge zur Leseforschung fließend. In methodisch ausgereiften Untersuchungen bestätigte sich der Befund durchschnittlicher visueller Wahrnehmungsleistungen bei Lese/Rechtschreibschwachen (z. B. Vellutino 1987), so daß sich die Fragestellungen in letzter Zeit ganz auf den sprachlichen Bereich konzentrieren. Unter den Lese/Rechtschreibschwachen finden sich viele Kinder mit einer diagnostizierten Sprachentwicklungsstörung (vgl. Weismer, 1993). Der spezifische funktionale Zusammenhang ist dabei noch relativ unklar: Es ist denkbar, daß beide Störungen Ausdruck einer cerebralen Reifungsverzögerung sind; aber ebenso ist es möglich, daß eine unzureichende Kompetenz in bestimmten sprachlichen Bereichen den Erwerb der Schriftsprache behindert. Aber auch bei lese/ rechtschreibschwachen Kindern ohne Sprachentwicklungsverzögerung ergeben sich in bestimmten sprachlichen Bereichen Minderleistungen gegenüber durchschnittlich lesenden und schreibenden Kindern. Die Befunde zu verschiedenen Aspekten (z. B. Syntax) komplexer Sprachproduktionen sind nicht ganz eindeutig (vgl. Roth & Spekman 1989). Wenn in den Untersuchungsaufgaben aber metalinguistische Prozesse gefordert werden, zeigen die Ergebnisse sehr stabil schwächere Leistungen der Lese/Rechtschreibschwachen (vgl. Weismer 1993). Dies gilt für die Beurteilung der Grammatikalität eines Satzes (z. B. Flood & Menyuk 1983), für das Verstehen von Metaphern und vor allem für das Bewußtsein der phonologischen Merkmale der Sprache (vgl. Blachman 1989, Wagner & Torgesen 1987). Bei komplexeren sprachlichen Leistungen liegt ein reziprokes Verhältnis zur Lesefähigkeit nahe. Dies gilt aber auch für die phonologische Bewußtheit, die derzeit im Zentrum der Forschung steht und sowohl als Voraussetzung zum Schriftspracherwerb als auch als dessen Folge gelten kann. Neben Untersuchungen, die unmittelbar lautanalytische Fähigkeiten lese/rechtschreibschwacher Kinder erfassen, die auch als Teilprozesse des Schreibens gelten können, werden im Folgenden auch Studien vorgestellt, die phonologische Teilprozesse in anderen Aufgaben untersuchen: Bei der Speicherung im verbalen Kurzzeitgedächtnis und beim schnellen Benennen von Bildern und Farben. Auf mögliche Beziehungen zwischen diesen Prozessen wird weiter unten eingegangen werden.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

4.2.1. Phonologische Bewußtheit Schon Bosch (1937) hat darauf hingewiesen, daß eine objektive Einstellung zur gesprochenen Sprache die Vorausetzung zum Schrifterwerb ist; Leseanfänger müssen lernen, auf die phonologischen Merkmale von Wörtern unabhängig von deren Bedeutung zu achten. Diese metalinguistische Einstellung zu den phonologischen Merkmalen der Sprache wird auch als phonologische Bewußtheit im weiteren Sinne bezeichnet (Marx 1992a, b), im Gegensatz zu den Begriffen Phonemanalye und Synthese, die sich jeweils auf sehr spezifische phonologische Operationen beziehen. Der Begriff Phonemanalyse meint die Gliederung eines gesprochenen Wortes in seine Phonembestandteile, wobei die Operationalisierung in den konkreten Untersuchungsaufgaben sehr unterschiedlich sein kann; neben der vollständigen Analyse eines Wortes in Phoneme kann auch nur die Analyse eines oder weniger Phoneme gefordert werden oder die Reproduktion des Wortes unter Weglassung eines Phonems (z. B.: „Was bleibt übrig, wenn man bei „mich“ das „m“ wegläßt?). Bei der Synthese muß ein Wort aus vorgegebenen Phonemen rekonstruiert werden. Kossakowski (1961) und Becker (1967) hatten schon in den 60er Jahren auf Minderleistungen lese/rechtschreibschwacher Kinder im Bereich der Phonemanalyse aufmerksam gemacht. In den letzten Jahren entwickelte sich diese Beziehung international zu einem zentralen Forschungsthema; sie wurde in hohem Maße bestätigt (Bradley & Bryant 1983, Überblick bei Blachman 1989 und bei Wagner & Torgeson 1987). Vor allem jüngere leistungsschwache Leser und Rechtschreiber zeigen eindeutig niedrigere Leistungen in Aufgaben zur Phonemanalyse als ihre leistungsstarken Klassenkameraden. Auch bei der Methode des Lesealtervergleichs fällt das Ergebnis zuungunsten der Lese/Rechtschreibschwachen aus (Snowling 1981). Darüberhinaus hat die Leistung in Aufgaben zur Phonemanalyse einen hohen prognostischen Wert für die spätere Lese- und Rechtschreibleistung (z. B. Lundberg, Olofsson & Wall 1980, Stanovich, Cunningham & Cramer 1984, Marx 1992a, b). Trotz der engen und in vielen Untersuchungen betätigten Beziehung zwischen Phonemanalyse und Leseleistung ist der genaue Kausalzusammenhang noch nicht geklärt: Während die geringeren Leistungen der Lese/ Rechtschreibschwachen die Phonemanalyse als Voraussetzung zum Schriftspracherwerb

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

erscheinen lassen, betonen Ehri (Ehri 1987, Hohn & Ehri 1983) und die Forschergruppe um Morais und Bertelson (Morais, Cary, Alegria et al. 1979, Morais, Bertelson, Cary et al. 1986) den Einfluß des Leseunterricht, der (neben regelrechten Übungen zur Phonemanalyse) Einsicht in das alphabetische Prinzip unserer Schrift vermittelt und die Relevanz von Phonemen durch ihre Korrespondenz zu Graphemen verdeutlicht. 4.2.2. Phonologische Verarbeitung: Codieren, Speichern und Abrufen Die phonologischen Probleme lese/rechtschreibschwacher Kinder sind nicht auf den metalinguistischen Bereich beschränkt; sie zeigen sich auch in Aufgaben, in denen gesprochene Sprache codiert und behalten werden muß. So bereitet Lese/Rechtschreibschwachen das Nachsprechen längerer Wörter (Kossakowski 1961, Valtin 1971) und einund mehrsilbiger Pseudowörter weit mehr Probleme als Kontrollkindern. An welchem funktionalen Ort der Verarbeitung dieser Effekt anzusiedeln ist, ist noch unklar. Obwohl eine periphere Diskriminationsschwäche in der Regel ausgeschieden werden kann, scheint die Wahrnehmungsseite durchaus betroffen zu sein: In einer Untersuchung von Brady, Shankweiler & Mann (1983) hatten die Lese/Rechtschreibschwachen besondere Probleme, einsilbige Pseudowörter unter Maskierungsbedingungen zu erkennen; entsprechende Probleme wurden bei der Identifikation von Umweltgeräuschen nicht beobachtet. Auf der anderen Seite zeigt die in der Regel normale Aussprache der Kinder, daß evt. vorhandene auditive Wahrnehmungsstörungen auf jeden Fall nicht so gravierend sind, daß sie den primären Spracherwerb beeinträchtigen. Möglicherweise benötigen lese/rechtschreibschwache Kinder aber mehr Lerndurchgänge, um einen neuen phonologischen Code zu erwerben. Experimente zum Kurz- und Langzeitgedächtnis bei Lese/ Rechtschreibschwachen zeigen ganz eindeutig deren Minderleistungen, und zwar vor allem dann, wenn wie bei Pseudowörtern ein neuer phonologischer Code gelernt werden muß (vgl. Vellutino 1987, Übersicht bei Catts 1989). Unterschiede zuungunsten der Lese/Rechtschreibschwachen finden sich nicht nur bei phonologischen Codierungs- und Gedächtnisaufgaben, sondern auch beim Abrufen von Wörtern aus dem inneren Lexikon: Lese/ Rechtschreibschwache machen mehr Fehler

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beim Benennen von Gegenständen oder Bildern, auch wenn ihnen die Wörter prinzipiell bekannt sind; ihre verbale Reaktionszeit liegt deutlich über dem Durchschnitt (Denckla & Rudel 1976). Die Beziehung zwischen Leseund Rechtschreibfähigkeit und der Genauigkeit der verbalen Reaktion beim Benennen gilt sogar für Erwachsene (Cantwell & Rubin 1992). Die Interpretation dieser Minderleistung als phonologisches Problem wird durch Experimente gestützt, in denen die Art der Vorinformation variiert wurde: Während semantische Informationen die Benennensleistung von Lese/Rechtschreibschwachen nicht steigerte, konnte eine Verbesserung durch phonologische Teilinformationen wie den Anfangslauten erreicht werden (Rubin, Bernstein & Katz 1989). Obwohl Schwächen im verbalen Kurzzeitgedächtnis und beim Abrufen verbaler Codes aus dem inneren Lexikon als Epiphänomen zur Leseschwäche angesehen werden könnten, ist ein direkter Zusammenhang anzunehmen: Auf allen Ebenen des Lesens, d. h. sowohl beim Erlesen als auch später beim Lesen komplexer Sätze, muß immer ein Teil des bereits Codierten zur endgültigen Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis zwischengespeichert werden. Hinzu kommt, daß die langsame Verarbeitungsgeschwindigkeit bei Leseschwachen das Vergessen im Kurzzeitgedächtnis noch begünstigt. Auch Verlangsamungen beim Abrufen von Wörtern aus dem inneren Lexikon können das Lesen beeinträchtigen, da der Zugriff zu diesem Speicher ein Teilprozeß des Worterkennen ist. 4.3. Die Analyse der Lese- und Rechtschreibschwäche im Rahmen der experimentellen Lese- und Schreibforschung Die Analyse der Lese/Rechtschreibschwäche im Rahmen der kognitionspsychologischen Lese- und Schreibforschung unterscheidet sich prinzipiell von dem Ansatz der Differentiellen Psychologie, der unter 4.1 besprochen wurde: Das Ziel der Analyse ist eine Bestandsaufnahme derjenigen Teilprozesse des Lesens und Schreibens selbst, die von lese/ rechtschreibschwachen Kindern nicht oder nur unzureichend geleistet werden können; die Verknüpfung dieser Minderleistungen mit anderen kognitiven Fähigkeiten ist sekundär. Der Schwerpunkt der Studien liegt im Bereich des Lesens, entsprechende Untersuchungen zu den Prozessen beim Rechtschrei-

1338 ben sind weit weniger zahlreich und werden im Anschluß an die relevanten Ausschnitte der Leseforschung referiert werden. 4.3.1. Leseforschung Die frühen Untersuchungen in der experimentalpsychologischen Tradition befaßten sich vor allem mit der Worterkennung (→ Art. 77); obwohl dieser Akzent sicher in engem Zusammenhang mit den in den 70er Jahren verfügbaren Lesemodellen zu sehen ist, war die Wahl offensichtlich sehr glücklich: Tatsächlich scheinen die Hauptprobleme sogar älterer Leseschwacher in der schnellen und richtigen Wortidentifkation zu liegen (Scheerer-Neumann 1981a,b, Snowling 1993). Das Leseverständnis sogar leseschwacher Siebtklässler (!) läßt sich sehr gut aus ihren Leistungen bei der Wortidentifikation vorhersagen (Ehrlich, Kurtz-Costes & Loridant 1993). Trotzdem ist es sinnvoll, auch höhere Lesestrategien leseschwacher Kinder zu analysieren. Die folgenden Abschnitte berichten über Studien zu unzureichenden Teilprozessen des Lesens bei leseschwachen Kindern. Sie nehmen vor allem Bezug auf das „Zwei-WegeModell“ des Worterkennens, das von Coltheart (1978) vorgestellt und in der Literatur intensiv diskutiert wurde (Humphreys & Ewett 1985). Das Modell nimmt zwei Wege zur Wortidentifikation an, einen Weg des „direkten“ Worterkennens und einen „indirekten“ Weg, bei dem ein Wort im inneren Lexikon über die Synthese der den Graphemen entsprechenden Phoneme angesteuert wird („phonological assembly“). Während der indirekte Weg auf gespeicherte Graphem-Phonem-Korrespondenzen zurückgreift, ist die entscheidende Langzeitgedächtniskomponente für den direkten Weg das innere orthographische Lexikon mit seinen visuellen, phonologischen und semantischen Komponenten. Das ursprüngliche Zwei-Wege-Modell nahm einen zeitlich und funktional parallelen Verlauf der beiden Wege an; die Lesereaktion sollte dem Ergebnis des „schnelleren“ Weges entsprechen („horse-race-model“). Die Vermutung der funktionalen Unabhängigkeit beider Wege hat sich jedoch nicht bestätigt: In Aufgaben, bei denen ein direkter Zugriff wahrscheinlich ist, zeigen sich phonologische Einflüsse, und umgekehrt ist sogar das Lesen von Pseudowörtern, das primär nur durch den indirekten Weg geleistet werden kann, von lexikalischen Faktoren abhängig (z. B. Glushko 1979, vgl. Humphreys & Ewett

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

1985). Trotz dieser Einschränkungen ist schon allein die begriffliche Unterscheidung zwischen einem eher lexikalisch gesteuerten Worterkennen und dem regelgeleiteten Erlesen für ein Verständnis des Leseprozesses und vor allem auch des Leselernprozesses sehr wichtig. 4.3.1.1. Lesen von Pseudowörtern Zahlreiche Studien haben die relative Funktionstüchtigkeit der beiden Wege des ZweiWege-Modells bei Leseschwachen untersucht. Dabei wird das indirekte Lesen durch die Vorgabe von Pseudowörtern operationalisiert, die ⫺ da sie per definitionem unbekannt sind ⫺ nicht direkt erkannt werden können. Die Operationalisierung des direkten Worterkennens erfolgt dagegen durch das Lesen phonographisch unregelmäßiger Wörter, die im Englischen relativ häufig sind. Der größte Teil der Arbeiten zum Lesen von Pseudowörtern hat ein Defizit der schwachen Leser in dieser Lesestrategie aufgezeigt. Während sich Leseschwache beim Lesen von häufigen Wörtern nur wenig von guten Lesern unterscheiden, brauchen sie beim Lesen von Pseudowörtern (und seltenen und/oder längeren Wörtern) weit mehr Zeit und/oder machen mehr Fehler als gute bzw. durchschnittliche Leser (Baddeley, Ellis, Miles et al. 1982, Scheerer-Neumann, Aloha, König & Reckermann 1978). Eine Minderleistung der Leseschwachen beim indirekten Lesen ist gut vereinbar mit den Befunden zur phonologischen Bewußtheit und zum verbalen Kurzeitgedächtnis, die weiter oben referiert wurden: Der indirekte Weg des Worterkennens ist ein phonologisch vermittelter Weg, es ist der Weg der expliziten Synthese der Phoneme. Bis ein Wort endgültig synthetisiert ist, müssen zudem die schon decodierten Phoneme im verbalen Kurzzeitgedächtnis zwischengespeichert werden. Ein Defizit der Leseschwachen beim Lesen von Pseudowörtern wird allerdings nicht in all den Untersuchungen bestätigt, die mit dem Paradigma des Lesealtersvergleichs arbeiten (Überblick bei Rack, Snowling & Olson 1992), d. h. daß die schwächere Leseleistung nicht unbedingt auf ein „phonologisches Problem“ der Kinder im Sinne eines Merkmals des Kindes hinweisen muß, sondern auch als Lerndefizit, als Ausdruck eines verzögerten Leselernprozesses interpretiert werden kann.

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

4.3.1.2. Kenntnis und schnelle Anwendung von Graphem-PhonemKorrespondenzen Eine andere grundlegende Komponente des indirekten Weges, die das Lesen von Pseudowörtern beeinträchtigen könnte, ist die Kenntnis und schnelle Anwendung von GraphemPhonem-Korrespondenzen. Tatsächlich hat ein Teil der Leseschwachen bereits erhebliche Probleme beim Erwerb der Graphem-Phonem-Zuordnungen; diese Kinder wurden auch als literale Legastheniker bezeichnet (vgl. Schenk-Danzinger 1968), in Abgrenzung zu verbalen Legasthenikern, deren Probleme erst auf der Wortebenen beginnen. Scheerer-Neumann (1981a) fand, daß auch leseschwache Drittklässler, die im Prinzip die Zuordnung von Phonemen zu Graphemen leisten konnten, dafür mehr Zeit benötigten als gute Leser. Zu untersuchen wäre auch der Automatisierungsgrad der Buchstabenidentifikation bei Leseschwachen; in Einzelfällen ist eine erhebliche Anstrengung mancher leseschwacher Kinder schon bei der Buchstabenidentifikation zu beobachten. 4.3.1.3. Segmentierung in Silben und Morpheme und Nutzung orthographischer Muster Andere Modelle haben sich intensiv mit dem Phänomen der Ausnutzung orthographischer Strukturen beim Lesen befaßt, das sich u. a. in besseren Leseleistungen bei Pseudowörtern mit regelhaften orthographischen Mustern im Vergleich zu unstrukturierten Pseudowörtern äußert. Zur Erklärung dieses Phänomens werden funktionale Einheiten mittlerer Größe angenommen, z. B. Silben (Scheerer-Neumann, 1981a, b) oder orthographische Einheiten wie die „BOSS“ (Basic Orthographic Syllable Structure, eine Struktur zwischen Morphem und Silbe) von Taft (1979). Werden funktionale Einheiten dieser Art postuliert, ergibt sich als weiterer Teilprozeß des Worterkennens die Segmentierung eines Wortes in die entsprechenden Einheiten. Als mögliche funktionale Einheiten des Worterkennens sind auch Morpheme in der Diskussion. Während in Aufgaben, die mit der Technik der Vorinformation arbeiten (Prime-Paradigma), identische Morpheme eindeutig einen erleichternden Effekt hervorrufen, ist der funktionale Ort dieses Effektes noch nicht geklärt: Eine prälexikalische obligatorische Morphemanalyse erscheint unwahrscheinlich, da die Reaktionszeiten in lexikalischen

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Entscheidungsaufgaben nicht von der morphologischen Komplexität eines Wortes abhängen (Henderson, Wallis & Knight 1983). Alternativ kann der erleichternde Effekt wiederholter Morpheme auf die Aktivierung aller Wörter mit dem gleichen Morphembestandteil zurückgeführt werden. Viele Fibeln des 19., aber auch des 20. Jahrhunderts (z. B. Lutherisches ABC und Namensbüchlein, aber auch die älteren Ausgaben der DDR-Fibel „Unsere Fibel“) haben Wörter in Silbensegmentierung vorgegeben oder sogar regelrecht das Lesen von Silben eingeübt. Tatsächlich ist die Gliederung von Wörtern in Silben ein Teilprozeß, der zur Nutzung einer indirekten Strategie erworben werden muß und an dem viele Leseschwache scheitern. Scheerer-Neumann (1981a,b) konnte in Experimenten mit Pseudowörtern zeigen, daß die Leseleistung von Leseschwachen durch die Einfügung von Zwischenräumen zwischen den Silben stärker erhöht wurde als die Leseleistung von guten Lesern. Umgekehrt wurden die guten Leser mehr von Segmenten beeinträchtigt, die die Silbenstruktur verletzten. Viele Leselehrgänge für Sonderschüler und Leseschwache berücksichtigen diese Segmentierungsprobleme und führen die Silbe explizit als Gliederungseinheit ein (z. B. Born 1987, Dummer & Hackethal 1984, Schmitt 1987). Die Befunde zur Nutzung orthographischer Muster bei Lese/Rechtschreibschwachen sind nicht eindeutig. Auf der einen Seite weisen eine Reihe von Untersuchungen auf eine schlechtere Ausnutzung der Intrawortredundanz bei Leseschwachen hin, operationalisiert sowohl nach dem Verfahren von Shannon (Scheerer-Neumann, Ahola, König & Reckermann 1978) als auch unter Nutzung der statistischen Positionshäufigkeit von einzelnen Buchstaben (Mason 1975, Mason & Katz 1976), auf der anderen Seite fanden Manis (1981, zitiert nach Morrison & Manis 1985) und Horn & Manis (1985) bei Leseschwachen sogar eine höhere Sensibilität für orthographische Regularitäten und positionelle Buchstabenhäufigkeiten; trotzdem blieben diese in den Lesezeiten weit hinter den guten Lesern zurück. Der Widerspruch zwischen den Datengruppen löst sich möglicherweise auf, wenn man das Alter der Probanden und die Aufgabenstellungen in den jeweiligen Experimenten näher betrachtet: Die Probanden von Horn und Manis waren bereits im 5. bzw. 6. Schuljahr; die Defizite in der Ausnutzung orthographischer Strukturen

1340 wurden bei jüngeren Kindern gefunden (vgl. 4.4.). Hinzu kommt, daß in den erstgenannten Experimenten ausschließlich Pseudowörter verwandt wurden, die nur durch eine indirekte Strategie gelesen werden können; dagegen erlaubten die Experimente von Manis (1981) und Horn und Manis (1985) auch einen lexikalischen Zugriff. Die Datenlage läßt sich also auch so interpretieren, daß die guten Leser die Intrawortredundanz zwar durchaus besser nutzen können als Leseschwache, in lexikalischen Aufgaben sich aber einer Lesestrategie bedienen, bei der diese Kenntnis nur in geringem Maße benötigt wird. Umgekehrt würde dies bedeuten, daß die untersuchten Leseschwachen geringen Gebrauch von der Strategie des direkten Zugriffs machten, dies ev. aufgrund ihres Zurückbleibens auch nicht konnten. Von Bedeutung ist, daß die leistungsähnliche jüngere Kontrollgruppe sich wie die Leseschwachen verhielt; die größere Sensibilität für orthographische Strukturen in den beschriebenen Aufgaben könnte also auch als Ausdruck einer entwicklungsspezifischen Lesestrategie zu interpretieren sein. 4.3.1.4. Direktes Worterkennen Im letzten Abschnitt wurden schon schwächere Leistungen von Leseschwachen beim direkten Worterkennen als Erklärung für die Daten von Manis (1981) und Horn & Manis (1985) angenommen. Seymour & McGregor (1984) und Seymour (1986) haben in sehr sorgfältigen experimentellen Einzelfalluntersuchungen neben der phonologischen Leseschwäche (phonological dyslexia) mit den weiter oben besprochenen Problemen bei der Phonemanalyse und dem Lesen von Pseudowörtern das Bild der morphemischen Leseschwäche (morphemic dyslexia) herausgearbeitet. Morphemic dyslectics können regelhafte Pseudowörter lesen, haben aber Schwierigkeiten beim Lesen von irregulären Wörtern, die sie häufig regularisieren. Aus dem deutschen Sprachraum ist dieses Phänomen nur als entwicklungsbedingte Lesestrategie bekannt (Scheerer-Neumann, 1990). 4.3.1.5. Textverständndis Langsames und/oder ineffizientes Worterkennen ist nach den oben referierten Befunden ein Hauptproblem Leseschwacher. Worterkennen ist in der Hierarchie der Lesestrategien fundamental und beeinflußt deshalb auch alle anderen Aspekte der Leseleistung, z. B. das Textverständnis. Ob das Lesen Lese-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

schwacher darüberhinaus durch unzureichende verständnisspezifische Teilprozesse behindert wird, ist noch nicht geklärt und vermutlich uneinheitlich für die Gesamtgruppe der Leseschwachen. Stanovichs Vorschlag einer Definition der Leseschwäche, die auf der Diskrepanz zwischen Sprachverständnis beim Hören und Sprachverständnis beim Lesen beruht, geht davon aus, daß ein beträchtlicher Teil der Leseschwachen keine primären Probleme beim Textverständnis hat. Auf der anderen Seite gibt es Kinder mit Schwächen beim Textverständnis sowohl gesprochener als auch geschriebener Sprache (Rahman & Bisanz 1986). Interessant ist eine Analyse der unzureichenden verständnisspezifischen Teilprozesse. Einige Studien haben gefunden, daß Kinder mit Schwächen beim Leseverständnis in geringerem Maße Geschichten-Schemata nutzen als gute Leser (Fitzgerald 1984, Rahman & Bisanz 1986). Obwohl es naheliegt, den Erwerb und die Nutzung von Geschichten-Schemata als Folge der Leseerfahrung und nicht als Merkmal der Sprachkompetenz eines Kindes zu interpretieren (es sind Studien notwendig, die mit dem Paradigma des Lesealtervergleichs arbeiten), ist dieser Befund für Methoden der Leseförderung relevant. Er zeigt Teilprozesse des Lesens auf, die in Förderprogrammen bisher kaum berücksichtigt werden. 4.3.2. Rechtschreibforschung Obwohl Einigkeit darüber besteht, daß Rechtschreiben nicht einfach als reziproker Prozeß des Lesens angesehen werden kann, nehmen auch Rechtschreibmodelle in der Regel zwei prozessual unterschiedliche „Wege“ an (Simon & Simon 1973, Ellis 1984, vgl. Frith 1980): In einem konstruktiven Prozeß entstehen beim Schreiben Graphemfolgen aufgrund von Phonem-Graphem-Korrespondenzen, ihrer Wahrscheinlichkeiten und orthographischer Regelmäßighkeiten; aus einem orthographischen Speicher kann dagegen wort- oder morphemspezifische Information über die korrekten Graphemfolgen abgerufen werden. Bei Simon & Simon (1973) finden sich explizite Annahmen über das Zusammenspiel dieser Prozesse: Danach werden Schreibungen aufgrund von Phonem-Graphem-Korrespondenzen generiert und anschließend durch einen Vergleich mit wortspezifischen Eintragungen kontrolliert und „freigegeben“. Über die Modalität der Eintragungen in einem „Wortspeicher“ lassen

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

sich derzeit noch keine eindeutigen Aussagen machen; sicher ist aber, daß es sich nicht einfach um das visuelle Abbild des geschriebenen Wortes handelt (vgl. Schneider im Druck). Die Frage, welche Teilprozesse des Rechtschreibens bei Lese/Rechtschreibschwachen gestört bzw. unvollständig ablaufen, läßt sich allgemein kaum beantworten, da sie sehr stark entwicklungsabhängig ist (vgl. 4.4). So fand Sloboda (1980) bei erwachsenen Rechtschreibschwachen ein Vorherrschen der phonologischen Rechtschreibstrategie und ein Defizit bei der wortspezifischen Speicherung. Auf der anderen Seite zeigt die neuere entwicklungspsychologische Literatur eindeutig ein Defizit jüngerer Rechtschreibschwacher im Bereich der Schreibprozesse, die auf der Phonemanalyse beruhen. Tatsächlich lassen sich die Rechtschreibfehler jüngerer rechtschreibschwacher Kinder zumeist auf Schwierigkeiten schon im Bereich des indirekten, phonemorientierten Schreibens zurückführen. Dabei gelingt die Analyse der gesprochenen Sprache nur unzureichend (vgl. 4.2.). Daß die fehlerhaften Wörter im Hinblick auf ihren Phonembestand unvollständig bleiben, soll an zwei Beispielen gezeigt werden.

Abb. 115.1: Schreibprobe (freier Text, Ausschnitt) eines rechtschreibschwachen Jungen am Ende des zweiten Schuljahrs

Abbildung 115.1 zeigt Schreibungen eines rechtschreibschwachen Jungen am Ende des zweiten Schuljahrs: Es sind typische Auslassungen von Vokalen (nashrnr) und von Konsonanten bei Konsonantenhäufungen (elefat, rat, hiter) zu beobachten. Das Schreibproto-

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Abb. 115.2: Schreibprobe (freier Text, Ausschnitt) eines rechtschreibschwachen Mädchens in der Mitte des dritten Schuljahrs

koll in Abbildung 115.2 stammt von einemsehr rechtschreibschwachen Mädchen zu Beginn des dritten Schuljahrs. Auch hier wird eine Schwäche in der Phonemanalyse sichtbar; im Gegensatz zu dem Schreiber von Abbildung 115.1 beschränkt sie ihre Schreibversuche jedoch nicht auf die analysierten Laute: Sie substituiert oder ergänzt aufgrund der ihr bekannten visuellen Wortmerkmale (z. B. kabem ⫽ habe) und/oder fügt Wortbausteine an (kuktem ⫽ geguckt). Eine solche Ergänzungsstrategie ist jedoch relativ selten und vermutlich eine Reaktion auf zu hohe Leistungsanforderungen der Schule. Die Fehler rechtschreibschwacher Kinder, die die Phonemfolge eines Wortes im Wesentlichen vollständig wiedergeben, sind in der Regel auf die mangelnde Berücksichtigung orthographischer Strukturen (z. B. fehlende Konsonantenverdopplung) zurückzuführen. Abbildung 115.3 zeigt als typisches Beispiel die Schreibungen eines rechtschreibschwachen Mädchens aus dem 4. Schuljahr. Es handelt sich bei ihm nicht um eine prinzipiell andere Variante des Problems, sondern um ein entwicklungsmäßig späteres Zustandsbild; aus der Lernbiographie des Kindes sind phonematische Auslassungen wie in Abb. 115.2 bekannt. Der theoretische Hintergrund für ein Verständnis der entwicklungsabhängigen Symptomatik wird im folgenden Abschnitt gegeben.

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Abb. 115.3: Schreibprobe (freier Text, Ausschnitt) eines rechtschreibschwachen Mädchens in der Mitte des vierten Schuljahrs

4.4. Lese/Rechtschreibschwäche im Kontext der Entwicklung Die Analyse der Lese/Rechtschreibschwäche im Rahmen der experimentellen Lese- und Rechtschreibforschung kann durchaus als wissenschaftlicher Fortschritt gegenüber den früheren psychologisch-pädagogischen Ansätzen gewertet werden. Die Fokussierung auf den Lese- und Schreibprozeß selbst ermöglichte spezifischere und gezieltere Hinweise für die Intervention. Der Grund, weshalb diese Impulse doch nur in geringem Maße aufgegriffen wurden, ist vermutlich der folgende: Die Leseforschung hat zwar Lesemodelle und experimentelle Paradigmen auf Kinder angewandt, war in ihrer Konzeption aber nicht entwicklungsorientiert. Wie in den Folgerungen von Seymour (1986) wurden Diskrepanzen in den Teilprozessen des Lesens und Schreibens zwischen leseschwachen Kindern vor allem als unterschiedliche Ausprägungen des Versagens interpretiert; die naheliegende Alternative einer lern- und entwicklungsbedingten Veränderung der Symptome und Fertigkeiten wurde durch die Brille der Allgemeinen Psychologie nicht gesehen. Allerdings fehlte auch eine entwicklungspsychologische Theorie des Schriftspracherwerbs, wenn man von der Modellierung von Teilprozessen zum Wahrnehmungslernen von Gibson (1970) absieht. Diese Lücke ist durch die Schriftspracherwerbsforschung der letzten 15 Jahre wenigstens ansatzweise geschlossen worden. In den entsprechenden Arbeiten wird übereinstimmend deutlich, daß der Schriftspracherwerb als ak-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

tiver Umgang mit dem Lerngegenstand verstanden werden sollte, der schon vor Schulbeginn einsetzt und sich in den folgenden Jahren qualitativ verändert (vgl. Ferreiro & Teberosky 1982, Brügelmann 1983). Die qualitativen Veränderungen sind zum Teil so einschneidend, daß sie Anlaß zur Formulierung von Stufenmodellen des Schriftspracherwerbs gegeben haben, wobei die Stufen durch unterschiedliche Zugänge (Strategien) zum Lesen und Schreiben definiert sind. Für den Bereich des Worterkennens und des Schreibens von Wörtern sehr einflußreich sind die Modellvorstellungen von Marsh et al. (1980), die teilweise der Piagetschen Tradition verpflichtet sind, und die von Frith (1985) und Ehri (1987), deren theoretischer Hintergrund eher in der Kognitiven Psychologie zu finden ist. Als Beispiel für ein Modell der Schriftsprachentwicklung wird im nächsten Abschnitt die Konzeption von Frith (1985) skizziert; sie ist besonders gut dazu geeignet, die Schwierigkeiten Lese/Rechtschreibschwacher entwicklungspsychologisch zu interpretieren. Das Frithsche Modell des Schriftspracherwerbs (vgl. auch Günther 1986, ScheererNeumann 1989) umfaßt drei (mit Unterteilungen sechs) Stufen, die durch das Vorherrschen verschiedener Strategien beim Lesen und Schreiben von Wörtern gekennzeichnet sind: Die erste Stufe ist die des logographischen Lesens und Schreibens. Logographisches Lesen ist ein direktes Worterkennen (im Sinne des Zwei-Wege-Modells) ohne lautliche Prozesse. Die Wörter werden anhand einzelner Buchstaben und/oder an kleineren oder größeren graphischen Merkmalen erkannt (z. B. „Omi ist das Wort mit dem Punkt“). Auch das logographische Schreiben ist direkt, also nicht lautorientiert; das Kind kann nur Wörter schreiben, wenn es zuvor die Grapheme und ihre Reihenfolge auswendig gelernt hat. Dies ändert sich auf der folgenden Stufe durch die Hinwendung zu einer lautorientierten Strategie auf der alphabetischen Stufe: Auch unbekannte Wörter können jetzt geschrieben werden, zunächst nur rudimentär (z. B. BT ⫽ Bett), später entfaltet (z. B. HANT ⫽ Hand). Beim Lesen zeigt sich die alphabetische Strategie als Erlesen (der „indirekte Weg“ im Zwei-Wege-Modell), als sequentielle Übersetzung von Graphemen in Phoneme und deren Synthese. Auf der folgenden orthographischen Stufe sind die Leseund Schreibprozesse dagegen nicht kleinschrittig-sequentiell, sondern wieder direkt. Frith (1985) nimmt eine Entwicklungsse-

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

quenz an, bei der Lesen und Schreiben abwechselnd die Führung übernehmen: Der logographische Zugang zur Schrift beginnt danach mit dem Lesen, der alphabetische beim Schreiben, weil die Anforderungen des Schreibens die Mängel einer logographischen Strategie besonders deutlich machen. Die orthographische Strategie setzt wiederum beim Lesen ein und wird erst danach auf das Schreiben übertragen. Die Entwicklungssequenz logographisch-alphabetisch-orthographisch wird für den Bereich der Rechtschreibung auch im deutschen Sprachraum recht gut gestützt (May 1990, Scheerer-Neumann, Kretschmann, Brügelmann 1986, Spitta 1985); dagegen findet sich noch keine Bestätigung für den wechselweisen Entwicklungsvorsprung von Lesen und Schreiben. Möglicherweise spielen hier die strukturellen Merkmale der jeweiligen Schriftsprachen und die bevorzugte Methodik des Erstleseunterrichts eine Rolle. Der Beginn des Lesens mit einer logographischen Strategie wird kontrovers diskutiert; während Querschnittsuntersuchungen im Laufe des 1. Schuljahrs das logographische Lesen als dominante Strategie nicht nachweisen können (Wimmer, Hartl & Moser 1990), tritt es bei genauen Einzelfallstudien als frühe Entwicklungsstufe doch deutlich in Erscheinung (Scheerer-Neumann 1991). Aus der Beschreibung der unterschiedlichen Rechtschreibstrategien und ihrer Entwicklung läßt sich ableiten, daß Lese- und Schreibfehler während des Schriftspracherwerbs geradezu erwartungsgemäß auftreten. Ihre Anzahl steigt dann drastisch an, wenn eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Schule und dem Entwicklungsniveau des Kindes besteht. Tatsächlich lassen sich viele Symptome lese/rechtschreibschwacher Kinder als Besonderheiten einer frühen Entwicklungsstufe beim Erwerb der Schriftlichkeit interpretieren. Die Schreibungen des Jungen auf Abbildung 115.1 wären „normal“, träten sie im Laufe des ersten Schuljahrs auf. May (1990) konnte in einer größeren Untersuchung sogar die zeitliche Verschiebung ganz konkreter Falschschreibungen in Abhängigkeit vom Leistungsniveau der Kinder demonstrieren. Allerdings zeigen die entwicklungsgemäß untypischen Schreibungen des Kindes auf Abbildung 115.2, daß zusätzlich mit reaktiven Abweichungen zu rechnen ist. Auch im Bereich des Lesens lassen sich viele Fehler als entwicklungsbedingt interpre-

1343

tieren. Bryant & Impey (1986) haben eindrucksvoll aufgezeigt, daß sogar Lesefehler, die die Qualität von Verlesungen erwachsener Dyslektiker haben, letzten Endes entwicklungspsychologisch erklärbar sind. Auch die Lesefehler deutschsprachiger Kinder können in vielen Fällen als Produkt verzögerter Lernprozesse verstanden werden: So sind z. B. Merkmale des Erlesens (immer erneutes Erlesen auch häufiger Funktionswörter) bei Leseschwachen im 3., 4. Schuljahr Anzeichen einer noch expliziten alphabetischen Strategie, die vermutlich verspätet erworben wurde. Der Erwerb der alphabetischen, phonemorientierten Lesestrategie selbst ist für alle Kinder eine hohe und entscheidende Hürde im Leselernprozeß; leseschwache Kinder benötigen sehr viel mehr Zeit, eine Kompetenz in dieser Strategie zu erreichen (vgl. 4.2.). Eine Verzögerung beim Erwerb entwicklungsmäßig früher Strategien führt zu einem verzögerten Erwerb auch der nachfolgenden Strategien, da eine vollständige Kompensation der Rückständigkeit auch durch Förderunterricht kaum geleistet werden kann. Leseprobleme lassen sich nun nicht immer auf eine Entwicklungsverzögerung reduzieren: Wie sehr detaillierte Einzelfallstudien bei Leseschwachen gezeigt haben (Scheerer-Neumann 1991), können massive Probleme beim Erwerb der alphabetischen Strategie zu kompensatorischen Lesetrategien Anlaß geben, die im Sinne der Entwicklungsmodelle nicht produktiv sind.

5.

Ansätze und Untersuchungen zur Intervention

Aus den bisherigen Ausführungen läßt sich ableiten, daß ein erfolgreiches Lese- und Rechtschreibtraining individuell den Entwicklungsstand und die bisher erworbenen Lese- und Schreibstrategien eines Kindes berücksichtigen muß. Diese Annahme wird durch vorliegende Trainingsstudien gestützt (Überblick in Scheerer-Neumann 1979, 1993). Bei der Mehrzahl der jüngeren leseschwachen Kinder ist es in der Regel notwendig, bei den alphabetischen, phonemorienterten Lese- und Schreibstrategien anzusetzen. Neben unmittelbaren Übungen zur Phonemanalyse (Welchen Laut hörst du am Wortanfang, am Wortende?) haben sich die Bewußtmachung der Lautbildung und Handzeichen als zusätzliche Hilfsmittel bewährt (Kossow 1972, Dummer und Hackethal 1984); die Effektivi-

1344 tät dieser Trainingsansätze wurde empirisch jedoch noch nicht ausreichend überprüft. Eine gute Unterstützung der alphabetischen Strategie beim Lesen und Schreiben wird durch Übungen zur Silbengliederung erreicht. In einer Trainingsstudie von ScheererNeumann (1981b) wurden Drittklässler, die das Prinzip der Synthese verstanden hatten und vor allem beim Erlesen längerer Wörter scheiterten, in der Silbenanalyse gesprochener und geschriebener Wörter trainiert. Die Gliederung geschriebener Wörter in Silben beruhte auf der Identifikation der Vokale als Silbenkerne und der Zuordnung der Konsonanten zu den Silben nach einigen einfachen Regeln. Im Nachtest machte die trainierte Gruppe nicht nur weniger Fehler in einem Lesetest; sie erreichte auch bessere Ergebnisse beim Lesen von Pseudowörtern, so daß der erzielte Effekt tatsächlich auf eine verbesserte alphabetische Strategie zurückgeführt werden kann. Der Kieler Leselehrgang von Dummer und Hackethal (1984) baut die zu übenden Silben systematisch auf: Am Anfang sind nur Wörter zu lesen, die aus Konsonant-Vokal-Silben bestehen, im Laufe des Trainings werden die Silben durch Hinzufügen weiterer Konsonanten komplexer. Daß Silben mit komplexer Konsonantenstruktur schwerer zu lesen sind, ist experimentell nachgewiesen (van den Bosch 1991). Die Wichtigkeit der alphabetischen Strategie für die Weiterentwicklung Leseschwacher wird in Studien deutlich, in denen phonemorientierte Übungen mit lexikalischen verglichen werden: Während Leseübungen, in denen nur das Identifizieren vorgegebener Wörter geübt wird, lediglich die Leseleistung beim Erkennen der geübten Wörter verbessern (Fiedorowicz, 1986), führt ein Lesetraining, das Syntheseleistungen erfordert, auch zu einem postiven Transfereffekt (van den Bosch 1991). Allerdings zeigen sich auch bei einem analytisch-synthetischen Training deutliche lexikalische Effekte. In der Untersuchung von Hirth, Mechler, Rott & Zielinski (1985) waren die Trainingseffekte in der Lesegeschwindigkeit bei trainierten Wörtern weit größer als bei untrainierten Transferwörtern. Trotz einer Fülle von methodischen Ideen zur Verbesserung der Lesefähigkeit liegen sowohl aus dem deutschen Sprachraum als auch weltweit noch viel zu wenige methodisch akzeptable Untersuchungen zur Effizienz von Lesetraingsverfahren vor (Überblick

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

zu internationalen Literatur vgl. ScheererNeumann 1993). Erfolgreiche Verfahren zur Verbesserung der Rechtschreibfähigkeit basieren auf den oben beschriebenen Übungen zur Phonemanalyse und Silbengliederung, solange ein Kind phonemorientiert noch nicht vollständig verschriften kann. Ist dies erreicht, sind zwei unterschiedliche methodische Wege gangbar: Der strukturelle Ansatz vermittelt Einsichten in orthographische Regelmäßigkeiten, die zur Generierung von Schreibungen dienen, aber auch das Einprägen erleichtern sollen. Der lexikalische Ansatz, der vor allem im Rahmen eines verhaltenstherapeutischen Vorgehens favorisiert wird, fordert und fördert das wortspezifische Auswendiglernen der Graphemfolgen (Überblick bei ScheererNeumann 1979, 1993, Mannhaupt 1994). Untersuchungen zu Verfahren, die dem strukturellen Ansatz verpflichtet sind, zeigen eindeutig, daß die Nutzung orthographischer Strukturen für das Rechtschreiben prinzipiell erlernbar ist (Hornsby & Miles 1980, Thomson 1988, Scheerer-Neumann 1988). Der Erfolg ist jedoch von der Auswahl (gut vermittelbar sind z. B. morphematische Schreibungen) als auch der didaktisch geschickten Vermittlung abhängig. Lexikalische Verfahren basieren vorrangig auf lerntheoretischen Überlegungen. Verhaltenstherapeutisch orientierte Traingsmethoden (z. B. Machemer 1972) befassen sich vor allem mit der optimalen Verteilung der Übungsdurchgänge und einer effektiven Gestaltung der Reaktionen der Lehrenden (Konsequenzen). Kognitiv orientierte Verfahren sehen ihr Ziel dagegen in einer Verbesserung der aktiven Lernstrategien eines Kindes; hierunter sind Prozesse wie multiple oder elaborierte Codierung (z. B. visuell und artikulatorisch), inneres Wiederholen, selbständige Überprüfung usw. zu verstehen (z. B. Hulme & Bradley 1984). Scheerer-Neumann hat in einer Interventionsstudie mit rechtschreibschwachen SchülerInnen des 5. Schuljahrs die Vermittelbarkeit orthographischer Strukuren, den Transfer auf neue Wörter und und lexikalische Einflüsse untersucht. Insgesamt zeigte sich ein guter Lerneffekt bei den ausgewählten orthographischen Regelmäßikgeiten (u. a. Großund Kleinschreibung, Auslautverhärtung, Umlautschreibung). Der Transfer auf nichttrainierte Wörter war hoch (85% des Trainingseffektes von geübten Wörtern), aber nicht vollständig, d. h., daß wortspezifische

115. Störungen des Erwerbs der Schriftlichkeit bei alphabetischen Schriftsystemen

Effekte in kleinem Umfang ebenso aufgetreten sind. Kein Transfer war dagegen auf nicht geübte orthographische Regelmäßigkeiten zu beobachten. Dieser Befund spricht für ein gezieltes Vorgehen, das nicht nur den Entwicklungsstand eines Kindes beim Schriftspracherwerb berücksichtigt, sondern auch sehr differenziert an seinen spezifischen Rechtschreibproblemen ansetzt. Neben der „direkten Instruktion“, zu der die bisher beschriebenen Verfahren zu zählen sind, ist im Bereich der Therapie der Lese/ Rechtschreibschwäche ein weites Repertoire an sehr unterschiedlichen Verfahren zu konstatieren, deren Berechtigung in den meisten Fällen noch nicht ausreichend überprüft wurde. Eine gewisse „face validity“ ist psychotherapeutischen Verfahren zuzuschreiben, die an den sekundären Symptomen (emotionalen und motivationalen Problemen) ansetzen und Lernen damit erst wieder ermöglichen (z. B. Betz & Breuninger 1982).

6.

Prädiktion und Prävention

Da Schulversagen langfristig negative Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes hat, ist die Vorhersage des Versagens, verbunden mit kompensatorischen Fördermaßnahmen wünschenswert. Die Vorhersage insbesondere des möglichen Scheiterns schon im 1. Schuljahr war die Intention der Schulreifetests, die vor einigen Jahrzehnten noch systematisch zur Überprüfung der sog. „Schulreife“ eingesetzt wurden. Kemmler und Heckhausen konnten allerdings schon 1962 zeigen, daß herkömmliche Schulreifetests keine hohe prädiktive Validität aufweisen, sondern vor allem als Intelligenztests gelten können. Als ein Grund des Versagens von Schulreifestests kann aus heutiger Sicht deren mangelnde Spezifität in Bezug auf die kognitiven Anforderungen des Erstunterrichts gelten. Geprüft wurden vorrangig visuelle Fähigkeiten und logisches Denken; das aus heutiger Sicht für den Schriftspracherwerb so wichtige phonologische Bewußtsein (vgl. 4.2.) blieb unberücksichtigt. Wie schon mehrfach erwähnt wurde, ergaben jedoch eine große Anzahl neuerer Untersuchungen hohe Korrelationen zwischen phonologischen Analyseleistungen schon im Vorschulalter und dem späteren Leistungsniveau im Lesen und Rechtschreiben (Übersicht bei Marx 1992 a, b). Diese Beziehung ist nicht nur korrelativ nachweisbar, sondern er-

1345

laubt auch valide Vorhersagen bei einem klassifikatorischen Auswertungsansatz, der explizit prüft, in welchem Ausmaß der untere Leistungsbereich der Prädiktorverteilung den unteren Leistungsbereich der Kritierumsverteilung vorhersagen kann. Dieser Auswertungsansatz ist entscheidend für die praktische Anwendung eines Auswahlverfahrens. An der Universität Bielefeld wird seit einigen Jahren ein umfangreiches und detailliertes Verfahren zur frühen Vorhersage von Lese/Rechtschreibschwäche entwickelt und erprobt (Skowronek & Marx 1989; Jansen, Mannhaupt, Marx & Skowronek 1994). Das „Bielefelder Screeningverfahren“ überprüft neben dem Aufmerksamkeitsverhalten für visuelle Symbolfiguren drei Bereiche phonologischer Verarbeitungsprozesse: Phonologische Bewußtheit, operationalisiert durch unterschiedliche Aufgaben in der Phonemanalyse vorgesprochener Wörter, phonetisches Rekodieren im Kurzzeitgedächtnis und schnelles Rekodieren aus dem inneren Lexikon, operationalisert durch Farbnennungen zu nichtfarbigen Objekten. Aus den Leistungen der diesen Bereichen zugeordneten Aufgaben wird ein Gesamtscore berechnet. Das Screeningverfahren wurde zu verschiedenen Erhebungszeitpunkten eingesetzt: 10 Monate vor der Einschulung, drei Monate vor der Einschulung und 14 Wochen nach der Einschulung. Am Ende des zweiten Schuljahres wurde die Rechtschreibleistung mit dem Diagnostischen Rechtschreibtest (DRT 2) von Müller (1982) und einem informellen Wortdiktat überprüft, die Leseleistung mit einem selbstentwickelten Lesetest. Alle Kinder, deren Normwerte unterhalb des Prozentrangwertes von 15% lagen, wurden als Problemkinder bezeichnet. Die Ergebnisse zeigen eine ganz erstaunlich gute Vorhersage schon für den ersten Zeitpunkt der Prädiktorerhebung: Von 26 Kindern, die am Ende des zweiten Schuljahres zu den 15% schwächsten Leserns bzw. Rechtschreibern gehörten, konnten schon 10 Monate vor der Einschulung 21 richtig klassifiziert werden. Der Anteil der fälschlich als Risikokinder Klassifizierten lag etwas unter 20%. Die Güte der Vorhersage stieg zum zweiten (3 Monate vor Schulbeginn) und dritten Testzeitpunkt (14 Wochen nach Schulbeginn) noch weiter an. Sehr interessant ist der Befund, daß die zum dritten Zeitpunkt gleichzeitig erhobenen frühen schriftsprachlichen Leistungen als Prädiktor weniger geeignet waren als die Aufgaben des Screenings. Ein ähnlicher Befund ergab sich

1346 in einer Untersuchung von Richter & Brügelmann (1992), in der die zu Beginn der ersten Klasse erhobenen schriftsprachlichen Kenntnisse zwar hoch, aber nicht so hoch wie erwartet, mit den Rechtschreibleistungen der folgenden Monate korrelierten. In beiden Fällen sind methodische Artefakte möglich, die auch von den Autoren diskutiert werden. Es erscheint jedoch auf dem Hintergrund der oben vorgestellten Modelle des Schriftspracherwerbs ebenfalls denkbar, daß das frühe Lesen und Schreiben andere ⫺ und weniger „phonologische“ ⫺ Teilprozesse beinhaltet als das Lesen und Schreiben in der weiteren Entwicklung, für die phonologischen Elemente ganz eindeutig kritisch sind. Sind die Anfangshürden des Schriftspracherwerbs einmal überwunden, bleiben die Leistungen relativ stabil: In der Regel ergeben sich sehr hohe Korrelationen zwischen den Leistungen in ähnlichen Lese- und Schreibaufgaben sogar während der ganzen Schulzeit (vgl. Klicpera & Gasteiger-Klicpera 1993). Die relativ gute Vorhersage späteren Versagens sollte prinzipiell Möglichkeiten einer vorschulischen Intervention ⫺ und damit der Prävention schulischer Lese/Rechtschreibprobleme ⫺ eröffnen. Tatsächlich haben eine Reihe methodisch akzeptabler Interventionsstudien aus dem angloamerikanischen und skandinavischen Bereich gezeigt, daß die phonologische Analysefähigkeit schon im Vorschulalter und auch bei Kindern mit sehr schwachen Vortestleistungen trainierbar ist und sich positive Auswirkungen auf die späteren Leistungen im Lesen und Schreiben zeigen (Überblick bei Ball & Blachman 1991). Die Effekte sind aber dann größer, wenn die Übungen nicht nur die Lautebene einbeziehen, sondern gleichzeitig Buchstaben eingeführt werden. Die besseren Leistungen im phonologischen Bereich unter dieser Bedingung sind wahrscheinlich auf die Verfügbarkeit eines Symbolsystems zurückzuführen, an dem die Phoneme verankert werden können, stützen aber auch die interaktive Interpretation von Phonemanalyse und Schriftspracherwerb. Der bessere Transfer auf das Lesen und Schreiben ist vermutlich darin begründet, daß mit der Einführung von Buchstaben in die Aufgaben zunehmend nicht nur Voraussetzungen zum Schriftspracherwerb, sondern bereits Teilprozesse des Lesens und Schreibens selbst geübt werden. Lewkowicz konnte in einer Übersicht schon 1980 aufzeigen, daß der Transfer phonemanalytischer Übungen auf schriftsprachliche Leistungen

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

mit der Anäherung der Aufgaben an das Lesen und Schreiben selbst zunimmt. Wenn dies so ist, stellt sich die Frage, ob ein phonologisches Training im deutschen Kindergarten, der bewußt den Schriftspracherwerb ausklammert, überhaupt eine kompensatorische Funktion erfüllen kann. Am Psychologischen Institut der Universität Würzburg laufen derzeit Untersuchungen, die sich mit Fragen eines frühen phonologischen Trainings befassen. Alternativ oder ergänzend zu kompensatorischen Maßnahmen sind schulorganisatorische Veränderungen anzustreben, die die Lernzeit zum Erwerb der Schriftsprache flexibel gestalten. Eine Öffnung des Unterrichts im Sinne einer Differenzierung ist ein erster Schritt, um auch Kindern mit noch geringen Lernvoraussetzungen einen guten Start in die Schriftsprache zu ermöglichen. Auch ein geöffneter Unterricht kann aber große Leistungsunterschiede nicht auffangen. Eine günstige Organisationsform für Kinder mit unzureichenden Lernvoraussetzungen ist dagegen die altersgemischte Eingangsstufe, in der Kinder ohne das Stigma des Sitzenbleibens ein zusätzliches Jahr verbleiben können. Allerdings ist auch unter dieser Bedingung eine gezielte Förderung für lese/rechtschreibschwache Kinder unumgänglich.

7.

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116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung 1.

Der Personenkreis sogenannter lernbehinderter Schüler Lernbehinderung und Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache Relevant erscheinende Quellen der Varianz bei Schriftspracherwerbsstörungen sogenannter lernbehinderter Schüler Literatur

kompetent eingeschätzt werden. Es soll auch hier ⫺ zumindest zunächst ⫺ offenbleiben, ob diese Einschätzung zutreffend ist.

Im ersten Viertel dieses Jahrhunderts vertrat Habrich (1917, 126) in einer methodischen Abhandlung über den Unterricht im Lesen und Schreiben auf der Unterstufe die Auffassung, es sei ein Ruhm der „deutschen Volksschule, daß Deutschland die wenigsten Analphabeten“ zähle, und auch diese seien „vom Auslande zugewandert“. Angesichts der Analphabetismusdiskussion der letzten Jahre in der Bundesrepublik Deutschland ist gegenwärtig eine solche positive Einschätzung wohl nicht mehr berechtigt (vgl. Drecoll & Müller 1981; Nelles-Bächler 1986, → Art. 73) ⫺ ob sie es je war, soll hier offenbleiben. Viele Schüler, die in der allgemeinen Schule ‘versagen’, werden häufig in die Schule für Lernbehinderte umgeschult, die aus der früheren Hilfsschule hervorgegangen ist und heute mit der Bezeichnung ‘Förderschule’ erneut eine Namensänderung erfährt. Wie nun z. B. Heimes (1986) mitteilt, gelten aber gerade viele Schulabgänger der Lernbehindertenschule später als Analphabeten, obwohl deren Lehrerinnen und Lehrer allgemein für die Bewältigung von Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb als besonders

Als lernbehindert im Schulalter gelten ⫺ einer Sprachregelung der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates (1973, 38) zufolge ⫺ Kinder und Jugendliche, „die infolge mangelhafter Entwicklung oder einer Schädigung des zentralen Nervensystems, oder soziokultureller Deprivation bei erheblich verminderten Intelligenzleistungen vornehmlich in ihren schulischen Lernleistungen soweit beeinträchtigt sind, daß die Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung von Lerninhalten nicht in altersentsprechender Weise gelingt. Soziale Determinanten und biologische Faktoren interagieren oft in der Weise, daß die Entstehungsursachen der Lernbehinderung nicht eindeutig aufweisbar sind“. Vor allem die negativen Einflüsse während der frühkindlichen Sozialisation, „etwa Lerndefizite aufgrund mangelnder sprachlicher und geistiger Anregung, oder emotionaler Bedürfnisversagung“ sollen bedingen, „daß Kinder sozial benachteiligter Randgruppen von Lernbehinderung bedroht sind“. Begemann (1970) sprach deshalb auch konsequent von sozio-kulturell benachteiligten Schülern.

2. 3. 4.

1.

Der Personenkreis sogenannter lernbehinderter Schüler

1351

116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung Vellutino, F. R. 1987. Dyslexia. Scientific American, 256, 3, 20⫺27.

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116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung 1.

Der Personenkreis sogenannter lernbehinderter Schüler Lernbehinderung und Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache Relevant erscheinende Quellen der Varianz bei Schriftspracherwerbsstörungen sogenannter lernbehinderter Schüler Literatur

kompetent eingeschätzt werden. Es soll auch hier ⫺ zumindest zunächst ⫺ offenbleiben, ob diese Einschätzung zutreffend ist.

Im ersten Viertel dieses Jahrhunderts vertrat Habrich (1917, 126) in einer methodischen Abhandlung über den Unterricht im Lesen und Schreiben auf der Unterstufe die Auffassung, es sei ein Ruhm der „deutschen Volksschule, daß Deutschland die wenigsten Analphabeten“ zähle, und auch diese seien „vom Auslande zugewandert“. Angesichts der Analphabetismusdiskussion der letzten Jahre in der Bundesrepublik Deutschland ist gegenwärtig eine solche positive Einschätzung wohl nicht mehr berechtigt (vgl. Drecoll & Müller 1981; Nelles-Bächler 1986, → Art. 73) ⫺ ob sie es je war, soll hier offenbleiben. Viele Schüler, die in der allgemeinen Schule ‘versagen’, werden häufig in die Schule für Lernbehinderte umgeschult, die aus der früheren Hilfsschule hervorgegangen ist und heute mit der Bezeichnung ‘Förderschule’ erneut eine Namensänderung erfährt. Wie nun z. B. Heimes (1986) mitteilt, gelten aber gerade viele Schulabgänger der Lernbehindertenschule später als Analphabeten, obwohl deren Lehrerinnen und Lehrer allgemein für die Bewältigung von Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb als besonders

Als lernbehindert im Schulalter gelten ⫺ einer Sprachregelung der Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates (1973, 38) zufolge ⫺ Kinder und Jugendliche, „die infolge mangelhafter Entwicklung oder einer Schädigung des zentralen Nervensystems, oder soziokultureller Deprivation bei erheblich verminderten Intelligenzleistungen vornehmlich in ihren schulischen Lernleistungen soweit beeinträchtigt sind, daß die Aufnahme, Speicherung und Verarbeitung von Lerninhalten nicht in altersentsprechender Weise gelingt. Soziale Determinanten und biologische Faktoren interagieren oft in der Weise, daß die Entstehungsursachen der Lernbehinderung nicht eindeutig aufweisbar sind“. Vor allem die negativen Einflüsse während der frühkindlichen Sozialisation, „etwa Lerndefizite aufgrund mangelnder sprachlicher und geistiger Anregung, oder emotionaler Bedürfnisversagung“ sollen bedingen, „daß Kinder sozial benachteiligter Randgruppen von Lernbehinderung bedroht sind“. Begemann (1970) sprach deshalb auch konsequent von sozio-kulturell benachteiligten Schülern.

2. 3. 4.

1.

Der Personenkreis sogenannter lernbehinderter Schüler

1352 Erhöhter Auslesedruck im Bildungssystem begünstige oder verstärke das Entstehen von Lernbehinderungen. Beides ⫺ das Ausmaß, in dem eine Gesellschaft Pauperität, soziale Vernachlässigung und kulturelle Deprivation bei Minderheitsgruppen zuläßt einerseits (Bleidick 1983) und ein erhöhter schulischer Auslesedruck im Zusammenhang mit steigenden Anforderungen andererseits ⫺ macht ‘Lernbehinderung’ im Sinne von Klauer (1977, 11) zu einer „relativen Behinderung“. Wiegand meinte übrigens unter historischer Perspektive schon 1927 in seinen Ausführungen über „die Hilfsschule im Gesamtschulorganismus“, daß leichtere intellektuelle Störungen in Zeiten des Analphabetismus noch nicht hervorgetreten seien und deshalb in einschlägigem Quellenmaterial hierüber kaum Informationen aufzufinden seien. Auf das grundsätzliche Problem, ob nicht alle Behinderungen, also z. B. auch Gehörlosigkeit, relativ seien, wird hier nicht eingegangen (vgl. Groce 1990). Lernbehinderung ⫺ so die Bildungskommission des Deutschen Bildungsrates ⫺ „wird angenommen, sofern die Intelligenzleistung im Bereich zwischen der negativen ersten und dritten Standardabweichung eines validen, standardisierten Intelligenzmeßverfahrens liegt und wenn zugleich ein erhebliches Schulversagen gegeben oder zu erwarten ist. Darüber hinaus können Abweichungen im sozialen Verhalten das schulische Lernen beeinträchtigen“ (1973, 38). In nicht wenigen Untersuchungen (vgl. Thimm & Funke 1978) konnte allerdings gezeigt werden, daß eine größere Zahl von Schülern der Schule für Lernbehinderte intellektuell oberhalb der von der Bildungskommission angegebenen Grenze liegt und in dieser Hinsicht Schülern der allgemeinen Schule durchaus vergleichbar ist. Dieser Sachverhalt hat mit einer nicht einheitlichen Gewichtung der Variablen „Testintelligenz“ als Abgrenzungskriterium zu tun. So kennen etwa die Empfehlungen der Kultusministerkonferenz für den Unterricht in der Schule für Lernbehinderte vom 17.11.1977 auch lernbehinderte Schüler mit sogenannten generalisierten Lernstörungen ⫺ z. B. aufgrund „neurologischer Dysfunktion“, oder aufgrund „soziokulturell bedingter“ Ursache, deren Intelligenzniveau „oft nicht, oder nur wenig“, bzw. „nicht immer wesentlich“ (ebd. 1978, 5) beeinträchtigt ist. Da nun Testintelligenz und Schichtzugehörigkeit kovariieren ⫺ Majoribanks (1972) z. B.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

fand zwischen Kennwerten des sozialen Status und Intelligenzleistung ein R von .53 ⫺, läge deshalb ein im wesentlichen schichttheoretischer Erklärungsansatz der ‘Lernbehinderung’ nahe. Ein solcher hätte aber „das Faktum zu erklären, daß zwar 90% aller Schüler der Schulen für Lernbehinderte […] aus unteren sozialen Schichten stammen, insgesamt aber nicht einmal 1/10 aller Kinder aus der Unterschicht die Schule für Lernbehinderte besuchen“ (Thimm & Funke 1978, 594). Andere Faktoren, die mit den üblichen Schichtindikatoren gar nicht erfaßt werden, müssen demnach hinzutreten. Hierzu gehören z. B. die Wohnverhältnisse, große Kinderzahl der Familien und Unvollständigkeit der Familien. Alles in allem gilt: es ist nicht die „Tatsache, daß ein Kind einer bestimmten sozialen Schicht angehört“, die „darüber entscheidet, ob es in der Schule Schwierigkeiten bekommen wird“, sondern auch „die Art und Weise, wie Eltern mit ihren Kindern umgehen und wie sie die häusliche Lernumwelt gestalten“ (Zielinski 1980, 56). Hierzu rechnen natürlich auch die schriftsprachlichen Aspekte des betreffenden Milieus. Spitta (1977, 74) macht z. B. darauf aufmerksam, daß für den Schriftspracherwerb wichtige Vorerfahrungen schon bei Schulbeginn „je nach Familiensituation sehr unterschiedlich sind (sein können)“ (Hervorhebung von Spitta). Die oben skizzierte Uneinheitlichkeit der Abgrenzungskriterien ist ⫺ abgesehen von Unterschieden, die auf die jeweils verschiedenen Sprachen zurückgehen ⫺ eine Ursache für die Schwierigkeit, internationale Vergleiche durchzuführen. Versucht man z. B. eine Zuordnung des Etiketts „Lernbehinderung“ zu den ‘Exceptional children’ Kirk’s (1972), kann man sowohl eine Beziehung zu den Termini ‘slow learners’, ‘educable mentally retarded children’, ‘mild mental retardation’, aber auch zu ‘learning disability’, sofern die Problematik generalisiert, erkennen. Wie allerdings Fletcher & Morris (1986) zeigen, sind diese Etiketten ihrerseits sehr stark von zeitbedingten Definitionsentscheidungen ⫺ auch wechselseitig ⫺ abhängig. Ganz analog zu der Situationsbeschreibung Habrichs finden sich in den Lernbehindertenschulen darüberhinaus auch erhebliche Anteile von Ausländerkindern, die den Grad der Heterogenität der Schülerschaft dieses Schultyps zusätzlich erhöhen. Als wissenschaftlicher Begriff ist der Terminus ‘Lernbehinderung’ bislang nicht ergie-

116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung

big gewesen. Er hat vielmehr hier bloß deskriptiven Charakter für den skizzierten Personenkreis.

2.

Lernbehinderung und Schwierigkeiten beim Erwerb der Schriftsprache

Bei allen Uneinheitlichkeiten in der Beschreibung sogenannter lernbehinderter Schüler besteht aber doch Einigkeit darin, daß ihre schulischen Lernleistungen umfänglich und langdauernd ⫺ im Vergleich zur Altersnorm ⫺ herabgesetzt sind. Dies macht sich auch ⫺ und vor allem ⫺ beim Schriftspracherwerb bemerkbar. Nach Frank ist Deutsch das Hauptversagensfach der lernbehinderten Schüler. Viele „fallen insbesondere durch große Rechtschreibschwächen auf“ (1983, 249). Für Rohr (1976, 585) gilt ebenfalls die These: „Rechtschreiben trägt maßgeblich bei zu Erfolg und Versagen in der Schule und ist somit schulischen Selektionskriterium ersten Ranges“. Aber auch für das Lesenlernen gilt im Anschluß an Heyer (1975, 293) für Böhm & Grether (1977, 166), daß ein schlechter Leser mit hoher Wahrscheinlichkeit zum schlechten Schüler wird. Kemmler (1967, 152) hatte zuvor schon festgestellt, daß „der Stand der regelrechten Rechtschreibung und der Lesefertigkeit“ in der Grundschule „weitgehend über Sitzenbleiben oder Nicht-Sitzenbleiben“ ⫺ und damit, so ist hinzuzufügen, auch über das „Risiko“, als „lernbehindert“ etikettiert zu werden ⫺ entscheidet.

3.

Relevant erscheinende Quellen der Varianz bei Schriftspracherwerbsstörungen sogenannter lernbehinderter Schüler

Ungeachtet der Wichtigkeit einer Aufklärung der Varianz der Variablen ‘Schulleistung beim Schriftspracherwerb’ für die Sonderpädagogik muß der bisherige Erkenntnisstand ⫺ wie ganz allgemein in dem in Rede stehenden Realitätsbereich ⫺ eher als bescheiden qualifiziert werden. Spear & Sternberg (1987, 4) z. B. charakterisieren die bisherigen Forschungsergebnisse hinsichtlich des Konstrukts ‘Reading disability’ in Analogie zu einer indischen Erzählung über ‘blinde Männer und den Elefanten’ wie

1353

folgt: „In the folktale, one blind man feels the elephants trunk and proclaims that the elephant is just like a snake; another feels the elephant’s side and asserts that the elephant is like a wall; and so on, with each blind man contributing a different, only partially correct opinion on the nature of the elephant“. In ihrem Information-Processing Framework for Understanding Reading Disability attribuieren sie dann auch diesen Sachverhalt auf die beträchtliche Komplexität der Problematik, der sie mit einer Reduktion begegnen wollen: „We also need to explain what we mean by the term reading disability (RD). In using this term, we refer to individuals who have a specific deficit in reading, coupled with avarage or above ⫺ average intelligence. (Although we would agree, theoretically, that RD can also occur in individuals of belowaverage intelligence, the difficulties inherent in disentangeling the reading deficits from general cognitive deficits preclude the consideration of the low ⫺ intelligence population for the present). We further conceptualize reading disability as an intrinsic deficit, one not caused by (but perhaps exacerbated by) external factors such as poor teaching, environmental deprivation, and so on; or by other handicapping conditions, such as sensory impairment or emotional disturbance“ (1987, 4). Gleicht man die oben skizzierten Beschreibungen sogenannter lernbehinderter Kinder und Jugendlicher mit dieser Selbstbeschränkung von Spear & Sternberg ab, so wird ersichtlich, daß eine solche Sichtweise aus der Perspektive der Lernbehindertenpädagogik viel zu kurz greifen muß. So ist z. B. schon die Reduktion auf ein nur intrinsic deficit kaum nachvollziehbar. Entsprechende Klarstellungen sind bei Stanovich (1989 a, b, c) nachlesbar. Auch wenn das von Spear & Sternberg angesprochene disentangeling dadurch notwendigerweise leiden muß, soll im folgenden versucht werden, wenigstens einige wenige wichtige Faktoren in die Problemanalyse mit einzubeziehen, die Spear & Sternberg, zumindest zunächst, nicht variieren wollen. Einmal ist dabei an die Variable ‘Testintelligenz’ zu denken, deren Relevanz für Schriftspracherwerbsstörungen über den gesamten Range möglicher Meßwerte wenigstens andiskutiert werden muß. Weiterhin ist auf dem Hintergrund „der Kognitionspsychologie als dominantem Paradigma der Psychologie“ (Wimmer & Hummer 1991, 169) auf Modelle

1354 kognitionspsychologischer Ansätze über den Schriftspracherwerb einzugehen. Darüber hinaus werden externale Variablen, wie z. B. ‘soziales Umfeld’ und ‘Qualität des Unterrichts’ als unverzichtbar für das Verständnis von Schriftspracherwerbsstörungen bei sogenannten lernbehinderten Schülern angesehen. 3.1. Testintelligenz „Für den schulischen und beruflichen Erfolg, ebenso wie für die Teilhabe am kulturellen, politischen und gesellschaftlichen Leben“ ⫺ so Naegele & Valtin (1993, 143) ⫺ „ist die Beherrschung der Schriftsprache von entscheidender Bedeutung […] Ein Versagen im Lesen und Schreiben bedeutet für die Betroffenen eine entscheidende Lernbehinderung, die nicht selten aufgrund der damit verbundenen Mißerfolgserlebnisse Störungen im Bereich der Persönlichkeit und des Verhaltens nach sich zieht“. Die hier gebrauchte Terminologie von Naegele & Valtin weitet den Begriff ‘Lernbehinderung’ sicherlich über den oben beschriebenen Personenkreis aus. Dem entspricht eine Tendenz, die Trennung „von lese- rechtschreibschwachen Kindern in (intelligente) Legastheniker und ‘normale’, d. h. unterdurchschnittlich begabte Lese- Rechtschreibschwache“ (Naegele & Valtin 1993, 145) aufzugeben und statt dessen von Schülern mit Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten (LRS) zu sprechen. Es ist dies eine Bezeichnung, die als „Sammelbegriff für eine Vielzahl von Problemen“ verstanden wird, um zu signalisieren, „daß es sich dabei nicht um eine im Kind liegende Schwäche handelt, sondern um auftauchende Schwierigkeiten, die unterschiedlich bedingt sein können“. (Naegele & Valtin 1989, 8). LRS wird so zu einer „Bezeichnung für jede langdauernde Schwierigkeit beim Erlernen der Schriftsprache“ (Naegele & Valtin 1993, 145). Sie bezieht sich damit auch auf die Schriftspracherwerbsprobleme sogenannter lernbehinderter Schülerinnen und Schüler. Eine Diskrepanz zwischen Intelligenztestleistung ⫺ etwa mit der zusätzlichen Forderung ‘mindestens durchschnittliche Testintelligenz’ ⫺ und Lese- bzw. Rechtschreibleistung ⫺ spiele dabei keine Rolle. „Evidence that IQ scores are irrelevant to the definition and analysis of reading disability“ ist für Siegel (1988) der Grund, im anglo-amerikanischen Sprachraum ganz ähnlich zu argumentieren (vgl. auch Siegel 1989 a, b). Die Abkoppelung eines ‘naiv’ gedachten Ursachenfaktors „Legasthenie“ mit dem Be-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

mühen, „diese spezielle Form von Leseschwierigkeiten von jenen abzugrenzen, die mit allgemeiner Lernbehinderung einhergehen“, erscheint mit Recht dann aus schulpraktischen Erwägungen äußerst problematisch, wenn beispielsweise eine mindestens durchschnittliche Intelligenz als Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie postuliert wird“ (Zielinski 1980, 78 f) und entsprechende Privilegien eingefordert werden. Unter forschungsstrategischem Aspekt kann allerdings „die Abgrenzung einer Sonderpopulation ‘Legasthenie’ als der legitime Versuch betrachtet werden, durch Kontrolle eines Variablenbereichs die speziellen Differenzen zwischen Gruppen zu erfassen“ (Zielinski 1980, 78). Diese Sichtweise führt zu den häufig durchgeführten Vergleichen von Gruppen ‘intelligenter’ Schüler mit und ohne Schriftspracherwerbsstörungen (vgl. z. B. Zielinski 1980). Für Campione, Brown & Ferrara (1985, 474) gilt dagegen ⫺ mit Blick auf mental retardierte Kinder ⫺ folgendes: „[…] we believe more interesting or specific tests of theory can come from comparisons of retarded and learning disabled children.“ Im Rahmen dieser Forschungsstrategie würde also die Schriftspracherwerbsstörung konstant gehalten, während die Testintelligenz variiert. Beide Sichtweisen können nun als spezielle Fragestellungen im Rahmen einer Kreuztabellierung der Dimensionen ‘Testintelligenz’ mit den Ausprägungen ‘unterdurchschnittlich’ und ‘durchschnittlich/überdurchschnittlich’ sowie ‘Gütegrad des Schriftspracherwerbs’ ⫺ ebenfalls mit den Ausprägungen ‘unterdurchschnittlich’ und ‘durchschnittlich/ überdurchschnittlich’ aufgefaßt werden, wobei hier u. U. der Grad der Unterdurchschnittlichkeit durch zusätzliche Restriktionen in Form von Diskrepanzmaßen eingeschränkt sein mag. Im übrigen führt diese Kreuztabellierung zu der üblicherweise zunächst gestellten Frage nach der Höhe der Korrelation zwischen der Variablen ‘Testintelligenz’ und ‘Lese- bzw. Rechtschreibleistung’. Die oben skizzierten speziellen Fragestellungen ⫺ weitere könnten im Rahmen der Kreuztabelle formuliert werden ⫺ beziehen sich letztlich auf die Aufklärung bestimmter Residualvarianzen. Deutlich unterdurchschnittliche Intelligenztestergebnisse sind nach Zielinski & Schneider (1986, 38) gute „Indikatoren für späteres Leseversagen“, wobei sich allerdings

116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung

Förderungshinweise aus den Ergebnissen von Intelligenztests nicht ableiten lassen. Zielinski & Schneider beziehen sich in diesem Zusammenhang u. a. auf die Untersuchung von Röhr (1978), welche auch Brügelmann (1984, 74) zu der Feststellung veranlaßte, daß Kinder mit einem sehr geringen IQ zu fast 90% Risikokandidaten im Lesen sind. Bei den in Rede stehenden Schülern war von Röhr ein IQ zwischen 56 und 101 festgestellt worden. „Für Schulanfänger mit diesen Testleistungen lassen sich“ ⫺ so Brügelmann (1984, 74) ⫺ „mit relativ hoher Sicherheit Schwierigkeiten voraussagen, wenn keine besonderen Maßnahmen ergriffen werden. Welcher Art diese Maßnahmen sein sollten, sagt der Test aber nicht“. Die skizzierte Datenlage deutet auf bivariate Streuungszusammenhänge im Sinne einer ‘Twisted Pear’-Korrelation (Jensen, 1980) hin. Anders als bei den bekannteren ellipsoiden Streuungsdiagrammen, bei denen von einer Homoskedastizität ausgegangen wird, liegt hier eine ausgeprägte Heteroskedastizität vor. Ist diese Sichtweise zutreffend, müßten wohl auch die Berechnungen Schlees (1976) neu gewertet werden. In seiner Längsschnittstudie errechnete Röhr (1978) einen Korrelationskoeffizienten von .58 zwischen den Werten im HamburgWechsler-Intelligenztest für das Vorschulalter (HAWIVA) und der ‘Leseleistung’ von Schülern am Ende des 2. Schuljahres. Dies veranlaßt Brügelmann zu der Feststellung, daß die „Prognosekraft“ der Testintelligenz doch begrenzt bleibe, „wenn man sie auf die Rangfolge über das gesamte Leistungsspektrum bezieht“ (1984, 73). Dies ist sicher eine zutreffende Aussage, doch bleibt festzustellen, daß ja ganz allgemein die korrelativen Beziehungen zwischen Intelligenzleistungen und Schulleistungen sich in Grenzen halten, und diese darüber hinaus durch eine ‘Twisted-Pear’-Beziehung noch zusätzlich gemindert werden können. Böhm & Müller (1991) verweisen für die Variablen ‘Rechtschreibleistung’ und ‘Testintelligenz’ ⫺ operationalisiert durch IQ-Werte ⫺ auf eine frühe Untersuchung Böhms (1967), der speziell „bei lernbehinderten Schülern keine hohe Korrelation der beiden Faktoren“ feststellen konnte. „Schüler der Schule für Lernbehinderte mit gleichem IQ erzielten äußerst unterschiedliche Leistungen, und diese Ergebnisse machen einen engen Zusammenhang von Intelligenz und Schulleistung fraglich“. Böhm (1967, 615) hat nun

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aber zwischen dem Lebensalter und der Variablen ‘Rechtschreibleistung’ eine signifikante Rang-Korrelation nach Spearman von .54 ermittelt. Aufgrund der ihm vorliegenden Intelligenzquotienten hat er darüber hinaus das jeweilige Intelligenzalter der ihn interessierenden Stichprobe lernbehinderter Schüler errechnet und zwischen dieser Variablen ⫺ also einer geänderten Operationalisierung des Konstrukts ‘Intelligenz’ ⫺ und der Variable ‘Rechtschreibleistung’ eine Korrelation von .52 ermittelt. Beide Koeffizienten liegen in ihrer Größenordnung nahe beieinander. Dies verwundert nicht, kann man doch im vorliegenden Zusammenhang (relativ homogene Stichprobe bezüglich des IQ, relativ heterogene Stichprobe bezüglich des Lebensalters) das Intelligenzalter als monoton steigende Funktion in Abhängigkeit vom Lebensalter interpretieren. Bei den Spearman’schen Rangkorrelationskoeffizienten ist dann eine große Übereinstimmung zu erwarten. Die von Böhm (1967) mitgeteilten Korrelationen sind gut kompatibel mit neueren Versuchen, eine ‘Entwicklungslogik’ des Schriftspracherwerbs zu formulieren (z. B. Günther 1986; Valtin 1993), welche für die konkrete Ausgestaltung von Fördermaßnahmen bei Kindern und Jugendlichen mit Schriftspracherwerbsstörungen nützlich sein können. Der Zusammenhang zwischen Lebensalter und Erfolg beim Versuch, die Schriftsprache zu erwerben, war wohl auch schon der älteren Hilfsschulpädagogik bekannt. So schreibt z. B. Maennel über die Lehrverfahren in der Unterstufe der Hilfsschule: „Im übrigen muß der Lehrer alles sein […] Fehlt ihm doch vor allem die Fibel, welche in der Normalschule so frühzeitig sich zwischen Schüler und Lehrer als trennende Papierwand schiebt. Hier soll weder gelesen, noch geschrieben, noch auswendig gelernt werden, was in einer Fibel stehen könnte […] Wenn der Drill der Hilfsschule fernbleiben soll, dann schiebe man die „drei Eisheiligen“, welche das muntere Leben, die Schulfröhlichkeit, ertöten, so lange als möglich zurück“ (1905, 107). Nach Busemann (1959) sollte sich der Unterricht in der Hilfsschule nicht wie in der Volksschule nach dem Lebensalter, sondern nach dem Intelligenzalter der Schüler richten. Damit wird zum Ausdruck gebracht, die kognitive Leistung einer Person sei „allein eine Funktion des jeweils erreichten kognitiven Entwicklungsstandes ungeachtet der Zeit, die

1356 für diese Entwicklung nötig war“, wobei in diesem „Kontext der Begriff des Intelligenzquotienten als zusätzlicher Erklärungsfaktor überflüssig“ wird: „Personen mit gleichem kognitiven Entwicklungsstand, d. h. mit gleichem mentalen Alter, seien es Behinderte oder Nicht-Behinderte, sollten bei kognitiven Anforderungen keine Verhaltensunterschiede aufweisen, die durch den IQ erklärbar wären“ (Mähler & Hasselhorn 1990, 355). Dieser Developmental Position (Entwicklungsverzögerungshypothese), die sich vor allem an Zigler (1969) orientiert, scheint allerdings der Befund Böhms entgegenzustehen, daß Sonderschulklassen im Rechtschreiben nicht die Leistungen von Volksschulklassen des gleichen IA-Bereichs erbringen (1967, 611). Dieser Befund könnte für die ‘konventionelle Differenz-Position’ ⫺ wie sie etwa von Milgram (1973) vertreten wird ⫺ sprechen. Dann wäre zu bezweifeln, daß Lernbehinderte „im Rechtschreiben ihrem IA entsprechende Leistungen zu erzielen vermögen“ (Böhm 1967, 611). Demgegenüber könnte aber auch argumentiert werden, daß die Sonderschule vielleicht die Intelligenz ihrer Schüler für das Rechtschreiben nicht in gleichem Maße ausschöpft wie die Volksschule (Böhm 1967, 613). Korrelationskoeffizienten sagen nun für sich genommen noch nichts über Kausalbeziehungen zwischen den jeweiligen Variablen aus. Die häufige Interpretation unzureichenden Schriftspracherwerbs als Folge unterdurchschnittlicher Intelligenz ist deshalb nicht nur wegen des Vorkommens ‘intelligenter’ Legastheniker problematisch, sondern auch ⫺ um bei der Terminologie von Naegele & Valtin (1993, 145) zu bleiben ⫺ hinsichtlich kausalanalytischer Reflexionen bei ‘normalen’, d. h. unterdurchschnittlich begabten Lese- Rechtschreibschwachen. Wie z. B. Stanovich (1986, 1989 a) zu Recht betont, ist eine unterdurchschnittliche Intelligenzleistung sehr wohl auch als ein Effekt nicht gelungenen Schriftspracherwerbs vorstellbar. In einem Artikel über sogenannte ‘Mathew effects in reading: Some consequences of individual differences in the acquisition of literacy’ (1986) legte Stanovich dies ausführlich dar (vgl. Matthäus-Evangelium Kap. 25, Vers 29). Er sieht später seine Position hinsichtlich des „poorer get poorer effects in reading“ noch mehr bestätigt, indem er schreibt: „I discussed some preliminary evidence indicating that the reduced educational

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

opportunities that are the results of slow reading acquisition further depress verbal intelligence and subsequent academic achievement. More recent evidence has confirmed my conclusion that reading itself is a moderately powerful determinant of vocabulary growth, verbal intelligence, and general comprehension ability“ (1989 a, 489). Die Bewertung der Schrift als ein Denkzeug, wie sie neuerdings unter anthropologischer Perspektive Vollmer (1991) getroffen hat, unterstützt die Argumentation von Stanovich nachhaltig. Es war insbesondere Siegel (1988, 1989 a, b), die kürzlich den üblichen kausalorientierten Ansatz bezüglich der variablen ‘Testintelligenz’ und ‘Schriftspracherwerb’ heftig kritisiert hat ⫺ durchaus unter Anerkennung korrelativer Beziehungen zwischen diesen beiden Bereichen. Mehr noch: Siegel lehnte strikt die Einbeziehung von Intelligenztestergebnissen in Diagnosen bezüglich möglicher Hintergründe bei Störungen des Schriftspracherwerbs ab. In mancher Hinsicht gleicht dabei Siegels Position jener von Schlee (1976). Siegels Ausführungen haben teilweise Zustimmung, teilweise auch Widerspruch gefunden (Bryan 1989; Graham & Harris 1989; Lyon 1989; Stanovich 1989 a; Torgesen 1989). Für den vorliegenden Diskussionszusammenhang sind die Argumente Siegels insofern interessant, als sie für ihre eigenen empirischen Untersuchungen nicht nur ⫺ wie weithin üblich ⫺ ‘normalintelligente’ Schülerinnen und Schüler mit und ohne spezifische Schriftspracherwerbsstörungen vergleicht, sondern in ihre Analysen auch Schülerinnen und Schüler mit unterdurchschnittlicher Testintelligenz, aber vergleichbaren Leseleistungen mit einbezieht, somit also auch das Etikett reading disability sehr weit faßt. Siegels Fazit lautet: „Empirical evidence was presented that poor readers at a variety of IQ levels show simular reading, spelling, language, and memory deficits. On logical and empirical grounds, IQ test scores are not necessary for the definition of learning disabilities“ (1989 a, 469). Es gilt für Siegel: Kinder mit niedrigen IQWerten, die Schriftspracherwerbsstörungen (Lesen) aufweisen, haben in erster Linie in dieser Hinsicht Probleme und scheitern nicht beim Lesenlernen, weil sie eine niedrige Testintelligenz aufweisen (1989 a, 472). Von besonderer Bedeutung für Siegel sind auch sogenannte ‘hyperlektische Kinder’. Das sind solche, die trotz u. U. sehr niedrigen IQ-Wer-

116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung

ten dekodieren und Wörter wiedererkennen können, ohne allerdings deren Bedeutung zu verstehen (word callers). Wäre Testintelligenz mit kausal für Lesen, dürfte es ⫺ so Siegel ⫺ solche Kinder gar nicht geben. Hier liegt nun allerdings auch eine gravierende Schwäche der Siegelschen Argumentation. Siegel klammert nämlich bei ihren Ausführungen weitgehend das Leseverständnis als Kriterium aus, wiewohl sie einräumt, daß bezüglich dieser Variablen ein Zusammenhang zur Testintelligenz bestehen könnte (1989 a, 475). Jedenfalls konnte z. B. Aaron (1991) ⫺ durchaus nicht ohne Bezug zu Siegel (1991, 178) ⫺ Schüler in ein Kategoriensystem mit drei Kategorien einteilen, wobei die erstere Kinder mit spärlicher Dekodierung, aber adäquaten Verstehensleistungen umfaßt, und die zweite und dritte sich auf Kinder mit spärlichen Verstehensleistungen und adäquater Decodierung bzw. mit Defiziten in beiden Bereichen bezogen. Die Kinder in der ersten Kategorie hatten dabei im WISC sowohl den höheren Verbal-IQ als auch den höheren Handlungs- und GesamtIQ im Vergleich zu den Schülern, die in die beiden anderen Kategorien eingeordnet werden mußten (Aaron 1991, 184). Wood, Buckalt & Tomlin (1988) verglichen drei Gruppen von Kindern, die unterschiedlichen pädagogischen Förderbedingungen zugeordnet wurden (Regular Education, Learning Disability, Mild Mental Retardation), hinsichtlich der Variablen ‘Verstehen gesprochener Sprache’ und ‘Verstehen geschriebener Wörter’, wobei der zweite Faktor einer Varianzanalyse noch zwischen Stadt- und Landkindern trennte. Die durchschnittlichen Verbal-IQ der drei Kindergruppen betrugen 96,4, 89,2 und 66,5. Es war bezüglich der abhängigen Variablen nur ein Haupteffekt zwischen den Gruppen registrierbar. Ungeachtet einiger schwerer interpretierbaren korrelativen Beziehungen zwischen dem Verbal-IQ und den Variablen ‘Listening’ und ‘Reading’ innerhalb der drei Gruppen darf somit von einer deutlich erkennbaren Kovariation dieser Verstehensleistungen über die Gruppen hinweg ausgegangen werden. Unklar bleiben dabei wieder die ‘kausalen’ Abhängigkeiten. 3.2. Schriftaneignung als Problemlösen Nicht wenige Autoren (z. B. Schneider & Wimmer 1993) charakterisieren die gegenwärtigen Entwicklungen bei der Erforschung von Schriftspracherwerbsstörungen unter kognitionspsychologischer Perspektive als ei-

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nen entscheidenden Fortschritt im Vergleich zu den Vorläuferstudien der traditionellen Legasthenieforschung, wobei die bislang entwickelten theoretischen Positionen ⫺ wenigstens was das Lesen betrifft ⫺ einige wesentliche Grundannahmen teilen, „die man gewissermaßen als kleinsten gemeinsamen Nenner zu einem ’Standardmodell des Lesens: […] zusammenfassen kann“ (Wimmer & Hummer 1992, 169), dem ⫺ wie bislang ja argumentiert ⫺ die Überzeugung zugrunde zu liegen scheint, „that comprehension and automized phonological processing of print are the most important predictors of reading achievement“ (Aaron 1991, 179). Schon Kainz hatte Lesen ja definiert als das „verstehende Aufnehmen von schriftlich fixierten Sprachfügungen, somit die auf Grund der erworbenen Kenntnis der Schriftzeichen vollzogene Tätigkeit des Sinnerfassens graphisch niedergelegter Gedankengänge“ (1956, 162). Aufgrund seiner Forschungsergebnisse mit lernbehinderten Schülern auf dem Hintergrund der triarchischen Theorie menschlicher Intelligenz von Sternberg (1985; Kolligian & Sternberg 1987) findet es Holtz derzeit schwierig, infolge der komplexen und interaktiven Natur des Leseprozesses dabei zu entscheiden, „whether the reading disorders […] are the result of a deficit of spezific components or rather the result of a strategic deficit […] i. e. one caused by an inadequate selection or combination of componetial parts“ (1993, 12⫺13). Für Schmalohr (1991) steht aufgrund eines Ergebnisvergleichs sogenannter metakognitiver Instruktionsgespräche zur Behebung von Leseschwierigkeiten mit Grundschülern einerseits und lernbehinderter Sonderschüler andererseits fest, daß unterschiedliche Strategien auf jeden Fall eine Rolle spielen. In seiner Untersuchung zur Analyse des Lesens und Lesenlernens mit Kategorien der Theorie des Problemlösens kommt May (1986) u. a. zu der Folgerung, daß die Aneignung „der schriftsprachlichen Abbildungsregeln weniger streng logisch als vielmehr in weiten Bereichen analogisch, d. h. durch Abstraktion und Übertragung von Strukturprinzipien auf neue Analysegegenstände“ erfolge (Hervorhebung von May). Demzufolge müsse ein Kind lernen, entsprechend strategisch vorzugehen (May 1986, 294). Wegen der in der Regel hohen Korrelation zwischen Intelligenz und Analogisieren (Sternberg 1985 b, 252) soll an diesem Beispiel versucht werden, die beiden Bereiche im vorliegenden

1358 Diskussionszusammenhang aufeinander zu beziehen und so ⫺ wenigstens ansatzweise und exemplarisch ⫺ den Einfluß von Informationsverarbeitungsprozessen auf Schriftspracherwerbsstörungen besser zu verstehen. Im Anschluß an ein Experiment von Ellis & Miles (1978) mit Posner-Aufgaben geht Klix davon aus, daß dyslektische Worterkennungsstörungen „in der Ebene der Bedeutungserkennung angesiedelt sind und daß es sich dabei um Störungen in prozeduralen Erkennungsvorgängen handelt“ (Klix 1992, 420). Begriffsbeziehungen können nun in Form semantischer Relationen fest eingetragen sein oder aber auch aus Merkmalsvergleichen abgeleitet werden. Klix nimmt dann an, „daß die Erkennung der Äquivalenz zwischen visuell einkodiertem Erregungsmuster und akustisch kodiertem Wortbild ebenfalls auf einem Vergleichsprozeß beruht. Wenn diese operative Funktion in sprachgebundenen Erkennungsvorgängen gestört sein sollte, müßte sich das im besonderen bei der merkmalsbestimmten Relationserkennung zeigen. Im Unterschied dazu sollten Erkennungsprozesse, die durch assoziative Anregung zustande kommen, gegen solche Störungen wesentlich resistenter sein. Mit anderen Worten: Zwischenbegriffliche Erkennungsprozesse müßten von LRS-Kindern ebenso gut bewältigt werden wie von normal lese-schreibfähigen Kindern. Allerdings kann nicht zurückgewiesen werden, daß bei ärmer strukturiertem, stationärem Gedächtnisbesitz auch hier Defizite auftreten. Das müßte sich im besonderen dort zeigen, wo ein allgemeines Intelligenzdefizit zu einer wenig differenzierten Wissensbasis geführt hat“ (Klix 1992, 420). Hier wird nun eine Untersuchung von van der Meer mit ‘Normalschülern’, ‘LRS-Schülern’ und ‘Hilfsschülern’, deren durchschnittlich nach Raven ermittelte IQ 99, 95 bzw. 73 betrugen, besonders interessant (Becker, van der Meer & Meißner 1983; van der Meer 1985 a, b). Diese Untersuchung läßt genau solche Vergleiche zu, die von Zielinski bzw. von Campione, Brown & Ferrara (1985) ⫺ wie schon ausgeführt ⫺ bei der Aufklärung der Varianz im Zusammenhang mit Schriftspracherwerbsstörungen für legitim und wichtig erachtet wurden. Als kritische Methode wurde das von May für das Lesen als besonders relevant angesehene Analogisieren herangezogen, wobei vor dem eigentlichen Experiment entsprechende Aufgaben geübt wurden, um sicherzustellen,

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

daß eventuelle Effekte nicht auf mangelndes Aufgabenverständnis zurückgehen. Zunächst waren von den Schülern Anforderungen mit semantischen Relationen zu bewältigen, die einmal zwischenbegrifflich (Vogel: Nest :: Kuh: ?) und zum anderen merkmalsbestimmt (Fisch: Tier :: Blume: ?) waren. Bei den zwischenbegrifflichen Relationen gab es keinen signifikanten Unterschied in den Fehlerhäufigkeiten zwischen den ‘Normalkindern’ und den ‘LRS-Schülern’. Sehr wohl aber waren deutliche Leistungsdifferenzen zwischen den beiden ersten Gruppen und den Hilfsschülern zu verzeichnen. Ganz anders stellten sich jene Effekte dar, die mit der Erkennung semantischer Relationen, welche auf Merkmalsvergleichsprozessen beruhen, in Zusammenhang stehen. Hier mußte der vierte Term konstruktiv bestimmt werden, während man bei den zwischenbegrifflichen Relationen eine Auswahl aus voraktivierten assoziativen Bindungen ⫺ so Klix (1992) ⫺ annehmen kann. Klix vermutet nun, daß „der konstruktive Teil des Versuchsgeschehens den Ablaufbedingungen von Schreib- und Lesevorgängen gar nicht so fremd“ ist, jedenfalls zeige „sich hier der eigentliche überzeugende Unterschied zwischen den Normalschülern und den Schreibleseschwachen“ (1992, 422). Hypothetisch vermutet Klix dann im Anschluß an die Unterscheidung von Ellis & Young (1991) zwischen Oberflächendyslexie und Tiefendyslexie, „ob nicht das dahinterstehende ‘mismatch’ in beiden Fällen auf demselben gestörten Prozedurablauf beruht“ (1992, 423). Die Fehlproduktionen der Hilfsschüler gehen nicht auf ein mangelndes Verständnis der Anforderungen zurück. Sie müssen vielmehr ebenfalls auf jene Schwierigkeiten attribuiert werden, welche die LRS-Kinder beeinträchtigen. Zusätzlich gilt aber für sie, daß eine mangelhafte Begriffsverfügbarkeit (auch bei ereignisgebundenen Begriffen) auf ein Wissensdefizit, „das durch verminderte Lerneffizienz mit bedingt sein dürfte“, verweist (Klix 1992, 422). Van der Meer hat ihr Experiment noch dadurch erweitert, daß sie ihren Probanden zusätzlich Analogieaufgaben mit geometrischem Inhalt vorlegte. Ihre Ergebnisse deuten daraufhin, daß LRS-Schüler „gegenüber normal entwickelten Probanden in der Verfügbarkeit elementarer Komponenten analoger Schlußprozesse über geometrische Strukturen nicht beeinträchtigt sind […] Annahmen über eine bei der LRS-Population bestehende vi-

116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung

suelle Differenzierungsschwäche sind demzufolge mit größter Wahrscheinlichkeit als unzutreffend zu verwerfen“, mithin tatsächlich wohl eine spezifische Beeinträchtigung dieser Kinder vorliegen könnte, d. h. eine spezielle Beeinträchtigung von Operationen über begrifflich-lexikalische Strukturen“ (1985 a, 92 f). Für die Population der ‘Hilfsschüler’ trifft dies nicht zu. Auch bei geometrischen Inhalten schneiden sie signifikant schlechter ab als die Vergleichsgruppen. Die Generalisierung aufgrund von Analogiebildungen ist nach Meinung von Schöler & Kany (1988) ganz allgemein ein wesentlicher Prozeß beim Erwerb von sprachlichem Wissen. Schon Stern & Stern (1928, 140) hatten festgestellt, die Analogiebildung bedeute für die Bereicherung der Sprache eine „gewaltige Ökonomie, da sie mit einem Mindestmaß von sprachlicher Konsumtion ein Höchstmaß von Produktion leistet“. Analogiebildung ist nun ein wesentliches Moment des induktiven Denkens, das nach Klauer in der Feststellung der Gleichheit oder Verschiedenheit von Merkmalen oder Relationen bei verbalem, bildhaftem, geometrisch-figuralem numerischen oder sonstigem Material besteht (Klauer 1991, 17). Wie Klauer zeigt, haben komplexere kognitive Anforderungen wie z. B. auch das Analogisieren, die Verfügbarkeit einfacherer geistiger Operationen zur Voraussetzung. Hier existieren sehr enge Beziehungen zu den elementaren geistigen Operationen Lompschers (1972) und deren Verlaufsqualitäten (Lompscher 1972; 1976). Böhm (1993) meinte, daß praktisch allen bei Lompscher aufgeführten elementaren geistigen Operationen und deren Verlaufsqualitäten für das Lesenlernen ⫺ auch auf der Graphem-PhonemEbene ⫺ eine große Bedeutung zukommt, in der Literatur aber allenfalls nur zwei Begriffe aus diesen Bereichen eine Rolle spielen: die Generalisierung (vor allem im Spracherfahrungsansatz als Übergeneralisierung) und die Antizipation (Vorausschau), welche etwa von Valtin (1981, 212) als grundlegendes Lernziel aufgeführt wird. Böhm vermißt also in der Literatur zum Lesenlernen Hinweise auf die weit über das Lesenlernen hinausreichende Bedeutung, welche geistige Fähigkeiten hier haben. Ebenso wie Lompscher hat er den Eindruck, daß Lehrkräfte weit überwiegend auf Wissens- und Fertigkeitserwerb ausgerichtet sind, dagegen Fragen der Entwicklung geistiger Fähigkeiten kaum beachten (1993).

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Daß Böhm gerade der Position Lompschers im vorliegenden Diskussionszusammenhang große Bedeutung beimißt, verwundert nicht. Wie Dörner (1976) gezeigt hat, besteht zwischen der Liste elementarer geistiger Operationen Lompschers (1972) und den elementaren geistigen Prozessen, die Selz (1913) kennt, in der Sache eine enge Beziehung. Die Position von Selz (1913, 1922) ihrerseits ⫺ deren Bedeutung für die Kognitionspsychologie ja heute mehr und mehr anerkannt wird ⫺ hatte aber spürbaren Einfluß auf die Leselernkonzeption von Kern & Kern (1964), der Böhm seinerseits nachhaltig verpflichtet ist. In der Sprache Dörners (1976) wäre somit gerade bei ‘lernbehinderten’ Schülern eine Verbesserung der heuristischen Struktur anzustreben. Wegen des von Klix (1992) vermuteten Wissensdefizits dieser Personengruppe muß aber selbstverständlich nach wie vor ⫺ dies ist üblicherweise das Hauptanliegen der Schule ⫺ eine Förderung lernbehinderter Schüler über die epistemische Struktur versucht werden, weil der ‘Denkapparat’ dann „mit besserem Material arbeiten kann“ (Dörner 1976, 116). Analogiebildungen gelingen wohl dann besser, wenn dem Problemlöser mehr Wissen über die einzelnen analogiebildenden Terme zur Verfügung steht. Wenn also lernbehinderte Kinder und Jugendliche oftmals im kognitiven Bereich umfänglich beeinträchtigt erscheinen, ist es eine vordringliche Aufgabe bei ihrer Förderung, diese ganz allgemein denkerzieherisch auszugestalten. Speziell muß hierzu nach dem Gesagten auch jeglicher Unterricht beitragen, welcher der Aneignung der Schriftsprache dienen soll. Dabei gilt als Hypothese, daß dann der Schriftspracherwerb selbst besser gelingen wird. Wie Stanovich (1989 b) dargetan hat, kommen bei der Einschätzung der Erfolgsmöglichkeit eines solchen Ansatzes Grundüberzeugungen ins Spiel, die jenen der ‘nature/ nurture’-Debatte ensprechen. Allerdings deutet z. B. schon der unterschiedliche korrelative Zusammenhang zwischen Testintelligenz und ‘Leseleistung’ in Abhängigkeit von der Sozialschichtzugehörigkeit der untersuchten Kinder daraufhin, daß die Umwelt hier in erheblichem Ausmaß einen Effekt machen kann. Jensen resümiert: „When the sample was devided into lower ⫺ and upper ⫺ socioeconomic-status groups, it was found that the predictive validity of IQ was higher in the lower SES group than in the higher SES group“ (1980, 325).

1360 3.3. ‘Eigenweltproblematik’ Orientiert man sich ⫺ wie May (1986) das tut ⫺ bei der Förderung von Kindern, die Probleme beim Erwerb der Schriftsprache haben, an Theorien des Problemlösens, so wird man vor allem auch Umweltfaktoren, die sich motivational auswirken, focussieren müssen. Nach Dörner läßt sich ein Problem ja wie folgt definieren: „Ein Individuum steht einem Problem gegenüber, wenn es sich in einem inneren oder äußeren Zustand befindet, den es aus irgendwelchen Gründen nicht für wünschenswert hält, aber im Moment nicht über die Mittel verfügt, um den unerwünschten Zustand in der wünschenswerten Zielzustand zu überführen“ (Dörner 1976, 10). Problemlöseversuche setzen demzufolge nur dann ein, wenn ein wünschenswerter Zielzustand ⫺ eine persönliche Bedeutsamkeit des Problems (May 1986) ⫺ existiert. Nach Paris (1978) werden etwa Gedächtnisaktivitäten erst dann zu selbständig nutzbaren Strategien, wenn zu der Fertigkeit und dem Wissen Möglichkeiten und Grenzen der Aktivität (Kompetenz) auch die ziel- bzw. leistungsorientierte Absicht (Zielmotivation) eines Kindes hinzutritt. Dies wird nach Paris dann der Fall sein, wenn die einzuübenden Fertigkeiten persönliche Bedeutung und funktionalen Wert für das Kind erhalten. Auf den Schriftspracherwerb bezogen, läßt sich dieser Sachverhalt sehr gut anhand der beiden Kinder Viktor und Viktorine in Flauberts ‘Bouvard und Pe´cuchet’ verdeutlichen. Es handelt sich dabei um zwei ‘Unterschichtkinder’, welche nach heutigen Standards wohl als ‘erziehungsschwierig’ oder ‘lernbehindert’ etikettiert worden wären. Bouvard und Pe´cuchet nahmen sie bei sich auf und wollten ihnen u. a. auch das Lesen und Schreiben beibringen: Alle Versuche schlugen fehl, „bis sie auf eine List kamen […] (Viktor) neigte zur Naschhaftigkeit; sie zeigten ihm den Namen eines Gerichts: bald las er fließend in dem Cuisinier franc¸ais. Viktorine war eitel, ihr wurde ein Kleid versprochen, wenn sie es selbst schriftlich bei der Näherin bestellte. In weniger als drei Wochen vollbrachte sie das Wunder“. (1979, 349). Der Gebrauchswert der Schrift initiierte hier wohl einen stark motivierenden, wünschenswerten Zielzustand. Auch Spyris Heidi lernt erst nach einer langen Phase vergeblichen Bemühens das Lesen, nachdem ein Bezug zu ihrer ‘Eigenwelt’ hergestellt wird (Spyri 1978). Schon Rousseau hat in seinem ‘Emile’ (1882) die hier in Rede stehende Pro-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

blematik ja akzentuiert. Auch aus biographischen Darstellungen, wie z. B. aus jener Sartres (1987), der schon verlangte, Bücher zu bekommen, als er noch gar nicht lesen konnte, sind Milieuskizzen bekannt, welche die soziale Schichtzugehörigkeit als Quelle der Varianz für die Motivation, lesen lernen zu wollen, plausibel machen. Trotzdem muß aber mit Hasler (1991, 91) festgestellt werden, daß die vorhandenen Einsichten zur Bedeutung der Lernmotivation „für den Erwerb der geschriebenen Sprache häufig übersehen“ wurden. Wie bei Aaron (1991, 178 f) wird vielfach die Vorstellung vertreten: „Experimental neuropsychological and developmental studies of reading suggest, that the two major components of reading are comprehension and decoding […] the term comprehension refers to understanding the semantic and syntactic import of the word; the term decoding, also used interchangeable with terms such as encoding, recoding, and grapheme-phoneme conversion, refers to the utilization of spelling ⫺ to ⫺ sound relationship for converting the written word into its corresponding phonological representation“. Was Aaron hier ausführt, ist völlig kompatibel mit der oben zitierten Definition des Lesens von Kainz (1956). Für die Lernbehindertenpädagogik aber greift sie zu kurz. Sicher muß sich eine Didaktik und Methodik des Schriftspracherwerbs, wenn sie das ‘Prinzip der Passung’ (Heckhausen 1969) gewahrt wissen will, ihrer Sache und ihrer Adressaten (Groothoff 1969) auch bezüglich jener Komponenten versichern, die Aaron zutreffend für relevant hält. Für diese ‘Adressaten’ gehören aber in Abhängigkeit von ihrer ‘Eigenwelt’ (Begemann 1968) noch weitere, nämlich motivationale Faktoren zu den Lernvoraussetzungen, die eine erweiterte Sicht des Umgangs mit der Schriftsprache bei sogenannten lernbehinderten Kindern und Jugendlichen durch die Einbeziehung von Erfahrungs- und Handlungsorientierung erforderlich machen. Folgt man Maurers Position über den Zusammenhang von ‘Lebensgeschichte’ und ‘Lernen’ (1992), hat diese Sichtweise natürlich auch allgemeinpädagogische Relevanz, weil sie anthropologisch fundiert ist. Eine Definition des Lesens von Spitta (1977, 82) ist hier hilfreich: „Lesen wird verstanden als ein komplexer Vorgang der Informationsverarbeitung mit Hilfe von Strategien zum Auswählen aus wahrscheinlichen Möglichkeiten auf der sensomotorisch-phonematischen Ebe-

116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung

ne, der syntaktischen und der semantischen Ebene unter Befriedigung motivationaler Bedürfnisse und Aktualisierung lebensgeschichtlicher, sozialer und kultureller Vorerfahrungen“. Entgegen diesem weiteren Begriff von Lesen wird nach Böhm (1993) im Leseunterricht allzu oft der technische Aspekt überbetont. Daß Schüler hierbei jegliches Interesse und jede Motivation beim Lesen verlieren, könne dann nicht mehr verwundern. Von den Schülern werde vom Lesetext noch nicht einmal ein Sinn erwartet. Es habe ihnen ja vielfach auch nie jemand gezeigt bzw. sie erfahren lassen, welche Bedeutung die Schriftsprache im täglichen Leben haben kann. Besonders Unterschichtkinder ⫺ und in der Schule für Lernbehinderte (Förderschule) sind vorwiegend Kinder aus diesem Bereich ⫺ würden vor dem Schuleintritt kaum mit dem Umgang mit der Schriftsprache (Briefe, Veranstaltungskalender, Zeitungen …) und deren kommunikativer Funktion konfrontiert. Lesen habe für diese Schüler vorerst nur eine Bedeutung: man müsse es in der Schule können. (Wie anders sah demgegenüber z. B. die ‘Eigenwelt’ Sartres aus, auf die schon hingewiesen wurde.) Kindern, die eine Schule für Lernbehinderte besuchen, fehlt in der Regel ein Bildungspolster, „das bei den herkömlichen Anforderungen der Schule vorausgesetzt wird; ihre bisherigen Lebenserfahrungen weisen wenig Bezug zu Inhalten und Formen des üblichen Schulunterrichts auf. ‘Lernen auf Vorrat’, also Lernanstrengungen für erst viel später mögliche und nötige Anwendungen, kann diesen Kindern kaum nahegebracht werden. Darüber hinaus hat ihnen die Schule oft auch das Lernen am Erfolg versagt. Das betrifft vor allem den Erfolg beim schrittweisen Erlernen der ‘Kulturtechniken’ […] Wir meinen also, daß Kinder mit Lernschwierigkeiten auch ⫺ und besonders beim Erwerb der Schriftsprache ⫺ erfahren müssen, wozu das Gelernte gut sein soll und wozu sie es in ihrem Leben, in ihrem Alltag gebrauchen können: Der ‘Gebrauchswert’ des Gelernten muß wichtiger sein als sein ‘Tauschwert’ in Form guter Noten“ (Böhm, Böhm, Kornmann, Ramisch & Schmitt 1983, 8 f). Wie stark Effekte dieser möglichen Varianzquelle für ein besseres Gelingen des Schriftspracherwerbs faktisch sind, bedarf noch der systematischen Untersuchung. Jedenfalls besteht Einigkeit darüber, daß „Kinder ⫺ zumal, wenn sie in ihrer häuslichen

1361

Umgebung nicht die Schriftsprache als Kommunikationsmittel erfahren haben ⫺ einen völlig anderen Zugang zu den schriftlichen Zeichen haben“ (Valtin 1993, 69) als Erwachsene. Dies will z. B. auch Kossack gerade bei Schülern mit „Special Needs“ berücksichtigt wissen, zu denen sie u. a. neben den „Slow Learners“ auch „Students with Learning Disabilities“, „Students with Limited English Proficiency“ und „Students with Socioeconomic Disadvantages“ zählt ⫺ alles Etiketten für Schüler, die sich auch in der Lernbehindertenschule finden (Kossack 1991). Die Betonung der ‘Eigenwelt’ beim Schriftspracherwerb, verbunden mit der Frage „Sollten wir nicht doch zu mechanistisch auch in Bezug auf die ‘Sensomotorik’ sein, wenn wir nur sie als Grundlage des Lesenlernens ansehen?“ (Böhm 1982, 109) hat in der Lernbehindertenpädagogik hinsichtlich des Erstlesens zu einer Kontroverse geführt (vgl. Born 1981; Schmitt 1980, Grunwald 1981, 1982; Böhm 1982, Möckel 1982; s. a. Probst & Wacker 1986). Dabei ist zum Beispiel Grunwald vom Gewicht sogenannter sensomotorischer Lernvoraussetzungen für das Lesenlernen so überzeugt, daß er fordert, „Erstlesemethoden für Kinder mit Leseproblemen“ müßten danach beurteilt werden, „in welchem Maße sie die Behebung dieser Ursachen im Programm eingearbeitet haben“ (1982, 575). Böhm hingegen meint u. a., daß es im Lichte der Leseforschung eher so aussehe, „als ob wir in der Schule für Lernbehinderte den Kindern weithin mechanistisches und zudem gegenstandsinadäquates Lesenlernen präsentierten, wenn wir von den Elementen ausgehen, einmal ganz abgesehen von der ungeheueren sprachlichen Regression, die wir ihnen mit dem Zurückgehen auf die LallEbene zumuten“ (1982, 109). Dabei akzeptiert Böhm durchaus, daß phonematische Aspekte beim Lesenlernen wichtig sind und eine brauchbare Erstlesekonzeption sie berücksichtigen muß. Entsprechende Untersuchungen wie z. B. von Probst & Wacker (1986) bestätigen das auch immer wieder. Bei der Erörterung des Lesenlernens als Problemlösen waren diese Aspekte ja auch schon angeschnitten worden, wobei die bisherigen Befunde eine ‘sensualistische’ Position allerdings nicht zu stützen scheinen, weshalb Böhm (1982) gut daran tut, statt von ‘sensomotorischen Aspekten’ von ‘phonematischen Aspekten’ zu sprechen.

1362 3.4. Unterrichtsqualität Besondere Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens hängen auch von „den schulischen Lernverhältnissen oder didaktischen und lesemethodischen Mängeln“ ab (Naegele & Valtin 1993, 146). Wie die Untersuchung von Haeberlin, Bless, Moser & Klughofer (1990) zeigt, sind Sonderschulen wahrscheinlich bei der Vermeidung und Überwindung von Schriftspracherwerbsstörungen nicht effektiver als allgemeine Schulen. Jedenfalls konnte bei einem Vergleich von Deutschleistungen sogenannter integrierter und separierter schulleistungsschwacher Schüler kein Unterschied nachgewiesen werden. Auch für Regelklassen mit zusätzlicher heilpädagogischer Schülerhilfe gilt entsprechendes. Die schon genannte Untersuchung Böhms (1967) zeigt für verschiedene Klassen der gleichen Schule bzw. für Schulen mit vergleichbarem Einzugsgebiet zahlreiche mögliche Einflußfaktoren auf. Böhm erkennt zwar an, daß die von ihm gefundenen erheblichen Leistungsunterschiede von Schule zu Schule auch auf Auswirkungen von Milieuunterschieden zurückgeführt werden könnten. Die krassen Unterschiede, welche sich aber innerhalb der einzelnen Schulen ergeben, werden für ihn letztlich nur dadurch erklärbar, daß einzelne Lehrkräfte besser als andere in der Lage sind, die Auswirkungen ungünstiger Umweltfaktoren auszugleichen. Ganz ähnlich wären Unterschiede zwischen Schulen mit vergleichbarem Einzugsgebiet zu erklären. Auch bei vergleichbarer Intelligenz von Schulklassen ist ja bekannt, daß diese zu sehr unterschiedlichen Leistungen gelangen können. Wie Simons, Weinert & Ahrens (1975) für den Schulerfolg in Mathematik plausibel machen konnten, kann die Korrelation zwischen Testintelligenz und Schulleistungen in Abhängigkeit von der Qualität des Unterrichts bei sonst vergleichbaren Bedingungen deutlich absinken. Sie war in ‘guten’ Klassen signifikant niedriger als in ‘schlechten’ Klassen. Gründe für Schwierigkeiten bei Erwerb der Schriftsprache mögen also einerseits in Personeigenschaften, so z. B. im kognitiven Bereich, und andererseits in ungünstigen Milieufaktoren sowie in den sich ergebenden Wechselwirkungen liegen, aber auch spezifisch schulische Lehr-Lernbedingungen müssen in diesem Zusammenhang als äußerst bedeutsam angesehen werden. Hierzu gehören bestimmte Faktoren wie z. B. Klassengröße, Lehrerversorgung, Häu-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

figkeit von Lehrerwechseln und die für das Erlernen der Schriftsprache zur Verfügung stehende Lernzeit (vgl. auch Scheerer-Neumann 1979). Sicher spielt aber auch die Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer, den Schriftspracherwerb effektiv zu gestalten, eine große Rolle. Böhm & Grether (1977) sahen sich hier nach einer Untersuchung über das Lesenlernen in der Lernbehindertenschule zu einer wenig erfreulichen Bilanz veranlaßt. Zurecht forderten sie folglich Konsequenzen für die Lehrerausbildung (vgl. auch Böhm 1981). Es wird darüberhinaus bei der Erörterung effektiver Lernbedingungen für den Schriftspracherwerb aber auch die Frage nach einer tragfähigen Konzeption, die zu den Lernvoraussetzungen ‘lernbehinderter’ Schüler ‘paßt’, zu stellen sein. Fraglos ist hier Vellutino zuzustimmen, „that there is no substitute for direct remedial instruction in reading“ (1987, 41). Daß ‘konventionelle Ansätze’ auch für das Rechtschreiben größeren Erfolg versprechen, erscheint plausibel. Hier hat Böhm für die Didaktik und Methodik des Schriftspracherwerbs Vorschläge erarbeitet, die wohl derzeit am besten und umfassendsten der gestellten Forderung nach Passung Rechnung tragen. Er schlägt ein situations- und sinnorientiertes Lesenlernen vor, ohne dabei den systematischen Aufbau der lesetechnischen Aspekte zu vernachlässigen (Böhm 1993; vgl. auch Böhm 1978; Eberle & Reiß 1987). Mit dieser Konzeption versucht Böhm, möglichen und schon seit längerem geäußerten Kritikpunkten gegenüber anderen Ansätzen Rechnung zu tragen, wie etwa, das Lesenlernen sei im Anfangsstadium von der sprachlichen Welt der Kinder losgekoppelt, es betone kleinste Teilkomponenten und demotiviere damit, es beziehe sich nicht auf für Kinder bedeutungsvolle Situationen, es mache die Funktion der Schriftsprache den Kindern nicht deutlich, es vernachlässige Lesen als Hypothesentesten und es fixiere die Schüler weitgehend auf Lesetechnik (vgl. Böhm, 1978, 1993). Trotz einigem Wohlwollen für den Spracherfahrungsansatz (z. B. Brügelmann 1986, 1989; Sassenroth 1991), der in den letzten Jahren ganz allgemein großes Gewicht bekommen hat, hält Böhm diesen ⫺ zumindest auf dem Hintergrund der bisher berichteten praktischen Erfahrungen ⫺ für den Unterricht mit lernschwachen Schülern für nicht tragfähig genug. Wo z. B. ⫺ um nur einen Kritikpunkt herauszugreifen ⫺ über Einzel-

1363

116. Schriftspracherwerbsstörungen und Lernbehinderung

kinder berichtet werde ⫺ und diese Berichte stützten vorwiegend den Spracherfahrungsansatz ⫺, würden fast ausschließlich Kinder vorgestellt, die offensichtlich viele gute Voraussetzungen für das Lernen ganz allgemein und speziell auch für das Lesenlernen mitbrächten (sog. ‘Professorenkinder’). Dagegen seien Aussagen über ‘lernbehinderte’ Schüler, somit über deren Explorationsaktivität gegenüber der Schriftsprache, über deren Möglichkeiten, durch Modellernen den Stellenwert der Schriftsprache zu erfahren, über ihre Möglichkeiten, außerhalb oder auch vor der Schulzeit Informationen über Schriftsprache zu erhalten und über ihre Motivation für dieses Lerngebiet nicht zu finden. Die Konzeption Böhms ist folgerichtig in zweierlei Hinsicht ganzheitlich bestimmt. Einmal wird dafür plädiert, das Lesenlernen nicht von sonstigen Lernaktivitäten zu isolieren, sondern es von Beginn an mit Sachproblemen und Sprach-Handlungen der verschiedensten Art zu verbinden. In diesem Sinn meint Ganzheitlichkeit also Lernen in Zusammenhängen. Anknüpfend an Kern & Kern (z. B. 1964) und ausgehend von der Überzeugung, daß die bisherigen empirischen Untersuchungen letztlich auch bei lernschwachen Schülern nicht gegen die ‘Ganzheitsmethode’ sprechen, ist diese Perspektive aber auch in engerem Sinn für die Konzeptwahl bestimmend. Folgende Gründe sind hierfür wichtig:

ell ähnliche Vorgehensweise ein. Die Betonung einer erfahrungsorientierten Didaktik führt Böhm auch zwingend dazu, eine Konzeption von ‘Aufsatzunterricht’ zu favorisieren, „welche sich vorwiegend nicht an literarischen Formen, sondern an realen Schreibsituationen orientiert (Böhm 1979). Ebenso wird für den Rechtschreibunterricht betont, daß ⫺ so oft wie möglich ⫺ „praktische Schreibanlässe in den Unterricht“ aufgenommen werden sollen, damit die Kinder erfahren, warum sie sich eigentlich anstrengen sollen“ (Böhm & Müller 1991, 174). Wie auch für das Lesen werden vielfältige Möglichkeiten zu einem systematischen Aufbau der Rechtschreibkompetenz vorgeschlagen, die durchaus mit einem erfahrungsorientierten didaktischen Ansatz kompatibel sind. Der Ansatz Böhms ist so ‘offen’ gestaltet, daß er unschwer auf die situativen Erfordernisse älterer ‘lernbehinderter’ Schüler oder erwachsener Analphabeten transferiert werden kann. Eine ‘Anreicherung’ durch Vorschläge anderer Autoren, wie z.B. jenem von Schmitt (1987), steht dabei nichts im Wege. Vergleichbar der Konzeption Decrolys würde sich die Böhm’sche Konzeption auch ausgezeichnet für den Schriftspracherwerb in der ‘Regelschule’ eignen, wobei der Ansatz dort vor allem auch zur Prophylaxe von Aneignungsstörung beitragen könnte.

⫺ Es sei unbestritten, daß ein Leseunterricht sich nicht nur auf die Vermittlung rein technischen Zusammenschleifens von Lauten beschränken darf. ⫺ Die Ganzheitsmethode führe zu Kommunikation. ⫺ Die Ganzheitsmethode ließe die Schriftsprache als Mittel der Notation erkennen. ⫺ Die Ganzheitsmethode könne früh zu Handlungen führen. ⫺ Ganzheitliches Erstlesen sei am engsten mit der mündlichen Sprache der Kinder verknüpft. ⫺ Ganzheitliches Lesenlernen sei weithin ein Strategie- und Entdeckungslernen.

4.

Die generelle ganzheitliche Perspektive des Böhm’schen Ansatzes ist in der Sonderpädagogik nicht neu. An ältere französische Konzeptionen anknüpfend ⫺ und auf dem Hintergrund der Überzeugung „Pre´parer a` la vie, par la vie“ (Hamaide, 1976, 14), trat Decroly schon zu Beginn dieses Jahrhunderts bei mental retardierten Kindern für eine prinzipi-

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Gerhard Eberle, Heidelberg (Deutschland)

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit The Acquisition of Literacy 95. Aspekte der Aneignung von Schriftlichkeit und deren Reflexion 1. 2. 3. 4. 5. 6,

Aneignen oder erwerben? Aneignen und lernen Bedingungen und Ziele des Aneignens Aneignung und intentionale Vermittlung Zur Erforschung von Aneignungsprozessen Literatur

1.

Aneignen oder erwerben?

Wendungen wie ‘Schriftsprache erwerben’, ‘sich Schriftsprache aneignen’ oder ‘lesen und schreiben lernen’ werden alltagssprachlich oft synonym gebraucht. Hier soll der Ausdruck ‘Aneignen’ bevorzugt werden, wenn auch diese Entscheidung schon aus sprachlichen Erwägungen weder in diesem Artikel noch im gesamten Kapitel strikt eingehalten wird. Für die Entscheidung spricht, daß ‘Aneignen’ nicht so leicht wie die Bezeichnung ‘Erwerb’ auf das Lesen- und Schreibenlernen eingeengt wird, sondern auch die Bereiche einschließt, die einen umfassenden und differenzierten Gebrauch des Schriftsprachlichen intendieren (literacy). Diese Entscheidung hat zudem den Vorzug, daß sie neben den individuellen auch gesellschaftliche Aspekte berücksichtigt; Gesellschaften haben sich Schriftlichkeit angeeignet, wenn in ihnen die schriftliche Kommunikation konstitutiv geworden ist (Glück 1987). Und schließlich entgeht man so der verbreiteten Dichotomie von ‘angeboren’ und ‘erworben’, die hier in die Irre führen könnte. ‘Sich etwas aneignen’ kann zweierlei bedeuten: einmal die bloße Übernahme fremder Informationen oder Wissenselemente, dann aber auch die Integration neuer Erfahrungen, Kenntnisse, Fertigkeiten, Gewohnheiten und Anschauungen mit bereits vorhandenen, um sich Leben und Welt zu eigen zu machen (so bei Keiler 1990, 118). Die Aneignung von Schriftlichkeit baut auf sprachlichen Vorerfahrungen und weiterem Vorwissen auf. Im Zusammenwirken von Wahrnehmung, Gedächtnis und Kognition

fördern affektiv-emotionale Komponenten die Entwicklung schriftsprachlicher Fähigkeiten. Lesen und Schreiben, die Auseinandersetzung mit Sprache und Literatur ermöglicht (neue) Erfahrungen, die insgesamt die kognitiven und kommunikativen Möglichkeiten erweitern.

2.

Aneignen und lernen

Aneignung vollzieht sich über Lernprozesse, die sich in der Art und im Niveau unterscheiden ⫺ etwa als assoziatives, instrumentelles, kognitives Lernen oder als Problemlösen. Lesen- und Schreibenlernen lassen sich deshalb nicht ⫺ wie früher angenommen ⫺ auf der Grundlage einer einzigen Lerntheorie erklären. So komplexe geistige Prozesse bedürfen der Verknüpfung und Verschränkung verschiedener Lernarten, was unterschiedliche Gewichtungen im Einzelfall nicht ausschließt. In Bereichen, die einen hohen reproduktiven oder technischen Anteil aufweisen (etwa Schreibenlernen im engeren Sinne oder Rechtschreiben) dominieren einfachere, während bei der Textproduktion und -rezeption komplexere Problemlöseprozesse im Zentrum stehen (was einfachere Teiltätigkeiten an der Peripherie keineswegs ausschließt; vgl. dazu Antos 1982 oder Molitor-Lübbert 1989). Infolgedessen wird die Aneignung von Schrift und Schriftlichkeit insgesamt zu beschreiben sein als das Herstellen relativ dauerhafter Verbindungen zwischen Reiz und Reaktion, zwischen Verhalten und den daraus erwachsenden Konsequenzen, zwischen einzelnen Elementen einer kognitiven Struktur und/ oder zwischen Wissen und Handeln (vgl. Edelmann 21986, 315 f).

3.

Bedingungen und Ziele des Aneignens

Die Aneignung von Schriftlichkeit geschieht vorrangig institutionell, wird dort auch fachlich begleitet und kontrolliert. Hinter dem in-

95. Aspekte der Aneignung von Schriftlichkeit und deren Reflexion

stitutionalisierten Erwerb von Schriftlichkeit können verschiedene Motive stehen: das Erwarten eines bestimmten ökonomischen Nutzens, eine ideologisch inspirierte Wertschätzung der Schrift oder die Überzeugung, daß das Recht auf Bildung und Ausbildung die Vertrautheit mit der Schrift voraussetzt oder einschließt. An der Schwelle des dritten Jahrtausends unserer Zeitrechnung kommen zumindest Gesellschaften mit durchschnittlich entwickelter Industrialisierung, Verwissenschaftlichung und Verrechtlichung nicht ohne schriftsprachliche Fähigkeiten ihrer Mitglieder aus. Solche Fähigkeiten zu erwerben entspricht außerdem den individuellen Bedürfnissen vieler Menschen. Welche Ziele und Inhalte zur Literalität einer Gesellschaft oder zur umfassenden Alphabetisiertheit eines Menschen zu realisieren sind , wird im Sinne eines „kollektiven Nachdenkens“ (Gessinger 1979) politisch-gesellschaftlich entschieden. Was die Ergebnisse der Aneignung betrifft, können die Unterschiede gravierend sein. Sie reichen vom „tendenziellen Analphabetentum“ bis zur anspruchsvollen „Literalisierung“ (Gessinger 1979). Zeigen läßt sich dies etwa an der historischen Entwicklung in Mitteleuropa. Zunächst kamen Alphabetisierung und Literalisierung nur zögernd in Gang, sie beschränkten sich zudem auf bestimmte Bevölkerungsgruppen. Erst im 13. Jahrhundert wurde die mündlich vermittelte Literatur verschriftet, im 14./15. Jahrhundert dann die Bereiche Recht, Handel und Gewerbe. Ab dem 16. Jahrhundert setzte sich die Verschriftung in der Verwaltung durch. Demgemäß war der Anteil derjenigen, die auf das Lesen und Schreiben angewiesen waren, darin einen Vorteil oder eine Bereicherung sahen, gering; ebenso die Rate jener, die lesen und schreiben konnten (→ Art. 71). Erst im 19. Jahrhundert kommt es dank der Entwicklung des Schulwesens zur Alphabetisierung aller Volksschichten (vgl. Ludwig 1991, 83 f). 3.1. Die Vermittlung der Schriftlichkeit und der Beginn der allgemeinen Schulpflicht Da in allen Lebensbereichen Schriftkundige gebraucht wurden und das gesamte öffentliche Leben auf zumindest rudimentäre Kenntnisse der Schrift angewiesen war, wurde in vielen Ländern spätestens dann die Schulpflicht eingeführt, als bestimmte Kenntnisse und Verhaltensweisen als gesellschaftlich nützlich angesehen wurden. Staat und Obrigkeit kontrollierten aber, was konkret vermit-

1119

telt wurde und wie dies geschah. Den künftigen Eliten in Staat und Gesellschaft wurden dabei wenig Einschränkungen abverlangt; man verpflichtete zur Treue gegenüber Staat und Obrigkeit oder stellte Gratifikationen in Aussicht. Für die Mehrheit der Bevölkerung wurden hingegen von vornherein die Möglichkeiten und Lernangebote in Umfang und Anspruchsniveau begrenzt ⫺ entweder über Curricula oder durch eine enge und einengende Ausbildung der Vermittler. Die Angst vor sozialer und regionaler Mobilität der Alphabetisierten, vor unkalkulierbaren Veränderungen der Ständegesellschaft oder vor der Landflucht der Ausgebildeten spielten dabei ebenso eine Rolle wie der Wunsch, weitergehende Selbstbestimmung bei den nun Alphabetisierten oder Literalisierten zu vereiteln. Ob solche Kanalisierungen jemals ihr Ziel erreichen, ist im Blick auf die historische Entwicklung in Mitteleuropa zu bezweifeln. Die Aneignung von Schriftlichkeit in staatlich kontrollierten Institutionen läßt sich nicht von vornherein präzise begrenzen; welche Möglichkeiten des ungesteuerten Erwerbs auf der Grundlage des bereits Angeeigneten aktualisiert und entwickelt werden, ist offen. Wer die Grundlagen des Lesens und Schreibens beherrscht, kann sich selbst weiterbilden und Gelerntes weitergeben, auch Nichtanerkanntes, Kritisches oder Verbotenes rezipieren, selber Beschwerden, Aufrufe oder Polemiken verfassen. Das gilt im günstigen Fall. Nicht auszuschließen ist andererseits, daß Alphabetisierte ihre Grundkenntnisse im Lesen und Schreiben nicht (mehr) weiter entwickeln und nach einiger Zeit wieder Analphabeten sind. Die von Lind (1988) vorgelegte Studie zeigt beispielsweise für Mosambik, daß ohne zielstrebig organisierte Nachfolgeprogramme bereits alphabetisierte Erwachsene vieles oder fast alles verlernen (nach Lundberg 1993, 158 f); vgl. Art. 63⫺68 zu ähnlichen Befunden in anderen Ländern. Das wird für solche Regionen und kulturellen Milieus gelten, die nicht in Literalität eingebunden sind wie jene im europäischen oder amerikanischen Raum, von denen die Alphabetisierung ausgegangen ist (vgl. dazu auch Raible in Artikel 1 dieses Handbuchs). Entscheidend wird auch sein, ob die politische, wirtschaftliche und kulturelle Notwendigkeit besteht, sich literal zu verhalten. 3.2. Umfang und Niveau der Ziele Die Aneignung von Schriftlichkeit kann verschiedenes umfassen, nur die technische Seite des Lesens und Schreibens oder das eigen-

1120 ständige Lesen, auch Verfassen von Texten. Hinter solchen Entscheidungen stehen jeweils unterschiedliche politisch-gesellschaftliche Überzeugungen, divergierende Bildungsvorstellungen sowie bestimmte Theorien von Schule und Unterricht. Zwei unterschiedliche Beispiele aus der Geschichte der Schule mögen diese Aussage illustrieren. Aus Ludwigs Studie (1991) zu den „Bildungsvorstellungen der Aufklärer“ ist abzulesen, daß Schulmänner wie Meierotto, Sulzer und Villaume gegen Ende des 18. Jahrhunderts eine Reform mit dem Ziel verlangten, Jugendlichen eine umfassende Bildung zu ermöglichen. Alle Seelenkräfte sollten gebildet werden, wobei dem Verfassen von Texten die Aufgabe zukam, das „an Gefühlen, Gedanken, Vorstellungen, Meinungen und Phantasien … nach außen zu bringen“, was im einzelnen Menschen bereits angelegt ist, um dadurch die Seelenkräfte in Anspruch zu nehmen bzw. sie herauszufordern, sie auf diese Weise auszubilden und zu entwickeln (Ludwig 1991, 89). Diese Auffassung kann aus aktueller schreibtheoretischer Sicht als „Exteriorisierung“, schreibdidaktisch als „schriftlicher Ausdruck“ aufgefaßt werden. Letzteres war bis vor kurzem und ist noch eine durchaus übliche Bezeichnung für das schulische Schreiben überhaupt. Pestalozzi teilt in seinem Bildungskonzept ⫺ für Flitner ist es die erste „Theorie der Volksschule“ überhaupt (Flitner 31954, 58 ff) ⫺ diese Hochschätzung der Schrift und Schriftlichkeit nicht. Dies ist vor dem Hintergrund seines Grundsatzes ‘von der Anschauung zum Begriff’ sowie seiner pädagogischen Erfahrungen im Stanser Waisenhaus zu verstehen. Für Pestalozzi stand bei seinen Erziehungsversuchen das konkrete Tätigsein sowie die positive Erfahrung von Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft im Vordergrund. Der Belehrung durch Wort und Schrift kam folglich nur dort Bedeutung zu, wo die unmittelbaren Lebenserfahrungen zu kurz griffen oder bestimmte Einsichten ohne Schrift nicht vermittelt werden konnten. Nach Pestalozzi war der Weg über die Schrift deshalb nur dann sinnvoll, wenn angemessene lebenspraktische Erfahrungen und naives Wissen im Kind bereits fest verankert waren. Die Aneignung von Schriftlichkeit ⫺ dies als Zwischenergebnis ⫺ umfaßt also alle schriftsprachlichen Fähigkeiten, die es dem einzelnen ermöglichen, aktiv, kompetent, sensibel und kritisch an unterschiedlichen Aktualisierungen von Sprache und Literatur

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

teilzuhaben. Eine solche Beteiligung fördert die sinnstiftende Deutung von Realität und zugleich ein Überschreiten gegebener Wirklichkeit, vermittelt Werte und Normen und macht mit der literalen Tradition vertraut. Da Lesen- und Schreibenkönnen Voraussetzung für alle weiteren und weiterführenden Bildungsbemühungen ist, kommt den grundlegenden Aneignungsprozessen auch eine mediale Funktion zu.

4.

Aneignung und intentionale Vermittlung

Selbst ein mittleres Niveau an Schriftlichkeit kann sich der einzelne ⫺ nur auf sich allein gestellt ⫺ kaum aneignen; zumindest anspruchsvollere Formen schriftsprachlichen Könnens müssen vermittelt werden. Die Vermittlung geschieht intentional. Bei allen Mischformen und Übergängen, die es in der Realität gibt, sollen hier zwei Modi des Beibringens unterschieden werden ⫺ das Anlernen (4.1.) und das Unterrichten (4.2.). Beide Modi differieren in ihrer Komplexität, sie werden von den Beteiligten auch unterschiedlich reflektiert. Es mag naheliegen, aus historischer Sicht generell eine Entwicklung vom Anlernen zum Unterrichten anzunehmen. Oft wird dem so sein; es ist jedoch nicht auszuschließen, daß in Krisen (etwa bei Überforderung der mit dem Erwerb beauftragten Institutionen oder Personen oder bei tiefgreifenden Veränderungen innerhalb eines Bildungssystems) Komplexität auf die Form des Anlernens reduziert wird. 4.1. Anlernen Beim Anlernen (im Anglo-amerikanischen als training oder instruction bezeichnet) stehen das Zeigen, Vormachen und Erklären des Demonstrierten im Vordergrund. Auftretende Mängel oder Fehler, die Lernende machen, werden korrigiert. Bei Berichtigungen dominieren ⫺ wie insgesamt ⫺ Nachahmung und Wiederholung. Dem Anlernen liegt zudem eine enge Folge einzelner formaler Schritte im Sinne einer starren linearen Progression zugrunde. Angelernt werden zumeist einzelne in einer Art Meister-Lehrling-Verhältnis, wobei es kaum einen über den konkreten Zweck hinausreichenden Anlaß für die Instruktion gibt. In Situationen, in denen die Verwendung oder der (praktische) Nutzen nicht offensichtlich sind, wird auf künftige konkrete Anforderungen hin unterwiesen.

95. Aspekte der Aneignung von Schriftlichkeit und deren Reflexion

Aus der Geschichte des Lesen- und Schreibenlernens gibt es zahlreiche Belege dafür, daß vor allem das Schreiben als Anlernen vermittelt wurde. Vorgemacht, nachgeahmt und wiederholt wird eine spezielle mechanische Tätigkeit, nämlich das Nachmalen einzelner genau vorgegebener Buchstaben oder die Reproduktion verfügbarer Schriftblätter, sog. Vor-Schriften (für den deutschsprachigen Raum bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, vgl. dazu Hey 21889). Wenn diese Form der Unterweisung das Verfassen von Texten einschloß, dann ging es lediglich um das Ausfüllen genau vorgegebener Textmuster. Anlernen als Modus dominiert dort, wo sich das Bildungssystem noch nicht sehr weit entwickelt hat und/oder wo die Professionalisierung derjenigen, die mit dem Anlernen betraut sind, noch nicht abgesichert ist. Die Favorisierung dieses Modus kann darüber hinaus aus der utilitaristischen Überlegung resultieren, daß Kenntnisse im Lesen und Schreiben nur in wenigen, zudem eng begrenzten Verwendungszusammenhängen auf niedrigem Niveau notwendig ist (etwa Leisten einer Unterschrift); oder aus der Überzeugung, daß beim Erwerb der Schriftlichkeit der einzelne ⫺ vorgeblich auf natürliche Weise ⫺ Anschaulichkeit und Lebensnähe erfährt, die Lebenspraxis die Auswahl der Inhalte bestimmt und die Vermittlung eindeutigen Grundsätzen zu folgen hat (vom Leichten zum Schweren, vom Nahen zum Fernen u. dgl.). Schubeius hat gezeigt, daß beides in einem gewollten Zusammenhang steht ⫺ die Beschränkung auf eine schlichte Lebenspraxis und das Eintreten für das sog. natürliche Lernen, vgl. insbesondere Schubeius (1990, 74) in der Auseinandersetzung mit dem „methodischen Schulunterricht“ von Kehr, in dem der Modus des Anlernens weiter wirkte. Die lange Zeit praktizierte Vorgehensweise, die beim Lesenlernen in einer Alphabetschrift mit dem Buchstabieren und Syllabieren beginnt, um dann zur Reproduktion bekannter Wörter, Sätze oder Texte fortzuschreiten, ist ein (weiteres) Beispiel für den beschriebenen Modus. Es verwundert nicht, wenn die Reflexion innerhalb dieses Modus bescheiden ausfällt. Vormachen, Nachahmen und Wiederholen werden nicht hinterfragt. Wenn über diese Form didaktischen „Brauchtums“ (Ivo 1977) nachgedacht wird, dann geschieht es nur in Ausnahmefällen (bei auftretenden Schwierigkeiten etwa). Folgerungen werden dementsprechend nur aus zufälligen Beobachtungen

1121

abgeleitet und lediglich auf den konkreten Einzelfall bezogen, der die Prüfung ausgelöst hat. 4.2. Unterrichten In den meisten Gesellschaften sind eigens geschaffene Institutionen (insbes. Schulen) damit beauftragt und befaßt, schriftsprachliche Fähigkeiten durch Unterricht zu vermitteln. Die Weitergabe ist darauf gerichtet, in überlegter Weise Lernprozesse anzuregen und einzuleiten, sie kundig zu begleiten, zu verstärken und ggf. zu korrigieren. Das Interesse der Öffentlichkeit an der Erfüllung dieser Aufgaben ist entsprechend hoch. Kinder, Jugendliche oder Erwachsene eignen sich schriftsprachliche Fähigkeiten im Rahmen bestimmter räumlicher und zeitlicher Vorgaben an. Das betrifft die Orte, an denen gelernt wird, die Räume und deren materielle Ausstattung, die Abfolge und Verteilung der Lerngegenstände, die Wahl der Methoden bis hin zum Einsatz von Lernhilfen. Gelernt wird in Gruppen oder Klassen, die nach Alter und/oder Kenntnisstand zusammengesetzt sind. Curriculare Vorgaben und Materialien strukturieren den Unterricht vor. Lernfortschritte werden gesellschaftlich bewertet und institutionell überprüft. Leschinsky & Roeder (1976) haben gezeigt, daß damit eine erhebliche Funktionalisierung und Verzweckung des Lesens und Schreibens einhergehen kann. Wo dies beabsichtigt und durchgesetzt wird, bildet sich eine sekundäre Funktion heraus. Dann steht nicht die Aneignung von Schriftlichkeit im Vordergrund, sondern eine gesellschaftlich erwünschte Disziplinierung von Heranwachsenden. Solche funktionalen Verlagerungen werden immer dann vorgenommen, wenn für mechanische Tätigkeiten billige, rasch zu rekrutierende Arbeitskräfte mit einer im Niveau begrenzten Ausbildung gebraucht werden. Die Kinderarbeit in allen frühindustriellen Gesellschaften (als Fabrikarbeit, Heimarbeit oder Tätigkeit in der Landwirtschaft) auf Kosten einer kontinuierlichen Schulbildung belegt diese Tendenz eindrücklich (vgl. Schubeius 1990, 70 ff). Lehrerinnen und Lehrer orientieren sich bei ihrer unterrichtlichen Tätigkeit an pädagogischen Zielsetzungen und übernehmen die Verantwortung dafür, daß Schülerinnen und Schüler ihren Möglichkeiten entsprechend lesen und schreiben lernen, zu Textrezeption und -produktion befähigt werden. Erkenntnisse und Ergebnisse der relevanten

1122 Fachwissenschaften bestimmen die Ziele, die Auswahl der Inhalte und die Unterrichtsverfahren. Anders als beim Anlernen ist das Lehrverfahren nicht auf das Darbieten und (passive) Annehmen des Dargebotenen beschränkt. Die Schülerinnen und Schüler werden angeregt und unterstützt, „aus sich selbst heraus“ (Ickelsamer) schriftsprachliches Wissen und Können zu erwerben. So wird selbst ein traditioneller Lese- und Schreibunterricht weniger durch ein abfragendes oder herausholend-sokratisierendes, sondern eher durch ein erarbeitend-entwickelndes Verfahren geprägt sein. Reformpädagogisch inspirierte Ansätze dieses Jahrhunderts wie der freie Text und die Klassenkorrespondenz (Freinet), der freie Aufsatz (Gansberg, Scharrelmann), der „Weg zum eigenen Stil“ (Jensen, Lamszus) oder die Arbeitsschulbewegung mit ihren Auswirkungen auf den Deutschunterricht (so bei Engelmann, L. Müller oder Rauh) reichen in Einzelvorschlägen oder insgesamt über einen solchen Unterricht hinaus oder verstehen sich sogar als Alternative dazu. Didaktisch-methodische Grundentscheidungen führen zu unterschiedlichen Ausprägungen von Unterricht. Das läßt sich an drei Orientierungspunkten entlang skizzieren. Relevant ist zunächst die Perspektive, von der aus Aneignungsprozesse konzipiert werden. Gehen die Überlegungen vom Gegenstand aus, dann orientiert sich der Unterricht vorrangig an vorgegebenen fachsystematischen Erwägungen. Die Situation der Lernenden, der Bezug zum Lerninhalt oder auftauchende Lernschwierigkeiten bleiben sekundär. Die Schülerinnen und Schüler müssen in der Folge dann selbst die erworbenen schriftsprachlichen Fähigkeiten auf reale Verwendungszusammenhänge übertragen. Geht der Unterricht hingegen von konkreten Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler aus, dann ist für Lernende der Bezug zu der eigenen Realität einsichtiger. Gelernt wird so erfolgreicher. Die Entscheidung für eine der beiden Perspektiven hat Konsequenzen für die didaktische Einbettung der Aneignung. Systematischer Fachunterricht sichert eher und überzeugender das Vertrautwerden mit „Handlungsschemata, Operationen und Begriffen“ (vgl. Aebli 1983), lernbereichsübergreifender Unterricht in thematisch-inhaltlichen Einheiten oder Projekten (vgl. Baurmann & Hacker 1989) begünstigt das Handeln in komplexen Zusammenhängen. Perspektive und curricu-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

lare Einbettung wirken sich dann auf einer dritten Ebene aus, nämlich auf der Ebene der unterrichtlichen Planung. Unterrichtsvorschläge, die sich an einer Fachsystematik oder am Gegenstand orientieren, lassen sich lehrgangsförmig „linear“ organisieren, wohingegen lernbezogene Ansätze zumindest tendenziell „thematisch-konzentrisch“ oder „diskontinuierlich“ organisiert werden (Klafki). Lehrgänge haben den Vorzug, übersichtlich und geordnet zu sein. Thematisch-konzentrisch konzipierte oder diskontinuierlich angelegte Lernangebote haben diese Ordnung nicht und verlangen wegen der auftretenden, nicht vorhersehbaren Unwägbarkeiten von Lehrerinnen und Lehrern hohe fachliche Sicherheit. Wo Lesen und Schreiben als bloße Kulturtechniken vermittelt werden, dominieren überschaubare oder sogar starre Lehrgänge; wo eine entfaltete Auffassung der Aneignung von Schriftlichkeit zugrunde liegt, die bei der Vermittlung auch auf die Eigentätigkeit der Lernenden setzt, werden linear organisierte, thematisch-konzentrische und diskontinuierlich konturierte Lernangebote miteinander verknüpft. Was in Schulen und vergleichbaren Bildungseinrichtungen bevorzugt wird, zeichnet sich deutlich ab: Allseits anerkannt ist die Vermittlung grundlegender Kenntnisse und Fähigkeiten im Lesen und Schreiben zu Beginn der Schulzeit. In den folgenden Schuljahren stehen vor allem „kanonische Formen“ des Schriftsprachlichen im Vordergrund (van Peer 1987): das Diktat und der Schulaufsatz, das laute Lesen und die Textinterpretation. Dabei werden vornehmlich formale, weniger inhaltliche Leistungen bewertet (van Peer 1987, Applebee 1982). Die Bewertungen dienen vornehmlich der Vergabe von Zertifikaten, obwohl sich wegen der Mängel an Objektivität, Reliabilität und Validität insbesondere der Aufsatz und die Interpretation als wenig taugliche Prüfinstrumente erwiesen haben (vgl. dazu Ingenkamp 1975, 1990; Grzesik & Fischer 1985). Institutionelles Lernen gerät schnell in den Verdacht, praxis- und bildungsfern zu sein. Letztlich werden so Paradoxien erzeugt: Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen zwar ⫺ auch im schriftsprachlichen Bereich ⫺ umfassend befähigt werden; favorisiert werden aber reproduktive Tätigkeiten, die eher auf mechanistischen Sprach- und Lernvorstellungen beruhen. Die Aneignung von Schriftlichkeit will und soll zu Mündigkeit und Emanzi-

95. Aspekte der Aneignung von Schriftlichkeit und deren Reflexion

pation beitragen, gibt aber in vielen Fällen Verlauf, Form und Ziel der Kommunikation vor. Im ungünstigen Fall resultieren daraus bloße Anpassung an vorgegebene Muster, eine reduzierte Beteiligung oder weitgehendes Desinteresse im Unterricht, möglicherweise sogar Verweigerung der institutionell beabsichtigten Literalisierung. Bei aktuell auftretenden, begrenzten Komplikationen mögen bereits veränderte methodische Entscheidungen ein erfolgreiches Umoder Nachlernen begünstigen. Bei tiefgreifenderen Störungen mit sprachlicher oder nichtsprachlicher Genese, bei Schäden, Behinderungen oder Ausfällen reichen methodische Änderungen allein nicht aus. So hat Günther (1983, 229 f) gezeigt, zu welchen gravierenden Rechtschreibschwächen es bei schwerhörigen Kindern kommt, wenn lediglich jene Vorgehensweisen kopiert werden, die sich in Regelschulen ja bewähren mögen. In solchen oder vergleichbaren Fällen ist eine bloße Übertragung im Methodischen weder erfolgversprechend noch sinnvoll; vielmehr muß über Ziele, Inhalte und Methoden neu nachgedacht werden ⫺ hinsichtlich aller drei genannten Kriterien (Perspektive, didaktische Einbettung und unterrichtliche Planung). 4.3. Reflexion über den Unterricht Mit dem Unterrichten, einem Feld beträchtlicher „Faktorenkomplexion“ (Heimann 1972), sind anspruchsvolle Formen der Reflexion verbunden. Ein solches Nachdenken führt schließlich zu einer zunehmenden „Verwissenschaftlichung unterrichtlichen Handelns“ (Heimann 1972), die allerdings eine strikte Trennung in Theorie und Praxis ausschließen sollte. Einem Gedanken Wenigers (21956) folgend ist davon auszugehen, daß diejenigen, die unterrichten, auch über ihren Unterricht nachdenken, sich in ihrer Praxis keineswegs theoretischer Erwägungen enthalten. Lehrerinnen und Lehrer suchen zu ‘ihren’ konkreten Aufgaben und Problemen ‘vor Ort’ stets nach sachangemessenen, theoretisch orientierten Erklärungen. Diese theoretischen Bemühungen begrenzter Reichweite können „praktische Theorien“ genannt werden (Baurmann & Hoppe 1984). Worauf werden sich angesichts der erwähnten „Faktorenkomplexion“ des Unterrichts solche praktischen Theorien richten? Eine erste ordnende Antwort ist im Rückgriff auf die phänomenologische Analyse möglich, die Heimann, Otto & Schulz (1965) zu sechs „Strukturmomenten“ des Unterrichts geführt

1123

hat: „Intentionalität“, „Thematik“, „Methodik“, „Medienwahl“, „anthropogene“ und „sozial-kulturelle Voraussetzungen“ (Schulz 1965, 23). Bei aller Interdependenz der Momente läßt sich daraus auch ein Suchmuster für die Reflexion unterrichtlichen Handelns ableiten. Hinsichtlich der Intentionalität ist dann zu überlegen und zu begründen, was mit der Vermittlung von Schriftlichkeit überhaupt intendiert wird, wie Lehrintentionen zu fassen sind und in welchem Zusammenhang sie zueinander stehen. Die Curriculumdiskussion der 60er und 70er Jahre in den USA und in Europa hat gezeigt, wie schwierig es ist, gesellschaftlich konsensfähige Ziele zu entwikkeln, sie in einen überzeugenden Begründungszusammenhang zu stellen, anschließend zu operationalisieren und nach konkretem Unterricht zu evaluieren. Gerade die Versuche zum Schriftspracherwerb und zur Vermittlung von Sprache und Literatur sind hier wenig erfolgreich ausgefallen. Beim Strukturmoment Thematik muß überlegt werden, welche Inhalte die ausgewählten Ziele abdecken; bei Untersuchungen zur Methoden- und Medien-Wahl werden sich Lehrkräfte fragen, welche Verfahren und Materialien motivierend, wirksam und angemessen sind (man denke in diesem Zusammenhang an die Methodenwahl im Anfangsunterricht oder an die Frage, ob eine Fibel eingesetzt wird). Das Nachdenken über anthropogene und sozial-kulturelle Voraussetzungen wird die Aufmerksamkeit auf Fragen richten, die mit „Vorprägungen“, Vorkenntnissen und (Vor-) Erfahrungen zu Schrift und Schriftlichkeit zu tun haben, oder den Blick auf die Bedingungen lenken, die sich aus der Zusammenstellung zu Schulklassen oder Lerngruppen ergeben. Die aktuellen Untersuchungen und Berichte zum Anfangsunterricht in Slowenien, Kroatien und Serbien (Golli 1993), in der Türkei (Zenn 1993), in Frankreich (Fijalkow 1993) und Schweden (Lundberg 1993) bestärken Lehrerinnen und Lehrer unter anderem in ihrer Auffassung, daß für den schulischen Erwerb von Schriftlichkeit die jeweilige Herkunftssprache und der kulturelle Hintergrund der Schülerinnen und Schüler von großer Bedeutung sind (oder solche Studien lenken zumindest die Aufmerksamkeit von Lehrkräften in diese Richtung). Lehrerinnen und Lehrer können solchen systematischen Beobachtungen Hinweise für die Analyse und

1124

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

(weitere) Planung ihres Unterrichts, vor allem auch in multikulturellen Klassen, entnehmen; → Art. 101.

5.

Zur Erforschung von Aneignungsprozessen

Die praktischen Theorien von Lehrerinnen und Lehrern reichen zwar in die wissenschaftliche Auseinandersetzung hinein; sie bedürfen allerdings des Sichtens und Überprüfens durch die Forschung, da praktische Theorien in der Fragestellung, in ihren Vorgehensweisen, Ergebnissen und Schlußfolgerungen stets begrenzt bleiben werden. Das gilt auch für den in diesem Beitrag erörterten Zusammenhang. Wissenschaftliche Arbeiten zur Aneignung von Schrift und Schriftlichkeit gehen über den konkreten Einzelfall hinaus; sie streben ein möglichst hohes Maß an Verallgemeinerbarkeit an. Praktische Theorien können in diesem Zusammenhang dann abgesichert, evtl. auch relativiert oder sogar zurückgewiesen werden. Daß dies ständig geschieht ⫺ auch und vor allem hinsichtlich der Aneignungsweisen und Lehrformen, bei der Frage nach den Eigenaktivitäten der Lernenden oder im Blick auf Medien und Materialien, zeigen insbesondere die Beiträge dieses Handbuchkapitels, auch die umfassende Auswahlbibliographie von Giese (1991). Nun ist es bisher noch nicht gelungen, solche Vorhaben im Rahmen eines anerkannten Forschungszusammenhangs zu lösen. Es gibt nämlich weder eine genuine Wissenschaft noch eine wissenschaftliche Teildisziplin, die sich systematisch und kontinuierlich mit der Aneignung von Schriftlichkeit auseinandersetzt. Fragen und Probleme der Aneignung werden bis heute in der Psychologie, Pädagogik (Erziehungswissenschaft), Psycholinguistik und Didaktik (Methodik) der Eigensprache thematisiert und wissenschaftlich bearbeitet. Die innerhalb dieser Bereiche entwickelten Fragestellungen und Methoden, auch die zum Teil beachtlichen Ergebnisse können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die genannten Disziplinen insgesamt erst auf dem Wege sind, sich ihrer Gegenstände, Fragestellungen sowie Methoden zu vergewissern und den Standards zu genügen, die für etablierte Wissenschaften gelten. Da zudem das Verhältnis der Disziplinen, die sich mit der Aneignung von Schrift und Schriftlichkeit befassen, zueinander noch nicht geklärt ist, ist ein systematischer Überblick ebenso wenig

möglich wie eine kontrastive Gegenüberstellung unterschiedlicher Konzepte. Es ist symptomatisch, wenn Versuche zur Beschreibung und Abgrenzung einzelner, hier relevanter Disziplinen allgemein als „heikles Unterfangen“ (Reinert [1982, 178] für die „HumanEntwicklungspsychologie“) bezeichnet werden oder in der Form „einer zusammenfassenden Übersicht … noch nicht (für) möglich“ gehalten werden. 5.1. Die Verwissenschaftlichung der Psychologie und der Pädagogik Für die Psychologie und die Pädagogik ⫺ beide bereits stärker professionalisiert als die Psycholinguistik und Fachdidaktik (siehe unten) ⫺ läßt sich zumindest anhand der Belege und Argumentation von Herrmann (1982) nachvollziehen, woraus die bis in die Gegenwart reichende Einschätzung resultiert. Herrmanns historischer Rückblick zeigt, daß sich die Psychologie und die Pädagogik im 18./ 19. Jahrhundert aus der Philosophie herauszulösen beginnen (die Pädagogik übrigens zum Teil erst später aus der angewandten Psychologie). Daß es im 18. Jahrhundert überhaupt zu ersten Verselbständigungen der genannten Disziplinen kommen kann, folgt aus der ‘Entdeckung’ des Eigenwerts von Kindheit und Jugend. Verstärkt wird die Loslösung von der etablierten Philosophie zusätzlich durch die wachsende, bald flächendeckende Einrichtung von öffentlichen Schulen. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung auch mit Fragen der Alphabetisierung, die von Anfang an in den Schulen eine wichtige Aufgabe darstellt, ist nun möglich in der „empirischen Anthropologie und Psychologie“, in der „(empirischen) Entwicklungspsychologie“ und „(philosophischen) Bildungstheorie“ (Herrmann 1982, 332). Daß sich die Psychologie (und später auch die Pädagogik) dabei den Standards der experimentellen Forschung verpflichtet fühlt, ist kein Zufall. Schubeius (1990) hat für die Institutionalisierung der Psychologie in Deutschland drei Motive dafür herausgestellt, die auch für den hier erörterten Zusammenhang gelten: die Anlehnung an die Arbeitsweisen der schon im ausgehenden 19. Jahrhundert erfolgreichen Naturwissenschaften, das zu dieser Zeit allgemein anerkannte Menschenbild (der Mensch als Produktivkraft, die technischen und ökonomischen Kriterien zu genügen hat) und die Effektivitätsprüfung als wichtiger Nachweis gesellschaftlicher Nützlichkeit. Die Beiträge Meumanns zur „Technik und Ökonomie gei-

95. Aspekte der Aneignung von Schriftlichkeit und deren Reflexion

stiger Arbeit“, die ⫺ was den eigensprachlichen Unterricht betrifft ⫺ ein bestimmtes Spektrum herauslösen, lassen sich hier einordnen (vgl. Scheerer 1982; Schubeius 1990, insbes. S. 306). In diesen Kontext paßt auch der ‘modern’ anmutende methodologische Versuch von Ernst Christian Trapp, Inhaber der ersten Professur für Philosophie und Pädagogik in Halle, das „vollständige System der Pädagogik“ auf der „gehörigen Anzahl richtig angestellter pädagogischer Beobachtungen und zuverläßiger Erfahrungen“ aufzubauen (bei Herrmann 1982, 333). Eine Umsetzung in diesem Sinne ⫺ auch unter Einschluß einer erfahrungsbezogenen Forschung ⫺ bleibt allerdings bis zum Ende des 19. Jahrhunderts unter der Dominanz der neuhumanistischen Bildungsphilosophie aus, halten doch deren Vertreter eine Verknüpfung von Theorie und Praxis prinzipiell für undenkbar. Die mit Wundt beginnende Institutionalisierung der Psychologie als eigenständige Wissenschaft, die nach Ebbinghaus ‘höhere’ geistige Vorgänge experimentell untersuchen will, führt zwar zu einem Paradigmenwechsel in der Wissenschaft von der Psyche des Menschen, der allerdings nicht bis zu pädagogischen Fragestellungen reicht. Dafür sind zu jener Zeit die Vorstellungen von den geistigen Prozessen zu mechanistisch. Daß sich folglich experimentelle Untersuchungen zum Lesen, Rechtschreiben und Aufsatz vorrangig auf Gedächtnisleistungen oder Ermüdungserscheinungen beschränken, bleibt nicht aus, zumal gerade das niedere Schulwesen (die Volksschule) lange Zeit das mechanische Lernen bevorzugte. Erst die Verbindung von (pädagogischer) Psychologie mit den Intentionen der „Lehrervereine“ sowie deren Institute (1906 in Leipzig, 1910 in München und 1911 in Bremen) führt zu (schul)praxisbezogener Forschung auf experimenteller Grundlage, wobei zumindest teilweise auch Fragen des Erwerbs von Schriftlichkeit berücksichtigt werden (etwa die Frage der Aufsatzbeurteilung). Wie ist der hier skizzierte Verlauf zu verstehen? Eine Wissenschaft, die sich zu etablieren beginnt, wird ihre gesellschaftliche Bedeutung auch dadurch unterstreichen, daß sie auf einen Anwendungsbezug ⫺ etwa auf Unterricht und dessen Optimierung ⫺ zielt. Das schließt dann als willkommene Folge ein, daß einzelne Wissenschaftler oder Praktiker eine berufliche Laufbahn aufbauen und sichern können. Für Lehrkräfte, die am Austausch

1125

mit der Forschung interessiert sind, kommt ⫺ so Schubeius (1990, 89) ⫺ ein weiteres günstiges Moment hinzu: Gerade die experimentelle Forschung spricht ihr „anschaulichkonkretes“ Denken besonders an. 5.2. Der Ort der wissenschaftlichen Auseinandersetzung Die Verortung der wissenschaftlichen Auseinandersetzung aller erwähnter Ansätze ist abschließend noch nicht gelungen. Bis heute werden Fragen des Erstlesens und -schreibens in der pädagogischen Psychologie und Pädagogik (Erziehungswissenschaft) aufgenommen, Leistungsverhalten und -schwierigkeiten innerhalb der pädagogischen Diagnostik thematisiert, Zielsetzungen der sprachlichen und literarischen Bildung in schulstufenbezogenen Theorien von Erziehung und Bildung berücksichtigt ⫺ ungeachtet vergleichbarer Ansätze und Bemühungen in der Didaktik (oder Methodik). Für die Didaktik wirkt sich erschwerend aus, daß bis heute nicht geklärt ist, ob sie einen engeren Bezug zur Pädagogik, Pychologie oder zur Sprach- und Literaturwissenschaft hat (haben sollte). Das liegt u. a. daran, daß der Umfang und Geltungsbereich der Didaktik noch unklar ist und die Professionalisierung erst teilweise vorangekommen ist. So lange nur die Verfahren erörtert und erforscht werden, die zu Alphabetisierung oder Literalität führen, wird die Verfahrenslehre (Methodik) Gegenstand der Forschung sein. Eine weiter gefaßte Vorstellung von Didaktik schließt dagegen die (theoretischen) Erwägungen zu Zielen und Inhalten ein. Schon das Nebeneinander beider Auffassungen (und verschiedener Zwischenformen) lassen das Bild der Didaktik als wissenschaftliche Teildisziplin unscharf erscheinen. Das wirkt sich auf die Konstituierung des Gegenstandes, auch auf die Fragestellungen und Vorgehensweisen, auch auf das Verhältnis zu den Nachbardisziplinen aus. Konstituierung, Zuordnungen und Abgrenzungen werden zusätzlich dadurch erschwert, daß Richtungen und Schwerpunkte der Forschungen durch ein bestimmtes Forschungsinteresse und die jeweilige historische Situation beeinflußt sind. Daß A. und E. Kern (1930) ihre Arbeit zum Lesenlernen eine „psychologisch-didaktische Untersuchung“ nennen, illustriert dies ebenso, wie etwa die Verankerung von Untersuchungen zum Rechtschreiben in einer „experimentellen Didaktik“ bei Lay (1903), die mit kontrollierten

1126 Beobachtungen in der Schulpraxis sowie deren statistischer Auswertung einen „wichtigen Zweig der Experimentellen Pädagogik“ ausmachen sollte (Ingenkamp 1990, 41). Dieser Anspruch wird schon in der Entstehungszeit nicht von allen Forschern geteilt. Meumann beispielsweise distanziert sich davon, was weitere Zweifel und Unsicherheiten begründet: Das Experiment in der Didaktik wird auf die bloße Erfolgskontrolle reduziert, zwischen experimentell arbeitenden Forschern und Unterrichtenden wird deutlich getrennt. Trotz einiger ideologischer Bedenken ist möglicherweise die Entwicklung dort günstiger verlaufen, wo ausgehend von der Frage nach den Bildungsinhalten Erziehung und Unterricht reflektiert wurden ⫺ zunächst stark hermeneutisch orientiert, dann Hermeneutik und Empirie verbindend. Verschiedene Zugänge zum Gegenstand zu suchen und dann aufeinander zu beziehen ⫺ das bietet sich für die weitere Verwissenschaftlichung der Didaktik an. Im Folgenden soll dies für einen Bereich erläutert werden, der üblicherweise als Aufsatzunterricht bezeichnet wird (vgl. dazu auch die Artikel 108 und 110 in diesem Handbuch). Für den deutschsprachigen Raum hat Otto Ludwig (1988) eine umfängliche Geschichte des Schulaufsatzes vorgelegt, die von den Anfängen bis zum konzeptionellen Umbruch um 1970 reicht. Die Rekonstruktion aufsatzunterrichtlicher Konzepte und die Überprüfung der jeweiligen Vorstellungen vom Schreiben sollen dazu beitragen, die Entwicklung des schulischen Schreibens zu begreifen und aufsatzdidaktische Entwürfe umsichtiger als bisher zu begründen. Inhaltlich muß Ludwigs Beitrag an dieser Stelle nicht nachgezeichnet werden; das geschieht in den oben erwähnten Artikeln des Handbuchs bereits in angemessener Weise. Hier soll danach gefragt werden, was aus der Arbeit verallgemeinert abzuleiten ist. Jede wissenschaftliche Disziplin ⫺ das ist aus der Arbeit von Ludwig zu folgern ⫺ bedarf der historischen Vergewisserung. Ludwig zeigt, daß Aufsätze in der Schule erheblich von jeweils geltenden Bildungsvorstellungen und Auffassungen des Schreibens abhängen. Das relativiert in jedem Fall jeden aufsatzdidaktischen Ansatz ⫺ so prägend er in einer bestimmten historischen Situation auch sein mag. Nicht nur für die schulische Schreibpraxis, sondern auch für die wissenschaftliche Reflexion über das Schreiben ist es entscheidend, ob das Verfassen von Texten in der

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Herkunftssprache der Unterrichteten oder in einer von außen herangetragenen, mit einem hohen Prestige versehenen Sprache (der Gebildeten) gefordert wird. Die Entwicklung einer genuin eigensprachlichen Didaktik ist letztlich nur möglich, wenn sich die Herkunftssprache in der Schule durchgesetzt hat. Solche historischen Analysen (vgl. dazu auch Bahmer 1991) sind durch einen ganz anderen Ansatz zu ergänzen ⫺ nämlich durch empirische Arbeiten zum schulischen Schreiben. Einige Untersuchungen wenden sich dabei dem Kontext des schulischen Schreibens zu. Während Applebee (1982) den Stellenwert des Schreibens im Muttersprachunterricht ermittelt, legt Hartmann (1989) Daten zur Praxis des Aufsatzunterrichts in Deutschland vor. Da Hartmanns Studie ⫺ was die Fragestellung und die Vorgehensweise betrifft ⫺ in einen internationalen Vergleich zum Schreibunterricht in verschiedenen Ländern eingebunden ist, kommt ihr besondere Bedeutung zu. Eine Verbesserung des Aufsatzunterrichts wird u. a. von der Überprüfung existierender Schreibprozeßmodelle erwartet (siehe dazu auch Artikel 85 in diesem Handbuch). Erste Versuche sind dazu unternommen worden ⫺ etwa zum gemeinsamen Verfassen eines Aufsatzes (z. B. Baurmann 1990) oder zu verschiedenen Formen der Überarbeitung (Baurmann & Ludwig 1984). Die Kritik an den dabei zugrundegelegten Modellen und der daraus folgende Versuch, eine „realistische(re) Theorie des Schreibens“ (Ortner 1992) zu formulieren, tragen dabei zur weiteren Profilierung von Schreibtheorie und -didaktik bei. Hinsichtlich eines von verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen unterschiedlich behandelten Problems ⫺ nämlich bei der Aufsatzbeurteilung ⫺ wirkt die schreibtheoretisch orientierte Reflexion integrierend. Die Beurteilung des Geschriebenen kann nun als ein Teil der gesamten Textproduktion gesehen werden. Anspruchsvolle Schreibleistungen sind nur möglich, wenn differenzierte Selbstbeurteilungen gelingen, die ggf. durch Fremdbeurteilungen schreiberangemessen vorbereitet werden können (Baurmann 1987). Wie können vor diesem Hintergrund wissenschaftliche Arbeiten zur Aneignung von Schriftlichkeit verortet werden? Da Schriftlichkeit vorwiegend im Unterricht erworben wird, läßt sich dessen Erforschung innerhalb eines Rahmens ansiedeln, den Ivo (1977) als „Fachunterrichtswissenschaft“ beschrieben

95. Aspekte der Aneignung von Schriftlichkeit und deren Reflexion

hat. Solche Forschungen, die der konkreten Praxis unterschiedlich nahe sein können, sind dann in drei Bereichen möglich. Sie lassen sich mit Adl-Amini (1986, 45 f) theoretisch als drei Ebenen unterscheiden ⫺ die der „Zieltheorie“, der „Prozeßtheorie“ und der „Handlungstheorie“. Diese drei Ebenen sind nicht isoliert voneinander zu denken, die Bezüge zwischen ihnen sind allerdings unterschiedlicher Art. Für einen in der gesamten Diskussion wichtigen Aspekt sollen die Auswirkungen dieses Ebenenmodells erläutert werden, nämlich für die Methodik. Methodik als Verfahrenslehre ist auf der Ebene der Zieltheorie dann nur insofern relevant, als hier über den möglichen Ausschluß einzelner Methoden in bestimmten Zusammenhängen entschieden werden kann. Innerhalb der „Prozeß-“ und „Handlungstheorie“ hingegen ist es nicht möglich, methodische Fragen auszublenden, da Inhalte stets mit Methoden verbunden sind und unterrichtliches Handeln stets methodenbewußt geschieht (vgl. dazu Adl-Amini 1986, insbesondere S. 44 ff). Zieltheorie, Prozeßtheorie und Handlungstheorie lassen sich auf verschiedene Gegenstandsfelder oder ⫺ didaktisch gesehen ⫺ auf Lernbereiche beziehen, die für die Aneignung von Schrift und Schriftlichkeit relevant sind. So umstritten alle Vorschläge und Entwürfe zur Gliederung nach Lernbereichen auch sind ⫺ für eine pragmatische Einordnung läßt sich ein solcher Ansatz schon verwenden, wenn er hinreichend offen bleibt und die real vorhandenen Wechselbeziehungen der Lernbereiche untereinander berücksichtigt. So gesehen kann eine Gliederung in die beiden Kategorien ‘Lesen’ (mit Erstlesen, weiterführendem Lesen, Literaturunterricht) und ‘Schreiben’ (mit Erstschreiben, Rechtschreiben, Aufsatzunterricht) ein Raster für die Darstellung wissenschaftlicher Auseinandersetzungen abgeben. Eine solche Aufteilung ist differenziert genug, um unterschiedliche Traditionen in Theorie und Praxis zu erfassen; sie ist hinreichend offen und vorläufig für weitere Möglichkeiten der Zusammenführung und Integration.

6.

Literatur

Adl-Amini, Bijan. 1986. Ebenen didaktischer Theoriebildung. In: Haller, Hans-Dieter & Meyer, Hilbert (ed.), Ziele und Inhalte der Erziehung und des Unterrichts. Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Band 3. Stuttgart, 27⫺48.

1127

Aebli, Hans. 1983. Zwölf Grundformen des Lernens. Stuttgart. Antos, Gerd. 1982. Grundlagen einer Theorie des Formulierens. Textherstellung in geschriebener und gesprochener Sprache. Tübingen. Applebee, Arthur N. 1982. Writing and Learning in School Settings. In: Nystrand, Martin (ed.), What Writers Know. The Language Process, and Structure of Written Discourse. New York, 365⫺ 381. Bahmer, Lonni. 1991. Antike Rhetorik und kommunikative Aufsatzdidaktik. Der Beitrag der Rhetorik zur Didaktik des Schreibens. Hildesheim et al. Balhorn, Heiko & Brügelmann, Hans (ed.). 1993. Bedeutungen erfinden ⫺ im Kopf, mit Schrift und miteinander. Zur individuellen und sozialen Konstruktion von Wirklichkeiten. Konstanz. Ballmer, Heinrich (ed.). 1982. Geschichte der Psychologie. Bd. 2: Entwicklungslinien zur wissenschaftlichen Psychologie. Weinheim & Basel. Baurmann, Jürgen. 1987. Aufsätze beurteilen. Basisartikel. Praxis Deutsch 84, 18⫺24. ⫺. 1990. Kinder schreiben gemeinsam einen text. Eine analyse aus schreibtheoretischer und -didaktischer Sicht. Germanistische Linguistik 104, 109⫺ 123. Baurmann, Jürgen & Hacker, Hartmut. 1989. Integrativer deutschunterricht. Lernen in fachübergreifenden zusammenhängen. Praxis Deutsch 93, 15⫺19. Baurmann, Jürgen & Hoppe, Otfried (ed.). 1984. Handbuch für Deutschlehrer. Stuttgart. Baurmann Jürgen & Ludwig, Otto. 1984. Texte überarbeiten. Zur Theorie und Praxis von Revisionen. In: Boueke, Dietrich & Hopster, Norbert (ed.), Schreiben ⫺ Schreibenlernen. Rolf Sanner zum 65. Geburtstag. Tübingen, 254⫺276. Brügelmann, Hans. 1983. Kinder auf dem Weg zur Schrift. Eine Fibel für Lehrer und Laien. Konstanz. Dolch, Josef. 31960. Grundbegriffe der pädagogischen Fachsprache. München. Edelmann, Walter. 2 1986. Lernpsychologie ⫺ eine Einführung. München⫺Weinheim. Eigler, Gunther, Jechle, Thomas, Merziger, Gabriele & Winter, Alexander. 1990. Wissen und Textproduzieren. Tübingen. Fertig, Ludwig. 1984. Zeitgeist und Erziehungskunst in Deutschland von 1600 bis 1900. Darmstadt. Fijalkow, Eliane. 1993. Pädagogische Praktiken des Schriftspracherwerbs in französischen Schulen heute. In: Balhorn & Brügelmann, 141⫺146. Flitner, Wilhelm 31954. Die vier Quellen des Volksschulgedankens. Stuttgart.

1128 Geißler, Harald (ed.). 1979. Unterrichtsplanung zwischen Theorie und Praxis. Unterricht von 1861 bis zur Gegenwart. Stuttgart. Gessinger, Joachim. 1979. Schriftspracherwerb im 18. Jahrhundert. Kulturelle Verelendung und politische Herrschaft. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) 11, 26⫺47. Giese, Heinz W. 1991. Analphabetismus, Alphabetisierung, Schriftkultur. Eine Auswahlbibliographie. Berlin. Glück, Helmut. 1987. Schrift und Schriftlichkeit. Eine sprach- und kulturwissenschaftliche Studie. Stuttgart. Golli, Danica. 1993. Vorschulische Schreib- und Lesekenntnisse und der Erstleseunterricht in Slowenien, Kroatien und Serbien. In: Balhorn & Brügelmann, 90⫺99. Grzesik, Jürgen & Fischer, Michael. 1985. Was leisten Kriterien für die Aufsatzbeurteilung? Theoretische, empirische und praktische Aspekte des Gebrauchs von Kriterien und der Mehrfachbeurteilung nach globalem Ersteindruck. Opladen. Günther, Klaus B. 1983. Primäre und sekundäre Vorbedingungen der Entwicklung der schriftlichen Sprache und ihre Bedeutung bei hör- und sprachbehinderten Kindern. In: Günther, Klaus B. & Günther, Hartmut (ed.), Schrift, Schreiben, Schriftlichkeit. Arbeiten zur Struktur, Funktion und Entwicklung schriftlicher Sprache. Tübingen, 211⫺243. Hartmann, Wilfried. 1989. Die „Hamburger Aufsatzstudie“. Der Deutschunterricht 41/H. 3, 92⫺98. Heimann, Paul. 1972. Didaktik als Theorie und Lehre. In: Kochan, Detlef C. (ed.), Allgemeine Didaktik, Fachdidaktik, Fachwissenschaft. Ausgewählte Beiträge 1953 bis 1969. Darmstadt, 110⫺142. Heimann, Paul, Otto, Gunther & Schulz, Wolfgang (ed.). 1965. Unterricht ⫺ Analyse und Planung. Hannover. Henningsen, Jürgen. 1974. Erfolgreich manipulieren. Methoden des Beybringens. Opladen. Herrmann, Ulrich. 1982. Die Rolle der Psychologie in der Entwicklung der modernen Erziehungswissenschaft. In: Ballmer, 329⫺342. Hey, C. 21889. Die Methodik des Schreibunterrichts in ihrer geschichtlichen Entwickelung. In: Kehr, Carl (ed.), Geschichte der Methodik des deutschen Volksschulunterrichts. 4. Band. Gotha, 1⫺156. Ingenkamp, Karlheinz. 1977. Pädagogische Diagnostik. Ein Forschungsbericht über Schülerbeurteilung in Europa. Weinheim. ⫺. 1990. Geschichte der Pädagogischen Diagnostik. Band I: Pädagogische Diagnostik in Deutschland 1885⫺1932. Weinheim.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit Ivo, Hubert. 1977. Zur Wissenschaftlichkeit der Didaktik der deutschen Sprache und Literatur. Vorüberlegungen zu einer „Fachunterrichtswissenschaft“. Frankfurt/ M. Keiler, Peter. 1990. Aneignung. In: Sandkühler, Bd. 1, 118⫺128. Kern, Artur & Kern, Erwin. 1930. Lesen und Lesenlernen. Eine psychologisch-didaktische Untersuchung. Freiburg. Lay, Wilhelm A. 1903. Experimentelle Didaktik. Wiesbaden. Leschinsky, Achim & Roeder, Peter M. 1976. Schule im historischen Prozeß. Stuttgart. Ludwig, Otto. 1988. Der Schulaufsatz. Seine Geschichte in Deutschland. Berlin & New York. ⫺. 1991. Die Begründung des Aufsatzunterrichts durch die Bildungsvorstellungen der Aufklärung. In: Herrlitz, Wolfgang (ed.), Comparative Studies in European Standard Language Teaching. Enschede, 83⫺93. Lundberg, Ingvar. 1993. Zehn Jahre Leseforschung. In: Balhorn & Brügelmann, 147⫺159. Luria, Alexander R. 1978. Selected Writings of Luria, A. R. White Plains, New York. Molitor-Lübbert, Sylvie. 1989. Schreiben und Kognition. In: Antos, Gerd & Krings, Hans P. (ed.), Textproduktion. Ein interdisziplinärer Forschungsüberblick. Tübingen, 278⫺296. Ortner, Hanspeter. 1992. Auf dem Weg zu einer realistischen Theorie des Schreibens. In: Herdina, P. (ed.), Methodenfragen der Geisteswissenschaften. Innsbrucker Beiträge zur Kulturwissenschaft 28, 15⫺65. Peer, Willie van. 1987. Form und Inhalt in schulischen Schreibmustern. Eine soziohistorische Analyse. In: Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie (OBST) 36, 12⫺34. Piaget, Jean. 1945, 1969. Nachahmung, Spiel und Traum. Die Entwicklung der Symbolfunktion beim Kinde. Stuttgart. Reinert, Günther. 1982. Grundzüge einer Geschichte der Human-Entwicklungspsychologie. In: Balmer, 178⫺212. Röhrs, Hermann. 1981. Die Schule vor den Aufgaben einer internationalen Lebenswelt. In: Twellmann, Walter (ed.), Handbuch Schule und Unterricht. Band 5.2. Düsseldorf. Sandkühler, Hans-Jörg (ed.). 1990. Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaften. Hamburg. Scheerer, Eckart (ed.). 1982. Ernst Meumann. Psychologie des Lesens und der Rechtschreibung. Bochum. Schubeius, Monika. 1990. Und das psychologische Laboratorium muss der Ausgangspunkt pädagogischer Arbeiten werden! Zur Institutionalisierungsgeschichte der Psychologie 1890⫺1933. Frankfurt/ M. et al.

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben Schulz, Wolfgang. 1965. Unterricht ⫺ Analyse und Planung. In: Heimann et al., 13⫺47. Weniger, Erich. 21956. Die Theorie der Bildungsinhalte und des Lehrplans. Weinheim. Werner, Harald & Wilhelmer, Bernhard. 1990. Lernen. In: Sandkühler Bd. 3, 43⫺46. Wilhelmer, Bernhard. 1990. Lerntheorien. In: Sandkühler Bd. 3, 46⫺54.

1129

Wygotski, Lew S. 1934, 1986. Denken und Sprechen. Moskau⫺Frankfurt/M. ⫺. 21979. Mind and Society. Cambridge/Mass. & London. Zenn, Susanne. 1993. cözümsel metod: Lesen- und Schreibenlernen in der Türkei. In: Balhorn & Brügelmann, 100⫺108.

Jürgen Baurmann, Wuppertal (Deutschland)

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben 1. 2. 3. 4.

1.

Volkssprachlichkeit als neuzeitliche Bedingung der Schriftlichkeit Einsprüche Realgeschichtliche Bedingung: Bildungsbeschränkung Literatur

Volkssprachlichkeit als neuzeitliche Bedingung der Schriftlichkeit

Auf die grundlegende Bedingung der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben in der europäischen Neuzeit ist mit dem Ausdruck „Volkssprachlichkeit“ verwiesen. Er besagt, daß in Opposition zu einer herrschenden Schreib- und Lesepraxis, die vor allem eine lateinische, eingeschränkt auch eine griechische und hebräische ist, in der je eigenen Sprache geschrieben und damit Lektüre in dieser Sprache ermöglicht werden soll. In dieser Sollens-Vorstellung drücken sich zwei Beweggründe aus: das jeweils Eigene (in Gestalt der verschiedenen Volkssprachen) gegenüber einem Anderen/Fremden (in Gestalt des Lateinischen) zu seinem Recht kommen zu lassen; die Zugänglichkeit zum Geschriebenen und zum Schreiben für alle zu sichern. Die historischen Voraussetzungen für dieses Postulat liegen darin, daß die Völkerscharen, die das römische Reich beerben, sich in einer langen Lernzeit, für die die mittelalterliche „Scholastik“ stehen mag, das schriftsprachliche Erbe der Antike aneignen (Fleckenstein 1980, 8) und dann durch „die Werke der Alten belehrt, geübt und ermuthigt, sich von diesen selbst, als von einer einengenden Fessel losmachen“ (Humboldt VI, 123). Theoretisch durchgearbeitet wird dieser Prozeß in Konzepten der Volkssprachlichkeit. Dante Alighieris Schrift „De vulgari eloquentia“

kann als das historisch früheste und als das systematisch grundlegende angesehen werden; Wilhelm von Humboldts Konzept vom „Sprachstudium“ als das entfaltetste und als zukunftsweisendes. 1.1. Dante Alighieri: Amme und Schule Dantes Unterscheidung von Volkssprache und Sprache zweiten Grades enthält die Merkmale, von denen wir üblicherweise ausgehen, um uns über die Differenz von Sprechenlernen und Schreibenlernen zu verständigen. „Volkssprache nennen wir die, die wir ohne alle Regel, die Amme nachahmend, empfangen“. Von der Sprache zweiten Grades heißt es: Sie „haben die Griechen und Andere, aber nicht Alle. Zu deren Handhabung gelangen jedoch nur Wenige, denn wir werden in ihr nur durch eine Spanne Zeit und ausharrendes Lernen geschult und gebildet“. Die Volkssprache ist wahrhaft unsere erste Sprache (nostra vera prima locutio) und sie ist uns natürlich (naturalis est nobis). Dagegen ist die Sprache zweiten Grades „ als etwas mehr Künstliches da“ (potius artificialis existat; Dante, 6 f; 19 f). ⫺ Diese grundlegende Unterscheidung finden wir in den Verweisen auf die Amme und die Schule ausgedrückt. Von der Amme, die dem Kind die Brust gibt, empfängt das Kind auch diejenige Sprache, die Volkssprache heißt. Die Aneignung der Volkssprache ist ein quasi-natürlicher Vorgang („ohne alle Regel“), der mit dem Saugen an der nährenden Brust kontextualisiert wird. Dagegen führt der Weg zur Sprache zweiten Grades in ihrer Künstlichkeit über die Schule, deren Lehrplan im Mittelalter in den Sieben Künsten geordnet ist. Denken wir uns die geläufige mittelalterliche Symbolik der ersten dieser Künste, der Grammatik,

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben Schulz, Wolfgang. 1965. Unterricht ⫺ Analyse und Planung. In: Heimann et al., 13⫺47. Weniger, Erich. 21956. Die Theorie der Bildungsinhalte und des Lehrplans. Weinheim. Werner, Harald & Wilhelmer, Bernhard. 1990. Lernen. In: Sandkühler Bd. 3, 43⫺46. Wilhelmer, Bernhard. 1990. Lerntheorien. In: Sandkühler Bd. 3, 46⫺54.

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Wygotski, Lew S. 1934, 1986. Denken und Sprechen. Moskau⫺Frankfurt/M. ⫺. 21979. Mind and Society. Cambridge/Mass. & London. Zenn, Susanne. 1993. cözümsel metod: Lesen- und Schreibenlernen in der Türkei. In: Balhorn & Brügelmann, 100⫺108.

Jürgen Baurmann, Wuppertal (Deutschland)

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben 1. 2. 3. 4.

1.

Volkssprachlichkeit als neuzeitliche Bedingung der Schriftlichkeit Einsprüche Realgeschichtliche Bedingung: Bildungsbeschränkung Literatur

Volkssprachlichkeit als neuzeitliche Bedingung der Schriftlichkeit

Auf die grundlegende Bedingung der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben in der europäischen Neuzeit ist mit dem Ausdruck „Volkssprachlichkeit“ verwiesen. Er besagt, daß in Opposition zu einer herrschenden Schreib- und Lesepraxis, die vor allem eine lateinische, eingeschränkt auch eine griechische und hebräische ist, in der je eigenen Sprache geschrieben und damit Lektüre in dieser Sprache ermöglicht werden soll. In dieser Sollens-Vorstellung drücken sich zwei Beweggründe aus: das jeweils Eigene (in Gestalt der verschiedenen Volkssprachen) gegenüber einem Anderen/Fremden (in Gestalt des Lateinischen) zu seinem Recht kommen zu lassen; die Zugänglichkeit zum Geschriebenen und zum Schreiben für alle zu sichern. Die historischen Voraussetzungen für dieses Postulat liegen darin, daß die Völkerscharen, die das römische Reich beerben, sich in einer langen Lernzeit, für die die mittelalterliche „Scholastik“ stehen mag, das schriftsprachliche Erbe der Antike aneignen (Fleckenstein 1980, 8) und dann durch „die Werke der Alten belehrt, geübt und ermuthigt, sich von diesen selbst, als von einer einengenden Fessel losmachen“ (Humboldt VI, 123). Theoretisch durchgearbeitet wird dieser Prozeß in Konzepten der Volkssprachlichkeit. Dante Alighieris Schrift „De vulgari eloquentia“

kann als das historisch früheste und als das systematisch grundlegende angesehen werden; Wilhelm von Humboldts Konzept vom „Sprachstudium“ als das entfaltetste und als zukunftsweisendes. 1.1. Dante Alighieri: Amme und Schule Dantes Unterscheidung von Volkssprache und Sprache zweiten Grades enthält die Merkmale, von denen wir üblicherweise ausgehen, um uns über die Differenz von Sprechenlernen und Schreibenlernen zu verständigen. „Volkssprache nennen wir die, die wir ohne alle Regel, die Amme nachahmend, empfangen“. Von der Sprache zweiten Grades heißt es: Sie „haben die Griechen und Andere, aber nicht Alle. Zu deren Handhabung gelangen jedoch nur Wenige, denn wir werden in ihr nur durch eine Spanne Zeit und ausharrendes Lernen geschult und gebildet“. Die Volkssprache ist wahrhaft unsere erste Sprache (nostra vera prima locutio) und sie ist uns natürlich (naturalis est nobis). Dagegen ist die Sprache zweiten Grades „ als etwas mehr Künstliches da“ (potius artificialis existat; Dante, 6 f; 19 f). ⫺ Diese grundlegende Unterscheidung finden wir in den Verweisen auf die Amme und die Schule ausgedrückt. Von der Amme, die dem Kind die Brust gibt, empfängt das Kind auch diejenige Sprache, die Volkssprache heißt. Die Aneignung der Volkssprache ist ein quasi-natürlicher Vorgang („ohne alle Regel“), der mit dem Saugen an der nährenden Brust kontextualisiert wird. Dagegen führt der Weg zur Sprache zweiten Grades in ihrer Künstlichkeit über die Schule, deren Lehrplan im Mittelalter in den Sieben Künsten geordnet ist. Denken wir uns die geläufige mittelalterliche Symbolik der ersten dieser Künste, der Grammatik,

1130 hinzu, so ist es die Rute, die die Künstlichkeit des Vorgangs bezeichnet. Volkssprache und Sprache zweiten Grades werden als locutio naturalis und als locutio artificialis begrifflich gefaßt; die nährende Brust und die einschneidende Rute (gelegentlich trägt Frau Grammatica auch ein Messer) repräsentieren diesen Gegensatz auf der symbolischen Ebene. Dantes Unterscheidung hat einen spezifisch historischen, darüber hinaus einen systematischen Gehalt. Spezifisch historisch ist es, daß die Sprache zweiten Grades für Dante in Form des Lateinischen gelernt wird; daß es somit eine andere, fremde Sprache ist, die als Schriftsprache dient. Spezifisch historisch ist der Akt der Umwertung, nämlich die Volkssprache als die „edlere“ (nobilior est vulgaris; 8; 19) hervorzuheben. Historisch ist schließlich auch die Schwierigkeit, in die Dante mit dieser Unterscheidung bei seinem Vorhaben gerät, die italienische Volkssprache als eine und als Sprache der Schrift zu bestimmen. Denn da er die italienische Volkssprache nur in stadtmundartlichen Ausprägungen vorfindet, wird sie als locutio naturalis zum Gegenstand der Reflexion, insofern nach der Einheit des Italienischen in seinen lokalen Ausprägungen, nach der einen italienischen Nationalsprache gefragt wird. Sie wird zum Gegenstand der Auswahl, insofern nach dem „Erlauchtesten“ und dem „Angemessensten“ unter den Varietäten des Italienischen gefragt wird. Sie wird zum Gegenstand der Bearbeitung, insofern aus den Verschiedenheiten der locutio naturalis eine idealtypische Form erspürt wird, an „der wir alle Stadtmundarten der Italiener messen, wägen und vergleichen“ (44). Die italienische Volkssprache als die erlauchte (illustre), die maßgebende (cardinale) und bei Hofe gesprochene (aulicum) ist eine höfische (curiale) Sprache. Höfisches Wesen aber ist für Dante nichts anderes als „ abgewogene Regel für Handlungen“ (46). Somit ist die italienische Volkssprache als locutio naturalis, wenn sie unter die Kunst der abgewogenen Regel, also unter die Kunst der Grammatik, gebracht ist, zur Sprache zweiten Grades geworden; sie ist nun auch locutio artificialis. Dante bringt in seiner Abhandlung tatsächlich zusammen, was zu seiner Zeit noch getrennt war: die locutio naturalis und die locutio artificialis, ohne dies freilich theoretisch zu explizieren. Der Ausdruck „Volkssprache“ wird doppelsinnig: als Oppositionsbegriff zur Sprache zweiten Grades steht er für den „gewachsenen Schnabel“; als Programm für die Nationalsprache ent-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

hält er das Moment des Quasi-Naturhaften, aber auch des reflexiv Gedachten und Gewollten. Dantes Beweggründe lassen sich aus seinem Werturteil, Volkssprache sei die „edlere“, im zeitgeschichtlichen Kontext erschließen. Locutio naturalis steht im Mittelalter auch für die Sprache der Ungebildeten und somit des Lesens und Schreibens Unkundigen, für die der illiterati, für die der Laien und der Kinder. Es ist offensichtlich, daß sie nicht deshalb die „edlere“ ist, weil sie von Menschen gesprochen wird, die als illiterati gelten. Die Gründe, die Dante anführt, sind derart, daß von einem naturrechtlichen Egalitätsgedanken gesprochen werden kann (19 f). Einbeschlossen ist in diesem Gedanken noch ein Merkmal, das sich in einem anderen Kontext zeigt: Volkssprache wird im Mittelalter auch vernaculäre Sprache genannt. Das Adjektiv vernaculus nimmt den Verweis „im Hause geboren“ metonymisch für „einheimisch, inländisch“. Volkssprache ist die „edlere“, weil sie im Gegensatz zur Sprache zweiten Grades, zum fremden Latein, die einheimische, die eigene ist. Es muß nicht strittig sein, daß die Ausgestaltung moderner Nationalsprachen im Zusammenhang mit veränderten Herrschaftsformen und ökonomischen Umwälzungen in Frage steht. Das zentrierende Motiv aber für all jene Faktoren kann in der Betonung des je Eigenen gesehen werden: in der eigenen Sprache zu beten und Gottesdienst zu feiern, zu dichten und Wissenschaft zu treiben, in der eigenen Sprache Gedanken der Weisheit zu denken und Recht zu sprechen. Die Beweggründe zur Ausgestaltung des Volkssprachenkonzepts sind auch diejenigen zur Ausbildung der nationalen Schrift- und Literatursprachen und werden als grundlegende Bedingungen der Aneignung und der Vermittlung des Lesens und Schreibens in den Phasen der Formung von Nationalsprachen zu solchen des Hintergrundes in den Phasen nach ihrer Etablierung, und als solchen des Hintergrundes eignet ihnen das Merkmal der Selbstverständlichkeit; sie bleiben dann eher unbeachtet. Sie geraten wieder in den Blick, wenn der systematische Gehalt der Unterscheidung Dantes von locutio naturalis und locutio artificialis erfragt wird. Er läßt sich unter drei Gesichtspunkten erfragen: unter dem der Norm, dem der sozialen Verteilung und dem der sprachlichen Bildung der sprechenden und schreibenden Personen.

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben

Unter dem Gesichtspunkt der Norm zeigt sich der systematische Gehalt der danteschen Unterscheidung in der Frage nach Präskription und Deskription. Die Doppelsinnigkeit des Ausdrucks „Volkssprache“ vererbt sich auf den Ausdruck, der ihn im Deutschen ersetzt, auf den Ausdruck „Muttersprache“. Ihre Norm changiert zwischen der, die „wir ohne alle Regel“ von der Mutter empfangen, und derjenigen, die das Ergebnis von Reflexion, Auswahl und Bearbeitung ist, zwischen gegebener und gesetzter Regel. Unter dem Gesichtspunkt der sozialen Verteilung zeigt sich der systematische Gehalt der danteschen Unterscheidung, wenn auf den historischen Ausgangspunkt zurückgegangen wird. Die locutio naturalis als lingua vernacula ist die Sprache der Ungebildeten, der Schriftlosen, der illiterati. Das fremde Latein in seiner Schriftlichkeit als locutio artificialis bleibt wenigen sozialen Gruppen, insbesondere den Klerikern vorbehalten. Indem nun im Begriff „Volkssprache“ beide Formen menschlicher Sprache ineins gedacht werden, ist im Grundsatz eine solche soziale Verteilung nicht mehr als rechtens anerkannt. Die Forderung, in der eigenen, der Muttersprache zu schreiben, enthält die Forderung nach der Zugänglichkeit zum Geschriebenen und zum Schreiben für alle. Unter dem Gesichtspunkt der sprachlichen Bildung der sprechenden und schreibenden Personen zeigt sich der systematische Gehalt dieser Unterscheidung, wenn wir im Sinne von E. Coseriu (1988, 187 ff) nach der „Natur der sprachlichen Kompetenz“ fragen. Coseriu faßt die sprachliche Kompetenz als ein dreidimensionales Wissen der Sprecher auf, das sich auf das universelle Sprechen, die historisch partikulare Einzelsprache und auf das je individuelle Reden in Situationen bezieht. Er bestimmt die Natur dieses Wissens mit Hilfe der alten Unterscheidung „Meinung“ (doja), „technisches Wissen“ (te¬xnh, ars) und „Erkenntnis“ „(eœpisth¬mh“). Sprachliches Wissen ist für ihn ein „technisches Wissen“ und als solches auch ein „sicheres Wissen, das sich im Machen selbst manifestiert“ (213). Insofern unterscheidet es sich vom „Meinen“; aber auch von „Erkenntnis“, weil es nicht wie „Erkenntnis“ auf die Begründung der Gründe gerichtet ist, also nicht reflexives Wissen ist. Die Grenze zwischen „technischem Wissen“ und „Erkenntnis“ wird also nicht durch das Merkmal Begründung oder Begründbarkeit gezogen. Auch das sprachliche Wissen als „technisches

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Wissen“ kann sich begründend selbst explizieren, z. B. durch den Verweis auf das Übliche und auf funktionelle Differenzen (222). Die Grenze zur „Erkenntnis“ wird erst überschritten, wenn nach den Gründen für solche Begründungen gefragt wird. Das qualitativ Neue, das mit dieser Grenzüberschreitung in den Blick kommt und mit dem Ausdruck „reflexiv“ bezeichnet wird, ist mit den beiden genannten Begründungen nicht zu erreichen. Diese sind unmittelbar auf das sprachliche Tun gerichtet und bleiben der Situativität dieses Tuns verhaftet, insofern sie die Unangemessenheit oder Unrichtigkeit sprachlicher Äußerungen unter Berufung auf die Autorität der Tradition bzw. traditionsverbürgter Gewißheit zurückzuweisen erlauben. Erst wenn dieses Eingebundensein der Begründungen in die pragmatischen Bedingungen sprachlichen Tuns selbst Thema des Nachdenkens wird, kann sprachliches Wissen sich selbst reflexiv werden, ist die Grenze zur Reflexivität überschritten. Dante drückt das aus, indem er für das Italienische feststellt, daß wir es als unsere erste Sprache von der Amme „ohne alle Regel“ empfangen, daß es sich als unsere zweite Sprache aber der „ abgewogenen Regel“ verdankt. Sprachliche Kompetenz muttersprachlicher Sprecher ist nicht mehr ohne diese Öffnung zum Reflexiven zu denken. Der Weg, auf dem sich diese Öffnung vollzieht, ist der des Schreibenlernens und das ihn begleitende ⫺ nimmt man den Ausdruck nur weit genug ⫺ grammatische Nachdenken. 1.2. Wilhelm von Humboldt: Gleichzeitiges Bestehen der Literaturen mehrerer hochgebildeter Nationen neben einander Wilhelm von Humboldts Theorie vom „Sprachstudium“ wird hier herangezogen als eine, in der der Grundsatz, alles in der Volkssprache zu schreiben, unter fast allen denkbaren Gesichtspunkten durchdacht und als Schlüssel zum Verständnis der Geschichte der menschlichen Bildung genutzt wird. Die konzeptionellen Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben werden in dieser Theorie umfassend und pointiert herausgearbeitet und bewertet. Dies ist möglich, weil sie davon ausgeht, daß die höchste Vollendung der Ausbildung einer Sprache „mit der Schrift und Literatur“ zusammenhängt (Humboldt VI, 234). Die „Ausbildung“ einer Sprache meint bei Humboldt aber stets dreierlei: die Ausbildung des sprachlichen

1132 Organismus als Objektgebilde, die Ausbildung der sprechenden Subjekte in ihrem gesellschaftlichen Sein und die Ausbildung der sprechenden Subjekte in ihrem personalen Sein. Realgeschichtlich betrachtet entwirft Humboldt seine Theorie rund fünfhundert Jahre nach Dantes Schrift De vulgari eloquentia zu einem Zeitpunkt, als in Europa viele Nationen ihre Volkssprachen zu Literatur- und Wissenschaftssprachen entwickelt, in ihren Sprachen dem „erhöheten und verfeinerten geistigen Leben mehr Raum und Wohnlichkeit verschafft“ haben (VI, 226). Die alles bewegende Frage ist die nach der Wechselwirkung dieser Sprachnationen untereinander. Dante formuliert sein Konzept am Anfang einer Entwicklung: das universelle Latein „im Rücken“, ist die Aufmerksamkeit auf die identitätsbildenden Einzelsprachen gerichtet. Humboldts Aufmerksamkeit richtet sich, die verschiedenen Sprachnationen „im Rücken“, auf die Frage nach der Möglichkeit von Universalität auf der Grundlage von Verschiedenheit, von Differenz. Seine grundlegende Antwort lautet, daß Universalität, die die Differenzen nicht auslöscht, sondern als identitätsbildende Kräfte respektiert, dialogisch erreicht werden kann und daß dies Personen voraussetzt, die sich zu ihrer eigenen Sprachlichkeit in ein reflexives Verhältnis zu setzen vermögen. Humboldt expliziert, was in Dantes Volkssprachenkonzept vorausgesetzt war: „Die Sprachen trennen allerdings die Nationen, aber nur um sie auf eine tiefere und schönere Weise wieder inniger zu verbinden“ (VI, 124). Universalität wird auf schönere Weise hergestellt, nämlich dialogisch, also nicht machtbestimmt und dogmatisch. Sie wird auf tiefere Weise hergestellt, weil die Entfaltung des je Eigenen ermöglicht und dieses ohne uniformierende Einebnung in den Dialog eingebracht werden kann. Im „Ineinanderwirken mehrerer hochgebildeter Nationen“ sieht Humboldt darum den „ganzen Process des geistigen Lebens […] zu vollendeter Entwicklung“ (VI, 124) gebracht. Die Voraussetzung dafür aber bilden Schrift und Schriftlichkeit. Denn die Wechselwirkung kann erst eintreten, wenn die „ augenblicklich verhallenden Laute […] sich in bleibenden Worten verewigen“. Warum? Weil das Erzeugte „zu ruhiger, gesammelter, oft wiederkehrender Betrachtung da liegen“ muß, „um klar und voll ins Bewusstsein zu treten, und zu neuen Erzeugnissen befruchtet zu werden“. Damit sich eine solche verglei-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

chende Einstellungs- und Betrachtungsweise herausbilden kann, nimmt Humboldt eine vierstufige Entwicklung an, die er in einer Art Modell vorstellt (Stufen der Fixation): Ausbildung des „Alphabets“; Entstehen von „Literatur“ („das Entstehen durch Gedankenund Empfindungswerth bleibender Werke“); „Verlassen einer todten Sprache im wissenschaftlichen und literärischen Gebrauch“; das gleichzeitige Bestehen „der Literatur mehrerer hochgebildeter Nationen neben einander“ (VI, 124). Die Stufen der Fixation machen selbst wieder eine Periode im Werdeprozeß der Sprache aus bzw. sind solchen wenigstens parallel zugeordnet. Dieser Werdeprozeß betrifft die Sprache als Objekt in ihrer Gebildehaftigkeit, die Verteilung unterschiedlicher Formen der Sprachlichkeit in einer Sprachnation und die sprechenden und verstehenden Subjekte selbst. Vom Objektgebilde her gesehen unterscheidet Humboldt drei Perioden: die der Schaffung einer Sprache (Periode der Formgebung); die des kollektiven Gebrauchs (Periode ihrer beginnenden Laufbahn); die des individuierenden Gebrauchs (Periode ihrer „zwiefachen Gestalt“; VII, 167). Die erste Periode ist uns, die wir in einer „geschichtlichen Mitte“ (VI, 182) leben, nicht zugänglich. Die zweite ist eine vorwiegend durch Mündlichkeit geprägte Periode und legt die Grundlagen zur Literatur. Die damit einsetzende dritte Periode ist dadurch bestimmt, daß die Sprache „in die Hände der Dichter und Lehrer des Volkes“ kommt, das sich jenen nach und nach gegenüberstellt. „Dadurch gewinnt die Sprache eine zwiefache Gestalt“. Aus ihrem Gegensatz entspringen „zwei sich gegenseitig ergänzende Quellen“, aus denen die Sprache dieser Periode gespeist wird: die „Quellen der Kraft und der Läuterung“. Freilich kommt alles darauf an, daß der Gegensatz „sein richtiges Verhältniss behält“ (VII, 167). Die Analogien zur danteschen Unterscheidung von locutio naturalis und locutio artificialis sind offenkundig. Das Verhältnis beider zueinander war bei Dante gewissermaßen nur praktisch bestimmt worden. Nun wird es bei Humboldt ausdrücklich Thema einer theoretischen Erörterung. Der Vorstellungsgehalt der Ausdrücke, die beide zur Kennzeichnung der „Sprache zweiten Grades“ benutzen, ist identisch, wenn auch unterschiedlich expressiv. In Dantes Formulierung locutio artificialis ist mit ars die Fertigkeit und Geschicklichkeit, etwas an einem Gegenübergestellten zu

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben

bewirken, hervorgehoben. Ebenso in Humboldts Formulierung vom „behandeln“; nur daß in ihr die leibgebundene Grundlage dieser Vorstellung zum Ausdruck kommt. Die Periode, in der die Sprache in die Hände der Dichter und Lehrer des Volkes kommt, ist zugleich diejenige, in der die „eigentlichen Grammatiker“ aufstehen: sie „legen die letzte Hand an die Vollendung des (sprachlichen) Organismus“. Ihre Tätigkeit besteht im Ausscheiden, Verallgemeinern, Ausgleichen und Lücken-Schließen. Sie werden, „indem sie selbst aus dem unendlichen Schatze der vor ihnen liegenden Sprache, schöpfen, gesetzgebend“ (VII, 168): sie bewirken eine „gereinigte“ Sprache, ihr Einfluß ist „läuternd und sichtend, aber verarmend“ (VI, 219). Dieser aus der Behandlung resultierende Einfluß betrifft die Sprache als „Organismus“, als Objektgebilde; und er ist nur Teil eines umfassenderen Einflusses, den Humboldt mit dem Ausdruck „Bildung“ kennzeichnet. Der Einfluß der Bildung aber ist nicht nur verarmend, sondern Bildung „ bereichert“ auch Sprache, „indem sie die Bedeutung der Wörter auf neue Begriffe und Nuancen derselben hinüberführt, und ihnen eine bis dahin unbekannte Geltung verschafft“ (VI, 219 f). Dieser sprachbereichernde Einfluß verdankt sich vor allem der Dichtung und der Philosophie. Er wird also an der Sprache als Prozeß aufgewiesen und in dem schon zitierten schönen Bild ausgedrückt, daß durch ihn mehr Raum und mehr Wohnlichkeit für den „erweiterten Gedanken, dem erhöheten und verfeinerten geistigen Leben“ in der Sprache geschaffen werde (VI, 226). Solch einen Zustand der Wohnlichkeit gewinnt eine Sprache aber nicht, wenn die sprechenden und schreibenden Menschen „ auf halben Bildungswege stehen“ bleiben (VI, 234). Das meint: wenn sie in ihrem Bildungsprozeß nur „eine nach absichtlichem Gebrauch gespaltne, gereinigte […], in ihrem Zusammenhang zerrissene“ (VI, 232) Form der Sprache zweiten Grades erreichen, sei es als eine auf Verabredung beruhende „terminologische“ im wissenschaftlichen Gebrauch oder als eine an „willkührliche Gesetze und Convenienzen“ ausgerichtete „ bloss gesellschaftlicher Bildung“ (VI, 234). Eine solche Behandlung der Sprache führt noch nicht zu ihrer höchst möglichen Entwicklungsstufe. Im Gegenteil: es ist „immer schlimm“, wenn eine solche Behandlung „vorherrschenden Einfluss auf die Schriftsprache hat“ (VI, 232). Die Gründe für dieses Werturteil liegen

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darin, daß auf diesem halben Wege die Sprache zweiten Grades, die gebildete Sprache noch nicht wieder auf die erste, die Ammen-, die Volkssprache zurückbezogen worden und darum nur eine „sogenannte gebildete Sprache“ (VI, 232) geworden ist. Erst in diesem Rückbezug auf die Volkssprache, „gleichsam […] ein Naturwesen“ (VI, 234), gewinnt die Sprache zweiten Grades die Kraft, zu einer wirklich gebildeten Sprache zu werden, die Humboldt eine „metaphysisch gebildete Sprache“ (VI, 235) nennt. Aus beiden, dem Zurückbeziehen der Sprache zweiten Grades und Entgegenkommen der Volkssprache, erwächst, was Humboldt als „Begeisterung“ faßt. Philosophie und Dichtung, sowie Wissenschaft in ihrer „grossartigen Behandlung“ binden sich an eine metaphysisch gebildete Sprache, in der die Quellen der Kraft und der Läuterung zusammenfließen. „Nachdenken“ im Sinne strenger Begrifflichkeit und methodischer Vorgehensweise findet sich mit Anschauung, Gefühl und Phantasie in Freiheit vereint; die Sprachen werden nicht eigentlich Mittel, „die schon gefundene Wahrheit darzustellen, sondern weit mehr, die vorher unerkannte zu entdecken“ (IV, 27). Eine nur „sogenannte gebildete Sprache“ bringt die Schriftsprache als die der poetischen und philosophischen Literaturen um ihre wichtigste Möglichkeit. Und darum ist es schlimm, wenn sie vorherrschenden Einfluß auf die Schriftsprache hat. Die Behandlung der Sprache betrifft auch die soziale Verteilung von Volkssprache und gebildeter Sprache innerhalb einer Sprachnation bzw. betrifft die sprechenden und schreibenden Subjekte in ihrem gesellschaftlichen Sein. Humboldt geht bei der Erörterung dieser Verteilung von zwei Grundsätzen aus: daß die „Scheidung des Volks von den sich nicht zum Volke Rechnenden […] in dem Daseyn einer Nation […]“ unvermeidlich ist und daß, da diese Scheidung für die höchsten Zwecke des Menschseins wesentlich ist, eine „ beständige ungehemmte und energische Gemeinschaft zwischen diesen beiden Theilen der Nation“ zu bewirken ist (VI, 217). Der erste Grundsatz wird als ein empirisch fundierter eingeführt, der zweite aus dem thetischen Satz deduziert, der als den höchsten und allgemeinen Zweck menschlichen Strebens nennt: „dass die Menschheit sich klar werde über sich selbst und ihr Verhältniss zu allem Sichtbaren und Unsichtbaren um und über sich“ (VI, 6). Die einzelnen Analyseschritte, in denen er den zunächst nur negatorisch gekennzeichneten Teil

1134 der Nation, der sich nicht zum Volke Rechnenden, näher zu bestimmen sucht, führen über eine Musterung sprachsoziologischer Kategorien (Frauen- und Männersprachen, Alterssprachen, Berufssprachen, Klassensprachen) schließlich zum Prinzip dieser Unterscheidung, das im Sinne der Begrifflichkeit von Alfred Schütz das der Entpragmatisierung genannt werden kann (Schütz & Luckmann 1975, 296). Das geistige Streben ist entweder von pragmatischen Bedingungen bestimmt und auf diese gerichtet oder ein in theoretischer und poetischer Einstellung bestimmtes entpragmatisiertes Streben. Die Kommentierungen der Ausdrücke „Volkssprache“ und „gebildete Sprache“ führen auf eine solche Unterscheidung des Gerichtetseins der geistigen Einstellung und gehen davon aus, daß die unterschiedlichen Formen des Gerichtetseins sozial unterschiedlich verteilt sind. Die aus dem thetischen Satz deduzierten Sollensvorstellungen über die „ beständige ungehemmte und energische Gemeinschaft zwischen diesen Theilen der Nation“ werden dadurch verwirklicht, daß (1) die „gebildeten Classen“ sich nicht nur bestimmen lassen, insofern sie dem Volk entgegenstehen, sondern auch und vom Grundsatz her, „insofern sie Eins mit ihm ausmachen“ (VI, 233) und daß (2) das Volk nicht von theoretischer Bildung abgeschnitten bleibt. Versuche, in den Schulen des Volkes theoretische Sprachbildung zu vermitteln, bewertet er positiv und erklärt, daß es ein „Misgriff sey, dies zu tadeln“; im Sinne der als notwendig erachteten „energischen Gemeinschaft“ fordert er im Blick auf reale Unzulänglichkeiten der Volksschule, darauf hinzuarbeiten, „jene Bildung weniger dürftig und in das Volk eindringlicher zu machen“ (VI, 233). Die „Behandlung“ der Sprache ist schließlich ein Vorgang, in dem die sprechenden und verstehenden Subjekte in ihrem personalen Sein involviert sind. Wie dies vorzustellen ist, leitet sich aus Humboldts Begründung der bildenden Wirkung des Sprachstudiums her, nämlich aus der Einsicht in die Eigentümlichkeit des Baus der Sprachen „Hülfsmittel zur Erforschung und Erkennung der Wahrheit, und Bildung der Gesinnung und des Charakters“ zu gewinnen (IV, 33). Das Sprachstudium ermöglicht „die gehörige Erweiterung des Hinblickes auf die Sprachen“. Und dies wiederum ist „zu ihrer richtigen Behandlung nothwendig“ (V, 395). Die „richtige Behandlung“ setzt also für die sprechenden und verstehenden Subjekte einen Standpunkt voraus,

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

von dem sie Sprache in ihrem weitesten Umfang und in ihrem Wesen in den Blick nehmen können. Um diesen Standpunkt zu gewinnen, ist das Sprachstudium das Mittel. Die „richtige Behandlung“ der Sprache setzt somit ein angemessenes Wissen von Sprache voraus, das nur in theoretischer Einstellung gewonnen werden kann; es muß also über das im stetigen Gebrauch der Sprache sich einstellende Wissen von ihr hinausgehen. Nennt man den Punkt, von dem her die „gehörige Erweiterung des Hinblickes auf die Sprachen“ möglich wird, einen „Sehepunkt“, so ist dieser vom jeweiligen Punkt des Redens zu unterscheiden, dem jeweiligen „Redepunkt“. Sprache kommt in alltäglichen Redesituationen vom Redepunkt her in den Blick; der Redepunkt ist zugleich derjenige, von dem her Sprache gesehen wird. In dieser Perspektive ergibt sich nur ein eingeschränktes Bild von Sprache und vom Sprechen. Die Erkenntnis wird dabei von einem unmittelbar lebensdienlichen Zweck gesteuert, dem Gelingen der Kommunikation. Die Entschränkung des Blicks, die sich in der Bewegung vom Rede- zum Sehepunkt vollzieht, ist also verbunden mit dem Wandel von einer pragmatischen zu einer theoretischen Einstellung zur Sprache. Nennt man diesen Wandel einen zur Reflexion, so ist die erste Bestimmung dessen, was eine „richtige Behandlung“ der Sprache ausmacht, an die Bedingung der Reflexivität der sprechenden und verstehenden Subjekte geknüpft. Was nun vom Sehepunkt her in den Blick kommt, ist dreierlei: daß Sprache mit dem Denken und Empfinden eins ist; daß sie nur in dem „ewig sich wechselseitig erzeugenden Acte des Sprechens und Denkens“ im vollen Sinne des Wortes „ein Daseyn hat“; und daß die einzelne Sprache nicht Art einer Gattung, sondern im strengen Verständnis des Ausdrucks eine „Individualitaet“ ist. Damit sich der unterstützende Einfluß der jeweiligen Sprache, die noch unerkannte Wahrheit zu entdecken, auf die sprechenden Subjekte entfalten kann, müssen sie in sich eine Empfänglichkeit für diesen Einfluß ausgebildet haben. Diese Empfänglichkeit bildet sich im Sprachstudium aus. Die „richtige Behandlung“ der Sprache ist also an die Bedingung der Ausbildung der Empfänglichkeit für den „reineren Einfluss“ der „Individualitaet“ einer Sprache geknüpft (V, 395). Reflexion und Empfänglichkeit sind Bedingungen für die „richtige Behandlung“ der Sprache, die die individuierende Wirkung der

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben

Sprachen erst „rein“ ermöglichen und damit wiederum die Voraussetzung für dialogisches Verstehen und Sprechen schaffen. Diese Konstellation ist historisch gebunden an jene Epoche, in der „die hauptsächlichsten Nationen Europas angefangen haben, in ihren Muttersprachen zu schreiben“. Erst die reflektierte Erfahrung der individuierenden Wirkung der eigenen Sprache bahnt die Möglichkeit an, in der Sprache des Anderen das Individuelle in seinem Anderssein zu erspüren und zu respektieren. „Was man aber an der eignen Sprache gefühlt hat, ahndet man, wie tief und fein es auch sey, leichter in einer fremden“ (V, 395). Damit ist das Schreiben in der Muttersprache als historisches Ereignis in einen universalhistorisch verstandenen Zusammenhang gerückt, in dem sich ein neues Verständnis vom Menschen, von seinem In-der-Welt-Sein und von seiner Mit-Menschlichkeit ankündigt. Reflexivität, Empfänglichkeit, Individuierung und Dialogizität werden zu einer Bestimmung der „richtigen Behandlung“ von Sprache. Ihr Gelingen und Mißlingen werden zu Schlüsselereignissen der neuzeitlichen Bildungsgeschichte. Zum Verständnis dieser Schlüsselereignisse verdienen diejenigen konzeptionellen Bedingungen hervorgehoben zu werden, die in spezifischer Weise mit der Aneignung und Vermittlung des Lesens zu tun haben. Sie sind solche des Verstehens überhaupt und solche des Verstehens schriftlicher Texte. Humboldts bekanntes Axiom, daß alles Verstehen zugleich ein Nicht-Verstehen sei (V, 396), gründet in der Auffassung von der einen menschlichen Sprachkraft, die zunächst nationenweise individualisiert schließlich im idiolektalen Sprechen des je Einzelnen erst seine letzte Bestimmung erfährt. So wie das Sprechen beruht auch das Verstehen auf „Selbstthätigkeit“: „das Sprechen mit einander“ ist darum „ein gegenseitiges Wecken der im Hörenden befindlichen Sprachkraft“ (V, 384); Verstehen ist „eine Anregung der Sprachkraft, nur in ihrer innern Empfänglichkeit“ (V, 382). Da nun die wahre Individualität der Sprache sich im jedesmaligen Sprechen herstellt, gilt: „Keiner denkt bei dem Wort gerade das, was der andre, und die noch so kleine Verschiedenheit zittert […] durch die ganze Sprache“. Und darum ist „ alle Uebereinstimmung in Gedanken und Gefühlen zugleich ein Auseinandergehen“ (V, 396). Je mehr nun das Sprechen und Verstehen sich in eingelebten Formen vollzieht, desto weniger wird das Verstehen zugleich ein

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Nicht-Verstehen sein bzw. als ein Auseinandergehen erfahren. Das Volkssprachenkonzept dagegen betont die Individuierung der allgemeinen einen menschlichen Sprachkraft; nationenweise in die Einzelsprachen, die Volks- oder Muttersprachen; und Humboldt expliziert im Modell von den Sprachsphären die innere Logik des Volkssprachenkonzepts bis hin zur idiolektalen Bestimmung der einen universellen menschlichen Sprachkraft. Eine solche Betonung der individuierenden Motive des Sprechens und Verstehens wird selbstverständliche und unbefragte „Uebereinstimmung in Gedanken und Gefühlen“ eher schwächen und die Erfahrung des Auseinandergehens verstärken. Es bedarf einer besonderen und gewollten Anstrengung, Verständnis herzustellen: das Prinzip des Dialogischen gewinnt an Gewicht gegenüber dem der Lebensformen. Die Schritte einer solchen Gewichtsverlagerung seien angedeutet. In seinem Überdauern erzeugt das Geschriebene zwangsläufig eine Differenz zum nachgeborenen Leser und erfordert eine besondere und gewollte hermeneutische Anstrengung. Die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn soll hervorgehoben werden. Diese nämlich wird im Volkssprachenkonzept auf eine spezifische Weise in Anspruch genommen und bildet die zentrale Bedingung der Aneignung und Vermittlung des Lesens, auch wenn sie als eine solche oft fraglos vorausgesetzt ist und weniger im expliziten Wissen um sie erscheint. Die Lehre vom mehrfachen Schriftsinn läßt sich im Anschluß an Wilhelm Nestle (1975) von der Funktion her zweifach typisieren. Sie hat eine apologetische Funktion, wenn sie die Autorität einer überkommenen Schrift dadurch rettet, daß sie in ihr anderes als das im wörtlichen Sinn Gesagte sucht und findet, eben den allegorischen Sinn. Sie hat eine eher destruktive Funktion, wenn sie z. B. in einer überkommenen Schrift, die Mythen erzählt, nichts „ als die Einkleidung einer immer vorhandenen oder geltenden Wirklichkeit“ sieht (127), zu der durch das Ausscheiden des Wunderbaren und Befremdlichen, also auf rationalistischem Wege, vorgedrungen werden kann. Beiden Auslegungsmethoden, der allegorischen und der rationalistischen, verdanken wir den Kernbestand des hermeneutischen Handwerkszeugs. Ihre spezifische Nutzung als apologetisches oder destruktives Auslegungsverfahren wird aber im Volkssprachenkonzept zum Thema einer grundsätzlichen Reflexion. In apologetischer oder destruktiver

1136 Nutzung wird das Fremde, Andersartige, Anstößige im überlieferten Text einer gesetzten Universalität subsumiert und damit der Leser oder der Text im Wege des Glaubensgehorsams oder in solcher Form der Kritik um sein Anderssein gebracht. Demgegenüber schlägt Humboldt in seiner Ausgestaltung des Volkssprachenkonzepts zum „Sprachstudium“ einen Begriff von Verstehen vor, der sich nicht in solcher Funktionalität erschöpft. Er zeigt zwei Fehlformen des Verstehens: Der Empfangende zwängt „die fremde in die Form der seinigen hinüber, oder versetzt sich, mit recht voller und lebendiger Kenntniss jener ausgerüstet, ganz in die Ansicht dessen, dem sie einheimisch ist“. Humboldt formuliert seinen Lösungsvorschlag so: „Die lichtvolle Erkennung der Verschiedenheit fordert ein Drittes, nämlich ungeschwächt gleichzeitiges Bewusstseyn der eigenen und fremden Sprachform“ (VI, 121 f). Für einen Leser heißt dies: er hat nicht nur ein Bewußtsein der Differenz von sich und dem Text, das er in einer Art lesender Fremdverbeißung oder Identitätsverwischung zum Verschwinden bringt, sondern auch ein Bewußtsein von eben dieser Situation selber. Diese Reflexibilität ist die Bedingung dafür, zwischen dem Eigenen und dem Fremden eine Brücke schlagen zu können. In dieser Reflexibilität wird ein „höherer Standpunkt“ erreicht, von dem her das lesende Ich und der Text in den Blick kommen. Aber anders als im Subsumptionsschema markiert dieser höhere Standpunkt kein gesetztes Universelles, das das Fremde in seiner Andersartigkeit domestiziert, sondern die Aufgabe, sich wechselseitig zu nähern. In solchem Verständnis der hermeneutischen Grundverhältnisse zeigt sich zugleich ein für die Neuzeit charakteristisches Verständnis von Wahrheit: sie wird als nicht gegeben und verfügbar, sondern als aufgegeben aufgefaßt. Sich ihr zu nähern, nennt Humboldt ein „Anringen“. Solches aber ist an den Dialog gebunden. Denn „das mächtigste Mittel ihr nahe zu kommen, seinen Abstand von ihr zu messen, ist die gesellige Vereinigung“ (V, 381). Von hier her wird auch verständlich, warum im gleichzeitigen Bestehen „der Literaturen mehrerer hochgebildeter Nationen neben einander“ ein Höhepunkt in der Bildungsgeschichte der Menschheit gesehen werden kann. Auch unter dieser Bedingung wird der hohe Rang der Beschäftigung mit poetischer und theoretischer Literatur im Unterricht der Schule begründbar, und damit gewinnt auch der Kursus des Lesenlernens sein

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

übergeordnetes Ziel. Diese Argumentation wird noch dadurch gestärkt, daß die Dialogizität im Volkssprachenkonzept Humboldts eine Deutung erfährt, die auch eine politische Dimension hat. Die Ausformung von Identitäten als Prozeß der Gestaltwerdung und damit auch der Abgrenzung und des Offenwerdens für Andere und Anderes werden von der Sprache her gedacht; und in dem an Sprache orientierten Streben nach Universalität werden die jeweiligen Eigenarten, aus denen sich die Verschiedenheiten ergeben, nicht für eine höhere Uniformität geopfert. „Die Sprache umschlingt mehr, als sonst etwas im Menschen, das ganze Geschlecht. Gerade in ihrer völkertrennenden Eigenschaft vereinigt sie durch das Wechselverständniss fremdartiger Rede die Verschiedenheit der Individualitäten, ohne ihnen Eintrag zu thun“ (VI, 117). In solcher Formulierung erfährt das Credo der Aufklärung eine volkssprachliche Interpretation, das Credo, welches Humboldt als eine von zwei leitenden Ideen der Menschheitsgeschichte das Bestreben nennt, „die Gränzen, welche Vorurtheile und einseitige Ansichten aller Art feindselig zwischen die Menschen stellen, aufzuheben, und die gesammte Menschheit, ohne Rücksicht auf Religion, Nation und Farbe, als Einen grossen, nahe verbrüderten Stamm zu behandeln“ (VI, 114).

2.

Einsprüche

2.1 Locutio artificialis als Enteignung des Vernaculären Ivan Illich (1982) trägt seine Kritik in Auseinandersetzung mit einer prominenten Volkssprachengrammatik vor, mit der „Gramma´tica de le lengua Castellana“ von Antonio de Nebrija aus dem Jahre der Ausfahrt des Kolumbus 1492. Er parallelisiert die beiden Ereignisse in ihrer weltgeschichtlichen Bedeutung und spricht dem Erscheinen dieser Grammatik, die bei ihm beispielhaft für Volkssprachengrammatiken der Neuzeit anzunehmen ist, eine noch nachhaltigere und tiefergreifende Wirkung auf das moderne Welt- und Menschenverständnis zu. Eine unter die Kunst der Grammatik gebrachte Volkssprache entmündigt den vernaculären Sprachsouverän. Analog zur Einpflanzung eines Sündenbewußtseins entsteht nun im Sprecher ein Gefühl des sprachlichen NichtGenügens; analog zur Angewiesenheit auf einen priesterlichen Mittler, der losspricht und

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben

der segnet, entsteht eine Abhängigkeit von den Erziehungsinstitutionen, die die einheimische Sprache enteignen und die Sprecher ihrem Sprachkatechismus unterwerfen. Die Entstehung des modernen Staates mit seinem Machtausbau nach innen ist an diese Enteignung geknüpft. Der radikale Wechsel von der „gemeinen“ Sprache „zu einer offiziell unterrichteten Muttersprache […] weist voraus auf den Wechsel von der Brust zur Flasche […], vom Unterhalt im Haushalt zur Produktion für den Markt, von einer Welt, wo die Hoffnungen zwischen Staat und Kirche geteilt waren, zu einer solchen, wo die Kirche marginal und die Religion privatisiert ist und wo der Staat sich die mütterlichen Funktionen anmaßt, die einst nur von der Kirche beansprucht wurden. Früher gab es kein Heil außerhalb der Kirche; jetzt sollte es außerhalb des Erziehungssektors kein Lesen, kein Schreiben ⫺ wenn möglich kein Sprechen geben. Die Menschen sollten, aus dem Schoß der Monarchin wiedergeboren, lebenslänglich an ihrer Brust genährt werden. Zum erstenmal werden jetzt der Staatsbürger und seine vom Staat zugeteilte Sprache ins Leben gerufen“ (Illich 1982, 24). Dem gegenüber fordert Illich das „Recht auf Gemeinheit“ ein. Der Enteignungseinwand wiegt schwer gegenüber einem Konzept, dessen erklärtes Ziel die Ermöglichung des Eigenen im Bereich der Schriftlichkeit ist; und zwar über Jahrhunderte hin. Der fränkische Mönch Otfried von Weissenburg beschließt sein Evangelienbuch 871: „Nu fre´uuen sih es a´lle, […] thaz uuir Kri´ste sungun in u´nsera zugun, ioh uui´r ouh gile´betun, in fre´nkidgon nan lo´botun!“ (ed. 1965, 922 ff). Martin Luther weist im Sendbrief vom Dolmetschen 1530 theologische Einwände gegen seine Bibelübersetzung unter Berufung auf die deutsche Sprache zurück. Gewiß, so räumt er ein, findet sich in der umstrittenen Römerbriefstelle nicht das Wort solum; aber „ich habe deutsch nicht lateinisch noch kriegisch reden wollen da ich teutsch zu reden ym dolmetzschen furgenommen hatte. Das ist aber die art vnser deutschen sprache wenn sie ein rede begibt von zweyen dingen der man eins bekennet vnˆ das ander verneinet so braucht man des worts solum (allein) neben dem wort (nicht oder kein) Als wenn man sagt Der Baür bringt allein korn vnˆ kein geldt“ (ed. 1959, 184). Leibniz unterstreicht in seinen „Unvorgreiflichen Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache“ (zuerst 1717 herausgegeben) die Leistungsfähigkeit der deutschen

1137

Sprache für alles „was mit den fünf Sinnen zu begreifen ist und auch dem gemeinen Mann vorkommt“. Dagegen fehlt es in „unserer Sprache in den Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kann: als bei Ausdrückung der Gemütsbewegungen, auch der Tugenden und Laster […]; dann ferner bei den noch mehr abgezogenen und abgefeimten Erkenntnissen, so die Liebhaber der Weisheit in ihrer Denkkunst und in der allgemeinen Lehre von den Dingen unter dem Namen der Logik und Metaphysik auf die Bahn bringen“ (ed. 1967, 26 f). Dies zu ändern, der eigenen Sprache ihren Platz auch im begrifflichen Denken und in der Abstraktion zu sichern, dient sein Engagement. Illichs Einwand kann sich also kaum auf das Volkssprachenkonzept selbst beziehen, sondern nur auf die Bedingungen seiner Verwirklichung. Freilich müssen, wenn eine solche Pervertierung des Konzepts möglich sein soll, wie von Illich diagnostiziert, in dem Konzept Einbruchstellen vorhanden sein, von denen her die Umwendung zu erfolgen vermag, ohne daß das Prinzip, alles in der Volkssprache zu schreiben, an Plausibilität verliert. Eine solche Einbruchstelle könnte so umschrieben werden: Das Moment der Entfremdung gegenüber dem „gewachsenen Schnabel“, wie wir locutio naturalis redensartlich übersetzen können, liegt in der Logik des Konzepts. Wenn Frau Grammatica in der mittelalterlichen Darstellung statt einer Rute auch ein Messer tragen kann, so wird klar, daß nicht einfach auf ein Züchtigungsmittel verwiesen ist, sondern auf das Einschneidende dieser Entfremdung. Die Pervertierung setzt dann ein, wenn die Aneignung von Schrift und Schriftlichkeit so weit geführt wird, daß der „gewachsene Schnabel“ den Sprechenden und Schreibenden nicht mehr ohne weiteres selbstverständlich ist, er aber dann vom weiteren Bildungsweg abgeschnitten bleibt, der ihm die Möglichkeit eigener Selbstvergewisserung eröffnen kann. Die Pervertierung des Volkssprachenkonzepts führt also zu einer Art doppelter Enteignung: enteignet wird im Prozeß der Bildung als Entfremdung, was eine Person von Geburt und von der „Amme“ mitbringt, und im Prozeß der Bildungsbeschränkung, was er der Möglichkeit nach sein könnte. Die hieraus entstehende Disponibilität und Loyalitätsbindung der Massen finden sich in der Kritik Illichs eindrucksvoll beschrieben. Sie wird abschließend zu berücksichtigen sein.

1138 2.2. Der Vorrang der Sachen Dieser Einspruch zielt nicht auf die Ausgestaltung des Volkssprachenkonzepts oder seine Realisierungsbedingungen, sondern stellt es insgesamt als Bedingung der Aneignung und Vermittlung von Schreiben und Lesen in Frage. Der Einwand hat in der Abhandlung von Ernst Christian Trapp (1788) „Ueber den Unterricht in Sprachen“ eine klassische Ausprägung erfahren. Diese Erörterung markiert einen völligen Bruch mit dem Volkssprachenkonzept. Die Verschiedenheit der Sprachen ist für Trapp ein grundlegender Mangel. Darum ist die Erlernung fremder Sprachen als ein „nothwendiges Uebel“ anzusehen. Er führt diesen Kampf mit der sprachtheoretischen Grundannahme: „Die Sprache besteht aus Zeichen oder Körpern der Ideen. Eine Idee braucht nur ein Zeichen, um gefaßt und mitgeteilt zu werden. Hundert Zeichen für eine Idee sind nicht hundert neue Ideen, nicht hundert Erläuterungen, Erweiterungen, Aufklärungen der einen Idee“ (216). Das „Sprachstudium“ ist auf die Erforschung der „körperlichen Hüllen“ gerichtet; insofern also eine Spezialbeschäftigung, die keine fundierende Funktion im Bildungs- und Erziehungsprozeß haben kann. Er faßt zusammen: „Das Sprachstudium befördert nicht die Geistesbildung und Aufklärung überhaupt, weil es sich bloß mit Wörtern beschäftigt […]. Das Sprachstudium ist nicht der Grund, also auch nicht die unumgängliche Bedingung aller Gelehrsamkeit, weil Sachgelehrsamkeit ohne dieses Statt finden kann“ (214). Dieser Einspruch macht zunächst deutlich, daß mit dem Volkssprachenkonzept ein Denkraum eröffnet wird, in dem die Modellbildung für die Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben erfolgen kann; daß aber nicht eine Form von Theorie formuliert ist, aus deren Sätzen die Modelle deduktiv gewonnen werden können. Der Einspruch Trapps setzt realgeschichtliche Faktoren und den im Begriff der „Nützlichkeit“ organisierten Bezug auf sie, also zwei für die Modellbildung wichtige Größen in ihr Recht. Insofern er aber auf eine konventionalistisch zu nennende sprachtheoretische Grundannahme rekurriert, ersetzt er den volkssprachlichen durch einen konventionalistischen Denkraum, der sprachtheoretisch unangemessen und für die didaktische Modellbildung fatal ist. Sprachtheoretisch unangemessen ist er, weil er, was für Werke, „die sich durch Klarheit und Genauigkeit auszeichnen müssen und nur einer allgemeinen und auf Vereinba-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

rung beruhenden Sprachen bedürfen“ (d’Alembert ed. 1989, 86), von größtem Vorteil ist, für die Sprachlichkeit des Menschen überhaupt nimmt und mit dieser pars-pro-totoSetzung den sprachtheoretischen Denkraum nach Art eingeschränkter Zweck-Mittel-Rationalität organisiert. Die Geschichte der Modellbildung muttersprachlicher Didaktik ist bestimmt von der Verlegenheit, die die Verwendung eines Nützlichkeitsbegriffs bereitet, der aus dem didaktischen Thema selbst, eben der Muttersprache, nicht mehr reflektierbar zu werden droht. Damit gerät aber auch die Möglichkeit des fachdidaktischen Denkens in Gefahr, das in analytischer Durchdringung realgeschichtlicher Faktoren zutage Geförderte im Hinblick auf seine Angemessenheit der Zwecke selbst in eigener, in sprachdidaktischer Kompetenz zu bewerten.

3.

Realgeschichtliche Bedingung: Bildungsbeschränkung

Realgeschichtliche Bedingungen werden idealtypisch erörtert, und zwar unter dem Gesichtspunkt der Beschränkung. Diese hat die Form des Ausschlusses oder des Abbrechens. Im letzteren Sinn wird der Weg volkssprachlicher Bildung nicht ausgeschritten; im ersteren werden soziale Gruppen nicht oder nur teilweise an volkssprachlicher Bildung beteiligt. Solche gezielten Einflußnahmen sind möglich, weil der Schriftsprachenerwerb an Unterweisung gebunden ist. Da die elementaren Unterweisungen in der Regel im Schulunterricht erfolgen, lassen sich die Beschränkungen an der Schulgeschichte studieren und dabei idealtypische Annahmen über realgeschichtliche Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben gewinnen. Als Ausgangstext wähle ich die Schrift von Rudolf von Raumer „Der Unterricht im Deutschen“ von 1851, weil sie an einem politischen Wendepunkt die Aufgabe der Schule schulformbezogen vom Unterricht im Deutschen her bestimmt: „Ihre Aufgabe ist die Ueberlieferung der Hochdeutschen Schriftsprache und der in ihr niedergelegten Literatur. In den verschiedenen niederen und höheren Schulen wird also die Grenze des Unterrichts im Deutschen dadurch bezeichnet sein, wie weit sich die Stände an der Hochdeutschen Schriftsprache und deren Literatur betheiligen sollen“ (106). In den niederen Schulen erhalten die Stände ihre Bildung, die „ihren Lebensunterhalt vorzugsweise durch körperli-

96. Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben

che Arbeit gewinnen“. Für sie stellt sich also die Frage: „In wie weit und in welcher Weise soll sich die Masse der Bauern und Handwerker an der Hochdeutschen Schriftsprache betheiligen?“ (108). Die Antwort fällt eindeutig genug aus: Man sorgt für das Wohl dieser Stände am besten, wenn man sie dahin bringt, „daß sie die Hochdeutschen Bücher lesen können, die für sie bestimmt sind, und die Dinge einigermaßen zu Papier bringen, die das Leben von ihnen verlangt“ (109). Bestimmt sind für diese Stände als geistliche Bücher Bibel, Gesangbuch und Katechismus; als weltliche das Lesebuch. Aufgabe der niederen Schule ist es, Geläufigkeit im Schreiben überhaupt zu erreichen; und lebensdienliche Zwecke wie eine Rechnung ausstellen, im Kalender einen Termin festhalten, einen Brief schreiben, zu erfüllen. Für die Anleitung der niederen Schüler zum Schreiben von Aufsätzen, die Mittel der Schriftlichkeit für die Ordnung und Entfaltung der Gedanken nutzen zu lehren, hat von Raumer nur Hohn und Spott bereit. Solche Unterfangen sind ihm im Leben der handarbeitenden Stände offensichtlich dysfunktional; sie überfordern das Curriculum einer siebenjährigen Volksschule; sie leiten zu Selbstbeobachtung an und zerstören so die natürliche Unbefangenheit der Kinder in ihrer Sprache. Konsequenterweise ist der Schreiblehrgang nach der Fibelphase bestimmt durch Abschreiben, Diktieren und als oberste Grenze das schriftliche Nacherzählen einer kleinen Geschichte. Umfang und Art der Teilhabe der in den niederen Schulen gebildeten Stände an der hochdeutschen Schriftsprache und ihrer Literatur werden also aus der zur Norm erhobenen sozialen Zuständlichkeit dieser Stände bestimmt. Die Grenzlinie, die nicht überschritten werden darf, markiert den Übergang zur Reflexion; der Reflexion, in der der Weg von der locutio naturalis zur locutio artificialis gebahnt wird. Damit bleiben diese Stände von dem, was das Herzstück muttersprachlicher Bildung ausmacht, ausgeschlossen. Eine solche Exkommunikation kann plausibel erscheinen, weil die einzelnen Beobachtungen, Feststellungen, Schlußfolgerungen und Bewertungen zur Didaktik und Methodik des Lesen- und Schreibenlernens nicht in dem Denkraum arrangiert werden, der durch das Volkssprachenkonzept eröffnet wird; weil sie überhaupt nicht in einem explizierten Denkraum einander zugeordnet werden, sondern weil sich die Plausibilität eines Teilelements mit der eines anderen assoziativ verbindet und sich somit

1139

die Verbindung unter wechselnden Parametern herstellt. Die unterrichtsmethodischen, altersbezogenen, didaktischen und institutionellen Erwägungen des Programms werden nicht an das neue Verständnis vom Menschen, von seinem In-der-Welt-Sein und seiner MitMenschlichkeit gebunden, das im Volkssprachenkonzept angelegt ist. Reflexivität, Empfänglichkeit, Individuierung und Dialogizität werden nicht zu bestimmenden Größen der „Behandlung“ der Sprache (vgl. S. 1133). Darum kann das Ziel, „fehlerloses Schriftdeutsch schreiben zu lehren“, verstanden werden als Aufgabe, „provinzielle Eigenheiten aus der Schreibung (der) Schüler auszurotten“ (118). So einschneidend die Erfahrung ist, sich die eigene Sprache i. S. von locutio naturalis als eine fremde i. S. von locutio artificialis vorzustellen und erschließen zu lernen, so ist mit ihr im Volkssprachenkonzept gerade kein „Ausrotten“ der quasi-natürlichen Sprachgrundlage, sondern Versöhnung mit ihr angestrebt. Programme wie das angedeutete verknüpfen soziale, ökonomische und politische Daten mit institutionellen, didaktischen und methodischen. Insofern sie regelnd und legitimierend auf die Bildungseinrichtungen einwirken, ist solche didaktische Literatur, wie wir sie abgekürzt nennen können, selbst Teil der realgeschichtlichen Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben. Das Programm, das von Raumer für die Teilhabe an der hochdeutschen Schrift und ihrer Literatur entwirft, kann nun für die Typisierung von Bildungsbeschränkung herangezogen werden, insofern die Modi des Ausschlusses bzw. die Stationen des Abbrechens sich auf dieser Grundlage konstruieren lassen. Der Ausschluß erfolgt entweder, weil ⫺ wie bei Raumer ⫺ faktische Verhältnisse als Norm gesetzt werden und sich so Sollensbestimmungen für die Teilhabe ergeben. Das Sollen wird durch Können ersetzt, wenn nicht von den faktischen Verhältnissen, sondern vom Vermögen der lernenden Subjekte ausgegangen wird. Das Maß der Teilhabe wird dann ⫺ idealtypisch ⫺ bestimmt von der Begabung, die eine lernende Person für dieselbe Teilhabe mitbringt bzw. nicht mitbringt. Das Können wird schließlich durch ein Mögen ersetzt, wenn Schüler in ihrer Vorfindlichkeit ⫺ idealtypisch ⫺ zum Maß der Teilhabe genommen werden. Die Typik des Abbrechens ergibt sich, wenn aus den drei Begriffspaaren „Eigenes und Frem-

1140 des, Spontaneität und Reflexivität, Partikularität und Universalität“ ein Element bzw. je ein Element ausgeschlossen wird. In der didaktischen Literatur erscheinen die politischen, ökonomischen und sozialen Daten, die mit institutionellen, didaktischen und methodischen des Unterrichts verknüpft werden, eher als Hintergrundsdaten. Um die durch sie angezeigten realgeschichtlichen Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben angemessen thematisieren zu können, sind sie in umfassenderen Kontexten vorzustellen und zu erörtern. Eine solche Bearbeitung findet sich in strukturund prozeßgeschichtlichen Untersuchungen, wie sie z. B. in dem großangelegten Versuch einer deutschen Gesellschaftsgeschichte von Hans-Ulrich Wehler (1987) vorliegt. Dieser Versuch basiert auf der Annahme, daß sich Gesellschaft in den „Wechselwirkungen zwischen Wirtschaft, Herrschaft und Kultur“ konstituiert und daß diese „Bereiche eine relativ autonome Geltung und Wirkungsmacht“ besitzen, also nicht einer aus dem anderen abgeleitet werden kann, „so sehr auch für die Analyse der historischen Wirklichkeit alles auf die Mischungs- und Interdependenzverhältnisse ankommt“ (I, 6 f). Die Annahme von der relativen Autonomie der Bereiche ermöglicht es, die didaktische Thematisierung von Schrift und Schriftlichkeit an solche Untersuchungen anzuschließen. So analysiert Wehler den Ausbau des preußischen Schulsystems von 1815 bis 1845/1849 (II, 478 ff) und liefert damit den gesuchten umfassenderen Kontext, in dem ein Programm wie das von Raumers situiert werden kann, und zwar sowohl im Hinblick auf die in diesem Programm angenommenen ökonomischen, sozialen und politischen Daten als auch im Hinblick auf das Programm selbst. Erst in diesem Anschließen an eine offene struktur- und prozeßgeschichtliche Thematisierung von Schule im Kontext Gesellschaft konstituierender Faktoren kommen die realgeschichtlichen Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben zum Vorschein und werden Einschätzungen dieser Bedingungen kritisierbar. Wehlers Analyse der Entwicklung der preußischen Elementarschulen in dem angegebenen Zeitraum zeigt die Ambivalenzen der Bildungspolitik eines konservativ-autoritären Staates, die Eigendynamik des bereits etablierten Elementarschulwesens (Eigeninteressen der zuständigen Verwaltungsbürokratie, der Direktoren der Lehrerseminare und der Lehrer)

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

und schließlich die Nischenbildung, die durch regionale und lokale Machtfragmentierung gefördert wird. Mit Hilfe dieses Dreifaktoren-Modells beantwortet er die Frage, warum „das Schulsystem nach der kurzen Reformära in den Jahrzehnten bis 1848 (und darüber hinaus) trotz des Restaurationsregimes pluralistisch“ blieb, warum es „nicht eindeutig konservativ“ wurde, sondern „vielerorts seine liberalrationalistischen Züge“ behielt (II, 484). Zugleich werden die Kriterien verdeutlicht, an denen sich solche Werturteile bemessen: z. B. die Zunahme der effektiven Schulbesuchsquote von 60 auf 82%; die Abnahme der Analphabetenzahlen auf 10, maximal 15% in den späten 40er Jahren, „während sie zu dieser Zeit in England und Frankreich noch regelmäßig 40 bis 45% erreichten“ (II, 486). Realgeschichtliche Bedingungen der Aneignung und Vermittlung von Lesen und Schreiben sind freilich nicht nur von historischem Interesse. Die didaktische Argumentation will in der Regel zur Lösung aktueller Probleme beitragen. Die impliziten oder expliziten Annahmen von realen Aneignungsund Vermittlungsbedingungen in der Gegenwart, auf die eine problemorientierte Didaktik bezogen ist, wird den Charakter reiner Setzung ablegen können, wenn ihrer Thematisierung historisch vorgearbeitet wird. Schließlich wird eine Thematisierung realer Aneignungs- und Vermittlungsbedingungen noch von einem universalgeschichtlichen Ansatz her vorgearbeitet werden können, der die spezifische kulturkonstitutive Leistung von Schriftlichkeit in den Mittelpunkt der Erörterung rückt. Ein Problemaufriß, wie er in „Konsequenzen der Literalität“ von Jack Goody und Ian Watt (1968) vorgelegt worden ist, gibt zusätzliche Gesichtspunkte an, unter denen die Daten der spezifischen Gesellschaftsgeschichten befragt und bewertet werden können. Insofern sie den medialen Aspekt dabei in den Mittelpunkt rücken, werden damit auch systematische Zugänge zu den Fragen eröffnet, die sich für Schriftlichkeitskulturen unter den neuen technischen Bedingungen von Gesellschaft stellen, die sich „Informationsgesellschaften“ nennen.

4.

Literatur

d’Alembert, Jean Le Rond. 1989. Einleitung zur „Enzyklopädie“. Mensching, Günther (ed.). Frankfurt.

97. Frühes Lesen und Schreiben Coseriu, Eugenio. 1988. Sprachkompetenz. Tübingen. Dante Alighieri. 1957. De vulgari eloquentia. In: Marigo, Aristide (ed.). Opera di Dante. Band VI. Firenze. Dante Alighieri. 1925. Über das Dichten in der Muttersprache. Übersetzt und erläutert von Franz Dornseiff und Josef Balogh. (Reprint 1966. Remagen). Fleckenstein, Josef. 1980. Grundlagen und Beginn der deutschen Geschichte. Göttingen. Goody, Jack & Watt, Ian. 1981. Konsequenzen der Literalität. In: Goody, Jack (ed.). Literalität in traditionalen Gesellschaften. Frankfurt. Humboldt, Wilhelm von. 1903 ff. Gesammelte Schriften. Preußische Akademie der Wissenschaften (ed.). Photomechanischer Nachdruck. Berlin. Illich, Ivan. 1982. Vom Recht auf Gemeinheit. Reinbeck bei Hamburg. Leibniz, Gottfried Wilhelm. 1967. Ermahnung an die Deutschen, ihren Verstand und ihre Sprache besser zu üben, samt beigefügten Vorschlag einer deutschgesinnten Gesellschaft. Unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache. Darmstadt.

1141 Luther, Martin. 1959. Sendbrief vom Dolmetschen. In: Clemen, Otto (ed.). Luthers Werke in Auswahl. Vierter Band. 5th edition. Berlin. Nebrija, Antonio de. 1980. Grammatica de lengua Castellana. Quilis, Antonio (ed.). Madrid. Nestle, Wilhelm. 1975. Vom Mythos zum Logos. Stuttgart. Otfried von Weissenburg. 1965. Evangelienbuch. In: de Boor, Helmut (ed.). Mittelalter. Texte und Zeugnisse. Zweiter Teilband. München. Raumer, Rudolf von. 1852. Der Unterricht im Deutschen. In: Raumer, Karl von. Geschichte der Pädagogik. Dritter Theil. Stuttgart. Schütz, Alfred & Luckmann, Thomas. 1975. Struktur der Lebenswelt. Darmstadt. Trapp, Ernst Christian. 1788. Ueber den Unterricht in Sprachen. In: Campe, J. H. (ed.). Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von der Gesellschaft practischer Erzieher. Teil 11. Wien/Braunschweig. Wehler, Hans-Ulrich. 1987. Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 1 und 2. München.

Hubert Ivo, Frankfurt/M. (Deutschland)

97. Frühes Lesen und Schreiben 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Begrifflichkeit und Blickwinkel Forschungsperspektiven Beispiele Aspekte frühen Lesens und Schreibens Exkurs: Frühlesen Literatur

1.

Begrifflichkeit und Blickwinkel

Unter frühem Lesen und Schreiben verstehen wir frühe Formen des Lesens und Schreibens, die sich nicht nur durch den Zeitpunkt ihres Auftretens von späteren Formen unterscheiden, sondern auch in ihren Merkmalen und Funktionen. Frühes Lesen und Schreiben ist als Annäherung an Schriftlichkeit zu verstehen, nicht als biographisch frühe Anwendung der Regeln unserer Alphabetschrift. Uns wird es im folgenden darum gehen, Zusammenhänge zwischen frühen und späten Formen aufzuzeigen. Es soll eine Perspektive ermöglicht werden auf Lernprozesse von Kindern, denen Schrift in ihren ersten Jahren fremd geblieben ist, obwohl sie in denselben geographischen Räumen leben wie die, die sich

in frühen Formen damit vertraut gemacht haben. Schriftlichkeit bereitet sich vor und beginnt lange vor der Schule. Wir betrachten frühe Formen des Lesens und Schreibens nicht als Vorstufen, die im Fortschritt des Lernens überwunden werden (zur Auseinandersetzung mit Piaget vgl. Nitsch-Berg 1978; Rumpf 1987; 1991), sondern als elementaren Ausdruck konstitutiver Aspekte des Lesens und Schreibens, die sich zunehmend entfalten und entfaltet werden können. Frühe Formen des Lesens und Schreibens sind zu unterscheiden vom Begriff „Frühlesen“. Er bezeichnet die mit Hilfe eines Tests feststellbare Fähigkeit, „kleine unbekannte altersgemäße Texte selbständig in Sprache umzusetzen und deren Inhalt zu erfassen“ (Neuhaus-Siemon 1991, 286; vgl. auch schon Durkin 1966). Damit enthält dieser Begriff konstitutiv den Aspekt der Beherrschung der Norm, beurteilt nach richtig und falsch und bezeichnet ein Können als bereits abgeschlossenes Stadium von Schriftlichkeit (vgl. 5.). Um den spezifischen Blickwinkel dieses Beitrags stärker zu konturieren, werden wir

97. Frühes Lesen und Schreiben Coseriu, Eugenio. 1988. Sprachkompetenz. Tübingen. Dante Alighieri. 1957. De vulgari eloquentia. In: Marigo, Aristide (ed.). Opera di Dante. Band VI. Firenze. Dante Alighieri. 1925. Über das Dichten in der Muttersprache. Übersetzt und erläutert von Franz Dornseiff und Josef Balogh. (Reprint 1966. Remagen). Fleckenstein, Josef. 1980. Grundlagen und Beginn der deutschen Geschichte. Göttingen. Goody, Jack & Watt, Ian. 1981. Konsequenzen der Literalität. In: Goody, Jack (ed.). Literalität in traditionalen Gesellschaften. Frankfurt. Humboldt, Wilhelm von. 1903 ff. Gesammelte Schriften. Preußische Akademie der Wissenschaften (ed.). Photomechanischer Nachdruck. Berlin. Illich, Ivan. 1982. Vom Recht auf Gemeinheit. Reinbeck bei Hamburg. Leibniz, Gottfried Wilhelm. 1967. Ermahnung an die Deutschen, ihren Verstand und ihre Sprache besser zu üben, samt beigefügten Vorschlag einer deutschgesinnten Gesellschaft. Unvorgreifliche Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der deutschen Sprache. Darmstadt.

1141 Luther, Martin. 1959. Sendbrief vom Dolmetschen. In: Clemen, Otto (ed.). Luthers Werke in Auswahl. Vierter Band. 5th edition. Berlin. Nebrija, Antonio de. 1980. Grammatica de lengua Castellana. Quilis, Antonio (ed.). Madrid. Nestle, Wilhelm. 1975. Vom Mythos zum Logos. Stuttgart. Otfried von Weissenburg. 1965. Evangelienbuch. In: de Boor, Helmut (ed.). Mittelalter. Texte und Zeugnisse. Zweiter Teilband. München. Raumer, Rudolf von. 1852. Der Unterricht im Deutschen. In: Raumer, Karl von. Geschichte der Pädagogik. Dritter Theil. Stuttgart. Schütz, Alfred & Luckmann, Thomas. 1975. Struktur der Lebenswelt. Darmstadt. Trapp, Ernst Christian. 1788. Ueber den Unterricht in Sprachen. In: Campe, J. H. (ed.). Allgemeine Revision des gesammten Schul- und Erziehungswesens von der Gesellschaft practischer Erzieher. Teil 11. Wien/Braunschweig. Wehler, Hans-Ulrich. 1987. Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Band 1 und 2. München.

Hubert Ivo, Frankfurt/M. (Deutschland)

97. Frühes Lesen und Schreiben 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Begrifflichkeit und Blickwinkel Forschungsperspektiven Beispiele Aspekte frühen Lesens und Schreibens Exkurs: Frühlesen Literatur

1.

Begrifflichkeit und Blickwinkel

Unter frühem Lesen und Schreiben verstehen wir frühe Formen des Lesens und Schreibens, die sich nicht nur durch den Zeitpunkt ihres Auftretens von späteren Formen unterscheiden, sondern auch in ihren Merkmalen und Funktionen. Frühes Lesen und Schreiben ist als Annäherung an Schriftlichkeit zu verstehen, nicht als biographisch frühe Anwendung der Regeln unserer Alphabetschrift. Uns wird es im folgenden darum gehen, Zusammenhänge zwischen frühen und späten Formen aufzuzeigen. Es soll eine Perspektive ermöglicht werden auf Lernprozesse von Kindern, denen Schrift in ihren ersten Jahren fremd geblieben ist, obwohl sie in denselben geographischen Räumen leben wie die, die sich

in frühen Formen damit vertraut gemacht haben. Schriftlichkeit bereitet sich vor und beginnt lange vor der Schule. Wir betrachten frühe Formen des Lesens und Schreibens nicht als Vorstufen, die im Fortschritt des Lernens überwunden werden (zur Auseinandersetzung mit Piaget vgl. Nitsch-Berg 1978; Rumpf 1987; 1991), sondern als elementaren Ausdruck konstitutiver Aspekte des Lesens und Schreibens, die sich zunehmend entfalten und entfaltet werden können. Frühe Formen des Lesens und Schreibens sind zu unterscheiden vom Begriff „Frühlesen“. Er bezeichnet die mit Hilfe eines Tests feststellbare Fähigkeit, „kleine unbekannte altersgemäße Texte selbständig in Sprache umzusetzen und deren Inhalt zu erfassen“ (Neuhaus-Siemon 1991, 286; vgl. auch schon Durkin 1966). Damit enthält dieser Begriff konstitutiv den Aspekt der Beherrschung der Norm, beurteilt nach richtig und falsch und bezeichnet ein Können als bereits abgeschlossenes Stadium von Schriftlichkeit (vgl. 5.). Um den spezifischen Blickwinkel dieses Beitrags stärker zu konturieren, werden wir

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

im folgenden an Hand richtungweisender Untersuchungen verschiedene Forschungsperspektiven miteinander vergleichen, um dann mit Bezug auf Beispiele aus der Literatur Formen der Annäherung an Schriftlichkeit zu beschreiben (1) im Hinblick auf den Entwicklungsaspekt, und zwar insbesondere in bezug auf die Symbolentwicklung (vgl. u. a. Piaget 1969; Vygotski 1978); (2) im Hinblick auf nicht-diskursive, präsentative Weisen der Symbolisierung, z. B. durch Bewegung, Rhythmus und Form (vgl. u. a. Langer 1984; Bärmann 1979; Lapacherie 1990); (3) im Hinblick auf die Bedeutung von Sprachbewußtheit und sprachanalytischer Tätigkeit (vgl. u. a. Ferreiro/Teberosky 1982; Read 1974; Eichler 1976); (4) im Hinblick auf den sozialen und kulturellen Kontext, in dem das Kind Schrift erfährt (vgl. u. a. Brügelmann 1984; Dehn 1991; Christie 1991).

2.

Forschungsperspektiven

Wulff (1980) unterscheidet zwei große Forschungsbereiche, die sich mit frühen Formen der Annäherung an Schrift beschäftigen: der eine befaßt sich mit der Konzeptualisierung von „Schrift“ und „Schreiben“ durch Vorschulkinder, der andere mit der Deskription der Kritzelschrift. Die weitaus meisten Arbeiten, die sich mit frühen Formen des Lesens und Schreibens als Aneignung der Alphabetschrift beschäftigen, tun das inzwischen mit kognitionspsychologischen Fragestellungen ⫺ auch wenn sie nicht explizit ihren Rahmen so benennen ⫺ in dem Sinn, Lesen „als äußerlich gelenktes Denken“ (Neisser 1974) oder als sprachlichgedankliches Probierverhalten (Goodman 1976) zu verstehen und Schreiben als Darstellung von Bewußtseinsinhalten (so wie Vygotsky 1969 die Beziehung von innerer Sprache und geschriebener Sprache beschreibt). Die Arbeiten gelten den „kognitiven Einheiten“ (Neisser 1974), über die die Kinder verfügen, und den „kognitiven Schemata“ (Neisser 1979), die in ihren Reaktionen und ihren Produkten erkennbar werden, vor allem wenn man die Einblicke nutzt, die die Fehler in die geistigen Prozesse eröffnen (zur Übersicht vgl. Dehn 1985, 193 ff). Deskriptive Untersuchungen über die Entwicklung vom Kritzeln zum Schreiben haben übereinstimmende Gesetzmäßigkeiten gezeigt. Legrün (1932) untersuchte in zwei Wiener Kindergärten die „Briefe“ von insgesamt

77 Kindern im Alter von 3 bis 6, in denen sie dem Nikolaus ihre Wünsche aufschreiben sollten. Die von Legrün festgestellte Entwicklung vom flächenhaften Gekritzel zur Zickzacklinie und schließlich zu eingefügten (Groß-)Buchstaben wird durch andere Untersuchungen bestätigt. So fand Hildreth (1936), daß sich bei 170 Kindern desselben Alters aus einer New Yorker Privatschule die Namensschreibungen von „ungeordnetem Gekritzel“ über offensichtliche Imitationen der Erwachsenen-Schreibschrift bis zum Auftauchen einzelner Großbuchstaben in den Schreiblinien entwickeln. Twiehaus (1979) untersuchte 100 Kritzelbriefe westdeutscher Kindergartenkinder im Hinblick auf die darin erkennbare Annäherung an Gestaltungsmerkmale von Texten wie Blattaufteilung, zeilenförmige Anordnung, Schreibrichtung, schließlich auch die Verwendung einzelner Buchstaben. Die genannten Untersuchungen ordnen das von Kindern zu Papier Gebrachte in verschiedene Stufen ein, deren höchste die gewohnte Textorganisation alphabetischer Schriften ist. Was nicht in die von der kulturellen Norm abgeleiteten Kategorien paßt, gilt als „ungeordnetes Gekritzel“. So wird vom Konzept der Kinder nur erfaßt, was als Annäherung an die Norm gilt. Ziel ist nicht, die Symbolisierung des einzelnen Kindes zu verstehen, sondern die allgemeine Entwicklung. In einer differenzierten „strukturellen Analyse“ einer Kinderarbeit aus der Untersuchung von Twiehaus arbeitet Kohrt (1983) die besondere Leistung des Kindes, die in dem Schriftstück zu erkennen ist, heraus. Was zunächst ungeregelt erscheint, erweist sich auf den zweiten Blick als vielfach strukturiert. In der Arbeit von Sjölin (1994) geht es ebenfalls um die komplexen und jeweils besonderen Strukturen in den Arbeiten von Kindern, die gerade zu schreiben beginnen. Nicht nur Zeichen der Anpassung an das konventionelle Zeichensystem, sondern auch Zeichen einer eigenartigen ästhetischen Symbolisierungsweise werden in hermeneutischen Interpretationen hervorgehoben. Schrift ist in dieser Untersuchungsperspektive nicht nur instrumenteller Lerngegenstand, sondern auch Medium und Gegenstand ästhetischer Erfahrung (vgl. Dehn 1993). Ferreiro & Teberosky (1982) bezeichnen ihr Vorgehen, die Kinder zu befragen und deren Verhalten in experimentellen Arrangements zu erkunden, in Anlehnung an die Piaget-Schule als „klinische Methode“. Sie ver-

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97. Frühes Lesen und Schreiben

suchen, die Entwicklungsprozesse, in denen Kinder Merkmale, Wert und Funktion der geschriebenen Sprache verstehen, zu erklären und ordnen ihre Befunde jeweils verschiedenen Entwicklungsstufen zu. Ein für das Verständnis von Kritzelschriften interessantes Ergebnis ist, daß Kinder anfangs eine Korrespondenz zwischen Zeichen und Bezeichnetem nach quantifizierbaren Aspekten herstellen. So ist die Schlangenlinie for OSO (BÄR) größer als die für PATO (ENTE), weil der Bär größer als die Ente ist. Ein anderer wichtiger Befund ist die „Silbenhypothese“ auf einer späteren Stufe: Die Kinder stellen erste Bezüge zwischen Lautsprache und Schrift her und gehen davon aus, daß ein Zeichen für eine Silbe steht (Ferreiro & Teberosky 1982, 180; 197 ff). Die Autorinnen berichten von dramatischen Unterschieden zwischen Unter- und Mittelschichtkindern ab dem Alter von 5. Als einen Grund geben sie an, daß sie mit keinem der älteren Unterschichtkinder, die alle die Tendenz hätten, in schulischen Situationen zu blockieren, mehr als ein Interview veranstalten konnten. Die Mehrheit hätte sich geweigert zu schreiben. „They know that they don’t know“ (223). Diese Reaktion ist allerdings angesichts des Untersuchungssettings nicht verwunderlich. In Einzelinterviews versuchten die Forscherinnen mit Hilfe z. T. insistierender Aufforderungen und suggestiver Fragen die kognitiven Mechanismen der Kinder freizulegen („mechanisms of child thought“, Ferreiro & Teberosky 1982, 21; vgl. z. B. 184 f). Untersuchungen dieser Art scheinen nicht nur dazu angetan, den Unterschied zwischen Unter- und Mittelschichtkindern in bezug auf Erfahrungen mit Schriftkultur zu konstatieren, sondern auch zu verfestigen (vgl. 4.4.). Clay (1975) verfolgt ein anderes Untersuchungskonzept. In einer Analyse umfangreichen Materials deckt sie auf, welchen Konzepten und Prinzipien Kinder bei ihren ersten Schreibversuchen folgen, z. B. den Prinzipien der Wiederholung, des Kontrasts usw. Clay ordnet die Konzepte und Prinzipien nicht in einen Entwicklungsverlauf ein, sondern schließt aufgrund der Anzahl und Kombination verschiedener Prinzipien auf eine mögliche Reife.

3.

Beispiele

Beispiel 1: Katharina, gerade ein Jahr alt, kann erst wenige Wörter sprechen. Sie sieht sich gern mit ihrem Vater oder ihrer Mutter

ein Bilderbuch an. Wenn sie nun ein Buch zum Lesen sich vornimmt oder wenn sie einem, der mit ihr das Buch betrachten soll, eines bringt, dann verändert sich ihre Stimmelodie ⫺ der Singsang wird einförmiger, mehr auf einen „Erzählton“ geführt. Manchmal zeigt sie auch einzelnes auf dem Bild und benennt es. „Hase“ kann man verstehen. (Dehn 1991) Beispiel 2: Hannes, fast sechs Jahre alt, legt seiner Mutter nach einem Streit einen „Schrieb“ vor die Tür (Abb. 97.1). Auf die Rückseite hat er sorgfältig seinen Namen notiert. Er stimmt zu, als sie ihn fragt, ob er seine Wut aufgeschrieben habe. Sie versöhnen sich lachend. (Gaber & Eberwein 1986, 54 f)

Abb. 97.1: Hannes’ (5 Jahre) Brief

Beispiel 3: Andrew, fast vier Jahre alt, zeichnet dieses Bild und diktiert seiner Lehrerin dazu (Abb. 97.2):

Abb. 97.2: Andrews (4 Jahre) Bild

„It’s cars and houses and that big slide and a motor bike and these motor-bikes going

1144

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

round these roads. I played with the icecream man car …“ (Sanderson 1985, 6). Beispiel 4: In der Vorschulklasse spielen Reime, Gedichte, Lieder eine große Rolle im täglichen Schulleben: Sie werden gesprochen, gesungen und „gelesen“; denn die Lehrerin hat für jedes Kind ein Heft angelegt, in das neue Verse eingeklebt werden, die sie verzieren können (Abb. 97.3).

Abb. 97.4: Jessies (4 Jahre) Notiz

Sie fordert den Erwachsenen auf: Lies das. Der Erwachsene, von früheren Gelegenheiten wohl wissend, daß eine Weigerung mit dem Hinweis, sie habe nichts Lesbares geschrieben, keinen Sinn hat, sagt: „Rrrbudow!“ „This was just what she wanted. She disappeared into her bedroom and returned almost at once with four more sheets of the same.“ (Temple, Nathan & Burris 1982, 27) Beispiel 6: Die fünfjährige Tanya und ihr kleinerer Bruder warten auf den Abflug. Es ist ihr erster Flug. Tanya ist aufgeregt. Ihr kleiner Bruder steckt zwei Finger in den Mund. Tanya stößt ihn an und fordert ihn auf, die Finger aus dem Mund zu nehmen. Er läßt sich nicht stören, fragt immerhin nach dem Grund der Aufforderung. „‘Don’t you see,’ she says, pointing to the no smoking sign above their seat. ‘It says no bad habits.’ “ (Yetta Goodman in ihrer Einleitung zu Ferreiro & Teberosky 1982, IX)

4.

Abb. 97.3: Aus Jakobs (6 Jahre) Leseheft

Jakob, gerade sechs Jahre alt, bringt der Besucherin sein Heft, schlägt die Seite vom Schnee auf und spricht den Vers. Mehrere Kinder kommen hinzu, verfolgen das Geschehen und sprechen mit. Jakob zeigt auf die letzten beiden Zeilen: „Lies!“ Die Besucherin folgt der Aufforderung, begleitet ihr Lesen mit dem Finger. Ihr Tischnachbar holt eilends sein Heft unter dem Tisch hervor und versucht sich auch mit dieser Seite. In der letzten Zeile kommt er im Rhythmus zwischen Lesen und Zeigen etwas durcheinander. (Dehn 41994, 106 ff). Beispiel 5: Jessie, vier Jahre alt, sucht sich am Frühstückstisch neben dem Erwachsenen einen Platz und notiert etwas auf einem Blatt (Abb. 97.4).

Aspekte frühen Lesens und Schreibens

4.1. Symbolentwicklung Was tun Kinder, wenn sie früh etwas zu Papier bringen oder sich Geschriebenem zuwenden? Wem Schrift ausschließlich oder vorrangig als von der Lautsprache abhängiges, sekundäres Zeichensystem gilt, wird andere Antworten suchen als der, der Schrift auch als bildhafte und intuitive Präsentation betrachtet. In der Schrift spielen zwei grundsätzlich unterschiedene Weisen symbolischer Transformation zusammen: die begrifflichdiskursive und die anschaulich-präsentative (zur Unterscheidung vgl. Langer 1984). So wie Mimik und Gestik die Sprache in der mündlichen Kommunikation begleiten, gibt es auch auf dem Papier Spuren eines Ausdrucks- und Darstellungsverlangens, das die Kluft zwischen einer komplexen non-verbalen Erfahrungswelt und der Welt der Wörter (vgl. Stern 1993, 120) zu überbrücken versucht.

97. Frühes Lesen und Schreiben

Piaget (1969, 94 ff) unterscheidet zwischen dem Symbol, das eine Art Vorstellungsbild ist, und den arbiträren Zeichen, welche die Sprache konstituieren. Das Symbol entsteht durch Transformation der Nachahmung von erlebten Szenen, Personen oder Dingen. Es ist individuell und dient dazu, persönliche Erfahrungen wiederzugeben; neben dem System der kollektiven Zeichen behält es eine unersetzbare Rolle bei. Katharina (Bsp. 1) „liest“, obwohl sie kaum sprechen kann. Nicht einen Buchstaben, ein Wort oder einen Text lernt sie als erstes, sondern das Lesen als Ritual in seinem Bezug zu bestimmten Dingen (hier Büchern) und anderen Menschen. Indem Katharina den Erzählton, das Zeigen und Benennen nachahmt, vollzieht sie die ihr offensichtlich wesentlichen Merkmale des Rituals. Vygotski (1978, 111 ff) behauptet einen Zusammenhang zwischen symbolischem Kinderspiel, Kinderzeichnung und Schreiben. Alle drei sieht er als verschiedene Momente eines im wesentlichen zusammenhängenden Prozesses (vgl. Gümbel 1989, 164). Den Beginn der Vorgeschichte der Schrift verlegt er in das Erscheinen der Geste als visuelles Zeichen. Wie ein Samenkorn den Baum enthalte die Geste schon das spätere Schreiben des Kindes: „The gesture is the initial visual sign that contains the child’s future writing as an acorn contains a future oak“ (1978, 107). Gesten bezeichnet er als „Schreiben in Luft“, Schrift wiederum als „fixierte Geste“. Kritzeleien und frühe Kinderzeichnungen sind für Vygotski eher gestische Repräsentationen als zeichnerische Darstellungen. Junge Kinder zeichnen nicht aus optischer Distanz, sondern fixieren Gesten mit dem Stift. Häufig mischen sich zeichnerische Darstellung und gestische Spuren, wenn die Kinder während des Zeichnens zu dramatisierenden Gesten und mündlichen Erklärungen umschalten. Hannes „Gekrakel“ (Bsp. 2) mit seinem sorgfältig geschriebenen Namen auf der Rückseite interpretiert seine Mutter als Ausdruck seines sprachlosen Zorns und seines Bedürfnisses, mit ihr darüber in Kontakt zu kommen (Gaber & Eberwein 1986, 54). Andrews Linien und Formen (Bsp. 3) stehen für etwas, das er in Worte fassen kann. Seine Zeichnung hat wahrscheinlich nicht nur gestische, sondern auch zeichnerisch darstellende Qualität. Auch im Kinderspiel wird eine Verbindung hergestellt zwischen Gesten und Schrift. Wenn im Spiel einige Objekte zu Symbolen für andere Gegenstände werden, ist die opti-

1145 sche Ähnlichkeit zwischen Spielzeug und symbolisiertem Gegenstand unwichtig. Was zählt, ist der Gebrauch des Objekts und die Möglichkeit, eine repräsentative Geste mit ihm auszuführen. Sowohl Spiel als auch Zeichnung gehen ursprünglich von Gesten aus, erst später erlangen Objekte oder graphische Repräsentationen Zeichenfunktion dadurch, daß sie einen Namen bekommen. Die Entwicklung der Symbolfunktion von der Geste zum Schreiben besteht nach Vygotski darin, daß der Name an immer früherer Stelle des Symbolprozesses auftaucht, bis er schließlich ⫺ beim Schreiben ⫺ am Anfang steht. Solche Zurückführung des Erwerbs von Schriftlichkeit auf die Beziehung zur Geste, zum Bild und zum Spiel eröffnet bislang zumeist vernachlässigte Perspektiven. Wird doch Schreiben- und Lesenlernen sonst in erster Linie als sprachliche Tätigkeit gesehen (auch und gerade mit der Implikation der Annäherung an das „vernünftige Wort“ und die korrekte Orthographie). Wenn Schreiben einzig als verbal unterlegtes Schreiben verstanden wird, ist damit der Blick verstellt auf frühkindliche Nachahmungen von Schrift mit ihren „(asemantischen) Vorstufen“ (Wulff 1980, 112). Eine Untersuchung der Anfänge des Schreibens, die ⫺ im Sinne einer Fortführung des Gedankens Vygotskis ⫺ gestische, zeichnerische und sprachliche Anteile zueinander ins Verhältnis setzt, ist eines der Forschungsdesiderate. Der Befund, daß Schulanfänger so unterschiedliches Interesse an Schrift und so verschiedene Zugänge dazu haben, müßte unter Berücksichtigung ihrer Erfahrungen im Umgang mit und im Hervorbringen von Symbolen in den Blick genommen werden. 4.2. Bewegung, Rhythmus und Form Piagets Symbolbegriff entspricht dem, was Langer (1984, 99 ff) als „präsentativen Symbolismus“ im Unterschied zum „diskursiven Symbolismus“ charakterisiert. Gemeint sind simultane, integrale Präsentationen z. B. beim Zeichnen und plastischen Gestalten, in der Musik und selbst in der Sprache (u. a. in Gedichten). Langer beschreibt den präsentativen Symbolismus in Kunstwerken, Riten und Mythen als nicht-diskursiven und dennoch rationalen, weil Sinn-machenden Symbolmodus. Schrift zieht die Kinder an. Sie versammeln sich, wiederholen längst Bekanntes, versuchen Koordination von Klang und Zeichen

1146 und den Austausch darüber (Bsp. 4). „Die Magie der Sprache ist hier noch wirksam, genau wie in den Reimen und Spielen der Kinder, wo Wörter bannen können.“ So interpretiert Cattaneo (1987, 324) Kritzeleien von Kindern auf Autos und Gehwegen, an Hauswänden und in Fluren ⫺ das könnte auch für Formen früher Annäherung an Schriftlichkeit wie in diesem Beispiel Verstehensfolie sein (vgl. dazu Illich 1984, 20, der in Lateinamerika Schriftstücke entdeckt, die von ihren Besitzern, „unbeschulten Bibliomanen“, versteckt gehalten und genau gekannt werden). Mit ihren Spuren auf Papier, im Sand, an Wänden vollziehen schon ganz junge Kinder Annäherung an Schriftlichkeit. „Schrift ist Spur eines Werkzeugs auf einer Unterlage … in Bewegung gestaltet von menschlicher Hand“ (Bärmann 1979, 11; vgl. auch Velthaus 1970) ⫺ auch diese Definition betrachtet Schrift nicht (bloß) als „Lautbild“ (Pfeiffer 1988). In den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts liegt solche Betrachtungsweise nahe. Was Kinder ohne Kenntnis des Buchstabensystems notieren, gilt als „ursprünglichste Fixation der individuellen Bewegungsweise“, als persönliches „Ausdrucksverlangen“ (Becker 1926, 28; vgl. auch Beschel 1969). Krötzsch (1917) führt die Entwicklungslinien zum Zeichnen, Schreiben und Schmücken auf rhythmische Lebensäußerungen zurück. Hetzer (1926, 76 f et p.) sieht im Kritzeln nicht nur die Freude an der Bewegung, sondern auch an der Form ⫺ noch ehe ein Inhalt in den Vordergrund tritt. Neuerdings hat Schuster (1990, 109 f) solche Formen als „Bildsprache“ der Kinderzeichnung herausgestellt; er faßt mehrere Arbeiten zusammen, in denen Kinderzeichnungen aus ganz verschiedenen kulturellen Regionen auf universelle „Grapheme“ hin analysiert werden ⫺ wie Schleife, Quadrat, Kreis, Dreieck, Schnecke. Die Beziehungen zwischen Schrift und Bildender Kunst untersucht Leroi-Gourhan in kulturhistorischer Perspektive. Seiner Darstellung nach hat die Schrift ihren Ursprung nicht in naiven Abbildungen der Wirklichkeit ⫺ wie weithin mit Bezug auf naturalistische Felsmalereien angenommen ⫺, sondern Schrift und Bildende Kunst haben sich beide aus rhythmischen Graphismen mit abstrakten Motiven (Spiralen, geraden Linien, Punkten) entwickelt. Die ältesten bekannten Graphismen unterstützten wahrscheinlich lautsprachliche Äußerungen mit Beschwörungs-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

und Deklamationscharakter. Von einer ursprünglichen Koordination zwischen sprachlichem und graphischem Ausdruck ausgehend konstatiert Leroi-Gourhan in der Entwicklung Subordination des graphischen Ausdrucks. Die Leistung der Schrift bestehe eben darin, den graphischen Ausdruck durch „Verengung der Bilder“ und „rigorose Linearisierung der Symbole“ dem phonetischen Ausdruck vollständig unterzuordnen (LeroiGourhan 1980, 264). Ontogenetisch erfolgt solche Linearisierung allererst als „Kritzeln“. In der Zickzacklinie sieht Mahn die „intendierte Schreibnorm des Vorschulkindes“, und zwar durchaus mit kulturhistorischem Hintergrund, insofern sich der kleine Mensch „als Schöpfer eines Zu-findenden“ erweise, das er als Form realisiere (Mahn 1950, 313). Dabei nimmt sie ausdrücklich auch auf Ornament oder Rune früherer Kulturen Bezug (zu Parallelen mit alter Volkskunst vgl. auch Eng 1927, 169⫺ 193). Symbol- oder zeichentheoretische Zugriffe auf das Bildhafte von Schrift sind bisher wenig ausgearbeitet. Bezogen auf Schule bzw. Unterricht gibt es einige Ansätze (Bärmann 1979, Kriechbaum 1987, Otto 1993). Mitchell (1990, 43) gibt zu bedenken, daß unser theoretisches Verständnis der Bildlichkeit in sozialen und kulturellen Praktiken verankert ist und in einer für unser Verstehen grundlegenden Geschichte wurzelt. Die Kulturgeschichte sei in gewisser Hinsicht die Geschichte eines zähen Ringens um die Vorherrschaft zwischen bildlichen und sprachlichen Zeichen. Die Dialektik von Wort und Bild scheine eine Konstante, veränderlich sei die Webart, die Relation von Kette und Schuß. Schrift gilt der abendländischen Philosophie selten als Medium präsentativer Symbolisierung, meist wird sie allein der Sprache zugeschlagen. In neuerer Zeit hat Lapacherie (1990) die Bildlichkeit von Schrift analysiert. Er unterstellt eine relative Autonomie der Schrift gegenüber dem Sprechen und der Rede und sieht Schrift und Text als vielgestaltiges Netz von Spuren. Er konzentriert sich auf graphische Signifikanten (Buchstaben, Zeilen, Zwischenräume, Anordnung und Untergrund des Textes) und schlägt vor, die semiotische Tradition der Untersuchung der Schriftzeichen weiterzuführen, die zugunsten einer Semiotik der Sprache und der Diskurse vernachlässigt worden sei.

97. Frühes Lesen und Schreiben

4.3. Sprachbewußtheit und Sprachanalyse Das Interesse der kognitionspsychologisch inspirierten Arbeiten (s. 2.) ist darauf gerichtet, Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung zu ermitteln (vorrangig im Sinne Piagets und meist mit ausdrücklichem Bezug auf ihn) und Lernvoraussetzungen für den schulischen Schriftspracherwerb zu benennen. Die Arbeiten stimmen darin überein, daß sich die geistigen Vorgänge der Schrift(sprach)bwahrnehmung und -produktion als innere Regelbildungsprozesse vollziehen (auch mit ausdrücklicher Bezugnahme auf Chomsky; vgl. z. B. Read 1974); sie stimmen auch darin überein, daß die Verläufe stärker vom sozialen Kontext, in dem die Kinder leben, bestimmt sind als von ihrem Alter (s. 4.4.). Die Regelbildungsprozesse werden hier unter zwei Gesichtspunkten dargestellt: (1) Wie bildet sich eine schriftsprachliche Begrifflichkeit aus, und zwar operativ (im Vollzug) bzw. analytisch (in verbaler Kennzeichnung)? Zur Sprachbewußtheit gehört vor allem die Fähigkeit zur „Vergegenständlichung der Sprache“ (Bosch 1937), d. h. Sprache nicht immer nur interaktiv unmittelbar gebrauchen, sondern sie zum Gegenstand der Betrachtung machen zu können, und damit auch die Fähigkeit, sprachliche Ketten zu strukturieren (s. Andresen 1985, 190). (2) Wie eignen sich die Kinder die Graphem-Phonem-Korrespondenzen an, wie die orthographischen Prinzipien (zur Problematik des Begriffs s. Kohrt 1986), und wie entfaltet sich die Fähigkeit der Text-Produktion (composition, s. Temple, Nathan & Burris 1982)? Zu (1) Noch ehe sie lesen oder einen einzelnen Buchstaben benennen können, unterscheiden die Kinder operativ Buchstaben von anderen Zeichen (Lavine 1972). Die Reaktion Drei- bis Sechsjähriger auf Vorlagen mit Bildern und Beispielen aus Alphabetschriften, einer Kunstschrift, chinesischen Zeichen sowie Zahlenfolgen zeigen, wie sich ihre kognitiven Schemata, d. h. die Strukturen, die sie „befähigen, bestimmte Aspekte (ihrer Umwelt) eher zu bemerken als andere, ja überhaupt irgend etwas zu bemerken“ (Neisser 1979, 19), an Kategorien ausbilden wie linear und nicht linear, variierend und wiederholend, multiple und einzelne Einheiten (ebd.). Auf die Fragen dagegen, wie man liest, konnten schottische Vorschulkinder (zwi-

1147 schen 5,1 und 5,5 Jahren) ⫺ analytisch ⫺ nur ganz unzureichend antworten. Sie wußten zwar, daß sie nicht lesen können, konnten aber nicht sagen, ob man die Bilder oder die anderen Zeichen auf dem Papier liest (Reid 1966/67, 60 f; vgl. zum Begriff task-awareness Downing & Valtin 1984; s. auch Dehn 1979). Die Entwicklung schriftsprachlicher Begrifflichkeit als Ausdruck von Sprachbewußtheit bei Vier- bis Sechsjährigen haben Ferreiro & Teberosky (1982) besonders eingehend untersucht. Sie formulieren Stufen der Entwicklung (levels) u. a. für die Unterscheidung zwischen Buchstaben, Zahl und Satzzeichen, für die Zuordnung von Bild und Wort, für die Identifikation einzelner Wörter in einem geschriebenen Satz, für das Schreiben und Lesen des eigenen Namens. So wird z. B. ⫺ sichtbar für das Kind ⫺ die Reihenfolge der Buchstaben seines Namens vertauscht, und es soll die Frage beantworten, ob der Name „da noch steht“ („if it still says X“; 1982, 214). Hier wird sehr deutlich, daß es wirklich nur darum geht, das kindliche Verhalten als Annäherung an das Können des erwachsenen Schriftkundigen zu interpretieren, nicht aber um das Selbst-Verständnis seiner Annäherung an Schriftlichkeit (s. 2.). Zu (2) Daß visuelle Zeichen lautliche Entsprechungen haben, wird als eine der notwendigen Erkenntnisse kindlicher Sprachanalyse artikuliert. Jessie (Bsp. 5) hat diese Entdekkung schon gemacht und verlangt daher vom Erwachsenen zu „lesen“, was sie geschrieben hat. Eine sprachliche Bedeutung ist ihr (noch) nicht wichtig. Wie die Entwicklung der Aneignung der Orthographie verläuft, zeigen die Schreibprodukte ausgewählter Vorschulkinder (Read 1974). Die Kinder bilden nicht einfach ab, was sie gesehen haben oder was sie hören, wenn sie selbst sprechen, sondern sie haben eine „Phonologie“ ausgebildet, die „(notwendigerweise) hochabstrakt ist“ und sich „von der erwachsener Sprecher des Englischen … unterscheidet“ (Read 1974, 175); z. B. notieren die Kinder die Nasale /m/, /n/, /ng/ zwar im Silbenanfang und -ende, nicht aber vor einem Konsonanten (so schreiben die Fünfjährigen meist NUBRS für „numbers“ und PLAT für „plant“). Read erörtert dafür mehrere Erklärungen und kommt zu dem Schluß, diesen Befund als Indiz dafür zu deuten, daß „Nasalität ein relativ geringwertiges, die Artikulationsstelle ein relativ höherwertiges Merkmal im phonologischen System der Kinder ist“ (1974, 197). Die

1148 Kinder bringen auf diese Weise zum Ausdruck, daß sie bereits die Kombinationsmöglichkeiten der Nasale vor Konsonanten im Englischen verstanden haben, nämlich /m/ nur vor /b/ und /p/, also labial; /n/ nur vor /d/ und /t/, also dental usw. Reads Untersuchung hat weitere Forschungen angeregt. So fand Eichler (1976) bei den Spontanschreibungen (Kainz 1956) einer kleinen Kindergruppe Vier- bis Sechsjähriger Ähnliches; aber er interpretiert seine Beobachtungen anders: die Kinderschreibungen seien nicht phonologisch, sondern phonetisch. Die Kinder notierten zunächst „akustisch-auditiv ausgezeichnete Lautwerte (⫽ akustische Schemata)“ (250), später bauten sie diese Schreibungen konsequent aus, ehe sie sich der orthographischen Normschreibung anpaßten. Eichler sieht darin Parallelen zur Entwicklung des Orthographieerwerbs in der Grundschule. Der Gegensatz der beiden Arbeiten beruht u. E. darauf, daß Read die Position der einzelnen GraphemPhonem-Korrespondenz in der Zeichenserie analysiert, während Eichler die Unterschiede zwischen kindlicher Spontanschreibung und der Normschreibung betrachtet. Beide Arbeiten sind Orientierungsgrundlage für andere, vor allem zu den Schreiblernprozessen in der Grundschule (vgl. u. a. Castrup 1978, Dehn 1994, May 1990) und zum Verhältnis von Lesen- und Schreibenlernen (vgl. das Modell von Frith 1986 und die darauf zurückgehenden Analysen). Ob ein auf dieser Grundlage naheliegendes Verständnis von Lernschwierigkeiten als Entwicklungsverzögerung (s. Scheerer-Neumann 1989) in einem theoretischen Gesamtkonzept des Erwerbs von Schriftlichkeit ausreichend fundiert werden kann, erscheint aber durchaus fraglich (vgl. Dehn 1990 b). Ein Aspekt der Lernvoraussetzungen für das Lesen- und Schreibenlernen wird besonders eingehend behandelt: die phonologische Bewußtheit. Sie besteht u. a. im Erkennen von Reimpaaren, im Segmentieren von Silben, im Vergleich von Laut zu Wort, im Verbinden von Lauten und wird als „Vorläuferfertigkeit“ angesehen und bei Kindergartenkindern beobachtet (Mannhaupt & Skowronek 1989; Schneider u. a. 1990). In anderen Arbeiten werden die Aneignung der Orthographie und die Lernvoraussetzungen dafür in größere Zusammenhänge gestellt. Temple, Nathan & Burris (1982) beobachten nicht nur Kinder vor der Schule, sondern auch in den ersten Klassen und

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

kommen von den Vorläufern des Schreibens zu den Grundsätzen des kindlichen Zeichengebrauchs wie Wiederholung, Erzeugung, Flexibilität, Handhabung der Zwischenräume und zur Aneignung der orthographischen Norm und schließlich der Formen und Funktionen der Textgestaltung (composition). 4.4. Sozialer und kultureller Kontext Aufschluß darüber zu erhalten, in welchen Lebenszusammenhängen und welchen Situationen kleine Kinder sich der Schriftlichkeit annähern, ist schwierig. Untersuchungen in Form von Befragungen oder Experimenten (s. 2. u. 4.3.) können den Sozial- oder Bildungsstatus der Eltern erfassen, aber fast nichts über den Gebrauch von Buch und Papier, über die Einstellung zur Schrift und die Bedeutung ausmachen, die Lesen und Schreiben in der Umgebung der Kinder hat. Funktionen bestimmen sich im Hinblick auf Kontexte. Daß die Lebensumwelten der Kinder verschieden sind, ist trivial. Welche Bedeutung diese Verschiedenheit aber für die Ausbildung von Schriftlichkeit hat, das ist weitgehend ungeklärt. Aufschluß könnten die zahlreichen Fallstudien geben (u. a. Baghban 1984; Freinet 1980; Gaber & Eberwein 1986; Scheerer-Neumann, Kretschmann & Brügelmann 1986). Sie aber stellen diese Fragen nicht und lassen nur implizit etwas über das Schrift-Konzept der Erwachsenen erkennen, die ⫺ zumeist als Eltern ⫺ die kindlichen Formen des Lesens und Schreibens beobachten. Zum Beispiel versuchen sie, die Tochter „ihren eigenen Weg zur Schriftsprache finden zu lassen, d. h. (sie) haben ihr geeignetes Material zur Verfügung gestellt: Stifte, Papier (auch Hefte), Magnettafel mit Buchstaben …, Druckkasten …, gelegentlich Zugang zu einer Schreibmaschine“ (Scheerer-Neumann et al. 1986, 68). Die Reaktionen von Andreas Eltern sind „von der Überlegung bestimmt, daß ein phonetischer Zugang zur Schrift ein zweckmäßiger Einstieg sein könnte. Bestärkt wurden wir in dieser Haltung durch die Entwicklung von Julia, Andreas um 3½ Jahre ältere Schwester. Bei ihr hatten wir uns ähnlich verhalten, und sie hat bis jetzt mit dem Schulfach Deutsch keinerlei Schwierigkeiten“ (ebd., 58). So können zwar Fragen der Kinder protokolliert und Schriftstücke gesammelt werden, nicht aber Funktionen frühen Lesens und Schreibens im Selbstverständnis der Kinder aufgedeckt werden.

97. Frühes Lesen und Schreiben

Wir haben unsere Vorstellung vom Schreiben so weitgehend am literarischen und wissenschaftlichen Schreiben orientiert und von da auf jegliches Schreiben übertragen, daß wir bisher kaum Befunde über andere Formen gesammelt haben (Häcki-Buhofer 1985, 59). Und auch die Genese dieser Schreibfunktionen ist kaum untersucht. Ludwig (1979, 76 ff) vermutet als Grund dafür verschiedene Reduktionen, nämlich die Reduktion des Schreibens auf den Gebrauch von Schriftzeichen (s. dagegen 2.; 4.1. und 4.2.), die Reduktion auf die Aneignung der Norm und die auf eine Betrachtungsweise nach der „Elle der Erwachsenen“, so daß Schreiben eingegrenzt wird als Angelegenheit der Schule. „Niemand wird bestreiten wollen, daß Schreibenlernen in der Tat vor allem heißt, sich die schriftlichen Normen einer Sprache anzueignen. Die Frage ist nur, ob es sich darin erschöpft. … notwendig ist auch die Aneignung der kulturell jeweils verschiedenen oder verschieden gewichteten Zwecke und Funktionen des Schreibens“ (Ludwig 1979, 77). Die sechs Beispiele aus dem familiären und vorschulischen Kontext jedenfalls (s. 3.) gewichten Schrift auf ähnliche Weise: Immer ist Schrift bedeutsam als Medium oder Gegenstand der Kontaktaufnahme. Katharina (Bsp. 1) tut mit der Geste, mit der sie ihre Bücher dem Erwachsenen gibt, den Wunsch nach Gemeinsamkeit beim Vorlesen und Betrachten kund. Die Kinder können annehmen, daß Umgang mit Schrift etwas Erstrebenswertes ist. Jessi (Bsp. 5) kann zurecht voraussetzen, daß sich der Erwachsene nicht verweigert. Tanya teilt ihrem Bruder mit, was die Zeichen bedeuten, die beim Abflug der Maschine aufleuchten ⫺ es handelt sich ja um ikonische Zeichen: Sie nimmt sie zum einen als „Situationsmerkmal und als Etikett“ (Brügelmann & Mannhaupt 1990, 43), weist ihnen also einfach eine Bedeutung zu, stellt nicht einmal den naheliegenden Zusammenhang her zur Erläuterung des Flugpersonals bzw. sie will ihn nicht wahrhaben; zum anderen nutzt sie eine ihr offenbar vertraute Funktion von Notiertem: nämlich daß es unbedingt zu befolgen sei, also eine viel höhere Verbindlichkeit habe als die mündliche Rede. Sie setzt ihre vorgegebene Kenntnis der Zeichen ein als Bekräftigung ihrer Ermahnung: „Da steht: keine schlechten Manieren“. Sie gebraucht also die Zeichen unmittelbar interaktiv, macht sie nicht zum Gegenstand analytischer Reflexion. Tanya meint vermutlich, ih-

1149 rer Aufforderung einen höheren Grad an Verbindlichkeit durch den Hinweis auf das Schrift-Zeichen zu geben. Erst der Blick auf den Gebrauch von Schrift in ganz anderen kulturellen Kontexten zeigt das Besondere. Wo ⫺ wie in manchen Regionen Afrikas ⫺ noch keine institutionellen Voraussetzungen für Schriftkultur vorhanden sind, erscheinen Dekrete der Verwaltung beliebig; sie bedürften mündlicher Unterstützung. Weil ihr Schreiber nicht anwesend ist, deshalb nicht zur Rechenschaft gezogen werden kann, gilt ein Schriftstück nicht viel (Elwert & Giesecke 1987, 433). In den Industrieländern freilich leben alle Kinder in schriftkulturellen Kontexten: Sie sehen Werbung auf Plakaten und in Fernsehspots, begegnen Schrift auf Produkten des Alltags, auf Schildern und Tafeln. Ungeklärt aber ist, ob und wie die Kinder vor der Schule mit Schrift vertraut werden, denen Vorlesen und Malen, Kritzeln und Schreiben fremd bleiben, die auch Erwachsene nur bei pragmatischem Schriftgebrauch sehen (beim Lesen von Rechnungen und Mahnungen, beim Ausfüllen von Formularen). Dazu wären Untersuchungen im Feld sinnvoll: im Kindergarten, in der Familie, auf Spielplätzen, in Sandkisten und auf der Straße. Die Vermutung liegt jedenfalls nahe, daß diese Kinder Schrift eher auf ihren normativen Anspruch reduzieren und sich dem u. U. gerade widersetzen; solange jedenfalls wie sie keine Gelegenheit hatten, ihre Teilhabe an Schriftkultur zu erfahren und ⫺ das geschieht oft wohl erst in der Schule ⫺ Schrift als Anstoß zur Bewältigung bedrängender Wünsche und Projektionen kennenzulernen (vgl. u. a. Dehn 1994, Sjölin 1990). Das Ausmaß der Vertrautheit mit Schrift ist sicher weitgehend schichtabhängig. Die Untersuchungen zur Entwicklung von Sprachbewußtheit und Sprachanalyse, also zu den kognitiven Aspekten des Erwerbs von Schriftlichkeit, stimmen darin überein, daß die Schichtzugehörigkeit ein wichtigerer Indikator für die Entwicklung ist als das Alter (Lavine 1972, Ferreiro & Teberosky 1982; vgl. auch Neuhaus-Siemon 1991); allerdings gibt es Ausnahmen. Diesen hat Durkin (1966; 1982) besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Sie ist der Frage nach der Beziehung zwischen einem niedrigen sozioökonomischen Status und dem „Frühlesen“ (s. 5.) nachgegangen und hat herausgefunden, daß in diesen Fällen die Eltern Zeit für ihre Kinder hatten, ihnen vorgelesen haben, daß sie ihre Fra-

1150 gen beantworteten und ihre Bitten um Hilfe erfüllt haben. Außerdem erlebten die Kinder die Eltern als Leser („who demonstrate in their own lives that reading is a rich source of relaxation, information, and contentment“; Durkin 1966, 136; vgl. Durkin 1982, 27 ff; vgl. auch Brügelmann 1984). Diese frühen Befunde zur Primärsozialisation sind jüngst bekräftigt worden, und zwar im Hinblick auf die Bedeutung des Medienkonsums in den unteren Sozialschichten: „Das Fernsehen bestimmt den Interaktionsstil in der Familie mehr als anderswo, und damit sind die Voraussetzungen für das Lesenlernen mitbetroffen“ (Hurrelmann 1991, 291). Die Befunde zeigen sehr deutlich, daß für manche Kinder erst im institutionalisierten Rahmen von Kindergarten, Vorschule und Schule ein sozialer Kontext besteht, der ihnen den Erwerb von Schriftlichkeit nahelegt. Dazu gehört eine Lernumgebung mit Bücherkisten und -regalen, mit verschiedenen Schreibwerkzeugen und Papieren. Die Erwachsenen lesen Kindern vor, einzelnen oder mehreren aus einem „big-book“ (vgl. „shared book experience“; Holdaway 1979); sie ermuntern die Kinder, „Nachrichten“ ⫺ auch als „Kritzelbriefe“ ⫺ aufzuschreiben (vgl. Menzel & Vieweg 1975) oder als „Spielschrift“ zu gestalten und damit ihr Symbolverständnis zu artikulieren (vgl. Krüger 1978); dazu gehören auch Utensilien wie Arztspritze, Rezeptblock und Quittung, die die Kinder zum Spielen auffordern, und zwar zur Nach-Gestaltung von Situationen, in denen Schrift gebraucht wird (Christie 1990, 1991; Noyce & Christie 1989; vgl. auch die „Lesestadt“ mit Laden, Apotheke und Kino, die Eltern für die Kinder bauen; Rütimann 1989 ⫺ aber Perfektion der äußeren Umgebung gewährleistet noch nicht, daß Kinder Schriftfunktionen entdecken und gebrauchen). Diese pädagogischen Konzeptionen beziehen sich z. T. ausdrücklich auf Vygotskys Entwurf eines Zusammenhangs von Symbolverständnis und Schrifterwerb (1978); allerdings wohl in einem verkürzten Verständnis, denn sie schränken die Kinder auf den pragmatischen Gebrauch von Schrift ein und geben wenig Anregung, z. B. „etwas von jenem ästhetischen Reiz gestraffter und gelockerter, gedehnter und gespannter, geschwungener und gereckter … Spuren“ zu erfahren (Bärmann 1979, 15) oder Schrift als Ausdruck kennenzulernen und zu erproben.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Ungeklärt ist auch, wie denn die Kinder, denen Schrift in ihrer häuslichen Umgebung fremd geblieben ist, in diesen Arrangements, die eigentlich Schrifterfahrung voraussetzen, einen Zugang finden können. Vermutlich kommt auch in diesem sozialen Kontext dem Erwachsenen eine bedeutende Aufgabe zu. Morrow & Rand (1991) formulieren mit Bezug auf Vygotsky (1978) ihre These: „The adult provides a social context that enables the child to perform at a higher level than before. The adult then steps back to let the child explore, experiment, and practice what has been learned“ (1991, 161). Damit setzen sie sich gegen Vorstellungen von der Naturwüchsigkeit des Erwerbs von Schriftlichkeit ab, die sonst häufig ausdrücklich oder implizit diese pädagogischen Arbeiten bestimmen. U. E. kommt es darauf an, die Signale für Möglichkeiten ihrer Annäherung an Schriftlichkeit zu verstehen und darauf einzugehen, die Kinder aus schriftfremder Umgebung in institutionalisierten Lehr-Lern-Situationen geben (vgl. dazu Dehn 1994, Dehn 1990 a, Sjölin 1990).

5.

Exkurs: Frühlesen

Daß Schulanfänger bereits lesen können, ist derzeit eine verbreitete Ausnahme. NeuhausSiemon (1991) ermittelte in einer zwischen 1984 und 1987 wiederholt durchgeführten Befragung von Erstklasslehrern in einem ländlichen und einem großstädtischen Regierungsbezirk (pro Schuljahr wurden über 40 000 Kinder erfaßt; das Instrument der Befragung wurde durch eine Kontrolluntersuchung an 1517 Schulanfängern gesichert), daß mindestens ein frühlesendes Kind in 30% bzw. 40% der Klassen eingeschult wird. Interessant ist, daß der Anteil der als Frühleser zu bezeichnenden Schulanfänger mit ca. 4% im ländlichen und 2,3⫺2,8% im städtischen Bereich derzeit deutlich größer ist als vor 20 Jahren, als Elternhaus und Kindergarten im Rahmen der „Frühlesebewegung“ (vgl. Schmalohr 1973) aufgefordert waren, die Intelligenzentwicklung der Kinder durch frühe Angebote zum Lesen voranzutreiben (Neuhaus-Siemon 1991, 290, 306). Die darin nahegelegte Vermutung, daß die Fähigkeit, in frühem Alter zu lesen, weniger auf Anleitung Erwachsener als auf spontanes Interesse der Kinder zurückzuführen ist, bestätigt ein weiterer Befund: Über 80% der Frühleser haben aus eigener Initiative bzw. durch Nachahmung älterer Geschwister oder Freunde lesen gelernt.

97. Frühes Lesen und Schreiben

6.

Literatur

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1153

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Sjölin, Amelie. 1990. Michael Knight und Batman in der Grundschule. Ein Anstoß für Schriftkultur? In: Brügelmann & Balhorn, 106⫺111. ⫺. 1994. Schrift als Geste. Wort und Bild in Kinderarbeiten. Diss. Hamburg. Stern, Daniel N. 1993. Tagebuch eines Babys. Was ein Kind sieht, spürt, fühlt und denkt. München. / engl. 1990/. Temple, Charles A., Nathan, Ruth G. & Burris, Nancy A. 1982. The beginning of writing. Boston. Twiehaus, Ilse. 1979. Über Kritzelschrift. Studien zur semiotischen Analyse des Schrifterwerbs. Münster. /Papiere des Münsteraner Arbeitskreises für Semiotik/. Velthaus, Gerhard. 1970. Kreativität im ersten Schreiben ⫺ der Bedeutungsaspekt im Schreiblehrgang. Essen. Vygotsky, Lev S. 1969. Denken und Sprechen. Frankfurt. /russ. 1934/. ⫺. 1978. Mind in society. The development of higher psychological processes. London. Weigl, Egon. 1974. Zur Schriftsprache und ihrem Erwerb ⫺ neuropsychologische und psycholinguistische Betrachtungen. In: Eichler & Hofer, 94⫺ 173. /zuerst 1972/. Wulff, Hans J. 1980. Schrift und Kritzelschrift: Zwei strategische Anmerkungen. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 15, 112⫺123.

Mechthild Dehn/Amelie Sjölin, Hamburg (Deutschland)

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten 1. 2.

4.

Einführung Ergebnisse der neueren Schriftspracherwerbsforschung Implikationen für die Didaktik des Erstlesens und -schreibens Literatur

1.

Einführung

3.

Der vorliegende Artikel befaßt sich vorwiegend mit den Lern- und Entwicklungsprozessen beim Erwerb der Schriftsprache, die unter dem Einfluß des Erstlese- und Schreibunterrichts, also der expliziten Instruktion, stattfinden. Vorschulische Entwicklungen werden insofern berücksichtigt, als davon auszugehen ist, das Schulanfänger im schriftsprachlichen Bereich nicht als „tabula rasa“ in die Schule kommen, sondern schon ⫺ individuell

quantitativ und qualitativ allerdings sehr unterschiedliche ⫺ vielfältige Erfahrungen mit Schrift haben, die sich in konkreten Vorkenntnissen und Konzeptionen über die Schrift niederschlagen (→ Art. 97). Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt jedoch nicht im didaktischen und methodischen Bereich (→ hierzu Art. 103⫺110), er thematisiert und expliziert die psychischen Prozesse beim Erwerb der grundlegenden Lese- und Schreibfähigkeiten. Unterrichtliche Fragestellungen sind jedoch insofern relevant, als nachgewiesen ist, daß Entwicklungsprozesse beim Schriftspracherwerb durchaus von den konkreten Methoden des Erstlese- und Schreibunterrichts abhängig sind. Eine weitere Einschränkung ist durch den Terminus „basal“ vorgegeben: Gemeint sind die „grundlegenden“ Lese- und Schreibfähigkei-

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98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten ⫺. 1991. Erlebnis und Begriff. Verschiedene Weltzugänge im Umkreis von Piaget, Freud und Wagenschein. Zeitschrift für Pädagogik 37, 329346. Rütimann, Hansheinrich. 1989. Die Lesestadt. Spiele, die auf der Hand liegen. Bern. Sanderson, Anne. 1985. The early years. How children develop as writers. Sheffield. /Sheffield City Polytechnic. Language Development Centre/. Scheerer-Neumann, Gerheid, Kretschmann, Rudolf & Brügelmann, Hans. 1986. Andrea, Ben und Jana: Selbstgewählte Wege zum Lesen und Schreiben. In: Brügelmann, Hans (ed.). ABC und Schriftsprache: Rätsel für Kinder, Lehrer und Forscher. Konstanz, 55⫺96. Scheerer-Neumann, Gerheid. 1989. Lese-Rechtschreibschwäche im Kontext der Entwicklung. In: Naegele, Ingrid, Valtin (ed.). LRS in den Klassen 1⫺10. Handbuch der Lese-Rechtschreibschwierigkeiten. Weinheim, 25⫺35. Schmalohr, Emil. 1973. Frühes Lesenlernen. Ein Beitrag zur Pädagogischen Psychologie und Curriculum-Entwicklung. Heidelberg. Schuster, Martin. 1990. Die Psychologie der Kinderzeichnung. Berlin. Schneider, Wolfgang, Brügelmann, Hans, Kochan, Barbara. Lesen- und Schreibenlernen in neuer Sicht. In: Brügelmann, Hans, Balhorn, Heiko (ed.). Das Gehirn, sein Alphabet und andere Geschichten. Konstanz, 220⫺235.

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Mechthild Dehn/Amelie Sjölin, Hamburg (Deutschland)

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten 1. 2.

4.

Einführung Ergebnisse der neueren Schriftspracherwerbsforschung Implikationen für die Didaktik des Erstlesens und -schreibens Literatur

1.

Einführung

3.

Der vorliegende Artikel befaßt sich vorwiegend mit den Lern- und Entwicklungsprozessen beim Erwerb der Schriftsprache, die unter dem Einfluß des Erstlese- und Schreibunterrichts, also der expliziten Instruktion, stattfinden. Vorschulische Entwicklungen werden insofern berücksichtigt, als davon auszugehen ist, das Schulanfänger im schriftsprachlichen Bereich nicht als „tabula rasa“ in die Schule kommen, sondern schon ⫺ individuell

quantitativ und qualitativ allerdings sehr unterschiedliche ⫺ vielfältige Erfahrungen mit Schrift haben, die sich in konkreten Vorkenntnissen und Konzeptionen über die Schrift niederschlagen (→ Art. 97). Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt jedoch nicht im didaktischen und methodischen Bereich (→ hierzu Art. 103⫺110), er thematisiert und expliziert die psychischen Prozesse beim Erwerb der grundlegenden Lese- und Schreibfähigkeiten. Unterrichtliche Fragestellungen sind jedoch insofern relevant, als nachgewiesen ist, daß Entwicklungsprozesse beim Schriftspracherwerb durchaus von den konkreten Methoden des Erstlese- und Schreibunterrichts abhängig sind. Eine weitere Einschränkung ist durch den Terminus „basal“ vorgegeben: Gemeint sind die „grundlegenden“ Lese- und Schreibfähigkei-

1154

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

ten, die in einer alphabetischen Schrift vorrangig mit dem „Brechen des Codes“, der beginnenden Fähigkeit zum Lesen und Schreiben bisher noch unbekannter Wörter (und Texte) gleichgesetzt werden kann. Wie noch zu zeigen sein wird, findet der entscheidende Übergang vom „Nichtleser“ zum „Leser“ auf der Wortebene statt, die deshalb im Mittelpunkt stehen wird (zur Entfaltung der Fähigkeiten des Lesens bzw. Schreibens → Art. 99⫺100).

2.

Ergebnisse der neueren Schriftspracherwerbsforschung

Eine umfassende entwicklungspsychologische Theorie des Schriftspracherwerbs steht noch aus und ist bei der Komplexität der Prozesse, die schon beim erwachsenen Leser und Schreiber nur schwer modellierbar sind, auch kaum zu erwarten. Die neuere Schriftspracherwerbsforschung hat aber im Gegensatz zu ihren Vorläufern entscheidende Vorteile, die auch für die Zukunft wichtige Erkenntnisse erwarten lassen: ⫺ Sie ist nicht allgemeinen Entwicklungstheorien verpflichtet (vgl. dagegen die psychologische Fundierung der Ganzwortmethode durch Befunde vorwiegend zur Wahrnehmungsentwicklung innerhalb der gestaltpsychologischen Tradition), sondern befaßt sich unmittelbar mit den kognitiven, motivationalen und emotionalen Entwicklungen beim Schriftspracherwerb. ⫺ Sie arbeitet im Gegensatz zur frühen Leseforschung der 60er Jahre tatsächlich entwicklungsorientiert, d. h. sie bemüht sich, die Dynamik von Entwicklungsprozessen aufzudecken und kindliches Lesen nicht nur an den Leistungen von Erwachsenen zu messen. ⫺ Sie versucht in Ansätzen, Labor- und Feldforschung zu integrieren und die lange vernachlässigten ökologischen Faktoren zu berücksichtigen. Dieses umfassende Forschungsbemühen im Bereich des Lesenlernens kann auf die letzten 10⫺15 Jahre datiert werden, gewichtige Untersuchungen zur Schreibentwicklung sind noch jünger. In den vorliegenden Arbeiten wird aber schon jetzt übereinstimmend deutlich, daß der genuin entwicklungspsychologische Ansatz sich als sehr fruchtbar erweist: Der Schriftspracherwerb kann analog zum primären Spracherwerb als aktiver Umgang mit dem Lerngegenstand verstanden werden, der zu eigen-

aktiver Regelbildung führt und sich nach einem frühen Beginn schon im Vorschulalter in den folgenden Jahren systematisch qualitativ verändert (vgl. Ferreiro & Teberosky 1982, Brügelmann 1983, Scheerer-Neumann 1989, Scheerer-Neumann, Kretschmann & Brügelmann 1986). Die qualitativen Veränderungen sind zum Teil so einschneidend, daß sie Anlaß zur Formulierung von Phasen und Stufenmodellen des Schriftspracherwerbs gegeben haben, wobei die Phasen (Stufen) durch unterschiedliche Zugänge (Strategien) zum Lesen und Schreiben definiert sind. Die Annäherung an das Lesen und Schreiben des Erwachsenen erfolgt nicht linear. Wenn auch noch sehr viele Fragen offen sind, so haben sich die Modelle des Schriftspracherwerbs schon jetzt sowohl heuristisch für die Forschung als auch für die pädagogische Umsetzung als äußerst wertvoll erwiesen: Die Idee qualitativer Veränderungen während des Schriftspracherwerbs läßt Fehler zu, betrachtet sie sogar als entwicklungsbedingte Notwendigkeit; sie fordert eine pädagogische Perspektive, die nicht die erreichte Leistung und das Ziel der Fehlerlosigkeit, sondern den Lernprozeß selbst und das vom Kind schon Erreichte in den Mittelpunkt der erzieherischen Tätigkeit stellt. Qualitative Veränderungen der Lese- und Schreibprozesse im Laufe des Schriftspracherwerbs können heute empirisch als gesichert gelten. Auch die Kritiker von Stufenmodellen akzeptieren dies prinzipiell (vgl. Stuart & Coltheart 1988). Offen sind dagegen im Detail die Bestimmungsstücke der jeweiligen Strategien sowie einige prinzipielle Fragen, die allgemein für Phasen- und Stufenmodelle gelten: „Harte“ Versionen von Stufenmodellen postulieren eine ontogenetisch festgelegte irreversible Stufenfolge; „weiche“ Versionen stellen nur die Frage nach den jeweils dominanten Strategien und lassen Raum für individuelle Entwicklungen sowie aufgabenspezifische Abweichungen. Es wäre unklug, zum jetzigen Zeitpunkt schon eindeutig Stellung zu beziehen, da in naher Zukunft von der zur Zeit sehr aktiven entwicklungspsychologischen Lese- und Schreibforschung wichtige weitere Erkenntnisse zu erwarten sind. 2.1. Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs als Rahmenkonzepte Zur Orientierung werden in diesem Abschnitt einige Entwicklungsmodelle vorgestellt. Die im Anschluß daran referierten Befunde zur Entwicklung von Lese- und Schreibstrategien

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten

gehen auch auf andere Modelle ein und machen notwendige Differenzierungen und Modifikationen deutlich (2.2. und 2.3.). Der allgemeine theoretische Hintergrund der derzeit vorliegenden Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs findet sich einerseits in Piagets Theorie der kognitiven Entwicklung, auf der anderen Seite sind Einflüsse der Modellierung von Leseprozessen im Rahmen der Kognitiven Psychologie unverkennbar. Besonders einflußreich aus der psychologischen Leseforschung war das Zwei-Wege-Modell der Wortidentifikation (vgl. Coltheart 1978); die alternativen Wege des „direkten Worterkennens“ und die Lautsynthese des „indirekten Worterkennens“ werden, wenn auch in einer etwas veränderten Konzeption und Terminologie, von allen Stufenmodellen aufgegriffen. In der Korngröße der Analyse bleiben die Entwicklungsmodelle dabei jedoch weit hinter den Modellierungen erwachsenen Leseverhaltens zurück. Entsprechend modellieren auch die bekannten Phasen- bzw. Stufenkonzeptionen des Schriftspracherwerbs von Marsh, Friedman, Welsh & Desberg 1980, Frith 1985, Seymour 1986, Ehri 1987, 1992 nur in relativ groben Zügen Teilaspekte der sich entwickelnden Lese- und Schreibstrategien auf der Wortebene. Die Phasen bzw. Stufen sind gekennzeichnet durch qualitative Veränderungen in den jeweils dominierenden Prozessen, wobei die früheren Strategien nicht unbedingt verloren gehen. Übereinstimmend gehen Marsh, Friedman, Welsh & Desberg (1980), Frith (1985) und Seymour (1986) von drei groben Entwicklungsphasen aus, die durch die folgenden Lesestrategien gekennzeichnet sind: Die erste Strategie, die bei Marsh noch einmal unterteilt wird, ist ein direktes Worterkennen, bei dem nur zuvor gelernte Wörter identifiziert werden können. Erkannt werden diese Wörter anhand einzelner Buchstaben, anderer visueller Merkmale und zumeist auch mithilfe des Kontexts. Marsh et al. sprechen von „discrimination net guessing“, Frith und Seymour bezeichnen diese Strategie als „logographisches Lesen“, Ehri (1987, 1994) benutzt den Begriff „visual cue reading“. Für die weitere Entwicklung nimmt sie eine Übergangsstrategie, das „phonological cue reading“ an, das die Strategie der ersten Stufe mit phonologischen Elementen der nachfolgenden Stufe verknüpft. Auf dieser wird von allen vier Modellen ein alphabetisches, sequentielles Erlesen auf der Basis von Graphemen oder sogar Buchstaben angenommen. Die dominierende

1155

Strategie der folgenden Stufe wird von den Autoren unterschiedlich konzipiert: Während für Marsh et al. beim „hierarchical decoding“ komplexe orthographische Regeln berücksichtigt werden und Analogien Anwendung finden, entspricht bei Frith die „orthographische Strategie“ eher dem direkten Zugriff zum orthographischen Lexikon: „Orthographic skills refer to the instant analysis of words into orthographic units without phonological conversion. The orthographic units ideally coincide with morphemes. They are internally represented as abstract letter-byletter strings“ (Frith, 1985, 306). Seymour benutzt zwar den Begriff der „orthographischen Strategie“ von Frith, seine Konzeption dieser Strategie entspricht aber eher der von Marsh et al.: Kennzeichen der orthographischen Strategie ist nach Seymour die Nutzung morphematischer und orthographischer Regelmäßigkeiten und lexikalischer Analogien. Ehris Konzeption dieser Stufe ähnelt der von Seymour; gleichzeitig stellt sie ergänzend sehr interessante Überlegungen zur Veränderung der inneren Repräsentation von „Sichtwörtern“ an („amalgamation theory“). In den Grundideen entsprechen die von den Modellen angenommenen dominanten Schreibstrategien denen der Leseentwicklung: Auch das logographische Schreiben ist direkt, also nicht lautorientiert; das Kind kann nur die Wörter schreiben, deren Grapheme es zuvor auswendig gelernt hat. Dies ändert sich durch die Hinwendung zu einer lautorientierten Strategie auf der alphabetischen Stufe: Auch unbekannte Wörter können jetzt geschrieben werden, zunächst nur rudimentär (z. B. BT ⫽ Bett), später entfaltet (z. B. HANT ⫽ Hand). Auf der folgenden orthographischen Stufe werden lautorientierte Schreibungen durch strukturelle Regelmäßigkeiten und orthographische Muster ergänzt bzw. korrigiert. Vergleichbare Annahmen finden sich in allen Modellen. Über die jeweiligen Entwicklungssequenzen hinaus macht Frith (1985) explizit Annahmen über die zeitliche Folge der jeweiligen dominierenden Strategien beim Lesen bzw. Schreiben. Sie nimmt eine Entwicklungssequenz an, bei der Lesen und Schreiben abwechselnd die Führung übernehmen: Der logographische Zugang zur Schrift beginnt danach mit dem Lesen, der alphabetische beim Schreiben, weil die Anforderungen des Schreibens die Mängel einer logographischen Strategie besonders deutlich machen. Die orthographische Strategie setzt wiederum

1156 beim Lesen ein und wird erst danach auf das Schreiben übertragen. Obwohl die Entwicklungssequenz logographisch-alphabetisch-orthographisch für den Bereich der Rechtschreibung auch im deutschen Sprachraum recht gut gestützt wird (May 1990, ScheererNeumann, Kretschmann, Brügelmann 1986, Spitta 1985), findet sich noch keine Bestätigung für den wechselweisen Entwicklungsvorsprung von Lesen und Schreiben. Möglicherweise spielen hier die strukturellen Merkmale der jeweiligen Schriftsprachen und die bevorzugte Methodik des Erstleseunterrichts eine Rolle. Die skizzierten Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs dürfen nicht als elaborierte, empirisch umfassend untermauerte Theorien angesehen werden; vielmehr sind es mutige Entwürfe aus einer Zeit, die dem genuin entwicklungsorientierten Ansatz noch wenig Raum gegeben hat. Entsprechend ist eine konstruktive Kritik nicht nur zu erwarten, sondern auch zu wünschen. Kritische Überlegungen sowie bestätigende aber auch abweichende Befunde zu den einzelnen Strategien beim Schriftspracherwerb werden in den folgenden Abschnitten dargelegt werden. Im Hinblick auf die generelle Kritik vor allem am Modell von Frith sollen zwei Punkte schon an dieser Stelle herausgegriffen werden, die Eichler (1986) diskutiert: ⫺ Eine reine Sequenz in der Entwicklung der Strategien erscheint bei der derzeitigen Befundlage unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite ist eine gewisse zeitliche Staffelung vor allem im Hinblick auf die frühe Entwicklung der alphabetischen Strategie und die erst spätere Nutzung orthographisch/morphematischer Strukturen nachweisbar. Eichler nimmt eine hierarchische Parallelität der Strategien an, um beiden Befunden Rechnung zu tragen. Im vorliegenden Kapitel wird diese Konzeption befürwortet, wenn auch aus Darstellungsgründen eine sequentielle Folge der Strategien gewählt werden muß. ⫺ Frith geht davon aus, daß im Laufe der Entwicklung die bestehenden Strategien in den jeweils höheren aufgehen, d. h. dem Kind dann nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Annahme ist kritisch und im Detail für die einzelnen Strategien und für unterschiedliche Geltungsbereiche zu überprüfen. Schon aus derzeit vorliegenden Beobachtungen ist ein „sowohl-als-auch“ wahrscheinlich: Während der erwachsene Leser eine ihm vertraute alphabetische Schrift unter normalen Bedin-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

gungen tatsächlich nicht mehr logographisch lesen kann, kann er auf diese Strategie doch bei fremden Schriften zurückgreifen. Auch die kleinschrittige alphabetische Lesestrategie läßt sich, nachdem sie schon überwunden ist, beim Lesen z. B. komplizierter Namen wieder aktivieren. 2.2.

Die Entwicklung der basalen Lesefähigkeit

2.2.1. Erkennen von Symbolen Als Vorläufer auch noch des logographischen Lesens im Vorschulalter kann das Erkennen von Symbolen gelten. Es unterscheidet sich vom Identifizieren abgebildeter Gegenstände insofern, als willkürliche visuelle Zeichen einer Bedeutung zugeordnet werden. Im spontanen Verhalten beobachtbar ist diese Leistung heute vor allem beim Erkennen von Firmenemblemen; in einer Mikroanalyse fanden Brügelmann & Mannhaupt (1990), daß Vorschulkinder bei der Identifikation von Emblemen sowohl auf bestimmte figürliche Merkmale als auch auf einzelne Buchstaben achten und andere vernachlässigen. 2.2.2. Logographisches, „ganzheitliches“ Lesen Das „logographische“ Lesen entspricht dem „ganzheitlichen“ Worterkennen, das schon die Ganzheitsmethodiker als frühen Zugang zur Schrift erkannt haben (z. B. Kern & Kern 1962). Es ist ein „direkter“ Weg zur Bedeutung ohne phonologische Umcodierung. Daß Kinder auch ohne lautliche Teilprozesse eine begrenzte Anzahl von Wörtern lesen können, ist unumstritten. Das Fehlen von Komponenten des Erlesens wird an semantisch ähnlichen, aber phonologisch unähnlichen Lesefehlern deutlich: Ein logographisch lesendes Kind kann zu „meine Mama“ sagen oder „Eis“ zu . Diese Lesestrategie ist ganzheitlich in dem Sinn, daß die Lesereaktion nicht aus einzelnen Lauten oder Silben synthetisiert wird; sie ist aber nicht ganzheitlich in bezug auf die visuellen Merkmale des Erkennungsprozesses, der sich oft nur an einigen Buchstaben und besonderen Merkmalen (z. B. der i-Punkt bei ) orientiert. Marchbanks & Levin (1965) fanden, daß Kinder bevorzugt auf den ersten und den letzten Buchstaben eines Wortes achten und dem Wortumriß eine wesentlich geringere Bedeutung zukommt als vielfach angenommen wurde. Ehris (1994) Begriff des

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten

„visual cue reading“ macht diesen Aspekt besonders deutlich. Jedoch ist auch der Begriff des „discrimination net learning“ von Marsh zur Kennzeichnung des frühen direkten Lesens gut begründet: Lesen kann auf dieser Stufe als Diskriminationslernen aufgefaßt werden: Wie eine Reihe von Experimenten gezeigt hat, hängt die Auswahl der von den Kindern fokussierten Merkmale/Buchstaben der zu erlernenden Wörter von den Merkmalen/Buchstaben des aktuellen und bisherigen Lesewortschatzes ab: Die Auswahl wird unter den Merkmalen/Buchstaben getroffen, die ein Wort von all den anderen im Lesewortschatz des Kindes befindlichen unterscheidet. Daß eine solche Strategie mit zunehmender Größe des Lesewortschatzes schnell an ihre Grenzen stößt, liegt auf der Hand. Sie kann nur dann über längere Zeit erfolgreich sein, wenn die zu lesenden Wörter durch den bildlichen oder inhaltlichen Kontext (z. B. bekannte Fibelseiten) zusätzlich voraktiviert werden. Vor allem im Hinblick auf die Lesedidaktik stellt sich die Frage nach der Universalität der logographischen Stufe. Muß sie entwicklungsbedingt von allen Kindern durchlaufen werden oder besteht eine Abhängigkeit von der Methodik des Erstleseunterrichts und/ oder der orthographischen Struktur der jeweiligen Schriftsprache? Die letzte Frage ist deshalb wichtig, weil die zitierten Modelle im englischen Sprachraum entwickelt wurden und die Übertragbarkeit auf andere Schriftsprachen nicht unbesehen angenommen werden kann. Nach den vorliegenden Befunden tritt logographisches Lesen typischerweise bei Vorschulkindern und im frühen 1. Schuljahr auf, wird aber bei deutschsprachigen Kindern unter dem Einfluß eines analytisch-synthetischen Leseunterrichts schnell überwunden (Jansen 1992, Wimmer, Hartl & Moser 1990). In einer vergleichenden Studie von Wimmer, Klampfer & Frith (1993) zeigten österreichische Siebenjährige deutliche Anzeichen des Erlesens, während bei gleichaltrigen englischen Kindern Hinweise auch auf eine logographische Strategie zu beobachten waren. Die Frage, ob logographisches Lesen jedoch bei deutschsprachigen Vorschulkindern allgemein anzutreffen ist und als wichtige frühe Stufe des Leseerwerbs angesehen werden kann, muß derzeit noch offen bleiben. Sie ist didaktisch wichtig im Hinblick auf diejenigen Kinder, die zu Schulbeginn noch über eine geringe Schriftspracherfahrung verfügen und Probleme mit der von ihnen geforderten laut-

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orientierten Strategie haben. Unter Umständen ist für sie ein ganzheitlicher Beginn des Leseunterrichts notwendig und sinnvoll. 2.2.3. „Phonological cue reading“ und assoziatives Lesen Goswami & Bryant (1990) referieren eine Reihe von Arbeiten, die auf ein ausgedehntes logographisches Lesen englischsprachiger Kinder hindeuten, vor allem bei einem ganzheitlich orientierten Unterricht. Als wichtigster Indikator für logographisches Lesen wird in der Regel das Fehlen des Fehlertyps „Nichtwort“ angesehen, der für eine lautorientierte Strategie typisch ist. Dagegen argumentiert Ehri, daß das logographische Lesen auch englischsprachiger Kinder nur für eine relativ kurze Zeit rein visuell ist: In einer sehr interessanten Arbeit beobachteten Ehri Wilce (1985) bei Vorschulkindern, die überhaupt schon einige Wörter lesen konnten, die Übergangsstrategie des „phonological cue reading“. Es ist vorrangig lexikalisch-logographisch; die Kinder benutzen zur Wortidentifikation aber gleichzeitig die phonologische Information (Phoneme zu einigen wenigen Graphemen), die ihnen schon zugänglich ist. Eine entsprechende Strategie wurde auch bei deutschen Kindern in Einzelfallstudien beobachtet (Scheerer-Neumann 1989); als Übergangsstrategie ist sie möglicherweise in Gruppenuntersuchungen mit analytisch-synthetisch unterrichteten Kindern nicht erfaßbar. Eine andere Übergangsstrategie, die noch mehr dem alphabetischen Lesen angenähert ist, wird von Jansen (1992) beschrieben: Leseanfänger, die schon die in einem Wort vorkommenden Graphem-Phonem-Korrespondenzen kennen, aber noch Schwierigkeiten mit deren Synthese haben, können bei einem geringen Lesewortschatz das richtige Wort durch lautassoziative Prozesse finden; ein Kind sucht in den durch die Fibel aktivierten Eintragungen im inneren Lexikon nach einem Wort, das der Lautfolge, z. B. r-o-t, am nächsten kommt. Ein strukturell entsprechendes Pseudowort kann mit dieser Strategie nicht erlesen werden. 2.2.4. Alphabetisches, synthetisierendes Lesen Bei manchen Kindern ist auch bei sehr genauer Beobachtung nach der logographischen Phase weder ein „phonological cue reading“ noch ein lautassoziatives Lesen zu beobachten (vgl. Scheerer-Neumann, 1994).

1158

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Sie verschreiben sich sofort nach Entdeckung oder unterrichtlicher Vermittlung des alphabetischen Prinzips dem vollständigen und genauen Erlesen, das auch von dem „phonological cue reader“ in der nächsten Phase erworben wird: Diese Strategie, die alphabetische, sequentielle der beschriebenen Stufenmodelle, basiert auf Graphem-Phonem-Korrespondenzen. In der Extremform „lautiert“ das Kind die Buchstaben und versucht sie dann nacheinander zu synthetisieren. In der frühen Phase des Erlesens findet die lexikalische Identifikation oft erst nach der Artikulation einer „Wortvorform“ statt, bei der u. a. vokalische s als [r] und Schwa-Endungen als [e:] artikuliert werden (z. B. als [ti:ge:r] gelesen). Der Kontext (auch der bildliche) ist nicht so wichtig wie bei der logographischen Lesestrategie und wird manchmal vollständig ausgeblendet (vgl. Abb. 98.1). Obwohl es ein Ziel des Leseunterrichts ist, diese Form des „offenen Erlesens“ schon bald zu überwinden und die Kinder zu einer lexikalischen Aussprache zu animieren, kommen der reinen Erlesensstrategie zwei wichtige Funktionen zu: Zum einen zeigt sie diagnostisch, daß ein Kind den phonologischen Zugang zur Schrift gefunden hat, zum anderen kann sie entwicklungspsychologisch als das konsequente Üben einer gerade erworbe-

EIN /e:/-/i:/ /aen:/ /aen/ /aein/

nen Zugriffsweise verstanden werden, die erst zu einem späteren Zeitpunkt flexibel mit anderen Strategien kombinierbar ist. 2.2.5. Exkurs: Phonologische Bewußtheit Die Bewältigung der alphabetischen Phase wird heute übereinstimmend in der internationalen Literatur als der entscheidende Schritt auf dem Weg zum Schriftspracherwerb in einer alphabetischen Schrift angesehen. Umgekehrt werden Leseschwachen Probleme genau in dieser Strategie zugeschrieben (→ Art. 115). Geht man vom Lesenlernen in der Muttersprache aus, bei der die Bedeutung der Wörter in ersten Lesetexten in jedem Fall bekannt ist, so sind für ein Gelingen der alphabetischen Strategie vor allem drei Voraussetzungen notwendig: Die Kinder müssen mit den Graphem-Phonem-Korrespondenzen vertraut sein, sie müssen dazu in der Lage sein, Phoneme zu manipulieren, d. h. sie beim Lesen zu synthetisieren und bei der analogen Strategie des alphabetischen Schreibens aus dem gesprochenen Wort zu analysieren, und sie müssen die Wörter in für die Synthese sinnvolle Untereinheiten, z. B. Silben, segmentieren. Während der erste Schritt, der im Wesentlichen einem Paar-Assoziationslernen entspricht, von den meisten Kindern relativ gut gemeistert wird, ist die Phonemanalyse

ELE- FANT /e:l/-/l(e)its/ /e:l/-/e:l/-/e:l/ /li:/ /le:/ /v/ (Vl.: ein /f/) /f/-/f/-/f/-/fa:nt/ /e:lefant/

Abb. 98.1: Ausblendung des bildlichen Kontexts bei einer rein phonemischen Lesestrategie (Mitte 1. Schuljahr) (Vl. ⫽ Versuchsleiter)

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten

und -synthese ⫺ und allgemeiner der Erwerb des phonologischen Bewußtseins ⫺ für Schulanfänger eine hohe Hürde. Die Hinwendung zu den lautlichen Eigenschaften eines Wortes unter Abstraktion seiner Bedeutung ist eine Umzentrierung, die im Vorschulalter noch nicht gefordert wird. Neben Übereinstimmungen in der prinzipiellen Bedeutung des phonologischen Bewußtseins für den Schriftspracherwerb ist die internationale Forschergemeinde jedoch in Einzelfragen gespalten; die größte Kontroverse betrifft die kausale Beziehung zwischen phonologischem Bewußtsein und dem Erwerb der alphabetischen Strategie: Ist das phonologische Bewußtsein eine Voraussetzung oder eine Folge des Schriftspracherwerbs? Diese Frage ist nicht nur wissenschaftlich von Interesse, sondern hat unmittelbar Implikationen für eine Lesevorbereitung schon im Kindergarten und die frühe Förderung von Risiko-Kindern: Eine Interpretation des phonologischen Bewußtseins als Voraussetzung des Schriftspracherwerbs indiziert eine entsprechende vorschulische Vorbereitung und Förderung von Kindern mit ungünstigen soziokulturellen und/oder intellektuellen Voraussetzungen. Bei einer Umkehrung der Verhältnisse wäre eine frühe lautanalytische Förderung weder sinnvoll noch effektiv. Empirische Untersuchungen bestätigen in gewisser Weise beide Positionen und machen gleichzeitig die Notwendigkeit einer Differenzierung deutlich: Danach kann die vollständige Analyse gesprochener Wörter in ihre Phonembestandteile oder gar die Manipulation von Phonemen (z. B.: „Was bleibt übrig, wenn man bei „mich“ das „m“ wegläßt?) eindeutig als Folge des Schriftspracherwerbs gelten: Auch erwachsene Analphabeten können diese Analysen nicht leisten (Morais, Cary, Alegria & Bertelson 1979, Morais, Bertelson, Cary & Alegria 1986), Kinder erst im Laufe des ersten Schuljahrs und abhängig von der Methode des Erstleseunterrichts (Alegria, Pignot & Morais 1982). Dagegen gelingen einfachere Phonemanalysen wie das Erkennen des gleichen Anfangs- oder ⫺ schon etwas schwerer ⫺ des Endlauts mindestens in Ansätzen schon im Vorschulalter; diese Fähigkeiten haben einen hohen prädikativen Wert für die Vorhersage der Lese- und Schreibleistungen in den folgenden Schuljahren (z. B. Lundberg, Olofsson & Wall 1980, Stanovich, Cunningham & Cramer 1984, Marx 1992). Die kausale Verknüpfung zwi-

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schen Phonembewußtsein und späterer Leseund Schreibleistung wird in Trainingsstudien deutlich, die nach einer vorschulischen Übung in der Phonemanalyse später höhere Lese- und Schreibleistungen bei den trainierten Kindern im Vergleich zu einer allgemein sprachlich trainierten Kontrollgruppe zeigten (Lundberg, Frost & Peterson 1988). Allerdings weisen Trainingsprogramme, die gleichzeitig graphematische Aspekte berücksichtigen, noch höhere Erfolge auf, d. h. daß Phoneme für Kinder in ihrer Korrespondenz zu Graphemen/Buchstaben leichter erfahrbar sind (vgl. Ehri 1987, Hohn & Ehri 1983). Der Erstlese- und -schreibunterricht im englischen Sprachraum, der dem „phonicsapproach“ folgt, bietet den Kindern im 1. Schuljahr zahlreiche Übungen zur Phonemanalyse und -synthese an. Das gleiche gilt für synthetische und analytisch-synthetische Leselehrgänge im deutschen Sprachraum: Sie sehen Übungen zum „Heraushören“ von Anfangs-, Mittel- und Endlauten vor und bieten neben den kleinen Lesetexten in Fibeln Leseübungen an, die nur mit Hilfe der alphabetischen Strategie zu bewältigen sind, u. a. Übungen zum Wortauf- und Abbau (z. B. Ro, Ros, Rose). Allerdings sind die entsprechenden Materialien zu diesen Übungen für Kinder mit Schwächen im Bereich der Phonemanalyse in der Regel innerhalb der Leselehrgänge nicht umfangreich genug. 2.2.6. Größere funktionale Einheiten beim Worterkennen: Silben und innersilbische Strukturen Die Frage nach funktionalen Einheiten oberhalb der Graphemenebene ist vor allem im Rahmen der orthographischen Strategie von Interesse. Aber auch bei der alphabetischen Strategie sind suprasegmentale Gliederungen anzunehmen: Wie schon oben erwähnt, ist das Erkennen der Silbengrenzen beim alphabetischen Erlesen notwendig, weil die Phoneme innerhalb einer Silbe beim Erlesen in eine artikulatorische Einheit integriert werden müssen („Lautverschmelzung“). Obwohl die meisten Leseanfänger beim Gliedern vorgesprochener Wörter in Silben kaum Probleme haben, läßt sich beim Lesen oft ein tastendes Ausprobieren beobachten, bei dem zunächst über Silbengrenzen hinweg alle Phoneme eines Wortes synthetisiert werden, die ohne Unterbrechung der Atmung artikuliert werden können (z. B. zuerst als „Tulp-e“, später als „Tul-pe“ gelesen). Auch ältere leseschwache Kinder haben

1160 Schwierigkeiten beim Erkennen und der Nutzung der Silbenstruktur (Scheerer-Neumann, Ahola, König & Reckermann 1978, ScheererNeumann 1981 b). Ganz entsprechend beginnen viele Trainingsprogramme für lese- rechtschreibschwache Kinder mit einer Einführung in die Silbenstruktur der deutschen Schriftsprache (vgl. Kossow 1972, Dummer & Hackethal 1984, Scheerer-Neumann 1981 b). In der Literatur wird zur Zeit die Frage nach funktionalen Einheiten zwischen Silben und Phonemen gestellt; in der Diskussion sind die Silbenbestandteile Silbenbeginn und Reim (onset und rime). Es ist nachgewiesen, daß es Kinder im Vorschulalter leichter gelingt, Silben in Silbenbeginn und Reim als in einzelne Phoneme zu gliedern (Treiman 1985); dies muß jedoch nicht bedeuten, daß diese Einheiten schon früh auch zu visuellen funktionalen Einheiten werden, wie Goswami & Bryant (1990) dies annehmen. Van den Bosch (1991) fand in Leseexperimenten keine Bestätigung für diese Hypothese für Kinder mit niederländischer Muttersprache. 2.2.7. Orthographische Strategie Aus der angloamerikanischen Literatur ist bekannt, daß Kinder mit zunehmender Leseerfahrung orthographische Strukturen, z. B. die Bedeutung des End-s erkennen (z. B. can vs. cane, vgl. Manis & Morrison, 1985). Aus dem deutschen Sprachraum wissen wir auf diesem Gebiet noch wenig. Vorversuche haben jedoch gezeigt, daß flüssig lesende Zweitklässler Längen- bzw. Kürzemarkierungen von Vokalen in Pseudowörtern nicht konsequent nutzen (Scheerer-Neumann 1994). Marsh et al. (1981) ordnen die Nutzung analoger Strukturen beim Worterkennen der höchsten Entwicklungsstufe zu. Dagegen konnte Goswami (1986) schon bei Erstklässlern bei geeigneter Wortauswahl und Instruktion Transferleistungen auf analoge Wortstrukturen nachweisen (z. B. von zu und ). Die diskrepanten Befunde legen die Vermutung nahe, daß die Annahme einer einheitlichen „analogen Strategie“ eine nicht vertretbare Vereinfachung darstellt; sie machen gleichzeitig die Schwierigkeit deutlich, Entwicklungsprozesse und instruktionsbedingte Lernprozesse voneinander zu trennen. 2.2.8. Der Erwerb von „Sichtwörtern“ und Automatisierung beim Worterkennen Es kann als gesichert gelten, daß im Laufe des Lesenlernens eine Automatisierung von Teilprozessen eintritt, die es den Kindern er-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

möglicht, ihre Aufmerksamkeit vorrangig auf den Inhalt eines Lesetextes zu richten. Damit erkauft wird allerdings ein „Lesezwang“, d. h. die Kinder können Schrift auch dann nicht mehr ausblenden, wenn dies in Interferenzaufgaben (z. B. Stroop-Aufgaben) als Lösungsweg am effektivsten wäre. Daß Übung Automatisierung fördert ist eine psychologische Alltagsweisheit; der eigentliche Mechanismus des Übergangs vom Erlesen zum schnellen, automatisierten Worterkennen ist noch unbekannt. Ehri (1987) ist der Meinung, daß die innere orthographische Repräsentation eines Wortes, die ein schnelles Worterkennen ermöglicht, über die phonologische Strategie aufgebaut wird. Nach Frith (1985) vereint die orthographische Strategie Elemente des direkten, logographischen Zugriffs mit der Nutzung der Strukturen, die in der alphabetischen Phase erworben wurden. In beiden Konzeptionen spielt also die indirekte, lautorientierte Lesestrategie eine entscheidende Rolle für das kompetente Lesen; ein unmittelbarer Übergang von der direkten logographischen zur direkten orthographischen Strategie des Worterkennens ist nicht möglich. Alternativ läßt sich das schnelle Worterkennen in Netzwerkmodellen, wie dem „Interactive Activation Model“ von Rumelhart & McClelland (1981) modellieren. Für den entwicklungspsychologischen Bereich liegen noch zu wenige Daten vor, um die Bedeutung dieses Ansatzes für die Schriftspracherwerbsforschung abschätzen zu können. 2.2.9. Zur Entwicklung des Leseverständnisses Sobald Kinder einen unbekannten Text relativ flüssig lesen können (etwa ab dem 2. Schuljahr) wird die Leseleistung, insbesondere das Leseverständnis, immer mehr durch den Umfang ihres Wortschatzes und ihres „Weltwissens“ bestimmt. Vertraute Wörter sind leichter zu erlesen als unbekannte. Neue Informationen werden an bestehenden Strukturen verankert. Sowohl für das Verstehen eines Textes während des Lesens als auch für das spätere Erinnern sind deshalb schon vorhandene Wissenselemente (z. B. über historische Ereignisse) und die Kenntnis von Handlungs- und Geschichtenschemata („story grammars“) von großer Bedeutung. Die Entwicklung des Leseverständnisses ist also in hohem Maße von leseunspezifischen kognitiven Leistungen abhängig. Ganz entsprechend findet sich beim Erwachsenen eine sehr hohe

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten

Korrelation zwischen den Leistungen beim Verstehen gesprochener und geschriebener Sprache. Sie ist beim Leseanfänger noch gering und steigt bis zum 4. Schuljahr an (vgl. Sticht, Beck, Hauke, Kleimann & James 1974). Dies bedeutet, daß die Lesefähigkeit zunächst durch lesespezifische Prozesse bestimmt wird, nach dem Erwerb der basalen Lesefähigkeit aber immer mehr zum Verstehen visuell dargebotener Sprache wird. 2.2.10. Die Entwicklung „höherer“ Lesestrategien Im Laufe der weiteren Leseentwicklung wird das Textverständnis und das Lernen aus Texten durch eine Reihe kognitiver Strategien erleichtert, die von den Kindern metakognitiv eingesetzt werden können. Hierzu gehören u. a. das „comprehension monitoring“ während des Lesens, d. h. das ständige Verfolgen der syntaktischen und inhaltlichen Stimmigkeit eines Textes (vgl. Baker & Brown 1984). Dies wird deutlich in der Reaktion der Kinder auf Lesefehler, die inhaltlich oder syntaktisch nicht mit den bereits gelesenen Teilen des Satzes übereinstimmen: Die angemessene Reaktion ist die Regression zu der Textstelle, an der die Unstimmigkeit entstanden ist. Kinder im Erwerbsprozeß tun dies oft nicht, entweder, weil ihnen durch eine unzureichende Textentschlüsselung die Unstimmigkeit gar nicht bewußt wurde oder weil sie die Aufgabe (vor allem beim Vorlesen in der Klasse) metakognitiv als schnelles Voranschreiten im Text und nicht als Sinnentnahme interpretieren. Die Vermutung, daß sich entwickeltes Lesen durch das gleichzeitige Überblicken von größeren Teilen eines Satzes auszeichnet, hat sich nicht bestätigt: Wie sehr originelle Untersuchungen von Rayner (z. B. 1983) gezeigt haben, kann auch der Erwachsene beim Lesen eines Textes in der üblichen Buchstabengröße nur etwa 10⫺12 Buchstaben gleichzeitig scharf sehen. Zum Weiterlesen sind Augenbewegungen und neue Fixationen notwendig. Allerdings kann der Leser vor der genauen Lektüre den Text „überfliegen“, indem er zunächst nur die Überschriften und wenige Wörter oder Sätze aus den einzelnen Abschnitten eines Textes liest. Eine solche Strategie ist dann effizient, wenn sie zu gezielten Fragen und den Text Anlaß gibt und den Verstehens- und Behaltensprozeß damit strukturiert. Tatsächlich ist das, was von einem Text behalten wird, in hohem Maße von einer Selbst- oder Fremdinstruktion abhängig.

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Ebenso nicht bestätigt hat sich die Hypothese von Goodman (1973), daß die hohe Lesegeschwindigkeit des geübten Lesers auf eine Ratestrategie zurückzuführen ist („reading as a linguistic guessing game“). Obwohl der Einfluß des Satzkontexts auf das Worterkennen nicht geleugnet werden kann, kommt der aktiven Hypothesenbildung beim Erwachsenen nur eine kompensatorische Funktion in besonderen Situationen zu: Der Einfluß des Kontexts ist immer dann zu beobachten, wenn die visuellen Erkennensprozesse durch eine verkürzte Darbietungsdauer (Tulving & Gold 1963) oder eine andere experimentelle Manipulation erschwert oder verzögert werden. Für Kinder, die gerade erst lesen lernen, ist der Leseprozeß immer erschwert und verzögert; bei ihnen ist entsprechend im Gegensatz zu Erwachsenen auch unter relativ normalen Lesebedingungen ein negativer Einfluß inkongruenten Kontexts zu beobachten (Scheerer-Neumann 1981 a, b). Allerdings wurde weiter oben schon deutlich, daß die Entwicklung der Kontextnutzung nicht linear verläuft: Nach einem relativ starken Einfluß des Kontexts während der logographischen und der beginnenden alphabetischen Phase kann er vorübergehend während der sehr konsequenten Einübung der alphabetischen Strategie ganz ausgeblendet werden, um sich anschließend weiter zu verstärken. „Comprehension monitoring“ und Vorstrukturierung mit gezielter Fragestellung sind nur einige der „höheren“ Lesestrategien des entfalteten Lesens; weitere wichtige Strategien werden in Art. 99 dargestellt. 2.3. Die Entwicklung der basalen Schreibfähigkeit Auch bezüglich der Entwicklung von Schreibstrategien beschränkt sich das vorliegende Kapitel auf die Wortebene. Sie ist für ein Verständnis auch komplexer Schreibprozesse unerläßlich; allerdings gibt es auch schon eine sehr interessante Schreibentwicklungsforschung auf der Textebene, die hier aber nicht berücksichtigt werden kann (vgl. Feilke & Augst (1989), → Art. 100). Die kognitionspsychologische Schreibforschung steckt im Vergleich zur Leseforschung noch in den Anfängen. Möglicherweise ist hier die entwicklungspsychologische Forschung der allgemeinpsychologischen voraus. Deshalb können an dieser Stelle nur einige zentrale Aspekte des Schreibprozesses skizziert werden.

1162 2.3.1. Einführende Anmerkungen zum Schreibprozeß Grundlegend, vor allem für ein Verständnis des Aneignungsprozesses, ist die konzeptuelle Unterteilung in regelgeleitete und lexikalische Komponenten, wie sie analog bereits für den Leseprozeß dargestellt wurde. Das indirekte, regelgeleitete Schreiben ist ein generatives, ein konstruktives Schreiben: Die Graphemfolgen „entstehen“ beim Schreiben unter Nutzung von Phonem-Graphem-Korrespondenzen und orthographischer Regelmäßigkeiten. Bei einer rein phonographischen Konstruktion treten bei vielen Wörtern zwangsläufig orthographische Fehler auf; trotzdem kann die Mehrzahl der Grapheme eines Wortes mit dieser Strategie richtig geschrieben werden, vor allem dann, wenn auch die statistische Häufigkeit der einzelnen PhonemGraphem-Korrespondenzen berücksichtigt wird (z. B. sind drei der vier Grapheme des Wortes bei Zugrundelegung der jeweils häufigsten Phonem-Graphem-Korrespondenzen rekonstruierbar). Durch die Nutzung orthographischer Regelmäßigkeiten kann das Ergebnis reiner Konstruktionen beim Schreiben noch verbessert werden (z. B. trotz als Morphemkonstanz zu ). Allerdings ist für das deutsche Schriftsystem auch dann keine ausreichende Annäherung an die Orthographie zu erreichen; die wortspezifischen, lexikalischen Speicherungen der zweiten Komponenten sind deshalb schon gegenstandsbedingt notwendig. Das lexikalische Schreiben ist ein „direktes“ Schreiben, ein Abrufen von orthographischer Information, die im Langzeitgedächtnis gespeichert wird. Die Modalität der Speicherung in einem solchen „orthographischen Lexikon“ ist vermutlich multipel: Im Zentrum stehen die Buchstaben als abstrakte Einheiten; es ist aber anzunehmen, daß auch visuelle, phonemische und graphomotorische Merkmale der Buchstaben oder der ganzen Wörter bzw. Morpheme gespeichert werden. Wie auch bei den Teilprozessen des Lesens, so sind auch die Teilprozesse beim Schreiben interaktiv: Das Schreiben eines Wortes kann sowohl konstruierte als auch abgerufene Elemente enthalten. Simon & Simon (1973) machen explizite Annahmen über das Zusammenspiel der Komponenten: Danach werden Schreibungen aufgrund von Phonem-Graphem-Korrespondenzen generiert und anschließend durch einen Vergleich mit wortspezifischen Eintragungen kontrolliert und „freigegeben“. Obwohl Simon & Simon un-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

terstützende Daten vorweisen, ist die Angemessenheit dieses Modells gegenüber der Alternativen einer direkten Ansteuerung des inneren orthographischen Lexikons noch nachzuweisen. Auch der Erwerb der Wissensbasis für beide Komponenten ist nach Auffassung maßgeblicher Autoren interaktiv (vgl. Templeton & Bear 1992): Phonem-GraphemKorrespondenzen und orthographische Regelmäßigkeiten dienen als Gedächtnisstützen für das Einprägen von Lern- oder Merkwörtern im orthographischen Lexikon; umgekehrt können durch den Erwerb von Lernwörtern die Phonemanalyse geübt und orthographische Regelmäßigkeiten erkannt werden. Welche Komponente zu welchen Zeiten des Entwicklungsprozesses führend ist, ist noch eine offene Frage. 2.3.2. Die Entwicklung von (Recht)schreibstrategien Die Analyse der Entwicklung kindlicher Schreibstrategien ist forschungsmethodisch sehr komplex. Wichtigste Ausgangsdaten sind Rechtschreibfehler, die in ihrer Qualität analysiert werden und Hinweise auf bestimmte Strategien geben (z. B. : vermutlich fälschlich als Morphem interpretiert). Bei Richtigschreibungen sind Interpretationen problematischer, da nicht zu klären ist, inwieweit das kritische Wort/Graphem regelhaft konstruiert oder wortspezifisch abgerufen wurde. Da der traditionelle Deutschunterricht vorrangig das Ziel der Fehlervermeidung verfolgt, liegen Rechtschreibfehler aus dem normalen Unterricht zahlreich nur bei schwachen Schülern vor, die in den vorgegebenen Diktaten überfordert werden. Das Prinzip der Fehlervermeidung verschleiert Entwicklungsstadien vor allem in den Schreibanfängen: Während Erstklässer durchaus in der Lage sind, einige Wörter (der Grundwortschatz umfaßt am Ende des 1. Schuljahrs etwa 100 Wörter) normgerecht auswendig zu lernen und beim Schreiben abzurufen, zeigen freie Schreibungen der gleichen Kinder Konstruktionen, die noch weit von der orthographischen Norm entfernt sind. Ein weiteres methodologisches Problem der Untersuchungen zur Entwicklung von Schreibstrategien ist die Variable des Unterrichts, der vor allem in seinem Einfluß auf das einzelne Kind nicht in allen wichtigen Aspekten erfaßt und protokolliert werden kann; dies ist ein Grund, warum in diesem Forschungsbereich Fallstudien vor allem aus dem Vorschulalter eine besondere Bedeutung

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten

zukommt (vgl. Brinkmann 1992, Eichler 1976, Scheerer-Neumann, Kretschmann & Brügelmann 1986, Scheerer-Neumann 1988). 2.3.2.1. Kritzeln, erste Buchstaben und Wörter Schon für Kindergartenkinder besteht ein Unterschied zwischen „Zeichnen“ und „Schreiben“; sie ahmen in Kritzelbriefen das Schreiben des Erwachsenen nach; herausragendes Merkmal des Kritzelns ist die Linearität und die Verbundenheit der Elemente. Kritzeln als Nachahmung der Schrift bleibt meistens auch dann noch bestehen, wenn vom Kind auch schon einige Buchstaben oder buchstabenähnliche Zeichen und sogar einige Wörter geschrieben werden können. Der Beginn des Schreibens von Wörtern ist in der Regel direkt: Die ersten Wörter, meistens der eigene Name, evtl. und , müssen zunächst lexikalisch gespeichert werden und werden beim Schreiben abgerufen. Das Kind verfügt zunächst noch nicht über die Möglichkeit, Wörter selbständig zu konstruieren. Diese Strategie, die ausschließlich auf dem Abrufen gespeicherter graphemischer Information beruht, wird heute als logographisches (Frith 1985) oder logographemisches Schreiben (K.-B. Günther 1986) bezeichnet. Die gespeicherten Einheiten sind vermutlich Buchstaben, deren phonemische Korrespondenz den Kindern bekannt sein kann, aber nicht muß (z. B. „in ist ein a und ein Stock“). Durch die Annahme von Buchstaben als Einheiten der Speicherung unterscheidet sich die Konzeption des logographischen Schreibens von der Wortbildtheorie der Ganzheitler. Der Wortschatz beim logographischen Schreiben ist meistens sehr klein; tatsächlich ist auch die Gedächtnisbelastung enorm groß: Die Buchstaben der Wörter müssen ohne strukturelle Hilfe ähnlich wie Telefonnummern auswendig gelernt werden. Eine weitere Einschränkung besteht darin, daß nur Wörter geschrieben werden können, deren Schreibweise zuvor von einem Schreibkundigen als Modell vorgegeben wurde; Versuche, Wörter selbständig zu konstruieren, resultieren in zufälligen Buchstabenfolgen, die für andere nicht lesbar sind. Der Begriff der präkommunikativen Phase, den Ehri (1986, 1989) für die beginnende Schreibentwicklung wählt, betont diesen Aspekt; er ist jedoch entwicklungspsychologisch nicht günstig, da er sich auf das Schreibprodukt und nicht auf die Intention des Kindes bezieht. Aus der Bitte, die Kinder in dieser Phase häufig stellen: „Lies mir vor,

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was ich geschrieben habe“ wird deutlich, daß sie das zu Papier gebrachte prinzipiell für kommunizierbar halten. Abbildung 98.2

Abb. 98.2: Zufällige Buchstabenfolge beim Versuch, „Apfel“ zu schreiben (oben) und Schreiben des eigenen Namens (unten) (November Vorschuljahr)

(obere Zeile) zeigt eine entsprechende Konstruktion eines Vorschulkindes beim Versuch, zu einer gezeichneten Vorlage das Wort „Apfel“ zu schreiben. Bemerkenswert ist die Apfelform zwischen den Buchstaben und , die auf Nachfrage von dem Kind eindeutig als Buchstabe bezeichnet wurde. Seinen eigenen Namen schreibt das Kind logographisch; die enorme Gedächtnisbelastung bei dieser Strategie wird in dem Fehler (COSIMIA statt COSIMA) deutlich. 2.3.2.2. Phonographisches Schreiben Der größte Schritt in der Schreibentwicklung, der sich bei den meisten Kindern entweder noch im Vorschulalter oder im frühen 1. Schuljahr vollzieht, ist die Erkenntnis der Korrespondenz zwischen gesprochener und geschriebener Sprache auf der Ebene ihrer kleinsten Elemente, der Phoneme und Grapheme. In Verbindung mit der sich entwikkelnden Fähigkeit, gesprochene Wörter in ihre Phonembestandteile zu gliedern und den so gewonnenen Phonemen Grapheme zuzuordnen, ist sie der Beginn einer entscheidenden neuen Strategie. Diese neue konstruktive Strategie wird als phonographisches (H. Günther 1995), alphabetisches (Frith 1985, K.-B. Günther 1986) aber auch als phonetisches bzw. lautorientiertes (Ehri 1986, 1989) oder phonemisches (Scheerer-Neumann 1989) Schreiben bezeichnet. Die Termini phonemisch bzw. phonetisch oder lautorientiert differenzieren den Prozeß und sind deshalb als Oberbegriff weniger geeignet; in der Literatur häufig zu finden ist Friths Vorschlag der al-

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VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

phabetischen Strategie; treffender ist jedoch der Begriff des phonographischen Schreibens, der deshalb als Oberbegriff hier verwendet werden soll. Die Entwicklung während der Phase des phonographischen Schreibens ist so umfassend, daß sie von den meisten Autoren in weitere Stufen aufgeteilt wird. 2.3.2.2.1. Beginnendes phonographisches Schreiben Mit Beginn des phonographischen Schreibens hat ein Kind zum ersten Mal die Möglichkeit, ihm graphemisch unbekannte Wörter zu konstruieren. Diese Konstruktionen sind zunächst nur erste Annäherungen an vollständige phonographische Verschriftungen; sie haben die folgenden charakteristischen Besonderheiten: ⫺





Es ist eine deutliche Bevorzugung der Verschriftung der Anfangsphoneme zu beobachten, auf die die Schreibungen auch reduziert sein können (z. B. für „Sonne“). Konsonanten werden gegenüber Vokalen bevorzugt (z. B. für „Hund“, für „Bild>); man spricht von konsonantischen Skelettschreibungen. Nach den Anfangsphonemen folgen in der Bevorzugung Endphoneme und bei mehrsilbigen Wörtern Silbenanfänge; ausgelassen werden zumeist Konsonanten bei Konsonantengruppen sowohl am Silbenbeginn als auch am Silbenende (vgl. , , und auch für „Brot“).

Der Grund für die zunächst so rudimentäre phonographische Verschriftung ist nicht nur in der bei den meisten Kindern zu diesem Zeitpunkt noch unvollständigen Kenntnis von Phonem-Graphem-Korrespondenzen zu finden, sondern in den zu hohen Anforderungen, die die vollständige Phonemanalyse an Kinder stellt, für die bisher die gesprochene Sprache nur in ihren semantischen Aspekten relevant war (vgl. 2.2.4.). Die Unvollständigkeit ist durch die noch geringen Fähigkeiten zur Phonemanalyse begründet und liegt nicht in der Intention: Deshalb ist auch Ehris Begriff des semiphonetic stage für diese Stufe zumindest mißverständlich. Die Bevorzugung von Konsonanten als erste Elemente, die verschriftet werden, ist vermutlich im Rückgriff auf die eigene Artikulation begründet, die bei vielen Kindern unmittelbar während ihrer sprachanalytischen Bemühungen beobachtet werden kann. Die be-

ginnende phonographische Strategie hat nicht nur einen Einfluß auf Wortkonstruktionen, sondern auch auf vorgegebene Wörter, deren Schreibungen die Kinder sich einzuprägen versuchen: Wenigstens einige der vorgegebenen Grapheme werden aus der phonologischen Struktur des Wortes einsichtig und sind damit leichter erlernbar. 2.3.2.2.2. Entfaltung der phonographischen Strategie Längsschnittstudien zeigen, daß sich die Schreibungen in der Regel während des 1. Schuljahrs im Hinblick auf den Phonembestand der Wörter relativ rasch vervollständigen (Brügelmann 1987). Auch bei Ergänzung der konsonantischen Skelettschreibungen beschränken sich die Verschriftungen jedoch zunächst auf akustisch-auditiv ausgezeichneter Lautwerte (Eichler 1976): Ausgelassen werden noch die Laute, die „im Windschatten“ stehen (Eichler 1976, S. 250). Das Entwicklungstempo der einzelnen Kinder bei der Vervollständigung der phonemischen Verschriftungen weist eine sehr große Variationsbreite auf: Einige Kinder erreichen dieses Ziel bereits nach einigen Monaten im 1. Schuljahr, während andere noch im 2. Schuljahr rudimentär schreiben (vgl. Scheerer-Neumann 1993). Bei unvollständig wiedergegebenen Wörtern fallen am ehesten Übergangskonsonanten (z. B. ) aus und ganz allgemein Grapheme in längeren Wörtern. Das Schreiben wird auch weiterhin von der eigenen Artikulation begleitet; die Kinder sprechen sich vor allem längere Wörter mehrfach oder in Wortteilen vor, weil es ihnen nicht gelingt, ihre Aufmerksamkeit beim einmaligen Sprechen sequentiell auf alle Phoneme zu richten. Abbildung 98.3 zeigt ein

/b/

/br/

/brin:/

/brinnt/

/brinnt/

/brinnt/

Abb. 98.3: Segmentierendes Mitsprechen beim Schreiben (1. Schuljahr)

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten

Schreibprotokoll sowie das Protokoll des begleitenden Sprechens von einem Mädchen am Ende des 1. Schuljahrs (aus Scheerer-Neumann 1994); leider liegen keine synchronen Daten zum Sprechen und Schreiben vor. Die mehrfache Wiederholung des ganzen Wortes am Ende ist darauf zurückzuführen, daß das Kind selbst mit der Zuordnung nicht zufrieden war, ihm aber kein anderes Graphem zur Repräsentation von zur Verfügung stand. Daß die Wiedergabe des Phonembestands im Laufe der Entwicklung der phonographischen Strategie auf charakteristische Weise immer vollständiger wird, ist unumstritten. Offen sind jedoch qualitative Veränderungen: Eichler (1976) geht im Anschluß an Read (1974) davon aus, daß eine Entwicklung von phonetischer zu phonemischer Verschriftung vorliegt. Tatsächlich lassen sich auf einer frühen Stufe der phonographischen Verschriftung phonetische Schreibungen nachweisen: So hat ein Kind im Beispiel für „Schule“ das phonologisch irrelevante anlautende [i] verschriftet. Auf der anderen Seite lassen dieses und andere Beispiele keine Generalisierung zu: Frühes phonographisches Verschriften ist keineswegs konsequent phonetisch: Die Schreibungen werden schon zu Beginn der phonographischen Strategie von dem Graphemrepertoire geprägt, das den Kindern jeweils zur Verfügung steht und phonembezogen ist. Insofern könnte die Hypothese von Eichler nur in Experimenten mit einem von den Kindern selbst erfundenen Alphabet untersucht werden. Wie sehr die Verschriftungen von den bekannten Graphemen abhängen, wurde in dem Beispiel auf Abbildung 98.3 deutlich: Ein wahrgenommener Unterschied wurde aus Mangel an einem geeigneten Graphem nicht wiedergegeben. Richtig ist allerdings, daß die Kinder auf dieser Stufe versuchen, ihre Wahrnehmungen und eigene Aussprachen sehr genau zu analysieren und umzusetzen, so daß in den Schreibungen häufig dialektbedingte Schreibvarianten zu finden sind. Mit zunehmender Übung und der entsprechenden Leichtigkeit in der Phonemanalyse wird bei vielen Kindern die phonographische Strategie extrem dominierend. Die Kinder verfolgen diese Strategie mit einer solchen Stringenz, daß sie auch „nicht-phonemgetreue“ lexikalisch schon beherrschte Wörter „regularisieren“. Im Extremfall kann dies sogar den eigenen Namen betreffen, wenn z. B. nach mehreren Jahren richtigen logographi-

1165

schen Schreibens auf einmal aus wird. Das extreme phonemorientierte Schreiben ist entwicklungspsychologisch ebenso interpretierbar wie das extreme Erlesen: Auch hier wird ein neu erkanntes Prinzip sehr konsequent in eine Strategie umgesetzt und dies sogar entgegen dem Einfluß der Schule, die in der Regel orthographisch korrekte Schreibungen fordert. Durch die Artikulation der Wörter entsprechend ihrer Schreibung als Merkstrategie (Rechtschreibsprache, Pilotsprache, z. B. [fa:ter] anstelle von fa:t) kann die phonemorientierte Strategie sogar bei Lernwörtern eingesetzt werden, die von einer einfachen phonographischen Schreibung abweichen. 2.3.2.3. Korrekturen durch die Nutzung orthographischer und morphematischer Strukturen Die ursprüngliche Konzeption der orthographischen Strategie von Frith (1985) als einer direkten Strategie wird in der heutigen Schriftspracherwerbsforschung nicht geteilt. Die orthographisch/morphematische Strategie gilt als Strategie zur Korrektur der rein phonographischen Strategie, ohne Implikation von deren Aufgabe (Ehri 1992). Durch direkte Instruktion im Unterricht und/oder durch die eigenaktive Auseinandersetzung mit Lernwörtern gewinnen die Kinder einen Einblick in orthographische Strukturen, die sie nun bei Konstruktionen neben phonographischen Prinzipien einsetzen (vgl. Balhorn 1985). Der Beginn der orthographisch/morphematischen Strategie muß sich nicht erst an die voll entfaltete phonographische Strategie anschließen, sondern kann vor allem in einem entsprechend gesteuerten Unterricht ebenso schon parallel zu ihr auftreten. Für den Erwerb der relevanten orthographischen Strukturen ist ein Zeitraum von mehreren Jahren anzusetzen, so daß es sich anbietet, auch diese Phase weiter zu unterteilen. Allerdings ist vermutlich keine reine Sequenz angemessen, sondern eher eine Konstellation, die Eichler & Thome` (1995) als zeitlich versetzte Parallelität bezeichnen. Insofern ist es fraglich, ob überhaupt von einer orthographischen Strategie gesprochen werden sollte. „Orthographisch richtiges Schreiben kommt eher durch ein Bündel verschiedener Strategien zustande, als daß es selbst eine Strategie ist“ (Eichler & Thome´ 1995, S. 35). Relativ früh scheinen die Endmorpheme und erworben zu werden; relativ leicht zu vermitteln sind auch die Morphemkonstanz

1166 und die wichtigsten Prinzipien der Groß- und Kleinschreibung. Ob überhaupt, ab wann und unter welchen Instruktionsbedingungen die suprasegmentalen Strukturen der Dehnung und Schärfung beherrscht werden, ist noch eine offene Forschungsfrage (vgl. aus neuerer rechtschreibdidaktischer Sicht hierzu Röber-Siekmeyer 1993). Aus Übergeneralisierungen (z. B. ) läßt sich entnehmen, daß Kinder sich prinzipiell mit diesen Strukturen auseinandersetzen. Nach den Untersuchungen von May (1990) wird der morphemische Aufbau von Wörtern erst ziemlich spät genutzt: Bei dem Wort , das an drei Stellen von der phonographisch zu erwartenden Schreibweise abweicht, wurde das zweite , das sich aus der Morphemstruktur des Wortes ergibt, sowohl von schwachen als auch vor guten Rechtschreibern erst nach den beiden anderen Schwierigkeiten (Dehnungs-h und Auslautverhärtung) berücksichtigt. Dieser Befund stimmt mit Untersuchungen der Forschergruppe um Henderson überein, die in umfangreichen Studien den Verlauf der Aneignung orthographischer Strukturen für den englischsprachigen Raum untersucht haben (Henderson 1992, vgl. Templeton & Bear 1992). Sie beobachten relativ früh die Berücksichtigung von Wortmustern (withinword-pattern, z. B. Endung) und nehmen als letzte Entwicklungsstufe den Einblick in gleiche Morphembestandteile vor allem bei Wörtern lateinischen und griechischen Ursprungs an (derivational constancy, z. B. declare, declaration). Nicht nur der Orthographieerwerb insgesamt, auch die Aneignung der einzelnen orthographischen Strukturen, die jeweilige innere Regelbildung (Eichler) ist ein Prozeß mit qualitativen Verlaufsmerkmalen. Bekannt ist das Phänomen der Übergeneralisierung: Bestimmte Rechtschreibfehler treten erstmals dann auf, wenn ein Kind sich überhaupt mit der entsprechenden orthographischen Struktur befaßt (z. B. ). In einem größeren Projekt untersucht Eichler seit einigen Jahren den Verlauf der inneren Regelbildung. Für den Bereich der --Schreibung konnten Eichler & Thome´ (1995) zeigen, daß nach einer anfänglichen Sicherheit (Vermutete innere Regel: „Den Laut /f/ schreibe ich normalerweise mit , außer bei bestimmten Wörtern, die ich kenne“), Fehler durch nicht-indizierte -Schreibungen entstehen (z. B. , ), die erst allmählich ⫺ vermutlich durch morphematische Einsichten ⫺ reduziert werden.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Übereinstimmend mit dieser Hypothese bleiben Fehler bei und besonders lange bestehen. 2.3.2.4. Überwiegend lexikalisches Abrufen Im Laufe des Erwerbs der Rechtschreibung verändert sich das Verhältnis von Abrufen und Konstruktion zugunsten des lexikalischen Prozesses, der weitgehend automatisiert wird. Allerdings bleiben phonemanalytische bzw. artikulatorische Prozesse zur Handlungssteuerung auch beim Erwachsenen erhalten; das „leise, innere Mitsprechen“ beim Schreiben steuert die Abfolge auch der bekannten Grapheme eines Wortes.

3.

Implikationen für die Didaktik des Erstlesens- und -schreibens

Die entwicklungspsychologische Lese- und Schreibforschung ist trotz ihrer älteren Wurzeln eine noch recht junge Disziplin, von der noch viele Einsichten in die Prozesse beim Erwerb der Schriftsprache zu erwarten sind. Trotz dieser Situation und der Unterschiede in den Modellvarianten, lassen sich von den jetzigen Erkenntnissen einige didaktische Implikationen ableiten, die zum Teil auch schon umgesetzt werden und damit die prinzipielle Anwendbarkeit der Schriftspracherwerbsforschung aufzeigen: ⫺ Der Schriftspracherwerb ist als mehrstufiger Entwicklungsprozeß zu verstehen, in dem Kinder nach und nach die verschiedenen Prinzipien der deutschen Schriftsprache vorwiegend eigenaktiv erwerben. Bestimmte Lese- und Schreibfehler treten entsprechend entwicklungsbedingt auf und müssen toleriert werden. Diese Forderung hat es an deutschen Schulen sehr schwer, sich gegen das Prinzip der Fehlervermeidung durchzusetzen. ⫺ Die phonemanalytischen und -synthetischen Lese- und Schreibprozesse nehmen in der Gesamtentwicklung beim Schriftspracherwerb eine herausragende Funktion ein. Ihnen ist sowohl in der Didaktik des Erstleseund Schreibunterrichts als auch bei der Förderung lese-rechtschreibschwacher Kinder besondere Aufmerksamkeit zu widmen. ⫺ Lern- und Entwicklungsprozesse beim Schriftspracherwerb sind nicht allein durch Instruktion zu beeinflussen. Der Unterricht muß sich entsprechend dem Entwicklungstempo und den Lernverläufen der einzelnen Kinder individuell anpassen.

98. Der Erwerb der basalen Lese- und Schreibfähigkeiten

Diese Forderungen werden auch international in sehr ähnlicher Form gestellt; dies gilt insbesondere für die notwendige Individualisierung, durch die ⫺ wenn sie konsequent umgesetzt wird ⫺ auf eine besondere Beschulung langsam und erschwert lesen- und schreiben-lernender Kinder verzichtet werden kann. Eine konsequente Umsetzung fordert allerdings sehr günstige schulorganisatorische und pädagogische Rahmenbedingungen, die in der Mehrzahl der Schulen nicht gegeben sind.

4.

Literatur

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1169

99. Die Entfaltung der Fähigkeit des Lesens Sticht, T. G., Beck, L. B., Hauke, R. N., Kleimann, G. M. & James, J. H. 1974. Auding and reading: A developmental model. Alexandria, Va.: Human Resources Research Organisation. Stuart, M. & Coltheart, M. 1988. Does reading develop in a sequence of stages? Cognition, 30, 139⫺181. Templeton, Shane & Bear, Donald (ed.). 1992. Development of orthographic knowledge and foundations of literacy. A Memorial Festschrift for Edmund H. Henderson. Hillsdale, N. J. Treiman, Rebecca. 1985. Onsets and rimes as units of spoken syllables: Evidence for children. Journal of Experimental Child Psychology, 39, 161⫺181. Tulving, E. & Gold, C. 1963. Stimulus information and contextual information as determinants of tachistoscopic recognition of words. Journal of Experimental Psychology, 66, 319⫺327.

van den Bosch, Karel. 1991. Poor readers’ decoding skills. Unveröffentlichte Dissertation. Katholieke Universiteit Nijmegen. Wimmer, Heinz, Hartl, M., Moser, E. 1990. Passen „englische“ Modelle des Schriftsprachserwerb auf „deutsche“ Kinder? Zweifel an der Bedeutsamkeit der logographischen Stufe. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 22, 136⫺154. Wimmer, Heinz, Klampfer, Barbara & Frith, Uta. 1993. Lesenlernen bei englischen und bei deutschen Kindern. In: Balhorn, Heiko & Brügelmann, Hans (ed.). Bedeutungen erfinden ⫺ im Kopf, mit Schrift und miteinander. Konstanz.

Gerheid Scheerer-Neumann, Potsdam (Deutschland)

99. Die Entfaltung der Fähigkeit des Lesens 1. 2. 3. 4.

Eingrenzung des Themas Lesen Aspekte der sich entfaltenden Lesefähigkeit Literatur

1.

Eingrenzung des Themas

Die folgenden Ausführungen gelten den psychischen Aspekten der sich entfaltenden Lesefähigkeit. Dennoch verfolgen sie in erster Linie nicht unmittelbar psychologisch-empirische Fragestellungen, sondern bleiben eher im Bereich theoretischer Erwägungen, um auf grundsätzlicher Ebene Marken für die Erkundung des schriftlichen Sprachgebrauchs zu setzen, dessen rezeptive Seite das Lesen ist und dessen genuine Leistungen für gewöhnlich ‘Verstehen’ und ‘Interpretieren’ genannt werden. Das Hervorkehren des Entfaltungsmoments besagt, daß weder der Bereich des basalen Erwerbs noch die Verfahren der unterrichtlichen Organisation des Schriftspracherwerbs im Vordergrund stehen; ebensowenig können historische und soziale Faktoren einer veränderlichen Lesegewohnheit und Lesesituativität gebührend berücksichtigt werden; vielmehr rücken solche Komponenten des Lesevorgangs und ihre psychischen Korrelate in den Mittelpunkt, die von Anfang an und immer wieder die Lesefähigkeit als (unreduzierte und unreduzierbare) Verstehensleistung begründen.

Das Beharren auf dem Begriff der Lesefähigkeit weist zwar darauf hin, daß fortgeschrittene Fähigkeiten zur Analyse, Kritik und schriftmotivierter Praxis (vor allem im Bereich der Teilnahme an ästhetischen Prozessen) jenseits des Darstellungshorizonts liegen, doch ergibt sich aus dem elementaren Zusammenhang zwischen semiotischer Praxis, Sprachgebrauch und Schriftkultur eine grundsätzliche funktionale Einheit bzw. zyklische Verwobenheit von Lesen, Verstehen, Interpretieren und Interagieren, die es ratsam erscheinen läßt, von allen unterrichtsbedingten partiellen oder linear sukzessiven Momenten des einen, einheitlichen Leistungszusammenhangs abzusehen. Die Frage nach der Entfaltung der Lesefähigkeit fällt also substantiell zusammen mit Fragen nach der Verstehensfähigkeit in Situationen schriftsprachlichen Handelns; es geht mithin um Sprachentwicklungen, die ein Leben lang dauern und die sich dabei keineswegs nur verbessern können. ‘Lesefähigkeit’ bezeichnet, so gesehen, eine ähnliche Idealisierung wie ‘kommunikative Kompetenz’, für die man zwar Richtmaße vereinbaren kann, die aber ⫺ nach einem Diktum Schleiermachers (1838/ 1977, 84) ⫺ nie ganz verfügbar ist. Auch muß es fraglich bleiben, ob eine grenzenlose Entfaltung der Lesefähigkeit denkbar und wünschenswert ist; nur ein bestimmter Stellenwert des Lesens innerhalb sprachlicher, kognitiver und kultureller Praxis verleiht dem Lesen einen konkreten Sinn.

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99. Die Entfaltung der Fähigkeit des Lesens Sticht, T. G., Beck, L. B., Hauke, R. N., Kleimann, G. M. & James, J. H. 1974. Auding and reading: A developmental model. Alexandria, Va.: Human Resources Research Organisation. Stuart, M. & Coltheart, M. 1988. Does reading develop in a sequence of stages? Cognition, 30, 139⫺181. Templeton, Shane & Bear, Donald (ed.). 1992. Development of orthographic knowledge and foundations of literacy. A Memorial Festschrift for Edmund H. Henderson. Hillsdale, N. J. Treiman, Rebecca. 1985. Onsets and rimes as units of spoken syllables: Evidence for children. Journal of Experimental Child Psychology, 39, 161⫺181. Tulving, E. & Gold, C. 1963. Stimulus information and contextual information as determinants of tachistoscopic recognition of words. Journal of Experimental Psychology, 66, 319⫺327.

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Gerheid Scheerer-Neumann, Potsdam (Deutschland)

99. Die Entfaltung der Fähigkeit des Lesens 1. 2. 3. 4.

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1.

Eingrenzung des Themas

Die folgenden Ausführungen gelten den psychischen Aspekten der sich entfaltenden Lesefähigkeit. Dennoch verfolgen sie in erster Linie nicht unmittelbar psychologisch-empirische Fragestellungen, sondern bleiben eher im Bereich theoretischer Erwägungen, um auf grundsätzlicher Ebene Marken für die Erkundung des schriftlichen Sprachgebrauchs zu setzen, dessen rezeptive Seite das Lesen ist und dessen genuine Leistungen für gewöhnlich ‘Verstehen’ und ‘Interpretieren’ genannt werden. Das Hervorkehren des Entfaltungsmoments besagt, daß weder der Bereich des basalen Erwerbs noch die Verfahren der unterrichtlichen Organisation des Schriftspracherwerbs im Vordergrund stehen; ebensowenig können historische und soziale Faktoren einer veränderlichen Lesegewohnheit und Lesesituativität gebührend berücksichtigt werden; vielmehr rücken solche Komponenten des Lesevorgangs und ihre psychischen Korrelate in den Mittelpunkt, die von Anfang an und immer wieder die Lesefähigkeit als (unreduzierte und unreduzierbare) Verstehensleistung begründen.

Das Beharren auf dem Begriff der Lesefähigkeit weist zwar darauf hin, daß fortgeschrittene Fähigkeiten zur Analyse, Kritik und schriftmotivierter Praxis (vor allem im Bereich der Teilnahme an ästhetischen Prozessen) jenseits des Darstellungshorizonts liegen, doch ergibt sich aus dem elementaren Zusammenhang zwischen semiotischer Praxis, Sprachgebrauch und Schriftkultur eine grundsätzliche funktionale Einheit bzw. zyklische Verwobenheit von Lesen, Verstehen, Interpretieren und Interagieren, die es ratsam erscheinen läßt, von allen unterrichtsbedingten partiellen oder linear sukzessiven Momenten des einen, einheitlichen Leistungszusammenhangs abzusehen. Die Frage nach der Entfaltung der Lesefähigkeit fällt also substantiell zusammen mit Fragen nach der Verstehensfähigkeit in Situationen schriftsprachlichen Handelns; es geht mithin um Sprachentwicklungen, die ein Leben lang dauern und die sich dabei keineswegs nur verbessern können. ‘Lesefähigkeit’ bezeichnet, so gesehen, eine ähnliche Idealisierung wie ‘kommunikative Kompetenz’, für die man zwar Richtmaße vereinbaren kann, die aber ⫺ nach einem Diktum Schleiermachers (1838/ 1977, 84) ⫺ nie ganz verfügbar ist. Auch muß es fraglich bleiben, ob eine grenzenlose Entfaltung der Lesefähigkeit denkbar und wünschenswert ist; nur ein bestimmter Stellenwert des Lesens innerhalb sprachlicher, kognitiver und kultureller Praxis verleiht dem Lesen einen konkreten Sinn.

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2.

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

Lesen

Sieht man davon ab, ‘Lesen’ als das zu definieren, was sich erst auf Grund der Erfindung des Buchdrucks in den Einzelsprachen ausgebreitet hat (z. B. ‘Kulturtechnik’) oder was unterrichtlich im ersten Schuljahr geboten bzw. erreicht werden kann (z. B. ‘Lesetechnik’), und versucht statt dessen, den Begriff sprachpsychologisch als speziellere Bezeichnung für sprachrezeptive Akte zu verstehen, so erschließt sich die Eigenart des Lesevorgangs in einem Zusammenwirken von Wahrnehmen, Verarbeiten und Verstehen anläßlich visueller Reize in typisch schriftsprachlichen Situationen (im Gegensatz zum Hörverstehen, das anläßlich auditiver Reize in typisch sprechsprachlichen Situationen erfolgt). Da Wahrnehmensleistungen erfahrungsbedingt und interessegeleitet sind und Verarbeitungsprozesse auf Wissensbestände zurückgreifen, hängen beide grundsätzlich mit Verstehensmomenten als den Sedimenten von Lernerfahrung, Denken und Wollen zusammen, so daß die drei Komponenten entweder gleichzeitig oder zyklisch verbunden im Prozeß der Sprachrezeption beteiligt sind. Hinzu kommt, daß der Gebrauch der Schriftsprache für gewöhnlich auf Momente der gesprochenen Sprache Bezug nimmt; abgesehen von den dabei auftretenden variierenden Formen dieses ‘Rückgriffs’ verbindet sich dadurch mit dem Lesen ⫺ von früh auf ⫺ prototypisch ein Sprachbewußtsein, das dem Vorgang eine Art Janusgesicht verleiht, insofern er einerseits als bloße Brücke zum vertrauten Sprachufer des Gesprochenen, andererseits aber als Hort der ‘reinen Sprachlichkeit’, befreit von jeglicher situativer Stütze, erfahren wird. Hier liegt der Grund für den schillernden Begriff der Lesefähigkeit, die in der Tradition ihrer Unterweisung als Sprachideal wie als Werkzeug gilt und im Leben als Selbstzweck und Mittel empfohlen wird. Die einzige Lesefähigkeit, die man von einem Leser jeden Alters, unter allen erdenklichen Bedingungen und gegenüber jedem beliebigen muttersprachlichen (alphabetischen) Lesestoff erwarten kann, besteht darin, (‘fremde’) Texte zu verstehen; es gibt keine andere Fähigkeit, die diese Fähigkeit ersetzt oder nur zum Teil erfüllt oder gar überbietet, aber es gibt natürlich die weite Spanne der unterschiedlichen Verstehensmöglichkeiten, -grade und -erfolge, und es gibt die bunte Palette aller aus ihnen hervorgehenden Handlungen. Die Entfaltung der Le-

sefähigkeit bedeutet demnach die Entfaltung der Verstehensfähigkeit im Bereich der geschriebenen Sprache zum Zweck der Teilnahme an Situationen, in denen schriftliches Handeln erwartet wird und anerkanntermaßen zu Zielen führt. Doch scheint diese Erwartung gerade dort wenig zu nützen, wo es um die Entscheidung geht, ob jemand die Lesefähigkeit besitzt. Das Verstehenskriterium erscheint einerseits als zu vage, insofern es weder einen Schwellen-Index noch eine ‘Füllgrenze’ hat, die es vom Nicht-Verstehen abhebt bzw. als erfüllt ausweist, andererseits als zu streng, insofern es in gewissen Lesevollzügen fehlen mag; der erste Gesichtspunkt zielt auf einen Maßstab für Verhaltensweisen ab, die das Verständnis anzeigen, der zweite Gesichtspunkt weist auf die Regelung zurück, leseähnliches Verhalten gleichfalls ‘lesen’ zu nennen (zur Geschichte der Weltbuch-Metapher s. Blumenberg 1981). Nun gilt auch vom Lesen, was Bieri (1988, 15) anläßlich seiner begrifflichen Phänomenologie eines denkenden Wesens herausgearbeitet hat: Wir haben es uns angewöhnt, geistige Fähigkeiten klar zu identifizieren, ohne tatsächlich die gemeinten Vorgänge ‘im Innern’ zu kennen; dabei lassen wir uns mit Vorliebe von Stereotypen des Leseverhaltens wie dem Lautieren oder der Buch-Leser-Umwelt-Konfiguration (zum nach wie vor lebendigen ‘Behaviorismus’ einer ‘vertieften Lektüre’ s. Hauschka 1988, 227) leiten. Hier helfen die neueren Vorstellungen vom Lesen als einem Prozeß, in dem Informationen verarbeitet werden, ein Stück weiter. Obwohl auch sie den Gedanken einer ansteigenden Folge vom (eher mechanischen) Aufnehmen sensorischer Reize bis zum verständigen Umgang mit bedeutungsvollen Einheiten nahelegen, entschärfen sie den problematischen Begriff von isolierbaren Teilfertigkeiten dadurch, daß sie die Möglichkeiten zur zyklischen oder gleichzeitigen Verarbeitung unterschiedlicher Aufgaben freistellen und daß sie ausdrücklich die entgegengesetzten Möglichkeiten der datengetriebenen und wissensgesteuerten Verarbeitung einkalkulieren. Wenn Lektüre somit nicht mehr prototypisch als Buchstabierarbeit (man denke an den irreführenden und dennoch gebräuchlichen Begriff der Alphabetisierung) und infolgedessen Lautgewinnung, sondern als Informationsauswertung auf unterschiedlichen Ebenen verstanden wird, so erscheint derselbe Vorgang nicht etwa nur in einer allgemeineren, sondern gerade auch präziseren Formulie-

99. Die Entfaltung der Fähigkeit des Lesens

rung: Buchstaben gelten jetzt nicht als die einzigen Informationsträger, vielmehr werden ‘unter’ wie ‘über’ ihnen weitere Einheiten (Buchstabenmerkmale, orthographische Gruppen usw.) relevant. Lektüre als ‘Verarbeitung’ erweist sich insbesondere als interpretativer Prozeß, der (materiellen) Reizen eine semiotische Rolle in ‘Sprachspielen’ zuerkennt, semantische ‘Bedürfnisse’ befriedigt (Informationsgewinnung als Verringerung von Ungewißheit) und pragmatische Interessen (Lesen als ‘Fortsetzungsgeschehen’) weckt (→ Art. 81, 82). Die Aufgabe der Wahrnehmung als erstes Moment der Informationsverarbeitung liegt darin, die optischen Reize als alphabetische Informationen zu identifizieren (Gough 1972, Samuels & Eisenberg 1981), so daß statt der bloßen Strichmuster nunmehr unterscheidbare Buchstaben(gruppen), d. h. spezifische schriftsprachliche Zeichen erkennbar werden. Aus der abenteuerlichen Geschichte der Schriftentzifferung (→ Art. 29) sind die Schwierigkeiten, zu entscheiden, ob eine vermeintliche ‘Spur’ ein Zeichen, ein Buchstabe oder nicht doch nur ein zufälliger Klecks ist, hinlänglich bekannt; die Editionswissenschaft, so sie mit Handschriften arbeitet, hat allenthalben mit solchen Konflikten zu tun. Die weitere Verarbeitung ordnet den erkannten Buchstaben(zeichen) gewußte Lautmuster zu: Wer liest, nimmt nicht Buchstaben wahr und findet dazu den passenden Laut, sondern er bezieht das zu Identifizierende auf seinen Kontext und seine Position im Wort (Morphem), und vor allem verarbeitet er die bedeutungsunterscheidende Funktion der Buchstaben, indem er sie mit der bedeutungsunterscheidenden Funktion der ‘Laute’ verbindet; vermutlich handelt es sich hierbei um einen wechselseitigen Vorgang, bei dem der Begriff des Phonems erst im Zuge der Erlernung der Buchstabenfunktion bewußt wird (wie oft denken gerade Erwachsene an ‘Buchstaben’, wenn sie ‘Laute’ meinen, weil sie sich diese erst und oft auch allein als Buchstaben vergegenständlicht haben). Verstehen heißt, Zeichen auszuwerten bzw. die (hypothetisch) begonnene Semiose zu vollenden und zu bestätigen bzw. zu modifizieren; wer ein (geschriebenes) Wort als ‘Figur’ einer Äußerung versteht, vermag darüber hinaus auch metasprachlich mit ihm umzugehen, er kann es z. B. aussprechen und buchstabieren, umgekehrt aber fällt ihm keineswegs das Verständnis in den Schoß, wenn er nur buchstabiert (Gibson & Levin 1975/

1171 1989, 220 f); abermals sei an die Erfahrungen mit der Edition älterer Handschriften erinnert, die in gewisser Weise die Pionierleistungen der frühen Leser drastisch wiederholen. ‘Erkennen’, ‘Zuordnen’ und ‘Auswerten’ heißen somit die charakteristischen Komponenten des Lesevorgangs; ihre Implikationen und Konsequenzen ergeben zugleich ein Bild der psychischen Aspekte der zu entfaltenden Lesefähigkeit. Buchstaben, Wörter, Sätze und Texte gleichen hinsichtlich des Verhältnisses zwischen dem, was sie sind und was sie bewirken, jenem Schaltpult im Führerstand einer Lokomotive, wie es Wittgenstein (1952/77, 21 f) beschrieben hat, um die verschiedenen Sprachspiele zu illustrieren, in die sich ein vermeintlich eindeutiger Begriff auflöst: Einige Buchstaben bezeichnen ‘Laute’ (einen oder mehrere), andere modifizieren sie (z. B. -h), wieder andere deuten darüber hinaus Wortarten oder Positionen im Satz an (Großschreibung), und schließlich stehen sie auch für grammatische Morpheme (z. B. -t für 3. Pers. Sg. Präs.). Einige Wörter haben mehr oder minder konkrete Bedeutungen, die man hinzeichnen kann (Portrait des Namensträgers, Baum, rot), bei anderen muß man bereits zu Stilisierungen greifen (gehen) oder stereotype Muster als Assoziationshilfen ausmalen (Ferien, rauh), wieder andere lassen sich überhaupt nicht abbilden (er, das, so, und, doch, mit, zu). Kein Wort bedeutet in einer Äußerung nur kraft seiner selbst das, was es zu verstehen gibt, und dennoch dient es als Angelpunkt in hermeneutischen Streitfällen. Linguistisch gesehen hat jeder Satz eine Proposition; ihn als Äußerung zu verstehen heißt, seine Proposition zusammen mit ihren modalen Relationen dem System der semantischen Repräsentation einzufügen. Das ist jedoch keine ‘Abschreibearbeit’, denn Propositionen ‘verbergen’ sich sowohl in der ‘Fülle’ der Sätze als auch in der ‘Leere’ dessen, was zwischen den Zeilen steht; vielmehr geht es um Analyse, Kommentar, Schlußfolgerung und Interpretation. Ein Beispiel aus einem Jugendbuch: „Der Mann trug einen apfelgrünen Rock, gelbe Kniehosen, weiße Seidenstrümpfe und schwarze Schnallenschuhe. Altmodisch. Wer heutzutage auf sich hielt, ging im braunen, grauen oder schwarzen Rock einher. Und doch: der Fremde stand so selbstsicher dort, als seien apfelgrüne Röcke der letzte Schrei von Paris.“ (Cili

1172 Wethekam: Tignasse, Kind der Revolution. 1972/80, 5) Die beiden Sätze „Altmodisch.“ sowie „Und doch:“ verkürzen ihre Prädikation, so daß sich ihre Propositionen nur durch Schlußfolgerungen ermitteln lassen. Der erste und der dritte Satz unterscheiden sich bezüglich ihrer modalen Relationen, so daß sich ihre Repräsentationen im semantischen Gedächtnis auf verschiedene ‘Schubfächer’ verteilen werden. Eine Satzperiode wie der dritte Satz kombiniert Propositionen und verdeutlicht, wie irreführend hier jede ‘atomistische’ Konzeption wäre. Das Beispiel zeigt darüber hinaus die satzübergreifenden Bausteine eines Textes: Die initiale Wahl des bestimmten Artikels aktualisiert anaphorische Funktionen an einer Stelle, die Kataphorik erwarten läßt. „Altmodisch.“ signalisiert den Blick- und Rede-Standpunkt der beteiligten Beobachter-Rolle. Verglichen mit Beispiel-Sätzen aus Lehrbüchern, die den Verstehensvorgang als propositionale Repräsentation im Wissenssystem des Rezipienten erklären (Wessells 1984, 322 ff), wirkt diese Anfangspassage eines Romans „ab 14“ höchst kompliziert. Dennoch zeigt eher sie die ‘normale’ und typische Verstehensaufgabe des sich entfaltenden Lesers an. Eine Theorie, die von Satzpaaren ausgeht (z. B. „Jemand raubte die Bank aus. Es war Tom, der die Bank ausraubte.“ Wessells 1984, 323), um an ihnen den spezifischen Strategietypus der propositionalen und inferentiellen Verarbeitung zu entwickeln, ‘verkehrt’ das Bild der sprachlichen Leistungen ebenso wie die noch immer im Erstleseunterricht anzutreffende Entscheidung, die eine Eins-zuEins-Beziehung zwischen (isoliertem) Buchstaben und ‘Laut’ als Normalfall ansetzt und die ⫺ eigentlich viel häufigeren ⫺ Mehrdeutigkeiten als Ausnahmen relativiert. Eine der Textwirklichkeit angemessene Sprachverwendungstheorie sollte sich von allen gebrauchsfremden Einfachheitsvorstellungen befreien und ihre Theorie nicht mit Attrappensätzen illustrieren, die vom Leser insofern merkwürdige Verstehensleistungen abfordern, als er eigentlich verarbeiten müßte, was der Wissenschaftler ‘hinter dem Rücken’ seines SatzPräparats meint, tatsächlich aber verstehen soll, was ein hypothetischer Sprecher ‘im Ernstfall’ meinen könnte. Texte beschreiben, erzählen, fordern auf oder malen Wünsche aus; manche meinen es ernst, andere ‘spielen’ nur, lügen gar oder die-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

nen als Attrappe. Wie sie es tatsächlich halten, deuten sie zuweilen in ‘Gattungsetiketten’ an, die der Leser ‘tachistoskopisch’ als Wortpräsentation erfährt, nicht aber etwa ‘dekodiert’, sondern als Schlüssel für die Aktivierung kognitiver Einheiten, Schemata, Rahmen und Skripts benutzt. So gesehen ergeben sich völlig neue Perspektiven für eine lesetheoretisch relevante Begründung des Gattungskonzepts (Schmidt 1987). Einheit, Gradlinigkeit und Glätte dessen, was sich dem Auge bietet, täuschen über die tatsächlichen Unebenheiten des Leseweges. Die entfaltete ‘Lesefähigkeit’ gleicht entweder einem magischen Dietrich, der alle erdenklichen Schlösser zu öffnen vermag, oder multipliziert sich zu ‘Formen des Lesens’, denen kein einheitlicher Leseprozeß zugrunde liegt und deren Zahl sich nach den Faktoren des Lesestoffs, des Lesers und seiner Situation ermißt (Aust 1983, Fritz & Suess 1986). Zwar kommt gerade der Alphabetismus mit seinem Grundsatz von der unerschöpflichen Kombinierbarkeit abzählbarer Elemente (‘Universalbibliothek’) dem Ideal eines ‘Dietrichs’ nahe, doch erschließt dieser Passepartout im selben Schwung eine endlose Fülle des Angebots und öffnet den uferlosen Raum für alles Unsinnige, vor dem nur jene ‘Klugheit’ bewahrt, die er eigentlich ‘automatisch’ einlösen wollte. Leseexperimente zeigen, daß ein Text keine unabhängige Variable ist, sondern daß seine Bedeutung im Zusammenhang mit Wissen, Gefühl, Absicht und Lage des Lesers entsteht (→ Art. 82); wenn subjektive und situative Faktoren das Textverständnis nicht in beliebige Lesarten auflösen und damit den Unterschied zwischen ‘Lesart’ und ‘Variante’ grundsätzlich nivellieren, so liegt das einerseits am Text, dessen steuernde Momente aber immer nur im Rahmen des je Gewußten und Bezweckten zum Zuge kommen, andererseits am gelernten und gewollten Brauch, solche Bedeutungen nicht ausschließlich solipsistisch, sondern gerade auch um der anderen willen, also sozial vergleichbar und passabel, zu erzeugen. Die ‘Gewißheit’ (Wittgenstein) bedeutungserzeugender Akte geht aus dem zyklischen Zusammenspiel von Wissen, Glauben und Leben hervor (Aust 1987 a). Verstehen und Strategien der Meinungsbildung hängen zusammen. Nicht erst die wissenschaftliche Arbeit, sondern gerade das alltägliche Verstehen ist institutionell ‘durchwachsen’, zeigt in seiner vereinbarten Vernetzung sogar autoritäre Strukturen, die vom

99. Die Entfaltung der Fähigkeit des Lesens

schönen Prinzip der Erwartungserwartung (Grice, Lewis) nicht grundsätzlich demokratisiert werden. Die ‘Entmachtung’ des Textes setzt nicht nur die Kreativität des Lesers frei, sondern unterwirft gerade diesen den notorischen Meinungsmachern, die ihrerseits kein ‘Verstehen’ erwarten, sondern ‘Gefolgschaft’ verlangen. So gesehen fällt dem Erfahrungsbereich der sich entfaltenden Lesefähigkeit eine Schlüsselrolle zu, denn hier erfolgen auch jene Internalisierungen, die als zukünftige Lesebilder, also Faktoren der sozialen Situierung und der individuellen Verstehensstile, den ‘lebenslänglichen’ Leseprozeß tragen (und das heißt sowohl beengen als auch erweitern) werden.

3.

Aspekte der sich entfaltenden Lesefähigkeit

Der Übergang zum geübten Leser hängt nach Gibson & Levin (1975/89, 169 ff) ab von der Entfaltung des orthographischen Regel-Wissens, dem wachsenden Gespür für die Fälle, in denen Subvokalisation angebracht ist bzw. hinderlich wirkt, der Rhythmisierung der Augenbewegungen auf Grund verarbeiteter grammatischer (und vielleicht auch gedanklicher) Einheiten, der Automatisierung dieser drei Fähigkeiten und dem Vermögen, Bedeutungen aus Wörtern zu extrahieren sowie die Sinnzusammenhänge eines Textes zu erschließen. Das Lesen nimmt also immer ‘sprachähnlichere’ Züge an (wenn es nicht schon von Anfang an so gelehrt wurde); es geht aus der ‘inneren Programmierung’ der Sprachrezeption hervor und umfaßt potentiell alle Ebenen des sprachlichen Systems und alle Register der Sprachverwendung. Darüber hinaus aktualisiert und erhält die Lesefähigkeit (zusammen mit der Schreibfähigkeit) das sprachreflexive Vermögen (Downing & Valtin 1984); seit der Leseunterricht sprachliche Vollzüge bewußt gemacht, objektiviert hat, übernimmt er ‘federführend’ die Pflege der Sprachkultur überhaupt, konzentriert er die Bewegungen des sprachlichen Lernens auf das von ihm abgesteckte Feld. Wenn Gibson & Levin darauf Wert legen, daß man aus dem Lesen lerne (vgl. Kap. 11), so meinen sie damit kein bildungsgeschichtliches Ziel, sondern die fundamentale Trägerfunktion des Lesen- und Schreibenkönnens. Es geht um den Erwerb einer speziellen semiotischen Funktion, die zur Grundlage aller weiteren Operationen wird. Vorausgesetzt, daß Sym-

1173 bole zur Darstellung von Erkenntnis geschaffen werden, läßt sich gerade von den schriftlichen Symbolen erwarten, daß sie „das Erkenntnisvermögen des Kindes [erweitern], indem dadurch dem wachsenden operativen Denkvermögen von der zufälligen Wahrnehmung unabhängiger Stoff geliefert wird“ (Lewandowski 1990, 960). Unter solchem Blickwinkel erscheint das Lesen nicht nur als Dechiffrierung eines Notationssystems zur Wiederaufnahme eines konservierten Kommunikationsangebotes, sondern als intensivierte Erkenntnis, ermöglicht durch ein relativ stabiles Symbolsystem über dem nunmehr seinerseits als flüchtig erscheinenden Darstellungssystem der gesprochenen Sprache. Hinweise auf die kognitionspsychologische Rolle des Schriftspracherwerbs gab schon Wygotski (vgl. seine Bemerkung über den ‘Algebra’Status der geschriebenen Sprache), und es mutet vor diesem Hintergrund sonderbar an, wenn es heute noch heißen kann: „Comprehension is a process that requires the translation of written language into a form that is usuable by the reader’s cognitive system.“ (Samuels & Eisenberg 1981, 31). Denn gerade die Schriftstruktur scheint eine dem Denken dienliche Form bereitzustellen (vgl. Holenstein 1980, 126 ff). Die psychischen Aspekte einer sich entfaltenden Lesefähigkeit lassen sich als ein Bündel von Leistungen beschreiben, die modal bestimmt sind und sich gleichermaßen auf die graphemischen, graphemisch-phonologischen, morphographemischen, syntaktischen, semantischen wie pragmatischen Aspekte des Sprachzeichens richten. Als Leistungen gelten: Abstraktion, Identifikation, Diskrimination, Selektion, Inferenz, Antizipation, Synthese, Analyse und Interpretation; unter Modalitäten sind zu verstehen: Automatisierung, Regularisierung, Flexibilität und Intentionalität. Die einzelnen Leistungen hängen nicht nur in dem Sinn zusammen, daß Identifikation und Diskrimination oder Synthese und Analyse reziprok wirken, sondern daß auch die Antizipation die Identifikation und die Synthese die Interpretation bedingen können. 3.1. Die Leistungen Abstraktion bezeichnet seit je die allgemeine und zugleich genuine ‘Geistesbeschäftigung’ in der Begegnung mit Schrift. Sie wird für gewöhnlich auf jene Merkmale der geschriebenen Sprache bezogen, die sich aus dem Vergleich zwischen ihr und dem mündlichen Gespräch ergeben. Nun hatte schon Wygotski

1174 hervorgehoben, daß die beiden ‘Sprachen’ in keinem analogen Verhältnis zueinander stehen, so daß der abstrakte Zug der Schrift nicht aus ihrer Subtraktion vom Gesprochenen resultieren kann. Vielmehr weisen Lautlosigkeit, suspendierte Adresse, Willkür und Bewußtheit als Merkmale des schriftlichen Verkehrs auf die neuartigen kognitiven Leistungen hin, die das Kind im Lese- und Schreibunterricht erwirbt: Wygotskis Resümee „in dem Augenblick, da das Erlernen der geschriebenen Sprache beginnt, haben alle ihr zugrunde liegenden hauptsächlichen psychologischen Funktionen ihre Entwicklung noch nicht abgeschlossen, ja noch nicht einmal begonnen“ (Wygotski 1934/81, 229) läßt ahnen, welche Denk- und Begriffsarbeit dem Kind im Erstleseunterricht bevorsteht und zusteht und was versäumt wird, wenn man es mit weniger abfertigt. So kann man in Analogie zu dem, was Wygotski über die Entwicklung der wissenschaftlichen Begriffe im Kindesalter darlegt, davon ausgehen, daß das Kind das Schriftsystem nicht einfach von außen in Empfang nimmt, sondern einerseits sein mündliches Sprachvermögen konstruktiv, positiv und progressiv (Wygotski 1934/81, 179) in den Schriftspracherwerb einbringt, andererseits aber im Lernvorgang die bislang vertraute Sprachpraxis nach Maßgabe der neuen Schrifterfahrung verändert. Daraus folgt, daß die für die Schriftlichkeit so charakteristische Abstraktionsleistung sich als spezielle Verbesserung, ja sogar als qualitativer Sprung im (Sprach-)Denkvermögen des Kindes auswirkt. Demnach hängt alles davon ab, wie es dem Kind gelingt, aus den vertrauten Leistungen und Funktionen der gesprochenen Sprache in solchen Situationen, wo deren Wirkung abnimmt, andersartige, den veränderten Zielen angepaßte und dauerhaft erfolgreiche Funktionsformen zu entwickeln. Angesichts solcher entwicklungspsychologischen Implikationen kommt man nicht umhin zu erkennen, daß die Entfaltung der Lesefähigkeit einen Lern- und Denkprozeß betrifft, der das kindliche Sprachvermögen tief beeinflußt, von Grund auf umgestaltet, es sozusagen „aus dem Banne der konkreten sprachlichen Formen und Erscheinungen“ geradezu „befreit“ (Wygotski 1934/81, 187), ohne es von den vertrauten kognitiven Schemata abrupt wegzureißen. Identifikation bedeutet die Fähigkeit, unterschiedliche ‘Gegenstände’ (verschiedener Größenordnung) als gleich zu beurteilen, d. h. relevante Merkmale vor allem im Kon-

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

text einer Unterschiede stiftenden Merkmalsfülle zu gebrauchen. Überall dort, wo eine ‘datengetriebene’ Textverarbeitung erfolgt, spielt die Identifikation (im Verein mit der Diskrimination) die Hauptrolle. Die für das Lesen spezifische identifikatorische Leistung auf der Ebene der Einzelbuchstaben liegt z. B. darin, den gleichen Wert der Elemente dort zu erkennen, wo ihr Austausch keinen Bedeutungsunterschied bewirkt. Die Identifikationsleistung erzeugt also Beständigkeit im Fluß des Veränderlichen um der Bedeutung willen und gleicht somit begriffsbildenden (nämlich ‘kognitive Schemata’ hervorbringenden) Prozessen. Gelernt wird nicht, daß ein Schriftmuster der Buchstabe m ist, sondern daß dieses Schriftmuster dazu dient, mein von nein oder dein zu unterscheiden und daß es, solange diese Rolle nicht berührt wird, unerheblich ist, welche Maße diese Figur auf dem Millimeterpapier unserer anfangsunterrichtlichen Wahrnehmung hat. Gelernt wird ebensowenig nur, daß das geschriebene Wort Baum diesen (in der Fibel abgebildeten oder in der Umwelt bekannten) Baum bedeutet, sondern daß der Buchstabenkomplex Baum ohne solche Bedeutungserfahrungen keinen Grund gäbe, ihn von Bamu zu unterscheiden. Diskrimination meint die Fähigkeit, im Ähnlichen Unterschiede wahrzunehmen. Ähnlichkeiten begegnen in der Schriftsprache allenthalben, weil die „mäanderhaften Windungen“ (Sartre 1964/68, 28) jene ‘Gleichgültigkeit’ gegenüber dem Gemeinten ermöglichen, die in der mündlichen Unterhaltung eher auffällt und prompter als Unaufmerksamkeit oder ‘Silbenstecherei’ geahndet wird. Auch hier liegt der vermeintlich objektive Maßstab des Unterscheidens im finalen Bezug auf das muttersprachliche Bedeutungssystem. Nicht weil sich die Buchstaben h und k genau besehen unterscheiden, sondern damit sie z. B. den Unterschied zwischen halt und kalt begründen können, obwohl sie sich eigentlich so ähneln, stellt die Lernerfahrungen dar. Die Diskriminationsfähigkeit vermittelt das Erlebnis maximaler Wirkung bei minimalem ‘Krafteinsatz’. Selektion als ‘kluge Auswahl’ kennzeichnet ein Vermögen, das sich auf Grund der Redundanz des Lesestoffs und des Sprachwissens des Lesers entfaltet. Auswählen zu können setzt voraus, daß man weiß, was man ‘braucht’ und was für das Verständnis ‘entscheidend’ ist. Bei der Selektion zählt nicht die Menge, sondern der handliche ‘Hebel’.

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Das zeigten schon früh experimentelle Untersuchungen, die der ‘Wortüberlegenheit’ beim Erkennen tachistoskopisch präsentierter Buchstabenfolgen galten (Cattell 1885, H. Günther 1988, Rayner & Pollatsek 1989; → Art. 78, 81). Lesen vollzieht sich nicht als erschöpfende Auswertung des genau Gesehenen, sondern als Arbeit mit charakteristischen, repräsentativen Hinweisen und solchen Merkmalen, die Schlußfolgerungen zulassen. Inferenz als Erschließung des Unsichtbaren und doch Notwendigen überführt das Lesen als ‘Rezeption’ endgültig in den ‘produktiven’, kooperativen Status. Während die Selektion das Zuviel des Angebotes auf ein handliches Maß verringert, ergänzt die Inferenz das nahezu systematisch zu Knappe jeder schriftlichen Äußerung; sie macht aus einem holprigen diskontinuierlichen Weg den unauffälligen Lesefluß. Inferenzen sind keine Ratespiele, sondern regelgeleitete, erfahrungsbedingte und erwartungskonforme Akte des ‘Entgegenkommens’; d. h. ohne sie bleibt der Lesestoff ‘Papier’ wie der Redestoff ‘Geräusch’. Inferenzen kommen nicht beliebig zustande, sondern entstehen im Zusammenhang mit jenen ‘Wissensnetzen’, die der Leser zeit seines Lebens ausbildet und die er nicht nur um seiner individuellen Bildung willen pflegt, sondern damit er sich in der Umwelt und mit anderen zurecht findet. Antizipation heißt das Vermögen, Elemente innerhalb einer geordneten Folge vorwegzunehmen, die sukzessive Kette in ein simultanes Bild umzublenden oder gar ihr Ende an den Anfang zu verlegen. Wer sich ans Lesen begibt, nimmt immer schon sehr Entscheidendes vorweg; ohne einen solchen Vorgriff unterbliebe selbst jene Lautierung, die gern als ‘technische’ Fertigkeit aufgewertet wird. So hängt die Lektüre der Buchstabenfolge „SAGE“ davon ab, welcher Sprache (der englischen, französischen oder deutschen) der Leser das Wort zuordnet. Die Lesbarkeit von Wörtern wie Wachstube, die Versendung oder vertieren belegt die Notwendigkeit solcher Vorentscheidungen bis hinab auf die Ebene der Graphem-Phonem-Korrespondenz. Schon auf der Funktionsebene der Augenbewegungen lassen sich solche antizipatorischen Leistungen beobachten; unterblieben sie, sähe die Abfolge von Fixationspausen und Saccaden anders aus. Die Informationen, die nur aus dem deutlich Gesehenen entnommen werden, reichen für die Lokalisierung des folgenden Saccaden-Sprungs

1175 nicht aus, so daß ein fließendes Lesen nicht zustande käme. Nur auf Grund der Möglichkeit, daß ‘im selben Blick’ immer schon Zweierlei geschieht, nämlich die Verarbeitung des ‘scharf’ Gesehenen im fovealen Bereich und die Auswertung des vage Gesehenen im parafovealen Bereich (Wortlänge, Wortsilhouette, Groß-/Kleinschreibung, Anfangsbuchstaben; cf. Rayner & Pollatsek 1989; →Art. 80), entsteht eine Basis für vorwegnehmende Akte, die jenseits allen Ratens die Antizipation regelt und somit gelingen läßt. Synthese bezeichnet das heuristische Verfahren, im ‘Niemandsland’ der Elemente eine ‘Spur’ zu legen. Sie ist bekannt als ‘inchoativer’ Prozeß in Unterrichts- und Krisensituationen. Ihr Verlauf gliedert sich in den allmählichen Vorgang des Zusammensetzens und das ‘plötzliche’ Erlebnis des Verstehens. Sie wurde zuweilen als Addition von ‘Individuen’ einseitig geübt; in Wirklichkeit betrifft sie Einheiten unterschiedlicher Größenordnung und Komplexität (vgl. die Synthesefähigkeit von Konsonant-Vokal-Verbindungen, Aussprachegruppen, Signalgruppen, orthographischen Gruppen, Morphemen). Mit der synthetischen Leistung ist darüber hinaus ein zentraler, konstruktiver, sprachschaffender Akt der Sprachrezeption gemeint: Aus Vorwissen, Interesse und Erwartung entstehen im Verein mit antizipierenden und inferenzbildenden Operationen synthetisierte ‘mentale Texte’, deren Zweck darin liegt, einen Vergleich zwischen dem, was man versprachlichen kann, und dem, was man auf dem Blatt sieht, zu ermöglichen, um daraus neues, spezielleres Vorwissen für die Folgearbeit zu gewinnen. Die Synthese erweist sich im Sinn des Konzepts der Analyse-durch-Synthese (Neisser 1967) als ‘kurzer’ Weg zu jenem Bedeutungsziel, das der Analyse optischer Reize nie verfügbar wird. Analyse dient als Ausweg im Labyrinth der Mißverständnisse oder in der Sackgasse des abrupten Kurzschlusses. Sie hilft im Kontext des Bekannten, während sie als ‘Pioniertat’ der Buchstabenentdeckung wirkungslos bleibt; wer als (Sprach-)Fremder sich bemüht, analytisch Buchstaben zu entdecken, scheitert unwillkürlich, ebenso fruchtlos bleibt das Bemühen, dem Zeichenträger analytisch seinen Sinn zu entlocken. Wie bei der Synthese operiert auch die Analyse mit unterschiedlichen Einheiten (vgl. die wort- und wortbildungsorientierte Analysestrategie gegenüber dem Beispiel: „trotz des bellonaumdonnerten Novembertages“ aus Wilhelm

1176 Raabes ‘Das Odfeld’). Anders gewendet: die Analyse ist nicht nur ein mechanisches Verfahren der Dekomposition von Ausdrücken in Elemente, sondern geradezu Wortbildungsarbeit und syntaktische Interpretation. Interpretation ist die proteische Zauberkunst, die der Sprachbenutzer beherrscht, seit die menschlichen Sinne aufgehört haben, ‘Röhren’ zu sein, und die Wurzeln der Sprache nicht mehr im Naturboden wachsen. Interpretationen kompensieren die unendliche Vielfalt der materialisierten sprachlichen Ereignisse im Gefüge des Bewußtseins. Nicht wie ein Buchstabe aussieht, hat der Leser gelernt, sondern daß er trotz seiner noch so befremdlichen Arabesken zur Menge jenes Graphems gehört, den kein Leser je gesehen hat und nach dem er sich gleichwohl orientiert, wenn er Schriftliches versteht. Die vielfältigen Modelle des Lesens als Informationsverarbeitung stellen leitmotivisch den operativen Grundsatz der Verwandlung, Anverwandlung und Deutung unter Beweis: Hier ‘wandert’ nicht etwa ein Informationskern unter wechselnder Verkleidung vom Blatt ins Gehirn, vielmehr liefert das ‘Wissensnetz’ des Gedächtnisses das Thema für eine Reihe von Variationen, deren eine oder mehrere die literale Vorlage erschließen sollen. 3.2. Die Modalitäten Automatisierung bedeutet, daß alles, was im Lehrgang des Erstleseunterrichts getrennt, einzeln, nacheinander und bewußt vollzogen wurde, nunmehr wieder zurücksinken muß in den unbewußten Raum einer sich von selbst vollziehenden einheitlichen, aber komplexen Fähigkeit, damit die für jeden bewußten Vollzug benötigte erhöhte Anstrengung nicht anderwärts notwendige Kräfte (Verstehensfähigkeit) absorbiert. Bildlich gesprochen: die ‘Verfremdungseffekte’ auf der Lehrbühne der schriftsprachlichen Initiation werden zugunsten eines überwältigenden Illusionsspiels ‘bürgerlicher’ Bildung und Unterhaltung zurücktreten. Die Objektivierung des (Laut- wie Schrift-)Sprachlichen, die Bewußtwerdung seiner hör- und sichtbaren Materie, löst sich wieder im Strom des Sprachgebrauchs auf, der gleichmäßig dahinfließt und nur gelegentlich an Hindernissen aufrauscht. Automatisiert, sind Schreiben und Lesen ‘spontane’ hochsprachliche Handlungen, die je nach (Sprach-)Herkunft schon immer oder nie gänzlich heimisch sind und die den Kulturhüter angesichts der gebändigten oder ersetzten Mündlichkeit melancholisch oder ressenti-

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mentgeladen auf das Stimmenideal zurückblicken läßt, obwohl er dort nur finden kann, was er seitdem an der Schrift gelernt hat. Flexibilität hebt die Automatisierung zum Teil wieder auf und paßt den Lesevollzug den wandelnden situativen, personellen und textlichen Bedingungen an; sie gleicht jene ‘Gewohnheit’ aus, die durch Automatisierung entsteht, und führt zur Neugier am Lesen als einem problemlösenden Sprachhandeln. Der Begriff der entfalteten Lesefähigkeit hat endgültig die Vorstellung von einem einheitlichen, einspurigen, sukzessiven Leseverfahren verabschiedet; statt dessen steht ein Spektrum unterschiedlicher Leseformen und ‘Lesestrategien’ zur Verfügung, das nach Maßgabe wechselnder Leseaufgaben und Verstehensprobleme abrufbar ist. Die entfaltete Lesefähigkeit zeigt sich nicht zuletzt darin, daß der Leser Verschiedenes (Graphem-PhonemZuordnung, Worterkennung, Verständnis) zugleich, nacheinander oder in umgekehrter Reihenfolge vollziehen kann. Regularisierung verlangt die Einstellung des Lesevollzugs auf die Bedingungen der schriftlichen Hochsprache, einschließlich ihrer orthographischen und orthoepischen Normen. Wiederholung, Gleichmaß und Voraussagbarkeit sind Züge des Regelhaften. Regeln begegnen nicht beiläufig, sondern machen sich als ‘Vorschriften’ geltend, denen ‘Kontrollen’ folgen. Ihr Zweck liegt in der Erhaltung einer größtmöglichen Reichweite; deshalb lesen sich ältere hochsprachliche Texte leichter als dialektal gefärbte (obwohl diese auch Regeln gehorchen). Intentionalität verwandelt das ‘Leseverhalten’ in eine Sprachhandlung; sie kehrt die Reaktion auf Reize um in die Planung von Signalen zum Zweck der Orientierung, Verständigung, Erinnerung und ‘Berechnung’. Hier liegt die Quelle für das Entstehen von Leseformen. Der Intentionsbegriff knüpft ein metonymisches Band zwischen der Materialität des Textes und seinem Schreiber einerseits sowie seinem Leser andererseits (Aust 1986); d. h. kein Text fällt urheberlos vom Himmel, und jeder ‘bedeutungsvolle’ Text hat bereits seinen Leser gefunden. Das Intentionale des Lesens bürgt dafür, daß Texte keine Resultate sind, sondern Momente eines Prozesses; weil der Leser den Text, den er nunmehr liest, im Grunde selbst hätte schreiben und das heißt meinen können und wollen, vermag er ihn als etwas potentiell ‘Selbstgemachtes’ zu verstehen, und zwar ganz im Sinne „jener Wahrheit“, die Giambattista Vico (1744/1965, 125)

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für unerschütterlich hielt, nämlich „daß diese historische Welt ganz gewiß von den Menschen gemacht worden ist: und darum können (denn sie müssen) in den Modifikationen unseres eigenen menschlichen Geistes ihre Prinzipien aufgefunden werden“.

4.

Literatur

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1178

VIII. Der Erwerb von Schriftlichkeit

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Hugo Aust, Köln (Deutschland)

100. Die Entwicklung der Schreibfähigkeiten 1. 2. 3. 4. 5.

Überblick zur Forschungslage Merkmale der Schreibentwicklung Syntaktische Schreibfähigkeiten Textbezogene Schreibkompetenzen Literatur

1.

Überblick zur Forschungslage

Schon seit Beginn unseres Jahrhunderts hat es immer wieder verdienstvolle Untersuchungen gegeben, die die Entwicklung des sogenannten schriftlichen Ausdrucks beschrieben haben (Stormzand & O’Shea 1924; Beckmann 1927; LaBrant 1933; Heider & Heider 1940; Harrell 1957; Hunt 1965, 1970; Loban 1976). Im Brennpunkt des wissenschaftlichen Interesses an der Schreibentwicklung hat dabei über 50 Jahre bis in die 70er Jahre hinein fast ausschließlich die Syntax geschriebener Texte gestanden. Fortschritte in der Forschung beschränkten sich weitgehend auf die Optimierung von Indices zur Messung der syntaktischen Komplexität einerseits und den Ausschluß von Hypothesen über determinierende Variablen für dieses Merkmal andererseits. Eine Fülle von Variablen ist gerade im Blick auf den Parameter der syntaktischen Komplexität als wichtig behauptet und später empirisch wieder verworfen worden. Bei-

spiele sind Lesehäufigkeit und Art der Lektüre (vgl. Chomsky 1972), der Intelligenzquotient (vgl. LaBrant 1933; Hunt 1970), das Geschlecht (vgl. z. B. Harrell 1957; Richardson et al. 1976; Andresen 1979) und die soziale Schicht (vgl. Richardson et al. 1976; Poole 1983). Versuche einer Einbettung dieser Untersuchungen in eine die gesamte Kompetenz umfassende und auch entwicklungspsychologische Gesichtspunkte berücksichtigende Theoriebildung hat es bis in die 70er Jahre lediglich in Ansätzen gegeben. Schriftsprachliche Syntax schien für lange Zeit fast beliebig als Symptom für die Auswirkung von Faktoren interpretierbar zu sein, die mit dem Schreiben als Handlung selbst und den ökologischen, d. h. semiotischen, kognitiven und sozialen Randbedingungen schriftlicher Kommunikation oft nur am Rande etwas zu tun hatten. Ein Schreibbegriff oder eine Vorstellung davon, was das Schreiben als Handlungstyp und sprachliche Praxis gegenüber anderen Formen der Textproduktion auszeichnet, existierten entweder überhaupt nicht oder aber spielen für die Anlage und Hypothesenbildung der jeweiligen Untersuchung keine Rolle. Dies gilt sogar für diejenigen Untersuchungen, die mündliche und schriftliche Texte der gleichen Schreiber unter

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Linguistic Aspects of Writing and Its Use 117. Sprachsystem und Schriftsystem 1. 2. 3. 4. 5.

Ziele und Voraussetzungen Die Grundebene von Schriftsystemen Mischsysteme Zur Forschungslage: Schriftsysteme als Gegenstand der Sprachwissenschaft Literatur

1.

Ziele und Voraussetzungen

1.1. Problemlage Zu den Eigenschaften verschrifteter Sprachen gehört es, daß viele ihrer Einheiten zwei Formseiten haben, eine phonologische und eine graphematische. Ein Wort des Englischen beispielsweise hat eine phonologische Form, die nach Ansicht der meisten phonologischen Theorien aufgefaßt werden kann als Folge von Lauten mit einer Akzentstruktur, dargestellt als [1limen] („Zitrone“). Meist spricht man nicht von der phonologischen Form eines Wortes, sondern einfach vom phonologischen Wort, meint damit aber ausdrücklich nur die Formseite, das Signifiant eines Wortes als sprachlichem Zeichen. Das Reden vom phonologischen Wort stellt den Zeichencharakter von Wörtern selbstverständlich nicht in Frage. Die graphematische Form eines englischen Wortes ist im Regelfall eine Folge von Buchstaben des lateinischen Alphabets, im Beispiel *lemon+. Analog zum phonologischen bietet sich die Rede vom graphematischen Wort an. Auch damit ist nur ein Signifiant gemeint. In verschrifteten Sprachen haben sprachliche Einheiten auf mindestens einer Ebene von wortinternen Einheiten (Wörter und Wortformen, Morpheme, Silben, Grapheme, vgl. Abschnitt 1.2.2) durchgängig eine graphematische Form. Mit ‘verschriftet’ ist offenbar gemeint, daß die Einheiten mit graphematischer Form immer auch eine phonologische Form haben, und wir bemerken, daß es einen zu ‘verschriftet’ konversen Terminus ‘verlautlicht’ nicht gibt.

Die Asymmetrie in der Redeweise wird vermieden, wenn man nicht von Sprachen und ihrer Verschriftung, sondern von gesprochener und geschriebener Sprache spricht. Die neutrale Redeweise hat eine Reihe von Vorteilen. So gibt es Sprachen, deren Einheiten nur graphematische Formen haben. Zu ihnen gehören viele der künstlichen Sprachen. Für Einheiten von Programmier-, Logik- und anderen formalen Sprachen existiert häufig keine festliegende phonologische Form. Solche Sprachen können auf vielerlei Weise und nicht etwa Wort für Wort gelesen werden. Und unter den natürlichen Sprachen gibt es solche, bei denen man die graphematische Form der Einheiten genau kennt, nicht aber die phonologische. Eine Rekonstruktion der Phonologie sog. toter Sprachen gelingt häufig nur teilweise, und trotzdem ist es möglich, solche Sprachen zu verstehen. Auch bei ‘lebenden’ natürlichen Sprachen kann die Doppelung der Form sprachlicher Einheiten eingeschränkt sein, unsystematisch etwa dadurch, daß bestimmte Wörter nur im Gechriebenen oder nur im Gesprochenen vorkommen. Systematisch ist die Doppelung eingeschränkt durch den Schrifttyp, den eine Sprache verwendet. So haben in Sprachen mit logographischer Schrift Silben nur eine phonologische, nicht aber eine graphematische Form. Die Silbe erscheint in solchen Sprachen ausschließlich als Einheit des Gesprochenen (Abschnitt 3). Eine systematische Beschreibung der Einheiten einer Sprache in Hinsicht auf ihre Form und in Hinsicht auf ihre Funktion heiße eine Grammatik dieser Sprache. Zur Grammatik gehört dann die Beschreibung der phonologischen wie der graphematischen Form aller Einheiten, die eine solche Form haben. Was die Grammatik der Formen insgesamt beschreibt, wird das Sprachsystem genannt: die sprachlichen Einheiten mit ihren Kategorisierungen und syntagmatischen Be-

117. Sprachsystem und Schriftsystem

schränkungen. Diese elementare Exposition des Themas vorliegender Darstellung hat weitreichende Implikationen. Die wichtigste ist, daß sich das Schriftsystem natürlicher Sprachen als Teil des Sprachsystems erweist, die Beschreibung des Schriftsystems mithin als Bestandteil der einzelsprachlichen Grammatik. ‘Sprachsystem’ und ‘Schriftsystem’ sind nicht hierarchisch nebengeordnete Begriffe, sondern letzterer ist hyponym zu ersterem. Der ‘Schriftsystem’ nebengeordnete Begriff für das Gesprochene fehlt, ein ‘Sprechsystem’ oder ‘Redesystem’ kennen die gängigen Terminologien wiederum nicht. Die weitere Erörterung behält in ihren analytischen Teilen die skizzierte Sicht auf das Verhältnis von Sprachsystem und Schriftsystem als Folie bei. Abschnitt 1.2 legt Grundannahmen über sprachliche Einheiten dar und trifft terminologische Festlegungen. Abschnitt 2 beschäftigt sich mit dem Begriff der Grundebene von Schriftsystemen und zeigt damit in einem ersten Schritt, auf welche Weise Schriftsysteme in Sprachsysteme integriert sind. In Abschnitt 3 wird ein weiterer Schritt in dieser Richtung getan. Gegenstand ist die Art und Weise, in der Schrifttypen einerseits und verschiedene Ebenen des Sprachsystems andererseits sich in einzelsprachlichen Systemen durchdringen. Bezüge auf solche Systeme orientieren sich vorwiegend an den Artikeln 120 bis 127 dieses Handbuchs. Abschnitt 4 enthält die geraffte Darstellung einiger Gründe für die auch gegenwärtig noch verbreitete Asymmetrie in der sprachwissenschaftlichen Behandlung des Geschriebenen und des Gesprochenen. Der Abschnitt dient auch der Anbindung des hier bezogenen Standpunktes an den Diskurs zur Schriftlichkeitsforschung, zu dem das vorliegende Handbuch insgesamt ein Beitrag sein möchte. 1.2.

Voraussetzungen über Systeme gesprochener Sprachen

1.2.1. Allgemeines Die Darstellung von Schriftsystemen natürlicher Sprachen erfolgt mit begrenzter Zielsetzung. Wesentliche Züge des Verhältnisses von Schriftsystemen zu den Systemen gesprochener Sprache lassen sich bereits unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen erfassen, deren wichtigste (1) den Umfang, (2) den Aufbau und (3) die Funktionalität sprachlicher Einheiten betreffen.

1369 (1) Umfang. Die folgende Darstellung bleibt auf das Wort als größte sprachliche Einheit beschränkt. Interpunktion (→ Art. 128) und andere satz- und textbezogene graphematische Mittel kommen nicht in Betracht (dazu Günther 1988, 64 ff). Eine Beschränkung dieser Art läßt sich systematisch nicht, wohl aber pragmatisch rechtfertigen. Wörter und ihre Bestandteile gelten seit jeher als die Einheiten, die ein Schriftsystem in erster Linie charakterisieren. (2) Aufbau. Es wird angenommen, daß das Wort bezüglich seiner Bestandteile segmental aufgebaut ist. Wie weit dies für das Gesprochene angemessen ist, steht nicht allgemein fest. Neuere Entwicklungen in der Phonologie betonen eher prosodische als segmentale Merkmale der Lautstruktur (z. B. Goldsmith 1990; Vennemann 1991). Auch in der Morphologie gibt es eine Tendenz, die Syntagmatik des Segmentalen zugunsten einer holistischen und paradigmatisch fundierten Sichtweise zu relativieren (Plank 1981; Bybee 1985; Becker 1989). Die Einheiten der geschriebenen Sprache sind jedenfalls in höherem Maße linear organisiert als die der gesprochenen. Zahlreiche Voraussetzungen, die über die Segmentierbarkeit sprachlicher Einheiten allgemein gemacht worden sind, gelten tatsächlich wohl nur für Einheiten der geschriebenen Sprache. (3) Funktion. Wir machen die Voraussetzung, daß Wörter natürlicher Sprachen zwei Typen von Einheiten echt oder unecht enthalten, die nach ihren Hauptfunktionen als bedeutungsdiskriminierend und bedeutungstragend unterschieden werden. Zu den bedeutungsdiskriminierenden Einheiten gehören die Phoneme und Silben, zu den bedeutungstragenden die Morpheme und Wortformen. Terminologisch ausgezeichnet werden in der Regel die kleinsten segmentalen Einheiten auf beiden Ebenen als Phoneme und Morpheme, glossematisch Keneme („leere Einheiten“) und Plereme („gefüllte Einheiten“). Die doppelte Artikulation gilt als eines der konstituierenden Organisationsprinzipien für natürliche Sprachen als Zeichensysteme (Holenstein 1983). Doppelte Artikulation als klassifikatorisches Merkmal für Zeichensysteme hat eine semiotisch fundierte Sicht auf natürliche Sprachen gefördert, die dazu geführt hat, daß den Kenemen und den Pleremen teilweise eine übermächtige Position im System eingeräumt wurde. In der Phonologie findet dies in der jahrzehntelangen Vernachlässigung der

1370 Silbe seinen Ausdruck, aber auch in der Fixierung auf Distinktivität als dem funktionalen Merkmal überhaupt. Diese Fixierung wird gegenwärtig mehr und mehr überwunden, zahlreiche Fragen sind damit neu formulierbar. Als ein Beispiel verweisen wir nur auf die Behandlung der Reduktionsvokale. Ist Schwa in einer Sprache wie dem Deutschen ein Phonem? Wurzel (1981) etwa bemüht sich noch, Schwa als Allophon eines Vokalphonems zu erweisen. Jetzt gängige Epenthesetheorien müssen dagegen annehmen, daß Distinktivität nicht allein konstitutiv für die Elemente des Phonemsystems sein kann. Die Merkmale eines Epenthesevokals ergeben sich ja allgemein nicht aus phonologischen Oppositionen (Giegerich 1987; Itoˆ 1989). Auch für die Charakterisierung von Schriftsystemen kommt man letztlich mit einem durch doppelte Artikulation fundierten Funktionsbegriff nicht aus. Aber diese Beschränkung ist für das Geschriebene viel weniger folgenreich als für das Gesprochene. Als nützlich erweist sie sich bei der Bestimmung dessen, was in Abschnitt 2.1 die Grundebene des Systems genannt wird. 1.2.2. Segmentale Einheiten phonologischer Wörter Die Auflistung von Einheiten der Wortstruktur dient der nachfolgenden Darstellung charakteristischer Eigenschaften von Schriftsystemen. Sie ist in diesem Sinne zweckgebunden und beschränkt. Phoneme sind die kleinsten segmentalen Einheiten. Ihre interne Struktur wird meist beschrieben mithilfe von phonologischen Merkmalen, die als Merkmalsbündel (Chomsky & Halle 1968) oder als Merkmalskonfigurationen (McCarthy 1988) in Erscheinung treten. Auswahl und Konfiguration der Merkmale sind davon abhängig, was als Funktion der Phoneme gilt. An erster Stelle findet sich stets der Verweis auf Distinktivität. Gemäß der üblichen Praxis stellen wir Phoneme und Phonemfolgen mithilfe der segmentalen und diakritischen Einheiten des IPA dar (IPA 1993). Einheitenfolgen von IPA-Formen werden dabei grundsätzlich in eckige Klammern eingeschlossen, z. B. [limen]. Zwar ist man sich in der einschlägigen Literatur noch immer weitgehend einig darüber, daß bei der Schreibung phonologischer Wörter eine eher materiale ‘phonetische’ Ebene ([ ]) von einer eher funktionalen ‘phonemischen’ Ebene (//) zu unterscheiden sei.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Über die Art der Unterscheidung besteht jedoch keine Einigkeit, weil der Funktionsbegriff selbst zur Debatte steht (aus phonetischer Sicht Heike 1992). Wir verwenden deshalb die neutralere Schreibweise [ ]. Silben sind Folgen von Phonemen, jede Silbe ist also vollständig in Phoneme analysierbar. Silben ihrerseits sind Bestandteile von Wortformen. Grenzen zwischen Silben in einer Wortform werden als [.] notiert, z. B. [li.men]. Die Segmentfolgen zweier benachbarter Silben können sich in maximal einem Segment überlappen (Silbengelenk), z. B. deutsch [him] ⫹ [mel] ⫽ [him ø el] („Himmel“). Silben sind bedeutungsdifferenzierend auf der Basis der Phoneme, die sie enthalten. Diese Sicht führt funktionale Eigenschaften der Silbe auf solche des Phonems zurück. Aber auch die Silbe spielt als Grundeinheit eine Rolle. Bestimmte Theorien sehen sie als phonologische Grundeinheit schlechthin. Andere weisen Silben als Trägern suprasegmentaler Eigenschaften, insbesondere der Akzente, den Status von Grundeinheiten neben den Phonemen zu. In Schriftanalysen spielt neben der Silbe gelegentlich auch die More eine Rolle. Am verbreitetsten ist der Ansatz, einer schweren Silbe (Langvokal oder komplexer Endrand) zwei Moren zuzuordnen, die anderen (leichten) Silben haben eine More. Moren sind danach nicht allgemein als Folgen von Phonemen anzusehen, die sich nicht überlappen (Hyman 1985; Auer 1991). Morpheme sind im einfachsten Fall wie Silben Folgen von Phonemen. Als kleinste morphologische Einheiten sind sie in grundsätzlich anderer Weise funktional als Silben. Damit ergibt sich für Morpheme, selbst wenn man nur ihre prototypische Funktion als Bedeutungsträger berücksichtigt, ein Identitätsproblem ganz anderer Art als für Silben. Morpheme tauchen in vielerlei Varianten auf, wobei zu unterscheiden ist zwischen phonologisch determinierter Variation (z. B. Auslautverhärtung im Deutschen) und morphologisch determinierter Variation (z. B. Umlautbildung im Deutschen). Während morphologisch determinierte Variation gut mit dem Begriff der Stammform erfaßbar ist (z. B. [to6n ⫺ tø6n] Sg.-Pl.-Stammform von dt. Ton, vgl. Lieb 1983, 169 ff), ist die Erfassung phonologischer Varianten seit jeher und bis heute umstritten (z. B. Harris 1942; Lass 1984, 55 ff; Spencer 1990, 99 ff). Für die Charakterisierung von Schriftsystemen ist die morphologische Variantenbil-

117. Sprachsystem und Schriftsystem

dung von außerordentlichem Interesse. Sprachen mit alphabetischer Schrift können möglicherwiese danach klassifiziert werden, in welcher Weise sie phonologisch determinierte Morphemvarianz mit vollziehen (Abschnitt 3.3). Die letzte in diesem Abschnitt einzuführende Unterscheidung ist die zwischen Wortform und Wort. Wortformen sind aus morphologischer Sicht Folgen von Morphemen, aus phonologischer Sicht sind sie Folgen von Silben. Andererseits sind Wortformen die syntaktischen Grundformen im laufenden gesprochenen oder geschriebenen Text. In so gut wie allen Typen von Schriftsystemen sind Wortformen als syntaktische Grundformen segmental besonders ausgezeichnet: Sie werden durch Spatien eingeschlossen. Dies scheint unabhängig von der internen Struktur graphematischer Wortformen zu gelten. Der Begriff Wort wird im folgenden unter Bezug auf Flexionsparadigma verwendet. Ein Wort ist eine Menge von Wortformen mit einer Bedeutung. Wort und Wortform fallen extensional weitgehend zusammen in isolierenden Sprachen, nicht dagegen in flektierenden. Deshalb ist gänzlich unwahrscheinlich, daß eine flektierende Sprache mit entwickeltem Schriftsystem eine Wortschrift hat. Für solche Sprachen kommen allenfalls Morphemschriften in Betracht (Abschnitt 3.1).

2.

Die Grundebene von Schriftsystemen

2.1. Grundebene und Schrifttyp Unter den segmentalen Einheiten eines Schriftsystems läßt sich in der Regel eine Menge von kleinsten Einheiten auszeichnen, die formal und funktional vom selben Typ sind. Die kleinsten segmentalen Einheiten eines Schriftsystems werden im folgenden seine graphematischen Grundformen genannt. Der meist verwendete Begriff ‘Schriftzeichen’ wird vermieden (Abschnitt 4.1). Die Stellung der graphematischen Grundformen im System ist durch den Schrifttyp festgelegt. Für die Schriftsysteme natürlicher Srachen werden drei Grundtypen von Schriften unterschieden, nämlich alphabetische Schriften, Silbenschriften und logographische Schriften. Diese Klassifizierung stützt sich allein auf die Stellung der Grundformen im System und sieht davon ab, welche Menge von Grundformen ein System verwendet. Der Schrifttyp des Russischen (Kyrillis) ist also

1371 derselbe wie der des Englischen (lateinisches Alphabet); vgl. zur Schrifttypologie Pulgram 1976, Sampson 1985, Coulmas 1989, 55 ff; → Art. 118. Systeme mit alphabetischer Schrift haben Grundformen mit distinktiver Funktion, die sich systematisch auf Phoneme beziehen lassen. So besteht die Wortform *man+ des Englischen aus einer Folge von drei graphematischen Grundformen, vgl. z. B. *man ⫺ can ⫺ men ⫺ map+. Die graphematischen Grundformen von Schriftsystemen mit Alphabetschrift bezeichnen wir als Grapheme. Systeme mit Silbenschrift haben Grundformen mit distinktiver Funktion, die sich systematisch auf Silben beziehen lassen. Die Grundformen von Silbenschriften lassen sich nicht in Grapheme zerlegen. Zu den Silbenschriften im weiteren Sinne werden auch die Morenschriften wie das Syllabar der Hiragana des Japanischen gezählt. In dieser Schrift besteht etwa das graphematische Wort * + ([scRi] „Schlitten“) aus den Grundformen * + und * +. Beide sind kleinste Segmente und distinktiv, vgl. * + ([scRi] ⫺ * + ([scRa] „Himmel“) ⫺ * + ([mcRi] „Wald“). Jedes Segment bezieht sich auf eine More, d. h. die Form * + ist zweimorig. Bedeutung hat die einzelne Grundform nicht (vgl. auch Abschnitt 3.1.). Systeme mit logographischer Schrift schließlich haben Grundformen, die Bedeutung tragen, aber weder in kleinere bedeutungstragende noch in kleinere distinktive Segmente zerlegbar sind. Das graphematische Wort * + ([mu], 4. Ton, „Baum“) des Chinesischen beispielsweise hat die Extension eines Morphems. Es ist weder in Syllabogramme noch in Grapheme zerlegbar. Die graphematischen Grundformen von Schriftsystemen mit logographischer Schrift werden Logogramme genannt. Die Ebene der graphematischen Grundformen eines Schriftsystems nennen wir seine Grundebene. Überträgt man diesen Begriff auf Sprachsysteme allgemein, so besteht ein Unterschied zwischen den Systemen gesprochener und geschriebener Sprachen darin, welche Grundebenen sie haben können. Systeme gesprochener Sprachen haben ⫺ jedenfalls nach Auffassung der meisten Phonologien ⫺ als Grundebene stets die der Phoneme. Schriftsysteme können sich dagegen in der Grundebene unterscheiden. Nach dem verwendeten Schrifttyp kann ein Schriftsystem als alphabetisch, silbisch oder logographisch bezeichnet werden. Wir

1372 werden diese Redeweise gelegentlich verwenden, auch wenn sie von einem Teil der neueren Literatur abweicht. Bei Coulmas (1989, 37) etwa heißt es „[…] it makes little sense […] to talk about the ‘English writing system’ or the ‘Dutch writing system’. Dutch writing and English writing make use of the same system: that is, the alphabetic writing system.“ Hier wird das als alphabetisches Schriftsystem bezeichnet, was wir Alphabetschrift genannt haben. Der Begriff Schriftsystem steht für Coulmas von vornherein außerhalb des einzelsprachlichen Systems. Schriftsysteme sind damit Entitäten anderer Art als Sprachsysteme allgemein. 2.2. Zur Bestimmung der Grundebene Die Auszeichnung einer Grundebene für das Schriftsystem einer Sprache muß gesehen werden auf der Basis der Funktionalität der Gesamtheit von graphematischen Grundformen, nicht jedoch der möglichen Funktionen einzelner Grundformen. So hat in der französischen Wortform *petite+ („klein“, fem.) das letzte Graphem *e+ den Umfang eines Morphems. Es wird damit aber nicht zum Logogramm im Sinne der Grundebene des Systems. Der Zusammenfall von graphematischer Grundform und graphematischem Morphem ist nicht charakteristisch für das Französische. Allgemein können die Grundformen eines Systems Funktionen auf den höheren Ebenen haben. Grapheme können als Syllabogramme und Logogramme, Syllabogramme können als Logogramme fungieren. Solche Funktionen sind kontextuell markiert und gelten für einzelne Formen oder Gruppen von Formen (ausführlich Haas 1983). Auch umgekehrt fungieren graphematische Grundformen auf niederer Ebene als der Grundebene. Die bekannteste Art der Funktion von Logogrammen als Syllabogramme ist die nach dem Rebusprinzip. Das Rebusprinzip wird in allen bekannten logographischen Systemen in großem Umfang angewendet, in der sumerischen Keilschrift (→ Art. 18) genauso wie in der ägyptischen Hieroglyphenschrift und in der chinesischen Schrift (→ Art. 26). Auch der Übergang zur graphemischen Ebene ist möglich. Schon im Altägyptischen konnte mit Hieroglyphen (Logogramme) sowohl silbisch als auch weitgehend alphabetisch geschrieben werden (→ Art. 19). Die Verwendung graphematischer Grundformen auf niederer als der Grundebene hat sowohl synchron wie für die Entwicklung

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

von Schriftsystemen weitreichende Bedeutung. Synchron, weil auf diese Weise in einer Sprache auch solche Wörter schreibbar werden, die strukturell nicht zur Grundebene passen. Beispielsweise werden Fremdwörter in Sprachen mit logographischer Schrift häufig nach dem Rebusprinzip geschrieben. Eine logographische Schreibweise ist häufig überhaupt nur als Lehnübersetzung möglich (vgl. die Schreibung von Anglizismen im Japanischen, Art. 121). Diachron wird der Übergang von einer höheren zu einer niederen Grundebene im allgemeinen als charakteristisch für die Entwicklung von Schriftsystemen überhaupt angesehen. Wenn eine Sprache den verwendeten Schrifttyp ändert, dann von der logographischen zur Silben- und schließlich zur Alphabetschrift, niemals jedoch in umgekehrter Richtung (Gelb 1963, Friedrich 1966; → Art. 15). 2.3. Interne Struktur graphematischer Grundformen Den graphematischen Grundformen der Schriftsysteme natürlicher Sprachen scheint gemeinsam zu sein, daß sie intern nicht im Sinne ihrer Funktionalität strukturiert sind. Dies gilt als ein bedeutender Unterschied insbesondere zwischen den kenemischen Einheiten der geschriebenen und der gesprochenen Sprache. Ausführlich erörtert worden ist das Problem für Systeme mit Alphabetschriften im Vergleich zur Grundebene des phonologischen Systems. Phoneme gelten als intern strukturiert derart, daß ihre funktionalen Eigenschaften zurückführbar sind auf phonologische Merkmale. Etwas den phonologischen Merkmalen Vergleichbares gibt es bei den Graphemen nicht. Als Einzelbuchstabe besteht ein Graphem aus Elementarformen wie Bögen und Strichen mit fixierter relativer Größe und Lage. Solche Elementarformen werden in teilweise konsequenter Kombinatorik zu Buchstaben zusammengesetzt (zu dieser Art Graphetik Glück 1993; aus historischer Sicht Ehlich 1993, → Art. 25; aus semiotisch-systematischer Sicht Holenstein 1983, Coulmas 1984). Ist von doppelter Artikulation bei Alphabetschriften die Rede, so ist damit aber nicht die funktionale Reduktion auf distinktive Elementarformen gemeint. Zu dieser Feststellung sind einige Relativierungen und Ergänzungen angebracht. Einmal gibt es Alphabete, bei denen eine Anzahl

1373

117. Sprachsystem und Schriftsystem

von Formmerkmalen in distinktiver Funktion verwendet wird. Zu diesen Alphabeten gehört das kyrillische, mit Bezug auf die Verwendung von Ober- und Unterlängen als Bestandteile von ‘Obstruentgraphemen’ auch das lateinische Alphabet (zusammenfassend Butt & Eisenberg 1990, 43 ff). In den meisten alphabetischen Schriftsystemen gibt es darüber hinaus Formmerkmale zur Markierung einzelsprachlicher Distinktivitäten. Dazu gehört etwa die Markierung als Umlautgraphem wie beim deutschen *ö+, dazu gehört die Cedille wie beim türkischen *c¸+, das Ha´cˇek wie beim tschechischen *cˇ+ und die Diakritika für Vokallänge oder Nasalierung im Devanagari (→ Art. 122). Es scheint kein Alphabet zu geben, das eine Tendenz dazu hätte, holistische Buchstabenformen in Diakritika aufzulösen, also in den graphematischen Grundformen die dem Alphabet implizite phonologische Analyse (Abschnitt 4.2) widerzuspiegeln. Eine Struktur dieser Art findet sich nicht einmal dort, wo sie am ehesten zu erwarten wäre, nämlich bei Transkriptionssystemen wie dem des IPA, die sich als phonetische Systeme verstehen. Ein phonetisches Transkriptionssystem müßte eigentlich allen dargestellten Eigenschaften des Lautlichen in der Schriftform denselben Status geben. Das IPA tut dies nicht. Auch dieses System stellt mit seinem Nebeneinander von Grundzeichen und Diakritika vom Typ her eine Alphabetschrift dar (IPA 1993, Richter 1973; → Art. 142). Nicht anders als bei Einzelbuchstaben verhält es sich bei Mehrgraphen. Die Buchstabenkombination sagt im allgemeinen nichts über die Stellung des Graphems im System aus. Das gilt selbst dann, wenn in Mehrgraphen immer wieder und übereinzelsprachlich derselbe Buchstabe vorkommt wie das *h+ im englischen *th, sh, ch+, im französischen *ch+, im spanischen *ch+, im deutschen *ch, sch+ und allgemein *th, ph, rh+ als Bezüge auf Buchstaben des griechischen Alphabets. Daß *h+ so häufig in Mehrgraphen und außerdem als ‘stummer Buchstabe’ wie beim Dehnungs-h des Deutschen verwendet wird, liegt nicht an seiner einheitlichen Funktion, sondern eher an seiner restringierten Distribution als Einzelgraphem. *h+ ist sozusagen frei für vielerlei Aufgaben. Mit wenigen Modifikationen läßt sich das über Alphabetschriften Gesagte auf die anderen Schrifttypen übertragen. Syllabogramme sind im allgemeinen intern ebenso wenig funktional strukturiert wie Grapheme, und dasselbe gilt für Logogramme. Bezüglich ei-

ner Schrift wie der des Chinesischen ist allerdings eine Differenzierung erforderlich. Das Schriftsystem des Chinesischen weist keine doppelte Artikulation auf, einfach weil die Grundebene pleremisch ist. Andererseits ist die Zahl der graphematischen Grundformen so groß, daß sowohl aus perzeptuellen wie aus schreibmotorischen Gründen eine hohe interne Strukturiertheit der Einzelform gefordert ist. Die Logogramme des Chinesischen sind aus 11 sog. Grundstrichen aufgebaut, deren Schreibrichtung, Form und relative Größe festliegen. Festgelegt ist auch die Reihenfolge ihrer Ausführung, und es gibt außerdem Beschränkungen für die Plazierung einzelner Striche im Quadrat der Grundform (→ Art. 120). Aufgrund dieser Gegebenheiten wird gelegentlich davon gesprochen, daß auch das chinesische Schriftsystem doppelte Artikulation aufweise (Günther 1988, 46; Coulmas 1989, 98). Diese Sicht ist insofern vertretbar, als eine Formdifferenz bezüglich eines jeden Grundstriches zu einem anderen Logogramm führt, d. h. die Grundstriche sind ‘bedeutungsunterscheidend’. Doppelte Artikulation im eigentlichen Sinne liegt aber nicht vor, weil die Grundstriche nicht in angebbarer paradigmatischer Beziehung zueinander stehen. Unabhängig vom Schrifttyp scheint also zu gelten, daß graphematische Grundformen natürlicher Sprachen intern nicht nach ihrer primären Funktion, sondern unter diesem Gesichtspunkt arbiträr strukturiert sind.

3.

Mischsysteme

Die Schriftsysteme der meisten natürlichen Sprachen weisen in ihrem produktiven, in die einzelsprachliche Grammatik integrierten Teil genau eine Grundebene auf. Da jedoch neben der Grundebene immer auch weitere Ebenen eine Rolle spielen, sind die Schriftsysteme natürlicher Sprachen Mischsysteme. Dabei finden sich mehrere Bedeutungen von ‘Mischsystem’. In der Hauptsache zu unterscheiden ist die Mischung graphematischer Grundformen einerseits (Abschnitt 3.1) von der strukturellen Fixierung sprachlicher Einheiten auf mehreren Ebenen andererseits (Abschnitt 3.2). 3.1. Mischung graphematischer Grundformen Kein ausgebautes Schriftsystem kommt ohne Logogramme aus. Das gilt ausdrücklich auch für Systeme mit Alphabetschrift. Der Min-

1374 destbestand an Logogrammen dürfte durch die Ziffern des jeweils verwendeten Zahlensystems gegeben sein. Die Ziffern des arabischen Zahlensystems stellen wohl die mit Abstand bedeutendste Gruppe von Internationalismen dar. Die Notwendigkeit zur Verwendung von Ziffern ergibt sich aus der Konstruktion des heute global verbreiteten arabischen Zahlensystems, einem sog. Positionssystem (→ Art. 141). Ein Positionssystem ist dadurch gekennzeichnet, daß eine Ziffer ihren Zahlenwert aus ihrer Position in der Zahl ⫺ ihrer ‘Stelle’ - gewinnt. Die Anzahl der Ziffern ist in einem solchen System minimiert, sie ist gleich der Basis des Zahlensystems. Der entscheidende Vorteil des Positionssystems liegt bei der Möglichkeit zur Mechanisierung der Grundrechenarten. Deshalb hat sich das Positionssystem mit Ziffern als Logogrammen durchgesetzt unabhängig davon, wie das Schriftsystem der einzelnen Sprachen sonst beschaffen ist. Illustrativ ist ein Vergleich zwischen dem arabischen Zahlensystem und dem des Chinesischen. Beide Systeme haben die Basis 10, auch das Chinesische verfügt also über Ziffern von 0 bis 9 als graphematische Grundformen, z. B. * + „0“, * + „1“, * + „2“, * + „3“, * + „4“. Darüber hinaus gibt es aber Ziffern für die Potenzen von 10, etwa * + „10“, * + „100“, * + „1000“, * + „10000“. Alle Ziffern sind ganz normale Grundformen. Einen Unterschied zwischen ‘Ziffernschreibweise’ und ‘Wortschreibweise’ wie in Sprachen mit Alphabetschrift gibt es nicht. Die Grundwerte der einzelnen Zehnerpotenzen werden im Chinesischen wie in einem Additionssystem mitgeschrieben z. B. * + „11“, * + „214“, * + „224“. Die am Gesprochenen orientierte Zahlenschreibweise ist im Geschriebenen redundant und erschwert das mechanische Rechnen. Schon deshalb wird auch in China längst das arabische System verwendet. Neben den Ziffern gibt es eine Anzahl international weit verbreiteter Logogramme, die unabhängig vom jeweiligen Schriftsystem verwendet werden, z. B. *&+, *%+, *$+, dazu andere Formtypen wie Abkürzungen und Piktogramme. Auch als Ideogramme, d. h. nicht eindeutig auf lexikalische Einheiten oder Morpheme beziehbare Formen kommen sie vor (Glück 1987, 26 ff). Während man bei den bisher genannten Erscheinungen trotz ihrer Verbreitung und

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

quantitativen Bedeutung für einzelne Sprachen mit guten Gründen von Sonderfällen sprechen kann, die die Grundebene des jeweiligen Systems nicht in Frage stellen, gibt es auch Schriftsysteme mit weitergehender Mischung von Grundformen. Als Musterbeispiel gilt das Japanische (→ Art. 121), bei dem es tatsächlich angebracht ist, von mindestens zwei Grundebenen zu sprechen, nämlich von der logographischen der Kanji (‘chinesische Formen’) und der syllabographischen der Kana (‘japanische Formen’). Im gegenwärtigen Japanisch besteht der Standard aus zwei Syllabaren mit je 47 Grundzeichen (Hiragana und Katakana) sowie ca. 2000 Kanji. Die Kanji sind zum größten Teil nicht graphematische Grundformen, sondern Komposita. Im Normalgebrauch haben die drei Schriften des Japanischen je spezielle Funktionen. Die Kana werden bezüglich der Ebenenbindung nicht einheitlich behandelt. In vielen Fällen lassen sich die Grundformen auf Silben beziehen. Aber häufig entspricht einer Silbe nicht ein Grundzeichen, sondern zwei. Systematisch ist das der Fall bei Silben mit zwei Vokalen (die auditiv oft als Langvokale wahrgenommen werden und dann auch als solche gelten). Derartige Silben haben zwei Moren. Bei Schreibweise mit Hiragana wird hier entweder die Grundform verdoppelt, z. B. * + [a:] oder es wird die Vokalform hinzugesetzt, z. B. * + [na] aber * + [na]. Die Grundebene für das Hiragana ist also die More, denn jeder Grundform entspricht eine More und umgekehrt. Bei Schreibweise mit Katakana kann die zweite More durch ein Extrazeichen repräsentiert werden, das meist einfach ‘Längungsstrich’ heißt, z. B. * + [na] ⫺* + [na]. Auch dies ist eher eine Morenals eine Silbenschreibweise. 3.2. Mischung des Ebenenbezuges bei Systemen mit Alphabetschrift In einem Schriftsystem können alle Ebenen strukturbildend sein, die über der Grundebene liegen. Die Erfassung der Regularitäten auf den höheren Ebenen stellt besonders bei Systemen mit Alphabetschrift traditionell ein theoretisches Problem ersten Ranges dar. Silbisches wurde in der neueren Graphematik solange kaum erfaßt, wie die Silbenphonologie vernachlässigt war. Morphologische und Wortbezüge wurden zwar gesehen, galten aber meist als nur bedingt systematisch und mit der ‘Teleologie’ von Alphabetschriften nicht vereinbar. Das Ideal der Alphabet-

117. Sprachsystem und Schriftsystem

schrift wurde im eindeutigen phonographischen Bezug gesehen. Die Vielfalt der Ebenenbezüge versuchte man mit der schillernden Begrifflichkeit der ‘orthographischen Prinzipien’ zu erfassen (Augst 1981; Kohrt 1987; Rahnenführer 1989). Zur Kennzeichnung der Ebenenbezüge spricht man bei Sprachen mit Alphabetschrift außer von Mischsystemen auch von der Tiefe eines Systems. Weitgehend phonographisch determinierte Systeme heißen flach, solche mit starker Orientierung auf höhere Ebenen tief. Ob der Parameter Tiefe systematisch graduierbar und wie die Tiefe eines Systems motiviert ist, kann gegenwärtig erst im Ansatz hergeleitet werden. Instruktiv ist aber schon die Benennung von Tiefencharakteristika vergleichbarer Systeme. Die folgende Zusammenstellung bezieht sich vor allem auf das Spanische, Deutsche und Französische (→ Art. 124, 127, 126). Ihnen wird in der genannten Reihenfolge zunehmende Tiefe zugesprochen. Als flaches System weist das des Spanischen für die meisten Formen regelmäßige Graphem-Phonem-Korrespondenz auf. Absolut dominant ist die alphabetische Grundebene. Ansätze zur Tiefe hat das System in geringem Umfang dort, wo die Neutralisation phonologischer Opposition phonetisch nicht vollzogen wird, graphematisch aber trotzdem eine Entsprechung hat. Meisenburg (Art. 124) demonstriert dies an der Opposition [r ⫺ J], z. B. *perro+ „Hund“ ⫺ *pero+ „aber“. In anderen Positionen steht entweder [r] oder [J], graphematisch aber immer *r+. Mit Tiefe ist hier phonologische Tiefe im engeren Sinne gemeint. Das Geschriebene abstrahiert davon, daß die in einer bestimmten (der intervokalischen) Position vorhandene Opposition nicht neutralisiert wird. Es geht dabei allein um einen phonologischen Kontext. Die beschriebene Regularität führt in keinem Fall etwa zu Morphemkonstanz, die über phonographische Korrespondenzen hinausginge. Die meisten anderen Abweichungen von der Grundebene sind im Spanischen als historische Schreibungen anzusehen, die sich am Lateinischen orientieren. So haben *beber+ < lat. bibere und *vivir+ < lat. vivere im heutigen gesprochenen Spanisch denselben Anlaut [b]. Umgekehrt steht *c+, das unmarkiert auf [h] bezogen ist, vor [a, o, u] wie im Lateinischen für [k], z. B. *casa+. Etymologische Schreibungen dieser Art scheinen im Spanischen einzellautbezogen zu sein. Sie

1375 werden, anders als im Französischen und Englischen, beispielsweise nicht wortbezogen zur Desambiguierung graphematischer Wortformen genutzt. Auch für das Deutsche läßt sich ohne Schwierigkeiten eine Menge von unmarkierten GPK-Regeln angeben, die die Grundebene des Gesprochenen und Geschriebenen aufeinander beziehen. Die Grundebene wird im Deutschen jedoch sowohl durch silbenstrukturelle wie morphologische Einflüsse systematisch überformt. Ein Beispiel für das Silbische ist das silbenöffnende *h+, das immer dann steht, wenn ein betonter und ein unbetonter silbischer Vokal unmittelbar aufeinander folgen, z. B. [se.en] Ⳏ *sehen+. Solche aufgrund silbenstruktureller Bedingungen etablierten Schreibungen bleiben im Deutschen unter fast allen Bedingungen morphologischer Variation der Silbenstrukturen erhalten, d. h. das silbenöffnende *h+ ist Bestandteil auch solcher Formen des Paradigmas, in denen die genannten Strukturbedingungen nicht gegeben sind wie in *siehst, seht, sah+. Das Deutsche erreicht mit diesem eher morphem- als wortformbezogenen Prinzip eine beträchtliche morphologische Tiefe. Etymologische Schreibungen, die das Deutsche ebenfalls in großer Zahl aufweist, haben wegen seiner starken morphologischen Komponente systematisch einen anderen Platz als im Spanischen. Hier ⫺ und verstärkt noch für das Französische und das Englische ⫺ stellt sich mit der Unterscheidung von etymologischer und morphologischer Tiefe eines der schwierigsten Probleme der Schriftlichkeitsforschung überhaupt. Die morphologische Stabilität einer Sprache ist wesentlich mitbestimmt durch die ‘Trägheit’ des Schriftsystems (Eisenberg 1983, 57 ff). Häufig läßt sich deshalb kaum entscheiden, ob eine Verwandtschaft zwischen graphematischen Formen als morphologisch relevant oder nur noch als etymologisch bedingt anzusehen ist. Wenn einem Normalsprecher des Deutschen Bezüge wie *flugs < Flug+, *Draht < drehen+ oder *Knicks < knicken+ bewußt werden, dann wohl eher über das Auge als über das Ohr. Eben dieser etymologische Zug ist im Französischen noch stärker ausgeprägt. Der Anteil an Formen, die vollständig der alphabetischen Grundebene entsprechen, ist kleiner als im Deutschen und wesentlich kleiner als im Spanischen. Auch weist die Art der Überformung der Grundebene deutlich andere Züge auf als im Deutschen. Dazu gehört

1376 einmal der systematische Wechsel zwischen ‘hörbaren’ und ‘nicht hörbaren’ graphematischen Formen. Das Plural-s ist im Prinzip wortbezogen nicht hörbar (*enfant ⫺ enfants+), der Genusmarker *e+ ist indirekt durch Stammvariation hörbar (*petit ⫺ petite+). Im Graphematischen ist strikt Morphemkonstanz gewahrt. Zur Ermittlung phonographischer Korrespondenzen, d. h. Schreibungen der Grundebene, hat man nun aber teilweise die Wortgrenze zu überschreiten. Das gilt insbesondere für die konsonantischen Morphembestandteile [t] und [z], die erst unter Liaison hörbar werden (*les enfants ⫺ les petits+). Hier ist das Französische eindeutig wortform- und nicht morphembezogen. Einen Wortformbezug sieht Catach (Artikel 126) auch in Schreibungen, die sie lexikalische Logogramme nennt. Etymologische Bezüge werden dabei nicht als historische Relikte, sondern als funktional im Sinne lexikalischer Desambiguierung verstanden, z. B. *temps, tend, taon, tan+ sowie zahlreiche Paare von Funktionswörtern wie *si, ci+, *se, ce+. Das Französische und ebenso das Englische nutzen diese Art von logographischem Bezug anscheinend stärker aus als das Deutsche. Vielleicht noch ausgeprägter ist der Wortformbezug im Arabischen. Das in Artikel 123 behandelte Beispiel der Stammbildung arabischer Substantive und Verben scheint darüber hinaus gewisse Verallgemeinerungen über das Verhalten von Systemen mit Alphabetschrift zuzulassen. Die morphologische Struktur der betreffenden Formen ist ‘geschachtelt’. Bei einem Wort wie * + [kitab] „Buch“ besteht sie aus einem Konsonantgerüst, der Wurzel ktb, und einem sog. Morphemtyp, der die Silbifizierung und die silbischen Vokale spezifiziert, im Beispiel KiKaK. Dieselbe Wurzel könnte auch anders silbifiziert werden mit dem Ergebnis eines anderen Wortes. Unterschiedliche Silbifizierungen ⫺ etwa vokalische Belegungen ⫺ können darüber hinaus zu unterschiedlichen Wortformen innerhalb eines Paradigmas führen. Erst dies rechtfertigt es, hier von einer morphologischen Analyse ⫺ d. h. Analyse in bedeutungstragende Einheiten ⫺ zu sprechen. Artikel 123 zeigt, wie im geschriebenen Arabisch nicht die Plereme für sich, sondern die Ergebnisse ihrer Kombination strukturbildend werden. Das Schriftsystem reduziert Redundanzen auf der Ebene der Wortformen. Ein Bezug auf kleinste morphologische

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Einheiten scheint ausgeschlossen zu sein, weil diese nicht als Segmente Bestandteile von Wortformen sind. Die Schachtelung ist ein klarer Fall von Nicht-Segmentierbarkeit. Verallgemeinerungen über den Ebenenbezug alphabetischer Systeme sind, wie festgestellt, noch ein Forschungsdesiderat. Denkbar und zu den genannten Sprachen passend wären Ausagen wie (1) Sprachen mit wenig Allomorphie neigen eher zu flachen Schriftsystemen (Spanisch). (2) Isolierende Sprachen und solche mit segmental schwer faßbarer Morphologie neigen zu Wortformbezug (Französisch, Englisch, Arabisch). (3) Sprachen mit segmentaler Morphologie neigen zu Morphembezug (Deutsch, Russisch).

4.

Zur Forschungslage: Schriftsysteme als Gegenstand der Sprachwissenschaft

Wie der geschriebenen Sprache generell so ist der Erforschung von Schriftsystemen etwa seit Beginn der 80er Jahre erhöhte Aufmerksamkeit zuteil geworden. Zugenommen haben vor allem Arbeiten zu den Systemen einzelner Sprachen, aber auch vergleichende Untersuchungen sind ingang gekommen (eine Dokumentation bis Ende der 80er Jahre in Günther 1990 b). Diese Entwicklung kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß wissenschaftliche Aktivitäten zur Sprachtheorie, Grammatiktheorie und einzelsprachlichen Grammatik nach wie vor von einer Unausgeglichenheit zuungunsten der geschriebenen Sprache geprägt sind. Zu den wichtigsten Gründen und Begründungen für diesen Befund gehören die folgenden. 4.1. Ist die geschriebene Sprache sekundär? Als Begründung für das primäre Interesse an einer Erforschung der gesprochenen Sprache werden meist Natürlichkeitsargumente vorgebracht. Sprache als Gattungsmerkmal des Menschen sei gesprochene Sprache, diese sei der geschriebenen phylogenetisch vorausgesetzt, sie sei der Physiologie des Menschen angepaßt, werde früher gelernt und sei für das Leben in menschlichen Gesellschaften unabdingbar (→ Art. 15). Schriftsystematische Untersuchungen selbst berufen sich aus dieser Perspektive nicht selten auf die ⫺ unterstellte ⫺ historische und genetische Priorität der gesprochenen Sprache als sog. externe Evidenz für ihre theoretische Priorität. Eine Entscheidung über theo-

117. Sprachsystem und Schriftsystem

retische Priorität ist zwingend, wenn im Rahmen ‘gerichteter’ Grammatikmodelle gearbeitet wird. Eine Grammatik als Algorithmus, der sprachliche Einheiten durch sukzessive Regelanwendung generiert oder eine Grammatik als Menge von Modulen, die Information zur Generierung sprachlicher Einheiten weiterreichen, erzwingen eine Ableitungsrichtung. Grammatiken dieser Art sind in der Regel so konstruiert, daß sie ohne eine Graphematik funktionieren können, nicht aber ohne eine Phonologie. Die Graphematik wird der fertigen Grammatik als zusätzliche Komponente implantiert (Bierwisch 1972; Wiese 1987, 1989; kritisch Kohrt 1987). Gerichtetheit als Eigenschaft von Grammatiken legt eine theoretische Festschreibung des sekundären Charakters der geschriebenen Sprache nahe, sie hat diese aber nicht hervorgebracht. Für Sprachen mit Alphabetschrift ist auch unabhängig davon ein Graphembegriff dominant, der als kleinste segmentale Einheit der geschriebenen Sprache das ansieht, was einem Phonem entspricht. Primär ist das Phonem. Dieses ‘aristotelische Verständnis’ von Schrift sieht in graphematischen Formen Zeichen besonderer Art. ‘Schriftzeichen’ designieren Entitäten der Lautsprache. Alphabetische Systeme haben dann umgekehrt die Aufgabe, Lautsysteme (verstanden als Mengen von Phonemen) abzubilden (dazu Haas 1970; Heller 1980; Kohrt 1985; Eisenberg 1985). Die Gegenposition macht geltend, daß eine Theorie über die Strukturiertheit der geschriebenen Sprache nicht in der skizzierten Weise von einer Theorie über historische und genetische Zusammenhänge zwischen geschriebener und gesprochener Sprache abhängig gemacht werden dürfe. Als direkte Kritik an der ‘aristotelischen Sicht’ versteht sich insbesondere eine Argumentation, die an ältere Traditionen der Symbolphonetik anknüpft und zeigt, daß ein großer Teil moderner Phonologie noch immer schriftabhängig ist (Abschnitt 4.2). 4.2. Phonologie und Phonetik als Schriftlichkeitsforschung Unter historischer Perspektive geht es um die Entstehung des Alphabets im Altgriechischen. Sie wird gedeutet als ein Problemlösungsvorgang, der ein übernommenes Inventar von Formen so weit ausdifferenziert, daß Wortformen unter Verwendung einer minimalen Formmenge voneinander trennbar und so identifizierbar werden. Die Zahl der Seg-

1377 mente in einer Wortform und die paradigmatische Organisation der Segmente ist so fixiert, daß Wiedererkennen (‘Lesen’) möglich wird. Die etablierten Segmente heißen dann für das Gesprochene Laute oder Phoneme, und ihre Funktionalität ergibt sich aus dem Ziel des Problemlösungsvorganges als Bedeutungsunterscheidung (Lüdtke 1969; → Art. 56). Diese Auffassung läßt sich aus der Geschichte eines Teils der Symbolphonetik bestätigen. Das Ziel symbolphonetischer Bemühungen im 19. Jahrhundert bestand nicht ausschließlich darin, Eigenschaften des Lautlichen irgendwie vollständig zu erfassen, sondern es ging um eine Rekonstruktion dessen, was in den Buchstaben der Alphabetschrift steckt. Primärer Gegenstand der Theoriebildung war nicht ‘das Lautliche’, sondern die Alphabetschrift. Es ist deshalb auch nicht verwunderlich, daß sog. phonetische Transkriptionssysteme wie das IPA bis heute weitgehend phonologisch im Sinne einer Alphabetschrift funktionieren (Tillmann 1980; Gessinger 1993; Pompino-Marschall 1993). Für die Phonologie besteht die Ironie der Entwicklung darin, daß sie zwar den Primat der gesprochenen Sprache setzt, wahrscheinlich der Schriftdeterminiertheit aber nicht entgehen konnte. So wurde gezeigt, daß die Einlassung von Chomsky und Halle (1968, 49), die Orthographie des Englischen sei ein „near to optimal system“, eben auf der Schriftabhängigkeit ihrer Phonologie beruht (dazu Hammarström 1971; Householder 1971). Wie bereits in Abschnitt 3.2 erwähnt: Bis heute ist nicht entschieden, in welchem Umfang eine schriftunabhängige Phonologie etwa andere funktionale Kriterien als Distinktivität zu berücksichtigen hätte und in welchem Umfang sie segmental zu konzipieren wäre. 4.3. Praxisbezug Schreiben und Lesen sind Kulturtechniken, die gelernt werden müssen. Es dürfte kaum eine Sprachgemeinschaft geben, deren Mitglieder diese Kulturtechniken alle auch nur annähernd gleich gut beherrschen. Die Funktionalität von Lesen und Schreiben ist für verschiedene Gruppen einer Gesellschaft unterschiedlich groß: Wer sie braucht, erwirbt und entwickelt diese Fähigkeiten eher als der, der sie nicht braucht. Zum Selbstverständnis literaler Gesellschaften gehört, daß alle ihre Mitglieder im Lesen und Schreiben unterrichtet werden.

1378 Mit diesem Selbstverständnis ist, sei es nun von den tatsächlichen gesellschaftlichen Anforderungen her begründet oder nicht, die Etablierung von Institutionen zur Vermittlung und Bewahrung der Kulturtechniken verbunden. Das bedeutet sprachpraktische Arbeit in großem Umfang, die in Schulen und Bildungseinrichtungen aller Art, in Wörterbuchredaktionen und von Institutionen der Sprachpflege wie Akademien und Orthographiereformkommissionen geleistet wird. Die geschriebene Sprache spielt dabei eine größere Rolle als die gesprochene. Für das Schreibenlernen tut die Schule alles, für das Sprechenlernen wenig. So hat sich eine Schreib- und Lesedidaktik mit eigener Professionalität entwickelt, die weiß oder zu wissen glaubt, nach welchen Regeln man Lesen und vor allem Schreiben vermittelt. Dasselbe gilt für die Wörterbuchmacher. Auch sie wissen oder glauben zu wissen, welche Regeln die Sprachbenutzer zum richtigen Schreiben brauchen. So entwickelte sich ein Begriff von orthographischer Regel, der den Anforderungen der Praxis genügen sollte (z. B. Riehme 1980; Eichler 1985; Nerius et al. 1987, 33 ff). Bis weit in die Sprachwissenschaft hinein besteht folglich Konsens darüber, daß Orthographie ein Gegenstand für Didaktiker und Wörterbuchmacher sei. Eine orthographische Regel diene der Praxis, und neben ihr habe eine Regularität des Schriftsystems eigentlich keinen Platz. Wer sich mit Orthographie beschäftigt, ist in den Augen vieler Sprachwissenschaftler schon auf dem Weg zum Schulmann. Auch von Seiten der Praxis wird sprachwissenschaftliche Arbeit zur geschriebenen Sprache zumindest in Deutschland eher gehemmt als gefördert. Viele Praktiker können sich nur schwer vorstellen, daß die der Sprachwissenschaft zugänglichen Regularitäten des Schriftsystems von Bedeutung für die Schreibund Lesedidaktik oder für die Rechtschreibregeln in einem orthographischen Wörterbuch seien (ein Beispiel in Günther 1990 a, 1992; Augst 1990). 4.4. Orthographie als Norm Ein sprachwissenschaftlicher Zugang zur geschriebenen Sprache wird erschwert durch ihre Bindung an die ‘Orthographie’. Eine Orthographie als explizite, kodifizierte Sprachnorm scheint erneut auf den sekundären Charakter der geschriebenen Sprache zu verweisen. Als empirische Wissenschaft möchte sich die Sprachwissenschaft nicht sozusagen

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

deskriptiv mit dem Ergebnis eines Normierungsprozesses beschäftigen, zumal sich die moderne Grammatikforschung ihrem Selbstverständnis nach von der ‘traditionellen’ und ‘normativ ausgerichteten’ Grammatik abzusetzen hat. Die Normiertheit der Formen des Geschriebenen läßt Zweifel daran aufkommen, daß es außer Rechtschreibregeln auch Regularitäten gibt, wie man sie in einer natürlichen Sprache erwarten muß. Der normative Aspekt hängt eng mit dem sprachpraktischen (Abschnitt 4.3) zusammen. Theoretisch von Interesse ist, in welchem Umfang mediale und funktionale Bedingungen (z. B. Kommunikation über Dialektgrenzen hinweg) ausschlaggebend für die Tendenz zur Vereinheitlichung der Formen geschriebener Sprache sind (Vachek 1939, 1973; Hartung 1977; Kohrt 1987, → Art. 56, 59). Das Reden vom Schriftsystem natürlicher Sprachen unterstellt, daß Normiertheit und Systematizität sich nicht grundsätzlich ausschließen.

5.

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Peter Eisenberg, Potsdam (Deutschland)

118. Typology of Writing Systems 0. 1.

5.

Introduction General requirements on typological classifications of writing systems Modern typologies Conflicting classifications Typologies of writing systems and linguistic analysis References

0.

Introduction

2. 3. 4.

The term writing system is often confused or used interchangeably with a number of other terms including language, alphabet, script, spelling and orthography. In the present context as throughout this handbook these terms are used with different meanings. Expressions such as ‘phonetic language’ are avoided. The term alphabet is reserved for a particular kind of writing derived, very generally speaking, from Western Semitic systems of what is often described as segmental representation. Script refers to the actual shapes by which a writing system is visually instantiated. (Coulmas 1989, 37 f) Every writing needs for its materialization a script, but there is no necessary link between a particular script and a particular writing system. Black-letter and italic are scripts for the Roman alphabet. The Roman alphabet is used to write various languages, but the rules for applying it vary. These rules constitute spelling systems or orthographies. Script and spelling system are mutually independent: One can be changed

without changing the other. If a difference is made at all between spelling and orthography, the latter is conceived of as a codified form of the former. Hence, not all writing systems have orthographies, but inasmuch as they deserve to be called ‘systems’ they include a spelling system consisting of implicit rules. The notion writing system as it is employed here refers to (1) a set of graphic symbols called graphemes and (2) a set of conventions for their legitimate sequential and spatial arrangement. Writing systems differ with respect to both (1) and (2). One way of throwing light on these differences is to design typologies which enable comparisons regarding the commonalities and idiosyncrasies of the many writing systems that have evolved in the course of history.

1.

General requirements on typological classifications of writing systems

The task of a typology of writing systems is to establish criteria for assigning any writing to one of a number of meaningful types. These types should not be too numerous since no generalizations can be derived from a classification which is too specific. Conversely, a typology which provides for too few divisions also fails to uncover any illustrative facts useful in the analysis of writ-

1380

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Richter, Helmut. 1973. Grundsätze und System der Transkription ⫺ IPA(G) ⫺. Tübingen.

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Geoffrey.

1985.

Writing

Systems.

Spencer, Andrew. 1990. Morphological Theory. An Introduction to Word Structure in Generative Grammar. London. Tillmann, Hans G. 1980. Phonetik. Lautsprachliche Zeichen, Sprachsignale und lautsprachlicher Kommunikationsprozeß. Stuttgart. Vachek, Josef. 1939. Zum Problem der geschriebenen Sprache. In: Travaux du Cercle Linguistique de Prague 8, 94⫺104.

Wiese, Richard. 1987. Laut, Schrift und das Lexikon. Deutsche Sprache 15, 318⫺335. ⫺. 1989. Schrift und die Modularität der Grammatik. In: Eisenberg & Günther, 321⫺339. Wurzel, Wolfgang U. 1981. Phonologie: Segmentale Struktur. In: Grundzüge einer deutschen Grammatik. Berlin, 898⫺990.

Peter Eisenberg, Potsdam (Deutschland)

118. Typology of Writing Systems 0. 1.

5.

Introduction General requirements on typological classifications of writing systems Modern typologies Conflicting classifications Typologies of writing systems and linguistic analysis References

0.

Introduction

2. 3. 4.

The term writing system is often confused or used interchangeably with a number of other terms including language, alphabet, script, spelling and orthography. In the present context as throughout this handbook these terms are used with different meanings. Expressions such as ‘phonetic language’ are avoided. The term alphabet is reserved for a particular kind of writing derived, very generally speaking, from Western Semitic systems of what is often described as segmental representation. Script refers to the actual shapes by which a writing system is visually instantiated. (Coulmas 1989, 37 f) Every writing needs for its materialization a script, but there is no necessary link between a particular script and a particular writing system. Black-letter and italic are scripts for the Roman alphabet. The Roman alphabet is used to write various languages, but the rules for applying it vary. These rules constitute spelling systems or orthographies. Script and spelling system are mutually independent: One can be changed

without changing the other. If a difference is made at all between spelling and orthography, the latter is conceived of as a codified form of the former. Hence, not all writing systems have orthographies, but inasmuch as they deserve to be called ‘systems’ they include a spelling system consisting of implicit rules. The notion writing system as it is employed here refers to (1) a set of graphic symbols called graphemes and (2) a set of conventions for their legitimate sequential and spatial arrangement. Writing systems differ with respect to both (1) and (2). One way of throwing light on these differences is to design typologies which enable comparisons regarding the commonalities and idiosyncrasies of the many writing systems that have evolved in the course of history.

1.

General requirements on typological classifications of writing systems

The task of a typology of writing systems is to establish criteria for assigning any writing to one of a number of meaningful types. These types should not be too numerous since no generalizations can be derived from a classification which is too specific. Conversely, a typology which provides for too few divisions also fails to uncover any illustrative facts useful in the analysis of writ-

1381

118. Typology of Writing Systems

ing. For example, Saussure (1985, 47) distinguished only two types of writing, ‘ideographic systems’ and ‘phonetic systems’. Such a general division is not a typology proper because the two categories lump together systems of widely different kinds. In order to capture the underlying differences it is necessary to identify the dimensions along which writing systems differ. A general requirement of typologies must be that the criteria used for classifying the objects to which they are applied are informative and analytically valuable. For instance, clearly motivated though they are, labels such as ‘Central American writing’ or ‘Chinese-derived writing’ are not analytically valuable. Knowledge of geographic location and genetic affiliation does not imply anything for a systematic analysis of writing, notwithstanding the fact that both kinds of information may help better to grasp a system yet poorly understood. Typologies reflect the theoretical concepts in terms of which a given set of objects is perceived. For example, Diringer’s classification groups writing systems into ‘pictographic scripts’, ‘ideographic scripts’, ‘analytic transitional scripts’, ‘phonetic scripts’, and ‘alphabetic scripts’. (Diringer 1962, 21⫺25) This typology is open to criticism because the criteria underlying it are heterogeneous. The first two types have to do with the kinds of objects that are represented, pictures and ideas, whereas the other three are based on the linguistic analysis inherent in writing systems. Moreover, in this classification alphabetic systems are excluded from phonetic systems. These two types differ in that the former takes as its point of reference the graphic symbols, alphabetic letters, while the latter refers to the linguistic level on which the system operates, that of speech sounds. Yet another reason that speaks against Diringer’s classification is his notion of an ideographic script which is essentially the same as that used by Taylor (1899, 25). This notion is still commonly encountered in Orientalist studies, but linguists tend to reject the idea that ideas can be represented visually without the mediation of language and, therefore, prefer to dispense with the notion of ideography altogether. Modern typologies of writing systems are more systematic and use as their point of reference only that which writing is generally thought to embody, language.

2.

Modern typologies

Most modern typologies of writing systems rest on a number of basic common assumptions. One is that writing represents speech or that the purpose of writing is “unique identification of an utterance” (Hill 1967, 93). Coe’s (1992, 13) definition of writing is typical: “Writing is speech put into visible form, in such a way that any reader instructed in its conventions can reconstruct the vocal message.” Faber (1992, 117) quotes several similar definitions of writing (although she uses the term orthography) which agree in referring to the function of such systems to “cue a native speaker to produce acceptable utterances” in the language in question. Another implicit assumption of many typologies is that the smallest unit of a writing system determines its type, that is, the smallest linguistic unit denoted by the system’s elementary signs, words or morphemes or syllables or phonemes. More sophisticated studies have shown that the same inventory of basic signs can serve structurally very different systems, as is the case with the Roman alphabet. (Haas 1983) Typologies do not usually refer to higher-level organizational principles of writing, e. g., chapters, sections, paragraphs, and sentences by means of which text is segmentable, or properties of text such as direction (left, right), axis (horizontal, perpendicular) or lining (top to bottom, bottom to top). Accordingly, punctuation is generally disregarded in typologies of writing systems. Any complete analysis of a writing system clearly includes punctuation marks as a subsystem, which however are not considered relevant for classification purposes. There is also general agreement that notations operating on a level higher than the word fall outside writing proper, although there are exceptions. In his typology Hill (1967, 93) includes a category ‘discourse systems’ which he considers as one of the main three divisions of writing systems. Amerindian pictograms and Peruvian knotted cords (quipus) are, respectively, classified as iconic and conventional systems of discourse writing. (Hill 1967, 94) Hill stands alone in his treatment of ‘discourse writing’, but Sampson (1985, 32) also assumes a category for what he calls ‘semasiographic writing’. Other divisions of Hill’s are less conspicuous, but not altogether uncontroversial. His typology can be summarized in a diagram (cf. fig. 118.1).

1382

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Writing

discourse systems

iconic

conventional

Amerindian

Quipu

morphemic systems

Egyptian Sumerian Maya Chinese

phonemic systems

partial phonemic

polyphonemic

Egyptian Hebrew Arabic

Linear B Kana Cherokee

monophonemic phonemic Ancient Greek Old English

morphophonemic German Modern English

Fig. 118.1. Hill’s (1967) typology of writing systems

This typology reflects certain theoretical decisions. It is based wholly on categories of linguistic analysis rather than categories derived from writing systems. Hence, Egyptian writing shows up twice in the classification because it is composed of units of two different kinds. Further, no suitable slot is provided for systems of the Indian variety where the units of writing are syllables, while the analytic depth of the system is, at least partially, phonemic. It is also noteworthy that Hill assigned Old English and Modern English to different categories. Where spellings are fixed, this is Hill’s contention, there is a tendency to keep the morpheme spelling invariant rather than preserve a (near) biunique phoneme-grapheme correspondence. Morphoponemic spelling carried to the extreme destroys simple phoneme-grapheme correspondences. Where this is the case, Hill concludes, a system whose elementary graphic units taken in isolation have phonemic values is really employed for morphemic writing, “so that it is just about as true of English that we spell our morphemes by selecting strokes and placing them in the right order according to partially logical rules, as it is of Chinese.” (Hill 1967, 99)

3.

Conflicting classifications

Hill is not the only linguist to point out a parallel between English and Chinese writing (cf. Chao 1976, 92). What such considerations indicate is that the classification of a writing in a typology may be problematic be-

cause asynchronous developments of speech and writing may lead to a change of type. This being so, there is potential for disagreement in typological classifications of individual systems. Disagreement is, of course, also often grounded in contentious theoretical viewpoints the gist of which is most clearly expressed in such schemes. A wellknown dispute is that about Egyptian syllabic writing. 3.1. Egyptian syllabic writing Egyptian hieroglyphs are used to write both semantic elements and sounds. Although Egyptian inscriptions can be read more or less completely, there has been an extended discussion ever since the decipherment of the hieroglyphs about the kinds of phonetic elements they actually embody. On one hand it was assumed that they have syllabic values much like cuneiform signs, while in the opposing view they were seen as representing consonants only. Albright (1934) made the case for a syllabic script which was later forcefully promoted by Gelb (1963). Most Egyptologists, however, regard Egyptian phonographic writing as consonantal (→ art. 19). Considering the extensive Egyptian literature that has come down to us, the difficulty in resolving this issue cannot be attributed to lack of data. What it suggests is that, maybe, the alternative syllabic vs. consonantal resides in the analysis rather than in the object. What appears to be a clear-cut distinction on theoretical grounds may be equivocal on the

1383

118. Typology of Writing Systems

level of the writing itself and for those who used it. A similar controversy surrounds the typological classification of Phoenician.

ment is given why this principle should not yield CV syllabic signs, in the absence of consonant-cluster initial words among the Phoenician letter names a distinct possibility which could be invoked in support of Gelb’s position. This is, however, not the place to assess the merits of these opposing views. Rather, the point at issue is that typological classifications involve far-reaching theoretical commitments. Faber (1992, 122) introduces another dimension as theoretically relevant for defining types of writing systems, that of linearity. The categories she suggests are phonographic/ logographic, syllabically linear/segmentally linear, complete/defective, and syllabically encoded/segmentally encoded. Her typology with some examples is demonstrated by figure 118.2. A comparison of the typologies in Figures 118.1 and 2 reveals that quite different properties of writing systems are emphasized as defining criteria of types. Faber’s notion of linearity enables her, rather elegantly, to incorporate the difference between the units of writing and the level of their structural decomposition into the typology. ‘Syllabically linear’ means that there is a simple and direct mapping relation between the linear arrangement of the units of the writing systems and the syllables of speech. These units in turn can have no internal structure in which case they are ‘syllabically coded’. If they do display internal structure corresponding in one

3.2. Phoenician: Syllables or segments? Gelb (1963, 191) classifies Phoenician as a syllabic system, whereas for Voegelin & Voegelin (1961, 60 ff) among others it exemplifies the type of a defective alphabet consisting of consonant signs only. Both of these categorizations rest on theoretical conjectures. Gelb advocates a theory of necessary developmental stages in the evolution of writing, such that syllabic writing must precede the representation of individual segments. Assuming segmental values for Phoenician letters contradicts Gelb’s evolutionary theory, which is why he interprets them as syllabic. The obvious question here is whether there is enough support for Gelb’s theory to make it the sole basis for such a classification. The cornerstone of Voegelin & Voegelin’s argument is the principle of acrophony. Sixteen of the 22 Phoenician letters are named after common objects. This “systematic selection by acrophony […] could yield nothing but letters for consonants in a language having nothing but consonant-initial words” (such as Phoenician). (Voegelin & Voegelin 1961, 61) The central criterion of Voegelin & Voegelin’s typology is independence of consonants and vowels in segmental signs. The acrophonic principle is interpreted on the basis of a segmental analysis. No argu-

phonographic

syllabically linear

logographic

segmentally linear

syllabically coded

segmentally coded

complete (=ALPHABET)

defective

Akkadian Japanese (kana)

Hebrew Syriac Arabic Ethiopian Amharic Devanagari

Greco-Latin Cyrillic

Ugaritic Phoenician Aramaic Old South Arabian Old Hebrew

Fig. 118.2. Faber’s (1992) typology of writing systems

Chinese Ancient Egyptian

1384 way or another to the structure of the syllable, they are ‘segmentally coded’, but not necessarily ‘segmentally linear’. Segmentally linear systems are basically alphabets, but Faber emphasizes the dimension of completeness and thus arrives at a rather narrow notion of ‘alphabet’ which, as she says, “should be restricted to complete segmentally linear orthographies.” (Faber 1992, 122) Phoenician is classified as a segmentally linear defective system, because it represents segments (rather than syllables) but not all of them, being limited as it is to consonants. In other typologies Phoenician, Hebrew, Greek and Arabic would all be classified as alphabets, but in Faber’s typology they end up in three different categories. Conversely, her subsuming Hebrew, Syriac, Arabic, Ethiopian and Devanagari under one type is a rather unconventional grouping, albeit wellmotivated within her theoretical framework. Putting it negatively, what these systems have in common is that although they represent segments these are not arranged in a linear fashion. Faber’s typology is sensitive to a number of relevant distinctions between systems that incorporate phonetic analyses on the levels of segments or syllables, but it is very crude with respect to other systems, providing just one type, logographic, exemplified by two very different systems, Ancient Egyptian and Chinese. 3.3. The Chinese problem Chinese writing has often been called ‘ideographic’. (e. g., Creel 1936; Jensen 1969, 157 f) Although this notion is not always interpreted in the strict sense it suggests, there is a strong tradition of thinking of Chinese characters as language-independent signs referring to ideas rather than linguistic units. This view has been reinforced by the fact that Chinese characters have been borrowed for writing other languages such as Korean and Japanese where their meaning is often that of the Chinese word. This has been taken as evidence that Chinese characters form a language-independent code. On second thought, however, it merely means that many Chinese words were borrowed into Korean and Japanese in writing. In Japanese these Chinese characters were in addition given a Japanese interpretation, that is, they were associated with Japanese words roughly equivalent in meaning with the respective Chinese words, → art. 27. In recognition of the fact that Chi-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

nese like other writing systems refers to language rather than ideas, the notion of ideography has been largely replaced by that of logography which, however, also fails to do justice to the Chinese writing system. In Hill’s (1967) above quoted typology Chinese is classified as a morphemic system. This term is more accurate than logography or word writing, because words in the sense of components modifiable by inflection or other morphological processes are not the units of any writing system. But morphemes are conceived as abstract meaningful entities requiring a phonological interpretation. This suggests, erroneously, that Chinese is primarily a meaning-based system. There is a strong element of using Chinese characters for their syllabic values, however. Moreover, the great majority of Chinese characters comprise a sound-indicating element. Voegelin & Voegelin (1961, 70 f), therefore, classify Chinese as an “alphabet included logographic system,” their notion of an alphabet being very wide and roughly equivalent with that of phonetic writing in other typologies. This classification does little to improve our understanding of the difficult question as to how sound is represented in Chinese writing. DeFrancis takes a much bolder approach. Accepting Boltz’s (1986, 428) contention that “at least one of the components [of ancient Chinese characters] must have had a phonetic function,” he deemphasises the semantic element of Chinese writing stressing its phonetic nature instead. (DeFrancis 1989, 100, passim) Elaborating on Chao’s (1976) work, he defines Chinese as a “morpho-syllabic system”. (DeFrancis 1989, 58) This term is intended to reflect the two-fold function of Chinese characters as referring to both phonological and semantic units. It is a meaningful alternative to the term ‘logographic’ which focuses on the lexeme as the basis of classification rather than recognizing the fact that Chinese characters represent sounds through the use of grapheme components with phonetic values. DeFrancis also puts an end to the persistent notion of picture writing. While recognizing the fact that pictures are at the origin of writing, he agrees with Gelb (1963, 193 f) that full writing presupposes phonetization. Incorporating a developmental perspective, DeFrancis’ (1989, 58) typology of writing thus looks as follows (Fig. 118.3). Writing properly so called is linked to and dependent on language. And language means

1385

118. Typology of Writing Systems nonwriting: cave paintings Yukagir pictographs Amerindian pictographs

pictures

pure syllabic: Linear B, Yi, Kana, Cherokee morphosyllabic: Sumerian, Chinese, Mayan writing

rebus

syllabic systems

morphoconsonantal: Egyptian pure consonantal: Phoenician consonantal alphabetic

pure phonemic: Greek morphophonemic: English

Fig. 118.3. DeFrancis’ (1989, 58) typology of writing

sound. The above typology clearly reflects this view. Pictorial signs not conventionally linked to language are “nonwriting”, a deadend that will never lead to writing. Accordingly, DeFrancis’ typology has no category for pure meaning-based systems, because in his view no such systems exist, and Chinese in particular must not be classified as such. He thus rejects Sampson’s (1985, 32) classification scheme both for incorporating a category of ‘semasiographic writing’ and for classifying Chinese as a logographic system. Sampson dismisses the phonetic element in Chinese writing since, in his view, “there is nothing regular about this.” (Sampson 1985, 146) But DeFrancis considers the representation of syllables by Chinese characters, imperfect as it is, as basic. The imperfection is compensated by the addition of semantic elements as constituent parts of the characters. 3.4. Korean Yet another controversial system is Korean Hanguˇl. Its graphemic units represent syllables, which is why it is sometimes classified as syllabic. But since these units can be broken down into components mapped onto phonemes and even subphonemic distinctive features, it is also classified as an alphabetic system. To resolve this predicament, Samp-

son (1985, 32) puts Hangu˘l into a class by itself which he calls “featural”. DeFrancis (1989, 191 ff) is at variance with this analysis arguing that while the basic units of operation in the Korean writing system are graphemes representing phonemes which are grouped into syllabic blocks, changes in pronunciation are generally not reflected in writing where they can be predicted from the morphological environment. Korean should, therefore, properly be classified as morphophonemic and hence in DeFrancis’ typology falls into the same category as French and English. Faber (1992) does not deal with Korean, but in her above quoted typology it would have to be classified, together with Hebrew, Ethiopian and Devanagari, as a syllabically linear segmentally coded system. Both this and DeFrancis’ analysis are preferable to Sampson’s, because by assigning Korean to a class with only one member he ignores important similarities with other systems, notably Indian writing where vowels are generally written as graphic satellites to consonant letters in no fixed linear order. Further support for DeFrancis’ position regarding Korean can be found in the fact that Koreans learn their script by memorizing the roughly 1000 symbols that represent syllables and are gen-

1386

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

erally unaware of the featural relationships between them (→ art. 113). There are other systems in which subphonemic features are represented in one way or another. Japanese Kana, for example, systematically mark the voiced/unvoiced distinction by means of a diacritic. But this is not the principal characteristic of Kana which uses otherwise opaque syllable signs as its units of operation. What follows is that a typological classification of a writing system should not look for the smallest linguistic entity it represents, but for its principal unit of operation.

4.

Typologies of writing systems and linguistic analysis

Various typologies of writing systems have been suggested in the past and further typologies will no doubt be developed. Typologies are a means to create order in a complex and disorderly field. They are useful because they highlight problems in the study of writing and of language. If a system is not easily classified, this is either because its structural make-up and mode of operation are poorly understood or because the typology and hence the underlying theory is inadequate. For example, not long ago there were doubts as to whether the Maya glyphs should be classified as writing proper. Gelb (1963, 59) approvingly quotes Schellhas’ opinion expressed in 1936 that “the Maya hieroglyphs are by no means a real writing in our sense.” In the meantime, these doubts have been laid to rest, for many Maya texts can now be read. “The ancient Maya scribes could have written everything expressed in their language using only the syllabic signary ⫺ but they did not, any more than did the Japanese with their kana signs, or the Sumerians and Hittites with their syllabaries, or the Egyptians with their stock of consonantal signs. The logograms just had too much prestige to abolish.” (Coe 1992, 264) Thus, Maya writing is now classified as a morpho-syllabic system similar in certain systematic respects to Sumerian and Chinese (→ art. 28). Such lumping together of widely divergent systems is liable to criticism. Orientalists will have no difficulties pointing out a number of important characteristics that distinguish Sumerian cuneiform from both Chinese and Mayan, and the same holds for Sinologists and Americanists. However, the value of ty-

pological classifications is precisely that they elevate certain features to categorical status at the expense of others thereby sorting out the critical from the less important characteristics of the systems under consideration. The underlying theoretical decisions may not always be sound, but in the form of typologies they are brought out into the open and hence made susceptible to rectification. Typologies thus serve an important heuristic function. A variety of criteria can be thought of for designing typologies of writing. Pulgram (1976) discusses eight different typologies based on as many criteria. They include ‘evolution’ (pre-writing/writing), ‘code’ (praeterglottic/glottic), ‘level’ (utterance, word, syllable, sound), and ‘script’ (illustrative, orthographic, transcriptional). The last-mentioned in particular reflects an attempt to categorize writing systems on the basis of inherent functional properties. In general, however, typologies of writing are heavily focussed on linguistic analysis, but at the same time they also have a bearing upon it. There is an element of circularity here, because many of the categories for analyzing language are induced by writing, and then these same categories are used as the basis for classifying writing systems. The units of all writing systems provide what linguists are for ever looking for, invariants. But the notions that have been derived from these units are rough-hewn and never do complete justice to all instances of the phenomena in question. They are ideal types. The word was the first unit to be thrown overboard in linguistic theory. A scientifically tenable concept of the syllable presents almost as many difficulties, and phonologists, while desperately defending the psychological reality of the phoneme, are at a loss for a watertight definition of the phonemic segment. A parallel we cannot fail to notice here is that the analytic terms used to describe and classify writing systems upon scrutiny turn out to be no more than general labels much in need of clarification. It is agreed that logographic systems do not represent words, but morphemes or other meaningful units of speech that sometimes defy definition. What are called ‘syllabic’ systems are rarely composed of units which can be mapped easily one by one onto speech syllables. And the relationship between supposedly phoneme-representing alphabetic letters and segments has become one of the most involved and contentious issues in the theory of writing.

1387

119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

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What all this implies is that the conceptual apparatus of both linguistic analysis and writing typology is still rather immature. All paradigms of theoretical linguistics arose in literate societies, and there are good reasons to assume that they were influenced by the pre-theoretical perception of language suggested by writing. Linguistics is clearly indebted to writing. At the same time, typologies of writing lean on theoretical notions of linguistic analysis. From this interaction it follows that typologies of writing systems, rather than being of interest only for students of writing, can claim more attention in linguistics than they have so far received. Since writing represents language, typologies of writing systems that are based on the units and processes by means of which this is accomplished can deepen our understanding of language, while a sharpening of the notions for analyzing the units of language can help to improve such typologies.

5.

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119. Sprachwandel und Schriftlichkeit 1. 2. 3. 4. 5.

1.

Eingrenzung des Gegenstandes und Datenbasis Schriftlichkeit und Sprachwandel Schriftinduzierter Sprachwandel Sprachtheorien, Schriftlichkeit und Sprachwandel Literatur

Eingrenzung des Gegenstandes und Datenbasis

Bekanntermaßen sind alle natürlichen Sprachen einem stetigen Wandel unterworfen. In der sprachwissenschaftlichen Theoriebildung

insbesondere des 19. und 20. Jahrhunderts wurde diesem Wesenszug der Sprache in unterschiedlicher Weise Rechnung getragen. Neuere sprachwissenschaftliche Theorien begründen den Wandel der Sprache mit der Sprechtätigkeit des Menschen unter sich stetig verändernden gesellschaftlichen Verhältnissen. Dabei wird die sprachliche Variabilität, d. h. der bewußte Zugriff auf oder die unreflektierte Verwendung von gegenwärtig üblichen, modernen oder veralteten Formen, mehr oder weniger aufwendigen Formulierungen, nur regional verbreiteten oder über-

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119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

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What all this implies is that the conceptual apparatus of both linguistic analysis and writing typology is still rather immature. All paradigms of theoretical linguistics arose in literate societies, and there are good reasons to assume that they were influenced by the pre-theoretical perception of language suggested by writing. Linguistics is clearly indebted to writing. At the same time, typologies of writing lean on theoretical notions of linguistic analysis. From this interaction it follows that typologies of writing systems, rather than being of interest only for students of writing, can claim more attention in linguistics than they have so far received. Since writing represents language, typologies of writing systems that are based on the units and processes by means of which this is accomplished can deepen our understanding of language, while a sharpening of the notions for analyzing the units of language can help to improve such typologies.

5.

References

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119. Sprachwandel und Schriftlichkeit 1. 2. 3. 4. 5.

1.

Eingrenzung des Gegenstandes und Datenbasis Schriftlichkeit und Sprachwandel Schriftinduzierter Sprachwandel Sprachtheorien, Schriftlichkeit und Sprachwandel Literatur

Eingrenzung des Gegenstandes und Datenbasis

Bekanntermaßen sind alle natürlichen Sprachen einem stetigen Wandel unterworfen. In der sprachwissenschaftlichen Theoriebildung

insbesondere des 19. und 20. Jahrhunderts wurde diesem Wesenszug der Sprache in unterschiedlicher Weise Rechnung getragen. Neuere sprachwissenschaftliche Theorien begründen den Wandel der Sprache mit der Sprechtätigkeit des Menschen unter sich stetig verändernden gesellschaftlichen Verhältnissen. Dabei wird die sprachliche Variabilität, d. h. der bewußte Zugriff auf oder die unreflektierte Verwendung von gegenwärtig üblichen, modernen oder veralteten Formen, mehr oder weniger aufwendigen Formulierungen, nur regional verbreiteten oder über-

1388 regional bekannten sprachlichen Einheiten, familiärer, salopper oder geschraubter Ausdrucksweise, die Verwendung von Worten aus anderen Sprachen usw., als das Reservoir betrachtet, das sowohl Ergebnis von vorgängigen Sprachwandelprozessen als auch Ausgangspunkt für weitere Veränderungen der Sprache ist. Aus heutzutage nicht immer plausibel erscheinenden Gründen hat die neuere Sprachwissenschaft bei der Erforschung des sprachlichen Wandels Akzente vor allem auf die sprachsystemimmanenten Veränderungen im Bereich der Lautlehre und der Morphologie sowie auf den Wandel des Wortschatzes gesetzt. Weiterhin wurden primär solche Veränderungsprozesse betrachtet, die sich ohne das bewußte Zutun der Sprecher, gewissermaßen als natürliche Folge der Tatsache, daß gesprochen wird, einstell(t)en. Während in den Ländern Ost- und Südosteuropas eine gründliche Beschäftigung mit der Geschichte der Literatursprachen erfolgte, galt in der von Strukturalismus und Behaviorismus geprägten westeuropäischen und amerikanischen Sprachwissenschaft das Augenmerk dominierend den Prozessen des Sprechens und der gesprochenen Sprache, seltener den Veränderungen von historischen Einzelsprachen in ihrer Gesamtheit und so gut wie gar nicht den Beziehungen von gesprochener und geschriebener Sprache. Letzteres hängt u. a. auch damit zusammen, daß für keineswegs alle natürlichen Sprachen die Schriftlichkeit zu denjenigen Faktoren gehört, welche als sprachwandelinitiierend angesehen werden können. Ist einerseits von natürlichen Sprachen die Rede und andererseits von der Beziehung zwischen Schriftlichkeit und Sprachwandel, so sind folgende Einschränkungen des Geltungsbereiches der Aussagen erforderlich: Sie beziehen sich erstens nur auf Sprachen mit schriftkulturellen Verhältnissen. Daß zu vielen Sprachen deskriptive Grammatiken, Glossare, Sprachbeschreibungen und manchmal auch einzelne Texte in einer für sie eigens geschaffenen Graphie vorliegen, ist noch kein Hinweis auf schriftkulturelle Verhältnisse. Hierfür wesentlich ist vielmehr eine nicht mehr nur individuelle, sondern gesellschaftliche Praxis der schriftlichen Fixierung von Sachverhalten, sei es zur Registratur und Kontrolle von Inventaren, zur Fixierung juristischer Beziehungen oder der Kanonisierung und Exegese kultisch-religiöser Offenbarungen wie z. B. der Bibel, dem Koran oder der hagiographischen Literatur. Zweitens treffen sie nicht für

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Schriftsysteme wie Stenographie und andere Kurzschriften, nicht für Notationssysteme und auch nicht für phonographische Transkriptionen, d. h. für Verschriftungsprozesse von lautlichen Realisierungen von Sprache zu. Schriftlichkeit ist nicht primär ein linguistisches, sondern zuvorderst ein soziales und politisches Phänomen und nicht zuletzt eines der bewußten individuellen Aneignung einer Sprache. Im Ausbau von schriftkulturellen Verhältnissen, etwa in Verbindung mit der Professionalisierung des Schreibens und Druckens und der Demotisierung der Schrift überhaupt, nimmt allerdings auch die linguistische Reflexion beträchtlich zu. Schrift- wie sprachgeschichtlich bedeutsam sind hierbei die Verbreitung überindividuell akzeptierter Konventionen des Schreibens, die einen gewissen Alphabetisierungsgrad innerhalb der Sprachgemeinschaft und die Ausprägung von Mustern des Schreibens voraussetzen. Gemessen an der von Haarmann (1990, 18) in Anlehnung an Grimes (1978) genannten Zahl von 5103 Sprachen, zu der noch mehrere hundert ausgestorbene Sprachformen hinzukämen, treffen diese Konstellationen auf 10⫺15% der Sprachen zu. Die Gesamtzahl aller Schriftsprachen, die in Geschichte und Gegenwart in Gebrauch waren und noch sind, gibt Haarmann mit ca. 660 an. Dieser Sachverhalt wird in sprachwandeltheoretischen Überlegungen, die ja gerade auf generelle Erkenntnisse über Sprache abzielen, entweder nicht beachtet oder geringgeschätzt und als Argument gebraucht, um sozusagen den Sonderfall oder das Neben-Evidentielle aus den Betrachtungen herauszuhalten. Hinzu kommt, daß der Phänomenbereich der Schriftlichkeit vielfach nicht als linguistisch relevanter Gegenstand betrachtet wird. Überprüft wurden die Thesen an romanischen Sprachen und am Deutschen, somit an Sprachen, die alle mit demselben Schrifttyp, der Alphabetschrift, indes mit unterschiedlichen Alphabeten verfaßt sind: mit lateinischem Alphabet, wie Französisch, Spanisch, Deutsch etc., mit kyrillischem Alphabet, wie das Rumänische bis ca. 1860 und das Moldauische bis 1989 sowie mit hebräischem Alphabet, wie es für das Judenspanische verwendet wird. Für diese mit Alphabetschriften verfaßten Sprachen ist bedeutsam, daß sie einerseits eine relativ enge Beziehung von gesprochener und geschriebener Sprache aufweisen, andererseits aber die Schriftlichkeit mit Idealisierungen, mit Abstraktionen vom konkreten Sprechen zu tun hat, d. h. nicht

119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

schlechthin durch eine Zuordnung von Graphemen zu Lauten, doch aber unter Bezug auf gesprochene Sprache, zu charakterisieren ist. Das Hauptaugenmerk gilt im weiteren dem Französischen. Aus typologischer Sicht ist es eine derjenigen Sprachen, in welcher die Formen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache relativ ausgeprägte Diskordanzen aufweisen. Es gibt somit wenigstens eine Sprache, für die die Aussagen zur Beziehung von Sprachwandel und Schriftlichkeit gelten sollen.

2.

Schriftlichkeit und Sprachwandel

2.1. Sprachliche Variabilität, Mündlichkeit und Schriftlichkeit Einigkeit unter Vertretern selbst unterschiedlichster Sprachwandeltheorien besteht darin, daß „die Variabilität der Sprache die Grundlage und das Reservoir für alle feststellbaren Sprachwandelvorgänge darstellt“ (Mattheier 1985 a, 721). Über die Dimensionen von sprachlicher Variabilität gehen die Meinungen jedoch auseinander. Relativ gut erforscht und weitgehend konsensfähig ist die diasystematische Einordnung der sprachlichen Variabilität, derzufolge sich sprachliche Variantenmengen nach regionalen, sozialen und situativen Gesichtspunkten ordnen lassen und jeweils eine diatopische, diastratische und diaphasische Variation begründen. Flydal (1952) fügte als vierten Variationstyp die diachronische Variation hinzu, wodurch die Sprachgeschichte als Folge von unterschiedlichen Sprachstadien bzw. ‘Chronolekten’ erscheint. Mattheier (1985 b), der diese Typen nach ihrer sozio-kommunikativen Funktion in einem Kategorienrahmen zusammenfaßt, führt noch weitere vier Kategorienrahmen für sprachliche Variabilität an (1985 b, 771⫺775): ⫺ nach den Sprachebenen ⫺ nach Sprachrängen ⫺ nach der sprachsystematischen Funktion im Rahmen der strukturellen bzw. der generativen Theorien ⫺ nach der unterschiedlichen Herkunft sprachlicher Varianten. Die Tatsache jedoch, daß beim Schreiben andere Regeln der Textproduktion befolgt werden als beim Sprechen (z. B. stärker syntaktisch orientierte vs. pragmatisch orientierte Regeln), daß vielfach andere lexikalische Einheiten (z. B. weniger oder kaum Substandardwortschatz) verwendet werden, daß die

1389 Textsortennormen für schriftlich und für mündlich verfaßte Texte divergieren und eine große Zahl von Textsorten überhaupt nur als schriftkonstituierte Texte existiert, daß beim Schreiben andere Techniken der sprachlichen Artikulation praktiziert werden etc. (→ Art. 44), ist aus den Überlegungen zur sprachlichen Variabilität und zum Sprachwandel meist herausgehalten worden. Dabei zeigt ja gerade schon die Existenz unterschiedlich präferenter und existenter Formen den bereits vollzogenen Wandel. Auch in Mattheiers Kategorienrahmen für sprachliche Variabilität sind Varietäten, die sich aus dem Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit ergeben, nicht zum Gegenstand sprachwandeltheoretischer Reflexion avanciert. Hingegen hat die italianistische Sprachwissenschaft der achtziger Jahre die diasystematische Variabilität um das Konzept der diamesischen Variation erweitert, womit die vielfältigen kommunikativ-funktionalen und strukturellen Varianten zwischen der gesprochenen Sprache und der geschriebenen Sprache erfaßt werden. Ausgehend von Söll (1974/2. Aufl. 1980) wurde zunächst im Hinblick auf das Französische die Theorie der sprachlichen Codes ausgearbeitet. Söll gliederte die sprachliche Realisierung in medialer Perspektive in einen phonischen und einen graphischen Code und in konzeptioneller Perspektive in den gesprochenen und den geschriebenen Code (vgl. Abschn. 4.). In bezug auf die Erforschung sprachlicher Variabilität, und insbesondere der verschiedenen Artikulationsweisen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit, hat die Sprachwissenschaft des 20. Jahrhunderts anknüpfenswerte Leistungen eigentlich nur in marginalisierten Bereichen außerhalb der verbreiteten Homogenitäts-, Idealisierungs- und Generierungspostulate der strukturalistischen und generativen Sprachwissenschaft erbracht (vgl. Abschn. 4.). Allmählich nur setzt sich die Auffassung durch, daß zwar, was unbestritten ist, die Mündlichkeit der Schriftlichkeit ontogenetisch und phylogenetisch vorgelagert ist, beide aber für den Erwachsenen in den literaten Gesellschaften seit Jahrhunderten als zwei verschiedene Inventare der sprachlichen Artikulation koexistieren, Varianten bilden und damit eine Ressource für den sprachlichen Wandel darstellen. Als These soll gelten, daß Mündlichkeit und Schriftlichkeit unterschiedliche sprachliche Artikulationsformen darstellen und daß mit der Herausbildung und Ausformung ei-

1390 nes Schriftcodes zugleich verschiedene Varietäten vorhanden sind, die als Auslöser und als Ressource für sprachlichen Wandel angesehen werden müssen und selbst Ergebnis von Sprachwandel sind. Im folgenden werden Begriffe wie Schriftlichkeit, Schrift, Schreiben und Mündlichkeit primär im Zusammenhang mit dem sprachlichen Wandel betrachtet. Dabei erweist sich folgende begriffliche Differenzierung als nützlich: a) Schriftlichkeit steht einerseits als ein praktischer, aber nicht notwendiger Oberbegriff für Typen, Systeme, Formen und Kulturen der Schrift. Hierbei soll unter Schrift mit Maas (1991) ein Zeichensystem verstanden werden, mit welchem etwas präsent gemacht wird und das sich von anderen (außerschriftlichen) Formensystemen unterscheidet. Ein Schreiber schreibt also etwas mit bestimmten Schriftzeichen auf, um es für sich oder andere präsent zu halten. Die Orthographieforschung der Prager Schule spricht in diesem Zusammenhang von der „Aufzeichnungsfunktion“ und der „Erfassungsfunktion“ bei der Schreibung einer Sprache. Schriftliche Texte haben eine grammatische Struktur, sie sind nicht einfach eine Menge von Schriftzeichen. Eine in der Schriftgeschichte bedeutsame Zäsur im Sinne des Ausbaus von Schriftlichkeit liegt da, wo begonnen wurde, die grammatische Struktur schriftlicher Texte nach der grammatischen Struktur mündlicher Texte auszuformen, d. h. im Übergang von piktographischen Schriften zu logographischen, syllabischen und später zu AlphabetSchriftsystemen. Die grammatische Struktur schriftlicher Texte wird im allgemeinen gelernt im Ausbau des grammatischen Wissens, das im (mündlichen) Spracherwerb entwikkelt wurde. Schriftliche Texte werden so verfaßt, daß sie gelesen werden können. Dazu dient insbesondere die Orthographie, die Anweisungen zur Strukturierung der Texte gibt, die dem Leser die Erschließung des Sinns ermöglichen oder erleichtern soll (vgl. Maas 1991, 85). Schriftsysteme weisen einen hohen Ideologieanteil auf; ähnlich wie Sprache insgesamt unabdingbar zum Kulturgut einer Gemeinschaft gehört, diese mitkonstitutiert und nicht auf die Funktion des Kommunikationsmittels reduziert werden kann, so ist auch ein Schriftsystem nicht schlechthin als Transkriptionssystem und vor allem nicht ohne seinen Symbolcharakter für die Gemeinschaft zu verstehen. Ein Schriftsystem ist Teil des Kulturgutes der Gemeinschaft und folglich un-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

vermeidlich ideologisch besetzt (vgl. Meisenburg 1993, 50). Während der Begriff der Schrift für das System steht, bietet sich der Terminus Schreibung für konkrete Realisierungen des Schreibers an; als Resultat liegt uns ‘geschriebene Sprache’ vor. Schreibung bedeutet dann die Segmentierung von Graphemketten in grammatisch bestimmte Einheiten. Segmentierung schließt grammatische Analyse ein, die vor allem bei einer Sprache wie dem Französischen problemgeladen ist. Kollisionen treten vielfach bei der grammatischen Gliederung der sog. „mots phone´tiques“ auf. b) In der anderen Perspektive soll Schriftlichkeit als korrelativer Begriff zu Mündlichkeit stehen. Studien zur Schriftlichkeit beziehen sich damit auf die Eigenschaften schriftlich fixierter Texte und ihr Verhältnis zu mündlichen Texten in der gleichen Sprache. Hierbei unterscheiden sich Texte einerseits nach dem Medium ihrer Produktion und Wahrnehmung, d. h. sie sind phonisch oder graphisch repräsentiert. Während es zwischen phonisch und graphisch nur die Alternative des entweder mündlichen oder des schriftlichen Vollzuges gibt, unterscheiden sich Texte andererseits nach ihrer konzeptionellen Verfassung. An einem Pol der Skala zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit sind Merkmale für konzeptionelle Schriftlichkeit gruppiert wie ‘geplant’, ‘situationsentbunden’, ‘vorstrukturiert’ und ‘subjektentbunden, dafür aber intersubjektiv fixiert’ (Bühler 1934), am anderen Pol sind es solche Merkmale für konzeptionelle Mündlichkeit wie ‘spontan’, ‘situationsdeterminiert’, ‘subjektbezogen’ (vgl. Abschn. 4.). Schriftlichkeit bedeutet nicht einfach nur ein Mehraufwand an graphisch umzusetzender sprachlicher Masse, die ohne Zweifel benötigt wird, um Situation, Prosodie u. a. zu kompensieren, sondern in erster Linie andere Techniken der sprachlichen Artikulation: komplexe grammatische und insbesondere junktive Gliederung (zum Begriff der ‘Junktion’ vgl. Raible 1992, insbes. S. 27⫺35), sprachlich elaborierte Deixis, intratextuelle Referenzstrukturen wie Anaphorika und Kataphorika u. a. Wenn zur integrativ konzipierten Kommunikation (vgl. Abschn. 4.) übergegangen wird ⫺ das ist meist der Fall, wenn geschrieben wird ⫺, müssen Techniken entwickelt werden, die die Verständlichkeit des Textes sichern. D. h., die Sprache wird für die Zwecke der Schriftlichkeit umgerüstet und erreicht

119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

damit neben zusätzlicher Variabilität auch eine höhere Komplexität. Sind diese komplex organisierten Strukturen erst einmal vorhanden, können sich ihrer die Sprecher fürderhin auch bedienen. Von nun an gilt auch hier, was für Sprachwandel überhaupt gilt, daß die Ausformung und die Interaktion sprachlicher Varietäten der entscheidende Faktor ist, um Sprachwandel zu perpetuieren. 2.2.

Konstitutive Momente von Schriftlichkeit 2.2.1. Situationsentbindung Von einer Entfaltung des kulturhistorischen Potentials (vgl. 2.3.) der Schriftlichkeit kann man sprechen, wenn die Texte so verfaßt werden, daß sie als situationsentbundene Texte wahrgenommen werden können, d. h. abgelöst von der Situation ihrer Produktion. Eine Besonderheit des Mediums Schrift besteht gerade darin, daß „Erklärung durch Zeigen, Vormachen oder auch die Verwendung von Worten, deren Bedeutung nicht im typographischen Medium ausgedrückt ist, im Prinzip aus[geschlossen ist]“ (Giesecke 1989, 332). Sprache mußte sich durch Sprache erklären können, mußte selbstredend und selbsterklärend sein. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit spezieller Techniken der Situationsverarbeitung und der Textstrukturierung (→ Art. 2). Situationsentbindung verlangt die „Ausbuchstabierung“ deiktischer Strukturen, die Ausarbeitung und Nutzung von Anaphorik und Kataphorik, die u. U. sogar textsortenkonstitutierend sind. Sie hat in bezug auf die Struktur des geschriebenen Textes unterschiedliche Dimensionen: a) historisch: von einer fortgeschrittenen Phase der Schriftlichkeit an praktizierten die Römer (vgl. hierzu Raible 1991 b; Desbordes 1990) die Segmentierung und grammatische Gliederung der Texte in Wörter durch einen hochgestellten Punkt, durch das Einfügen eines Spatiums oder durch die Bildung graphischer Entitäten wie Zeilen, Rubriken oder Absätze. Diese Techniken der Textgliederung vereinfachten und beschleunigten nicht nur die Rezeption, sie sind zugleich auch die entscheidende Voraussetzung für eine veränderte Lesetechnik, d. h. für den Übergang vom lauten Lesen zum stummen oder leisen Lesen. b) logisch-semantisch: durch die Interpunktion als syntaktisches, semantisches und kommunikatives Gliederungsprinzip; c) typographisch: durch typographische Oppositionen wie Majuskeln und Minuskeln, Rubrica und Absätze;

1391 d) kompositorisch: durch Titel, Überschriften und Untertitel, Zusammenfassungen, Legenden, Glossen, Fußnoten, Gliederungen; e) durch Makro-Einheiten wie die Seite, das Buch, die Zeitung. 2.2.2. Mehrdimensionalität Mündliche Texte sind durch die lineare Abfolge der Laute bestimmt; sie sind eindimensional. Schriftliche Texte dagegen sind mehrdimensional (vgl. Martinet 1960/1974, 16 f; 1969, 167 f; Raible 1991 a, b; Maas 1991). Über die strikte Linearität in der zeitlichen Abfolge der Laute hinaus sind sie räumlich verfaßt, können diagonal, zeilen- und passagenweise, immer wieder und immer wieder anders und von verschiedenen Personen gelesen, um Graphik, Bilder, Buchmalerei, um Tabellen und Schemata erweitert werden. Hinzu kommt eine dritte Dimension, die vor allem dem gelehrten Schreiber, dem Literaten, dem Wissenschaftler, aber auch dem aufsatzschreibenden Eleven vertraut ist. Sie besteht in den einen Text vielfach „überlagernden Korrekturkampagnen des Schreibers“ (Maas 1991, 115), die nicht selten Zeugnis von der allmählichen Verfertigung des Gedankens beim Schreiben ablegen. Moderne Editionen und die Manuskriptforschung versuchen diese dritte Dimension augenfällig zu machen. Heine-, Goethe-, Hölderlin-, MarxEditionen führen mit großem Aufwand vor, was der sonst nur endredigiert zugängliche Text nicht mehr zeigt: die Arbeit am Text, an Sprache, an Welt- oder Ich-Befindlichkeit des Autors (vgl. die Arbeiten des Pariser CNRSInstituts ITEM ⫺ „Institut des Textes et Manuscrits Modernes“, wo seit mehreren Jahren Untersuchungen an Texten von Heine, Flaubert, Proust, Vale´ry, Zola, Sartre, Joyce u. a. vorgenommen werden; → Art. 53). 2.2.3. Verdichtung und Elaboration Zweifel am „Primat der gesprochenen Sprache“ (vgl. Abschn. 4.) wurden vielfach im Hinblick auf relativ marginale Bereiche von Schriftlichkeit geäußert, so der Mathematik, der formalen Logik, der Informatik, wo Termini häufig primär graphisch eingeführt und bei Bedarf ‘sprechbar’ gemacht wurden (vgl. Albrecht 1990, 67). Auf einen ähnlichen Aspekt von Schriftlichkeit weisen Raible (1991 a), Schlieben-Lange (1990, 1991 a, 1991 b) und Baum (1987) hin, wenn sie die wachsende Elaboriertheit, die verdichtete Artikulation der Gedanken in geschriebenen

1392 Texten in den Blick nehmen. Vielleicht ist es gewagt zu postulieren, daß komplexe Satzgefüge mit Über- und Unterordnungen, Verschachtelungen, komplizierten nicht-koordinativen Verknüpfungen u. ä. an das Vorhandensein von Schriftlichkeit gebunden sind. Vieles deutet aber ganz darauf hin, daß sich durch die Arbeit an geschriebenen Texten sprachliche Formen und syntaktische Muster herausgebildet haben, die auf eine Intellektualisierung der (schrift-)sprachlichen Artikulation hinweisen. Während in französischen Vertragstexten vor dem 15. Jahrhundert andere als koordinative und konzessive Verknüpfungen, überwiegend durch die Konjunktion et, par, a fin ⫹ Inf. etc. ausgedrückt, kaum vorkommen, verändert sich dieser Befund in späteren Texten ganz beträchtlich, bis wir schließlich bei den heute oft gescholtenen übermäßig komplex strukturierten Sätzen moderner Rechtstexte ankommen (zur deutschen Rechtssprache und ihrer Kritik, vgl. Pfeiffer, Strouhal & Wodak 1987). Geschriebene Texte in den Wissenschaften, aber auch in anderen Diskursuniversen, weisen häufig nebeneinander mehrere Schriftsysteme (lateinisch⫺griechisch⫺kyrillisch etc.) auf; desweiteren ist uns heute die Verwendung von Symbolen und Piktogrammen sowie die Anordnung von Text in Tabellen geläufig. Um auf dem Niveau einer solchen Schreib- und Lesetechnik anzukommen, bedurfte es einer innovationsreichen langen Schrifttradition. Schriftlichkeit zeichnet sich folglich durch eine hohe Komplexität und sinnstiftende Variabilität in der Realisierung aus, eine höhere jedenfalls, als sie die gesprochene Sprache kennt. Hier wird nun deutlich, in welche Richtung sich das sprachliche Handeln verändert hat: Von der die Mündlichkeit prägenden „Aggregation“ hin zu einer Polarität, bestehend aus einem skalaren Übergangsfeld zwischen „Aggregation“ und „Integration“ (vgl. Abschn. 4.). Forciert wird die codespezifische Elaboration durch normative Bestrebungen in der Gesellschaft, wie z. B. durch die Verbreitung orthographischer Vorlagen im Gefolge der Buch- und Zeitschriftenproduktion, durch die schulische Schriftvermittlung, durch den Rekurs auf geschriebene Texte im beruflichen Alltag in Form von Arbeitsanweisungen und -anleitungen, Protokollen, Listentexten usw. 2.3. Schriftlichkeit als kulturelle Ressource und Faktor des Sprachbewußtseins Die Entfaltung des kulturhistorischen Potentials der Schriftlichkeit hat verschiedene Seiten, auf die hier unter Hinweis auf die Aus-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

führungen Walter Ongs (1982/dt. 1987) nicht in allen Punkten ausführlich eingegangen werden muß. Ong nennt unter der Überschrift „Das Schreiben konstruiert das Denken neu“ vor allem mnemotechnische, technologische und „distanzsprachliche“ (vgl. dazu Abschn. 4.) Aspekte des Übergangs von der „Oralität zur Literalität“. Hierher gehören u. a. solche durch das Aufschreiben bewirkten Veränderungen wie die Entlastung des Gedächtnisses und die Veränderung der narrativen Kultur vormals oraler Gemeinschaften. Als Gemeinplatz gilt mittlerweile die Feststellung, daß sich mit der die medialen Bedingungen der schriftlichen Produktion revolutionierenden Erfindung des Buchdrucks die sprachlichen Verhältnisse gravierend verändert haben (vgl. Giesecke 1989, 1991; Maas 1985, 1986). Von dem Moment an, als ein Gedanke oder ein Wort im Medium der Schrift fixiert werden konnte, war der Weg frei, um sich seiner Form bewußt werden zu können; eine Form, die wiederum in vielerlei Verhältnissen lebt und z. B. danach beurteilt wird, ob ein anderer als der Schreiber sie erlesen kann, ob sie einer bestimmten Lautung entspricht (vgl. Maas 1986), ob sie lautiert, d. h. laut gelesen werden muß, um ihren Sinn zu erkennen (vgl. Raible 1991 a) oder buchstabiert, um sie für sich oder einen anderen Hörer von anderen Formen unterscheidbar zu machen. Geschriebene Texte hat es freilich im Französischen, wie in anderen Sprachen auch, lange vor dem Zeitpunkt der Erfindung des Druckes mit beweglichen Lettern und der damit oft in Zusammenhang gebrachten Herausbildung des Sprachbewußtseins gegeben, wie umgekehrt auch Elemente eines Sprachbewußtseins, insbesondere ⫺ wie im Falle des Französischen und anderer romanischer Sprachen ⫺ eines Bewußtseins über die Differenz zwischen dem Latein und der lingua rustica romana spätestens mit den Festlegungen des Konzils von Tours (813) zu belegen ist. Zwischen den ersten geschriebenen Texten in romanischer Volkssprache und den ersten nach der Gutenbergschen Erfindung gedruckten Texten liegen mehrere hundert Jahre Schrifterfahrung in der Tradition lokaler Schreibpraxen. Zu einem Innovations- und Normierungsschub kommt es jedoch mit der typographischen Verarbeitung der Sprache. Er betrifft zum einen die Form der Wörter und Texte. Als Leitgröße diente dabei der Setzer mit seinem Setzkasten, wobei der Zeichenvorrat des Autors möglichst mit jenem des Setzers über-

1393

119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

einstimmen sollte. In Valentin Ickelsamers „Teutsche[r] Grammatica […]“ (Augsburg, ca. 1534) heißt es daher: Ein jeder sollte fortan „auffmercken/wa [wo] er ainen yeden Buochstaben am rechtisten vnd subtilisten setzen [!] vnd gebrauchen soll/vnd nitt also vnbesunnen ainen yeden überal gebrauchen“ (zitiert nach M. Giesecke 1989, 329). Was bei Ickelsamer „vnbesonnen […] gebrauchen“ und bei Helias Meichsner „[…] die sprach so reyn / das nit etwas missgebruchs darinn gefunden werd […]“ (ebd., 330) genannt wird, sind Belege für die sprach- und normbewußte Ausformung des geschriebenen Textes. Wir sehen hier, daß die Ausarbeitung von Regeln und Normen des Schreibens, in Frankreich von Tory, Estienne u. a. vorangetrieben, in Deutschland von Ickelsamer, Meichsner u. a., zeitgleich und unter Rekurs auf ähnliche Topoi ablief (zur Einordnung dieser Topoi in die aristotelische Tradition der Schrift- und Grammatikreflexion einerseits und in die phonographisch orientierten pädagogischen und Reformbewegungen der Renaissance andererseits, vgl. den grundlegenden Aufsatz von Maas 1986, 247⫺292). Für das Rumänische wird in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Siebenbürger Schule und zu Beginn des 19. Jahrhunderts vor allem Ion Heliade Ra˘dulescu auf den „besunnene Gebrauch“ und „rechtiste Setzung der Buochstaben“ Einfluß nehmen. Und schließlich sollten die Texte übersetzbar sein, insbesondere vom Latein in die sich herausbildenden Nationalsprachen und umgekehrt. Es mag daher nicht verwundern, daß mit Beginn der frühen Neuzeit Glossare und zweisprachige Wörterbücher in großer Zahl aufkommen, in welchen die Semantik sowohl durch Äquivalenzen der Wortpaare zwischen den Sprachen als auch durch Deskription innerhalb einer Sprache eingefangen und den Benutzern als kodifiziertes Lexikon zur Verfügung gestellt wurden. Das Verhältnis von Schriftlichkeit und Sprachbewußtsein besteht in dieser Perspektive im Erkennen des Prinzips, daß der Text so verschriftet werden muß, daß er für sich sprechen konnte. Syntax und Semantik, Anaphorik, Kataphorik und andere textorganisierende Strukturen mußten auf eine Weise eingebracht werden, daß der Text nicht nur erlesen werden, sondern auch verständlich sein konnte. Das Bewußtsein über das kulturelle und das Machtpotential einer romanischen Sprache (gegenüber dem Latein als dominierender Schriftsprache) verändert vom 13. Jahrhundert an das Sprach-

bewußtsein in der Romania. Es kam insbesondere in Spanien unter Ferdinand III. und Alfons X. schon früh zur Blüte und erlebte mit Nebrija die höchste Ausformung; ähnliches vollzieht sich durch Dante in Italien und F. de Oliveira in Portugal (zu F. de Oliveira vgl. Coseriu 1975; über den Ablösungsprozeß von lateinischen Schreibtraditionen in Kastilien im 13. und 14. Jahrhundert und die Herausbildung eines hispanophonen Sprachbewußtseins vgl. Briesemeister 1969, Gumbrecht 1990, Bd. 1, insbes. S. 50 ff, S. 94 ff). Im Frankreich des 17. Jahrhunderts wird, wie andernorts auch, als Modell des bon usage die Sprache der besten literarischen Werke zum Vorbild erklärt. Das Nachdenken über Sprache wird wesentlich ein Räsonnieren über die geschriebenen Formen; die Grammatikographie wird eine Grammatikographie schriftlicher Texte, ablesbar an Äußerungen wie: im Französischen werde der Plural der Nomina in der Regel durch enklitisches -s gebildet. Eine derartige Aussage gilt aber nur für die Schriftlichkeit und nicht für die Mündlichkeit, wo die Pluralmarkierung meist durch Artikel/Begleiter ausgedrückt wird, sehen wir einmal von der akustisch wahrnehmbaren liaison durch -s- und dem komplizierten Problem ihrer Registerspezifik sowie den nicht allzu zahlreichen paradigmatischen Kennzeichnungen des Plurals bei Substantiven und Adjektiven auf -al ab (vgl. dazu u. a. Geckeler 1976).

3.

Schriftinduzierter Sprachwandel

3.1. These Zugleich mit dem Phänomen der Variabilität im sprachlichen Handeln auf der Achse von Mündlichkeit und Schriftlichkeit ergibt sich, wie bei anderen Varietäten auch, ein Potential an sprachlichen Formen für den Wandel der Sprache. Der Einfluß der Schriftlichkeit auf die Veränderung der Sprache, der schriftinduzierter Sprachwandel genannt werden soll, ist in erster Linie da zu verorten, wo das kulturhistorische Potential der Schriftlichkeit zur Entfaltung kommt und die Sprache verändert, darin eingeschlossen auch die Veränderungen in der gesprochenen Sprache durch die Existenz eines schriftsprachlichen Modells. Schriftinduzierter Sprachwandel hat zur Voraussetzung, daß die Struktur der geschriebenen Texte in der Struktur mündlicher Texte begründet ist, was wohl bei Alphabetund Silbenschriften immer gegeben zu sein

1394 scheint. Bilder- oder Symbolschriften, wie wir sie aus indianischen Kulturen oder aus Mesopotamien kennen, kommen hierfür nicht in Frage, weil sie, im Unterschied zu Alphabetund zu Silbenschriften, genau diesen Bezug nicht aufweisen. Schriftinduzierter Sprachwandel erstreckt sich auf jene sprachlichen Bereiche, in welchen die Sprache durch die Formen von und in geschriebenen Texten bereichert/verändert/konserviert wird und in welchen die Formen der Mündlichkeit nach dem Muster der Schriftlichkeit verändert werden. Diese Art von Sprachwandel vollzieht sich, wie andere Phänomene des Sprachwandels auch, in einem Spannungsfeld aus Stase und Dynamik, wobei sich die einzelnen sprachlichen Codes und die Teilbereiche der Sprache mit unterschiedlicher Dynamik verändern: der Code der Mündlichkeit im allgemeinen rascher und insbesondere in Bereichen wie der Lautung, der Morphologie und des Wortschatzes; der Code der Schriftlichkeit meist weniger dynamisch, dafür aber nachhaltiger, historisch tiefer und vor allem in Bereichen der Normierung und Standardisierung, der Ausformung von Textsorten, der Ausprägung von komplexen textgrammatischen und syntaktischen Phänomenen. Im weiteren (3.2.⫺3.6.) sollen einige sprach- und kulturgeschichtlich bedeutsame Prozesse dargestellt werden, in welchen schriftinduzierter Sprachwandel einen exponierten Platz einnimmt. 3.2. Auto- und/oder heterozentrierter Sprachausbau Anhand der einzelsprachlichen Geschichte der romanischen Sprachen, des Deutschen und von vielen anderen Sprachen lassen sich zwei Prozesse sprachlicher Elaboration ermitteln, die zwar nicht ausschließlich, doch aber wesentlich an die Existenz von Schriftlichkeit gebunden sind und über die Jahrhunderte hinweg zur Veränderung der Sprachen beigetragen haben. Autozentrierter Sprachausbau liegt vor, wenn unter Nutzung eigener Ressourcen die Sprache verändert und für die Erschließung neuer Kommunikationssphären ausgebaut wird. Autozentrierter Ausbau erfolgt häufig in bewußter Abgrenzung zur Nachbarsprache, wie es im Falle des Katalanischen, Galegischen, Korsischen ohne weiteres abzulesen ist. In der Geschichte des Französischen ist der autozentrierte Sprachausbau von besonderer Bedeutung. Vom 16. Jahrhundert an und insbesondere im 17. Jahrhundert gilt ne-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ben der Sprache des Hofes die Sprache der besten literarischen Werke als vorbildliche und daher als die anzustrebende Artikulationsweise. Zugleich wird der sprachliche Usus der Literaten als Referenzvarietät für die Sprachkritik, die Grammatikographie und Lexikographie verwendet, womit die Normierungsbestrebungen in der Gesellschaft auch von Seiten der Grammatiker und Lexikographen gestützt werden. Heterozentrierter Ausbau führt durch überregionale Verbreitung von sprachlichen Formen geschriebener Texte in anderen Dialektgebieten bzw. unter Zugriff auf andernorts „heimische“ sprachliche Formen in einen sprachlichen Ausgleichsprozeß. Eine wesentliche Voraussetzung für den Zugriff auf fremde Formen ist ihr sprachliches oder soziokulturelles Prestige, wie es aus der Geschichte des (Alt-)Spanischen des 13. Jahrhunderts zu belegen ist. Noch im 12. Jahrhundert war das Spanische weitgehend eine gesprochene Volkssprache. Unter Ferdinand III. (1218⫺1252) wurde es bereits für die reichsinterne Korrespondenz verwendet. Sein Nachfolger indessen, Alfons X. (1252⫺1284), genannt der Weise, versammelte an seinem Hofe in Toledo Gelehrte aus der arabischen und jüdischen Hochkultur, darunter zahlreiche Mathematiker, Astrologen und Rechtsgelehrte und ließ deren Texte ins Spanische übersetzen. Für den wissenschaftlichen Diskurs der Hispanophonen stand bis dahin das Latein zur Verfügung, für den poetischen neben dem Kastilischen, Provenzalischen und Mozarabischen auch das Galicische als jener Sprache, in welcher Alfons X. selbst dichtete. Besonders durch die Toledaner Übersetzerschule unter der alfonsinischen Herrschaft wurden im Spanischen die Textsorten der wissenschaftlichen, juristischen und historiographischen Literatur etabliert und ein beträchtlicher Teil des Fachwortschatzes aus der arabischen und lateinischen Literatur übernommen. Der sprachliche Ausbau im (Alt-)Spanischen in den Bereichen von Lexik und Textsorten erfolgte somit dominierend heterozentriert und auf der Basis der Schriftlichkeit. Sowohl der auto- als auch der heterozentrierte Sprachausbau sind maßgeblich an Schriftlichkeit gebunden und gelten vielfach als komplementäre Prinzipien der sprachlichen Veränderung. Zu belegen sind sie u. a. auch an den Auseinandersetzungen darüber, wie man schreiben solle, d. h. um die Orthographie. Die Diskussionen über die Ortho-

119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

graphie haben in den romanischen Sprachen eine lange Geschichte. Von der einstigen auch von den Katalanen respektierten trinitarischen (Kategorien-)Formel „pronunciacio´n, uso y etimologı´a“ der kastilischen Orthographietheoretiker des 18. Jahrhunderts (vgl. Segarra 1985, 82 ff) treten im 19. Jahrhundert, zur Zeit der Renaixenc¸a, der us constant und die Etymologie in den Vordergrund, wobei beide Prinzipien von den rivalisierenden „arcaistes“ und „usistes“ zwar anerkannt, doch unterschiedlich fokusiert werden: nämlich in ihrer Nähe oder in ihrer Distanz zur Schreibung des Kastilischen. Dies wird dann auch der Topos in der Orthographiediskussion des 20. Jahrhunderts im Anschluß an die Normes ortogra`fiques von Pompeu Fabra sein (vgl. ebd. 367 ff): der Abstand zum Spanischen, die Spezifik des Katalanischen und das Sichtbarmachen der Etymologie unter Berücksichtigung der dialektalen Graphien und des nationalen Bewußtseins. 3.3. Visualisierung der Grammatikalität Im Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit sowie im Übergang von der lateinischen scriptio continua zu den (Ortho-) Graphien der heutigen romanischen Sprachen ist ein Prozeß zu konstatieren, der als Visualisierung der Grammatikalität bezeichnet werden soll. Dieser Prozeß begegnet uns sowohl in der Ausformung und der grammatographischen Explizierung der einzelsprachlichen Grammatiken als auch in verschiedenartigen textgrammatischen Veränderungen. Dazu gehört zunächst die Gliederung des fortlaufend geschriebenen lateinischen Textes in Wörter durch die Einführung eines hochgestellten Punktes bzw. des Spatiums und später auch der Interpunktion, womit die grammatische Struktur der Texte sichtbar und zugleich der kulturtechnisch bedeutsame Übergang vom lauten Lesen zum stummen Lesen möglich wurde. Die Übernahme dieser Gliederungstechnik in die romanischen Sprachen ist spannungsgeladen und auch in der Gegenwart noch ein Problem der schriftsprachlichen Sozialisation. Eine der stetig wiederkehrenden grammatischen Übungen in der französischen Grundschule des 19. und 20. Jahrhunderts, die auch in anderen nationalen Schulen wiederzufinden ist, besteht in der Gliederung von Graphemketten in grammatische Einheiten: un signedebonheur in un signe de bonheur, jelefaisais in je le faisais (vgl. dazu Chervel 1977, 57; Erfurt 1993 a). Der Effekt dieser Übungen wie von Visuali-

1395 sierung der Grammatikalität überhaupt besteht in erster Linie darin, das Normbewußtsein durch grammatische Analysen der morphologischen und syntaktischen Beziehungen innerhalb einer Äußerung, eines Wortes, Satzes oder Textes zu schärfen und damit letztlich gleichermaßen „richtiges“ Sprechen wie die Einhaltung orthographischer Normen anzuerziehen. Grammatikalität anderer Art wird im Zuge der sprachlichen Elaboration und Verdichtung (vgl. 2.2.3.) sichtbar. In quantitativer und funktional-semantischer Hinsicht sind die Ergebnisse von Schlieben-Lange (1991a) zu den Konjunktionen in wissenschaftlichen, literarischen und Rechtstexten interessant. Sie kommt zu der Schlußfolgerung, daß die Frequenz von Konjunktionen in wissenschaftlichen Texten spürbar höher ist als in literarischen (vgl. S. 31). Weiterhin habe sich das Verhältnis zwischen Konjunktionen mit koordinativer Bedeutung und solchen mit subordinativer Bedeutung, welche in spätmittelalterlichen und in Renaissancetexten noch wenig strukturiert sind, vom 18. Jahrhundert an eindeutig zugunsten der letzteren verschoben (S. 36). Sprachgeschichtlich betrachtet ist zwischen dem 12./13. Jahrhundert und dem 16. Jahrhundert zunächst ein starker frequentativer Zuwachs und dann vom 17. Jahrhundert an wieder eine Reduktion der Konjunktionen zu konstatieren. Der Zuwachs an Konjunktionen fällt also genau in die Zeit des Aufblühens schriftlicher Fixierungen von administrativen, religiösen, wissenschaftlichen und poetischen Sachverhalten und kann als Ausdruck einer „bemühten Schriftlichkeit“ interpretiert werden, in welcher es den Autoren darauf ankommt, möglichst eindeutige textuelle Beziehungen herzustellen. Nicht also Weitschweifigkeit und unentwegtes Tautologisieren, wie manchmal behauptet, bestimmt die Form und die Struktur dieser Texte, sondern der Zwang, in einer zum Latein vergleichsweise „unfertigen“ Volkssprache mit einem neuen Medium zurechtzukommen. Visualisierung der Grammatikalität, so läßt sich zusammenfassen, sedimentiert in der Ausformung von Konventionen der Schreibung, insbesondere der expliziten grammatischen Gliederung und der oft lese- und verständigungsökonomisch begründeten orthographischen Verfaßtheit, aber auch in der Ausbildung textgrammatischer Gliederungstechniken und von sprachlichen Mustern für Textsorten einschließlich von textsortenge-

1396 bundenen sprachlichen Mitteln. Im Anschluß an Givo´n (1979) läßt sich Visualisierung der Grammatikalität als der im Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit ablaufende Veränderungsprozeß fassen, in welchem der „syntaktische Modus“ gegenüber dem „pragmatischen Modus“ ausgebaut wird. 3.4. Normierung und Standardisierung Im Deutschen, Französischen und wohl auch in vielen anderen Sprachen begegnen uns sinngemäß Wendungen wie „nach der Schrift reden“ für ‘die Hochsprache sprechen’ (Eggers 1969), „reden wie gedruckt“ oder frz. „parler comme un livre“. Gemeint ist damit eine mündliche Äußerung, die einem vorkonzipierten, intensiv formulierten, syntaktisch bruchfreien, letztlich also einem schriftkonstituierten und standardsprachlich artikulierten Text entspricht, womit anschaulich die Funktion der Schriftlichkeit bei der Herausbildung einer Varietät markiert wird, die dem sprachlichen Standard entspricht oder sich ihm annähert. Unter Standard soll in Anlehnung an Johanson (1989, 83) eine dialektneutrale und prestigeträchtige Varietät verstanden werden, eine Varietät, die folglich überregional verbreitet ist, normbildend und variationsreduzierend wirkt (zur Diskussion über Normierung und Standardisierung, vgl. Holtus & Radtke (ed.), 1986, 1989, 1990; Erfurt 1993 b). Referenzvarietät für die Herausbildung des Standards sind die in gesprochenen und geschriebenen Texten einer bestimmten Region niedergelegten sprachlichen Formen, für das Französische die des Pariser Beckens. Eine wesentliche Voraussetzung für seine Entstehung war in der Geschichte dieser Sprachen die Zirkulation von Texten, die nach Einführung der Gutenbergschen Drucktechnik (vgl. dazu ausführlich Giesecke 1991) stark zugenommen haben. Daß jedoch schriftsprachliche Produktion und die Zirkulation von Texten nicht notwendig zur Herausbildung eines Standards führen müssen, zeigt sich an der Sprachsituation des Italienischen und der Existenz von piemontesischen, lombardischen, venezianischen, neapolitanischen etc. (Dialekt-)Literaturen. Ein Zusammenhang von Standard und Schriftlichkeit wird auch daran ablesbar, daß bei der Schreibung von nicht standardsprachlichen Wörtern Schwankungen in der Orthographie bzw. unterschiedliche graphische Realisierungen an der Tagesordnung sind. Albrecht (1990, 103 f) nennt u. a. folgende Varianten: gnaule⫺

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

gnoˆle⫺gniole⫺niole, piaule⫺piole, taule⫺ toˆle, gnace⫺gnasse⫺gniace, sinoque⫺cinoque, pagaie⫺pagaye⫺pagaille. Normierung und Standardisierung werden im starken Maße durch gesellschaftliche Institutionen wie Schule und Hochschule, durch die Verlage, die Medien wie Presse, Funk und Fernsehen, Theater und Kino, die staatliche Verwaltung, die Akademien mit sprachpflegerischer und normativer Funktion, die Kirchen und ihren Umgang mit kanonischen Texten geprägt. Die Sprecher dieser Institutionen haben dabei gegenüber den übrigen Angehörigen der Sprachgemeinschaft eine sprachliche Musterfunktion insofern, als sie in ihrer Mehrheit Intellektuelle und an der Schriftlichkeit geschulte Personen sind und durch ihre besondere sprachliche Qualifikation die öffentliche Kommunikation prägen. Französische Soziolinguisten sprechen diesbezüglich in Anlehnung an sprachpolitische Auffassungen Antonio Gramscis von der „sprachlich-kulturellen hegemonischen Schicht“ (Marcellesi & Guespin 1986). In der Sprachwandeltheorie werden die gerade erwähnten sprachpolitischen Implikationen von Normierung/Standardisierung und Schriftlichkeit nicht selten gering veranschlagt oder gar nicht in die Betrachtung einbezogen. Die Tatsache, daß in der Morphologie der romanischen Sprachen ⫺ noch immer ⫺ eine beträchtliche Menge von Suppletivformen vorhanden ist, obwohl sie in der Betrachtungsweise nach der Morphologischen Natürlichkeit längst abgebaut sein sollten, hat sicher zum einen damit zu tun, daß Suppletionsabbau nicht zwingend ist ⫺ vgl. die aus dem Lateinischen ererbten Suppletivformen frz. bien/mieux, span. bien/mejor (in der spanischen Umgangssprache allerdings ist die Suppletion bereits abgebaut; als Komparativ zu ‘bien’ wird ‘ma´s bien’ gebildet), ital. bene/ meglio aus lat. bene/melius; frz. mauvais/pire ⫺, zum anderen wohl aber auch damit, daß diese Formen in den sprachpolitischen Institutionen systematisch erlernt werden und ihre Tradierung gesellschaftlich kontrolliert wird. Für schriftinduzierten Sprachwandel im Zuge der Herausbildung orthoepischer Normen bietet das Französische ein reiches Datenmaterial. Die Fälle von Veränderungen in der Lautung aufgrund von graphischen „Vorlagen“ sind zahlreich (vgl. Alarcos Llorach 1965, 1984 zum Spanischen; S˜ uteu 1976 zum Rumänischen; Buben 1935, Straka 1981, 1990, Schmitt 1984 zum Französischen). Straka (1990, 30⫺31) hat den Versuch einer

119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

Bündelung der Einflüsse der französischen Graphie auf die Aussprache versucht und unterscheidet die folgenden Sphären. ⫺ Tendenz der Generalisierung des häufigeren phonischen Wertes bei Graphemen, die mehr als eine phonische Realisierung kennen. Zum Beispiel: In gelehrten Wörtern wie signe, signer, signifier, insigne, maligne u. a. wurde zunächst /n/ ausgesprochen, wovon gelegentlich Graphien wie dine, sine, siner zeugen. Im 18. Jahrhundert setzt sich in Übertragung der Aussprache von montagne oder gagner die Lautung /M/ durch. In Lehnwörtern lateinischen Ursprungs aus jüngerer Zeit wie igne´, ignivore, inexpugnable, magnat, stagner, stagnant wurde zunächst als /gn/ realisiert, seit Beginn des 19. Jahrhunderts setzte sich jedoch die Lautung /M/ oder /nj/ durch. ⫺ Im Falle von Graphemen, die aus mehreren Buchstaben zusammengesetzt sind, veränderte „falsche“ Segmentierung die Lautung des Wortes, weil der erste oder der letzte Buchstabe zum benachbarten Graphem gehörig betrachtet wird. Nachhaltige Konsequenzen hatte die Einführung der Graphie im Zuge der Normierungsbestrebungen der Acade´mie Franc¸aise im 17. Jahrhundert für den Laut /M/ statt bzw. neben der Graphie . Das Wort aragne´e (segmentiert in ara-gne´e) /araMe/ wird von da an mit als araigne´e geschrieben und durch ‘falsche Segmentierung’ (arai-gne´e) in der Aussprache zu /ariMe/ gewandelt. Auf ähnliche Weise erklärt sich der Wandel von /o/ zum Diphthong /wi/ bzw. /wa/ in Wörtern wie e(s)logner, sprich: /elcMe/, jognant /zcMa˜/, te(s)mogner /temcMe/, in deren Graphie im 16. Jahrhundert erscheint und die dann so gelesen wurden, als ob und zusammengehörten, d. h. als /wi/, später als /wa/. Domergue kritisiert noch die Aussprache der Reihe poigne, poigne´e, poignet, poignard, poignant, empoigner, moignon, wobei er betont, daß das stumm sei, doch vergebens. Der Diphthong setzte sich durch, mit den beiden Ausnahmen oignon und encoignure. ⫺ Im Bestreben, in der Graphie die Etymologie sichtbar zu machen, manchmal auch durch falsche etymologische Bezüge, wurden Buchstaben wieder eingefügt, die im Laufe der phonetischen Entwicklung ver-

1397 schwunden waren. Zunächst noch als etymologisches Zeichen stumm, wurden sie später artikuliert. Vom Ende des 15. Jahrhunderts an wurde die Relatinisierung zu einer wahren Manie. So wurde in eine Vielzahl von Wörtern vor Konsonant ein latinisierendes eingefügt, das dann später auch in die Lautung einging: admone´ter⫺admonester, fe´toyer⫺festoyer, recousse⫺rescousse u. a. In presque, puisque, lorsque, jusque, die zunächst ohne geschrieben und gesprochen wurden, vermutet Gougenheim (1929, 75) die Restitution des /s/ in Analogie zu /parske/ parce que. ⫺ Der Einfluß der Graphie auf die Lautung zeigt sich weiterhin in der Wiederherstellung des Endkonsonanten in der Aussprache vieler einsilbiger, aber auch mehrsilbiger Wörter, der gewiß nicht gesprochen würde, wenn es die schriftliche Vorlage nicht gäbe. Einige Belege für die Aussprache bzw. (Wieder-)Herstellung des Endkonsonanten im Neufranzösischen sind: /k/: avec, coq, donc, chic; /t/: but, net, aouˆt, fait, huit; /s/: fils, sens, six, moeurs, maı¨s, tous, plus (affirmativ), tandis (que), stimulus; /f/: neuf, nerf, self; /p/: cep; /b/: pub; /R/: super, sieur, sueur, soeur, stoppeur, splendeur u. v. a. Nomina auf -eur, star, se´jour; /d/: stand; /ks/: sphinx, sphex; /l/: sel, scalpel, pe´ril. Dieses unter dem Oberbegriff der „spelling pronunciation“ (vgl. Levitt 1968, 1978; Söll 1980) zu subsumierende Phänomen des Hörbarwerdens graphisch repräsentierter Endkonsonanten hat verschiedene Ursachen. Söll (1980, 82) nennt die folgenden: Ausbau von Einsilblern; Homonymdifferenzierung (deux ⫺ d’œufs), wobei allerdings auch neue Homonymien entstehen können; Anschluß an die Wortfamilie (sens, sense´, sensible), wobei aber auch Trennung von der Wortfamilie vorkommt (pe´ril vs. pe´rilleux); Analogie; Expressivität; Tendenz zur Vereinheitlichung des Wortauslautes (Aussprache des Endkonsonanten bei gleichzeitiger Aufgabe der fakultativen liaison). 3.5. Funktionalisierung Funktionstypologisch betrachtet ergeben sich für die ersten Texte der romanischen Sprachen, die den Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit bezeugen, zwei Typen: (a) die Funktionalisierung der schriftlichen Äußerungen in bestimmten Kommunikationsbereichen oder Diskursuniversen und

1398 (b) nach ihrer medialen bzw. konzeptionellen Verfaßtheit. In einer Typologie nach Kommunikationsbereichen oder Diskursuniversen fallen die ersten Textbelege für die Schriftlichkeit der romanischen Sprachen auf juristische Texte wie die „Straßburger Eide“ (842) oder die Zeugnisformeln aus Kampanien der Jahre 960 und 963. Für das Spanische sind es Homilientexte wie die „Glosas emilianenses“ und die „Glosas silenses“ aus der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts. Zeitig belegt sind poetische Texte wie das Veroneser Rätsel („Indovinello veronese“) in Oberitalien um 800 oder die Eulalia-Sequenz aus der 2. Hälfte des 9. Jahrhunderts. Später stoßen wir auf epische und historiographische Texte wie das französische „Chanson de Roland“ oder „El cantar de mio Cid“ in Kastilien. Die ersten Belege der sardischen Sprache sind uns mit Verwaltungsakten und Rechtstexten überliefert, während das im Nordwesten der iberischen Halbinsel verbreitete Galizisch zunächst durch poetische Texte dokumentiert ist. Es sind dies Texte genau aus denjenigen sozialen Bereichen und Diskursuniversen wie Recht und Verwaltung, Kirche, Wissenschaft und Poetik, in welchen die Schriftlichkeit traditionell eine exponierte Stellung eingenommen hatte, weil sich hier schon zeitig ein Interesse und ein gesellschaftlicher Bedarf an schriftlicher Fixierung von Sachverhalten herausgebildet hatte (vgl. Schlieben-Lange 1983; Ong 1987; → Art. 41). Für die romanischen (Volks-)Sprachen steht die lateinische Schrifttradition Pate. Das gesamte Mittelalter über und bis in die Renaissance hinein besteht eine diglossische Situation zwischen den vor allem gesprochen existierenden romanischen Sprachen und dem als Schriftsprache praktizierten Latein (vgl. Lüdtke 1964). Die allmähliche, schrittweise Ablösung dieser Diglossie setzt im 12. Jahrhundert in Frankreich und Spanien ein, während sie in der Ostromania, in Rumänien, noch bis in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts präsent bleibt. Der andere Funktionstyp hat die mediale bzw. konzeptionelle Verfaßtheit zum Kriterium. Mitte der sechziger Jahre haben Lüdtke (1964) und Wunderli (1965) auf die bis dahin bei der Beurteilung der ältesten romanischen Texte nicht beachtete Unterscheidung zwischen Vorlesen und Protokollieren von Textzusammenhängen hingewiesen und diese kommunikativen Funktionen als konstitutiv für die sprachliche Verfassung der Texte herausgearbeitet. Die Dichotomie von Protokollieren und Vorlesen antizipiert in gewissem

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Sinne die spätere Codetheorie von Söll (1974) bzw. die Theorie der „Sprache der Nähe/ Sprache der Distanz“ (vgl. Koch & Oesterreicher 1985) mit ihrem wesentlichen Bestimmungsstück der „konzeptionellen Mündlichkeit/Schriftlichkeit“ (→ Art. 1, 44; vgl. Abschnitte 4.3., 4.4.). Diese Theorie auf die ältesten romanischen Texte bezogen, ermöglicht Koch (1993) im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit die Ausarbeitung folgenden Kategorienrasters (insbes. S. 44⫺58): ⫺ graphisch fixierte Mündlichkeit (l’oralite´ mise par e´crit): z. B. „Iscrizione della catacomba di Commodilla“ in Rom aus der 1. Hälfte des 9. Jahrhunderts oder die „Iscrizione di San Clemente“ in Rom aus dem 11./12. Jahrhundert ⫺ Listentexte, die notwendig graphisch verfaßt sind: z. B. „Nodicia de kesos“, Ende des 10. Jahrhunderts in Le´on ⫺ oral finalisierte Schriftlichkeit (scripturalite´ a` destin vocal): z. B. „Serment de Strasbourg“ von 842, evtl. Poitou oder Ostfrankreich, „Se´quence de Sainte-Eulalie“, Ende des 9. Jahrhunderts, Flandern⫺ Pikardie⫺Wallonien, „Cantigas de Santa Maria“, 1257⫺1279, Galizien, „La vie de Saint-Alexis“, ca. 1040, England ⫺ sprachliche Kontraste und Kontaminationen (tensions et contrastes linguistiques): z. B. „Glosas emilianenses“, 10. Jahrhundert, Navarra, „Version interline´aire d’Einsiedeln“, Anfang des 12. Jahrhunderts, die mozarabischen „Hargas“, ab 11. Jahrhundert, iberische Halbinsel. Während die Wissensvermittlung und die Organisation der gesellschaftlichen Beziehungen in vielen Bereichen weiterhin der oralen Kommunikation vorbehalten bleibt, gewinnt ⫺ in Konkurrenz zu den lateinischen Texttraditionen ⫺ die Arbeit am geschriebenen Text in der jeweiligen romanischen Sprache, d. h. die Ausformung einer eigenen Schriftsprache, eine sprachpolitische Bedeutung ersten Ranges. Die weitere Entwicklung läßt sich, wenn auch etwas schematisch, durch zwei Prozesse beschreiben: a) Ein Prozeß der Ausdifferenzierung von einerseits stärker konzeptionell schriftlichen Kommunikationsbereichen wie Wissenschaft, Recht, Verwaltung, Arbeitsorganisation, Literatur einerseits und stärker konzeptionell mündlichen Kommunikationsbereichen wie in der öffentlichen und privaten Kommunikation, später dann in den elektronischen

1399

119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

Medien, im Bildungs- und im Erfahrungserwerb in sozialen Institutionen andererseits. Die Ausdifferenzierung von stärker konzeptionell schriftlichen Kommunikationsformen geht einher mit der Einführung einer Vielzahl bis dahin nicht gekannter sprachlicher und semiotischer Formen und Strukturen, so etwa von Abkürzungen für Titel, für Namen, für Anredeformen etc., von Formeln für wissenschaftliche Zusammenhänge, von Tabellen und Synopsen zur systematischen Gliederung von sprachlich vermittelten Sachverhalten, von Fachterminologien, von speziellen textuellen Gliederungstechniken wie Verweisstrukturen sowie von metasprachlichen und metakommunikativen Explikationsverfahren. Sie tragen dazu bei, das sprachliche Repertoire und die Techniken der Versprachlichung von Sachverhalten zu verändern. b) Ein Prozeß der Ausstrahlung, der Modellbildung konzeptionell schriftlicher Verfassung von Sprache auf die Mündlichkeit, in dessen Ergebnis Textsorten wie der öffentliche Vortrag, das Theaterstück, die Vorlesung etc. entstehen, d. h. Kommunikationsformen, die Kriterien folgen wie der Reduzierung der Spontaneität zugunsten der Vorgeplantheit und Vorstrukturiertheit der Äußerung, der stilistischen Variation, der Antizipation von Rezipientenreaktionen, vielfach auch der Annäherung an oder der Zugriff auf die standardsprachliche Lautung bei gleichzeitiger Reduzierung von Dialektalismen. 3.6. Konservierung Nicht selten wird die Schriftlichkeit als retardierendes Moment für den Sprachwandel genannt, d. h. sie verzögere den sprachlichen Evolutionsprozeß vor allem dadurch, daß unter Rekurs auf die schriftliche Fixierung von Sprache der sprachliche Usus festgeschrieben und normativ kodifiziert wird. In der Diskussion um die Orthographie des Katalanischen, Spanischen, Französischen, Rumänischen und anderer Sprachen taucht zudem noch die Etymologie als eines der Grundprinzipien der Verschriftlichung neben dem ‘Usus’ auf. Die Schreibung wird von der Gesellschaft somit zum Ort und zum Medium auserkoren, um historische Zusammenhänge der Sprache zu konservieren und sichtbar zu machen. Als eine der Konsequenzen wird dann in Kauf genommen, daß die Schriftlichkeit hinter der Dynamik der Mündlichkeit zurückbleibt, was bekanntermaßen auch eine der Ursachen für die verbreiteten Probleme bei der Aneignung der

Orthographie ist. Allein auf diesen Zusammenhang sollte die konservierende Funktion der Schriftlichkeit indessen nicht beschränkt werden. Konservierung bedeutet auch das über lange Zeit hinweg und wiederholte Verfügbarsein von geschriebenen Texten, womit sich erst das Bewußtsein vom Sprachwandel entwickeln kann.

4.

Sprachtheorien, Schriftlichkeit und Sprachwandel

4.1. Vom Dilemma der Ausgrenzung der Schrift Die Geschichte der sprachwissenschaftlichen Theoriebildung von Ferdinand de Saussure (1916/1974) über Leonard Bloomfield (1933) bis in die jüngste Vergangenheit ist voll von Hinweisen darauf, ⫺ daß die Schrift einem ontogenetischen und phylogenetischen Verständnis zufolge etwas aus der gesprochenen Sprache Abgeleitetes ist bzw. daß der gesprochenen Sprache die Rolle eines Primats gegenüber der Schrift als nur sekundärer Sprachwirklichkeit zukommt. Daraus wurde die Schlußfolgerung abgeleitet, ⫺ daß die gesprochene Sprache, die Rede, der Gegenstand der Sprachwissenschaft sei, nicht aber die Schrift, die folglich bis auf wenige Ausnahmen vom Gros der Fachgemeinde als nicht relevant aus dem Gegenstandsbereich sprachwissenschaftlicher Reflexion ausgeklammert wurde (zur Kritik dieses „Abhängigkeitsdogmas“ (Feldbusch) vgl. Günther & Günther 1983; Feldbusch 1985, 1988; Baum 1987; Maas 1986, 1992). In Anbetracht der immer wieder vorgetragenen Grundposition zum Primat der gesprochenen Sprache in der sprachwissenschaftlichen Theoriebildung mußte es eigentlich als sonderbar empfunden werden, daß einerseits umfangreiche Diskussionen über Phänomene wie ‘unvollständiger Satz’, ‘Ellipse’, ‘Anakoluth’, ‘Satzabbruch’ usw. stattfinden, deren Bezugsebene wohl immer nur der ausgeformte, vollständige Satz in der schriftsprachlichen Artikulation sein kann und nicht die der gesprochenen Sprache. Andererseits wurden wiederum solche typischen Erscheinungen der gesprochenen Sprache wie Abtönungs- oder Modalpartikeln, Gliederungssignale, metakommunikative und redeorganisierende Einheiten, Reformulierungs-

1400 und Korrekturhandlungen immer nur als Einzelphänomene behandelt, weil sie in ein umfassenderes Analysekonzept gesprochener Sprache nicht eingeordnet werden konnten. Dieser Widerspruch in der jeweils codebezogenen Phänomenologie von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und seiner wissenschaftlichen Beschreibung begründet ein Dilemma in der deskriptiven Tradition der Sprachwissenschaft. Kritik an der mangelhaften Differenzierung von Mündlichkeit und Schriftlichkeit wurde bereits durch Wunderlich (1894) und Behaghel (1899), später auch durch Schmitt (1931) zum Ausdruck gebracht. 4.2. Der „Buben-Effekt“ Während Wunderlich, Behaghel, Schmitt u. a. vor allem die verschiedenen Techniken und Formen der mündlichen und der schriftlichen Artikulation im Blick hatten, leistete Vladimı´r Buben (1935) mit seiner Studie über den Einfluß der Orthographie auf Veränderungen der Lautung einen Beitrag zur systematischen Erforschung der Zusammenhänge von Schriftlichkeit und Sprachwandel. Bubens Untersuchungen konzentrieren sich auf das Neufranzösische, wie es sich seit dem 17. Jahrhundert herausgebildet hat. Einen Einfluß der (Ortho-)Graphie auf die Lautung ermittelt er erstens bei veralteten, seltenen, technischen und gelehrten Wörtern, welche nicht oder nur in einer schwachen oralen Tradition stehen, weiterhin bei Eigennamen mit zunächst regional geprägter Aussprache sowie bei Namen und Wörtern aus anderen Sprachen. Ein zweiter Datenbereich besteht in Wörtern mit historischer oder etymologischer Graphie, deren Aussprache sich an der Schreibung orientiert und beispielsweise zur Artikulation von vormals stummen etymologischen Buchstaben oder zur Aussprache von normalerweise stummen Endkonsonanten führte. Diese Art sprachlichen Wandels wurde als spelling pronunciation konzeptualisiert (vgl. dazu Koeppel „Spelling-pronunciations“ Strassburg: Trübner 1901, zit. nach Buben 1935, 17; Levitt 1968; Söll 1980). Daß dieses Phänomen nicht auf das Französische mit seiner stark etymologisch und historisch geprägten Orthographie beschränkt ist, sondern auch für Sprachen gilt, die stark phonographisch ausgeformt sind, zeigen die in Bubens Tradition stehenden Untersuchungen von S¸uteu (1976) zum Rumänischen und von Alarcos Llorach (1965, 1984) zum Spanischen.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

4.3. Funktionale Betrachtung der Sprache und Codetheorie Bubens Untersuchungen beschränken sich auf die Analyse von Phonem-Graphem-Beziehungen im Französischen und den durch die Schriftform initiierten Wandel. Nahezu zeitgleich mit dem Erscheinen seines Werkes formulieren die dänische Glossematik und die Prager Schule ihre Kritik an der „phonetischen Sprachanschauung“ (Vachek 1976 a, 229) des Strukturalismus. Zunächst Artymovycˇ (1932) und dann vor allem Vachek (1939, Nachdruck 1976 a) und Uldall (1944) begründen, daß Sprechen und Schreiben zwei verschiedene Realisationsformen von Sprache mit eigenen Normen darstellen, jeweils für sich und zugleich untereinander systematische Beziehungen aufweisen und mit unterschiedlichen „kulturellen und/oder zivilisatorischen Zwecken und Funktionen“ (Vachek 1976 a, 246) verbunden sind. An diese Positionen knüpften weitere theoretische Betrachtungen und empirische Studien an, so u. a. von Catach (1968), von Söll (1980) und von Anis (1988) zum Französischen. Ausgehend von Ludwig Söll, hat sich in der Romanistik ein Verständnis von Sprache etabliert, nach welchem zwischen der Realisationsform, die strikt an das Medium (phonisch/graphisch) gebunden ist, und der Konzeptionsform von Sprache (gesprochen/geschrieben), die auf den primären oder unmittelbaren Kommunikationsweg abgestellt ist, unterschieden wird. Demnach konstituiert sich Sprache aus vier Codes: der phonische und der graphische, der Code des Gesprochenen und der Code des Geschriebenen (vgl. Söll 1980, 17 ff). Die üblichen Repräsentationen sind gesprochen und phonisch einerseits sowie geschrieben und graphisch andererseits. Im Anschluß an Söll haben Koch & Oesterreicher (1985) das Modell der sprachlichen Codes weiter ausgearbeitet und damit den Weg für die Beschreibung eines intralingualen codeinduzierten Dynamismus in der Sprachentwicklung eröffnet. Mit dem Begriffspaar „Sprache der Nähe“ und „Sprache der Distanz“ lenken Koch & Oesterreicher die Aufmerksamkeit auf die Beziehung von Kommunikationsbedingungen und Versprachlichungsstrategien. Das Begriffspaar ist im konzeptionellen Bereich von Mündlichkeit und Schriftlichkeit angesiedelt und referiert auf ein Kontinuum, in welchem mehrere die Äußerungsform kennzeichnende kommunikative Parameter zusammenwirken, so zum Beispiel: soziales Verhältnis, Anzahl, räumliche und zeitliche

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119. Sprachwandel und Schriftlichkeit

Situierung der Kommunikationspartner; Sprecherwechsel; Themafixierung; Öffentlichkeitsgrad; Spontaneität und Planung, Rolle des sprachlichen, des situativen und des soziokulturellen Kontextes (vgl. S. 19). Als Fazit ihrer Überlegungen stellen sie jeweils offene Listen von Merkmalen für die Kommunikationsbedingungen und für die Versprachlichungsstrategien zusammen, die für die „Sprache der Nähe“ und die „Sprache der Distanz“ typisch sind. Kennzeichnend für die meisten Äußerungsformen ist ihr skalarer Charakter zwischen den Polen von extremer Mündlichkeit und extremer Schriftlichkeit. Deutlich wird dabei, daß konzeptionelle Schriftlichkeit ein Potential darstellt, das sprachlichen Wandel bedingt, d. h. ihn verursacht, ermöglicht oder beschränkt. 4.4. Sprachwandel im Übergangsfeld von „Aggregation“ und „Integration“ Während die Begriffe „Sprache der Nähe“ und „Sprache der Distanz“ hauptsächlich situative Parameter der Kommunikation mit Versprachlichungstechniken korrelieren, erfassen die Begriffe „Aggregation“ und „Integration“ die textsortenspezifische Ausformung und Gliederung von Sätzen und Texten im sprachhistorischen und typologischen Kontext. Sie müssen als die tragenden Begriffe eines sprachwissenschaftlich fundierten kulturhistorisch-semiotischen Forschungsprogramms über die Beziehungen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit angesehen werden (vgl. Raible 1989, 1991 a, 1992; Ludwig 1989). Um diese Begriffe herum ordnen sich zahlreiche andere Phänomene wie die sprachlichen und semiotischen Einheiten der Schrift- und Textgestaltung (Meisenburg 1989, 1990, 1993; Frank 1993), Aspekte des Wandels grammatischer, semantischer und textueller Strukturen im Verlaufe der Verschriftlichung von romanischen, Kreol- und anderen Sprachen. Besondere Aufmerksamkeit wurde bislang den syntaktischen Veränderungen im Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit zuteil, insbesondere den Strukturen der Verknüpfung von Teilsätzen und Teiltexten wie präpositionalen Fügungen, Konjunktionen und Gerundial- und Partizipialkonstruktionen zum Ausdruck von koordinativen und subordinativen Beziehungen, die Raible (1992) in der Kategorie „Junktion“ zusammenfaßte. ‘Aggregation’ wird durch Phänomene wie die lineare Reihung von Satz- oder Redeteilen, die geringe explizite syntaktische Kohäsion, die Verwendung von „passe-par-

tout“-Wörtern und Diskurspartikeln, das Fehlen von ausgearbeiteter textueller Kohärenz, starker pragmatischer Organisation u. a. bestimmt, während für die ‘Integration’ ausgearbeitete textuelle Kohärenz, explizite Koordination und Subordination, die Verwendung eines präziser gewählten Wortschatzes und geringere pragmatische Strukturiertheit typisch sind (vgl. Ludwig 1989, Raible 1992). Während für die Mündlichkeit das Prinzip der Aggregation ausschlaggebend ist, wird im Übergang zur Schriftlichkeit mit der Integration ein anderes Strukturierungsprinzip produktiv: Subordination, Verschachtelung, Einbettung von Sachverhaltsdarstellungen niederer Ordnung in die höherer Ordnung. Vor unseren Augen laufen diese Prozesse im Zuge der Verschriftlichung von Kreolsprachen ab, so beispielsweise in den französisch basierten Kreols von Guadeloupe oder Martinique (vgl. Ludwig 1989). Für die Schaffung neuer Junktionstechniken in der Schriftsprache wird von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, „Anleihen“ im Französischen als derjenigen Sprache aufzunehmen, mit der diese Kreols genetisch verwandt sind bzw. aus denen heraus sie sich entwickelt haben. So wie sich hier eine „Refranzisierung“ (Raible 1992, 202) abzeichnet, kann bei den romanischen Vulgärsprachen des Mittelalters im Zuge ihrer Verschriftlichung eine „Relatinisierung“ in der Syntax (ebd.) festgestellt werden. Mein Dank gilt Klaus Bochmann (Leipzig), Utz Maas (Osnabrück) und Brigitte Schlieben-Lange (Tübingen) für zahlreiche Hinweise zu einer früheren Fassung des Textes.

5.

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Jürgen Erfurt, Leipzig (Deutschland)

120. Das chinesische Schriftsystem 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

1.

Zur Typologie des chinesischen Schriftsystems Graphischer Aufbau der Schriftzeichen Schrift und Laut Zahl der Schriftzeichen Schreibrichtung Numeralzeichen Interpunktionszeichen Literatur

Zur Typologie des chinesischen Schriftsystems

Chinesische Schriftzeichen werden im chinesischen Volksmund oft als fangkuaizi „Quadratzeichen“ bezeichnet, weil sie der Form und Gestalt nach ⫺ dies betrifft in erster Linie die Normschrift kaishu ⫺ alle in gleiche quadratische Kästchen passen. Doch linguistisch betrachtet ist die typologische Zuordnung des chinesischen Schriftsy-

stems in seinem Ganzen noch recht umstritten, was einerseits auf die Komplexität des Problems zurückzuführen ist und sich aber andererseits aus den unterschiedlichen Betrachtungsweisen ergibt. 1.1. Ist die chinesische Schrift piktographisch und ideographisch? Die chinesische Schrift wird oft fälschlicherweise als piktographische und ideographische ⫺ wofür im Chinesischen xiangxing und stehen ⫺ Wortbildschrift bezeichbiaoyi net (siehe z. B. Stiebner & Leonhard 1977, 104). Richtig ist, daß es gewisse Zeichen gibt, die auf einen bildlichen oder bildrebusartigen Ursprung zurückgehen, wie es in der Entstehungsphase der Fall ist (hierzu vgl. u. a. Boltz 1986; → Art. 26). Aber solche Piktogramme bzw. Ideogramme haben niemals die Gesamtheit der Sprache repräsentiert. Zudem ist die

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IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

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1.

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Zur Typologie des chinesischen Schriftsystems

Chinesische Schriftzeichen werden im chinesischen Volksmund oft als fangkuaizi „Quadratzeichen“ bezeichnet, weil sie der Form und Gestalt nach ⫺ dies betrifft in erster Linie die Normschrift kaishu ⫺ alle in gleiche quadratische Kästchen passen. Doch linguistisch betrachtet ist die typologische Zuordnung des chinesischen Schriftsy-

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120. Das chinesische Schriftsystem

chinesische Schrift in ihrer heutigen Form so abstrahiert worden, daß sich keinerlei Bildhaftigkeit in ihr ahnen läßt. 1.2. Ist die chinesische Schrift logographisch oder morphosyllabisch? In der linguistischen Literatur wird die chinesische Schrift im allgemeinen als logographisch ⫺ was auf chinesisch eher durch den Terminus biaoyuwenzi wiederzugeben ist ⫺ klassifiziert, d. h. als ein Schriftsystem, in dem anders als bei einer phonographischen Schrift nicht die phonologische Einheit, sondern nur die Bedeutung einzelner Morpheme oder Wörter durch graphische Zeichen ausgedrückt wird, wobei jedem Zeichen eine konstante Zahl phonologischer Komplexe zugeordnet wird (vgl. u. a. Sampson 1985, 1994). Diese Klassifikation begründet sich auf der Tatsache, daß die chinesische Schrift den lautlichen Aspekt der Sprache generell nicht manifestiert. Dieser Position wird jedoch von DeFrancis (1989) vehement entgegengehalten, daß dabei die Schriftzeichen als unitäre Einheiten betrachtet werden und ihre interne Struktur, die bei komplexen Zeichen oft eine phonetische Komponente aufweist, außer acht gelassen ist. DeFrancis argumentiert mit einer statistischen Analyse eines chinesischen Wörterbuchs mit 4,800 Einträgen, wonach nur 44% davon freie Wörter repräsentieren, 45% gebundene Morpheme und 11% bedeutungslose lautliche Symbole sind, daß die chinesische Schrift ein syllabisches System ist, ja sogar zu der Subkategorie, die als morphosyllabisch bezeichnet wird, gehört, weil erstens alle chinesischen Zeichen, ob simplex oder komplex, jeweils für eine Silbe stehen und weil zweitens über 95% der chinesischen Zeichen sogenannte xingshengzi „Determinativphonetika“ (→ Art. 26, 3.1.4.) sind. So ist der Begriff „morphosyllabisch“ in zweifachem Sinne zu verstehen: Zum einen bezieht er sich auf die Ebene des Zeichens und meint, daß die einzelnen Schriftzeichen sowohl eine Silbe als auch ein Morphem repräsentieren, wobei nach DeFrancis die 11% bedeutungsloser Zeichen auszunehmen sind, da sie nur als lautliche Symbole dienen. Zum anderen bezieht er sich auf die interne Struktur des Zeichens und meint ausschließlich die sogenannten Determinativphonetika, in der die phonetische Komponente die syllabische Aussprache anzeigt und das Determinativ die semantische Kategorie des Denotats des gesamten Zeichens andeutet (DeFrancis 1989, 114 ff).

Doch wenn die chinesische Schrift in dem ersteren Sinne als morphosyllabisch zu klassifizieren ist, dann handelt es sich dabei nur um einen terminologischen Unterschied zu dem Begriff „logographisch“, weil auch dieser ein Schriftsystem meint, in dem die Zeichen für Morpheme stehen, welchen per definitionem eine phonologische Einheit zugeordnet ist. Nur wird mit „morphosyllabisch“ explizit ausgedrückt, um was für eine phonologische Einheit es geht, aber mehr nicht, zumal die simplexen Zeichen (siehe unten), die die Grundlage der Schrift bilden, nicht zur Repräsentation der syllabischen Aussprache geschaffen sind. Daher kann die Schrift schlecht als syllabisches System aufgefaßt werden. In der Tat erkennen selbst DeFrancis & Unger (1994) der chinesischen Schrift einen hohen logographischen Wert zu. Wenn aber das chinesische Schriftsystem eher im letzteren Sinne morphosyllabisch ist, dann kann dies nur statistisch bzw. evolutionär gemeint sein. Statistisch ist es insofern richtig, als die meisten chinesischen Zeichen morphosyllabische Struktur aufweisen; evolutionär ist es auch richtig, weil es in der Geschichte eine Phase gegeben hat, in der zur Schaffung neuer Zeichen die bestehenden (simplexen) Zeichen als phonetische Indikatoren eingesetzt wurden. Doch ob deshalb die Natur der chinesischen Schrift als morphosyllabisch erfaßt werden soll, bedarf noch weiterer Diskussionen.

2.

Graphischer Aufbau der chinesischen Schriftzeichen

Im Laufe der chinesischen Geschichte hat sich eine Anzahl von Schriftarten entwickelt (→ Art. 26), von denen einige heute ausschließlich der kalligraphischen Kunst vorbehalten sind, einige aber für die alltägliche Schriftkommunikation eingesetzt werden. Zu den letzteren zählen in erster Linie die Normschrift und die Handschrift xingshu , wobei die Normschrift auch die Druckschrift ist. Wenn wir im folgenden von dem graphischen Aufbau der chinesischen Schriftzeichen sprechen, so meinen wir nicht den Aufbau beliebiger Schriftarten, sondern ausschließlich den der Normschrift, welche sowohl für das in der Volksrepublik China und Singapur gebräuchliche vereinfachte Schriftsystem jianti als auch für das in Taiwan und Hongkong sowie anderen chinesischen Gemeinden auf der Welt verwendete nicht-ver-

1406

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

einfachte traditionelle Schriftsystem fanti oder zhengti als Standard für die Verschriftung der chinesischen Sprache gilt. 2.1. Striche und Strichfolge Die chinesischen Schriftzeichen setzen sich graphisch-strukturell aus einzelnen Strichen bihua zusammen, von denen die folgenden sieben die sogenannten Grundstriche bilden: dian (punktartiger Strich), heng (waagrechter Strich), shu (senkrechter Strich), pie (links-rechts-schräger Strich), na (rechts-links-schräger Strich), ti (von links unten nach rechts oben gehender Strich), gou (hakenartiger Strich). Zu beachten ist, daß die Schreibrichtung des Strichs konventionell bestimmt ist, so daß jedem Strich ein festgelegter Anfang und ein festgelegtes Ende zugeordnet sind. In der folgenden Tabelle werden die sieben Grundstriche jeweils mit ihrer Schreibrichtung, die durch einen Pfeil gekennzeichnet ist, und einem Beispielzeichen angeführt:

d. Fünffache Verknüpfungen So wie die Schreibrichtung einzelner Striche festgelegt ist, so sind auch die einzelnen Striche eines Zeichens nicht in beliebiger Reihenfolge zu schreiben. Vielmehr ist die Strichfolge je nach der graphischen Struktur des Zeichens im wesentlichen durch sieben Regeln determiniert, die folgendermaßen formuliert sind: (2) a.

erst oben dann unten: z. B.

b.

erst links dann rechts: z. B. erst heng dann shu:

c. z. B.

erst pie dann na:

d. z. B. e.

erst Mitte dann Seiten: z. B.

f. Grundstriche

erst außen dann innen: z. B.

Tab. 120.1 Schreibrichtung Beispiel

dian heng shu pie na ti gou

Mit dem punktartigen Strich als Ausnahme lassen sich alle Striche auf verschiedene Art und Weise mehrfach miteinander verknüpfen und bilden dadurch komplexe Striche. Dabei kann nur das Ende eines Strichs mit dem Anfang eines anderen verbunden werden und nicht umgekehrt. (1) a. Zweifache Verknüpfungen

b. Dreifache Verknüpfungen c. Vierfache Verknüpfungen

g.

erst rein dann schließen: z. B.

Dabei gelten die ersten zwei Regeln nicht nur für die Abfolge einzelner Striche, sondern darüber hinaus auch für die Sequenz der zu schreibenden größeren Komponenten, aus denen z. B. ein komplexes Zeichen zusammengesetzt ist. So ist z. B. die Regel (2 a) nicht nur auf die Reihenfolge der drei waagrechten Striche in dem Zeichen anzuwenden, sondern auch auf die Abfolge der zwei Komponenten und von dem Zeichen . Das Gleiche gilt auch für die Regel (2 b), die nicht nur die Schreibabfolge der zwei Striche von bestimmt, sondern auch die der zwei Komponenten und von . Insofern finden die Regeln (2 a) und (2 b) zweifache Anwendung und sind deswegen auch als grundlegend aufzufassen (siehe Wang 1989, 247 ff). 2.2. Die Komponenten der Zeichen Die oben angeführten Grundstriche tragen weder ein phonetisches Merkmal noch eine semantische Bedeutung. Sie dienen allenfalls dem analytischen Zweck, diejenigen Zeichen graphisch-strukturell zu gruppieren, die weder als xingfu Determinativa ⫺ das sind Komponenten, die die semantische Kategorie angeben, zu der das Denotat des gesamten Zeichens gehört ⫺ fungieren noch eins besit-

1407

120. Das chinesische Schriftsystem

zen, damit diese im Wörterbuch auffindbar gemacht werden. Das heißt, sie erfüllen bestenfalls die Funktion von bushou „Klassenhaupt“, also von „Radikalen“, wobei dies allerdings nur die ersten vier Grundstriche in Tab. 120.1 betrifft. Nur in diesem Sinne können sie auch als Komponenten des Zeichens betrachtet werden. Wird aber zwischen den Komponenten, die ⫺ ungeachtet des historischen Ursprungs ⫺ in ihrer heutigen Form nicht als eigenständige Zeichen verwendbar sind und ausschließlich die zeichenkonstituierende Funktion erfüllen, und den Komponenten, die heute als eigenständige Zeichen gebraucht werden, unterschieden, dann gehören zu den ersteren neben den genannten vier Grundstrichen noch eine Anzahl von Determinativa, die zum Teil, geschichtlich gesehen, vor der Einführung von lishu „Kurialschrift“ ⫺ auch „Kanzleischrift“ genannt ⫺ (→ Art. 26, 2.6.) noch eigenständig gebräuchlich waren, aber in ihrer heutigen Normschriftform nicht so verwendet werden können, wie (⫽ ) und (⫽ ). Hinzu kommen auch diejenigen Komponenten, die aus den xiangxingzı` „Bilder-Zeichen“ (→ Art. 26, 3.1.1.) als Teile herausgegliedert sind. Zusammengefaßt sind hierfür drei Untergruppen repräsentativ: (3) Die nicht als Zeichen verwendbaren Komponenten: a. Striche: b. Radikale: c. Andere: Zu der zweiten Gruppe von Komponenten, d. h. zu den als Zeichen verwendbaren Komponenten gehören sowohl eine Reihe von dutizi oder danti „simplexen Zeichen“, deren Bestandteile keine Bedeutungen tragen und graphisch-strukturell nur noch als einzelne Striche zu analysieren sind, als auch eine Menge von hetizi oder futi „komplexen Zeichen“, die aus bedeutungstragenden Komponenten zusammengesetzt sind. (4) Die als Zeichen verwendbaren Komponenten: a. Simplexe Zeichen: z. B. b. Komplexe Zeichen: z. B. So entsprechen die Begriffe „simplexe Zeichen“ und „komplexe Zeichen“ nicht den Di-

und zi bei Xu stinktionen von wen Shen , von welchen die erste die Zeichen mit einem bildlichen Ursprung meint und die zweite eher die Determinativphonetika (→ Art. 26, 3.1.4.), also die morphosyllabischen Zeichen im Sinne von DeFrancis (1984, 125 f) und (1989, 115 f) kennzeichnet. Zu beachten ist, daß die hier gemeinten komplexen Zeichen, obwohl viele von ihnen noch in einzelne bedeutungstragende Bestandteile analysierbar sind, immer als Ganze aufzufassen sind, weil sie bei der Zeichenkonstitution stets als feste, lautbezeichnende oder sinnstiftende Einheiten eingesetzt werden. Es gibt allerdings auch Zeichen, die nie zur Bildung anderer Zeichen herangezogen werden, wie z. B. die in (5): (5) Abgesehen von den Strichen haben wir insgesamt vier Arten von Zeichenkomponenten, die entweder als kategorienkennzeichnende Determinativa oder als lautbezeichnende Phonetika oder als beide fungieren. Demnach lassen sie sich funktional in folgende fünf Untergruppen einteilen: (6) a. Komponenten, die keine Zeichen sind und nur als Determinativa fungieren: b. Komponenten, die keine Zeichen sind und nur als Phonetika fungieren: c. Komponenten, die Zeichen sind und nur als Determinativa fungieren: d. Komponenten, die Zeichen sind und nur als Phonetika fungieren: e. Komponenten, die Zeichen sind und sowohl als Determinativa als auch als Phonetika fungieren: Diese fünf Gruppen von Komponenten können jedoch nicht beliebig miteinander kombiniert werden, um ein Zeichen zu bilden. Ihre Komposition erfolgt nach bestimmten Schemata. 2.3. Die kompositionelle Struktur der komplexen Zeichen So kennt das gegenwärtige chinesische Schriftsystem z. B. nicht die Komposition von „Determinativ ⫹ Determinativ“ oder die von „Phonetikum ⫹ Phonetikum“. Zulässig

1408 sind nur die folgenden zwei Arten von komplexen Zeichen: (7) a. Determinativ ⫹ Phonetikum b. Zeichen ⫹ Zeichen

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

proportionell festgelegt. Insgesamt lassen sich nach Liang (1959, 86 f) die folgenden drei Gruppen von Konstellationen mit jeweils unterschiedlichen Variationen feststellen: (10) a. Oben-Unten-Konstellation

Bei der Gruppe (7 a) handelt es sich um die sogenannten Determinativphonetika, die etwa 95% des gesamten Zeichenbestandes ausmachen (siehe u. a. DeFrancis 1989, 97 ff). Dabei kann das Determinativ entweder eigenständiges Zeichen sein oder nicht, was aber auch für das Phonetikum gilt. Bei der Gruppe (7 b) handelt es sich ausschließlich um die sogenannten huiyizi „zusammengesetzte Bilder“ (→ Art. 26, 3.1.3.), die keine phonetischen Indikatoren aufzuweisen haben und deren eine Komponente gelegentlich als Determinativ angesehen werden kann oder zwecks der Auffindbarkeit als Radikal genommen wird. 2.4. Proportionale Konstellationen der Zeichenstruktur Die Positionen einzelner Komponenten sind innerhalb eines Zeichens festgelegt. So kommen manche Determinativa nur links im Zeichen vor und manche nur rechts, wie die folgenden Beispiele zeigen:

b. Links-Rechts-Konstellation

(8) a. Determinativ links und Phonetikum rechts b. Phonetikum links und Determinativ rechts Es gibt aber auch Zeichen, in denen das Determinativ oben und das Phonetikum unten erscheinen oder auch umgekehrt. (9) a. Determinativ oben und Phonetikum unten b. Phonetikum oben und Determinativ unten c. Innen-Außen-Konstellation Nach Chen (1982, 186) weisen 64% von den im Wörterbuch Xinhua Zidian enthaltenen 7,254 Schriftzeichen die LinksRechts-Konstellation auf und 19% die ObenUnten-Konstellation. Zusammengenommen machen sie 83% aus. Die einzelnen Komponenten in einem Zeichen sind nicht nur positionell, sondern auch

1409

120. Das chinesische Schriftsystem

Daß die einzelnen Komponenten mehr oder weniger in festgelegter Proportion geschrieben werden müssen, ist nicht nur ökonomisch in der schnellen Wiedererkennbarkeit begründet, sondern beruht auch auf den im Laufe der Geschichte kristallisierten ästhetischen Vorstellungen.

3.

Schrift und Laut

Die chinesische Schrift als solche zeigt, wie in Abschnitt 1. schon angedeutet, prinzipiell keine lautliche Qualität an. Das heißt im Klartext, daß an der Form der Schrift kein phonetisches Merkmal zu erkennen ist, noch weniger die suprasegmentalen Tonhöhenunterschiede. So ist es bei der chinesischen Schrift anders als bei einer Alphabetschrift generell der Fall, daß ein unbekanntes Zeichen auch lautlich nicht identifizierbar ist. Wer z. B. das simplexe Zeichen nicht kennt, der weiß nicht nur seine Bedeutung nicht, sondern auch nicht seine Aussprache. Selbst bei den komplexen Zeichen vom Typ „Determinativphonetika“ verhält es sich nicht viel anders, wenn sie auch eine phonetische Komponente aufzuweisen haben, die ja als Indikator des Lautbildes dienen sollte. Denn erstens kann der phonetische Indikator infolge der im Laufe der Geschichte stattgefundenen Lautverschiebung meistenfalls den exakten Laut und Ton des betreffenden Zeichens nicht mehr angeben. Zweitens, selbst wenn er noch hundertprozentig treffsicher wäre, muß man noch als erstes wissen, welcher Teil in solchen komplexen Zeichen das Phonetikum ist, und als zweites, wie dieses ausgesprochen wird. Zu bemerken ist, daß es laut DeFrancis (1989, 102 f) 895 Zeichen gibt, die als phonetische Elemente eingesetzt werden. Das heißt, selbst wenn die phonetische Komponente die exakte lautliche Angabe machen würde, muß zuerst diese Menge von Zeichen erlernt werden, was sowohl unter dem Aspekt des Systems als auch unter dem des Aufwands betrachtet überhaupt nicht mit dem Erwerb von etwa 30 deutschen Buchstaben vergleichbar ist. Doch die Kluft zwischen der Schrift und dem Laut wird inzwischen durch eine zusätzliche phonetische Transkription überbrückt, welche entweder auf dem Pinyin( )-System mit lateinischen Buchstaben oder auf dem System zhuyizimu „Aussprache-Zeichen“ mit etwa 40 von den normalen Zeichen

verschiedenen Zeichen basiert (→ Art. 26). Das erstere wird in der Volksrepublik China verwendet und das letztere in Taiwan.

4.

Zahl der Schriftzeichen

Die Frage nach der Zahl der chinesischen Zeichen läßt sich unter zwei Aspekten beantworten: unter dem Aspekt des gesamten Zeichenbestandes sowie unter dem Aspekt der Gebräuchlichkeit der Zeichen. 4.1. Bestand der Zeichen Wie bereits in Artikel 26 erwähnt, enthält das im Jahr 100 n. Chr. von Xu Shen kompilierte Wörterbuch Shouwen Jiezi bereits 9,353 distinkte Zeichen. Diese Zahl wird von dem etwa vierhundert Jahre später erschienenen Wörterbuch Yupian mit 12,158 Einträgen um knapp dreitausend Zeichen übertroffen. Doch das Reimlexikon Qieyun vom Jahr 601 erlangt seinerseits wieder eine Zunahme von 4,759 Zeichen und registriert insgesamt 16,917 Zeichen. Noch bemerkenswerter ist das im Jahr 1039 entstandene Reimlexikon Jiyun , das eine stolze Zahl von 53,525 Zeichen aufzuweisen vermag, was wiederum mehr als eine Verdreifachung von Qieyun und eine Verfünffachung des Shuowen Jiezi bedeutet. Das im Jahr 1938 veröffentlichte Zhongshan Dacidian „Das Große Zhongshan-Wörterbuch“ erfaßt sogar 60,000 Zeichen. Den bisher größten Umfang hat aber die von Qui & Fu (1995) herausgegebene Sammlung Quan Hanzi Shu „Buch der gesamten chinesischen Zeichen“ mit ihren 70,000 Zeichen. Tab. 120.2 Datum Zeitperiode (n. Chr.) 100 543 601 1039 1615 1716 1938 1995

Titel

Shuowen Jiezi Yupian Qieyun Jiyun Zihui Kangxi Zidian Zhongshan Dacidian Volksrepublik Quan Hanzi Shu Ost-Han Liang Sui Nord-Song Ming Qing Minguo

Zahl 9,353 12,158 16,917 53,525 33,179 47,035 60,000 70,000

Wie ist nun dieser gewaltige Zuwachs von Zeichen zu erklären? Hier sind verschiedene Faktoren im Spiel. Einer der Faktoren betrifft sicher das starke Aufkommen von De-

1410 terminativphonetika, die nun für verschiedene Morpheme stehen, für die früher ein und dasselbe Zeichen verwendet wurde. Ein anderer Faktor hängt aber mit der kumulativen Natur der chinesischen Schrifttradition zusammen, in der Zeichen, die schon längst aus dem Verkehr geraten sind, noch aufbewahrt und in die Wörterbücher aufgenommen werden. Das sind vor allem Zeichen für Eigennamen (wie Orts- und Personennamen) sowie Zeichen für Gegenstände, die nun nicht mehr existieren. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die exzessive Verbreitung von yitizi „Varianten eines Wortes“ (→ Art. 26, 4.2.), die oft parallel zu dem Standardzeichen bestehen, von unterschiedlich dialektaler Provenienz sind, in unterschiedlichen Branchen gebraucht werden oder sogar durch Verschreiben entstanden sind. Für ein Morphem oder Wort finden sich manchmal sogar 6 distinkte Zeichen. So machen die Varianten etwas mehr als die Hälfte der hinzugekommenen Zeichen aus (vgl. hierzu Norman 1988, 70 ff; Wang 1989, 531 ff). 4.2. Die Zahl der gebräuchlichen Zeichen Von diesen ca. 70,000 Zeichen wird heute nur etwa ein Zehntel als gemeingebräuchlich eingestuft. So enthält z. B. die in der Volksrepublik China im Jahr 1965 von dem Kultusministerium und dem Nationalkomitee für die Reform der chinesischen Schriftzeichen veröffentlichte Yinshua Tongyong Hanzi Zixing Biao „Die Liste der Zeichenformen der gemeingebräuchlichen chinesischen Zeichen für das Druckwesen“ eine Anzahl von 6,195 Zeichen. Die am 7. Mai 1988 von dem Nationalkomitee für Sprache und Schrift sowie dem Amt für Nachrichten und Publikationswesen herausgegebene Xiandai Hanyu Tongyongzi Biao „Die Liste der gemeingebräuchlichen Zeichen des modernen Chinesischen“ umfaßt 7,000 allgemein gebräuchliche Zeichen. Selbst diese Zahl übertrifft noch die 1974 von der Xinhua Matrizenfabrik erstellte Liste mit ihren 6,310 Zeichen. Doch sind nicht alle diese 7,000 Zeichen gleich häufig gebräuchlich. In der Tat ist man mit zwei- bis dreitausend Zeichen schon in der Lage, Zeitungen bzw. Bücher zu lesen. Nach einer Häufigkeitsstudie umfaßt das vierbändige Werk von Mao Zedong , das immerhin einen Zeichenbestand von 660,273 aufweist, nur 2,981 distinkte Zeichen (siehe Wang 1989, 546). Die am 2. März 1988 von dem Nationalkomitee für Sprache und Schrift

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

sowie dem Nationalkomitee für Erziehungswesen gemeinsam veröffentlichte Xiandai Hanyu Changyongzi Biao „Die Liste der häufig gebräuchlichen Zeichen des Modernen Chinesischen“ erfaßt genau 3500 Zeichen. Davon sind 2500 als besonders häufig gebräuchlich eingestuft (siehe Sun 1991, 293 ff). Die Auswahl der häufig gebräuchlichen Zeichen erfolgt nach den folgenden vier Kriterien: (i) nach der höchsten Frequenz; (ii) bei gleicher Frequenz nach der Distribution über Fachbereichen; (iii) nach der größten Wortbzw. Zeichenbildungsfähigkeit; (iv) danach, ob das Zeichen in bezug auf Alltagssituationen verwendet wird. Die ersten drei sind die wichtigsten Kriterien und das vierte nur ein Hilfskriterium, nach dem z. B. Zeichen wie ce und deng , die weder eine hohe Vorkommensfrequenz haben noch besonders wort- bzw. zeichenbildungsfähig sind, dennoch den besonders häufig gebräuchlichen Zeichen zuzurechnen sind, weil sie in Kombinationen wie cesuo „Toilette“ und dengzi „Sitzbank“ für den alltäglichen Sprachgebrauch nicht verzichtbar sind.

5.

Schreibrichtung

In der chinesischen Tradition wurde von oben nach unten geschrieben; die einzelnen Kolumnen waren von rechts nach links angeordnet. Kamen die Zeichen in einer waagerechten Anordnung vor, dann wurden sie von rechts nach links geschrieben. Diese traditionelle Schreibrichtung wurde in der Volksrepublik China am 1. Januar 1955 zuerst in Renmin Ribao „Die Volkszeitung“ geändert. In der Folgezeit appellierten das Erziehungsministerium sowie das Sekretariat des Staatsrats in ihren Bekanntmachungen an die zugehörigen Behörden und Institutionen, die Links-Rechts-Schreibrichtung und die Oben-Unten-Zeilenanordnung einzuführen, was sich auch rasch durchsetzte und bis heute gut funktioniert (vgl. Wang 1989, 741; Xu 1992). Zwar sieht man in Zeitungen gelegentlich auch die traditionelle Schreibrichtung und Zeilenanordnung, aber dies geschieht lediglich zwecks der Vielfältigkeit von Layout. In Taiwan und Hongkong wird in Zeitungen und anderen Publikationen heute noch generell die traditionelle Schreibrichtung praktiziert. Doch anders als in Hongkong ist in Taiwan die waagerecht angeordnete Über-

1411

120. Das chinesische Schriftsystem

schrift in Zeitungen nur von links nach rechts zu lesen. Auch der Links-Rechts-Schreibrichtung und der Oben-Unten-Zeilenanordnung begegnet man hin und wieder in neu erschienenen Büchern, was als Zeichen für eine neue Wende gedeutet werden kann.

Fälschung erlassen. Aber die meisten hierfür verwendeten Zeichen waren bereits in Texten und Dokumenten aus der Zeit Chunqiu „Frühling⫺Herbst“ (770⫺476 v. Chr.) zu finden. (12) ling yi

6.

Numeralzeichen

6.1. Die Kleinschreibung Die Numeralzeichen des Kleinschreibungssystems sind bereits in den Knocheninschriften (→ Art. 26, 2.2.) dokumentiert. Sie stellen ein Dezimalsystem dar, das anders als z. B. das deutsche Numeralsystem über eine spezifische Bezeichnung wan „zehntausend“ für die fünfte Stelle verfügt. er

san si

wu liu

null eins zwei drei vier fünf sechs qi

ba

jiu

shi

bai

sieben acht neun zehn hundert qian

wan

san si

wu liu qi

ba jiu shi bai qian wan yi

Im heutigen Chinesischen werden neben den arabischen Ziffern, die hauptsächlich in der Mathematik und zur Zeit- und Datumbezeichnung gebraucht werden, sowie den nur gelegentlich gebräuchlichen römischen Zahlen vor allem zwei Numeralsysteme chinesischer Provenienz verwendet: die kleingeschriebenen und die großgeschriebenen Numeralien.

(11) ling yi

er

shiwan

tausend zehntausend hunderttausend baiwan quianwan Million zehn Millionen yi hundert Millionen Dabei ist der Begriff „Null“ spätestens seit dem fünften Jahrhundert n. Chr. im Chinesischen bekannt und wird ab dem Jahr 1180 als ein Kreischen geschrieben (siehe Tang 1994). 6.2. Die Großschreibung Das Großschreibungssystem der Numeralzeichen entstand viel später als die Kleinschreibung und wurde erst in der Tang-Dynastie von der Kaiserin Wu Zetian (Herrschaftszeit 690⫺701) zum Erschweren der

Die großgeschriebenen Numeralzeichen haben entweder die gleiche Bedeutung und die gleiche Aussprache wie die kleingeschriebenen. Das sind vor allem die Zeichen yi , er , san , wu , qi . Oder sie haben die gleiche Aussprache, aber andere Bedeutung, wie si , liu , ba , jiu . Die Zeichen wie bai und qian sind graphische Variationen der jeweiligen kleingeschriebenen Numeralien. Das Zeichen ling ist zwar ein sehr altes Zeichen, findet aber seine hiesige Verwendung erst seit der Nan-Song-Zeit (1127⫺ 1279) (Genaueres dazu siehe Tang 1994).

7.

Interpunktionszeichen

Chinesische Texte wurden in der alten Zeit ohne Interpunktion geschrieben, so daß eine der wichtigen Aufgaben eines Schülers darin bestand, sie korrekt zu segmentieren, d. h. zu bestimmen, wo eine Aussage zu Ende ging und wo man innerhalb einer Aussage pausieren durfte. Das erstere wurde ju genannt und das letztere dou , wobei das Ganze als judou oder als judou bezeichnet wurde. Schriftlich wurden später ju und dou jeweils durch ein Kreischen [⬚] und einen Punkt [.] repräsentiert. Heute werden in der Volksrepublik China insgesamt 14 biaodianfuhao „Interpunktionszeichen“ verwendet, welche vorwiegend um die Jahrhundertwende in Anlehnung an europäische Sprachen entwickelt und in den fünfziger Jahren wegen der Umstellung der Schreibrichtung nochmals modifiziert worden sind. So sind manche sowohl graphisch wie auch funktional gleich wie z. B. ihre deutschen Gegenstücke. Das sind douhao „Komma“ [,], fenhao „Semikolon“ [;], maohao „Doppelpunkt“ [:], wenhao „Fragezeichen“ [?], gantanhao „Ausrufezeichen“ [!], kuohao „Klammer“ [()], yinhao „Anführungszeichen“ [“ ”] bzw. [‘ ’], wobei die letzten zwei bei der traditionellen Schreibrichung wie [ ] und

1412

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

[ ] gestaltet sind, was wie folgt illustriert wird: (13) a.

b.

Der chinesische Punkt juhao behält seine traditionelle Form eines Kreischens [⬚] bei. Das Zeichen [ ], das im Chinesischen dunhao „Pausezeichen“ genannt wird, steht erstens für die Pausetrennung von Wörtern bzw. Phrasen bei der Aufzählung bzw. Aneinanderreihung wie im folgenden Beispiel gezeigt wird: (14) wo mai le pingguo lier putao he juzi Ich kaufte Apfel, Birne, Trauben und Mandarinen.

Zweitens wird es auch zur Pausekennzeichnung hinter Ordinalzahlen verwendet, wie (15) yi pingyuan er pendi san quiling 1. Ebene; 2. Becken; 3. Hügel.

Der chinesische Gedankenstrich pozhehao ist aber etwas länger als der deutsche und beansprucht eine Breite von zwei Zeichen [⫺]. Das Auslassungszeichen im Chinesischen, das als shenglüehao bezeichnet wird, enthält statt drei sechs Punkte [......]. Eigennamen wie Personen- und Ortsnamen werden durch zhuanminghao in Form einer Linie [¿] unter bzw. bei der traditionellen Schreibrichtung links neben dem zu Kennzeichnenden indiziert, was aber heute nur begrenzt praktiziert wird. Für die Betonung wird das zhuozhonghao „Betonungszeichen“ verwendet, das durch jeweils einen Punkt unter dem zu betonenden Zeichen symbolisiert wird. (16) yuyan de jiegou sprachliche Struktur

Schließlich werden Titel von Büchern, Filmen, Liedern etc. durch das shuminghao „Buchtitelzeichen“ mit den dop-

pelt gewinkelten Klammern [] oder der ] gekennzeichnet, wie gewellten Linie [ Hongloumeng   „Traum der Roten Kammer“ oder , wobei das erstere heute üblich ist.

8.

Literatur

Boltz, William G. 1986. Early Chinese writing. In: World Archaeology 17 (3), 420⫺436. Chen, Mıngyuan. 1982. Yuyan Wenzi de Xinxichuli (Die Datenverarbeitung der Sprache und Schrift). Beijing. DeFrancis, John. 1984. The Chinese Language: Fact and Fantasy. Honolulu. ⫺. 1989. Visible Speech. The Diverse Oneness of Writing Systems. Honolulu. DeFrancis, John & Unger, J. Marshall. 1994. Rejoinder to Geoffrey Sampson, „Chinese script and the diversity of writing systems“. In: Linguistics 32, 549⫺554. Liang, Donghan. 1959. Hanzi de Jiegou jiqi Liubian (Die Struktur und Wandlung der chinesischen Schriftzeichen). Shanghai. Norman, Jerry. 1988. Chinese. Cambridge. Qui, Xigui & Fu, Yonghe. 1995. Quan Hanzi Shu (Buch der gesamten chinesischen Zeichen). Shenyang. Sampson, Geoffrey. 1985. Writing Systems. London (Second edition 1987). ⫺. 1994. Chinese script and the diversity of writing systems. In: Linguistics 32, 117⫺132. Stiebner, Erhardt D. & Leonhard, Walter. 1977. Bruckmann’s Handbuch der Schrift. München (Zweite Auflage 1980). Sun, Junxi. 1991. Zhongguo Hanzixueshi (Geschichte der chinesischen Schriftkunde). Beijing. Tang, Jian. 1994. Hanyu O Gannianfuhao de Lishi Laiyuan he Xitong (Über die historische Herkunft und das System des chinesischen Zeichens für den Begriff „Null“). In: Zhongguo Yuwen 5, 361⫺367. Wang, Fengyang. 1989. Hanzixue (Grammatologie der chinesischen Schrift). Changchun. Xu, Changan. 1992. Haixialiangan Yongzi Bijiao (Ein Vergleich des Zeichengebrauchs zwischen den beiden Seiten der Taiwan-Straße). In: Yuwen Jianshe 1, 13⫺18.

Jie Li, Saarbrücken (Deutschland)

121. Das japanische Schriftsystem

1413

121. Das japanische Schriftsystem 1. 2. 3. 4.

Einheiten Schreibrichtung Textgestaltung und Orthographie Literatur

1.

Einheiten

Zur Verschriftung des modernen Japanischen wird in der Regel ein aus drei Subsystemen, nämlich den sinojapanischen Schriftzeichen (kanji) und zwei identisch strukturierten Syllabaren, den übergreifend als kana bezeichneten Silbenschriftalphabeten hiragana und katakana bestehendes Mischsystem (kanji-kanamajiribun) eingesetzt. Ergänzend finden die sechsundzwanzig Buchstaben des lateinischen Alphabetes (roˆmaji), die arabischen Ziffern von 0 bis 9 und, vorwiegend zu Aufzählungsund Auszeichnungszwecken, die lateinischen Zahlzeichen sowie die Buchstaben des griechischen Alphabetes Verwendung. 1.1. Kanji Die im dritten oder vierten Jahrhundert unserer Zeitrechnung (siehe dazu ausführlich Lewin 1962, 12 ff, 177 ff) aus China ins autochthon schriftlose Japan übernommenen Kanji (‘Schrift der Han’; chin. hanzi, kor. hanja) haben in Japan wie in China selbst im Laufe der Jahrhunderte und verstärkt aufgrund der in der jüngeren Vergangenheit in beiden Ländern unabhängig voneinander durchgeführten Schriftreformen eine Vielzahl vor allem graphischer Verschleifungen und Verkürzungen mitgemacht, die eine einfache ⫺ auch semantische ⫺ Gleichsetzung von Hanzi, Hanja und Kanji nicht mehr zulassen. So entspricht etwa „dem chinesischen in Japan und umgekehrt dem japanischen in China ; für das koreanische finden wir in China , in Japan “ (Nomura 1986, 7). Hinzu kommen im Japanischen als kokuji (auch: waji, waseiji, wasei kanji, nihonsei kanji) bezeichnete einheimische Prägungen wie , die im Chinesischen nicht gebräuchlich sind (eine aktuelle, über 1500 Zeichen umfassende Liste bieten Hida & Sugawara 1990; vgl. auch Alexander 1951; Obata-Reiman 1983, 1990; Stalph 1985 a, 85 ff, 1985 b). Insgesamt bilden die chinesische und der sinojapanische Bestandteil der japanischen Schrift, obwohl nach wie vor nicht wenige graphisch wie semantisch kongruente sowie gegenüber den ursprünglichen Zeichenfor-

men identisch abgekürzte Hanzi und Kanji existieren (zum Beispiel , , ), zwei verschiedene Systeme, die mit einer Vielzahl jeweils spezifischer Zeichen oder Teilzeichen operieren. Kanji seien deshalb hier nicht als chinesische, sondern als sinojapanische Schriftzeichen bzw. als sinojapanische Schrift bezeichnet. 1.1.1. Zahl Von den über 50 000 (numerisch 49 964) chinesischen und sinojapanischen Schriftzeichen (vgl. Hayashi 1977, 112; Saitoˆ 1985, 95 ff; Stalph 1989, 60, 162, 197), die im größten vorliegenden Kanji-Kompendium, dem von Morohashi Tetsuji kompilierten dreizehnbändigen Dai Kan-Wa jiten [‘Großes Chinesisch-Japanisches Zeichenlexikon’] erfaßt sind ⫺ darunter freilich eine beträchtliche Anzahl obsoleter, seit Jahrhunderten nicht mehr in Gebrauch befindlicher, zum Teil nur in wenigen chinesischen Quellen und/oder für das Japanische gar nicht belegter Zeichen sowie Varianten alter und neuer Zeichenformen (itaiji) ⫺ wird im Alltag nur ein Bruchteil eingesetzt. Selbst der 20 846 Lemmata bietende Zeichenschatz des Koˆ Kan-Wa jiten [‘Umfassendes Chinesisch-Japanisches Zeichenlexikon’] (Morohashi, Kamata & Yoneyama 1981⫺1982), das unter anderem die chinesischen Kurzzeichen (chin. jianhuazi, jap. kankaji) enthält, geht weit über das auch zur Erstellung von Fachtexten erforderliche Maß hinaus. Die weit verbreiteten und in praxi von der Zeichenzahl her völlig ausreichenden Handlexika bieten meist eine Auswahl von etwa sechs- bis elftausend Kanji an (vgl. Stalph 1985 a, 77). Die japanische Industrienorm (Japanese Industrial Standard; JIS) hält zu Zwecken der elektronischen Datenverarbeitung in zwei Datensätzen (daiichi suijun kanji, daini suijun kanji) Kodierungen für ⫺ inclusive 556 Varianten ⫺ 6355 Kanji (Satz 2 wurde 1990 um zwei Zeichen erweitert) bereit (Nakahara 1991). JIS 1, der 2965 Zeichen „höherer Gebrauchshäufigkeit“ benennt, entspricht damit vom Umfang her ziemlich genau den vom Staatlichen Institut zur Erforschung der japanischen Sprache (Toˆkyoˆ) in zwei großen Zeitschriften- und Zeitungsuntersuchungen ermittelten Werten. Die 1962⫺ 1964 in drei Bänden publizierte Zeitschriftenstudie registriert für aus 90 verschiedenen, im Jahre 1956 veröffentlichten Magazinen gezo-

1414 gene Stichproben 3328 distinkte Kanji, während die umfangreichere, auf knapp einer Million „laufender“ Kanji basierende Untersuchung der drei großen überregionalen Tageszeitungen (Ausgaben der Asahi, Mainichi und Yomiuri shimbun des Jahres 1966) 3213 distinkte Einheiten festhält (Kokuritsu kokugo kenkyuˆjo 1976). Diese im großen und ganzen wohl auch für die neunziger Jahre gültigen Zahlen ⫺ auf ähnlich fundierten Untersuchungen beruhende aktuellere Statistiken liegen nicht vor ⫺ zeigen zum einen, daß zur problemfreien Zeitungs- und Zeitschriftenlektüre ein passiver Kanjifundus von dreibis dreieinhalbtausend Zeichen ausreicht, zum anderen den fortschreitenden Einfluß der anfangs heftig umstrittenen, 1946 per Kabinettsverordnung dekretierten offiziellen Liste von 1850 Standardschriftzeichen (toˆyoˆkanjihyoˆ; zur Entstehungsgeschichte der Liste s. Küenburg 1952; Seeley 1991, 152 ff) auf die Verschriftung des Japanischen: 1966 waren 98,02% aller in Zeitungen abgedruckten sinojapanischen Schriftzeichen Toˆyoˆkanji (Miyajima et al. 1987, 242), d. h. bei der Lektüre eines tausend Kanji umfassenden Zeitungstextes war zu erwarten, daß im Durchschnitt 980 davon zur Liste der Standardschriftzeichen gehören. Tab. 121.1 zeigt, daß sich mit den häufigsten 500 Kanji bereits knapp 80% laufender Zeitungstexte erfassen lassen; bei einer Kenntnis der frequenzstärksten 2000 gehen die Werte sowohl für Zeitungen als auch für Zeitschriften nahe an die HundertProzent-Grenze (Zahlen nach Miyajima et al. 1987, 245). 1981 wurde die Toˆyoˆkanjihyoˆ durch eine um 95 Kanji erweiterte „Liste von Schriftzeichen für den normalen Gebrauch“ (joˆyoˆkanjihyoˆ) ersetzt, wobei unter anderem die oben erwähnten statistischen Untersuchungen des Staatlichen Instituts zur Erforschung der japanischen Sprache Berücksichtigung fanden (von den tausend häufigsten Zeichen der Zeitungsuntersuchung gehören lediglich zehn nicht zur Liste der Joˆyoˆkanji, und nicht weniger als 1800 finden sich unter den 2013 frequenzstärksten „Zeitungskanji“ (Stalph 1989, 62, 196). Die 1945 Schriftzeichen der neuen Liste sind, wie zuvor die Toˆyoˆkanji, Grundlage des Kanjiunterrichtes in den japanischen Schulen und dienen insgesamt, wie es in der entsprechenden Kabinettsverordnung vom 1. Oktober heißt, als „Richtlinie für den Zeichengebrauch bei der Verschriftung des gegenwärtigen Japanischen“ (zitiert nach Satoˆ, Katoˆ &

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Tab. 121.1: Zeichenfrequenz und Textvolumen Häufigste Zeichen 10 50 100 200 500 1000 1500 2000 2500 3000

Textvolumen Zeitungen

Zeitschriften

10,6% 27,7 40,2 56,1 79,4 93,9 98,4 99,6 99,9 99,9

8,8% 25,5 37,1 52,0 74,5 90,0 96,0 98,6 99,5 99,9

Hida 1983, 495). Als Anwendungsgebiete in diesem Sinne (‘Richtlinie’; jap. meyasu) werden in der Präambel der Liste expressis verbis genannt: Gesetze und Verordnungen, amtliche Schriftstücke, Zeitungen, Zeitschriften, ˆ kurashoˆ insatsukyoku 1982, Rundfunk (O [3]). Insgesamt ist die Liste weniger restriktiv als ihre Vorgängerin; Schlüsselwort ist das eher vage meyasu, mit dem „die Mußvorschrift der 1946er Liste in eine Sollvorschrift umgewandelt“ wurde (Müller-Yokota 1987, 57). Tab. 121.2 gibt alle 1945 Joˆyoˆkanji im Überblick. 1006 davon werden als sogenannte „Lernzeichen“ (gakushuˆkanji) während der sechsjährigen Grundschulzeit vermittelt (seit dem Schuljahr 1991/1992; zuvor 996). Zur Verschriftung von Eigennamen steht neben den 1945 „Standardschriftzeichen“ ⫺ und natürlich den Kana-Syllabaren ⫺ eine Liste von zusätzlichen „Namenskanji“ (jimmeiyoˆ kanji) zur Verfügung, die im Umfang seit ihrer ersten Promulgation im Jahre 1951 (aufgrund erheblicher Proteste und Beschwerden von seiten der Bevölkerung quasi als „Nachtrag“ zur toˆyoˆkanjihyoˆ verabschiedet) ständige Erweiterungen erfuhr. Seit der letzten, im Januar 1990 erfolgten Aufstockung (Ishiwata 1991, 36) sind in den Stadt- und Gemeindeverwaltungen 384 solcher Namenszeichen zugelassen. Damit umfaßt das für amtliche und halbamtliche Publikationen inclusive der Registratur von Eigennamen offizielle Inventar sinojapanischer Schriftzeichen 2329 Einheiten. 1.1.2. Phonologische Bezüge Die vielschichtigen Bezüge der sinojapanischen Schriftzeichen zur lautlichen Seite der Sprache stehen ihrer graphischen Komplexi-

121. Das japanische Schriftsystem Tab. 121.2: Liste der 1945 Joˆyoˆkanji

1415

1416 tät in nichts nach. Bei der Übernahme der Zeichen aus dem Chinesischen kamen zwei „Adaptionsstrategien“ (Coulmas 1982, 64 f) zum Tragen, eine lautorientierte und eine bedeutungsorientierte, die zur Herausbildung zweier Grundlesarten führten ⫺ der sinojapanischen, den klassisch-chinesischen Lautungen mit den phonologischen Mitteln des Japanischen „nachempfundenen“ Lesart (onyomi, on) und der „reinjapanischen“ (kunyomi, kun), die im wesentlichen nichts anderes ist „ als die Wiedergabe des Bedeutungsgehaltes [eines Zeichens] durch japanische Wörter“ (Lewin 1975, 36). Aufgrund der langen Entlehnungsgeschichte und des fortwährenden sprachlichen Kontaktes zum chinesischen Festland entwickelten sich gleich drei verschiedene sinojapanische Lautformen, nämlich die auf ältere und älteste Entlehnungen zurückgehenden go’on (4.⫺8. Jh.), kan’on (8.⫺10. Jh.), die „ihre Ausbildung dem unmittelbaren Kontakt mit dem China der T’ang Dyn[astie]“ verdanken und „ als verbreitetste Lesart“ gelten können, sowie toˆin (ab ca. 11. Jh.), „die seltenste Lesart, anzutreffen im Wortschatz des Zen-Buddhismus und in späteren, mittelalterlichen Entlehnungen, häufig aus dem Begriffsfeld der materiellen Kultur“ (Lewin 1975, 35). Hinzu kommen immer weiter tradierte, auf Verschleifungen oder schlicht fehlerhaften Zuordnungen beruhende Lesungen (kan’yoˆon ‘Gewohnheitslesungen’). Diese phonetisch oft beträchtlich divergierenden On, die Chamberlain (1899, 372 f) einmal mit englischen Wortpaaren wie regal/royal, rotund/round, pauper/poor etc., die zwar jeweils derselben lateinischen Quelle entsprängen, aber entweder direkt oder über das Französische entlehnt worden seien, verglichen hat, existieren im modernen Japanischen weiter, so daß einer Vielzahl von Kanji mehr als eine sinojapanische „Lesung“ zukommt. (Eine bewußte Unterscheidung von go’on, kan’on und toˆin wird allerdings heute von den Sprachbenutzern nicht mehr getroffen, und Lesungen wie „Kyoˆto“ für den aus zwei Kanji zusammengesetzten Namen der altehrwürdigen Kaiserstadt im Westen Japans, die sprachhistorisch als Mischform aus go’on und kan’on zu gelten hat ⫺ in reiner kan’on hieße sie *Keito, in go’on *Kyoˆtsu (Miller 1970, 107) ⫺ sind gang und gäbe). Ebenso häufig ist die vor allem aufgrund semantischer Differenzen zum Chinesischen entstandene Mehrfachbelegung von Zeichen mit Kun. So bringt es ein Schriftzeichen wie , von dem um die 200 mögliche Lesun-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

gen berichtet werden (Kurotaki 1964, 68), selbst in der Liste der Joˆyoˆkanji, die neben der eigentlichen Auswahl der Kanji und ihrer korrekten graphischen Gestalt auch die Lexeme bzw. Morpheme, die sie wiedergeben können, festschreibt, auf zwei sinojapanische und nicht weniger als zehn reinjapanische Lesungen. Ein genaues Bild der On-Kun-Verhältnisse zeichnet für den repräsentativen Bereich der Standardzeichen Tab. 121.3 (nach Tab. 121.3: Die On-Kun-Distribution der Joˆyoˆkanji On

Gesamt

0

1

2

3

5

Kun 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

32 7 1 ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺

664 633 228 76 31 7 1 3 ⫺ ⫺ ⫺

71 91 53 15 10 ⫺ ⫺ ⫺ 1 1 2

2 7 5 2 1 ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺

⫺ ⫺ 1 ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺ ⫺

737 763 294 94 42 7 1 3 1 1 2

Gesamt

40

1643 244 17

1

1945

Nomura 1981; Lesebeispiel: 633 Zeichen vertreten je eine On und Kun, 40 ausschließlich Kun). Die oft angenommene und von den statistischen Durchschnittswerten bestätigte Faustregel von je einer sinojapanischen und reinjapanischen Lesung pro Zeichen (Joˆyoˆkanji: 1,12 On und 0,98 Kun pro Schriftzeichen; Stalph 1985 a, 49) trifft damit nur bei oberflächlicher Betrachtung zu. Immerhin 737 (37,9%) der Listenkanji wird keine Kun zugeordnet ⫺ das sind wesentlich mehr als die bisweilen konstatierten „wenigen Ausnahmen“ (Coulmas 1982, 68) ⫺, und 43,24% „verfügen über“ mehr On als Kun. Diese Zahlen verdeutlichen, daß die „Janus duality [of] twofold reading“ (Suzuki 1975, 182) nur für einen ⫺ wenn auch den größeren ⫺ Teilbereich der Schriftzeichen, nämlich etwa 60%, Geltung hat und demzufolge die KunLesungen nur eingeschränkt zur semantischen Transparenz sinojapanischer Komposita beitragen (hinzu kommt natürlich, daß On und Kun keineswegs immer identische Bedeutungen vermitteln; vgl. Stalph 1985 a, 52, 73). Weiter deuten sie auf die wesentliche

121. Das japanische Schriftsystem

Funktion, die Kanji ⫺ und zwar seit den letzten hundert Jahren in ständig zunehmendem Maße (vgl. Nomura 1988, 102) ⫺ bei der Verschriftung des Japanischen zukommt, nämlich die graphische Repräsentanz vor allem der sinojapanischen Sprachebene: In Zeitungstexten fungieren vier von fünf Kanji als Träger des Sinojapanischen, und zwar zu wiederum über 80% als Bestandteile der zumeist aus zwei Morphemen zusammengesetzten (und graphisch mit zwei Zeichen dargestellten) kango bzw. jiongo, d. h. aus dem Chinesischen entlehnter bzw. mit Hilfe des sinojapanischen Lautbestandes geprägter Neologismen (vgl. Kokuritsu kokugo kenkuˆjo 1976; Nomura 1988, 101). Zugleich liegt hier auch eine der Hauptschwierigkeiten des japanischen Schriftsystems: Das im Chinesischen zumindest für die ursprünglichen Zeichenformen, die sogenannten „Langzeichen“, noch immer weitestgehend intakte System der phonetischen Indikation, d. h. die Anzeige stets gleicher oder ähnlicher Lautwerte durch graphisch identische, rekurrent eingesetzte Teilzeichen (phonologographische Zeichen; keiseimoji), unterliegt im modernen Sinojapanischen großen Einschränkungen. Trotz der auch hier möglichen Zusammenstellung von langen Reihen graphisch teilidentischer und lautlich gleicher oder ähnlicher Kanji ist in der Praxis der genaue phonetische Indikationswert gering. Im günstigsten Falle ist zu erwarten, daß in laufenden Texten eines von sechs Schriftzeichen einen konstanten sinojapanischen Lautwert wiedergibt (Stalph 1989, 154). In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß Kanji mehrere On vertreten können, ferner, daß sie ja zu einem nicht unerheblichen Teil auch zur Verschriftung der reinjapanischen Ebene herangezogen werden, für die das Prinzip der phonetischen Indikation naturgemäß keinerlei Gültigkeit hat. Zusätzlich kompliziert werden die Schrift-LautBeziehungen ⫺ das japanische Schriftsystem gilt nicht umsonst als „das komplizierteste aller Kultursprachen“ (Lewin 1975, 23) ⫺ durch in Resten weiterbestehende, bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges häufig auch zur Verschriftung von Fremdwörtern und fremdländischen Orts- und Personennamen eingesetzte rebusartige Kanjischreibweisen (ateji und jukujikun wie /furo/ ‘Bad’, /kurabu/ ‘Klub’, /samidare/ ‘Frühsommerregen’), die auf „coincidences in sound or sense in unrelated morphemes between Chinese and Japanese or within Japanese itself“ (Miller 1970, 99) beru-

1417 hen, des weiteren durch die Tatsache, daß in zusammengesetzten Lexemen nicht immer nur Lesungen gleicher Provenienz realisiert werden, daß also auch On-Kun- (juˆbakoyomi) und Kun-On-Kombinationen (yutoˆyomi) (wie /DAIdokoro/ für ‘Küche’ oder /niMOTSU/ für ‘Gepäck’; Großbuchstaben ⫽ On) vorkommen (vgl. Stalph 1985 a, 46). Als besonders diffizil ist außerdem der große Bereich der Namenslesungen zu nennen, da zwar das Inventar der zugelassenen Schriftzeichen, nicht aber die Palette möglicher Lesungen exakt festgelegt ist. Vor allem bei Vornamen ist Eindeutigkeit, sofern nicht die bei amtlichen Formularen stets und ansonsten häufig als Lesehilfe geforderte Zusatznotation in Kana beigegeben ist, oft nur durch Befragen des Namensträgers selbst zu erreichen. 1.1.3. Morphologische Bezüge Innerhalb der typischen Kanji-Kana-Mischschrift repräsentieren Kanji ⫺ kontextuell in aller Regel eindeutig zu bestimmende ⫺ Phonemfolgen, denen auf der sinojapanischen Ebene stets, auf der reinjapanischen hingegen keineswegs durchgängig Morphemstatus zukommt. Vor allem bei der Verschriftung nichtnominaler Einheiten des Wortschatzes werden aufgrund der silbischen Struktur der die Kanji begleitenden „morphologischen Hilfszeichen“ (okurigana) Morphemgrenzen regelmäßig verwischt. So repräsentieren die alltäglichen , und in ‘schreiben’, ‘(ver)leihen’ und ‘beißen’ nicht die Wortstammorpheme {kak}, {kas} und {kam}, sondern lediglich die nicht bedeutungstragende Phonemfolge /ka/. Das gleiche gilt für andere Wortarten. etwa kann zum einen das freie Morphem {kore} ‘dies’ vertreten, zum anderen im Zusammenspiel mit die Phonemfolge /ko/; das selbständige onaji ‘gleich (sein)’ wird als /ona. ji/ verschriftet, und das ebenfalls freie hotondo ‘fast, nahezu’ findet sich als /hoton. do/ , /hoto. ndo/ oder /hotondo/ (vgl. Stalph 1985 a, 125 f). Der zuerst wohl von du Ponceau (1838, 110) geprägte und in der japanischen Sprachwissenschaft als hyoˆgomoji ‘Wortschriftzeichen’ gängige Begriff der Logographie vermittelt mithin selbst bei großzügiger Auslegung ein nicht ganz korrektes Bild der Funktionsweise der sinojapanischen Schriftzeichen, und auch der in der jüngeren Zeit häufig vorgenommenen Präzisierung zu „Morphographie“, d. h. der Betonung der morphemischen Funktion der Kanji und ih-

1418

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

rer folgerichtigen Benennung als Morphogramme (keitaisomoji), kann zumindest in Bezug auf die reinjapanische Ebene der Sprache (kun) nur mit Einschränkungen Gültigkeit zugesprochen werden. Diese Einschränkung, das sei wiederholt, geht im wesentlichen zu Lasten der silbischen Begleitzeichen, die ihre vornehmliche Aufgabe als Indikatoren grammatikalischer Zusammenhänge und lexikalischer Differenzen

Tab. 121.5: Katakana a

i

u

e

o

ka

ki

ku

ke

ko

sa

shi

su

se

so

ta

chi

tsu

te

to

na

ni

nu

ne

no

ha

hi

fu

he

ho

ma

mi

mu

me

mo

ri

ru

re

ro

ya

/okona. u/ ‘durchführen‘

/i. ku/ ‘gehen’;

/ku. u/ ‘(fr)essen’

/ku. rau/ ‘dto.’;

/yasa. shii/ ‘liebenswürdig (sein)’

/sugu. reru/ ‘hervorragen’

ra wa

1.2. Kana Die im Verein mit den sinojapanischen Schriftzeichen zur Verschriftung des modernen Japanischen eingesetzten Silbenzeichen bilden zwei isomorph aufgebaute, aus je 46 Einheiten bestehende, mit dem übergreifenden Terminus kana belegte Syllabare. Sowohl die aus den kursiven Formen ehemals lautwertig eingesetzter chinesischer Schriftzeichen (Phonogramme; man’yoˆgana) entstandenen hiragana (Tab. 121.4) als auch die aus Teilen der quadratischen Vollformen solcher Phonogramme entwickelten Katakana (Tab.

Tab. 121.4: Hiragana a

i

u

e

o

ka

ki

ku

ke

ko

sa

shi

su

se

so

ta

chi

tsu

te

to

na

ni

nu

ne

no

ha

hi

fu

he

ho

ma

mi

mu

me

mo

ra wa n

yu ri

ru

yo (w)o

n

nur dann erfüllen können, wenn sie gleichzeitig den sprachlichen Repräsentanzbereich der Kanji beschneiden.

ya

yu

yo re

ro (w)o

121.5; zur geschichtlichen Entwicklung beider Systeme siehe Müller-Yokota 1989, 194 ff; ebenso die entsprechenden Kapitel in Seeley 1991; → Art. 27) sind jeweils bereits für sich geeignet, den gesamten „Lautbestand der auf dem Toˆkyoˆ-Dialekt beruhenden Standardsprache mit 103 unterschiedlichen mora“ (Genenz 1989, 83 f) graphisch zu fixieren. Zur Darstellung einer Silbe werden dabei jeweils ein oder eine Kombination aus zwei bis höchstens drei Silbenschriftzeichen eingesetzt ( /hi/, /hyoˆ/). Langvokale werden mittels Doppelsetzung ( /oˆ/) bzw. durch Setzung des dem vokalischen Wert entsprechenden Kanazeichens angezeigt ( /naˆ/), bei /o/ meist mittels /u/ ( /soˆ/); in der Katakanaschreibung wird in diesen Fällen regelmäßig ein Längungsstrich verwendet ( /hyoˆ/, /oˆ/, /naˆ/, /soˆ/), der allerdings zu besonderen Zwecken und in besonderen Kontexten, zum Beispiel der lexikographisch exakten Wiedergabe sinojapanischer Lesungen, auch durch Vokalzeichen ersetzt werden kann ( /hyoˆ/, /oˆ/, /soˆ/). Langkonsonanten werden mittels eines vorangestellten kleinen, ausgerückt gesetzten /tsu/ wiedergegeben ( asatte ‘übermorgen’, sakkaˆ ‘Fußball’). Zur Bezeichnung der verstimmhafteten Konsonanten der k-, s-, t- und h-Reihen (→ g-, z-, d-, b-) sowie der Tenuis p stehen zudem die diakritischen Zeichen und ⬚ zur Verfügung (Tab. 121.6). (Von den als yotsugana ‘die vier Kana’ bekannten Paaren und (bzw. Katakana und ), die die in der heutigen Standardsprache identisch artikulierten

1419

121. Das japanische Schriftsystem Tab. 121.6: Diakritische Zeichen ga

gi

gu

ge

go

za

ji

zu

ze

zo

da

ji

zu

de

do

ba

bi

bu

be

bo

pa

pi

pu

pe

po

/ji/ und /zu/ vertreten, wird orthographisch, sofern nicht eindeutige Etymologien dagegen sprechen (hanaji ‘Nasenbluten’, aus hana ‘Nase’ und chi ‘Blut’: ), meist den Kana der s-Reihe der Vorzug gegeben.) Zusätzlich zu den oben aufgeführten je 46 Hiragana und Katakana werden in speziellen Kontexten sowie zur Verschriftung von Eigennamen anstelle von /i/ und /e/ auch /wi/ und /we/ (bzw. die Katakana und ) eingesetzt, obwohl die lautlichen Oppositionen [i] : [wi] bzw. [e] : [we] nicht mehr gegeben sind. Des weiteren hat eine Reihe sogenannter hentaigana, d. h. „in der Form von den Standardsilbenzeichen abweichende Kana“, überlebt, die aber abgesehen von ihrer Verwendung auf traditionellen Aushängeschildern hauptsächlich gastronomischer Betriebe keine Rolle mehr spielen (eine 78 solcher Zeichen umfassende Tabelle bietet Müller-Yokota 1989, 197). Neue, über Fremdwörter europäischer und angloamerikanischer Provenienz ins Japanische gedrungene Lautungen wie etwa die alveolaren Klusile [t] und [d] in Verbindung mit [i] oder [u] werden mittels Katakana digraphisch dargestellt: /ti/, /di/, /tu/, /du/; das gleiche gilt in den Labialreihen für [fa, fi, fe, fo] ( ) und die über den Fremdwortschatz wiederbelebten [wi, we, wo] ( ). Zur Darstellung von [v] wird ein diakritisch verstimmhaftetes Katakana-u eingesetzt ( ), entsprechend die Reihe [va, vi, ve, vo]. Nicht digraphisch dargestellt werden lediglich [wu] und [vu], die sich nach wie vor mit einem einfachen gelängten [u] begnügen müssen ( uˆman < woman; uˆduˆ < voodoo). Eine Sonderstellung nehmen innerhalb der Kanasyllabare die Silbenzeichen und (Katakana , ) ein, die nicht nur die Phonemfolgen /ha/ und /he/ repräsentieren, son-

dern zugleich als Überbleibsel der nicht phonologisch ausgerichteten „historischen Orthographie“ (rekishiteki kanazukai) graphisch die grammatischen Partikeln wa und e vertreten: hana ‘Blume’; ‘Nase’ Zoˆ-wa hana-ga nagai ‘Elefanten haben Rüssel’ heso ‘Nabel’ Nara-e ‘nach Nara’ Eine rein morphologische Aufgabe kommt schließlich ( ) zu, das heute ausschließlich zur Verschriftung der Kasuspartikel (w)o dient. 1.2.1. Aufgaben der Hiragana Den identisch strukturierten Kanasyllabaren kommen in der Praxis der Verschriftung unterschiedliche Aufgaben zu. Das quantitative Schwergewicht liegt dabei auf der Verwendung der Hiragana (s. u. 3., Abb. 121.1), die vornehmlich eingesetzt werden zur Darstellung von 1. 2. 3. 4.

grammatischen Hilfswörtern (Partikeln, Postpositionen) Verbalsuffixen, Formalnomina und Hilfsverba, Konjunktionen, Interjektionen

und einer Reihe von Adverbia. In den Bereichen (1) und (2) werden beinahe ausschließlich Hiragana verwendet, während bei (3) und (4), etwa zur Wiedergabe des Formalnomens koto ( , ), durchaus auch Kanjischreibungen vorkommen können. Feste Re-

1420 geln existieren hier nicht. Darüber hinaus dienen Hiragana als „phonetische Indikatoren“, zum einen, wenn Teile qua Kanji verschrifteter Einheiten gesondert dargestellt werden sollen, so zum Beispiel bei der Wiedergabe gestotterter Sprache ⫺ i, i, iya da! ‘B-b-bitte nicht!’ ⫺, zum anderen bei der Angabe von ungewöhnlichen Zeichenlesungen bzw. Lesungen solcher Kanji, die nicht zur Liste der Standardschriftzeichen gehören. In diesen Fällen werden Hiragana in „Doppelschreibung“ und kleinerer Type als „Lesehilfen“ (furigana; rubi) rechts neben (bei vertikaler Schreibrichtung; s. u. 2.) oder (bei horizontaler Zeilenanordnung) über die phonetisch zu erklärenden sinojapanischen Schriftzeichen gesetzt, in Zeitungstexten auch in runden Klammern nachgestellt.

Taishita mise dewanai keredo, soko-ni ikeba haˆdorokku-o kikinagara tobikkiri mazui koˆhıˆ-o nomu koto-ga dekita. Der Laden war nichts Besonderes, aber man konnte dort Hardrock hören und den schlechtesten Kaffee der Welt dazu trinken. (Murakami 1985, Bd. 1, 11; dt. Murakami 1991, 10). Statt der im allgemeinen üblichen FuriganaDoppelschreibung, die im übrigen ein weites Spektrum sprachspielerischer Möglichkeiten eröffnet (vgl. dazu May 1982), können Hiragana Kanji(komposita) auch ganz oder in Teilen ersetzen ( aisatsu ‘Gruß, Begrüßung’ statt ; weder noch gehören zur Liste der Joˆyoˆkanji). Intralexematische Mischformen (Kanji-Kana, Kana-Kanji) wie etwa shishuˆ ‘Stickerei’ (statt , oder auch ; ⫽ Joˆyoˆkanji) treten allerdings fast ausschließlich in besonderen Textsorten wie zum Beispiel Grundschullehrbüchern auf. 1.2.2. Aufgaben der Katakana Katakana finden vielfältige Verwendung. Auch in der neueren einschlägigen Literatur noch anzutreffende Pauschalisierungen der Art, diese Silbenschrift werde „für Telegramme sowie im militärischen Meldeverkehr

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

verwendet, ansonsten“ sei „ihr Gebrauch auf die Schreibung entlehnter Elemente beschränkt“ (Haarmann 1986, 71), stimmen weder für das gegenwärtige Japanisch noch für den gesamten Zeitraum zuvor seit ihrer ersten Verwendung als notationelles Hilfssystem zur Glossierung buddhistischer Schriften im zehnten Jahrhundert. Das wegen seiner eckigen Formen ehemals ⫺ wie die sinojapanischen Schriftzeichen selbst ⫺ als „männliche Schrift“ geltende Syllabar ersetzte u. a. in gelehrten Abhandlungen und amtlichen Schriftstücken über Jahrhunderte und bis in die Neuzeit hinein die „weicheren“, als ‘Frauen(hand)schrift’ (onnade) bezeichneten Hiragana. Auch für den amtlichen Bereich endgültig abgeschafft wurde diese als Kanji-Katakana-Mischstil (kanji-katakanamajiribun) bezeichnete Verwendungsweise erst mit den nach Ende des Zweiten Weltkrieges durchgeführten Schriftreformen; in älteren Gesetzestexten und Verordnungen, so in weiten Teilen des unserem Bürgerlichen Gesetzbuch entsprechenden „Zivilgesetzes“, hat sie aber bis heute überlebt. Bestrebungen zu einer „Hiraganisierung“ dieser Texte sind im Gange (vgl. Asahi shimbun vom 16. 6. 1991). Neben den Bereichen „(inländischer) Telegramm-“ und „militärischer Meldeverkehr“ werden Katakana heute hauptsächlich eingesetzt zur schriftlichen Fixierung von 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Lehnwörtern und fremdsprachlichen Elementen, fremdländischen Eigennamen, Onomatopoetika, Bezeichnungen aus Flora und Fauna, Slang und Vulgarismen, Dialektismen, fachsprachlichen Lexemen

und, neben den Hiragana, 8.

Interjektionen.

Hinzu kommen schreibergebundene Vorlieben sowie die Funktion der Emphase. ⫺ Bei (1) ist der gesamte sinojapanische Wortbestand (kango, jiongo) auszunehmen, der ja nicht als Lehnwortschatz gilt und per Kanji verschriftet wird, ebenso die neueren, nicht als Kango geltenden Entlehnungen aus dem ) Chinesischen (z. B. maˆjan ‘Mah-Jongg’ sowie solche aus europäischen Sprachen, die fest im Wortschatz verankert und nicht mehr

1421

121. Das japanische Schriftsystem

bewußt als Lehnwörter empfunden werden (z. B. tempura ‘Tempura’ , ), bei den Eigennamen (2) chinesische und koreanische. Im Falle der Bezeichnungen für Pflanzen- und Tiernamen (4) wird vor allem dann auf Katakana zurückgegriffen, wenn die entsprechenden Kanji oder benötigte sinojapanische oder reinjapanische Lesungen in der Liste der Standardschriftzeichen nicht enthalten sind (vgl. zum gesamten Abschnitt Stalph 1990, 331 f). Durchaus im Einklang mit den oben angeführten „traditionellen“ Kategorien (3), (5), (6) und (8) werden Katakana in den letzten Jahren häufig auch zur möglichst getreuen Nachahmung bzw. Betonung der Besonderheiten der gesprochenen Sprache sowie zum Ausdruck emotionaler Emphase eingesetzt. Diese Tendenz nimmt vor allem bei jüngeren Schreibern zu. Ein Beispiel gibt Satake (1989, 1723): Ore sa, honto-wa-ne, ikenai-n-da-yo ‘Du, ich kann nicht mitgehen, wirklich’ In der üblichen Verschriftung sähe dieser Text (bei bis auf die Längung des oben umgangssprachlich verkürzten honto (→ hontoˆ) gleichbleibender Transkription) so aus:

Anzumerken ist im übrigen ⫺ hier zeigt sich im Ansatz die Palette (auch) schriftvermittelt sprachschöpferischer Möglichkeiten ⫺, daß derselbe Text bei Verschriftung des ikenai nicht mit , sondern einer bloßen Kanafolge ( , ) statt des oben gegebenen ‘Du, ich kann nicht mitgehen, wirklich’ eher im Sinne von ‘Mann, hab ich da einen Mist gebaut!’ zu übersetzen wäre. 1.3. Lateinbuchstaben und Zahlzeichen Die Buchstaben des lateinischen Alphabetes (roˆmaji) fallen wegen ihrer graphischen Andersartigkeit in japanischen Texten besonders auf, spielen aber quantitativ kaum eine Rolle (s. u. 4., Abb. 121.1). Abgesehen von fremdsprachlichen Zitaten, in denen naturgemäß auch Lettern anderer Alphabete vorkommen können, werden sie meistens als Majuskeln gesetzt. In aller Regel handelt es sich um Abkürzungen, vor allem aus dem Technik- und Computerbereich (CD, ROM, 4WD < four wheel drive ‘Allradantrieb’ etc.) und der Sportberichterstattung (z. B. V <

victory); hinzu kommen Produktbezeichnungen ( ‘Ripobitan D’ (Stärkungsgetränk), Kürzel für Eigennamen (KDD < Kokusai Denshin Denwa Co. Ltd. (Telefongesellschaft); JR < Japan Railways) sowie eine größere Zahl auch international üblicher Abkürzungen wie „NASA, UFO, AM/FM, a. m./p. m.“ etc. Zu den geläufigsten Kürzeln gehören (< audio-visual oder adult video), (< background music), (auch cc: ccm, cm3), (< commercial ‘Werbesendung’), (< Japanese Industrial Standard), (< kabushiki kaisha ‘Aktiengesellschaft’), NHK (< Nippon Hoˆsoˆ-Kyoˆkai (halbstaatliche japanische Funk- und Fernsehanstalt), OB (< old boy ‘ehemaliger Absolvent’ oder ‘älterer bzw. ehemaliger Angehöriger einer Firma’ etc.), OL (< office lady ‘Büroangestellte’), PTA (< parents-teachers association ‘Schulpflegschaft’), Q & A (< question and answer), 2DK (2 Zimmer mit dining kitchen), TV (< television), VS (< versus; auch: vs.) AV BGM CC CM JIS KK

Typische Verwendungsbeispiele sind (aus Schlagzeilen der Asahi shimbun vom 9. 8. 1991): Shimizu Higashi-ga bui ‘Sieg für Shimizu Higashi’ Nokori nifun efu-kei ‘Freistoß (FK < free kick) zwei Minuten vor Spielende’ Ei-Tıˆ-sha ‘Automatikfahrzeug’ Daneben wird die wegen ihrer Fremdartigkeit häufig als Blickfang (in der Werbung) oder als äußeres Zeichen tatsächlicher oder vermeintlicher Modernität bzw. Internationalität eingesetzte Lateinschrift (z. B. in Zeitschriftentiteln wie Focus, Friday, Adole etc.) natürlich auch innerhalb Japans zu Transkriptionszwecken genutzt, in der alltäglichsten Form vor allem auf Verkehrs- und Hinweisschildern. Hier stehen das nach dem amerikanischen Missionar James Curtis Hep-

1422 burn (1825⫺1911) benannte, auf phonetischer Grundlage beruhende und orthographisch an das Englische angelehnte „Hepburn-System“ (Hebonshiki roˆmaji) ⫺ entwikkelt in den ersten Auflagen seines Japanese and English Dictionary (1867, 1872), in der in Zusammenarbeit mit anderen Wissenschaftlern verfeinerten Form erstmals durchgängig angewandt in der dritten Auflage 1886 ⫺ sowie zwei sich an der Systematik der japanischen „Fünfzig-Laute-Tafel“ (gojuˆonzu) orientierende, als phonemische Transliterationen anzusehende Systeme zur Verfügung. Es handelt sich um die 1886 unter der Federführung von Tanakadate Aikitsu (1856⫺ 1952) entworfene, als Nipponshiki roˆmaji (bzw. in der betreffenden Umschrift Nipponsiki roˆmazi; ‘Japanisches System’) bekannte Umschrift sowie deren in einigen Punkten modifizierte, 1937 von der japanischen Regierung als „offizielles System“ (kokuteishiki roˆmaji) zugelassenen Variante (meist als kunreishiki roˆmaji ‘Lateinumschrift gemäß Kabinettsorder’ bezeichnet). Das Kunrei-System wurde im Dezember 1954 erneut von der Regierung festgeschrieben, versehen allerdings mit einer Zusatztabelle, die für den internationalen Verkehr auch die abweichenden Transkriptionen der Hepburn- und NipponSysteme zuließ. Tab. 121.7 zeigt die gängigen Umschriftsysteme auf einen Blick. Vom Kunrei-System divergierende Transkriptionen der Nippon-Umschrift erscheinen kursiviert. In der nichtwissenschaftlichen Literatur und im Alltag tauchen nicht selten Mischformen der genannten Systeme auf. Häufig anzutreffen ist auch die Darstellung von Langvokalen durch Doppelsetzung (Tookyoo statt ⫺ Hepburn, Nipponshiki und Kunreishiki ⫺ Toˆkyoˆ; entsprechend aˆ, ˆı, uˆ, eˆ) oder auch, vor allem in Eigennamen, Dehnungsh (Satoh). Der in den Nippon- und KunreiUmschriften stets als n erscheinende Silbenschlußnasal wird im Hepburn-System vor den Bilabialen p, b und m mittels m wiedergegeben (also shimbun ‘Zeitung’ statt *shinbun bzw. sinbun). Das in der vorliegenden Darstellung benutzte, in Japan auch als hyoˆjunshiki roˆmaji ‘Standardumschrift’ bezeichnete Hepburn-System, das auch nicht mit der Sprache Vertrauten eine annähernd richtige Aussprache des Japanischen erlaubt, findet international nach wie vor die häufigste Verwendung. An Zahlzeichen werden neben den entsprechenden sinojapanischen Zeichen regelmäßig

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

die arabischen Ziffern von 0 bis 9 eingesetzt, vor allem zur Wiedergabe mathematischer Zahlenwerte, aber auch bei kalendarischen Angaben ( ‘11. 8. 1991’) oder zu Zwecken der Paginierung. Die lateinischen Zahlzeichen (I, V, X, L, C, D, M) dagegen finden allenfalls bei Aufzählungen und Numerierungen Verwendung. In dieser Funktion sowie zur Gestaltung von Produktnamen finden sich gelegentlich auch Buchstaben des griechischen Alphabetes. 1.4. Interpunktionszeichen An Interpunktionszeichen kann in japanischen Texten neben den üblichen satzgliedernden (Komma, Punkt, einfache und doppelte Anführungszeichen) die ganze Palette der in europäischen Schriften geläufigen Satzzeichen eingesetzt werden, einschließlich von Frage- und Ausrufezeichen (?!) ⫺ die allerdings aufgrund der Existenz funktionell äquivalenter Satzschlußpartikeln wie und (ka, yo) eher selten verwendet werden ⫺, Gedankenstrich (⫺), Klammern, Auslassungspunkten (…) etc. Doppelpunkt und Semikolon werden jedoch kaum benutzt. Die japanischen Kommata und Punkte können auch in europäischer Manier gegeben werden („ , “ und „ . “ statt „ “ und „ “), ebenso die Anführungszeichen. Die oben als doppelte Anführungszeichen vorgestellten übernehmen zudem entsprechend der im Deutschen üblichen Kursivierung die Aufgabe der Auszeichnung, etwa bei Buchtiteln ( ‘Dostojewskis Schuld und Sühne’). Zum Inventar der Interpunktionszeichen gehören ferner der Trennpunkt (nakaten) shigaretto-keˆsu ‘Zigarettenetui’ heisei 3⫺8⫺11 ‘11. 8. 1991’, zwecks Emphase oder besonderer Auszeichnung neben oder über Kanji oder Kana gesetzte Kommata sowie eine Reihe von Wiederholungszeichen ( ), von denen in modernen Texten allerdings regelmäßig nur noch das zur Wiederholung eines Kanji ( hitobito ‘Menschen, Leute’; kuniguni ‘Länder’) dienende verwendet wird. Liedzitaten schließlich bzw. zu singenden Textteilen wird ein vorangestellt. ⫺ Feste Regeln der Zeichensetzung existieren nicht; lediglich der Punkt hat stets satzschließende Funktion.

1423

121. Das japanische Schriftsystem Tab. 121.7: Transkriptionssysteme Hiragana

Hepburn

Kunreishiki/Nipponshiki

a

i

u

e

o

a

i

u

e

o

ka

ki

ku

ke

ko

ka

ki

ku

ke

ko

sa

shi

su

se

so

sa

si

su

se

so

ta

chi

tsu

te

to

ta

ti

tu

te

to

na

ni

nu

ne

no

na

ni

nu

ne

no

ha

hi

fu

he

ho

ha

hi

hu

he

ho

ma

mi

mu

me

mo

ma

mi

mu

me

mo

yo

ya

ro

ra

(w)o

wa

o

n

wo

ya ra

yu ri

ru

re

wa n

2.

yu ri

ru

yo re

ro

ga

gi

gu

ge

go

ga

gi

gu

ge

go

za

ji

zu

ze

zo

za

zi

zu

ze

zo

da

ji

zu

de

do

da

zi

zu

de

do

di

du

ba

bi

bu

be

bo

ba

bi

bu

be

bo

pa

pi

pu

pe

po

pa

pi

pu

pe

po

kya

kyu

kyo

kya

kyu

kyo

sha

shu

sho

sya

syu

syo

cha

chu

cho

tya

tyu

tyo

nya

nyu

nyo

nya

nyu

nyo

hya

hyu

hyo

hya

hyu

hyo

mya

myu

myo

mya

myu

myo

rya

ryu

ryo

rya

ryu

ryo

gya

gyu

gyo

gya

gyu

gyo

ja

ju

jo

zya

zyu

zyo

ja

ju

jo

zya

zyu

zyo

dya

dyu

dyo

bya

byu

byo

bya

byu

byo

pya

pyu

pyo

pya

pyu

pyo

Schreibrichtung

Traditionell werden die Einheiten geschriebener Texte untereinander und spaltenweise gesetzt, mit von rechts nach links verlaufender Spaltenführung. Seit der Meijizeit (1868⫺ 1912) hat sich allerdings aufgrund der ver-

stärkten Integration fremdsprachlicher, mit den Buchstaben des lateinischen Alphabetes verschrifteter Elemente und besonders der Übernahme der arabischen Ziffern in vielen Bereichen die Schreibung von links nach rechts in horizontaler Zeilenanordnung durchgesetzt. Letzte Bastionen der Vertikal-

1424

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

schreibung sind Zeitungen, Zeitschriften und literarische Werke. Auch hier finden sich jedoch horizontal gehaltene Einsprengsel, in Tageszeitungen zum Beispiel regelmäßig die Fernseh- und Rundfunkkolumnen, die Aktien- und Kursnotierungen sowie ein Teil der Überschriften (auch über vertikal gehaltenen Artikeln). Kleinanzeigen bieten ein gemischtes Bild. Gelegentlich ist auch die Schreibrichtung von rechts nach links anzutreffen, vor allem auf Schildern und Fahrzeugen: (statt musen takushıˆ ‘Funktaxi’

)

Diese Fälle werden allerdings oft im Rahmen der traditionellen Vertikalschreibung interpretiert ⫺ Spaltenführung von rechts nach links mit je einem Zeichen pro Spalte (vgl. Satake 1989, 1717).

3.

Textgestaltung und Orthographie

Orthographische Regeln bzw. feste Konventionen existieren lediglich für die die Kanji begleitenden Kana-Schreibungen zur Darstellung morphologischer Elemente (okurigana). Dies gilt im strengen Sinne jedoch nur für die in der Liste der Standardschriftzeichen festgeschriebenen Zeichen und Lesungen (also /hana. su/ ‘sprechen’, nicht /ha. nasu/). Aber auch hier werden Abweichungen toleriert (etwa /oko. nau/ gegenüber dem offiziellen /okona. u/ ‘durchführen’). Nicht festgelegt ist insbesondere, welche sprachlichen Einheiten mit Einheiten welchen (Sub)Systems wiederzugeben sind. Kanji etwa werden zur Verschriftung nicht nur sinojapanischer, sondern, wie wir gesehen haben, auch reinjapanischer Lexeme (oder Teilen solcher Lexeme) herangezogen; umgekehrt können sinojapanische Einheiten qua Hiragana oder Katakana dargestellt werden, ebenso natürlich der reinjapanische Wortschatz, und selbst in dem von den Katakana dominierten Bereich der Fremd- und Lehnwörter okzidentaler Herkunft finden sich neben Kanjischreibungen ( /tabako/ ‘Tabak, Zigaretten’; /garasu/ ‘Glas’) bisweilen auch Hiragana (etwa im Titel der allabendlichen Asahi shimbunKolumne /nyuˆsu-raunji/ < news lounge). Dieser Spielraum führt zu einer Vielfalt von Verschriftungsmöglichkeiten, wobei neben individuellen Eigenheiten der Autoren natürlich auch Textsortenspezifika

eine Rolle spielen. Je nach Kanji- und Kanamengenanteilen zeigt sich der typische Mischstil deshalb auch rein graphisch in durchaus unterschiedlichem Gewand. Abb. 121.1 gibt eine literarische (Murakami), eine wissenschaftliche (Kinda’ichi/Hayashi/Shibata) und eine Zeitungstextprobe (Asahi shimbun). Der für die graphische Dichte eines Textes entscheidende Anteil sinojapanischer Schriftzeichen hat dabei während der letzten hundert Jahre einen stetigen Schwund erfahren. Während die Ausgaben der Yuˆbin Hoˆchi shimbun des Jahres 1877⫺1878 im Durchschnitt noch 58,7% Kanji enthielten, wurden 1955 für die drei großen Tageszeitungen Asahi, Mainichi und Yomiuri shimbun nur noch 46,6% registriert, ein Anteil, der in den Jahren bis 1966 dann auf 38,7 Kanji pro hundert Zeichen Text sank (Miyajima et al. 1987, 211). Bei Wochen- und Monatsschriften liegen die Zahlen noch niedriger. Nomura Masaaki ermittelte 1980 in einer Stichprobenuntersuchung von 27 solcher Zeitschriften einen durchschnittlichen Wert von 29,9%, Satake Hideo 1982 für ein Corpus von 63 Zeitschriften 26,52%. Bei literarischen Texten liegt das Kanji-Niveau, wie Miyajima Tatsuo in einer Auszählung der 94 zwischen 1935 und 1985 mit dem renommierten Akutagawa-Preis ausgezeichneten Romane und Erzählungen errechnet hat, seit Mitte der fünfziger Jahre bei knapp über 26 (1956⫺1965) bzw. höchstens 28,5 Schriftzeichen (1966⫺1970) pro ⫺ exclusive Interpunktion ⫺ hundert Zeichen Text (Miyajima 1988, 54). Für den 1987 erschienenen, knapp 300.000 diskrete Einheiten umfassenden Millionenseller Norway-no mori sind 21,48% (ohne Berücksichtigung der Interpunktionszeichen: 23,21%) Kanji dokumentiert (Stalph 1990). Gegenwärtig bewegt sich das Niveau je nach Textart zwischen grob 25 und 42% (vgl. Kaiho 1987, 70), wobei die von Hayashi Kunio (1986, 110) für die Journalistik als Maß der Ausgewogenheit genannten dreißig Prozent Kanji in politisch oder ökonomisch ausgerichteten Zeitschriften wie etwa Asahi Jaˆnaru oder Ekonomisuto stets überschritten und in sich vornehmlich an eine jüngere Leserschaft wendenden Frauen- und Männermagazinen wie an-an oder Shuˆkan Pureˆboˆi („Playboy“) stets unterschritten werden (Nomura 1980, 219). Tab. 121.8 gibt die prozentualen Kanji- und Kanamengenanteile der genannten Zeitschriftenuntersuchungen Nomuras (A) und Satakes (B) sowie die für Murakamis Roman Norway-no mori ermittelten Werte. (Die Ru-

121. Das japanische Schriftsystem

1425

(aus: Asahi shimbun vom 17. 11. 1994)

(aus: Murakami 1991, Bd. 1, 7)

(aus: Kinda’ichi/Hayashi/Shibata 1988, 83) Abb. 121.1: Kanji-Kana-Mischtexte

brik „Sonstige“ gibt bei Nomura und Satake zusammenfassend den Anteil an Interpunktionszeichen, lateinischen Buchstaben und arabischen Ziffern.) Das quantitative Gerüst japanischer Texte bilden, wie diese Zahlen und die in Abb. 121.1 gezeigten Textproben

belegen, die Hiragana, die auch für sich zur Verschriftung ganzer Texte eingesetzt werden können und werden, vornehmlich in der Kinderliteratur. In diesen Fällen verlieren sie allerdings naturgemäß ihre nur in der Kombination mit anderen Schriftarten, sprich

1426

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Tab. 121.8: Schriftartendistribution in Zeitschriften und in Murakamis Roman Norway-no mori

Kanji Hiragana Katakana Lateinschrift u. arab. Ziffern Interpunktion Sonstige Gesamt

A

B

Norway

29,9% 50,1 9,6

26,52% 57,29 6,95

21,48% 65,83 5,13

⫺ ⫺ 10,4

⫺ ⫺ 9,23

0,12 7,44 ⫺

100

99,99

100

Kanji und Katakana, gegebene graphisch distinguierende Kraft, so daß in solchen Texten regelmäßig auf das im üblichen Mischstil nicht notwendige und deshalb nicht anzutreffende Mittel der Spationierung zurückgegriffen wird:

Im Kanji-Kana-Mischstil sähe dieser Text (Iwasaki & Tachihara 1987, 3) etwa folgendermaßen aus:

Hayashi, Kunio. 1986. Jaˆnarizumu-no naka-no kanji [Sinojapanische Schriftzeichen im Journalismus]. In: Kida, Jun’ichiroˆ (ed.): Dai Kan-Wa jiteno yomu. Toˆkyoˆ, 107⫺120. ˆ ki. 1977. Kanji-no mondai [Probleme Hayashi, O ˆ no, Suder sinojapanischen Schriftzeichen]. In: O sumu & Shibata, Takeshi (ed.): Iwanami koˆza nihongo 3: Kokugo kokuji mondai. Toˆkyoˆ, 101⫺ 134. Hida, Yoshifumi & Sugawara, Yoshizoˆ (ed.). 1990. Kokuji-no jiten [Lexikon in Japan geprägter ‘chinesischer’ Schriftzeichen]. Toˆkyoˆ. Ishiwata, Toshio. 1991. Koseki-to moji [Schriftzeichen und amtliche Register]. In: Gengo (Toˆkyoˆ) 3, 36⫺37. Iwasaki, Chihiro & Tachihara, Erika. 1987. Iwasaki Chihiro o-hanashi ehon, haru: Tampopo-no sarada hoka yonwa [Bilderbuch: Der Löwenzahnsalat und vier weitere Geschichten]. Toˆkyoˆ. Kaiho, Hiroyuki. 1987. Nihongo hyoˆki koˆdoˆ-no ninchi-shinrigaku-teki bunseki [Wahrnehmungspsychologische Analyse des Schreibverhaltens im Japanischen]. In: Nihongogaku (Toˆkyoˆ) 8, 65⫺71. ˆ ki & Shibata, Kinda’ichi, Haruhiko, Hayashi, O Takeshi (ed.). 1988. Nihongo hyakka daijiten. An Encyclopaedia of the Japanese Language. Toˆkyoˆ. Kokuritsu kokugo kenkyuˆjo (ed.). 1962⫺1964. Kokuritsu kokugo kenkyuˆjo hoˆkoku 21, 22, 23: Gendai zasshi kyuˆjisshu-no yoˆgo yoˆji. Vocabulary and Chinese characters in ninety magazines of today (⫽ engl. Nebentitel). 3 Bde. Toˆkyoˆ. ⫺. (ed.). 1976. Kokuritsu kokugo kenkyuˆjo hoˆkoku 56: Gendai shimbun-no kanji [Sinojapanische Schriftzeichen in heutigen Tageszeitungen]. Toˆkyoˆ. Küenburg, Max. 1952. Toˆyoˆ Kanji ⫺ The Story of Modern Japanese Characters. In: Monumenta Nipponica (Toˆkyoˆ) 8, 230⫺238.

4.

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Jürgen Stalph, Toˆkyoˆ (Japan)

1428

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

122. The Devanagari Writing System 1. 2. 3. 4.

1.

The name of the Devanagari script Historical aspects The Devanagari writing system References

The name of the script

Devana¯garı¯ is the writing system commonly adopted throughout India to transcribe Sanskrit. In view of prevalent multi-lingualism in India, the Devana¯garı¯ system of writing can claim to be pan-Indian in a very restricted sense. However, being the accepted mode of transcription of Sanskrit it certainly enjoys much prestige both inside and outside the country. Despite this element of “prestige” Devana¯garı¯ is a descriptive title of very late and obscure origin. So far as it can be ascertained the term was first adapted in its current connotation by the 19th century Bengali educationist and writer Bhudeva Chandra Mukhopadhyay to differentiate it from the system of writing used for Hindi and certain other neighbouring languages. Various attempts have been made by scholars to etymologise and thus explain the term Devana¯garı¯. The offered explanations veer round the relationship between the words deva and nagari showing the nature of the problem as also the ingenuity of the scholars in finding a solution to the problem: (a) Na¯garı¯ as practised in the divine (deva) town; (b) Na¯garı¯ as was current in the town of Deva ⫺ a town of extremely doubtful historicity and (c) Na¯garı¯ script as is used for the transcription of Sanskrit which is traditionally thought to be the deva-bha¯søa¯ i. e., ‘the language of the gods’, hence the modifier deva. The name Devana¯garı¯ which undoubtedly is a good example of a folk-etymologically back formed compound on the semantic level has, however, come to stay and for good. The name Na¯garı¯ remains shrouded with obscurity. The most obvious suggestion is to derive it from the Sanskrit word nagara meaning ‘city, town’. As a feminine derivative adjective it means something like ‘relating or belonging to a town or city’. It also means ‘spoken in a town’ as is seen from the name of a particular dialect of Apabhram ø s´a, the late and final stage of Middle Indo-Aryan, namely Na¯gara Apabhram ø s´a. Hence Na¯garı¯ as a system of writing strictly means ‘writing

system current in towns in general or in a particular town’. It might have been used to distinguish between the cultivated or stylized (hence urbane?) variety of writing from other varieties of writing current at that time. According to Indian tradition the term Na¯garı¯ is derived from Na¯galipi, i. e. the writing system of the Na¯gas, i. e., the snakes or snake demons. Writing was considered to be either god-given or a gift of a superior intellect. The generally accepted view on the origin of the term Na¯garı¯ is that it was the variety of writing used by a particular Brahmin sect called Na¯gara Brahmins of ancient Gurjara (modern Gujarat). These Brahmins enjoyed wide reputation due to their excellence in book-keeping and accountancy. Consequently the mode of writing cultivated by them gradually became popular over the greater part of the country. During the regency of the Gupta emperors Na¯garı¯ had developed two distinctly different styles ⫺ one northern and the other southern. The difference between the two varieties is most clearly reflected by the character of m. By the 10th Century A. D. the northern variety was further subdivided into two groups ⫺ western and eastern. The two varieties are chiefly distinguished by the characters sa, la and ha. The eastern variety in course of time became the source of Bengali and other related scripts, whereas the western variety is the ultimate source of Devana¯garı¯.

2.

Historical aspects

The history of writing in India, however, does not begin with Na¯garı¯. It has a longer history (→ art. 24). The writing systems current in India before Na¯garı¯ and other related systems developed are Bra¯hmı¯ (or Brahma¯) and Kharosøtøhi. Both the varieties date back from the time of Asoka (2nd⫺3rd Century B. C.). The genesis of Kharosøtøhi (derived from Kharosøtøha ‘the ass-lip’) is universally accepted. It is a development of the Aramaic script. The origin of Bra¯hmı¯ script is more controversial. 2.1. The name Bra¯hmı¯ indicates clearly that it is connected with the Sanskrit word Brahma¯ ⫺ the Supreme god in Indian tradition. The different views concerning the ori-

1429

122. The Devanagari Writing System

gin of this writing system fall broadly into two groups. One view is that it is of indigenous origin while the other view claims that it is of foreign importation. Now it is an established fact that Bra¯hmı¯ (and for that matter Kharosøtøhi also) is certainly not the oldest system of writing current in ancient India. The seals written in the undeciphered script of Mohenjodaro and Harappa (→ fig. 24.1 in art. 24) offer us the most archaic specimens of writing current in Indo-Pakistan subcontinent. At the same time it must also be borne in mind that any theory which seeks to trace the origin and development of Bra¯hmı¯ from the Harappan script must be considered with the utmost caution and circumspection because of the inherent weakness of seeking to explain an obscure fact with facts which are still more opaque (→ art. 24). At the same time it must also be noted that the recent archaeological excavations prove that the Harappan culture has spread over a vast geographical tract both in the Eastern as well as in Southern directions. Moreover, according to Indian tradition as coded in early Jain and Buddhist texts many varieties of writing were current in ancient India. Alberuni, sobriquet of Abu Rihan the Arab traveller of the 8th Century A. D. also makes a similar statement in his account. Ancient Indian grammatical studies, particularly the study of phonetics, reached such a degree of finesse that it is hardly conceivable to have been made possible without the help of some kind of writing. 2.2. The other view which advocates external origin of the Bra¯hmı¯ script differs radically on the precise place of origin of the script. The different views can be classed in the following manner. a) b) c) d)

Greek origin Semitic origin Phoenician origin Cuneiform origin

Princep, Senart Jones Weber, Bühler Rhys Davids.

These different views are discussed in detail by Diringer (1953, 334⫺337). Considering the problems from all angles one feels inclined to accept the conclusion arrived at by Diringer: (i) Bra¯hmı¯ is not of indigenous origin and (ii) representation of vowel and consonant sounds by symbols was probably of West Asiatic origin. Despite Diringer’s objection to the Phoenicia origin of Bra¯hmı¯ one

cannot but be impressed by the remarkable similarity between some Phoenician and Bra¯hmı¯ characters (→ fig. 24.3). 2.3. Bra¯hmı¯ which originally might have been written from right to left or more precisely in boustrophedon dates back from the third century B. C. In course of time Bra¯hmı¯ developed several regional varieties which are labelled: (i) early Maurya type, (ii) early Kalinga type, (iii) Andhra type, (iv) late Maurya type, (v) Sunga type, (vi) proto type of the South Indian script and (vii) proto type of the North Indian Script. 2.4. Bra¯hmı¯ was characterised by the feature that the medial and final a had no specific grapheme. It was inherent in the consonant. Thus the symbol for a was but (⫽ ka) (⫽ ta) (pa) etc. Other vowels in non-initial position could be diacritically represented by special little strokes e. g. (⫽ka) but (⫽ ka¯ ⫽ ki ) (⫽ ¯ı ) etc. Nasalization is expressed by a dot placed above or next to the symbol. Asokan Bra¯hmı¯ script:

3.

a

i

u

ka

kha

ga

gha

ca tøa ta pa ya

cha tøha tha pha ra

ja dø a da ba

jha dø ha dha bha

la

e

va

o

sa

a¯ n˙a n˘a nø a na ma ha

The Devanagari writing system

The Devana¯garı¯ writing system is ultimately an off-shoot of the north Indian variety of the Bra¯hmı¯ script of undetermined origin. 3.1. Devana¯garı¯ is characterised like Bra¯hmı¯ by the non-indication of the medial and final a vowel. The vowels which are 13 in number have two separate orthographic symbols ⫺ one for the initial representation and the other for the medial and final representation. Symbols for the initial vowels are the full forms and the non-initial symbols are the clipped forms. Thus initial vowels and diphthongs are represented by the following symbols:

1430

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Vowels (i) Short a (ii) Long a¯ (iii) Diphthongs

i ¯ı ai

u u¯ au

rj e

jl o

rj¯

The signs for the non-initial vowels and diphthongs are: (⫽ a¯) (⫽ u¯) (⫽ e)

(⫽ i) (⫽ rj) (⫽ ai)

(⫽ ¯ı) (⫽ rj¯) (⫽ o)

(⫽ u) (⫽ jl) (⫽ au).

These symbols or diacritics can combine with a consonant in various ways. It may be proposed or postposed, subscripted or superscripted as the following combinations demonstrate: (⫽ (⫽ (⫽ (⫽ (⫽

ka) kı¯) krø) ke) kau)

(⫽ (⫽ (⫽ (⫽

ka¯) ku) krrj¯) ko)

(⫽ (⫽ (⫽ (⫽

ki) ku¯) klø) kai)

With (⫽ ra) u/ u¯ are written at the right hand side (⫽ ru) (⫽ ru¯). 3.2. Devana¯garı¯ has 35 consonant symbols. These are arranged strictly phonetically. 25 stop consonants are grouped according to the point of articulation ⫺ velar, palatal, cerebral, dental and labial. Each group is called a Varga. Within each group phonetic differences like voicing, unvoicing aspiration, nonaspiration are clearly indicated. Every consonant has its class nasal. Stop consonants given in table 122.1. Liquids and semivowels are called antahø stha i. e., intermediary sounds between vowels and consonants. These are: , , and . Three sibilants palatal cerebral and dental . There is a voiced velar fricative (⫽ ha). Its unvoiced variety like h in English hat,

happy is designated by two dots one above the other (:) much like the colon symbol. It is called visarga. It represents three contextual variants: (i) jihva¯mulı¯ya i. e. formed at the root of the tongue when it occurs before k sound e. g., tatahø kim ⫽ tatax-kin, (ii) upadhma¯nı¯ya i. e. on breathing when it occurs before voiceless labial sounds e. g., punahø punahø ⫽ punaFpunahø ; and (iii) visarjanaı¯ya and it occurs finally in the place of s and r e. g. ahahø < ahar (cf aharahahø ). 3.3. The 5 nasals , , , and when forming a cluster with a homorganic consonant can be represented by a superior dot (·) called anusva¯ra ‘after sound’. Thus kampita can be written either or an˙kita is either or and so on. The nasalized vowel is represented by a micro sign with a dot at the centre and it is placed on the top bar of the vowel sound e. g., (⫽ a) but 107 (⫽ a˜). A pure consonant can be represented by a small left to right slanting stroke (called vira¯ma) below the consonant. Thus represents an open syllable (⫽ aka) but a closed syllable. 3.4. In writing the Devana¯garı¯ characters the distinctive element of each letter is first written and there after the perpendicular as also the horizontal bar is written. Thus , and (⫽ ga). Consonants are subjoined to form clusters. “The general principle followed in the formation of these conjunct consonants is to drop the perpendicular and the horizontal lines except in the last letter” (Macdonell 1927, 6). Thus ⫽ (⫽ tma), (⫽ ra) when follows a consonant is indicated by a short right to left slanting line at the foot of the letter e. g., ⫹ ⫽ (⫽ tra), when, however, it precedes a consonant it is repre-

Tab. 122.1: Stop consonants Point of articulation Unvoiced Unaspirate Velar Palatal Cerebral Dental Labial

Unvoiced Aspirate

Voiced Unaspirate

Voiced Aspirate

Nasal

1431

122. The Devanagari Writing System

sented by a superscript hook (’) on the top of the letter before which it has to be pronounced. Thus ⫹ ⫽ e. g., (⫽ arka). Most of the subjoined consonants are very easily recongnisable. Only a few may pose some difficulty. Most of the common ligatures are given in a chart at the end of the article. 3.5. The apparent non-representation of the medial and final vowel e. g., (⫽ kamala) vs (⫽ kamala¯) (⫽ sagara) vs (⫽ sa¯gara) has raised a pertinent question on the nature of Devana¯garı¯ as a writing system. It is considered by many as a syllabic system. Against this view following points can be raised. (i) A pure syllabic system e. g., Hittite and Mycenaean (restricting ourselves within the IE. speech family) is incapable of repre-

senting an initial cluster. All initial clusters are to be split into a vowel ⫹ consonant or a consonant ⫹ vowel with the introduction of a redundant vowel e. g., Hittite para /pra/ Mycenaean po-ro /pro/ as against Gk. pro, Lat. pro, Gothic fra. Devana¯garı¯ can represent such initial clusters cf. Sanskrit cognate of the forms cited above. (ii) A syllabic system of writing by definition can not represent a single consonant but Devana¯garı¯ can represent a single consonant with the vira¯ma sign. (iii) Devana¯garı¯ consonant clusters show pure consonantal value of the non final element(s). Gelb (1952: 184) writes: “From the inner structural point of view the main characteristic of the alphabet is the existence of special signs for both consonants and vowels”. If this parametre is accepted there should not

Tab. 122.2: List of Devana¯garı¯ ligatures kka

kha

kca

knø a

kta

ktya

ktra

ktrya

ktva

kna

knya

kma

kya

or kra

or krya

kla

kva

kvya

or ksøa

kø sma

ksøya

ksøva

khya

khra

gya

gra

grya

ghna

ghnya

ghma

ghya

ghra

n˙ka

n˙kta

n˙ktya

n˙kya

nksøa

nø ksøva

n˙kha

n˙khya

n˙ga

n˙gya

n˙gha

n˙ghya

n˙ghra

n˙n˙a

n˙na

n˙ma

n˙ya

cca

ccha

cchra

cn˜a

cma

cya

chya

chra

jja

jjha

or jn˜a

jn˜ya

jma

jya

jra

jva

n˜ca

n˜cma

n˜cya

n˜cha

n˜ja

tøtøa

tøya

øthya

tøhra

dø ga

dø gya

dø gha

dø ghra

dø ma

dø ya

dø hya

dhra

nø tøa

nø tøha

nø dø a

nø dø ya

nø dø ra

nø dø rya

nø dø ha

nø nø a

nø ma

nø ya

nø va

tka

tkra

tta

ttya

ttra

ttva

ttha

tna

tnya

tpa

n˜jya

1432

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Tab. 122.2: continued tpra

tma

tmya

tya

or tra

trya

tva

tsa

tsna

tsnya

thya

dga

dgra

dgha

dghra

dda

ddya

ddha

dna

dva

dbha

dbhya

dma

dya

dra

drya

dva

dvya

dhna

dhnya

dhma

dhya

dhra

dhrya

dhva

nta

ntya

ntra

nda

ndra

ndha

ndhra

nna

npa

npra

nma

nya

nra

nsa

pta

ptya

pna

ppa

pma

pya

pra

pla

pva

psa

psva

bgha

bja

bda

bdha

bna

bba

bbha

bbhya

bya

bra

bva

bhna

bhya

bhra

bhva

mna

mpa

mpra

mba

mbha

mma

mya

mra

mla

mva

yya

yva

lka

lpa

lma

lya

lla

lva

lha

vna

vya

vra

vva

s´ca

s´cya

s´na

s´ya

s´ra

s´rya

s´la

s´va

s´vya

s´s´a

søtøa

søøtya

søøtra

søtørya

søtøva

søtøha

sønø a

sønø ya

søpa

søpra

søma

søya

søva

ska

skha

sta

stya

stra

stva

stha

sna

snya

spa

spha

sma

smya

sya

sra

sva

ssa

hnø a

hna

hma

hya

hra

hla

hva

be any hesitation in according alphabetic status to Devana¯garı¯. The most that can be said is that it is an alphabetic system retaining a syllabic inheritence, see table 122.2 for a list of Devanagani ligatures.

4.

References

Bühler, Georg. 1959. Indian Palaeography, India Past and Present Vol. I No. I (Reprint) Calcutta.

Dani, Ahmad H. 1963. Indian Palaeography. Oxford. Diringer, David. 1953. The Alphabet. New York. Gelb, Ignaz J. 1952. A study of Writing. Chicago. Jensen, Hans. 1970. Sign, Symbol and Script. Allen and Unwin. London. Macdonell, Arthur A. 1927. A Sanskrit Grammar for Students. Oxford.

Subhadra Kumar Sen, Calcutta (India˙)

123. Das arabische Schriftsystem

1433

123. Das arabische Schriftsystem 1. 2. 3. 4.

Zeicheninventar und Orthographie Die morphologische und lexikalische Tiefe der unpunktierten Schrift Persisch in arabischer Schrift Literatur

1.

Zeicheninventar und Orthographie

Den Grundbestand der Grapheme des modernen Hocharabisch, von dem im folgenden die Rede sein soll, bilden die 28 Buchstaben des arabischen Alphabets. Diese sind in konventioneller Reihenfolge (in Klammern das Transkriptionssymbol für den Konsonanten, dessen Name der Buchstabe jeweils trägt): « ({), » (b),   (t), À (tß), à (gˇ), Õ (hø ), Œ (h˚ ), œ (d), – (dß ), — (r), “ (z), ” (s), ‘ (sˇ), ’ (sø), ÷ (dø ), ◊ (tø), ÿ (zø ), Ÿ (|), ⁄ (g˙), · (f), ‚ (q), „ (k), ‰ (l),  (m), Ê (n), ˆ (h), Ë (w), Í (y). Die Schrift ist eine linksläufige Kursivschrift. Die Buchstaben müssen miteinander verbunden werden, wobei sie stellungsbedingte Varianten bilden. Wörter werden durch Spatien getrennt; Wörter, die nur durch einen Buchstaben repräsentiert werden, werden mit dem folgenden Wort zusammengeschrieben. Die Buchstaben *{, d, dß , r, z, w+ können nur nach rechts verbunden werden, haben also ein Minimalspatium nach sich. Eine Druckschrift, bei der alle Buchstaben durch Minimalspatien getrennt sind, gibt es aber nicht. 27 der 28 Konsonantenphoneme des Arabischen werden durch je ein Graphem repräsentiert. Kompliziert sind dagegen die Regeln zur Schreibung des Konsonanten /{/. Hierfür wird ein Zeichen * ¡+ verwendet, das entweder allein steht oder mit den Buchstaben «, Ë und Í die zusammengesetzten Grapheme *√, ≈, ƒ , Δ+ (Í dabei ohne Punkte) bildet. Die Verteilung der Grapheme richtet sich hauptsächlich nach der phonetischen Umgebung des Konsonanten, doch spielen auch morphologische Schreibprinzipien und innergraphemische Regeln eine Rolle. Da die fünf Zeichen Wörter unterscheiden können, zumal Kurzvokale i.d.R. nicht geschrieben werden, sind sie als fünf verschiedene Grapheme zu werten (z. B. „ƒU?I?, pzU?I?, „¡U?I? *lq{w¡ k, lq{y¡ k, lq{¡k+ liqa¯ {uka, liqa¯ {ika, liqa¯ { aka „dein Treffen“ Nom., Gen., Akk.). Allerdings wird das ¡ bei *√+ und *≈+ oft nicht oder nicht konsequent gesetzt. Zudem differieren die Regeln von Land zu Land, oft sogar von Text zu Text z. T. recht erheblich. ⫺ Zu den 28 Buchsta-

ben des Alphabets, die alle als Grapheme zu werten sind und den bis zu fünf Graphemen zur /{/-Schreibung kommt das Graphem *…+, das das Phonem /t/ in seiner Funktion als Femininendung wiedergibt. Bei 25 der 28 Buchstaben des Alphabets besteht ein 1:1 Verhältnis zwischen Graphem und Phonem. Drei Buchstaben sind mehrdeutig: *w+ bezeichnet /u¯/ und /w/; *y+ steht für /ı¯/ und /y/, am Wortende auch für /a¯/ (besonders bei Wörtern, die anderswo im Paradigma /y/ statt /a¯/ haben; in einigen graphischen Dialekten wird zwischen *Í+ für /ı¯, y/ und *È+ für /a¯/ unterschieden, wodurch sich die Zahl der Grapheme noch um eines erhöht); *{+ bezeichnet /a¯/ und /?/ (wo nicht zwischen *«, √ und ≈+ unterschieden wird), es bezeichnet außerdem die Akkusativendung /an/ indeterminierter Nomina, die nicht auf /a¯{/, *«+ oder *…+ enden, und steht schließlich immer nach Verbalendung auf *w+, wo es keine lautliche Entsprechung hat. Soweit ist die arabische Orthographie, was die Repräsentation der Konsonanten- und Langvokalphoneme betrifft, phonemisch relativ flach. Hinzu kommen aber, außer den bereits genannten, noch folgende morphologische Schreibprinzipien: (a) Nichtmorphemische Konsonantenassimi lation wird nicht bezeichnet: [gˇamb] ( gˇnb) → V?M?ł *gˇnb+, die Assimilation des Reflexivinfixes /-t-/ allerdings schon. (b) Die wenigen arabischen Wörter, die mit Doppelkonsonanz anlauten, erhalten am Anfang einer Sprechperiode einen nichtmorphemischen Hilfsvokal, dem seinerseits wieder ein ebenfalls nichtmorphemischer Glottalverschluß vorausgeht. Dieser mit dem Phonem /{/ identische Laut wird stets geschrieben, auch dann, wenn er im Sprechkontext wegfällt. Jedes Wort wird so behandelt, als stünde es allein. (c) Das /l/ des bestimmten Artikels {{ al} assimiliert sich vollständig dem ersten Konsonanten des durch ihn determinierten Nomens (mit dem der Artikel immer zusammengeschrieben wird), wenn dieser ein Dental, Interdental, Sibilant oder Liquidlaut ist. Da es sich mit der Silbe [{ a] wie mit den in (b) geschilderten Fällen verhält, fällt auch diese im Sprechkontext weg. Wenn somit das Determinationsmorphem oft nur aus der Längung des wortanlautenden Konsonanten besteht, wird es doch stets *{l+ geschrieben, z. B.

1434

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

{ alqamaru wa-sˇsˇamsu „der Mond und die Sonne“ → f?L?A?«Ë d?L?I?« *{lqmr w{lsˇms+. (d) Auslautkürzungen und Assimilationen im Sandhi werden in der Schrift nicht berücksichtigt (Ausnahmen vgl. Diem 1983). (e) Auf Einzelwörter beschränkte Ausnahmen von diesen Regeln betreffen fast ausschließlich die Vokalschreibung. Insbesondere wird in einigen wenigen Wörtern der Langvokal / a¯/ nicht mit Grundgraphem geschrieben. Da es sich dabei zumeist um Demonstrativpronomina handelt, stehen viele dieser Wörter wiederum zueinander in paradigmatischer Relation. Weitere Fälle bei Diem (1982). Das hervorstechendste Charakteristikum der auf den Konsonantenalphabeten beruhenden rezenten Schriftsysteme (neben dem Arabischen ist noch das Neuhebräische ⫺ Ivrit ⫺ und das Neuostaramäische zu nennen) ist das Vorhandensein weiterer Schriftzeichen, deren Verwendung nicht obligatorisch ist, die aber trotzdem (und trotz der Tatsache, daß sie nicht alleinstehen können, sondern stets über oder unter ein Grundgraphem gesetzt werden müssen) als Grapheme gelten müssen. Es sind dies die Zeichen für die drei Kurzvokale des Arabischen, das Zeichen für Vokallosigkeit und das für Konsonantenlängung. Wir transkribieren *a+, *i+, *u+, *ø+, *:+. Im Unterschied zu den Grundgraphemen nennen wir diese Zeichen „Fakultativgrapheme“. Einen mit Fakultativgraphemen versehenen Text nennen wir „punktiert“ (in Anlehnung an den hebraistischen Sprachgebrauch; der vielgebrauchte Ausdruck „vokalisiert“ ist unzutreffend, da zum einen *:+ ein den Konsonantismus betreffendes phonemisches Reihenmerkmal bezeichnet, zum anderen die Langvokale durch Grundgrapheme geschrieben werden). Das unter (c) gegebene Beispiel ergibt in punktierter Graphie: Ôf?ÚL?]A?ÚÏ« ÓË Ôd?ÓL?ÓI?Ú√ *{aløqamaru wa{lsˇ:amøsu+. ⫺ Wenn die Grapheme *{, w, y+ einen Langvokal bezeichnen, wird das Fakultativgraphem für den in der Qualität entsprechenden Kurzvokal darübergesetzt. Die Endungen /-un, -in, -an/ indeterminierter Nomina werden durch Doppelsetzung des entsprechenden Kurzvokalgraphems ausgedrückt (*an+ ggf. in Verbindung mit *{+). Es entstehen drei weitere Fakultativgrapheme: » Ô U²?, Ì»U²?, UÐÎ U²? *kita? bun, kita{ bin, kita{ ba{+ kita¯bun, -in, -an „ein Buch“ (Nom., Gen., Akk.). Schließlich steht noch ein weiteres Fakultativgraphem zur Verfügung, mit dem der Vokal /a¯/ in jenen Fällen bezeichnet werden kann, in denen er nicht mit Grundgraphem geschrieben wird.

In punktierter arabischer Schrift werden somit alle Phoneme ausnahmslos und eindeutig repräsentiert.

2.

Die morphologische und lexikalische Tiefe der unpunktierten Schrift

Vollständig punktierte Texte gibt es aber kaum, sieht man von klassischen (bes. Koran) und metagraphischen Texten (Fibeln) ab. Häufiger sind leicht punktierte Texte, in denen etwa durchgängig *an+, gelegentlich *:+ und vielleicht noch hin und wieder ein Kurzvokalgraphem gesetzt wird. Stärkere Verwendung der Punktation findet sich selten und dient dann (a) als Hilfe zum Verständnis sprachlich überdurchschnittlich komplexer Texte (Poesie), (b) zu pädagogischen Zwekken (der Leser soll den Text ⫺ etwa die Ausgabe eines modernen Klassikers ⫺ in von Dialektinterferenzen freiem Hocharabisch lesen) und (c) zu ästhetischen Zwecken (Werbeanzeigen in Magazinen, wo die Artikel selbst unpunktiert sind; Buchtitel; Firmenschilder etc.). Die weitaus meisten Texte sind aber unpunktiert. Hier, wo mehr als ein Viertel aller Phoneme in der Schrift unausgedrückt bleibt, muß der Leser auf tiefere grammatische Ebenen rekurrieren. Zunächst ist festzustellen, daß mehr als ein Viertel der in der Schrift nicht bezeichneten Phoneme auf Wortendungen entfallen, die syntaktisch determiniert sind und somit eindeutig ergänzt werden können und in weniger formellen Sprechsituationen ohnehin weggelassen werden. Hinzu kommt, daß durch die Silbenstruktur des Arabischen (Kv, KvK, Kv¯, am Wortende bei Abfall der Endungen evtl. KvKK, Kv¯K, letzteres selten auch im Innern) die Verteilung von Kurzvokalphonemen zu einem gewissen Grad vorhersehbar ist. Ein arabisches Nomen oder Verbum läßt sich analysieren als Einheit aus einer (meist dreikonsonantigen) Wurzel und einem Morphemtyp, durch welchen, neben eventuellen Prä- und Suffixen, die Verteilung der Vokale festgelegt wird. So folgen etwa die Nomina »U²? kita  ¯ b „Buch“ ( ktb) und ÊUM?Ž |ina¯n „Zügel“ ( |nn) demselben Morphemtyp KiKa¯K. Wenn nun aufgrund der Grundgrapheme eines Wortes ersichtlich wird, welchem Morphemtyp das Wort angehört, steht auch dessen Vokalisierung fest. So kann etwa »U²?J?²?Ý«  *{stkt{b+ ( ktb) nur {istikta¯b entsprechen, weil sich kein anderer Morphemtyp als

Ô

123. Das arabische Schriftsystem

{istiKtiKKa¯K mit dieser Graphemkette in Einklang bringen läßt. Eine solche Eindeutigkeit ist aber die Ausnahme. So könnten die Schreibungen *kt{b+ und *|n{n+ unserer beiden Beispielwörter insgesamt je sechs verschiedenen Morphemtypen zugeordnet werden (außer KiKa¯K noch KaKa¯K, KuKa¯K, KiK:a¯K, KaK:a¯K und KuK:a¯K). Natürlich gibt es zu keiner Wurzel alle sechs Bildungen, doch kann *kt{ b+ auch kutta¯b „Sekretäre“ und *|n{n+ auch | ana¯n „Wolken“ repräsentieren. Bei Wörtern ohne Langvokal ist die Ambiguität noch höher. So kann r?K?Ý *slm+ theoretisch 16 verschiedenen nominalen und sechs verschiedenen verbalen Morphemtypen zugeordnet werden. Realisiert werden davon immerhin sieben: salm und silm „Friede“, salam „Akazie“, sullam „Treppe“, salima „wohlbehalten sein“ und sallama „aushändigen“ mit der Passivform sullima. Die Disambiguierung muß also durch den syntaktischen und semantischen Kontext erfolgen. Vorraussetzung hierfür ist natürlich immer, daß das betreffende Wort bekannt ist, so daß der Leser letztlich doch auf die lexikalische Ebene verwiesen wird. In den obigen Beispielen werden die drei Wurzelkonsonanten stets in der Schrift ausgedrückt. Trotzdem ist es nicht richtig zu sagen, die arabische Schrift diene vor allem zur Schreibung der Wurzeln. Denn zum einen haben viele Wörter (Pronomina, Demonstrativa und andere Partikeln) gar keine analysierbare Wurzel, zum anderen werden Langvokale, Prä-, In- und Suffixe, also Bestandteile des Morphemtyps, ebenfalls geschrieben. Vor allem aber wird auch die Wurzel selbst keineswegs immer durch Grundgrapheme ausgedrückt. In den zahlreichen Fällen, wo einer der Wurzelkonsonanten (Radikale) /w/ oder /y/ ist, tritt dieser Radikal in einigen Morphemtypen als Kurzvokal in Erscheinung. Sind der zweite und der dritte Radikal identisch, tritt in vielen Formen statt dieser nur ein einziger, gelängter Konsonant auf. So wird z. B. /lam ya-rmi/ ( rmy) {nicht er-warf} geschrieben als Âd?¹ r *lm yrm+, wobei *yrm+ auch ein Wort der Wurzeln {rmm, rwm, rym, wrm, yrm, rmw} repräsentieren könnte (die ersten vier davon gibt es tatsächlich!). ⫺ So erweist sich auch hier das für die semitischen Sprachen typische Verhältnis Wurzel ⫺ Morphemtyp und damit indirekt Konsonant ⫺ Vokal als für den Disambiguierungsprozeß beim Lesen irrelevant. Mag auch die bedeutungsdifferenzierende Funktion der Vokale in den semitischen Sprachen

1435 eine andere sein als in den indogermanischen, so ist sie doch (wie schon die obigen Beispiele gezeigt haben) keinesfalls geringer. Da die Kenntnis der Morphemtypen nur bedingt, die der Wurzeln gar keine Rückschlüsse auf defektiv geschriebene Kurzvokale und Konsonantenlängen zuläßt, ist die Kenntnis der Wörter selbst vor allem anderen ausschlaggebend. Die innere Struktur der semitischen Nomina und Verben ist ein wichtiges sprachliches Merkmal. Für den Lesevorgang ist sie unerheblich, weil ein Leser die Wörter seiner Muttersprache beim Lesen nicht ableitet, sondern ihm bekannte Wörter wiedererkennt. Das Arabische schreibt also weder Wurzeln noch Morphemtypen, sondern ⫺ auf defektive Weise ⫺ Wörter. Die durch die Defektivschreibung des Arabischen entstehende Tiefe der Schrift ist also eher lexikalischer als morphologischer Natur. Der Lesevorgang läuft in der Reihenfolge Grapheme → Phoneme → Wort ab, ohne Zwischenstation bei Wurzeln und Morphemtypen zu machen. Da „the skilled reader of an alphabetically written text does not read letter by letter […] but by larger units“ (Coulmas 1989, 52) und „a morphemic […] system can be processed faster than a system operating on a cenemic level of smaller units“ (ebd.), ist es wahrscheinlich (einschlägige Untersuchungen fehlen m.W.), daß Arabisch nicht nur schneller geschrieben, sondern auch schneller gelesen werden kann als Lateinschrift. Denn die arabische Schrift ist zwar eine „cenemische“, reduziert aber die Zahl der Grapheme so weit, daß die dergestalt verkürzten Wörter leichter als Gesamtheit rezipiert werden können als dies in Schriften der Fall ist, in denen jedes Phonem durch mindestens ein Graphem repräsentiert werden muß. Dieser Vorteil wird zunichte, wenn ein Wort dem Leser unbekannt ist. Deshalb lassen sich fremdsprachige Eigennamen, die überdies oft gegen die arabische Silbenstruktur verstoßen, in arabischer Schrift nur unzureichend wiedergeben. Man behilft sich damit, auch Kurzvokale systemwidrig durch Langvokalgrapheme auszudrücken, doch variiert die Schreibung oft. So steht *{rwb{+ neben *{wrb{+ und *{wrwb{+ für „Europa“. Das arabische Schriftsystem trägt somit zur prinzipiellen Fremdwortfeindlichkeit des Arabischen bei und bestätigt die Tendenz, daß stark morphologisierte bzw. lexikalisierte Schriften Fremdwörter nur schwer integrieren können.

1436

3.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Persisch in arabischer Schrift

Daß die besondere Struktur semitischer Sprachen kein entscheidendes Kriterium für die Tauglichkeit von Schriften ist, bei denen einige Vokale meist unausgedrückt bleiben, zeigt das Persische, eine indogermanische Sprache. Das Persische kennt, wie das Arabische, sechs Vokale, von denen wiederum drei durch ambivalente Grapheme ausgedrückt werden, drei allenfalls durch Fakultativgrapheme. Silben bestehen aus Kv(K), am Wortende auch KvKK. Dies reicht aus, um, bei völlig anderer Sprachstruktur, Persisch ebenso leicht lesbar wie Arabisch zu machen, ja die Ambivalenzen sind im Persischen eher geringer als im Arabischen. So sind etwa sämtliche Verbalendungen im Persischen auch graphisch differenziert, während die arabischen Perfektendungen /-ta, -ti, -tu, -at/ nur durch *t+ repräsentiert werden. Außerdem spielt Konsonantenlängung, deren Defektivschreibung im Arabischen die Ambiguitäten gewaltig erhöht, im Persischen kaum eine Rolle. Die größten Schwierigkeiten bieten zweifellos die zahlreichen arabischen Fremdwörter, die ohne Anpassung an die persische Orthographie übernommen werden, so daß das persische Grapheminventar neun Grundgrapheme enthält, die einen im Persischen nicht vorhandenen arabischen Konsonanten wiedergeben, der im Persischen durch ein persisches Phonem substituiert wird. So gibt es im Persischen, anders als im Arabischen, für einige Konsonantenphoneme jeweils mehrere Grapheme. Das persische Schriftsystem erhält dadurch eine beachtliche zusätzliche etymologisch-lexikalische Tiefe, doch ist dieses Phänomen unabhängig vom System einer Schrift mit Fakultativgraphemen zu sehen.

Man kann also feststellen, daß sich die arabische Schrift gut zur Verschriftung von Sprachen eignet, wenn das schnelle Erkennen der Wörter gewährleistet ist. Hierfür ist Voraussetzung, daß (a) die Wörter der Sprache nicht allzu lang sind, so daß die Graphemketten übersichtlich bleiben (weshalb die Einzelbestandteile von Komposita ⫺ die es im Arabischen nicht gibt ⫺ im Persischen sinnvollerweise oft getrennt geschrieben werden), (b) nicht allzu viele Phoneme unausgedrückt bleiben (wo aber notfalls durch die Einführung neuer Grapheme Abhilfe geschaffen werden kann und auch wurde) und (c) die Silben- und Wortstruktur der zugrundeliegenden Sprache die Verteilung nichtgeschriebener Phoneme kalkulierbar macht. Für Sprachen, die diesen Voraussetzungen genügen, stellt die arabische Schrift einen guten Kompromiß zwischen den von Coulmas (1989, 44 ff) diskutierten Prinzipien Einfachheit, Eindeutigkeit und Ökonomie dar.

4.

Literatur

Coulmas, Florian. 1989. The Writing Systems of the World. Oxford. Diem, Werner. 1979. Untersuchungen zur frühen Geschichte der arabischen Orthographie. I. Die Schreibung der Vokale. In: Orientalia N. S. 48, 207⫺257. ⫺. 1982. Die Entwicklung der arabischen Orthographie. In: Grundriß der Arabischen Philologie. Bd. I: Sprachwissenschaft. Hrsg. von W. Fischer. Wiesbaden, 184⫺190. ⫺. 1983. Untersuchungen zur frühen Geschichte der arabischen Orthographie. IV. Die Schreibung der zusammenhängenden Rede. Zusammenfassung. In: Orientalia N. S. 52, 357⫺404. Fischer, Wolfdietrich. 1987. Grammatik des Klassischen Arabisch. Wiesbaden 21987.

Thomas Bauer, Erlangen (Deutschland)

1437

124. Das spanische Schriftsystem

124. Das spanische Schriftsystem 0. 1. 2.

6. 7.

Aufbau Allgemeine Charakterisierung Inkonsistenzen auf der graphischen Wortebene Zur graphischen Akzentuierung Wortübergreifende Züge Fremdwortschreibung und phonotaktische Restriktionen Entwicklungstendenzen Literatur

0.

Aufbau

3. 4. 5.

Einer allgemeinen Charakterisierung des spanischen Schriftsystems als stark oberflächenorientiert bzw. flach (1.) folgt die Darstellung von Inkonsistenzen auf der graphischen Wortebene (2.) und die Präsentation der graphischen Akzentuierung (3.). Mit Getrenntund Zusammenschreibung sowie Zeichensetzung und Majuskelgebrauch werden wortübergreifende Aspekte behandelt (4.), denen sich Probleme der Fremdwortschreibung (5.) und Entwicklungstendenzen (6.) anschließen.

1.

Allgemeine Charakterisierung

Das spanische Schriftsystem kommt einer phonologischen Transkription nahe (Gauger 1981, 236). Bezugsebene für die Schreibung ist in erster Linie die lautliche Oberflächenstruktur, auf deren Phoneme mithilfe großenteils eindeutiger und regelmäßiger Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (GPKRegeln) referiert wird (Börner 1975; Berschin, Ferna´ndez-Sevilla & Felixberger 1987, 150 ff): Die Graphie ist (phonologisch) flach (Sampson 1985, 43 f). Das für tiefe Schriftsysteme charakteristische Streben nach graphischer Morphemkonstanz spielt nur eine geringe Rolle. Dafür gibt es folgende Gründe: 1. Das spanische Phonemsystem ist relativ einfach (Alarcos Llorach 1965). Das dreistufige Vokalsystem enthält nur die Kardinalvokale, die mit den lateinischen Vokalbuchstaben *i, e, a, o, u+ ausreichend bezeichnet werden können. Den Gleitlauten [j] und [w] entsprechen graphisch *i+ bzw. *y+ oder *u+. Auch von den konsonantischen Phonemen /p, t, k, b, d, g, o, (j/D), f, h, s, x, m, n, M, l, Y, r, J/ können die meisten mit einfachen lateinischen Buchstaben wiedergegeben werden. Nur in we-

nigen Fällen mußten Digraphen oder diakritische Zeichen (Tilde und Trema) eingeführt werden, z. B. *ch+ (↔ /o/), *ll+ (↔ /Y/) und *n˜+ (↔ /M/), die im spanischen Alphabet als eigenständige Buchstaben (nach *c+, *l+ bzw. *n+ eingeordnet) gelten. 2. Das Spanische hat sich seit Beginn seiner Verschriftung lautlich wenig verändert. Was an Lautwandel stattgefunden hat, blieb ohne Einfluß auf die Morphologie und konnte daher keine zunehmende Tiefe des Schriftsystems bewirken. Die Ergebnisse des Lautwandels ließen sich vielmehr graphisch weitgehend integrieren (Meisenburg 1989). 3. Die spanische Sprache verfügt über wenig systematische Allomorphie, die durch graphische Morphemkonstanz überbrückt werden könnte (Green 1988). Das, was an morphophonemischer Alternanz vorhanden ist, folgt keinen eindeutigen Regeln mehr und wird in der spanischen Graphie durchgängig repräsentiert (vgl. *poder+ [po1diJ] ‘können’: *puedo+ [1pwedo] 1. Sg.; *podar+ [po1daJ] ‘beschneiden’: *podo+ [1podo] 1. Sg.).

2.

Inkonsistenzen auf der graphischen Wortebene

In der spanischen Graphie läßt sich die Lautung zwar hundertprozentig aus der Schreibung ableiten, aber für den umgekehrten Weg bleibt manches undeterminiert. Die Inkonsistenzen ⫺ typisch für die Schriftsysteme altverschrifteter Sprachen ⫺ sind historischer bzw. etymologischer oder graphotaktischer Art und widersprechen sowohl phonologischen als auch morphologischen Kriterien. 2.1. Kontextsensitive GPK-Regeln In einigen Fällen hat das Spanische lateinische Schreibungen auch dann bewahrt, wenn aus den Lauten, für die sie gesetzt wurden, unter bestimmten Bedingungen neue Phoneme entstanden sind. So stehen *c+ und *g+ weiterhin auch dort, wo die ihnen ursprünglich entsprechenden Laute [k] und [g] verändert wurden (vor vorderen Vokalen), so daß die Korrespondenzen *c+ → /k/ und *g+ → /g/ nur noch vor Konsonant und vor den hinteren Vokalen /a, o, u/ gelten (*casa+ [1kasa] ‘Haus’); vor /e, i/ stehen sie für /h/ bzw. /x/

1438 (*girar+ [xi1J aJ] ‘drehen’). Entsprechend ist die Schreibung von /k; g/ vor vorderen Vokalen und in Verbindung mit [w] geregelt: *qu; gu+ ↔ /k; g/ / *e, i+ (*guita+ [1gita] ‘Faden’), *cu+ ↔ /kw/ (*cuero+ [1kweJo] ‘Haut’), *gu+ ↔ /gw/ / *a, o+ (*fraguo´+ [fJ a1¥wo] ‘schmiedete’), *gü+ ↔ /gw/ / *e, i+ (*güito+ [1gwito] ‘Aprikosenkern’). Komplementär zu *c+ ↔ /h/ / *e, i+ steht *z+ für /h/ vor *a, o, u+ und am Silbenende; *g+ ↔ /x/ / *e, i+ steht dagegen nur, wenn das Etymon bereits *g+ hatte, andernfalls wird /x/ stets durch *j+ wiedergegeben: *coger+ [kc1xiJ] ‘nehmen’ < lat. colligere, *mujer+ [mu1xiJ] ‘Frau’ < lat. mullierem. Innerhalb der verbalen und nominalen Paradigmen führen solche kontextsensitiven GPK-Regeln zu rein graphischen Alternanzen. Morphophonemisch einheitlichen Formen entspricht graphische Allomorphie. So wechselt bei allen Verben, deren Stamm auf einen der betreffenden Konsonanten auslautet, die Graphie in Abhängigkeit vom folgenden Endungsvokal: *coger+ [kc1xiJ] ‘nehmen’ / *cojo+ [1kcxo] 1. Sg. Entsprechende Alternanzen betreffen Numerusflexion und Wortbildung: *voz+ [bch] ‘Stimme’ / Pl.: *voces+ [1bohes], *boca+ [1boka] ‘Mund’ / Komp.: *boquiabierto+ [bokja1bjiJto] ‘mit offenem Mund’. 2.2 Undeterminierte Zuordnungen Nur historisch-etymologisch zu begründen sind neben der Alternanz *g+/*j+ vor allem die graphischen Differenzierungen zwischen *b+ und *v+ für /b/ und *s+ und *x+ für /s/ sowie die Setzung von *h+, dem keinerlei Lautwert mehr entspricht: *beber+ [be1biJ] ‘trinken’ < lat. bebere, *vivir+ [bi1biJ] ‘leben’ < lat. vivere; *escudar+ [esku1daJ] ‘schützen’ < lat. scutum, *excusar+ [esku1saJ] ‘entschuldigen’ < lat. excusare; *hombre+ [1cmbJe] ‘Mann’ < lat. hominem. Auf der lexikalischen Ebene dienen sie in einigen Fällen zur Homonymendifferenzierung: *botar+ [bo1taJ] ‘werfen’ / *votar+ [bo1taJ] ‘abstimmen’. Lautliche Alternanz, die semantische Zusammengehörigkeit verdeckt, wird z. T. graphisch noch verstärkt. Ein Beispiel ist die Beibehaltung der ursprünglich diakritischen Setzung von *h+ vor anlautendem /we/ (< lat. /’o/). Als graphisch noch nicht zwischen *u+ und *v+ unterschieden wurde, sollte es die Lesung /ve/ verhindern (Rosenblat 1974, 108). Vor mit /we/ alternierendem /o/ entfällt dieses historisch-graphotaktisch determinierte *h-+: *huevo+ [1webo] ‘Ei’ < lat. ovum / *oval+ [o1bal] ‘oval’.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

2.3. Graphische Wiedergabe von phonologischen Neutralisierungen Im Fall von Neutralisierungen wird die phonologische Oberflächenstruktur ⫺ teils aus Gründen der Ökonomie, teils historisch/graphotaktisch bestimmt ⫺ graphisch nicht immer konsequent repräsentiert. So werden etwa die beiden Vibranten des Spanischen ⫺ einfaches oder ungespanntes /J/ und mehrfaches oder gespanntes /r/ ⫺, die nur in intervokalischer Stellung in Opposition zueinander stehen können, auch nur in dieser Position *r+ bzw. *rr+ geschrieben. In den anderen Positionen steht für beide Phoneme jeweils nur das einfache *r+-Graphem: /r/ → *r+ /쒙쒙 ; *K+$ (*rata+ [1rata] ‘Ratte’, *honra+ [1cnra] ‘Ehre’), /r/ → *rr+ /*V+ *V+ (*perro+ [1piro] ‘Hund’) /J/ ↔ *r+ (*pero+ [1peJo] ‘aber’, *abrir+ [a1bJiJ] ‘öffnen’). Diese Regelung beeinträchtigt die graphische Morphemkonstanz in der Wortbildung, wenn das erste Morphem auf Vokal endet und das zweite mit dem gespannten Vibranten /r/ beginnt, der dann *rr+ geschrieben werden muß: *anti-+ [anti] ⫹ *robo+ [1rcbo] → *antirrobo+ [anti1rcbo] ‘Diebstahlsicherung’. Zu ähnlichen Neutralisierungen von phonologischen Oppositionen kommt es auch im Fall von /m, n, M/, die nur intervokalisch kontrastieren. Im Auslaut ist nur /-n/ möglich, das außer in einigen Fremdwörtern auch *-n+ geschrieben wird: *con+ [kcn] ‘mit’ < lat. cum; *a´lbum+ [1albun] ‘Album’ < lat. album. Auch vor Konsonant ist jede lautliche Opposition zwischen Nasalkonsonanten neutralisiert. Der Nasal wird an den folgenden Laut assimiliert. Graphisch können ihm die Buchstaben *n+ oder *m+ entsprechen. Welcher von beiden gesetzt wird, ist, unabhängig von der jeweiligen lautlichen Realisierung, graphotaktisch oder etymologisch bestimmt: *m+ steht vor *b+ und *p+, *n+ vor allen übrigen Konsonantbuchstaben (*embolsar+ [embcl1saJ] ‘einstecken’, *empacar+ [empa1kaJ] ‘einpacken’, *enviar+ [em1bjaJ] ‘schicken’, *enfilar+ [emfi1laJ] ‘aufreihen’, *enmelar+ [e(m)me1laJ] ‘versüßen’). Diese graphotaktischen Alternanzen beeinträchtigen die optische Einheitlichkeit von Präfixen, ohne immer ihrer Lautung zu entsprechen. Sie sind auch in der Wortbildung und morphemintern wirksam (*cien+ [hjen] ⫹ *pies+ [pjes] → *ciempie´s+ [hjim1pjes] ‘Tausendfüßler’; *cambio+ [’kambjo] ‘Tausch’, *invierno+ [im’bjiJno] ‘Winter’).

1439

124. Das spanische Schriftsystem

Über die Wortgrenze hinweg, über die die Assimilation proklitisch ebenfalls wirksam ist, findet dagegen keine graphische Anpassung statt.

3.

Zur graphischen Akzentuierung

Ungewöhnlich weitgehend und konsistent ist die spanische Graphie in bezug auf die Markierung der Wortbetonung, die relativ frei ist und auch distinktive Funktion haben kann. Sie läßt sich aus der Schreibung eindeutig ermitteln. Dabei bleibt der häufigste Fall, die Betonung der Pänultima, graphisch unmarkiert, wenn das Wort auf Vokal, /-s/ oder /-n/ auslautet: *pata/s+ [1pata/s] ‘Pfote/n’, *canto+ [1kanto] ‘ich singe’, *cantan+ [1kantan] ‘sie singen’. Endet es auf einen anderen Konsonanten, so trägt der Vokalbuchstabe der vorletzten Silbe einen Akut: *a´rbol+ [1aJbcl] ‘Baum’. Die Betonung der Ultima bleibt unmarkiert, wenn das Wort auf einen Konsonanten außer /-s/ oder /-n/ endet: *feliz+ [fe1lih] ‘glücklich’. Anderenfalls trägt der Vokalbuchstabe der letzten Silbe einen Akut: *canto´+ [kan1to] ‘sang’. Fällt die Betonung auf die drittletzte oder auf eine noch weiter vorn liegende Silbe, so wird diese stets markiert: *co´modo+ [1komodo] ‘bequem’, *fa´cilmente+ [1fahil0mente] ‘leicht’ (Adv.). In den Kombinationen aus Vokalbuchstabe mit *i+ oder *u+ zeigt der Akut auch Hiatus an: *paı´s+ [pa1is] ‘Land’. Bei einer Reihe von Einsilbern, die ansonsten von der Betonungsmarkierung ausgeschlossen sind, dient der graphische Akzent der Homonymendifferenzierung. Dabei werden diejenigen Wörter mit graphischem Akzent versehen, die in der sprachlichen Äußerung betont sind, während unbetonte grammatische Morpheme unakzentuiert bleiben: *te+ ‘dir, dich’ (unbet.) / *te´+ ‘Tee’; *mi+ ‘mein’ / *mı´+ ‘mir, mich’ (betont); *el+ ‘der’ (Art.) / *e´l+ ‘er’. Bei einigen Mehrsilbern zeigt die zusätzliche graphische Markierung der betonten Pänultima eine bestimmte grammatische Funktion an, durch die die Form sich von der homophonen, aber graphisch unmarkierten unterscheidet: *e´sta canta+ ‘diese singt’ / *esta mujer canta+ ‘diese Frau singt’. Die Schreibung weicht hier also deutlich von der grundlegenden Phonemorientierung ab und referiert auf morphologische Kategorien. Ganz systematisch wird so die Gruppe der Interrogativpronomen von den gleichlauten-

den Relativpronomen bzw. Konjunktionen geschieden: *El libro que necesito […]+ ‘Das Buch, das ich brauche […]’ / *¿Que´ necesitas?+ ‘Was brauchst du?’. Das gilt auch in graphisch ansonsten nicht markierten indirekten Fragen, die so von Relativ- oder anderen Nebensätzen unterschieden werden (Polo 1974, 284 ff). Ob auch hier lautliche Unterschiede vorliegen, die es erlauben, die genannten Formen als satzphonetische Minimalpaare zu qualifizieren (Berschin et al. 1987, 148), scheint fraglich: *E´ste es la casa donde vive.+ ‘Das ist das Haus, in dem er lebt.’ / *No se´ do´nde vive.+ ‘Ich weiß nicht, wo er lebt.’.

4.

Wortübergreifende Züge

4.1. Einheit graphischer Wörter Die Einheit ungebundener Morpheme (graphischer Wörter) bleibt in der spanischen Graphie weitgehend gewahrt, der Apostroph gehört nicht zum Zeichenbestand. So werden abgesehen von *del+ und *al+ (Präp.⫹Art.) keine über die Wortgrenze hinausgehenden Kontraktionen oder Elisionen geschrieben, obwohl sie lautlich beim Aufeinandertreffen gleicher Vokale üblich sind (Navarro Toma´s 1932,152 ff): *la aspereza+ [laspe1Jeha] ‘die Härte’. Bei Präfigierungen besteht dagegen die Tendenz, gleiche Laute auch in der Schreibung zu elidieren (Rosenblat 1974, 29 ff): *re-+⫹*embolsar+ → *reembolsar+/ *rembolsar+ [r(i)embcl1saJ]. Auch der Bindestrich ist selten. Er steht nur bei (noch) nicht fest verwachsenen Zusammensetzungen, bei denen er bisweilen mit einfacher Getrenntschreibung variiert: *coche-cama+/*coche cama+ ‘Schlafwagen’. Bei festen Verbindungen ist Zusammenschreibung üblich: *sacacorchos+ ‘Korkenzieher’. Uneinheitlich ist die Behandlung der pronominalen Klitika in der Schreibung. Proklitisch stehen sie einzeln und getrennt vom Verb (*te los doy+ ‘ich gebe sie dir’), enklitisch werden sie mit dem Verb zusammengeschrieben (*para darte+ ‘um dir zu geben’), was häufig Folgen für die graphische Akzentuierung hat (*para da´rtelos+ ‘um sie dir zu geben’). Eine Abweichung vom Prinzip der graphisch einheitlichen Wortform stellen die Konjunktionen *y+ [i] ‘und’ und *o+ [o] ‘oder’ dar: Vor Wörtern, die ebenso anfangen, lauten sie dissimilierend [e] bzw. [u], was

1440 sich auch in ihrer Schreibung niederschlägt: *seis o siete+ [’sijso1sjete] ‘6 oder 7’, *siete u ocho+ [’sjete1wooo] ‘7 oder 8’. 4.2. Zeichensetzung und Großschreibung Die spanische Interpunktion ist grundlegend semantisch/syntaktisch orientiert, berücksichtigt aber auch prosodische Faktoren. Größere Einheiten schließen durch Punkt und Absatz, Punkt, Strichpunkt oder ⫺ vor einer Aufzählung, einem Zitat, einem Beispiel o. ä. ⫺ durch Doppelpunkt ab. Glieder einer Aufzählung, Anreden, fehlendes Verb, Einschübe, bestimmte Nebensätze u. ä. werden durch Kommata markiert, die kürzere Pausen innerhalb des Satzgefüges anzeigen können. Für Einschübe werden häufig auch lange Gedankenstriche (rayas) verwendet, die diese immer paarig und ohne Abstände umschließen. Nicht-paarige Gedankenstriche am Zeilenanfang kennzeichnen direkte Rede und Sprecherwechsel in Dialogen. La actriz, en malla de trabajo, habla por tele´fono ⫺un aparato porta´til⫺, pegada al lateral izquierdo. Die Schauspielerin, im Arbeitstrikot, ist am Telefonieren ⫺ ein Tischapparat ⫺ ganz links an der Wand. (Aub 1972,46 f) Ebenfalls paarig sind im Spanischen Frageund Ausrufezeichen. Da Fragesätze sich oft nur durch die Intonation von Aussagesätzen unterscheiden, wird in der Schreibung bereits ihr Beginn durch ein umgekehrtes Fragezeichen markiert, während das gewöhnliche Fragezeichen das Ende der Frage anzeigt. Entsprechendes gilt für Ausrufe: Emilio: Yo se´ que le metieron en la ca´rcel. Ich weiß, daß er eingesperrt worden ist. Cruz: ¡Que´ disparate! Unsinn! Emilio: Entonces ¿es algo peor? Dann also etwas noch Schlimmeres? Cruz: ¿Que´ quieres que te diga? Was soll ich dir sagen? (Aub 1972, 8 f) Satzanfänge beginnen mit einem großen Buchstaben, ebenso Eigennamen, diverse Anredeformen und ihre Abkürzungen, Titel, bestimmte Kollektiva. Bei Mehrgliedrigkeit solcher Namen werden neben dem ersten Bestandteil sämtliche folgenden Substantive und Adjektive groß geschrieben: *Real Aca-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

demia de Ciencias Morales y Polı´ticas+, *Alejandro Magno+, *el Reino+, *S. M. ⫽ Su Majestad+, *Ud./Vd. ⫽ usted+.

5.

Fremdwortschreibung und phonotaktische Restriktionen

Fremdwörter werden ⫺ zumindest in populärer Aussprache ⫺ weitgehend an das spanische Phonemsystem angepaßt. Wie für ein flaches Schriftsystem zu erwarten, gibt es starke Tendenzen, diese Anpassung auch in der Schreibung zu repräsentieren und sie nach den heimischen GPK-Regeln zu gestalten (Meisenburg 1993): *teatro+ ‘Theater’, *reto´rica+ ‘Rhetorik’, *clorofila+ ‘Chlorophyll’, *quı´mica+ ‘Chemie’; *gol+ ‘Tor’ (< engl. goal), *cho´fer+ (< frz. chauffeur). Da das spanische Phonemsystem erheblichen Kombinationsbeschränkungen unterliegt, die wortintern wenige und am Wortende gar keine Konsonantengruppen zulassen, und auch die Zahl der einfachen Auslautkonsonanten eng begrenzt ist, werden viele Fremdwörter durch ihre Anpassung an die spanische Phonotaktik stark verändert; durch eine Schreibung gemäß dieser neuen Lautung würde sowohl der Bezug zur Quellenaussprache als auch der zur Quellenschreibung aufgegeben. Während eins von beidem verhältnismäßig oft vorkommt, erweist sich beides zusammen als problematisch, so daß auch zahlreiche etymologisierende Schreibungen im Spanischen vertreten sind. Sie beeinträchtigen die phonemorientierte Kohärenz des Schriftsystems und vergrößern zugleich den Konflikt zwischen gebildeter und populärer Aussprache, da sich erstere oft an der etymologisierenden Schreibung orientiert (Martı´nez de Sousa 1985, 14): *concepto+ [kon1he(p)to] < lat. conceptum, *examen+ [e(¥)1samen] < lat. examen, *con˜ac+ [ko1Ma(k)], Pl.: *con˜acs+ [ko1Ma(k)s] < frz. cognac.

6.

Entwicklungstendenzen

Verläßt man den Bereich der normorientierten Aussprache, so sind auch im Erbwortschatz die Beziehungen zwischen Graphie und Phonie weniger eindeutig. Erscheinungen wie seseo und yeı´smo, die weit verbreiteten Neutralisierungen der Oppositionen /s/ : /h/ und /Y/ : /j/ bzw. /D/, führen zur Zunahme undeterminierter GPK-Regeln. Generell werden Konsonanten im Silbenauslaut abge-

125. The English writing system

1441

schwächt, im Wortauslaut kann diese Schwächung bis zum Schwund gehen, so daß aus dieser Sicht die Zahl der „stummen Konsonanten“ in der Schreibung groß ist (Berschin et al. 1987, 153 f). Der Schwund von auslautendem /-s/, das hauptsächlich als Pluralmorphem fungiert, hat in verschiedenen Varietäten des Spanischen bereits zu einer Umgestaltung der Flexionsmorphologie geführt (Gekkeler 1978). Das weiterhin geschriebene *-s+ hat dort rein grammatische Funktion und trägt zur größeren Tiefe des Schriftsystems bei. Inwiefern eine ⫺ oft geforderte ⫺ Reform das spanische Schriftsystem wieder stärker an der phonologischen Oberfläche orientieren wird (Mosterı´n 1981; Martı´nez de Sousa 1991), bleibt abzuwarten.

Geckeler, Horst. 1978. „Phonischer Code“ und „skripturaler Code“ auch für die Beschreibung des Spanischen? Iberoromania 8, 11⫺29.

7.

Mosterı´n, Jesu´s. 1981. La ortografı´a grafe´mica del espan˜ol. Madrid.

Literatur

Alarcos Llorach, Emilio. 1965. Fonologı´a espan˜ola. Madrid. [7. Nachdruck der 4. Auflage 1986]. Aub, Max. 1972. Tra´nsito. Tres obras en un acto. Drei Einakter. Ebenhausen bei München. Berschin, Helmut, Ferna´ndez-Sevilla, Julio & Felixberger, Josef. 1987. Die spanische Sprache. Verbreitung, Geschichte, Struktur. München. Börner, Wolfgang. 1975. La ortografı´a del espan˜ol. Iberoromania 2, 5⫺31. Gauger, Hans-Martin. 1981. Das Spanische ⫺ eine leichte Sprache. In: Pöckl, Wolfgang (ed.). Europäische Mehrsprachigkeit. Festschrift zum 70. Geburtstag von Mario Wandruszka. Tübingen, 225⫺247.

Green, John N. 1988. Spanish. In: Harris, Martin & Vincent, Nigel (ed.). The Romance Languages. London⫺Sydney, 79⫺130. Martı´nez de Sousa, Jose´. 1985. Diccionario de ortografı´a. Madrid. ⫺. 1991. Reforma de a ortografı´a espan˜ola. Madrid. Meisenburg, Trudel. 1989. Romanische Schriftsysteme im Vergleich. Französisch und Spanisch. In: Eisenberg, Peter & Günther, Hartmut (ed.). Schriftsystem und Orthographie. Tübingen, 251⫺ 265. ⫺. 1993. Graphische und phonische Integration von Fremdwörtern am Beispiel des Spanischen. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 11, 47⫺67.

Navarro Toma´s, Toma´s. 1932. Manual de pronunciacio´n espan˜ola. Madrid. [22. Nachdruck der 4. Auflage 1985]. Polo, Jose´. 1974. Ortografı´a y ciencia del lenguaje. Madrid. ´ ngel. 1974. Actuales normas ortogra´Rosenblat, A ficas y proso´dicas de la Academia Espan˜ola. Barcelona. Sampson, Geoffrey. 1985. Writing Systems. A linguistic introduction. London. Weißkopf, Ralf. 1994. System und Entwicklung der spanischen Orthographie. Wilhelmsfeld.

Trudel Meisenburg, Berlin (Deutschland)

125. The English writing system 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

A mixed, and deeply morphologized, alphabetic system A mixed lexical, syntactic and semantic system Spelling errors Other standard usages Degree of standardization and amount of variation Less standardized usages: abbreviations, etc. The process of history and its product References

The most common everyday comment on English spelling must be that it is irregular, illogical and inconsistent. Yet linguists argue

that there is method in apparent madness, and that the system is not illogical, but complex. It has more regularities than are apparent on the surface, once it is realised that there are many different organizing principles at work. These principles may compete with one another, and this produces inconsistencies. Furthermore, since many common words are irregular, their high text frequency makes the system look more irregular than it is. However, arguments that the system overall is “regular” or “irregular” should be treated with caution. They are generally made by people with an axe to grind. Refor-

125. The English writing system

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schwächt, im Wortauslaut kann diese Schwächung bis zum Schwund gehen, so daß aus dieser Sicht die Zahl der „stummen Konsonanten“ in der Schreibung groß ist (Berschin et al. 1987, 153 f). Der Schwund von auslautendem /-s/, das hauptsächlich als Pluralmorphem fungiert, hat in verschiedenen Varietäten des Spanischen bereits zu einer Umgestaltung der Flexionsmorphologie geführt (Gekkeler 1978). Das weiterhin geschriebene *-s+ hat dort rein grammatische Funktion und trägt zur größeren Tiefe des Schriftsystems bei. Inwiefern eine ⫺ oft geforderte ⫺ Reform das spanische Schriftsystem wieder stärker an der phonologischen Oberfläche orientieren wird (Mosterı´n 1981; Martı´nez de Sousa 1991), bleibt abzuwarten.

Geckeler, Horst. 1978. „Phonischer Code“ und „skripturaler Code“ auch für die Beschreibung des Spanischen? Iberoromania 8, 11⫺29.

7.

Mosterı´n, Jesu´s. 1981. La ortografı´a grafe´mica del espan˜ol. Madrid.

Literatur

Alarcos Llorach, Emilio. 1965. Fonologı´a espan˜ola. Madrid. [7. Nachdruck der 4. Auflage 1986]. Aub, Max. 1972. Tra´nsito. Tres obras en un acto. Drei Einakter. Ebenhausen bei München. Berschin, Helmut, Ferna´ndez-Sevilla, Julio & Felixberger, Josef. 1987. Die spanische Sprache. Verbreitung, Geschichte, Struktur. München. Börner, Wolfgang. 1975. La ortografı´a del espan˜ol. Iberoromania 2, 5⫺31. Gauger, Hans-Martin. 1981. Das Spanische ⫺ eine leichte Sprache. In: Pöckl, Wolfgang (ed.). Europäische Mehrsprachigkeit. Festschrift zum 70. Geburtstag von Mario Wandruszka. Tübingen, 225⫺247.

Green, John N. 1988. Spanish. In: Harris, Martin & Vincent, Nigel (ed.). The Romance Languages. London⫺Sydney, 79⫺130. Martı´nez de Sousa, Jose´. 1985. Diccionario de ortografı´a. Madrid. ⫺. 1991. Reforma de a ortografı´a espan˜ola. Madrid. Meisenburg, Trudel. 1989. Romanische Schriftsysteme im Vergleich. Französisch und Spanisch. In: Eisenberg, Peter & Günther, Hartmut (ed.). Schriftsystem und Orthographie. Tübingen, 251⫺ 265. ⫺. 1993. Graphische und phonische Integration von Fremdwörtern am Beispiel des Spanischen. Zeitschrift für Sprachwissenschaft 11, 47⫺67.

Navarro Toma´s, Toma´s. 1932. Manual de pronunciacio´n espan˜ola. Madrid. [22. Nachdruck der 4. Auflage 1985]. Polo, Jose´. 1974. Ortografı´a y ciencia del lenguaje. Madrid. ´ ngel. 1974. Actuales normas ortogra´Rosenblat, A ficas y proso´dicas de la Academia Espan˜ola. Barcelona. Sampson, Geoffrey. 1985. Writing Systems. A linguistic introduction. London. Weißkopf, Ralf. 1994. System und Entwicklung der spanischen Orthographie. Wilhelmsfeld.

Trudel Meisenburg, Berlin (Deutschland)

125. The English writing system 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

A mixed, and deeply morphologized, alphabetic system A mixed lexical, syntactic and semantic system Spelling errors Other standard usages Degree of standardization and amount of variation Less standardized usages: abbreviations, etc. The process of history and its product References

The most common everyday comment on English spelling must be that it is irregular, illogical and inconsistent. Yet linguists argue

that there is method in apparent madness, and that the system is not illogical, but complex. It has more regularities than are apparent on the surface, once it is realised that there are many different organizing principles at work. These principles may compete with one another, and this produces inconsistencies. Furthermore, since many common words are irregular, their high text frequency makes the system look more irregular than it is. However, arguments that the system overall is “regular” or “irregular” should be treated with caution. They are generally made by people with an axe to grind. Refor-

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IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

mers have a vested interest in showing how irregular things are. Linguists have an interest in showing that apparent chaos is the mere surface realization of deeper regularity which fits their general model of human language.

1.

A mixed, and deeply morphologized, alphabetic system

In its historical origins, as well as in many contemporary words, English spelling is clearly a grapheme-phoneme correspondence system. Many of these correspondences are quite unproblematic: cat, dog, splash, haberdasher. Digraphs such as *sh+ or *ea+, or trigraphs, may represent single phonemes. And there may be multiple correspondences, which are often context-sensitive: *c+ represents /s/ before *e, i, y+ (cent, cigar, cyst), but /k/ elsewhere (cat, cot, cut). However, if such letter-sound correspondences are seen as the only principle, then the system does look extremely irregular. More accurately, English spelling is a mixed system. Spellings relate not only to phonology, but also to other levels of language. The second syllable in nation sounds rather like shone. There is some similarity in the spellings, but not much. But, of course, -tion not only (roughly) indicates the pronunciation, but also signals a word category: abstract noun. Spellings relate to grammar as well as to phonology. Since the letter-sound correspondence principle is better known, and sometimes assumed to be the ideal or only way in which an alphabetic writing system works, I will not discuss it further here. I will concentrate on English as a deep system (as opposed to Spanish (→ art. 124) or Serbo-Croat, which are relatively shallow phonological systems).

2.

A mixed lexical, syntactic and semantic system

Letter-sound correspondences can be formulated as context-sensitive rules, albeit with exceptions. Other regularities are broader principles. One basic principle is that semantically related words have related spellings, while semantically unrelated words do not. Thus in write, right, rite, wright, it is arbitrary (though now fixed) which spelling is used for which morpheme, but the principle is to give

different spellings to different meanings. Semantics overrides phonology, as also in: sine, sign, signature; grammatical, grammar; hammer, but not *grammer. Similarly, the plural ending -s and past tense ending -ed have consistent spellings irrespective of pronunciation. However, the following examples have different spellings for the same morphemes, and therefore for the same meanings: leaf, leaves; or the negative prefixes in irregular, illogical, inconsistent, impossible. Phonology sometimes overrides morphology. And some cases are simply irreducibly irregular on this criterion: speak, speech; joke, jocular. Examples of the one-meaning-one-spelling principle involving spoken vowel changes in divine, divinity or serene, serenity are discussed by Chomsky & Halle (1968), who take an extreme position on just how deeply regular the system is. However, there are limits to the amount of letter-sound discrepancy which the system will tolerate: hence thought, not *thinked (pronounced thought), as a consistently morphemic system would have. The invariant unit of English spelling is not the morpheme (as in Chinese), but the word (there is no sandhi, except for a, an). So English spelling is a phonemic system, with morphophonemic and lexical information incorporated. Furthermore, some spellings relate directly to the grammar. For example, word-initial letters th- correspond to both voiced and unvoiced fricatives. But the alternation is predictable from the word class: grammatical words (determiners, pronouns, conjunctions, prepositions) have a voiced fricative (the, their, them, then, there, they); lexical words (nouns, verbs, adjectives and adverbs) have an unvoiced fricative (theft, think, thin, thundery). By and large, the spelling omits predictable information. There is also a correspondence to plosive /t/ in some proper names (Thames, Theresa; but Theodore). Another grammatical regularity is the three-letter rule (Albrow 1972): only grammatical words may have less than three letters. The only relatively common exceptions are ox, and abbreviated first names (Al, Ed, Jo). (The American spelling ax is therefore a poor ad hoc spelling reform, since it obscures this pattern.) Thus the three-letter rule explains some cases of consonant doubling, word-final -e, etc. Compare: in, inn; or, Orr; by, tie; I, eye; no, know; so, sow. In fact, the regularity is wider: in homophonous pairs of grammatical and lexical words, the lexical word tends to be longer (but, butt; for, four).

1443

125. The English writing system

There are also regularities in the spelling of proper names: in general, they are longer than the corresponding homophonous common noun: Channell, Chappell, Halliday (cf holiday), Hogg, Stubbs, Swann; Brown(e), Green(e), Coates, Payne. Cholmondley is a well-known example. (Cruse is a counter-example.) The system is sensitive to another word class, recent foreign borrowings. Albrow (1972) claims that -ow is used in the native English system, and -o in Romance or foreign systems. More generally, words ending in single vowel letters (-a, -i, -o, -u) and -v are marked as recent foreign borrowings. Argue therefore requires word-final -e, but argument can drop the e. Compare: arrow, bellow, elbow, fallow, meadow, narrow, versus blanco, bronco, canto, cargo, echo, fresco and armada, timpani, rococo, guru. The word-final e in love prevents the word ending in -v (contrast love with the non-standard and foreign spellings luv, lav, spiv, Molotov, Tel Aviv). In summary, spellings convey a wide range of information: phonological, lexical, syntactic and semantic. Not all inconsistencies can be explained away via such principles, but the system contains more and deeper organization than it is often credited with. In a major study, based on a 25 million word corpus, Carney (1994) estimates the percentages of words which obey these various types of principle. His detailed statistics distinguish carefully between words in the core vocabulary or with high text frequency and the total vocabulary as defined by a large dictionary. Most words in a language occur very rarely.

3.

Spelling errors

One difference between phonology and orthography is that no-one ever gains complete competence in orthography. Most people admit to uncertainties in some areas, such as endings in -ant or -ent, or -able or -ible. I studied errors by English mother tongue teachers working for an MA, and writing under exam pressure. Although they made a large number of errors, these fell into a small number of categories, including double versus single consonants (*accomodate, *atesting, *committment, *immitation, *refered, *revealling), and unstressed schwa (*capatalize, *discriptions, *gynocologist, *implimented, *pertinant, *priveleged, *persue, *pursuaded, *respectibility). In some cases they had

missed the one-meaning-one-spelling principle: the correct vowel letter is derivable from a stressed syllable in a semantically related word in cases such as: *cognative, cf cognition; *existant, cf existential; *grammer, cf grammatical; *facter, cf factorial; theoriticians, cf theoretical. Other cases (*arbitraryness, *arguement, *fourty, *humourously, *proceedure, *pronounciation, *vigourous) show the one-meaning-one-spelling principle being maintained. Thus, the wrong spelling *pronounciation maintains the visual semantic link with pronounce. As in other areas of language, error analysis can reveal the nature of the system being acquired.

4.

Other standard usages

A “writing system” is wider than a “spelling system”. English uses many pure logograms, which have an unambiguous correspondence with a single morpheme, but give no indication of pronunciation: 1, 2, 3, etc; £, @, &, %, ⫹. Many more are in use in mathematics and formal logic. Other specialized uses include proofreading symbols (e. g. for delete, insert). Many of these symbols are not specific to English, and more detailed discussion would shade off into special purpose writing systems such as shorthands and scientific notations. However, “normal” uses of English also include a wide range of such forms. Academic registers use many foreign quasi-logographic forms, whose status as words is unclear: e. g. some are read aloud as the names of the letters. Publishers’ style sheets give dozens of such forms, which do not obey normal spelling conventions: cf, eg, et al, ff, ie, ibid, passim, pp, sic, qv, viz. Nor do such logographic uses occur only in specialized academic contexts. K as a logogram for “thousand” is now common: in computer uses it refers to kilobytes of storage (360K); and in quoting salaries for some occupations, I suspect it connotes hi-tech industry or yuppiedom! Many different kinds of meaning are conveyed by written representations. Other forms are never expanded in normal written use, though some logically could be: Mr, Mrs, Dr, St, Ltd. Mr is sometimes expanded to Mister in the names of ice-cream salesmen, and in writing Hey, mister! There is no comparable expansion of Mrs: only a non-standard spelling missus. And the form Ms cannot be expanded to anything: it is a purely

1444

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

written form, invented on analogy with other written forms. Written forms do not merely represent spoken (e. g. phonological) forms: once written forms exist, they take on a life of their own.

5.

Degree of standardization and amount of variation

English spelling is commonly claimed to be highly standardized, with only a few words where variants are possible. Major pressure towards such standardization nowadays comes from publishers. More accurately, there are two standardized variants, British and American, though the differences are superficial, and do not affect underlying principles. American spellings tend to be shorter: smo(u)lder, trave(l)ling. And invented spellings in adverts and roadsigns are even more elaborated than in British English. However, there are many more variant spellings than is often recognized. Some are individual words (jail/gaol; sow/sew; in/enquire). Other alternatives are available across the vocabulary, as in the following illustrative pairs: advertise/ize, adviser/or, spelt/ spelled, ag(e)ing, f(o)etus, encyclop(a)edia. Although some of these alternatives reflect British-American differences, both members of each pair are possible in British English. Greenbaum (1986) checked two major British dictionaries for such variants. Using strict criteria (e. g. counting related words only once), he estimates that over 4 per cent of words have variant spellings, with variation most conspicuous in academic and technical vocabulary. Some alternative spellings mark semantic distinctions: in programme/program and disc/ disk the second spelling is either American, or in British spelling allows a semantic distinction between general and computer usage. But such examples occur elsewhere: cf Scotch whisky versus Irish whiskey.

6.

Less standardized usages: abbreviations, etc.

The standardized spelling system has been thoroughly studied. But, as elsewhere in linguistics, it is important to distinguish between system and use. A wide range of invented spellings and plays on spellings are found in adverts, house names, graffiti, and in names of persons and

places in science fiction and fantasy literature. Non-standard spellings are found in trade names (Ansaphone, Kwik, Evostik, Shooshine), where linguistically, the trend is towards phonological spellings, and functionally, the motivation is to allow a copyright claim to be placed on names. New abbreviations are constantly being invented in small ads, road signs and telex messages (→ art. 135). Smith et al. (1984) studied newspaper small ads for the insight they give into users’ perceptions of word structure. They found that 90 per cent of abbreviations involved the first few letters with a break after a consonant (incl), or initial plus final letter (Mr), or vowel deletion (wknd). Exceptions involved adding affixes (agy for agency). Forms such as ASCII, DOS, ROM, RAM also illustrate the lexicalization of acronyms. When such forms pass into international English and into other languages, they may shift further towards logographic status. For example, VDU may (but may not) signify “visual display unit” to English speakers, but be internally unanalysable to speakers of other languages.

7.

The process of history and its product

This article discusses the contemporary system entirely synchronically, although many aspects are explicable historically (Scragg 1974). The received view is that there has been a decline from the phonemic ideal: English spelling used to be phonemic, but the pronunciation changed, and the system is now chaotic. Yet although the process of evolution may have been chaotic, the product may be more rational. The phonographic origins should not be confused with the mixed result (Sampson 1985). Spelling has always been of uncertain status in the linguistics of the English language. The above discussion implies that spelling should be a component of the grammar, where grammar is interpreted in a broad traditional way to include morphology and semantics.

8.

References

Albrow, Kenneth H. 1972. The English Writing System. London. Carney, Edward. 1994. A Survey of English Spelling. London.

1445

126. The French writing system Chomsky, Noam & Halle, Morris. 1968. The Sound Pattern of English. New York. Greenbaum, Sidney. 1986. Spelling variants in British English. Journal of English Linguistics 19, 258⫺68. Mountford, John D. 1990. Language and writing systems. In: N. E. Collinge (ed.), An Encyclopedia of Language. London, 701⫺39. Sampson, Geoffrey. 1985. Writing Systems. London. Scragg, D. G. 1974. A History of English Spelling. Manchester.

Smith, P. T., T. Meredith, H. M. Pattison & C. Sterling. 1984. The representation of internal word-structure in English. In: Henderson, Leslie (ed.), Orthographies and Reading. London, 103⫺20. Stubbs, Michael. 1980. Language and Literacy. The Sociolinguistics of Reading and Writing. London. Venezky, Richard L. 1970. The Structure of English Orthography. The Hague.

Michael Stubbs, Trier (Deutschland)

126. The French writing system 1. 2. 3. 4. 5.

Introduction Level A: Phonograms Level B: Morphograms Level C: Logograms, etymological and historical letters References

1.

Introduction

Among the Romance languages, French has developed a characteristic writing system. At first sight, it appears to contain a large proportion of redundant notations (numerous graphic variants), and it has many more graphic elements than phonic ones. This substantial “asymetry of structure” needs to be accounted for otherwise than by relegating all the so-called “mute” letters outside of the system, treating them as nothing more than “historical leftovers”, or by labelling them, as Saussure did, as “deceptive”. Although the written system of French is still based on the Latin alphabet and still has a solid phonological foundation (graphemephoneme correspondence), we soon find, side by side with this first, relatively regular level (which I will call Level A, that of phonograms, sound-signs), and even sometimes within it, at least two more, deeper, grammatical levels: Level B, which consists of morphograms, morpheme-signs, and level C, that of logograms or word-signs. Level B in particular, little developed in other languages, has been constantly underestimated and insufficiently studied. As for levels D and E, which correspond respectively to etymological and historical letters, the synchronic/ diachronic distinction enables us to leave

them out of a description of the system, since they belong to levels which are no longer functional (see figure 126.1).

Fig. 126.1: The French “pluri syste`me”

Finally, French, like all writing systems, makes use of visual, non-alphabetical “supporting systems”, which we can call (for want of a better term) pictograms (drawings, “motivated” signs) and ideograms (abstract symbols such as punctuation signs, scientific and technical signs, etc.).

1445

126. The French writing system Chomsky, Noam & Halle, Morris. 1968. The Sound Pattern of English. New York. Greenbaum, Sidney. 1986. Spelling variants in British English. Journal of English Linguistics 19, 258⫺68. Mountford, John D. 1990. Language and writing systems. In: N. E. Collinge (ed.), An Encyclopedia of Language. London, 701⫺39. Sampson, Geoffrey. 1985. Writing Systems. London. Scragg, D. G. 1974. A History of English Spelling. Manchester.

Smith, P. T., T. Meredith, H. M. Pattison & C. Sterling. 1984. The representation of internal word-structure in English. In: Henderson, Leslie (ed.), Orthographies and Reading. London, 103⫺20. Stubbs, Michael. 1980. Language and Literacy. The Sociolinguistics of Reading and Writing. London. Venezky, Richard L. 1970. The Structure of English Orthography. The Hague.

Michael Stubbs, Trier (Deutschland)

126. The French writing system 1. 2. 3. 4. 5.

Introduction Level A: Phonograms Level B: Morphograms Level C: Logograms, etymological and historical letters References

1.

Introduction

Among the Romance languages, French has developed a characteristic writing system. At first sight, it appears to contain a large proportion of redundant notations (numerous graphic variants), and it has many more graphic elements than phonic ones. This substantial “asymetry of structure” needs to be accounted for otherwise than by relegating all the so-called “mute” letters outside of the system, treating them as nothing more than “historical leftovers”, or by labelling them, as Saussure did, as “deceptive”. Although the written system of French is still based on the Latin alphabet and still has a solid phonological foundation (graphemephoneme correspondence), we soon find, side by side with this first, relatively regular level (which I will call Level A, that of phonograms, sound-signs), and even sometimes within it, at least two more, deeper, grammatical levels: Level B, which consists of morphograms, morpheme-signs, and level C, that of logograms or word-signs. Level B in particular, little developed in other languages, has been constantly underestimated and insufficiently studied. As for levels D and E, which correspond respectively to etymological and historical letters, the synchronic/ diachronic distinction enables us to leave

them out of a description of the system, since they belong to levels which are no longer functional (see figure 126.1).

Fig. 126.1: The French “pluri syste`me”

Finally, French, like all writing systems, makes use of visual, non-alphabetical “supporting systems”, which we can call (for want of a better term) pictograms (drawings, “motivated” signs) and ideograms (abstract symbols such as punctuation signs, scientific and technical signs, etc.).

1446 Both internal and external factors have contributed to making the system what it is. Historically, we can point to the strong centralizing influence of the French monarchy, which brought in a particular use of the written word as a means of managing its rapidly-expanding territory, with its great variety of regional dialects and its northsouth divide. As early on as in the 16th century (Edict of Villers-Cottereˆts, 1539), written French was to replace Latin as the language of law. From then on, it was to function as an “artificial”, conventional language, kept on in all situations where Latin had previously been used. This normative, visual variety of French was subsequently to remain the preserve of royal power, and this identification between State and language subsists to the present day. From a linguistic point of view, if we want to gain a true understanding of this mixed, “multi-layered” system (in French, plurisyste`me, cf. Catach 1973), it is essential to consider the spoken language together with the written language. 1. The spoken language, which originally had an inflectional system, gradually lost a substantial part of its morphology (which was, however, kept on in the written language, with the system of double markers, and the development of a whole written grammar). 2. Through loss of final and internal consonants, root-words often found themselves reduced to a single syllable, which was itself vulnerable, being of the CV (consonantvowel) type, meaning that the vowel was often dropped in front of a following vowel. The mute letters tried, usually in vain, to prevent this disintegration of the root-words, to keep them intact and to maintain the links with their derivatives (frequently borrowed directly from Latin). 3. The Latin alphabet with its five vowel letters soon turned out to be incapable of transcribing the richness of the French vowel system (which originally had as many diphthongs as single vowels, and still comprises sixteen elements according to classic descriptions). Hence, the idea of using “digrams” or “trigrams” (ai, au, eau, ou, eu etc.) or consonants that were no longer pronounced (e. g. the -z in nez which notes a closed e) in order to give a more satisfactory representation of vowel values: the consonants (final, internal, double) were therefore at the same time diacritic, morphological, and distinctive, indicating the timbre and length of the vowels.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

4. In oral discourse, French phonology and morpho-syntax is remarkably unstable, but the written language makes up for this instability as far as possible. In spoken French, tonic stress often shifts towards the end of the phrase, which makes it difficult to pick out individual words: the mute e, liaisons, the linking-on between words, and even whole syllables can appear or disappear (as in feneˆtre/[fni:tr). This instability goes together with another characteristic feature, which is that of numerous grammatical and lexical alternations (travail/travaux, prends/prennent/ prenons, sain/sante´, saint/sainte, sein/sinus, seing/signer, main/manuel, etc.), all of which make it difficult to recognise the meaning of a word and to connect it to its derivatives without the help of the written language. Let us take, for example, the case of gender markers. The 5000 or so masculine adjectives and nouns whose feminine is formed by adding an element (such as petit/petite, grand/ grande, canadien/canadienne, etc.) have, orally, 78 different types of endings, and they are not always easy to predict. However, in their written form, the final graphic consonant of the masculine forms (the masculine marker) enables us to form the corresponding feminine quite easily, by adding a mute e. This then tells us that the consonant is now pronounced (the e has a diacritic value). In spite of the great efforts made to counter the process, the French spoken language has gradually, over the centuries, drifted further and further away from Latin, more so in fact than any other Romance language. The written system has to some extent adapted itself to this development, with the result that it has always managed to give an acceptable indication of the pronunciation (or, at least, of a certain standard variety of French, which the grammarians refer to as “good usage” ⫺ le bon usage). Just like the spoken language, which still comprises quite a substantial morphological element, the French written language is, above all, a sort of “compromise”, which allows us to pass with relative ease from the written to the spoken medium, and at the same time to be able to fully apprehend meaning with the help of the visual information it provides.

2.

Level A: Phonograms

A description of French spelling based on the letter as its fundamental unit is made impossible by the existence of digrams, trigrams,

1447

126. The French writing system

accentuated letters, etc. Yet, children are still taught that French, like Latin, has five or six vowels, and no mention is made of ou, eu, e´, e`, of nasal vowels, or of the consonants ch, gn, ill: in other words, no functional explanation is given of how the stock of phonemes relates to the stock of written signs. In the same way, people tend confuse mute letters and the elements that precede them: we may thus often hear it said that the nasal sound [e˜ ] in French can be transcribed as in, im, eing, aint, ains, eint, en, inct …, or that the other nasal [a˜] can be represented by an, am, en, em, ant, ent, and, ans, empt, emps … Our first task must be to set apart “what is pronounced” from “what is not pronounced”, and then to make a separate analysis of the latter, for there is no other way of proceeding. Only then can we give a satisfactory analysis of the signs that remain, by applying the following procedures: First, by determining what the “main tendency” of the system is (it is 80⫺85% phonogrammic),

Then, by making a description of this first level with the classic correspondence method (but going from the written to the spoken language, and not the opposite). For we shall see that even when mute letters have been left out and a purely phonological analysis is made, a given phoneme may still be noted in several different ways (allographs), that these different notations do not all have the same value, and that it is easier to classify them if we start out from the written language. The next step is to group together the different allographs into phonemic and graphemic sectors. Then, to put them in hierarchical order within these sectors, according to linguistic criteria: their relative functionality, their frequency, the coherence of digrams and trigrams, their links with the phoneme, their linguistic productivity and creative potential (Catach 1978, 59). We can then separate graphemes from subgraphemes (that is, those that do not fulfil the criteria).

Phonemes

Basic graphemes

[A]

a

92%

papa

[e]

e ⫹ e´

99%

mes, pre´

[i]

(e) ⫹ e` ai

67,9% 30%

bec, re`gle chair

I

[i]

i

99%

il

O

[O]

o au eau

75% 21% 3%

ze´ro, sol chevau(x) oiseau

U

[y]

u

100%

[Œ]

eu

93%

[e]

(e)

OU

[u]

ou

98%

fou

AN

[a˜ ]

an en

44% 47%

(un) an enlever

IN

[i˜ ]

in (en)

45% 23%

fin chien

ON

[c˜ ]

on

92,8%

son

UN

[œ ˜]

un

97%

un

Archigraphemes A

E

Appr. percentage of use

Examples

tu peu, peur

EU ch(e)val

Fig. 126.2: Phonograms of French vowels (within the 45 basic graphemes)

1448 Next, we can establish, for each sector, a graphic archetype (which we call an archigrapheme, AGR for short), and which corresponds to the phoneme or archiphoneme (APH), with “graphic idioms” sometimes occurring (as is the case with OI, OIN, X). What we can call a grapheme now corresponds to a class of units, similar to phonological units (hence the term of graphemology that we have given to this description, Figure 126.2). The final step is to analyse the graphic marks that remain, and not to be misled into thinking that only graphemes that are pronounced are to be taken into consideration (morphograms and logograms). The French grapheme can therefore be defined as a double-sided unit: “It can be either distinctive (belonging to the 2nd articulation, like the phoneme), or else both distinctive and significant (belonging to the 1st articulation, like the morpheme), invested with a function and/or a meaning, and having a phonic and/ or semic reference to a spoken sequence” (Catach 1978, 119).

So, in papa, maman, the units are distinctive, whereas in sain/saine/sante´/sanitaire, the vowel units ain, ai, an, a are connected one to another: they are morphogrammic. In the pair of homophones (il y) a/a` (la maison), the grave accent, used to distinguish the preposition from the verb form, has a logogrammic value. The phonograms of French are governed either by rules of usage, or by rules arising from the system. Among the rules of usage which have changed in the course of time, we can mention the various ways of noting vowel length and timbre: ⫺ In the 16th century, by use of etymological consonants (fiebvre for fie`vre, niepce for nie`ce, debte for dette, ceste for cette, fenestre for feneˆtre); ⫺ In the 17th⫺18th centuries, by use of double consonants (dette, cette); ⫺ From the 18th century onwards, by accents (acute, grave and circumflex): fie`vre, nie`ce, feneˆtre. The main phonograms and their rules of position, on the other hand, are subjected to the laws of the system, which have remained remarkably stable over the centuries. If we can number 130 to 140 graphic units (in the broadest sense of the term) for 36 phonemes, the figure falls to 70 once we have eliminated the elements previously referred to as subgraphemes: aıˆ, oıˆ, eıˆ, œ, æ, borrowed no-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

tations such as gh, sh, sch, etc. Of these 70 units, there are 45 basic graphemes which could, strictly speaking, transcribe all of the phonemes, and 33 of these are archigraphemes (with their positional features). Indeed, the phonemes and phonograms of French often go in pairs (open/closed vowels, voiced/ unvoiced consonants, etc.), and this provides us with a convenient way of presenting them (the following percentages refer to the number of occurrences found in a representative sample of texts): e ⫹ e´ (effet, be´be´, 99%); e ⫹ e` (rester, re`gle, 67,9%); c ⫹ qu (cahier, laque, 98%); g ⫹ gu (gare, guerre, 100%); s ⫹ ss (sac, casse, 69%); c ⫹ c¸ (ceci, rec¸u, 26%). A E AN

I IN ILL Y

O ON

U EU UN

OU

OI OIN P.B - T.D - C.G - F.V - S.Z - X - CH.J - L.R - M.N. - GN

Fig. 126.3: The French standard graphic system

We may now present (Figure 126.3) what we might term the standard graphic system of French, its real “alphabet”, in the following way (Archigraphemes ⫺ AGR ⫺ are represented by the capital letter, which, in the case of “pairs”, refers to the closed vowel and to the unvoiced consonant). Their is a high probability of one of these AGR occurring as a phonogram: 87% according to our calculations (Catach 1978, 62⫺65). However, the remaining graphemes are much more dispersed, this being due generaly to their functioning at a higher level. Historical notations and Greek and Latin etymological letters do however account for a sizeable proportion: 12⫺13% of all graphemes.

3.

Level B: Morphograms

The importance of French “written grammar”, which backs up that of the spoken language, has already been shown (Dubois 1965). There are in fact few areas of French morphology which do not have any supplementary or complementary written signs. These can be found not only among the nouns (marks of gender, of number) and the verbs (mood, tense, person, number), but also as lexical markers (root words, prefixes,

1449

126. The French writing system Grammatical morphograms Nominal inflexions

gender markers number markers

grand/grande grand/grands

Verbal inflexions

mood

il voit/qu’il voi

tense

nous essayons/nous essayions

person

j’aime/tu aimes

number

elle aime/elles aiment

nouns

cri

verbs

crie

Lexical morphograms Radicals

Prefixes

associer/asocial

Suffixes

charmant/che`rement

Derivation

finale

enfant/enfanter

interne

sain/sante´/sanitaire

Composition

vinaigre/vraisemblable

Fig. 126.4: Grammatical and lexical morphograms

suffices, final or internal markers of derivation and composition; see Figure 126.4). There are several types of morphograms: ⫺ mute morphograms (most often found in word-final position, the main ones being -e as a gender marker, -s as a plural marker, and -t to show derivation); ⫺ pronounced morphograms (morphonograms, which occur either in liaisons, or within the words themselves, as was the case for the ain/ai/an alternation mentioned previously); ⫺ specific graphic forms of morphemes (morphemograms, such as the suffixes -ette, -e´e, -aie, -ment, -tion, or the prefixes il-, en-, as in chevrette, cuillere´e, roseraie, de´vouement, de´votion, ille´gal, ennui, etc.) As the phonograms, these different markers must be ordered into a functional hierarchy, which distinguishes between those that come under “close government” and those that come under “broad government”. Only a contrastive study of discourse, carried out simultaneously on oral and on written sequences could reveal the high functionality of these signs. “It is impossible to understand French orthography if we base our analysis on the word alone” (Catach 1969).

The “close” markers can be found mainly on tool-words (grammatical morphograms), within parts of speech, article ⫹ noun, pronoun ⫹ verb, adjective ⫹ noun, etc. They often appear orally in liaison before a vowel, and disappear before a consonant: les enfants/les petits, ils aiment/ils chantent, chantent-ils/chantons-nous, deux amis/deux petits, etc. This is what we have called the “on-andoff” morphology of French. We may then realise to what extent the graphic and phonic forms together make up, at a deeper level, an indivisible whole, whose stability is fully brought out at the written level, which supplies the necessary information when it is lacking in the spoken language: what is known as the “law of graphic permanence”. Thus, if we are to study the various functions of the mute e, from a phonological and from a morphological standpoint, we notice that they are often polyvalent: In aimes-tu, the e is a sort of “lubricator”, which makes it easier to pronounce the consonants. But it also acts as a diacritical sign (if it were not there, aim would be pronounced as a nasal vowel), as a verb marker for the 2nd person singular, together with s (this distinguishes it from the 1st person, without s). In je confie

1450

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

(from the verb confier “to confide”), the e forms part of the radical, and enables us to distinguish this verb from je confis (from the verb confire “to pickle”). In je crie, je troue, the e, apart from the function just mentioned, also allows us to distinguish these verb forms from the nouns cri, trou, with no marker. In que je crie, que je troue, another function is added: that of the subjunctive mood, first person. If we are to take all the different cases separately, we can give a very detailed analysis of this grapheme (which is, in principle, “mute”), and which can be of the greatest interest. Lexikal markers (lexical morphograms) do not always work so well. The links connecting the masculine and the feminine, verbs and deverbals, are usually, in common words, under “close government”: petit/petite, grand/ grande, bois/boiser, hasard/hasarder, balai/balayer, son/sonner, etc. But, in other instances, the connection is not so easy to make: take the example of roux/rousse as opposed to doux/douce, and other, frequent, cases, in which there is no marker on the radical: noir/ noircir, bijou/bijoutier, etc. On the other hand, a good example of radical and affixes remaining intact can be found in the word enjouement (en-joue-ment), where the three morphemic constituents can be recognised visually.

4.

Level C: Logograms, etymological and historical letters

Without any prejudice, we must acknowledge, both theoretically and practically speaking, the existence and the efficiency in our graphic systems of direct notation of units belonging to the first articulation, which have existed for as long as writing has existed. Just as morphograms are linked to morphemes, the logograms of French are “enriched graphic forms” which cannot be separated from the words with which they occur. These visual reinforcements are usually taken from the past history or from the etymology of the language, although their main function is now to distinguish between homonyms (heterographs with the same pronunciation). There are very many of these, and of all types: lexical logograms (such as temps, tant, tend, taon, tan), but also, and more numerous, grammatical logograms, which occur in discourse: a/la`, la/la`, ou/ou`, si/ci, ce/se, de/

deux, du/duˆ, etc. These can be distinguished in several different ways: by the use of accents (and of the circumflex in particular), by use of an apostrophe, a space or a hyphen (davantage/d’avantage, si toˆt/sitoˆt), by different graphemes, mute letters, etc. (ancre/ encre, pois/poix/poids). These “enriched” graphic forms are particularly useful in transmitting information rapidly and accurately, but it is because of them that French has acquired the reputation of being a difficult language, because they have not studied in the context of the level to which they belong. Besides these three zones whose functionality at the synchronic level is acknowledged, we cannot ignore the existence of diachronic “outer circles” (e. g., words characterised by the so-called “greek” letters, such as symphonie, bathyscaphe, by initial and internal h, double consonants, etc.). These notations should gradually be eliminated, thus bringing out more clearly the remarkably coherent outlines of the French plurisyste`me.

5.

References

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Nina Catach, Paris (France)

1451

127. Das deutsche Schriftsystem

127. Das deutsche Schriftsystem 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Allgemeine Charakterisierung Groß/Kleinschreibung Grapheme und Phonographie Explizitform und silbische Schreibung Morphologische Schreibung Fremdwortschreibung Literatur

1.

Allgemeine Charakterisierung

Das Schriftsystem des Deutschen ist in seiner heutigen Form etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts stabil. Es ist im deutschen Sprachgebiet weitgehend vereinheitlicht. Als Grundlage des überregionalen Standards im Geschriebenen hat es auch entscheidende Bedeutung für die Herausbildung der neuhochdeutschen Standardlautung gehabt. Die Regularitäten des Schriftsystems, verstanden als grammatische Regularitäten im Sinne von Artikel 117, lassen sich übersichtlich ordnen in wortbezogene einerseits und satzbezogene andererseits. Zu den wortbezogenen gehören die Regularitäten der Graphemkombinatorik, der Silbentrennung, Getrennt/Zusammenschreibung sowie der Groß/ Kleinschreibung. Zu den satzbezogenen gehören vor allem die zur Interpunktion. Alle Gruppen von Regularitäten sind in jüngster Zeit Gegenstand linguistischer Analysen geworden. Es hat sich dabei gezeigt, daß der normale Schreibusus des Deutschen in hohem Maße grammatikalisiert ist. Bei der Interpunktion trifft dies vor allem für die Kommasetzung zu, die weitgehend syntaktisch geregelt ist (Behrens 1988; Baudusch 1989; Primus 1993; → Art. 128). Die Silbentrennung beruht auf silbenstrukturellen Faktoren einerseits und morphologischen andererseits (Kohrt 1988; Günther 1990). Bei der Getrennt/Zusammenschreibung geht es um Idiomatisierung (Lexikalisierung) komplexer Wörter sowie um sekundäre Wortbildungsmechanismen wie die sog. Univerbierung (Schaeder 1985; Gallmann 1989). Die Groß/Kleinschreibung gehört zu den Hauptcharakteristika des Deutschen. Konsequent grammatikalisiert ist sie im Bereich der Substantivgroßschreibung (Abschnitt 2). Für die Graphemkombinatorik, also die eigentlichen Regularitäten der Wortschreibung, ist im Kernwortschatz des Deutschen ein strikter Bezug auf Einheiten der Wortstruktur gegeben. Basis der Wortschreibung

ist ein einfaches und eindeutiges GraphemPhonem-Bezugssystem (Abschnitt 3). Diesem überlagert sind silbenstrukturelle Bezüge. Ihre Funktion ist vornehmlich die Herstellung konstanter und quantitativ ausgeglichener segmentaler Einheiten im Umfang von Silben (Abschnitt 4). Diesem wiederum überlagert ist das Prinzip der Morphem- oder Schemakonstanz. Es wird mit großer Konsequenz durchgehalten und verleiht dem System des Deutschen einen ausgeprägten logographischen Zug (Abschnitt 5). In der Fremdwortschreibung dominiert, zumindest bei Entlehnungen aus dem neueren Englischen und Französischen, eine Mischung aus Fremdschreibung und Assimilation über die sog. Leseaussprache (Abschnitt 6). Die folgende Darstellung kondensiert Grundzüge des Systems auf der Basis vorliegender Gesamtdarstellungen (vor allem Eisenberg 1995; Maas 1992; Nerius et al. 1987).

2.

Groß/Kleinschreibung

Groß geschrieben werden im Deutschen Satzanfänge, in Briefen Anredepronomina (Du, Sie) und adressatenbezogene Possessiva (Dein, Ihr, Ihrer), Eigennamen (Otto Könnecke, Basel, Freie Universität Berlin, Roter Main) und Substantive. Bis auf die Substantivgroßschreibung finden sich alle Regeln zur Großschreibung auch in anderen Sprachen mit Alphabetschrift. Mit der Substantivgroßschreibung steht das Deutsche allein, sie wird deshalb im Folgenden etwas eingehender erläutert (dazu Mentrup 1979; Eisenberg 1981; Stetter 1990). Die Substantivgroßschreibung ist im Usus weitgehend grammatikalisiert und in diesem Sinne regelhaft. Was sich nach den üblichen Kriterien zur Ermittlung grammatischer Kategorien als Substantiv erweist, wird in aller Regel groß geschrieben. Am einfachsten ist dies daran demonstrierbar, daß ein Kategorienwechsel zum Substantiv mit dem Übergang zur Großschreibung verbunden ist und daß ein Wechsel aus der Kategorie Substantiv mit einem Verlust der Großschreibung einhergeht. In beiden Richtungen des Überganges gibt es zahlreiche Bewegungen und damit einen ständigen Wechsel bezüglich der Großschreibung für große Klassen morphologischer Einheiten.

1452

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Grammatisch übersichtlich und für den Normalschreiber im allgemeinen gut nachvollziehbar sind Übergänge im Rahmen produktiver Wortbildungs- und Konversionsmuster. Substantive im Sinne der Großschreibung sind selbstverständlich alle Nominalisierungen, einschließlich nominalisierter Infinitive (das Lesen/Singen/Schlafen) und Adjektive (der/die/das Neue/Versprochene/Erlebte). Für den Normalschreiber schwerer handhabbar sind Übergänge, die sich im Zuge von Sprachwandelprozessen allmählich vollziehen. Solche Übergänge finden nicht in beiden Richtungen statt, sondern sie betreffen fast ausschließlich Einheiten, die die Kategorie Substantiv verlassen. Verbreitet sind beispielsweise Mechanismen zur Bildung komplexer Wörter mit substantivischem Bestandteil wie komplexe Präpositionen (zu Gunsten → zugunsten, an Stelle → anstelle) oder Verbstämme (Staub saugen → staubsaugen, Auto fahren → autofahren). Da nicht immer leicht zu entscheiden ist, wie weit ein Prozeß dieser Art im Einzelfall fortgeschritten ist, ergeben sich Schreibunsicherheiten. Die ‘natürliche’ und dem systematischen Wandel angemessene Reaktion der Schreiber führt zu Schreibvarianten. Wird in eine solche Situation normativ eingegriffen (z. B. Duden 1991: er will radfahren, aber er fährt Rad), sind systemwidrige Schreibungen unvermeidlich. Die Substantivgroßschreibung gilt bei vielen Schreibern nicht nur als schwierig, sondern auch als willkürlich. Der Eindruck von Willkürlichkeit beruht meist darauf, daß systematisch wohlbegründete Schreibunsicherheiten als Schwäche der Regeln interpretiert werden. Zum Alltagsbewußtsein von Sprache gehört, daß das Geschriebene im Prinzip keine Formvarianz aufzuweisen habe. Man rechnet nicht mit einem Schriftsystem, sondern mit einer Rechtschreibung oder Orthographie. Der Konflikt zwischen Schreibusus und Normierungsanspruch tritt nirgendwo so klar hervor wie bei der Substantivgroßschreibung. Sie ist seit langem der umstrittenste Bereich bei den Bemühungen um eine Reform der Orthographie (→ Art. 56, 59).

3.

Grapheme und Phonographie

Die meisten Grapheme des Deutschen sind Einzelbuchstaben des lateinischen Alphabets, die eindeutig auf ein kleinstes Lautsegment (Phonem) bezogen werden können. Die Grundbezüge der Graphem-Phonem-Korre-

spondenz sowie die wichtigsten Abweichungen von diesem ‘phonographischen Prinzip’ der Alphabetschrift sind im Folgenden aufgeführt. Bezugsgröße sind dabei jeweils die unmarkierten Schreibungen der Wörter im Kernbereich (Meinhold & Stock 1981; Eisenberg 1988). 3.1. Konsonantschreibungen Für das Deutsche werden meist 18 oder 19 Konsonantphoneme angesetzt. 14 von ihnen sind durch eindeutige Korrespondenzregeln auf Einzelbuchstaben bezogen: [p]--*p+, [t]-*t+, [k]--*k+, [b]--*b+, [d]--*d+, [g]--*g+, [f]-*f+, [v]--*w+, [z]--*s+, [j]--*j+, [m]--*m+, [n]-*n+, [l]--*l+, [r]--*r+. Von den Buchstaben des lateinischen Alphabets gehören *c+, *q+, *v+ und *x+ nicht zum Kernbestand der Grapheme. *c+ und *q+ erscheinen nur als Bestandteil von Mehrgraphen wie in *Schal, Qual+, *v+ ist gegenüber der Normalopposition *f+--*w+ markiert (vgl. *Fall ⫺ Wall+, aber sowohl *Vater+ als auch *Vase+), und *x+ taucht nur in einer kleinen Gruppe von Einheiten des Kernwortschatzes auf (*Hexe, Nixe+). Umgekehrt hat das Deutsche mit dem *ß+ ein Konsonantgraphem, das nicht im lateinischen Alphabet vorhanden ist. Der phonographische Grundbezug von *ß+ ist [s] wie in *Straße, Muße+. Im konsonantischen Bereich gibt es vier Mehrgraphen. Die Art des phonographischen Bezuges ist bei diesen Mehrgraphen recht unterschiedlich. *qu+ entspricht der Lautfolge [kv] wie in *Quitte+ und kommt nur im Silbenanlaut vor; *ng+ steht für [n] wie in *Zange+ und kommt nicht im Silbenanlaut vor. *sch+ ist unmarkiert bezogen auf [s] (*Schal, Asche+; markiert z. B. *Span, Stuhl+). *ch+ schließlich ist bezogen auf die Varianten eines abstrakten Phonems [X], nämlich [x] *schwach+, [c¸] *Milch+ und [k] *Fuchs+. 3.2. Vokalschreibungen Für die Vollvokale ergibt sich eine einfache phonographische Grundstruktur dann, wenn man zwei isomorphe Vokalreihen von gespannten und ungespannten Vokalen ansetzt. Unter dieser Voraussetzung ist ein Vokalgraphem sowohl auf den gespannten wie auf den ungespannten Vokal eines Paares bezogen. Sechs solcher Paare sind anzusetzen: [y],[y]-*ü+; [e],[i]--*e+; [ø],[œ]--*ö+; [a], [a]--*a+; [o],[c]--*o+; [u],[w]--*u+. Der gemeinsame graphematische Bezug eines Paares von Vokalen gilt nicht bei [i], [i]. Für [i] steht als unmarkiert phonographische

127. Das deutsche Schriftsystem

Entsprechung der Mehrgraph *ie+ zur Verfügung wie in *Friede, schwierig+, [i] ist bezogen auf *i+. Der Bezug von gespannten Vokalen auf Doppelvokalgrapheme hat als markiert zu gelten. Er tritt distributionell eng begrenzt auf bei [e] *Beet+, [a] *Saat+ und [o] *Boot+. Der Reduktionsvokal [e] wird als *e+ geschrieben. Nicht zum Kernbestand der Vokalgrapheme gehört das *y+. Es ist auf den Fremdwortschatz beschränkt. Als Eigenheit gegenüber dem lateinischen Alphabet besitzt das Deutsche die Umlautgrapheme *ä+, *ö+ und *ü+. Die beiden letzteren weisen sowohl phonographischen Grundbezug (*schön, gönnen, müde, Hütte+) als auch Bezug auf morphologisch bedingten Umlaut auf (*größer, Hölzer, Brüder, Mütter+). Bei *ä+ ist der morphologische Bezug am stärksten ausgeprägt. Das gilt sowohl für das Einzelgraphem (phonographisch nur wenige Wörter wie *Bär, Krähe+, morphologisch z. B. *Bach ⫺ Bäche, lachen ⫺ lächeln+) wie für die Diphthongschreibung (phonographisch stets *eu+ wie in *Eule, heute+, morphologisch *äu+ wie in *Haus ⫺ Häuser, rauben ⫺ Räuber+). Wegen seines fast ausschließlich morphologischen Bezuges wurde *ä+ nicht in der Menge der Grundgrapheme aufgeführt.

4.

Explizitform und silbische Schreibung

Für die Schreibung der Formen von Wörtern aus den offenen, flektierenden Wortklassen des Kernwortschatzes (Substantive, Adjektive und Verben) spielt eine Rolle, daß alle Flexionsparadigmen Formen aufweisen, die mit Schwasilbe enden. Alle Flexionsparadigmen enthalten also Formen mit mindestens zwei Silben. Im Standardfall ist eine solche Form bei nichtderivierten Wörtern zweisilbig und besteht aus einer betonten Silbe mit Vollvokal gefolgt von einer unbetonten Silbe mit Schwa, z. B. [rybe] *Rübe+, [edel] *edel+, [lawfen] *laufen+. Formen dieser Art werden im Folgenden Explizitformen genannt. Explizitformen sind von größter Bedeutung für die Wortschreibung insgesamt. Auf silbenstrukturellen Merkmalen der Explizitformen beruhen einige der Hauptcharakteristika des deutschen Schriftsystems. Das wird an zwei typischen Beispielen gezeigt.

1453 4.1. Doppelkonsonantgrapheme Ein Konsonantgraphem wird verdoppelt, wenn es phonographisch auf ein Silbengelenk in der phonologischen Wortform bezogen ist. Ein Silbengelenk ist ein einzelner Konsonant zwischen einem betonten ungespannten und einem unbetonten Vokal (markiert durch einen Punkt, z. B. [vcløe) *Wolle+). Der Terminus Silbengelenk drückt aus, daß der entsprechende Konsonant sowohl zur ersten als auch zur zweiten Silbe der Wortform gehört. Auf Doppelgrapheme (Geminaten) sind genau die Konsonanten bezogen, denen phonographisch ein Einzelbuchstabe entspricht. Das sind [t] *Matte+, [p] *Pappe+, [d] *Kladde+, [b] *Robbe+, [g] *Bagger+, [f] *Koffer+, [s] *Wasser+, [r] *Barren+, [m] *Kammer+, [n] *Sonne+ und [l] *Wolle+. Die mehrbuchstabigen Grapheme werden nicht verdoppelt, z.B [ase] *Asche+, [kaxel] *Kachel+, [zinen] *singen+. Die als *tz+ geschriebene Affrikate [  ts] wird ebenfalls nicht geminiert [ka tse] *Katze+. Tritt [k] in der Position eines Gelenks auf, so ist es auf *ck+ bezogen wie in [akø er] *Acker+. Auch hier wird natürlich nicht verdoppelt. Der Bezug von Doppelkonsonantgraphemen auf Gelenke (und nicht Kurzvokale) bringt systematisch wesentliche Vorteile mit sich. Der silbenstrukturelle Begriff Gelenk filtert die für die Verdoppelung relevanten Vorkommen von Kurzvokalen aus. 4.2. Das ‘stumme h’ Das Deutsche hat zwei Typen von h-Schreibung, bei denen das *h+ nicht auf den Konsonanten [h] bezogen ist, nämlich das sog. Dehnungs-h und das silbeninitiale h. Das Dehnungs-h steht in Explizitformen nur dann, wenn in der zugehörigen phonologischen Wortform ein einzelner Sonorant [r, l, n, m] zwischen einem betonten gespannten und einem unbetonten Vokal steht, z. B. [manen] *mahnen+, [zole] *Sohle+, [lames] *lahmes+. Die genannten Bedingungen sind notwendige Bedingungen für das Auftreten des Dehnungs-h, hinreichend sind sie nicht. In zahlreichen Fällen, in denen es stehen könnte, wird es nicht geschrieben, z. B. *Blume, Lore+ (Augst 1985). Damit ist auch deutlich, daß das Dehnungs-h nicht selbst einen Langvokal markiert. Es steht nur dort, wo der Vokal auch ohne *h+ lang gelesen werden müßte. Das silbeninitiale h steht genau dann, wenn in der phonologischen Explizitform ein

1454

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

gespannter betonter und ein unbetonter Vokal als Silbenkerne unmittelbar aufeinander folgen wie in [dro.en] *drohen+, [fry.er] *früher+, [na.em] *nahem+. Auch das silbeninitiale *h+ steht nur dann, wenn der Vokal der ersten Silbe lang gelesen werden muß.

5.

Morphologische Schreibung

Die kleinsten morphologischen Einheiten (Morpheme) sind im Gesprochenen teilweise starker lautlicher Variation unterworfen. Diese Variation ist auf systematische Weise umgebungsabhängig. Die bestimmenden Kontextmerkmale sind teilweise phonologischer, teilweise morphologischer Art. Ein Beispiel phonologischer Variation ist die Auslautverhärtung. Im Silbenendrand können keine stimmhaften Obstruenten stehen. Diese phonologische Restriktion führt dazu, daß die Obstruenten im Stammauslaut von Formen wie [leben] *leben+ und [vindes] *Windes+ dann entstimmt werden, wenn sie aus morphologischen Gründen nicht wie in der Explizitform im Anfangsrand, sondern im Endrand der Silbe stehen, z.B. [lepst, vint]. Unmittelbar morphologisch bestimmt ist die Stammvariation beispielsweise beim Umlaut. Bestimmte morphologische Strukturen sind fakultativ oder obligatorisch mit Frontierung des Stammvokals, also Umlautung verbunden, wenn der Stamm einen frontierbaren Vokal enthält. Der Konjunktiv des Präteritums etwa wird, wenn möglich, mit Umlaut gebildet: [zan ⫺ zine] *sang ⫺ sänge+, [kcnte ⫺ kœnte] *konnte ⫺ könnte+. Diesen und weiteren lautlichen Variationen von morphologischen Einheiten folgt das Geschriebene nicht oder nur in begrenztem Umfang. Das Prinzip dabei ist, die Form der morphologischen Einheit, die sie in der Explizitform hat, zu konservieren. So wird bei Auslautverhärtung am phonographischen Bezug des Konsonanten im Zweisilber festgehalten, vgl. *leben ⫺ lebst, Windes ⫺ Wind+. Bei Umlaut ist die Ähnlichkeit der Stämme durch das Umlautgraphem gesichert, *sang ⫺ sänge, konnte ⫺ könnte+. Alle in Abschnitt 3 besprochenen und viele weitere silbische Schreibungen unterliegen dem morphologischen Prinzip, z. B. Konsonantgraphemverdoppelung *wollen ⫺ wollt, Sinne ⫺ Sinn+, Dehnungs-h *Söhne ⫺ Sohn, dehnen ⫺ dehnst+ und silbeninitiales h *Schuhe ⫺ Schuh, drehen ⫺ dreht+. Der

markante morphologische Bezug des deutschen Schriftsystems ist unmittelbar funktional für morphembezogenes Lesen. Seine Bedeutung für die diachrone Stabilisierung morphologischer Zusammenhänge kann kaum überschätzt werden. Auch das morphologische Prinzip überschreibt trotz seiner großen Bedeutung nicht sämtliche anderen Regularitäten. Beispielsweise greift es dann nicht, wenn Geminatenreduktion in der Flexion grammatikalisiert ist, z. B. *reisen ⫺ du reist+, nicht *du reisst+ oder *raten ⫺ sie rät+, nicht *rätt+. Auch beim Rückumlaut greift es nicht, *brannte ⫺ brennen+, nicht *brännen+. Es gibt weitere Beschränkungen des morphologischen Prinzips, etwa bei der s-Schreibung und der Schreibung von Komposita (Zusammenstellung in Eisenberg 1995, 59 ff). Alle diese Beschränkungen sind eng begrenzt und gut motiviert. Sie stellen die Wirksamkeit des morphologischen Prinzips in keiner Weise in Frage.

6.

Fremdwortschreibung

Die Schreibung der Fremdwörter hängt im Deutschen von recht unterschiedlichen Kriterien ab. Eine einfache Systematik läßt sich für die Mechanismen angeben, nach denen Integrationsprozesse ablaufen. Es läßt sich aber nicht vorhersagen, ob eine Integration überhaupt stattfindet und wo sie endet. In zahlreichen Fällen ist ein Integrationsprozeß bei gegebener morphologischer und phonologischer Wortstruktur graphematisch nicht abschließbar. Die einfachste Form der Integration liegt natürlich dann vor, wenn bei gleichen Lautund Lautstruktureigenschaften wie im Deutschen die Schreibung der Herkunftssprache durch Schreibung nach den Regularitäten des Deutschen ersetzt wird. Das geschieht besonders häufig für einzelne GPK-Regeln, z. B. Ersetzung des *qu+ oder *c+ in Gallizismen durch *k+ wie in *Likör, Etikett, Kommode, Kommitee+ oder des *sh+ in Anglizismen durch *sch+ wie in *Schampoo, Schock+. Welche Bedeutung lautstrukturelle Ähnlichkeiten insgesamt haben, ist dabei schwer abschätzbar. Jedenfalls gibt es viele Wörter, deren Lautstruktur in nichts von der nativer Wörter abweicht und die dennoch Elemente fremder Schreibungen konservieren. *Phase, These, Toile, Myrrhe, Crime, Cover+ etwa würden sonst geschrieben *Fase, Tese, Teule, Mürre, Kreim, Kawwer+.

127. Das deutsche Schriftsystem

Die Schreibung von Fremdwörtern wird häufig dadurch an die Verhältnisse im Kernwortschatz angepaßt, daß die Lautung der Schreibung angeglichen wird (Leseaussprache). So ist *Frust+ wahrscheinlich nicht direkt vom lateinischen frustra, sondern vom englischen frustration abgeleitet und in der Aussprache an die Schreibung angepaßt worden. Im Gallizismus *Galosche+ ist die Anpassung durch Artikulation des ‘stummen e’ im französischen [galcs] und gleichzeitiges Ersetzen von *ch+ durch *sch+ erfolgt. Interessante Anpassungsbarrieren zeigen sich an Wörtern wie *Salon, Beton+. Der französische Nasalvokal in [betc˜ ] etwa wird durch Ausspracheassimilation zu [cn]. Eine Schreibung *Betong+ kommt dennoch nicht in Frage, wahrscheinlich weil [n] im Deutschen an eine Gelenkposition gebunden ist wie in [zinen]. Eine völlige Assimilierung von *Beton+ wäre nur über die Leseaussprache [biton] möglich. Eine solche Aussprache kommt vor, ist aber nicht als Standard etabliert. In anderen Fällen wie beim Suffix *ion+ hat sie sich durchgesetzt, vgl. *Nation, Union+.

7.

Literatur

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1455 ⫺. 1993. Linguistische Fundierung orthographischer Regeln. Umrisse einer Wortgraphematik des Deutschen. In: Baurmann, Jürgen, Günther, Hartmut & Knoop, Ulrich (ed.), homo scribens ⫺ Perspektiven der Schriftlichkeitsforschung. Tübingen, 67⫺93. ⫺. 1995. Der Buchstabe und die Schriftstruktur des Wortes. In: Duden, 56⫺84. Eisenberg, Peter & Günther, Hartmut (ed.). 1989. Schriftsystem und Orthographie. Tübingen. Gallmann, Peter. 1989. Syngrapheme an und in Wortformen. Bindestrich und Apostroph im Deutschen. In: Eisenberg & Günther, 85⫺110. Günther, Hartmut. 1990. Die Worttrennung am Zeilenende. Zur Diskussion des Vorschlags zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Deutsche Sprache 18, 193⫺205. Kohrt, Manfred. 1988. Phonotaktik, Graphotaktik und die orthographische Worttrennung. In: Nerius & Augst, 125⫺165. Maas, Utz. 1992. Grundzüge der deutsche Orthographie. Tübingen. Meinhold, G. & Stock, E. 1981. Untersuchungen zu einer Reform der deutschen Orthographie auf dem Gebiet der Phonem-Graphem- Beziehungen. In: Linguistische Studien, Reihe A, 83/I, 55⫺153. Mentrup, Wolfgang. 1979. Die Groß- und Kleinschreibung im Deutschen und ihre Regeln. Historische Entwicklung und Vorschläge zur Neuregelung. Tübingen. Nerius, Dieter et al. 1987. Deutsche Orthographie. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Dieter Nerius. Leipzig. Nerius, D. & Augst, G. (ed.). 1988. Probleme der geschriebenen Sprache. Beiträge zur Schriftlinguistik auf dem XIV. Internationalen Linguistenkongreß 1987 in Berlin. Berlin. Primus, Beatrice. 1993. Sprachnorm und Sprachregularität: Das Komma im Deutschen. Deutsche Sprache 21, 244⫺263. Schaeder, Burkhard. 1985. Die Regulierung der Getrennt- und Zusammenschreibung im Rechtschreib-Duden 1880⫺1980. Ein Beitrag zur Geschichte und Theorie der deutschen Orthographie. In: Augst, 129⫺194. Stetter, Christian. 1990. Die Groß- und Kleinschreibung im Deutschen: Zur sprachanalytischen Begründung einer Theorie der Orthographie. In: Stetter, 196⫺220. ⫺. (ed.). 1990. Zu einer Theorie der Orthographie. Tübingen.

Peter Eisenberg, Potsdam (Deutschland)

1456

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

128. Interpunktion (Syngrapheme) 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Grundsätzliches Interpunktion auf Textebene Zum Gebrauch des Kommas Syngrapheme mit stärker klassifizierender Funktion Syngrapheme an und in Wortformen Literatur

1.

Grundsätzliches

1.1. Zum Begriff des Satzzeichens oder Syngraphems Satzzeichen, Interpunktionszeichen oder Syngrapheme (vgl. zu diesem praktischen Terminus Veith 1985, 28) lassen sich formal und funktional wie folgt definieren: Syngrapheme sind diskrete graphische Einheiten, deren Funktion das Segmentieren und/oder Klassifizieren ist. Zum formalen Teil der Definition: Diskrete graphische Einheiten mit bestimmbarer Funktion werden im folgenden als Grapheme bezeichnet; der Terminus wird also nicht auf die Elemente des Alphabets beschränkt. Syngrapheme sind damit eine Subklasse der Grapheme. Sie umfassen das folgende Inventar: Punkt * . +, Fragezeichen * ? +, Ausrufezeichen * ! +, Doppelpunkt * : +, Semikolon * ; +, Komma * , +, Gedankenstrich (Halbgeviertstrich) * ⫺ +, Klammern * ( ) +, Anführungszeichen * „“ +, Bindestrich * - +, Apostroph * ’ +. (In Hand- und Schreibmaschinenschrift werden Gedankenstrich und Bindestrich formal nicht unterschieden. Bei Klammern und Anführungszeichen gibt es Formvarianten, die teilweise funktional differenziert verwendet werden.) Zum funktionalen Teil der Definition: Die Stellung der Syngrapheme im System der geschriebenen Sprache wird vor dem Hintergrund einer allgemeinen Typologie deutlicher. Die graphischen Mittel der geschriebenen Sprache ⫺ diskrete (⫽ Grapheme) und nichtdiskrete ⫺ lassen sich grob in die folgenden Klassen einteilen: (1) In alphabetisch geschriebenen Sprachen bilden die Buchstaben das Grundgerüst. Sie sind ⫺ analog zu den Phonemen der gesprochenen Sprache ⫺ als Grapheme unilateraler (bedeutungsunterscheidender) Funktion zu bestimmen. Bilaterale (bedeutungstragende) Elemente bestehen aus Sequenzen von Buchstaben. Alphabetisch geschriebene Spra-

che weist also genauso wie gesprochene das Phänomen der „doppelten Artikulation“ auf. (2) Alle alphabetisch geschriebenen Schriftsysteme verfügen zur Schreibung von Zahlen über besondere Grapheme, die als Bedeutungsträger, das heißt als bilateral zu bestimmen sind. Das System der sogenannten arabischen Ziffern zeigt dabei eine Tendenz zur Semasiographie (das heißt: die Syntax der Ziffernschreibung ist nicht von den allgemeinen grammatischen Regeln bestimmt). (3) Zur Erleichterung des Lesens haben die meisten Schriftsysteme graphische Mittel entwickelt, um zusammenhängende Textteile unterschiedlichster Komplexität zu segmentieren; man kann hier zusammenfassend von Grenzsignalen sprechen. Dazu dienen außer den Syngraphemen der Wortzwischenraum (Segmentierung von Wortformen), aber auch graphische Techniken wie die Textblockbildung (Gallmann 1985, 16⫺17, 107⫺110). (4) In der geschriebenen Sprache haben sich besondere graphische Mittel entwickelt, die funktional als Klassifikatoren bestimmt werden können. Dazu dient neben der Großschreibung (im Deutschen unter anderem zur Klassifikation von Wortformen als Nomen) gerade auch das Syngraphemsystem. Manche Syngrapheme klassifizieren die Textsequenz, die sie ab- oder ausgrenzen; so können bespielsweise Anführungszeichen eine von ihnen ausgegrenzte Textsequenz als Fremdtext klassifizieren. Die folgenden Ausführungen beziehen sich grundsätzlich auf die geschriebene deutsche Standardsprache, Stand 1994. Auf andere Sprachen wird vor allem dann verwiesen, wenn sie vom Deutschen stärker abweichen. 1.2. Einfache und paarige Syngrapheme Bei den Syngraphemen lassen sich zwei Subtypen unterscheiden; vgl. dazu auch Zimmermann (1969) sowie Baudusch (1980): (1) Syngrapheme können als Grenzsignale einen Textteil von dem vorangehenden abtrennen, einen Einschnitt in der Textabfolge markieren. Diese Aufgabe übernehmen einfache Syngrapheme. Im folgenden Beispiel grenzt ein einfacher Gedankenstrich die nach ihm stehende Textsequenz vom Vorangehenden ab und klassifiziert sie gleichzeitig als „Überraschung“, „unerwartete Wendung“: Um sich vom beruflichen Streß zu erholen, machte Balthasar ⫺ Aktivferien! Als einfache

1457

128. Interpunktion (Syngrapheme)

Grenzsignale werden die folgenden Syngrapheme gebraucht: Punkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen, Semikolon, Komma, Doppelpunkt, Gedankenstrich sowie die bei Wortformen gebrauchten Syngrapheme. Klammern erscheinen als einfache Grenzsignale nur nach Ziffern und Einzelbuchstaben zur Kennzeichnung von Reihungen. (2) Grenzzeichen können einen Textteil aus dem Kontext ausgrenzen, davon abheben. Diese Aufgabe übernehmen Paare von Syngraphemen. Im folgenden wird durch das Gedankenstrichpaar eine Parenthese vom Rest des Textes ausgegrenzt: Dieses Bild ⫺ es ist das letzte und bekannteste des Künstlers ⫺ wurde vor einigen Jahren nach Amerika verkauft. Paarig treten die folgenden Syngrapheme auf: Komma, Gedankenstrich, Klammern, Anführungszeichen. Gedankenstrich und Komma kommen also sowohl einfach als auch paarig vor. Vor allem beim Komma wird die Paarigkeit oft durch graphotaktische Regeln oder Kombinationsregeln verdunkelt (Zimmermann 1969, 28; Baudusch 1981, 222; Gallmann 1985, 34⫺36). Diese Regeln sollen graphotaktisch unerwünschte, das heißt schlecht erfaßbare Syngraphemkombinationen verhindern. Ich nenne als Beispiel zwei Regeln für das Zusammentreffen von Gedankenstrich und Komma: Ein einfacher Gedankenstrich steht nie neben einem Komma (oder anders gesagt: er ersetzt alle Kommas, die nach den entspre-

chenden Regeln an der betreffenden Position zu erwarten sind): Er saß den ganzen Tag muffig vor dem Fernseher ⫺ aber wenn eine Sportsendung kam, blühte er schlagartig auf. Paarige Gedankenstriche hingegen ersetzen Kommas, die von einer anderen Regel als derjenigen zur Parenthesenausgrenzung verlangt werden, nicht: Sie wundern sich ⫺ so schreiben Sie ⫺, daß ich so selten von mir hören lasse. 1.3. Ebenen der Anwendung von Syngraphemen Mit Hilfe von Syngraphemen können die Grenzen von Einheiten unterschiedlichster Komplexität markiert werden. Tabelle 128.1 gibt einen Überblick. Dazu noch folgende Anmerkung: Als „Satzzeichen“ werden im allgemeinen nur die Syngrapheme bezeichnet, die (ausschließlich oder vorwiegend) die drei ersten Komplexitätsebenen betreffen. Für Syngrapheme, die auf Wortebene operieren, gibt es keinen etablierten Terminus.

2.

Interpunktion auf Textebene

2.1. Was ist ein Satz? Regularitäten der Verwendung von Syngraphemen auf Textebene können nicht mit einer Definition des Satzes beschrieben werden, die diese Regularitäten schon voraussetzt. Ein

Tab. 128.1: Anwendungsebenen von Syngraphemen

Punkt Fragezeichen Ausrufezeichen Einfaches Komma Paariges Komma Semikolon Doppelpunkt Einfacher Gedankenstrich Doppelter Gedankenstrich Klammern Anführungszeichen Auslassungspunkte Abkürzungspunkt Bindestrich Ergänzungsstrich Trennstrich Apostroph

Textsequenzen

Satz

satzinterne Phrasen

왎 왎 왎



왎 왎

왎 왎 왎 왎 왎 왎 왎 왎

왎 왎 왎

왎 왎 왎

왎 왎 왎 왎 왎 왎 왎 왎 왎

Wörter (Wortformen)

Wortteile

왎 왎 왎 왎

왎 왎 왎 왎 왎 왎 왎 왎

1458 Beispiel für eine solche Definition ist diejenige von Glinz & Glinz (1978, 105): „Als Satz bezeichnet man das Textstück, das mit Großbuchstaben anfängt und das durch Punkt, Ausrufezeichen oder Fragezeichen abgeschlossen ist.“ Mehr Erfolg verspricht der Versuch, den Satz rein syntaktisch als Konstituente mit bestimmten kategorialen Merkmalen zu bestimmen; vgl. zum Beispiel den Begriff der CP (Clause Phrase) in der neueren Generativen Grammatik. Von einem solchen Satzbegriff lassen sich zwei Unterbegriffe ableiten: (1) Ein „Wurzelsatz“ ist ein Satz, der von keiner übergeordneten Konstituente dominiert wird. (2) Ein „Nebensatz“ ist ein Satz, der Teilkonstituente eines Wurzelsatzes ist. Auf dieser Grundlage läßt sich der Gebrauch der Syngrapheme, die gewöhnlich als „Satzschlußzeichen“ bezeichnet werden, wie folgt beschreiben: Eine Textsequenz, die aus einem Wurzelsatz oder einer Abfolge von eng zusammengehörenden Wurzelsätzen besteht, kann graphisch als Einheit kenntlich gemacht werden, indem ihr Anfang mit einem Großbuchstaben und ihr Ende mit einem Punkt, einem Fragezeichen oder einem Ausrufezeichen markiert wird. Die so abgegrenzte graphische Einheit wird zuweilen als „Ganzsatz“ bezeichnet (Deutsche Rechtschreibung 1992, 51). Es handelt sich dabei aber nicht um eine syntaktische, sondern um eine textuelle Größe! 2.2. Das Paradigma Punkt, Fragezeichen, Ausrufezeichen Das neutrale Syngraphem zur Markierung eines Ganzsatzendes ist der Punkt. Von ihm heben sich das Fragezeichen und das Ausrufezeichen ab. Diese Syngrapheme sind nicht nur Grenzsignale, sondern außerdem Klassifikatoren, die Merkmale anzeigen, die man unter der Bezeichnung „Satzintention“ zusammenzufassen pflegt (Grundzüge 1981, 106⫺107). Während das Fragezeichen offenbar auf eine einzige, als syntaktisch zu bestimmende Kategorie „Frage“ verweist, verhält es sich mit dem Ausrufezeichen komplizierter. Dabei mag es befremden, daß die geschriebene Sprache ein Syngraphem „Ausrufezeichen“ aufweist ⫺ mit Buchstaben kann ja nicht ausgerufen werden. Das Graphem hat seinen Namen in der Tat von einer Äquivalenzbeziehung zur gesprochenen Sprache erhalten: Die Entsprechungen von Ganzsätzen mit Ausrufezeichen werden dort mit besonderem Nachdruck gesprochen, manchmal tatsächlich „gerufen“ (Gallmann 1985, 211).

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

„Nachdrücklichkeit“ ist dabei kein syntaktisches, sondern ein kommunikativ-pragmatisches Merkmal, das mit ganz unterschiedlichen syntaktischen Erscheinungen verbunden werden kann. Eine Satzintention ist nur Wurzelsätzen sowie Parenthesen eigen. Das folgende Bespiel zeigt eine Parenthese mit einer vom Matrixsatz abweichenden Satzintention: Gefällt dir hier ⫺ sag uns nur! ⫺ etwas nicht? Nebensätze sind hinsichtlich der Satzintention unmarkiert. Wenn indirekte Fragesätze zuweilen mit einem Fragezeichen versehen werden, so liegt eine Kontamination von indirekter und direkter, das heißt zitierter Frage vor (siehe auch Abschnitt 4.6.): Sie fragte, wer das alles bezahlen soll? (Statt: Sie fragte, wer das alles bezahlen soll. Oder: Sie fragte: „Wer soll das alles bezahlen?”) Parenthesen und zitierte Wurzelsätze bilden mit ihrem Matrixsatz eine textuelle Einheit, einen „Ganzsatz“ also. Es erstaunt daher nicht, daß sie nicht mit einem Punkt abgeschlossen werden (zu den Sonderregelungen für Zitate am Ganzsatzende vgl. eingehend Gallmann 1985, 183⫺186): Eines Tages ⫺ es war mitten im Winter ⫺ stand plötzlich ein Reh in unserem Garten. „Wir werden Ihre Auslagen ersetzen”, versprach die Verkaufsleiterin. Sein unfreundliches „Der Wein schmeckt nach Essig” ärgerte den Ober. Fragezeichen und Ausrufezeichen markieren also in Parenthesen und zitierten Wurzelsätzen nur den Abschluß einer Textsequenz mit bestimmter Satzintention, nicht etwa den Abschluß eines Ganzsatzes. Der Punkt ist mit anderen Worten nicht der unmarkierte oder neutrale Satzintentionsklassifikator, sondern in dieser Hinsicht völlig merkmallos. Auf die Signalisierung des Ganzsatzendes kann in bestimmten Typen von Textblöcken verzichtet werden, die konventionellerweise einen einzigen (womöglich elliptischen) Ganzsatz enthalten, beispielsweise in Überschriften. Entsprechend weisen Überschriften meist keinen Schlußpunkt auf, aber wenn nötig ohne weiteres ein Frage- oder ein Ausrufezeichen. 2.3. Die Satzverbindung Die sogenannte Satzverbindung erweist sich nach der oben gegebenen Satzdefinition als eine textuelle Einheit aus zwei oder mehr syntaktisch unabhängigen Wurzelsätzen. In der Tat liegen in den folgenden vier graphischen Varianten immer dieselben syntaktischen Einheiten vor, nämlich zwei Wurzelsätze:

1459

128. Interpunktion (Syngrapheme) So haben wir es geplant. Und so haben wir ausgeführt. So haben wir es geplant; und so haben wir ausgeführt. So haben wir es geplant, und so haben wir ausgeführt. So haben wir es geplant und so haben wir ausgeführt.

es auch es auch es auch es auch

Der Unterschied liegt nicht in der Syntax ⫺ mit den Grenzsignalen (oder deren Weglassung) kann der Schreiber vielmehr zum Ausdruck bringen, wie eng er den textlichen Zusammenhang zwischen zwei Sätzen sieht. Diese Syngrapheme haben hier also die Nebenfunktion von textsemantischen Klassifikatoren.

3.

Zum Gebrauch des Kommas

Wenn man von der Satzverbindung absieht, erweist sich das Komma als das primäre Syngraphem zur Grenzsignalisierung im Innern von Wurzelsätzen. Hier spielen vor allem zwei Regularitäten die Hauptrolle. Zum einen werden die Glieder von Reihungen abgegrenzt, zum anderen bestimmte Typen von Konstituenten. Im ersten Fall handelt es sich um das einfache Komma, im zweiten Fall grundsätzlich um das paarige. Wie in Abschnitt 1.3 erwähnt, wird die Paarigkeit aber von Kombinationsregeln öfter verunklärt. 3.1. Das einfache Komma in der Koordination Die Glieder einer koordinativen Reihe innerhalb eines Wurzelsatzes werden grundsätzlich mit Komma (in einigen markierten Fällen auch mit Semikolon) voneinander getrennt. Auf das Komma wird nur verzichtet, wenn die Koordination mit bestimmten Wörtern markiert wird, die eine geschlossene Menge bilden. Im Deutschen sind das: und, sowie, wie (⫽ und), oder, entweder⫺oder, weder⫺ noch, sowohl⫺als auch, beziehungsweise (bzw.). Kategoriell handelt es sich dabei vermutlich um die „echten“ koordinierenden Konjunktionen, von denen die anderen hierher gestellten Wörter (zum Beispiel auch, aber, sondern) zu trennen sind. Im Detail weichen die Regeln zur Koordination in den einzelnen Sprachen nur leicht voneinander ab. So steht im Englischen bei drei- und mehrgliedrigen Reihungen vor and ein Komma, vor der deutschen Entsprechung und hingegen nicht.

3.2. Das paarige Komma in finiten Nebensätzen Bestimmte Konstituenten werden in Wurzelsätzen mit Komma vom Rest des Wurzelsatzes abgetrennt oder ausgegrenzt. Dabei spielen die folgenden Merkmale der Konstituente eine Rolle: (1) die syntaktische Kategorie; (2) ihre Valenz- oder Selektionsmerkmale, (3) ihre Position. Beim ersten Kriterium geht es in erster Linie um die „Satzwertigkeit“. Bei den Selektionsmerkmalen spielen zwei Oppositionen eine Rolle: diejenige zwischen Ergänzungen und Angaben und diejenige zwischen restriktiven und appositiven Satzteilen. Beim positionellen Kriterium ist vor allem das syntaktische Merkmal der Links- oder Rechtsextraponiertheit maßgebend. In der Gewichtung der Kriterien weichen die Normen der einzelnen Sprachen teilweise stärker voneinander ab. Im Deutschen werden Nebensätze mit einem finiten Verb (finite Nebensätze) generell mit Komma vom Rest des Wurzelsatzes getrennt; maßgebend ist also allein ihr kategorialer Status. Im Gegensatz dazu werden in den meisten anderen europäischen Sprachen auch noch die Selektionsmerkmale berücksichtigt. So werden im Englischen und im Französischen Ergänzungssätze sowie restriktive Adverbial- und Attributsätze im Gegensatz zum Deutschen nicht mit Komma abgetrennt. Deutsch: Ich weiß, daß sie kommt. Das ist das Buch, das ich kaufen möchte. Französisch: Je sais qu’elle viendra. C’est le livre que j’aimerais acheter. Englisch: I know that she will come. That’s the book I would like to buy. Ferner spielt in diesen Sprachen auch die Position eine Rolle. So sind im Französischen wurzelsatzinitiale Nebensätze als linksextraponiert zu betrachten (Adjunktion an den Wurzelsatz); dies im Gegensatz zum Deutschen, wo solche Sätze das Vorfeld (SpecC) einnehmen. Sie werden dann wie entsprechende Präpositionalphrasen mit Komma abgetrennt: Avant qu’elle parte pour le Japon, Jeanne viendra nous voir. Ebenso: Avant son de´part, Jeanne viendra nous voir. Aber: Jeanne viendra nous voir avant qu’elle parte pour le Japon. 3.3. Das paarige Komma in Infinitivkonstruktionen Die Satzwertigkeit spielt im Deutschen auch bei Infinitiv- und Partizipialkonstruktionen die entscheidende Rolle. Die Kommaregeln lassen sich hier nämlich ⫺ von ein paar Aus-

1460 nahmen abgesehen ⫺ ohne Rückgriff auf die gesprochene Sprache rein syntaktisch begründen. In der Formulierung der bestehenden Regelwerke kommt dies allerdings nicht recht zum Ausdruck. Ich konzentriere mich im folgenden auf Infinitivkonstruktionen und stütze mich dabei auf die Arbeiten von von Stechow & Sternfeld (1988, 406⫺477), Bech (1955/1957) sowie Baker (1988). Die Satzwertigkeit eines Infinitivs hängt davon ab, ob er ins übergeordnete Prädikat inkorporiert ist oder ob er ein eigenständiges Prädikat bildet. Im ersten Fall ist die Infinitivgruppe nicht satzwertig oder „kohärent“; entsprechend wird sie nicht mit Komma abgetrennt. Im zweiten Fall ist sie satzwertig oder „inkohärent“ und wird mit Komma abgetrennt. Ich zähle im folgenden eine Reihe von Kriterien und Indizien auf, die auf Kohärenz oder Inkohärenz schließen lassen. (1) Beziehung zwischen Infinitiv und übergeordnetem Prädikat: Ob ein Infinitiv kohärent ist, wird vom übergeordneten Verb (oder Adjektiv) gesteuert. Notwendige ⫺ aber nicht hinreichende ⫺ Bedingung für Kohärenz ist also, daß der Infinitiv im Rektionsbereich des übergeordneten Verbs steht. Das trifft unter anderem auf Objektsinfinitive zu, nicht aber auf die Subjektsinfinitive zumindest der transitiven Verben. Es erstaunt darum nicht, daß die gegenwärtige Regel, daß Sujektsinfinitive, obwohl inkohärent, nicht mit Komma abgetrennt werden dürfen, häufig nicht beachtet wird ⫺ die Regel ist ganz einfach nicht adäquat. Ein Beispiel: Längere Texte zusammmenzufassen (ø) fiel ihm immer etwas schwer. Aber mit inkohärentem Objektsinfinitiv: Längere Texte zusammenzufassen, liebte er gar nicht. Immer inkohärent sind ferner adverbiale Inifinitivgruppen, die mit Partikeln wie um, ohne, statt eingeleitet werden: Sie hatte die Straße überquert, ohne auf den Verkehr zu achten. (2) Beziehung des übergeordneten Verbs zum Subjekt: Wenn das übergeordnete Verb dem Subjekt keine thematische Rolle zuweist (sognannte Anhebungs- oder Raising-Konstruktion), liegt Kohärenz vor. Ein Paraphrasentest kann dies zeigen: Die Mauer droht auf die Straße zu stürzen (⫽ es besteht die Gefahr, daß die Mauer auf die Straße stürzt). Aber: Der Terrorist drohte, alle umzubringen (⫽ der Terrorist sprach die Drohung aus, daß er alle umbringt). Bei den übrigen noch in Frage kommenden Infinitivkonstruktionen (siehe Punkt 1) kann es je nach übergeordnetem Verb der Fall sein, daß der Infinitiv (1) immer

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

kohärent ist, (2) immer inkohärent ist, (3) kohärent und inkohärent sein kann. Immer kohärent (nie Komma): Daniel scheint noch im Büro zu sein. Immer inkohärent (immer Komma): Gisela zögerte, den Umschlag zu öffnen. Inkohärent oder kohärent (je nachdem mit oder ohne Komma): Petra versuchte(,) das Gerät zu reparieren. In Zweifelsfällen kann man sich an die in den folgenden Punkten aufgeführten formalen und positionellen Indizien halten. (3) Formales Indiz: Infinitive ohne zu sind kohärent: Petra half uns den Kasten einräumen. Aber: Petra half uns, den Kasten einzuräumen. (4) Formales Indiz: Wenn die Infinitivgruppe mit dem übergeordneten Verb über ein Korrelat angebunden ist, ist sie inkohärent: Das Kätzchen liebte es, an der Sonne zu liegen. Wir rechneten damit, das Ziel vor 20 Uhr zu erreichen. (5) Positionelles Indiz: Wenn der Infinitiv links vom zweiten Teil der Satzklammer des übergeordneten Satzes steht, ist er kohärent; wenn er rechts davon steht (⫽ Extraposition nach rechts), ist er inkohärent. Deutlich wird dies bei zusammengesetzten Tempusformen oder bei Verben mit Verbzusätzen: Peter hatte das Gerät zu reparieren versucht (kohärent). Peter hatte versucht, das Gerät zu reparieren (inkohärent). Peter hatte vor, das Gerät zu reparieren (inkohärent). (6) Positionelles Indiz: Wenn die Satzteile, die zum Infinitiv gehören, durch Satzteile, die zum übergeordneten Prädikat gehören, vom Infinitiv getrennt sind, ist der Infinitiv kohärent: Leider vermochte dieses Gerät niemand zu reparieren. Dieses Gerät vermochte niemand zu reparieren. Dies trifft auch auf die Negation nicht zu: Peter vermochte das Gerät nicht zu reparieren (kohärent). Aber: Peter vermochte nicht, das Gerät zu reparieren (inkohärent). Die Regel, daß inkohärente Infinitive mit Komma abgetrennt werden, kennt in den gegenwärtigen Normen eine Ausnahme: Wenn vom Infinitiv keine Konstituenten abhängen (⫽ nichterweiterter Infinitiv), wird auf das Komma verzichtet: Ich wurde gebeten zu gehen. Vermutlich handelt es sich um eine Interferenz mit der gesprochenen Sprache. ⫺ Da die Ausnahme in dieser allgemeinen Formulierung offensichtlich nicht adäquat ist, ist sie im Lauf der Zeit von zahlreichen Unterregeln („Ausnahme der Ausnahme“) teilweise aufgehoben worden. So sieht beispielsweise eine subtile Unterregel vor, daß nachgestellte

128. Interpunktion (Syngrapheme)

(rechtsextraponierte) Subjektsinfinitive in Prädikativkonstruktionen auch nichterweitert ein Komma haben (man beachte den Beschreibungsaufwand!): Martins Absicht war, zu gehen. Die Unterscheidung von kohärenten und inkohärenten bzw. nichtsatzwertigen und satzwertigen Infinitivkonstruktionen läßt sich auch in anderen Sprachen treffen. Sie ist dort aber für die Kommatierung meist irrelevant. 3.4. Das paarige Komma bei freien Angaben (Adjunkten) Das Kriterium der Restriktivität kommt im Deutschen wegen der obligatorischen Kommatierung aller satzwertigen Fügungen nur bei nichtsatzwertigen Adjunkten zum Tragen. So können nichtrestriktive freie Angaben mit paarigem Komma abgegrenzt werden; sie kommen dann oft elliptischen Parenthesen nahe. Restriktive freie Angabe (ohne Komma): Manuela geht vor allem samstags gern ins Kino. Nichtrestriktive (parenthesenähnliche) freie Angabe (mit Komma): Manuela geht, vor allem samstags, gern ins Kino (parenthetisch: Manuela geht ⫺ dies gilt vor allem samstags ⫺ gern ins Kino). Die Kommaregeln scheinen darauf hinzudeuten, daß im Deutschen satzinitiale freie Angaben immer als restriktiv zu verstehen sind: Vor allem samstags geht Manuela gern ins Kino. Nicht: Vor allem Samstags, geht Manuela gern ins Kino. Wenn manche Schreiber nach solchen Adjunkten ⫺ aber auch beispielsweise nach komplexeren Subjekten ⫺ gleichwohl ein Komma machen, so ist dies vermutlich auf eine Interferenz mit der gesprochenen Sprache zurückzuführen. 3.5. Zur Interaktion der Kommaregeln Wenn von zwei Regeln die eine an einer Position ein Komma verlangt, die andere nicht, wird im Deutschen nach den bestehenden Normen grundsätzlich ein Komma gesetzt. Kommaregeln können also von „Nichtkommaregeln“ nicht aufgehoben werden. Vgl. die folgenden Beispiele: Er murmelte, er wisse schon Bescheid, und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Hanna Müller, die Chefin, und Eva Dobler, ihre Assistentin, führten uns durch den Betrieb. Daß vor und je ein Komma steht, hat nichts mit den Kommatierungsregeln in der Koordination zu tun, sondern es liegt das zweite Komma des Kommapaars vor, das den vorangehenden Nebensatz bzw. die vorangehende Apposition abgrenzt. Entgegen den Normen fehlt das Komma in solchen

1461 Konfigurationen aber oft ⫺ möglicherweise auch aufgrund von Interferenzen mit der gesprochenen Sprache. Aufhebung einer Kommaregel sehen immerhin auch die gegenwärtigen Normen in einigen periphereren Erscheinungen vor. So fehlt das Komma, wenn der Matrixsatz nach einer nebensatzwertigen direkten Rede (siehe dazu 4.6, Anführungszeichen) weiterführt: Er murmelte: „Ich weiß schon Bescheid“ und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Aber mit indirekter Rede: Er murmelte, er wisse schon Bescheid, und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Diese reichlich arbiträre Sonderregelung wird allerdings oft nicht eingehalten. Ein zweiter Fall von Aufhebung einer Kommaregel liegt vor, wenn satzwertige und nichtsatzwertige Phrasen koordiniert werden: Werner kaufte Lebensmittel und was er sonst so braucht, im Tante-EmmaLaden ein. Fazit: Konflikte zwischen Regeln kommen hauptsächlich vor, wenn die eine Regel die Koordination, die andere die Ausgrenzung bestimmter Konstituenten durch paariges Komma betrifft. 3.6. Zur Frage des sogenannten „Pausenkommas“ Die Kommaregeln sind in verschiedenen Sprachen immer wieder als kompliziert empfunden worden. Dabei ist öfter vorgeschlagen worden, die verschiedenen Kriterien zur Kommasetzung durch die „Pausenkommatierung“ zu ersetzen: Wenn bei Umsetzung in gesprochene Sprache eine Pause gemacht wird, ist in geschriebener Sprache ein Komma zu setzen. Eine solche Regelung ist ⫺ bemerkenswerterweise neben der traditionellen ⫺ seit einiger Zeit für das Dänische in Kraft. Mit dem „Pausenkomma“ soll eine stärkere Parallelisierung von gesprochener und geschriebener Sprache und damit eine bessere Lernbarkeit der Kommatierung erreicht werden. Nun weichen gesprochene und geschriebene Sprache in den Segmentierungsund Klassifizierungsmitteln schon formal erheblich voneinander ab. Typische Mittel der geschriebenen Sprache sind neben den Syngraphemen bestimmte Techniken der Schriftmodifikation (Großschreibung, Fettschrift, Kursive, andere Schriftgröße usw.) sowie die Textblockbildung (Gliederung des Grundtextes in Abschnitte, besondere Positionierung bestimmter Textteile wie Überschriften, Legenden, Fußnoten usw.) (Gallmann 1985, 14⫺17, 193⫺202). Ihnen stehen in der gesprochenen Sprache gegenüber: die Tonhöhe (Hebung und Senkung der Stimme), die Glie-

1462

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

derung der Äußerung in Tongruppen, der Rhythmus (die Bildung von Akzentsilben) und die Hervorhebung besonderer Elemente („Satzakzent“, „Satzbetonung“). Die Pausenbildung ist dabei ein sekundäres Mittel, das hauptsächlich mit der Tongruppenbildung zusammenhängt (Grundzüge 1981, 840). Bei so großen Unterschieden in den formalen oder „substantiellen“ Aspekten der Segmentierungs- und Klassifizierungsmittel sind entsprechende Eigengesetzlichkeiten auch in funktionaler Hinsicht, das heißt in ihrer Anwendung, zu erwarten. Gesprochene und geschriebene Sprache sind hier tatsächlich nur sehr indirekt aufeinander beziehbar; die geschriebene Sprache zeigt also gerade in diesem Bereich große Autonomie. Die Äquivalentsetzung von Pausenbildung und Kommatierung wird dieser Autonomie nicht gerecht.

4.

Syngrapheme mit stärker klassifizierender Funktion

Syngrapheme können die Funktion von textsemantischen Klassifikatoren haben. Relativ vage textsemantische Klassifikation haben wir teilweise schon bei den in den vorangehenden Abschnitten beschriebenen Syngraphemen antreffen können, deren Hauptaufgabe die Segmentierung syntaktischer Einheiten ist. Bei den im folgenden behandelten Syngraphemen steht die Funktion der textsemantischen Klassifizierung stärker im Vordergrund. Man kann hier zwei Varianten unterscheiden: (1) Die ab- oder ausgegrenzten Textsequenzen stimmen mit bestimmten syntaktischen Einheiten überein; die Syngrapheme fungieren dann auch als syntaktische Grenzsignale. (2) Die ab- oder ausgegrenzten Einheiten fallen nicht mit bestimmten syntaktischen Einheiten zusammen. Im ersten Fall ersetzen die betreffenden Syngrapheme rein syntaktische Grenzsignale, im zweiten Fall können sie mit solchen kombiniert werden. Für die zweite Variante typisch sind vor allem die Anführungszeichen. 4.1. Der Doppelpunkt Der Doppelpunkt schließt eine Textsequenz ab, auf die etwas folgen muß ⫺ anders gesagt: er kündigt etwas an. Konventionalisiert ist dies im Deutschen bei direkter Rede, wenn das Verb des Matrixsatzes vorangeht (im Englischen steht dann meist ein Komma): Georg sagte: „Ich komme bald!“ (Englisch: George said, “I’m coming soon!”). Konventio-

nalisiert ist der Doppelpunkt ferner bei extraponierten Fügungen, zum Beispiel listenartigen Aufzählungen: Die Tasche muß enthalten: zwei Batterien, einen Schraubenzieher und ein Kabel. Freier ist die Verwendung an der Grenze zweier Wurzelsätze, von denen der zweite eine Folge, eine Folgerung oder eine Begründung ausdrückt: Schon nach drei Kilometern blieben wir stehen: der Tank war leck! In allen genannten Beispielen ist der Doppelpunkt mit einer syntaktischen Grenze zusammengefallen. Gelegentlich zeigt er aber eine rein textsemantische Grenze an: Ich wollte nur noch: schlafen! Wenn in solchen Fällen auf die textsemantische Grenzklassifizierung verzichtet wird, steht kein Komma oder sonstiges Syngraphem an seiner Stelle. 4.2. Die Klammern Klammern grenzen Einheiten in Texten ab, um sie als nebensächliche oder aber auch als nützliche Zusatzinformation zu markieren. Hinsichtlich der Komplexität können Abschnitte, Sätze, satzinterne Konstituenten, Einzelwörter, ja sogar Wortteile oder einzelne Grapheme eingeklammert werden. Einklammerung von Wortteilen findet sich beispielsweise in Bezeichnungen von Personen beiderlei Geschlechts wie Student(in), Student(inn)en. Die Klassifikation des Ableitungssuffixes -in(n) als „nebensächlich“ oder gar als „weglaßbar“ hat diese Schreibungen allerdings auch schon zum Gegenstand der Sprachkritik gemacht (Ludwig 1989, Gallmann 1992). In bestimmten Textsorten werden Klammervarianten verwendet, um das damit Ausgegrenzte genauer zu klassifizieren: ( ), [ ], { }, * +. So können Klammervarianten Herkunftsangaben, Kommentare, Ergänzungen in Zitaten usw. umschließen. In allgemeinsprachlichen Texten werden eckige Klammern vor allem zur Einklammerung innerhalb einer komplexeren Einklammerung verwendet; die Klammervariante drückt dann lediglich den hierarchischen Status der Klammerung aus. Klammern können mit anderen Syngraphemen kombiniert werden. Besonders wenn Wurzelsätze eingeklammert werden, sind ⫺ entsprechend den Feinheiten ihrer Abgrenzung durch Punkt oder Komma ⫺ mehrere Varianten möglich: Das sind die wichtigsten Ergebnisse (die entsprechenden Belege finden sich auf Seite 28). Oder: Das sind die wichtigsten Ergebnisse. (Die entsprechenden Belege finden sich auf Seite 28.) Einzig paarige

128. Interpunktion (Syngrapheme)

Kommas, die genau die eingeklammerte Textsequenz ausgrenzen würden, fallen weg: Die Expertin stellte (vor allem in den einleitenden Abschnitten) einige Ungenauigkeiten fest. Die Klammern bilden hier mit dem paarigen Komma und dem paarigen Gedankenstrich ein Paradigma von Grenzsignalen mit unterschiedlicher klassifizierender Funktion; vgl. daneben: Die Expertin stellte, vor allem in den einleitenden Abschnitten, einige Ungenauigkeiten fest. Oder: Die Expertin stellte ⫺ vor allem in den einleitenden Abschnitten ⫺ einige Ungenauigkeiten fest. Andere Kommas bleiben auch beim Zusammentreffen mit Klammern erhalten: Sie wundern sich (so schreiben Sie), daß ich so wenig von mir hören lasse. 4.3. Der einfache Gedankenstrich Der einfache Gedankenstrich steht hauptsächlich innerhalb von Ganzsätzen. Er markiert dann primär eine textsemantische Grenze, beispielsweise einen Bruch in der Gedankenführung oder eine Überraschung: Alle waren da: Karin, Paul, Christine ⫺ und sogar Balthasar. Wenn auf den Gedankenstrich verzichtet wird, steht kein anderes Syngraphem an seiner Stelle: Alle waren da: Karin, Paul, Christine und sogar Balthasar. Aufgrund der graphotaktischen Regel, daß neben einem einfachen Gedankenstrich kein Komma stehen darf, kann der Gedankenstrich aber sekundär auch als syntaktisches Grenzsignal dienen, beispielsweise in Reihungen mit einer adversativen Konjunktion: Wir haben uns immer wieder bemüht ⫺ doch ohne Erfolg. Der Gedankenstrich bildet dann mit dem einfachen Komma ein Paradigma, vgl. daneben: Wir haben uns immer wieder bemüht, doch ohne Erfolg. Wenn der einfache Gedankenstrich zwischen Ganzsätzen steht, ist die Funktion eines textsemantischen Grenzsignals blasser. Oft ist er als bloßer Ersatz für ein Absatzende anzusehen, beispielsweise in Dialogen: Sie fragte immer wieder: „Was soll ich nur tun?“ ⫺ „Da kann ich dir auch nicht helfen“, meinte ihre Kollegin kühl. Gelegentlich kennzeichnet der einfache Gedankenstrich bei der Wiedergabe gesprochener Sprache einen abrupten Redeabbruch: „Sei still, du ⫺!“ schrie er ihn an. Sonst setzt man bei nicht zu Ende formulierten Sätzen eher Auslassungspunkte. 4.4. Der doppelte Gedankenstrich Der doppelte Gedankenstrich grenzt hauptsächlich Parenthesen und parenthesenähn-

1463 liche freie Angaben (Adjunkte) ab. Die so ausgegrenzten Konstituenten können nicht zusätzlich durch Kommas abgehoben werden; der doppelte Gedankenstrich fungiert also auch als syntaktisches Grenzsignal: Ich hatte sie ⫺ ich erinnere mich genau ⫺ an einem Betriebsfest zuerst gesehen. Hingegen kann ein Gedankenstrich eines Gedankenstrichpaars (im Gegensatz zum einfachen Gedankenstrich!) mit Kommas, die aus anderen Gründen gesetzt werden müssen, sowie mit sonstigen Grenzsignalen kombiniert werden: Sie plant ⫺ du weißt es sicher ⫺, nach New York zu verreisen. Wie schon in Abschnitt 4.2 ausgeführt, steht der parenthesenausgrenzende doppelte Gedankenstrich in einem Paradigma mit dem doppelten Komma und den Klammern (wobei die Kommas als Möglichkeit ausscheiden, wenn die Parenthese auf ein Fragezeichen oder ein Ausrufzeichen endet). 4.5. Die Auslassungspunkte Auslassungspunkte klassifizieren eine Grenze, an der der Text endet oder unterbrochen wird; der Leser wird dabei aufgefordert, den roten Faden selber weiterzuspinnen: Ich will mich dazu nicht weiter äußern … (aber der Leser kann sich ja das Seine denken!). Um Tabuwörter anzudeuten, aber nicht vollständig auszusetzen, kann ein Schreiber nach deren erstem Buchstaben Auslassungspunkte setzen: Dieses A… hat wieder alles verraten! Als eine Art graphische Proformen können sie ferner Auslassungen in Zitaten (meist in Verbindung mit Klammern) signalisieren: Magenta, Cyan und Gelb sind […] die Grundfarben des Offsetdrucks. Die Auslassungspunkte lassen sich mit anderen Syngraphemen kombinieren. Die einzige Ausnahme ist der Satzschlußpunkt (nicht aber der Abkürzungspunkt): eine rein graphotaktische Regel besagt, daß die Auslassungspunkte zugleich als neutrales Satzschlußsignal fungieren können, der Punkt also weggelassen wird. 4.6. Die Anführungszeichen Die Form der Anführungszeichen ist im Gebiet der lateinischen Schrift merkwürdig uneinheitlich, ihre Gestalt wechselt von einem Sprachgebiet zum anderen und zum Teil sogar innerhalb eines Sprachgebiets. Deutsch: „Wort“, »Wort« (in der Schweiz: «Wort»), Französisch: «mot», Englisch: “word”. Teilweise gibt es neben diesen „zweistrichigen“ Formen noch einfache: ,Wort‘, ›Wort‹ (in der Schweiz: ‹Wort›; in Frankreich unüblich),

1464 Englisch: ‘word’. Sie werden normalerweise dazu benutzt, Anführungen innerhalb von Anführungen zu markieren: „Die Passagiere der ‘Aurora’ werden gebeten, an Bord zu gehen“, tönte es aus dem Lautsprecher. In bestimmten Textsorten werden sie vorzugsweise modifizierend verwendet, während die „zweistrichigen“ Formen der Zitatmarkierung vorbehalten sind (siehe dazu das Folgende). Anführungszeichen haben nach Klockow (1980) zwei Hauptfunktionen: (1) Sie heben Zitiertes aus dem Kotext ab. Klockow nennt diese Verwendung „konventionell“. (2) Sie grenzen Texteinheiten aus, bei denen der Schreiber dem Leser irgendeine Abweichung vom Normalgebrauch signalisieren will; Klockow spricht hier von modalisierender Funktion. Ich gehe zuerst auf den Gebrauch in Zitaten ein. Hier sind zwei Arten zu unterscheiden, „metasprachliche“ und „pragmatische“ (Gallmann 1985, 176⫺186). Bei „metasprachlichen“ Zitaten berichtet ein Autor über Sprachliches, handle es sich um die Wiedergabe eines konkreten Dialogs (direkte Rede) oder um allgemeines sprachliches Kulturgut (bis zur linguistischen Beschäftigung mit Sprache). Solche Zitate sind meist in einen Matrixsatz eingebettet und nehmen darin entweder die Funktion eines Nebensatzes oder eines nominalen Phrasenkerns (N⬚) ein (⫽ äußere kategorielle Merkmale). Nebensatzwertige Zitate sind intern normalerweise als Wurzelsätze zu bestimmen, während Nwertige (nomenwertige) Zitate intern von beliebiger Komplexität sein können. Ich führe ein paar Beispiele an. Nebensatzwertiges Zitat, interne Struktur Wurzelsatz (die typischste Form direkter Rede): Er mäkelte: „Dieser Wein schmeckt nach Essig.“ N-wertiges Zitat (darum keine Kommas!), interne Struktur Wurzelsatz: Sein mäkelndes „Dieser Wein schmeckt nach Essig“ kränkte den Wirt. Nwertige Zitate, interne Struktur Wortgruppe: Statt „ich schlösse“ sagt man meist „ich würde schließen“. Um einen Sonderfall von N-wertigen Zitaten handelt es sich bei Werkbezeichnungen. Über Werke spricht man nämlich, indem man ihre Überschrift zitiert (vgl. die ambige Bedeutung von „Titel“!): Mit „Der Richter und sein Henker“ gelang Dürrenmatt ein literarischer Krimi. Der metasprachliche Charakter von Werktiteln wird allerdings durch (nicht immer eingehaltene oder einhaltbare) grammatische Normen zur Kasusflexion teilweise verdeckt (Gallmann 1985, 179).

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Bei pragmatischen Zitaten äußert sich der Schreiber nicht über die Sprache anderer, sondern er gebraucht deren Sprache, baut sie so in seinen Text ein, daß meist nur noch die Anführungszeichen die fremde Herkunft anzeigen. Das Bedürfnis, Beginn und Ende von Fremdtext graphisch zu markieren, besteht vor allem im Journalismus und in der Wissenschaft, wo Wert darauf gelegt wird, daß ersichtlich ist, wieviel Text auf Eigenleistung beruht und wieviel abgeschrieben ist. Den modalisierenden Gebrauch der Anführungszeichen leitet Klockow (1978, 15) aus ihrer Kernfunktion, der Zitatkennzeichnung, ab: „Hier wie dort wird durch Anführungszeichen die volle Verantwortung für den markierten Teil der Äußerung zurückgewiesen“. Die modalisierende Wirkung kann drei Aspekte betreffen (Klockow 1978, 15): (1) Der Schreiber gibt zu erkennen, daß er den Ausdruck in nicht-naiver, kritischer Weise verwendet. (2) Die Anführungszeichen wirken als Aufforderung an den Leser, aus dem Gebrauch des markierten Ausdrucks nicht die üblichen Schlüsse zu ziehen. (3) Der markierte Ausdruck wird als in irgendeiner Weise ungewöhnlich hingestellt. Beispiele (nach Klockow 1978, 16): Bei Bullen „singen“ Freunde nicht (Soziolekt). Er zeigte eine „haarige“ Abendgarderobe (Relativierung der wörtlichen Bedeutung). Stones sprang „nur“ 2,23 Meter (Applikationsvorbehalt: Relativierung auf Stones’ übliche Leistungen). Anführungszeichen zeigen grundsätzlich keine syntaktischen Grenzen an; sie müssen daher nötigenfalls mit entsprechenden Grenzsignalen kombiniert werden. Die Kombinationsnormen sind ziemlich kompliziert und zumindest im Deutschen leider nicht völlig frei von Willkürlichkeiten, vor allem bei der direkten Rede (Gallmann 1985, 183⫺ 191). Zwischen den einzelnen Sprachen bestehen teilweise erhebliche Unterschiede. So steht im Deutschen das Komma normalerweise nach einem schließenden Anführungszeichen, im Englischen davor. Im Französischen wird bei langen pragmatischen Zitaten das eröffnende Anführungszeichen bei jedem Zeilenanfang wiederholt; im Englischen ist dies für die erste Zeile eines neuen Abschnitts üblich. N-wertige metasprachliche Zitate können statt mit Anführungszeichen auch mit anderen graphischen Mitteln aus dem Kotext ausgegrenzt werden, zum Beispiel Unterstreichung oder besonderer Schrift (kursiv, fett, nur Großbuchstaben usw.). Umfangreiche

128. Interpunktion (Syngrapheme)

pragmatische Zitate können zusätzlich oder ausschließlich mit Freistellung in einen eigenen Textblock mit besonderen Merkmalen (zum Beispiel kleinere Schrift, Einzug, farbiger Raster, Rähmchen) markiert werden. Bei direkter Rede wird oft auf die Anführungszeichen verzichtet, vor allem in Belletristik mit längeren Dialogen (teilweise wird dann der Sprecherwechsel mit Gedankenstrichen am Zeilenanfang markiert, so häufig im Französischen). Alternativen fehlen also nur für die modalisierenden Anführungszeichen.

5.

Syngrapheme an und in Wortformen

5.1. Der Abkürzungspunkt Der Abkürzungspunkt läßt sich aus der geschriebenen Sprache allein nicht verstehen: Er markiert eine Wortgrenze, die bei Umsetzung in gesprochene Sprache keine ist, das heißt ergänzt werden muß (und auch in geschriebener Sprache ergänzt werden kann): *Abt.+ → /’aptailun/, nicht etwa /’apt/. Diese besondere Beziehung unterscheidet die eigentlichen Abkürzungen von anderen Kurzformen, zum Beispiel den Kürzeln wie Akku (für: Akkumulator), die die üblichen Korrespondenzen zur gesprochenen Sprache aufweisen, oder den Inititalwörtern, die besonderen Großschreibregeln unterliegen und in gesprochener Sprache meist buchstabiert werden, vgl. *GmbH+ → /ge:imbe:’ha:/. In einigen inhaltlich umschreibbaren Gruppen von Abkürzungen fehlt der Abkürzungspunkt, so bei metrischen Maßen (→ Art. 135). 5.2. Der Ergänzungsstrich Im Gegensatz zum Abkürzungspunkt ist der Ergänzungsstrich (oder Ergänzungsbindestrich) nur aus dem System der geschriebenen Sprache selbst verstehbar ⫺ er kennt weder ein direktes noch ein indirektes gesprochenes Äquivalent. Der Ergänzungsstrich zeigt eine Wortgrenze mit einer „Leerstelle“ an: in einer koordinativen Reihe ist ein Wortteil nur einmal ausgesetzt worden: Ein- und Ausgänge (⫽ Eingänge und Ausgänge), Waldbäume und -sträucher (⫽ Waldbäume und Waldsträucher), Schnellstraßenbahnen- und -autobuslinien (⫽ Schnellstraßenbahnlinien und Schnellautobuslinien). 5.3. Der Bindestrich in mehrteiligen Wortformen Der Bindestrich steht als Grenzsignal zwischen Wortteilen ⫺ dies allerdings nur, wenn bestimmte zusätzliche Kriterien erfüllt sind.

1465 Dies ist unter anderem der Fall, wenn deren Teile mit unterschiedlichen Schreibtechniken realisiert werden. In 100-m-Lauf ist der erste Wortteil in Ziffern geschrieben, der zweite als Abkürzung. Wenn das Wort alphabetisch ausgeschrieben wird, steht kein Bindestrich: der Hundertmeterlauf. Um Schemakonstanz geht es in einer Reihe von komplexen Wortformen (Gallmann 1989; 1990). So wird in Komposita ein Bindestrich gesetzt, wenn zu befürchten ist, daß das Schema der einzelnen Konstituenten nicht ohne weiteres erkannt wird, beispielsweise in Rad-Artisten (statt: Radartisten; mögliche Fehllesung: Radar…. Schemakonstanz spielt auch in Nominalisierungen von Wortgruppen eine Rolle. Da Nominalisierungen syntaktisch als einfache Wortformen zählen, wäre Zusammenschreibung zu erwarten. Andererseits sollten sich Nominalisierungen von den ursprünglichen Wortgruppen nicht allzusehr unterscheiden (Schemakonstanz), was für Getrenntschreibung spräche. Die Bindestrichschreibung stellt hier einen Kompromiß dar: Vorsichtiges Durch-die-BlumeReden hilft zuweilen mehr als lautes Auf-diePauke-Hauen. Bei Personennamen werden (aus pragmatischen Gründen) erhöhte Anforderungen an die leichte Erkennbarkeit gestellt. Ermöglicht wird dies durch die Schreibung mit Bindestrich: die ChruschtschowRede. Bei mehrgliedrigen Eigennamen werden die Bindestriche zwischen den Namenteilen zur Erhöhung der Schemakonstanz allerdings oft weggelassen: das Konrad EscherDenkmal (regelkonform: das Konrad-EscherDenkmal). Eine klassifizierende Nebenfunktion scheint der Bindestrich in Kopulativkomposita zu haben. Der Bindestrich macht hier deutlich, daß zwischen deren Teilen semantisch eine Nebenordnung vorliegt: ein Ingenieur-Kaufmann, die deutsch-französische Grenze. Gleiches gilt für die Vorderglieder von Komposita mit kopulativem Verhältnis: die Schwefel-Chlor-Verbindung, die KostenNutzen-Analyse. 5.4. Der Trennstrich Zeilengrenzen sind normalerweise zugleich Wortgrenzen. Wenn das nicht der Fall ist, muß dies mit einem besonderen Signal angezeigt werden: dem Trennstrich. Dieser klassifiziert also eine Zeilengrenze als Nichtwortgrenze ⫺ er ist so Grenzsignal und „NichtGrenz-Signal“ zugleich. Keineswegs selbstverständlich ist, daß die Regeln zur Anwen-

1466 dung des Trennstrichs in geschriebenen Wörtern einen Zusammenhang mit der Syllabierung von deren gesprochenen Äquivalenten zeigen; von da versteht sich auch der verkürzende Terminus „Silbentrennung“. Die Trennregeln sind allerdings systematisiert worden. Allzu starke Abweichungen von den Regularitäten der gesprochenen Sprache werden aber als störend empfunden, wie sich bei der umstrittenen und öfter als reformbedürftig erklärten st-Regel zeigt (gegenwärtige Norm: Ka-sten, Sech-stel, wir rei-sten). Rein morphematische Trennregeln (wie teilweise im Englischen) haben sich nicht durchsetzen können (Beispiel: Mein-ung, Rechn-ung, Schreib-er). Wo Trennstellen mit Morphemgrenzen zusammenfallen, entspricht ihnen in gesprochener Sprache normalerweise eine Silbengrenze: ein-äugig, Recht-eck, miß-achten. Wo dies nicht der Fall ist, irritieren die von den Normen vorgesehenen Trennungen oft, so bei dar-auf, her-auf, hin-auf oder bei Fremdwörtern wie Chir-urg, Heliko-pter, Phil-ippinen, Korre-spondenz. 5.5. Der Apostroph Der Apostroph steht hauptsächlich an Wortgrenzen, wenn dort in irgendeiner Hinsicht etwas fehlt (vgl. dazu eingehender Gallmann 1989). Dies kann zum Beispiel die Schemata von Wortformen betreffen, die in der geschriebenen Standardsprache stärker normiert sind als in der gesprochenen. Wenn das normativ festgeschriebene Schema nicht eingehalten wird, indem Buchstaben weggelassen werden (meist in Anlehnung an entsprechende Formen der gesprochenen Sprache), muß dies mit dem Apostroph gekennzeichnet werden ⫺ der Apostroph klassifiziert also einen Normverstoß an einer Wortgrenze. So verlangt die gegenwärtige Norm, daß Verbformen in der 1. Person Singular auf -e ausgehen: ich suche das, das kaufe ich. Formen ohne -e erhalten den Apostroph: ich such’ das, das kauf ich. Es ist sehr fraglich, ob dieser Gebrauch des Apostrophs dem Leser etwas nützt. Ist er wirklich darauf angewiesen, daß ihm Normabweichungen angezeigt werden, etwa weil er die Wortform sonst nicht richtig erfaßt? Die gegenwärtigen Regeln sind überdies subtil bis willkürlich. So ist beispielsweise das Weglassen des Schluß-e im Imperativ erlaubt: Kauf das nicht! Ein besonderer Typ unvollständiger Wortform liegt im Genitiv artikelloser Eigennamen vor. Hier wird anstelle des Genitiv-s der Apostroph gesetzt, wenn die Nominativform

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

in der gesprochenen Sprache (!) auf /s/ und/ oder in geschriebener Sprache (!) auf *s, ß, z, x+ ausgeht: Klaus’ Zimmer, Alice’ Vorschläge, Felix’ Ankunft, Bordeaux’ berühmte Weine. Der Apostroph markiert hier nicht etwa einen Normverstoß ⫺ es handelt sich vielmehr um die einzig korrekte Schreibung ⫺, sondern er fungiert als eine Art Suffixersatz. Von den gegenwärtigen Normen nicht anerkannt ist eine weitere Gebrauchsweise des Apostrophs: diejenige eines Grenzsignals vor bestimmten Suffixen. Der Apostroph ist hier reines Grenzsignal, er markiert also keine Weglassung. Das könnte der Grund sein, warum er keinen Eingang in die Normen gefunden hat. Er bringt zum einen vor den Suffixen -s und -sch die Grundform von Personennamen deutlicher zum Ausdruck (Schemakonstanz): Uschi’s Blumenshop, das Wakkernagel’sche Gesetz. Dieser Gebrauch findet sich auch im Englischen ⫺ ist aber nicht etwa von dort entlehnt worden (Zimmermann 1983/1984) ⫺ sowie in weiteren Sprachen (Gallmann 1985, 103). Zum andern steht der Apostroph öfter vor dem Suffix -s von Initialwörtern: des Pkw’s, des IO’s, die GmbH’s.

6.

Literatur

Baudusch, Renate. 1980. Zu den sprachwissenschaftlichen Grundlagen der Zeichensetzung. In: Nerius & Scharnhorst, 216⫺231. ⫺. 1981. Untersuchungen zu einer Reform der deutschen Orthographie auf dem Gebiet der Interpunktion. In: Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu einer Reform der deutschen Orthographie. Berlin (⫽ Linguistische Studien 83/I und 83/ II), 216⫺323. Bech, Gunnar. 1955/57. Studien über das deutsche Verbum infinitum. Tübingen. Deutsche Rechtschreibung. 1992. Deutsche Rechtschreibung. Vorschläge zu ihrer Neuregelung. Herausgegeben vom Internationalen Arbeitskreis für Orthographie. Tübingen. Feldbusch, Elisabeth. 1985. Geschriebene Sprache. Untersuchungen zu ihrer Herausbildung und Grundlagen ihrer Theorie. Berlin⫺New York. Gallmann, Peter. 1985. Graphische Elemente der geschriebenen Sprache. Grundlagen für eine Reform der Orthographie. Tübingen. ⫺. 1989. Syngrapheme an und in Wortformen. Bindestrich und Apostroph im Deutschen. In: Eisenberg, Peter/Günther, Hartmut (ed.), Schriftsystem und Orthographie. Tübingen, 85⫺110. ⫺. 1990. Wortschreibung und Schemakonstanz. Zeitschrift für Germanistik 5, 513⫺523.

1467

129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen ⫺. 1991. Bezeichnungen für männliche und weibliche Personen. Sprachspiegel 1991, Heft 5/6, 150⫺ 160. ⫺. 1992. Das Komma beim Infinitiv. Typographische Monatsblätter 1/1992, 10⫺16. Glinz, Elly & Glinz, Hans. 1978. Schweizer Sprachbuch 7./8. Schuljahr. Zürich. Grundzüge. 1981. Grundzüge einer deutschen Grammatik. Herausgegeben von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Karl Erich Heidolph, Walter Flämig und Wolfgang Motsch. Berlin. Günther, Hartmut. 1988. Schriftliche Sprache. Strukturen geschriebener Wörter und ihre Verarbeitung beim Lesen. Tübingen. Klockow, Reinhard. 1978. Anführungszeichen, Norm und Abweichung. Linguistische Berichte 57, 14⫺24. ⫺. 1980. Linguistik der Gänsefüßchen. Untersuchungen zum Gebrauch der Anführungszeichen im gegenwärtigen Deutsch. Frankfurt/M. Kohrt, Manfred. 1985. Problemgeschichte des Graphembegriffs und des frühen Phonembegriffs. Tübingen. ⫺. 1987. Theoretische Aspekte der deutschen Orthographie. Tübingen. Ludwig, Otto. 1989. Die Karriere eines Großbuchstabens ⫺ zur Rolle des großen ‘I’ in Personenbezeichnungen. Der Deutschunterricht 41/6, 80⫺87. Mentrup, Wolfgang. 1983. Zur Zeichensetzung im Deutschen. Oder: Müssen Duden-Regeln so sein, wie sie sind? Tübingen.

Nerius, Dieter. 1987. Deutsche Orthographie. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Dieter Nerius. Leipzig. Nerius, Dieter & Scharnhorst, Jürgen (ed.). 1980. Theoretische Probleme der deutschen Orthographie. Berlin. Schmidt, Claudia Maria. 1994. Die grammatische Basis der deutschen Orthographie: Kommasetzung bei Infinitiven mit „zu“. Linguistische Berichte 149, 27⫺55. Stechow, Arnim von. 1990. Status Government and Coherence in German. In: Grewendorf, Günther & Sternefeld, Wolfgang (ed.), Scrambling and Barriers. Amsterdam & Philadelphia, 143⫺198. Stechow, Arnim von & Sternefeld, Wolfgang. 1988. Bausteine syntaktischen Wissens. Opladen. Untersuchungen. 1981. Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu einer Reform der deutschen Orthographie. Berlin (⫽ Linguistische Studien 83/ I und 83/II). Veith, Werner H. 1989. Graphem, Grapheotagmem und verwandte Begriffe. In: Augst, Gerhard (ed.), Graphematik und Orthographie. Neuere Forschungen der Linguistik, Psychologie und Didaktik in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt/M. et al., 22⫺43. Zimmermann, Harald. 1969. Zur Leistung der Satzzeichen. Eine Studie über die Funktionen der Zeichensetzung im Deutschen, untersucht am Beispiel der Gegenwartssprache. Mannheim. ⫺. 1983/84. Der Genitivapostroph im Deutschen. Theorie und Praxis seines Gebrauchs in Geschichte und Gegenwart. Muttersprache 94, 417⫺434.

Peter Gallmann, Zürich (Schweiz)

129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Wort, Morphem und Schriftzeichen Die altchinesische Schriftsprache Der Übergang zur modernen geschriebenen Sprache Die Merkmale der modernen geschriebenen Sprache Abkürzungsverzeichnis Literatur

Viele Eigenheiten der schriftlichen Sprache im Chinesischen sind durch die spezifische chinesische Schrift zu erklären, deren Entwicklung wiederum aufs engste mit den Charakteristika der chinesischen Sprache verknüpft ist. Einmal entstanden, hatte die Schrift ihrerseits starke Rückwirkungen auf das Sprachbewußtsein ihrer Benutzer. Versu-

chen wir daher in aller Kürze, die Frage nach dem Charakter der chinesischen Zeichenschrift zu beleuchten.

1.

Wort, Morphem und Schriftzeichen

Im Altchinesischen waren die Wörter in ihrer großen Mehrzahl einsilbig. Es gab eine große Vielfalt in den Silbenstrukturen, so daß jede Silbe für das Ohr unterscheidbar war. In der Schrift war jedem einsilbigen Wort ein Schriftzeichen zugeordnet. Die Wörter des Chinesischen erlebten jedoch im Laufe der Entwicklung drastische Veränderungen in ihrem phonologischen Aufbau, vor allem Reduktionen in ihrem Konsonantenbestand,

1467

129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen ⫺. 1991. Bezeichnungen für männliche und weibliche Personen. Sprachspiegel 1991, Heft 5/6, 150⫺ 160. ⫺. 1992. Das Komma beim Infinitiv. Typographische Monatsblätter 1/1992, 10⫺16. Glinz, Elly & Glinz, Hans. 1978. Schweizer Sprachbuch 7./8. Schuljahr. Zürich. Grundzüge. 1981. Grundzüge einer deutschen Grammatik. Herausgegeben von einem Autorenkollektiv unter der Leitung von Karl Erich Heidolph, Walter Flämig und Wolfgang Motsch. Berlin. Günther, Hartmut. 1988. Schriftliche Sprache. Strukturen geschriebener Wörter und ihre Verarbeitung beim Lesen. Tübingen. Klockow, Reinhard. 1978. Anführungszeichen, Norm und Abweichung. Linguistische Berichte 57, 14⫺24. ⫺. 1980. Linguistik der Gänsefüßchen. Untersuchungen zum Gebrauch der Anführungszeichen im gegenwärtigen Deutsch. Frankfurt/M. Kohrt, Manfred. 1985. Problemgeschichte des Graphembegriffs und des frühen Phonembegriffs. Tübingen. ⫺. 1987. Theoretische Aspekte der deutschen Orthographie. Tübingen. Ludwig, Otto. 1989. Die Karriere eines Großbuchstabens ⫺ zur Rolle des großen ‘I’ in Personenbezeichnungen. Der Deutschunterricht 41/6, 80⫺87. Mentrup, Wolfgang. 1983. Zur Zeichensetzung im Deutschen. Oder: Müssen Duden-Regeln so sein, wie sie sind? Tübingen.

Nerius, Dieter. 1987. Deutsche Orthographie. Von einem Autorenkollektiv unter Leitung von Dieter Nerius. Leipzig. Nerius, Dieter & Scharnhorst, Jürgen (ed.). 1980. Theoretische Probleme der deutschen Orthographie. Berlin. Schmidt, Claudia Maria. 1994. Die grammatische Basis der deutschen Orthographie: Kommasetzung bei Infinitiven mit „zu“. Linguistische Berichte 149, 27⫺55. Stechow, Arnim von. 1990. Status Government and Coherence in German. In: Grewendorf, Günther & Sternefeld, Wolfgang (ed.), Scrambling and Barriers. Amsterdam & Philadelphia, 143⫺198. Stechow, Arnim von & Sternefeld, Wolfgang. 1988. Bausteine syntaktischen Wissens. Opladen. Untersuchungen. 1981. Sprachwissenschaftliche Untersuchungen zu einer Reform der deutschen Orthographie. Berlin (⫽ Linguistische Studien 83/ I und 83/II). Veith, Werner H. 1989. Graphem, Grapheotagmem und verwandte Begriffe. In: Augst, Gerhard (ed.), Graphematik und Orthographie. Neuere Forschungen der Linguistik, Psychologie und Didaktik in der Bundesrepublik Deutschland. Frankfurt/M. et al., 22⫺43. Zimmermann, Harald. 1969. Zur Leistung der Satzzeichen. Eine Studie über die Funktionen der Zeichensetzung im Deutschen, untersucht am Beispiel der Gegenwartssprache. Mannheim. ⫺. 1983/84. Der Genitivapostroph im Deutschen. Theorie und Praxis seines Gebrauchs in Geschichte und Gegenwart. Muttersprache 94, 417⫺434.

Peter Gallmann, Zürich (Schweiz)

129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Wort, Morphem und Schriftzeichen Die altchinesische Schriftsprache Der Übergang zur modernen geschriebenen Sprache Die Merkmale der modernen geschriebenen Sprache Abkürzungsverzeichnis Literatur

Viele Eigenheiten der schriftlichen Sprache im Chinesischen sind durch die spezifische chinesische Schrift zu erklären, deren Entwicklung wiederum aufs engste mit den Charakteristika der chinesischen Sprache verknüpft ist. Einmal entstanden, hatte die Schrift ihrerseits starke Rückwirkungen auf das Sprachbewußtsein ihrer Benutzer. Versu-

chen wir daher in aller Kürze, die Frage nach dem Charakter der chinesischen Zeichenschrift zu beleuchten.

1.

Wort, Morphem und Schriftzeichen

Im Altchinesischen waren die Wörter in ihrer großen Mehrzahl einsilbig. Es gab eine große Vielfalt in den Silbenstrukturen, so daß jede Silbe für das Ohr unterscheidbar war. In der Schrift war jedem einsilbigen Wort ein Schriftzeichen zugeordnet. Die Wörter des Chinesischen erlebten jedoch im Laufe der Entwicklung drastische Veränderungen in ihrem phonologischen Aufbau, vor allem Reduktionen in ihrem Konsonantenbestand,

1468

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Tab. 129.1 Zeichen

Bedeutung „Stein“ „zehn“ „Zeit“ „essen“ „kennen“

8.⫺7. Jh. v. Chr. d` 4ia˘k d` 4iep d` 4ieg d` ’i4ek s´4iek

600 n. Chr.

heute

z´4iäk z´4iep z´i dz´’i4ek s´4iek

shı´ shı´ shı´ shı´ shı´

was dazu führte, daß eine Vielzahl von Homophonen entstand. Da gesprochene Sprache aber immer akustisch verständlich bleiben muß, ging die chinesische Sprache den Weg, mehrsilbige Wörter durch Zusammenfügung von ⫺ nach wie vor einsilbigen ⫺ Wurzelmorphemen und (in geringem Umfang) silbischen Ableitungsmorphemen zu bilden. In der modernen Sprache dominieren daher die dimorphemischen Wörter, die lautlich klar unterscheidbar sind. Jedem Morphem der modernen Sprache ist ein Schriftzeichen zugeordnet, so daß, von wenigen Ausnahmen abgesehen, eine Eins-zu-eins-Relation zwischen Schriftzeichen und Morphem besteht. Die chinesische Schrift ist mithin dem Morphemschrifttyp zuzuordnen. Ein Beispiel soll das Dargestellte illustrieren (Tab. 129.1). Im modernen Chinesisch geht die Homophonie so weit, daß gewöhnlich eine Reihe von Morphemen in einer Silbe zusammenfällt. Die Silbe shı´ (im zweiten Tone) ist z. B. Träger der Morpheme „zehn“ ( ), „Stein“ ( ), „Zeit“ ( ), „essen“ ( ), „kennen“ ( ) u. a. m., die lautlich völlig ununterscheidbar sind. Dies war früher anders, wie die Rekonstruktionsarbeiten des schwedischen Gelehrten Karlgren und anderer Forscher zum phonologischen System des Chinesischen im 8.⫺7. vorchristlichen Jahrhundert und um 600 n. Chr. zeigen (Karlgren 1972). Betrachten wir die rekonstruierten Lautungen der obengenannten Morpheme. Wie wir sehen, waren die Silben in der Sprache des 8.⫺7. Jahrhunderts v. Chr. so differenziert, daß das Ohr ihre unterschiedlichen Konturen wahrnehmen konnte. Um 600 n. Chr. ist schon eine gewisse Reduktion, vor allem bei den Konsonanten, festzustellen. Im modernen Chinesisch kommen vier der fünf aufgezählten Morpheme mit der Lautung shı´ nur noch in dimorphemischen Wörtern vor. Nur shı´ „zehn“ wird als selbständiges Wort gebraucht.

(in shı´tou

„Stein“)

(in shı´hou (in shı´ta´ng (in re`nshi

„Zeit“) „Speisehalle“) „kennen“)

Jede Schrift ist gleichzeitig auch ein Mittel der sprachlichen Analyse. Da die chinesischen Zeichen im gleichen Abstand voneinander geschrieben werden, sind im Schriftbild nur die Morpheme als diskrete Einheiten zu unterscheiden. Das Schriftbild gibt keine Auskunft darüber, wo die Grenzen der Wörter liegen. Es nimmt daher nicht wunder, daß im Chinesischen die Schriftzeichen, chin. zı`, und das von ihnen Repräsentierte, nämlich die Morpheme, als Einheiten erkannt werden, mit anderen Worten, daß ein scharf ausgeprägtes Morphembewußtsein entstanden ist. Für die Größe „Wort“ gab es bis ins 20. Jahrhundert hinein keine Entsprechung; der heute gewählte Terminus cı´ ist eher ein technisches Fachwort, das nicht zur Alltagssprache gehört.

2.

Die altchinesische Schriftsprache

Einer Morphemschrift wie der chinesischen wohnen andere Gesetzmäßigkeiten inne als Alphabet- oder auch Silbenschriften. Die Schrift blieb, nachdem sie einmal geschaffen war, von den lautlichen Veränderungen der gesprochenen Sprache unberührt und begann allmählich, ein Eigenleben zu entwickeln. Ein einzelnes Schriftzeichen repräsentierte für das Auge nach wie vor unverwechselbar den gemeinten Begriff, auch als die Eindeutigkeit der Form für das Ohr verlorengegangen war. Infolgedessen konnte man, als sich die gesprochene Sprache zur Mehrsilbigkeit hin entwickelte, im schriftlichen Bereich weiter mit den Schriftzeichen für die alten einsilbigen Wörter operieren. Es entstand die sog. Schriftsprache, das wenyan, das im Laufe der Zeit immer mehr zu einem von der Umgangssprache gelösten Verständigungsmittel wurde. Wie verlief dieser Prozeß konkret? Die klassische Epoche des Altchinesischen umfaßt den Zeitraum vom 5. bis zum 3. vor-

1469

129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen

christlichen Jahrhundert, in dem die Werke der großen chinesischen Philosophen entstanden. Die Literatur jener Zeit war in einem geschliffenen, kurzen und prägnanten Stil geschrieben, doch stand die Sprache jener Werke der gesprochenen Sprache noch so nahe, daß sie auch gesprochen verstanden wurde. Bereits im 2. Jahrhundert v. Chr. machte sich ein Auseinanderdriften der gesprochenen und der geschriebenen Sprache bemerkbar. Diese entwickelte sich langsamer als jene, doch enthalten viele Werke der HanZeit (206⫺220 n. Chr.) noch Elemente der Umgangssprache. Ganz offensichtlich wird der Bruch im 7. Jahrhundert n. Chr., als die gesprochene Sprache aus dem Stadium des Altchinesischen in das des Mittelchinesischen überging. Die schriftliche Sprache war jetzt dadurch gekennzeichnet, daß die Autoren sich bewußt darum bemühten, die klassische geschriebene Sprache des 5.⫺3. Jahrhunderts v. Chr. und zum Teil auch der Han-Zeit zu kopieren. Das so entstandene artifizielle schriftliche Medium diente vor allem der Tradierung und Interpretation der konfuzianischen Lehre, es wurde in der philosophischen, historischen und wissenschaftlichen Literatur, bei der Gesetzgebung, in der offiziellen und geschäftlichen Korrespondenz und zum Teil auch in der schönen Literatur benutzt. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, daß das wenyan keinerlei Wandlungen durchgemacht hätte. Der Wechsel der Epochen hinterließ auch auf ihm seine Spuren, doch es vollzog die Änderungen der gesprochenen Sprache nicht mehr mit. Sein grundlegender Charakterzug blieb eine fast unglaubliche Knappheit und Prägnanz des Ausdrucks. Neben der schriftsprachlichen Literatur entstand, etwa vom 9. und 10. Jahrhundert ab, eine Literatur in der Umgangssprache, vor allem in der Gattung des Romans und des Dramas, doch bezeichnenderweise galten die Genres, in denen die Umgangssprache dominierte, als „niedrig“, der Beachtung durch einen gebildeten Menschen unwürdig. Die Schriftsprache behauptete die Szene bis in unser Jahrhundert hinein. Die Schriftzeichen schriftsprachlicher Texte werden heute in der modernen Lesung realisiert. Solche Texte sind akustisch weitgehend unverständlich, offenbaren ihren Sinn aber sofort in der visuellen Form. Zur Veranschaulichung diene der einleitende Absatz eines Essays des Gelehrten Han Yu (768⫺824), transkribiert durch die in der

Volksrepublik China übliche pinyin-Umschrift. shı¯ shuo¯ guˇ zhı¯ xue´ Lehrer sprechen Altertum AP lernen zheˇ bı` yoˇu shı¯ diejenigen, welche unbedingt haben Lehrer shı¯ zheˇ suoˇ yıˇ chua´n Lehrer SI das Mittel, wodurch vermitteln da`o sho`u ye` jieˇ Wahrheit geben Lehre erklären huo` yeˇ re´n fe¯i Zweifelhaftes sein (FP) Mensch nicht sein she¯ng e´r zhı¯ zhı¯ geboren werden IU wissen es (OV) zheˇ shu´ ne´ng wu´ derjenige, welcher wer können nicht huo` huo` e´r bu` co´ng Zweifel haben zweifeln aber nicht folgen shı¯ qı´ we´i huo` ye˘ Lehrer sein machen Zweifel IS zho¯ng bu` jie˘ yı˘ letzten Endes nicht lösen schon (FP) Übersetzung: „Über den Lehrer. Diejenigen, die im Altertum Wissen suchten, mußten unbedingt einen Lehrer haben. Der Lehrer ist ein Mensch, der die Wahrheit weitergibt, Unterricht gibt und Zweifelhaftes erklärt. Der Mensch ist nicht einer, der von Geburt an alles weiß. Wer kann ohne Zweifel sein? Wenn man Zweifel hat und nicht bei einem Lehrer lernt, dann wird man von seinem Zweifel nie mehr befreit werden“. Die einem chinesischen Lesebuch entnommene Übersetzung ins moderne Chinesisch lautet wie folgt: Guda`i qiu´ xue´ de re´n Altertum suchen lernen AP Menschen yı´dı`ng ya`o yo˘u la˘oshı¯ la˘oshı¯ unbedingt mußten haben Lehrer Lehrer shı` chua´nxı´ da`olı˘ jia˘ngsho`u sein weitergeben Wahrheit unterrichten

1470

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

xue´ye` jie˘shı` yı´huo` de Kenntnisse erklären Zweifelhaftes AP re´n re´n bu´ shı` she¯ng Mensch Mensch nicht sein geboren werden la´i jiu` mı´ngba´i yı´qie` da`olı˘ kommen dann verstehen alle Wahrheit de shuı´ ne´ng me´i yo˘u yı´huo` yo˘u AP wer kann nicht haben Zweifel haben yı´huo` e´r bu` ge¯nco´ng la¯oshı¯ xue´xı´ Zweifel aber nicht folgen Lehrer lernen ta¯ de yı´huo` yo˘ngyua˘n bu` ne´ng sein AP Zweifel ewig nicht können jie˘chu´ le lösen mehr (FP) Wie man sieht, liegen die Schriftsprache und die moderne geschriebene Sprache im Vokabular und im Gebrauch grammatischer Hilfswörter und Partikeln weit auseinander; in der modernen Sprache ist die Zahl der Zweisilber (Binome) um ein Vielfaches größer. Gleich geblieben sind allein die syntaktischen Regeln der Wortstellung.

3.

Der Übergang zur modernen geschriebenen Sprache

3.1. Die Schriftsprache verlor ihre beherrschende Stellung erst im 20. Jahrhundert. Im Jahre 1917 kam, durch den jungen Intellektuellen Hu Shi angestoßen, im Zuge der kulturellen Erneuerungsbewegung, die ihren Höhepunkt in der Bewegung vom 4. Mai 1919 hatte, eine literarische Revolution in Gang. Ihr Ziel war die Schaffung einer modernen, der Umgangssprache angenäherten Literatursprache, die das wenyan ersetzen sollte, genannt neue baihua oder einfach baihua „einfache Sprache“. Ihre Schöpfer, unter denen nur Chinas größter Schriftsteller des 20. Jahr-

hunderts, Lu Xun, genannt sein soll, knüpften zum Teil an die Tradition der sog. „alten baihua“ an, der alten schriftlichen Umgangssprache, wie sie in den Romanen früherer Jahrhunderte repräsentiert ist. Mit der modernen geschriebenen Sprache, die sich in wenigen Jahren in der Literatur und in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens durchsetzte, war ein Medium geschaffen, mit dessen Hilfe die in der 4. Mai-Bewegung vertretenen Ideen der Modernisierung, aber bald auch der Gedanke der sozialen Revolution an ein breites Publikum herangetragen werden konnten. Die propagandistische Funktion der neuen baihua wurde besonders von den Kommunisten entwickelt. Ein Musterbeispiel für einen klaren volkstümlichen Stil in baihua haben wir in der Sprache der „Ausgewählten Werke Mao Zedongs“. 3.2. Betrachten wir zunächst das räumliche Verbreitungsgebiet der baihua. Es umfaßt alle Teile der Volksrepublik China, in denen Chinesisch gesprochen wird, d. h. die von HanChinesen bewohnten Regionen, sowie Taiwan, Hongkong und ⫺ mit gewissen Einschränkungen ⫺ Singapur. Nun werden im chinesischen Sprachraum bekanntlich sieben oder acht Dialektgruppen unterschieden. Zwischen ihnen bestehen hohe Verständnisbarrieren; die Dialekte unterscheiden sich nicht weniger als die Tochtersprachen des Lateins. Alle Dialekte haben jedoch in der chinesischen Schrift eine gemeinsame Verständigungsbasis, was seine Erklärung darin findet, daß die Dialektunterschiede in der Phonologie am stärksten, im Wortschatz geringer und in der Syntax am geringsten sind. „Zehn“ heißt z. B. im (normativen) Beijing-Dialekt shı´, im Kanton-Dialekt seb6, im Minnan-Dialekt (Süd-Fujian) za´p, doch gemeinsam ist allen diesen Formen das Schriftzeichen „zehn“. Das heißt auch umgekehrt, daß jeder Chinese einen geschriebenen Text in der Aussprache seines Heimatdialektes liest. In Tab. 129.2 werden einige Lesungen in den genannten drei Dialekten gegenübergestellt.

Tab. 129.2 Zeichen

Bedeutung

Beijing-Dialekt

Kanton-Dialekt

Minnan-Dialekt

zehn klar, deutlich Literatur Frankreich

shı´ mı´ngba´i we´nxue´ fa˘guo´

seb6 ming4bag6 men4hog6 fad8guog3

za´p bbı´ngbı´k bbu´nha´k hua¯tgo¯k

1471

129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen

Die Dialekte vollzogen dank der Morphemschrift die Modernisierung der geschriebenen Sprache mit, ohne sich allerdings im phonologischen Bereich der Standard-Sprache anzunähern. 3.3. Trotz des Siegeszuges der baihua behauptete die alte Schriftsprache einige Reservate, aus denen sie sich nur allmählich verdrängen ließ. Hierher gehören die Sprache des Pressewesens, die Amtssprache und der Briefstil. 3.3.1. Zeitungen und Zeitschriften gebrauchten zunächst eine Sprache, in der schriftsprachliche und baihua-Elemente gemischt waren. Bezeichnenderweise benutzten manche Zeitungen Anfang der zwanziger Jahre, obwohl sie schon im Mischstil schrieben, noch keine Zeichensetzung (→ Art. 120) ⫺ auch dies ein Erbe des wenyan. In den Kommentaren der Zeitungen setzte sich die moderne geschriebene Sprache schneller durch als im Nachrichtenteil. Das hängt damit zusammen, daß die Kommentare oft eine propagandistische Funktion haben. Wir wissen bereits, daß propagandistische Intentionen und Benutzung der baihua Hand in Hand gehen. Die Sprache der Zeitungen in der Volksrepublik ist natürlich durchgängig die moderne Sprache (baihua). 3.3.2. Die Amtssprache zeigt nicht nur im Chinesischen ihre Besonderheiten. Es ist wohl die Tendenz aller Behörden, ihre Dokumente in einem Stil abzufassen, in dem die Gewichtigkeit staatlicher Funktionsträger zum Ausdruck kommt. Im Chinesischen hatte das wenyan daher als die autoritativer wirkende Sprache noch jahrzehntelang nach der literarischen Revolution ihre Domäne in der Behördensprache. Die Guomindang hat in diesem Bereich wenig Änderungen durchgesetzt. Gerichtsurteile wurden z. B. bis zur Gründung der Volksrepublik in reiner Schriftsprache ohne Interpunktionszeichen abgefaßt. Auch im Stil der Justizbehörden der Volksrepublik sind noch nicht alle traditionellen Elemente ausgemerzt. 3.3.3. Ein weiterer Bereich, in dem sich die Schriftsprache lange behauptete, war der der Briefe und anderer schriftlicher Formen des sozialen Umgangs. Im traditionellen China gab es eine große Vielfalt solcher konventionalisierter Formen, z. B. Mitteilungen, die sich um die Hochzeit drehten, wie bei der

Bitte um Heiratsvermittlung, bei der Festsetzung der Verlobung, der Einladung zum Hochzeitsbankett, aber auch Mitteilungen bei anderen Gelegenheiten wie Geburtstagsglückwünsche, Todesanzeigen usw. Ihre Sprache war gekennzeichnet durch eine ausgeprägte Formelhaftigkeit, in der sich die Regeln der konfuzianischen Schicklichkeit widerspiegelten. Wenn z. B. ein Sohn seinen Eltern einen Brief schrieb, so begann er mit der Formel fu`-mu˘-qı¯n da`-re´n xı¯ xia` Eltern Eure Gnaden Knie unter jı`ng bı˘ng ehrfurchtsvoll darlegen zhe˘ derjenige, welcher (ich) “Sehr geehrte Eltern, vor Euren Knien lege ich (Euch folgendes) ehrfurchtsvoll dar“. Dieser schriftsprachliche Briefstil war auch zur Zeit der 4. Mai-Bewegung und später noch üblich. Die wenyan-Formeln als Bestandteil von Sitten und Gebräuchen widerstanden dem Wandel ebenso zäh wie diese. Noch heute weist der Briefstil zahllose Wenyanismen auf. Häufig findet man z. B. folgende schriftsprachlich klingende höfliche Einladungsformel: jı`ngqı˘ng gua¯nglı´n ehrerbietig bitten glanzvolles Sich-Nähern “Wir dürfen Sie höflichst um Ihre Anwesenheit bitten“.

4.

Die Merkmale der modernen geschriebenen Sprache

Wenden wir unser Augenmerk nunmehr der modernen schriftlichen Sprache zu. Baihua wird diese Sprache genannt, wenn man den Gegenbegriff zur Schriftsprache, zum wenyan, meint. In der Volksrepublik heißt die moderne Standardsprache putonghua „Allgemeinsprache“. Mit diesem Terminus wird die moderne ⫺ geschriebene wie gesprochene ⫺ Sprache von den Dialekten abgegrenzt. 4.1. Ein hervorstechender Charakterzug der geschriebenen putonghua besteht darin, daß sie immer noch zahllose Elemente der alten Schriftsprache enthält. Zu nennen sind hier

1472 vor allem Funktionswörter, die aus der Schriftsprache stammen, und stereotype Wendungen, die nach den Normen der Schriftsprache strukturiert sind. Wenige Beispiele sollen dies illustrieren. 4.1.1. Ein aus der Schriftsprache übernommenes Hilfswort, das in der modernen Sprache noch viele unterschiedliche Funktionen hat, ist yı˘, in seiner schriftsprachlichen Grundbedeutung „nehmen“. Yı˘ wird z. B. in der geschriebenen putonghua als Präposition im Sinne von „mit, vermittels“ gebraucht: Yı˘ do`uzhe¯ng qiu´ mittels Kampf streben nach tua´njie´ ze´ tua´njie´ Zusammenschluß dann Zusammenschluß cu´n yı˘ tu`ira`ng bestehen bleiben mit Konzession qiu´ tua´njie´ ze´ streben nach Zusammenschluß dann tua´njie´ wa´ng Zusammenschluß zugrunde gehen (Mao Zedong, AW II 703). “Erreicht man den Zusammenschluß durch Kampf, dann wird er bestehen bleiben, erreicht man ihn durch Konzessionen, wird er zugrunde gehen“. Ein weiteres grammatisches Hilfswort mit schriftsprachlicher Färbung ist suo˘. Es wird in attributiv untergeordneten Sätzen mit transitiven Verben verwendet, zu denen das übergeordnete Nomen im Objektsverhältnis steht: Wo˘ suo˘ re`nshi de re´n ich kennen AP Mensch “der Mensch, den ich kenne“. In der gesprochenen Sprache hat dieses Hilfswort kein Äquivalent. Immerhin taucht es in einer gedruckten Rede Mao Zedongs auf: Wo˘ xia`nza`i jiu` to´ngzhı`men suo˘ ich jetzt zu Genossen

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ta˘olu`n de we`ntı´ jia˘ng jı˘ diskutieren AP Fragen sagen einige dia˘n yı`jia`n Punkte Meinung (Mao AW V 403) “Nun möchte ich zu den Fragen, die die Genossen diskutiert haben, meine Meinung äußern.“ Als weiteres Beispiel für ein noch verwendetes wenyan-Funktionswort sei ze´ genannt. Eine seiner Funktionen ist sein Gebrauch als Konjunktion im Sinne von „dann“ nach Konditionalsätzen. Wir haben es schon in einem Beispielsatz kennengelernt: Yı˘ do`uzhe¯ng qiu´ tua´njie´ ze´ tua´njie´ cu´n […] „Erreicht man den Zusammenschluß durch Kampf, dann wird er bestehen bleiben […]“. Ein grammatischer Indikator aus dem wenyan, der auch in der modernen geschriebenen Sprache noch eine stark schriftsprachliche Tönung hat, ist zhı¯, die Attributivpartikel der Schriftsprache, der in der modernen Sprache die Partikel de entspricht. Bei Mao Zedong finden wir sie etwa in folgender Formulierung: Qua´nguo´ mı´nzho`ng fe`nqı˘ zhı¯ ganzes Land Volksmassen sich erheben AP rı` jiu` shı` Ka`ng Rı` zha`nzhe¯ng Tag, das sein Antijapanischer Krieg she`nglı` zhı¯ shi Sieg AP Zeit (Mao AW II 524) “Der Tag, an dem sich die Volksmassen des ganzen Landes erheben, wird der Tag (wörtl. „die Zeit“) des Sieges im Widerstandskrieg gegen Japan sein.“ Das schriftsprachliche Flair von zhı¯ kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß es fast nur vor einsilbigen Substantiven steht. Im Beispielsatz sind die einsilbigen Substantive ri „Tag“ und shı´ „Zeit“ ebenfalls der Schriftsprache entnommen. Das Hilfswort qı´ , das im wenyan ein Pronomen mit dem attributiven Sinn „sein“, „dessen“, „ihr“ ist, wird ebenfalls in der baihua verwendet. Seine umgangssprachliche Entsprechung ist ta¯ de , ta¯men de . Manche Wörter haben eine umgangssprachliche und eine büchersprachliche Vari-

1473

129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen

ante. In der modernen gesprochenen Sprache gibt es verschiedene Steigerungsadverbien wie ge`ng „noch mehr“ und zuı` „am meisten“, z. B. ge`ng re` „noch heißer“, zuı` re` „am heißesten“. Diese Adverbien haben die zweisilbigen Varianten ge`ngwe´i , zuı`we´i , die nur vor zweisilbigen Adjektiven stehen, z. B. ge`ngwe´i zho`ngya`o „noch wichtiger“, zuı`we´i zho`ngya`o „am wichtigsten“, und die nur in der geschriebenen putonghua Verwendung finden, und zwar in Kontexten mit der Note des Ernsten, Feierlichen. Viele der aus dem wenyan stammenden Hilfswörter haben umgangssprachliche Varianten. Der Schreibende hat jeweils die Möglichkeit, unter pragmatischen Gesichtspunkten ein mehr umgangssprachliches oder ein mehr schriftsprachliches Register zu ziehen. 4.1.2. Neben grammatischen Hilfswörtern ist der wichtigste Bereich, in dem die Schriftsprache ihren Einfluß auf die moderne geschriebene Sprache geltend macht, der der stereotypen, formelhaften Wendungen sprichwörtlichen Charakters, der sog. chengyu (wörtl. „fest gewordene Ausdrücke“). Diese Wendungen bestehen in ihrer großen Mehrzahl aus vier Zeichen (Tetragramme). Da sich mit den Mitteln der Schriftsprache in vier Zeichen schon komplexe Sachverhalte ausdrücken lassen, eignen sich die chengyu ausgezeichnet zu bildhaften Beschreibungen. In der Übersetzung lassen sie sich meist durch Syntagmata, manchmal auch durch Einzelwörter wiedergeben, wobei aber stets viel von ihrer Bildhaftigkeit verlorengeht. Es seien wiederum wenige Beispiele zur Veranschaulichung ausgewählt (Beispiele nach Cheng 1976): fe`i qı˘n wa`ng shı´ aufgeben Schlaf vergessen Essen “sich derart einer Sache widmen, daß man darüber alles vergißt“, „alles um sich her vergessen“; duı` niu´ ta´n qı´n gegenüber Kuh spielen “Laute“ “einer Kuh auf der Laute vorspielen“, „gegen die Wand reden“. Die stereotypen Wendungen werden selten selbständig wie Sprichwörter gebraucht, sondern in größere Sätze der modernen Sprache eingebaut, und zwar derart, daß sie jeweils die syntaktische Funktion eines Satzteils ha-

ben; sie können als Prädikat, Subjekt, Objekt, Adverbialbestimmung, Attribut und als Komplement auftreten. Ihre syntaktische Wirkungsweise soll wiederum durch einige Beispiele erklärt werden: 1) Prädikat: Ta¯ de qia´nba¯o bu´ yı` e´r er AP Portemonnaie nicht Flügel aber fe¯i le fliegen FP “Sein Portemonnaie schwunden“;

ist

plötzlich

ver-

2) Attribut: Wu˘ ge re´n zho¯ng de yı´ ge, fünf MW Mensch unter AP ein MW fa¯chu yı´ ju` mo` mı´ng qı´ aussenden ein MW keiner benennt dessen mia`o de he˘ihua` Rätselhaftes AP Gaunersprache “Einer von den fünf gab etwas in unverständlicher Gaunersprache von sich.“ 3) Adverbialbestimmung “She´nme?“ Jia`n Bo¯ mo` mı´ng qı´ Was? Jian Bo keiner benennt dessen mia`o de ka`nzhe Rätselhaftes PA schauen ⫹ SD

ta¯men sie

lia˘ beide “,Was?‘ Jian Bo schaute die beiden verständnislos an“; Wie wir aus den letzten zwei Beispielen ersehen, kann ein und dasselbe chengyu, in unserem Falle mo` mı´ng qı´ mia`o „merkwürdig“, „unverständlich“, „verwirrt“, mehrere syntaktische Funktionen wahrnehmen. Die Zahl der stereotypen Wendungen, die in der geschriebenen Sprache, vor allem in literarischen Werken, aber auch in der Sprache der Zeitungen vorkommen, geht in die Tausende. Da auch nicht jeder des Lesens kundige Chinese alle beherrscht, gibt es zahlreiche chengyu-Wörterbücher. Der Gebrauch der chengyu ist nicht streng auf die geschriebene Sprache begrenzt, manche finden auch in der gesprochenen Sprache Verwendung. Gerade am Beispiel der chengyu wird deut-

1474 lich, daß das wenyan auch im heutigen Chinesisch noch lebendig ist. 4.2. Während die geschriebene chinesische Sprache, wie zu zeigen versucht wurde, noch viele Elemente der alten Schriftsprache enthält, sah sie sich auch den Einflüssen ausgesetzt, die aus westlichen Sprachen kamen. Grundlegende Neuerungen traten auf lexikalischem Gebiet ein, doch auch in der Grammatik beobachten wir Veränderungen, die die Einwirkung westlichen Sprachdenkens auf das Chinesische verraten. 4.2.1. Der Kontakt mit der westlichen Welt in der Moderne führte zur Bildung einer Riesenzahl von Neologismen. Es zeigte sich jedoch, daß sich die chinesische Sprache gegenüber der Hereinnahme von Lehnwörtern ziemlich abweisend verhielt. Der Grund hierfür ist nicht nur in linguistischen Tatbeständen, sondern vor allem im Charakter der chinesischen Schriftzeichen zu suchen: Da sie auf der lautlichen Ebene Silben repräsentieren, sind sie zur Wiedergabe anderssprachiger Phonemkomplexe sehr ungeeignet. Überdies dienen die Schriftzeichen ja nicht nur zur Wiedergabe von Silben, sondern haben auch immer eine semantische Dimension, die bei dieser Art der Verwendung nicht zum Tragen kommt. Die drei Zeichen, mit denen z. B. die Entlehnung nı´gu˘dı¯ng „Nikotin“ geschrieben wird, bedeuten „buddhistische Nonne“ ⫺ „alt“ ⫺ „Erwachsener“ und stehen damit in keinerlei inhaltlicher Beziehung zum Bezeichneten. Daher werden Entlehnungen als Fremdkörper im Sprachganzen empfunden. Die chinesische Sprache wählte vielmehr einen anderen Weg, um die aus dem Westen eingeführten neuen Begriffe in eine sprachliche Form zu gießen: Sie verwendete autochthone Morpheme und kombinierte sie nach den im Chinesischen üblichen Wortbildungsmustern. Es entstanden zum Teil Lehnübersetzungen, bei denen die Komponenten des Modellwortes oder der Modellwortgruppe in direkter Entsprechung zu den Morphemen des neugeprägten Äquivalents stehen, z. B. mı´nzhu˘ „Demokratie“ (Volk ⫺ Herr), fa˘ndo`ng „Reaktion“ (entgegengesetzt ⫺ Bewegung). Weitaus größer ist jedoch die Zahl der Neologismen, die als inhaltliche Beschreibung des Modellbegriffs entstanden und die man als Lehnprägungen bezeichnet. Beispiele sind ke¯xue´ „Wissenschaft“ (Prüfungsfach im Prüfungssystem des traditionellen

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

„subjektiv“ China ⫺ Lehre), zhu˘gua¯n (Herr ⫺ betrachten), ke`gua¯n „objektiv“ (Gast ⫺ betrachten), fe¯ijı¯ „Flugzeug“ (fliegen ⫺ Maschine), dia`nzi jı`sua`njı¯ „Elektronenrechner“, „Computer“ (Elektrizität ⫹ Sohn ⫽ Elektron, zählen ⫹ rechnen ⫹ Maschine ⫽ Rechenmaschine), heute meist kürzer durch dia`nna˘o „Elektronengehirn“, „Computer“ (Elektrizität ⫺ Gehirn) wiedergegeben. Oft standen bei der Neuprägung von Termini Wortgruppen aus dem klassischen Schrifttum Pate: Das altchinesische ge´ mı`ng „Entzug (ge´) des himmlischen Mandats (mı`ng)“, „Dynastiewechsel“ diente als ge´mı`ng zur Wiedergabe des westlichen Begriffs „Revolution“. Die lexikalischen Neubildungen im Chinesischen werden nicht nur in der geschriebenen, sondern auch in der gesprochenen Sprache gebraucht. Da die Prägung der neuen Wörter aber unter maßgeblicher Beteiligung der Schriftzeichen erfolgte, müssen wir die Neologismen in erster Linie als Bestandteile der geschriebenen chinesischen Sprache betrachten. 4.2.2. Wenden wir uns nunmehr den grammatischen Neuerungen zu, die nach der „literarischen Revolution“ von 1917 unter dem Einfluß westlicher Sprachen, besonders im Gefolge von Übersetzungen aus diesen, in der baihua vor sich gingen. Von den Entwicklungen im Bereich der Morphologie seien folgende Phänomene genannt: Die chinesischen Substantive kennen ebensowenig wie die Pronomina die Kategorie des Genus. Das Personalpronomen der 3. Person lautet ta¯ und wurde früher nur mit dem Zeichen (mit dem Radikal „Mensch“) geschrieben. Durch Modifikation der Zeichenform wurde jetzt auch eine feminine Form ta¯ (mit dem Radikal „Frau“) „sie“ und eine neutrale Form ta¯ (die auch die Variante hat) „es“ eingeführt. Die ursprüngliche Form ta¯ erhielt nun maskuline Bedeutung („er“). Eine gewisse Entwicklung ist auch im Gebrauch der Verbsuffixe zu erkennen. Der Gebrauch des Suffixes -le zum Ausdruck einer perfektiven Handlung und des Suffixes -zhe zur Bezeichnung einer durativen oder prozedenten Handlung ist nicht obligatorisch, sondern fakultativ und ist durch vielerlei kontextuelle Bedingungen bestimmt. Unter dem Eindruck der Regelmäßigkeit der Formbildung in den westlichen Sprachen zeigt sich auch hier eine ⫺ wenn auch noch schwach

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129. Die schriftliche Sprache im Chinesischen

ausgeprägte ⫺ Tendenz zur Regularisierung der Verwendung dieser Suffixe. Formen wie in Jie˘fa`ngqu¯ mı´nzhu˘ zhe`ngfu˘ befreite Gebiete demokratisch Regierung lı˘ngda˘o qua´ntı˘ re´nmı´n yo˘u führen ganz Bevölkerung haben zu˘zhı¯ de ke`fu´le he´ Organisation PA hat überwunden und zhe`ngza`i ke`fu´zhe ge` zho˘ng gerade ist am Überwinden jede Art ku`nnan Schwierigkeit (Mao AW III, 942) “Unter der Führung der demokratischen Regierung hat die gesamte Bevölkerung der befreiten Gebiete organisiert alle Schwierigkeiten überwunden und ist dabei, sie zu überwinden“ wären in früheren Stadien der baihua nicht denkbar gewesen. Im Bereich der Syntax ist eine der auffälligsten Innovationen die Erweiterung des Gebrauchs des Subverbs be`i zur Bildung von Passivsätzen. Die Grundbedeutung von be`i ist „erleiden“, und infolgedessen kommt in den Passivsätzen, in denen es verwandt wird, zum Ausdruck, daß etwas Unangenehmes oder Bedauerliches geschieht. Ein typischer solcher Satz wäre etwa Ta¯ be`i jie˘jie ma`le sie ältere Schwester schelten ⫹ SP “Sie wurde von der älteren Schwester gescholten.“ Nun ist zu beobachten, daß die Zahl der Passivsätze mit be`i ohne die Konnotation des Ungünstigen zunimmt, besonders in der geschriebenen Sprache. Häufig sind heute solche Sätze zu finden wie Zha¯ng Ya´nlı´ng be`i re`nmı`ngwe´i lı˘ngshi Zhang Yanling ernennen zum Konsul “Zhang Yanling wurde zum Konsul ernannt.“ Die Grammatiker sind sich einig darin, daß diese Erscheinung auf das „mechanische Gleichsetzen“ (Chao 1968, 703) von Passivformen in westlichen Sprachen mit be`i-Konstruktionen zurückzuführen ist. Aber so sehr

sich die chinesischen Linguisten gegen den Trend stemmen, so wenig können sie dagegen ausrichten. Als wichtige Neuentwicklung in der geschriebenen Sprache ist die Zunahme hypotaktischer Konstruktionen zu verzeichnen. Besonders ausufernd in ihrer Länge und Kompliziertheit sind oft die Attributsätze, die, wie alles Bestimmende im Chinesischen, vor dem Beziehungswort stehen: Shı`jie` rı`rı` ga˘ibia`n, wo˘men de Welt täglich sich ändern wir AP zuo`jia¯ qu˘xia jia˘mia`n, zhe¯nche´ng Schriftsteller abnehmen Maske aufrichtig de, she¯nru` de da`da˘n de ka`nqu˘ PA eingehend PA mutig PA betrachten re´nshe¯ng bı`ngqie˘ xie˘chu ta¯ de Menschenleben und beschreiben er AP xue` he´ ro`u lai de shı´hou za˘o Blut und Fleisch her AP Zeit längst da`ole ankommen ⫹ SP (Lu Xun) “Die Welt ändert sich täglich, und die Zeit, in der unsere Schriftsteller die Maske abnehmen und aufrichtig, eingehend und mutig das Menschenleben betrachten und sein Wesen beschreiben, ist längst gekommen.“ Dem Einfluß der Übersetzungsliteratur ist auch das Auftreten von Ellipsen verschiedener Art zuzuschreiben wie die Verwendung von zwei Verben für ein Objekt, von zwei Modalverben für ein Verb oder einer Kopula für zwei Prädikatsnomina, z. B.: Ta¯men jiu` bu` yua`n he´ bu` Sie also nicht wollen und nicht ne´ng che`dı˘ tuı¯fa¯n dı`guo´zhu˘yı` können gänzlich stürzen Imperialismus “Sie wollen und können den Imperialismus nicht vollständig stürzen.“ Es ist auch zu bemerken, daß der Gebrauch der Konjunktion he´ „und“ zwischen Verben und Modalverben eine neue Erscheinung ist. Für he´ galt bisher die Regel, daß es nur zwischen nominalen Größen stehen kann. 4.3. Fassen wir zusammen: Die moderne geschriebene chinesische Sprache zeigt drei

1476

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Charakteristika: Zum einen enthält sie zahlreiche Elemente der alten Schriftsprache, was dem Schreibenden die Wahl eines bestimmten Registers erlaubt; zum anderen zeigt sie unter dem Einfluß der westlichen Sprachen die Tendenz zur grammatisch-inhaltlichen Präzisierung und zum Gebrauch von Formen, die die Wiedergabe komplexer Sachverhalte erlauben; zum dritten verwendet sie bei der Modernisierung ihres Lexikons überwiegend autochthone Morpheme zur Nachbildung westlicher Termini.

5.

Abkürzungsverzeichnis

AP AW FP IS IU

Attributivpartikel Ausgewählte Werke Finalpartikel Indikator abgetrennter Satzglieder Indikator der adverbialen Unterordnung MW Meßwort OV Objektsvertreter PA Partikel der Adverbialbestimmung SD Suffix der durativen Handlung SI Subjektsindikator SP Suffix der perfektiven Handlung

6.

Literatur

Beijing shifan xueyuan zhongwenxi hanyu jiaoyanzu (ed.). 1959. Wu-si yilai hanyu shumian yuyan de bianqian he fazhan (Veränderungen und Entwicklungen in der geschriebenen chinesischen Sprache seit der 4. Mai-Bewegung). Beijing. Chao, Yuen Ren. 1968. A Grammar of Spoken Chinese. Berkeley & Los Angeles. Cheng, Ying. 1976. Sprichwörtliche Redensarten im modernen Chinesisch. Hamburg. DeFrancis, John. 1984. The Chinese Language. Fact and Fantasy. Honolulu.

Dobson, W. A. C. H. 1964. Late Han Chinese. A Study of the Archaic-Han Shift. University of Toronto Press. Jachontov, S. J. 1965. Drevnekitajskij jazyk (Die altchinesische Sprache). Moskau. Karlgren, Bernhard. 1972. Grammata serica recensa. Stockholm. ⫺. 1975. Schrift und Sprache der Chinesen. Übersetzt und bearbeitet von Ulrich Klodt. Berlin et al. Kratochvı´l, Paul. 1968. The Chinese Language Today. Features of an Emerging Standard. London. Li, Charles N. & Thompson, Sandra A. 1981. Mandarin Chinese. A Functional Reference Grammar. Berkeley et al. ⫺. 1982. The Gulf Between Spoken and Written Language: A Case Study in Chinese. In: Tannen, Deborah (ed.). Spoken and Written Language. Exploring Orality and Literacy. Norwood New Jersey, 77⫺88. Lippert, Wolfgang. 1981. Chinesisch ⫺ Sprache hinter einer großen Mauer? Erlanger Universitätsreden. Erlangen. Pulleyblank, Edmund G. 1991. Lexicon of Reconstructed Pronunciation in Early Middle Chinese, Late Middle Chinese, and Early Mandarin. Vancouver. Richter, Gunnar. 1985. Zum Gebrauch morphologischer Varianten im modernen Chinesisch am Beispiel der Gradadverbien. In: Bahner, W. et al. (ed.). Linguistische Studien. Reihe A Arbeitsberichte. Akademie der Wissenschaften der DDR. Berlin, 70⫺110. Unger, Ulrich. 1985. Einführung in das Klassische Chinesisch. Teil I. Wiesbaden. Wang, Li. 1979. Gudai Hanyu (Die altchinesische Sprache). Bd. I Teil 1. Beijing. ⫺. 1958. Hanyu shi gao (Manuskript zur Geschichte der chinesischen Sprache). Beijing.

Wolfgang Lippert, Erlangen (Deutschland)

130. Japanese written language 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Range of use of the written language Structural characteristics of the written language Styles in the written language History of the written language Supplementary explanations References

1.

Range of use of the written language

It is not so much the structure of Japanese as its range of use or the relation between the Japanese country and the language that distinguishes it from other languages. As for Japan, Japanese is actually the only language

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IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Charakteristika: Zum einen enthält sie zahlreiche Elemente der alten Schriftsprache, was dem Schreibenden die Wahl eines bestimmten Registers erlaubt; zum anderen zeigt sie unter dem Einfluß der westlichen Sprachen die Tendenz zur grammatisch-inhaltlichen Präzisierung und zum Gebrauch von Formen, die die Wiedergabe komplexer Sachverhalte erlauben; zum dritten verwendet sie bei der Modernisierung ihres Lexikons überwiegend autochthone Morpheme zur Nachbildung westlicher Termini.

5.

Abkürzungsverzeichnis

AP AW FP IS IU

Attributivpartikel Ausgewählte Werke Finalpartikel Indikator abgetrennter Satzglieder Indikator der adverbialen Unterordnung MW Meßwort OV Objektsvertreter PA Partikel der Adverbialbestimmung SD Suffix der durativen Handlung SI Subjektsindikator SP Suffix der perfektiven Handlung

6.

Literatur

Beijing shifan xueyuan zhongwenxi hanyu jiaoyanzu (ed.). 1959. Wu-si yilai hanyu shumian yuyan de bianqian he fazhan (Veränderungen und Entwicklungen in der geschriebenen chinesischen Sprache seit der 4. Mai-Bewegung). Beijing. Chao, Yuen Ren. 1968. A Grammar of Spoken Chinese. Berkeley & Los Angeles. Cheng, Ying. 1976. Sprichwörtliche Redensarten im modernen Chinesisch. Hamburg. DeFrancis, John. 1984. The Chinese Language. Fact and Fantasy. Honolulu.

Dobson, W. A. C. H. 1964. Late Han Chinese. A Study of the Archaic-Han Shift. University of Toronto Press. Jachontov, S. J. 1965. Drevnekitajskij jazyk (Die altchinesische Sprache). Moskau. Karlgren, Bernhard. 1972. Grammata serica recensa. Stockholm. ⫺. 1975. Schrift und Sprache der Chinesen. Übersetzt und bearbeitet von Ulrich Klodt. Berlin et al. Kratochvı´l, Paul. 1968. The Chinese Language Today. Features of an Emerging Standard. London. Li, Charles N. & Thompson, Sandra A. 1981. Mandarin Chinese. A Functional Reference Grammar. Berkeley et al. ⫺. 1982. The Gulf Between Spoken and Written Language: A Case Study in Chinese. In: Tannen, Deborah (ed.). Spoken and Written Language. Exploring Orality and Literacy. Norwood New Jersey, 77⫺88. Lippert, Wolfgang. 1981. Chinesisch ⫺ Sprache hinter einer großen Mauer? Erlanger Universitätsreden. Erlangen. Pulleyblank, Edmund G. 1991. Lexicon of Reconstructed Pronunciation in Early Middle Chinese, Late Middle Chinese, and Early Mandarin. Vancouver. Richter, Gunnar. 1985. Zum Gebrauch morphologischer Varianten im modernen Chinesisch am Beispiel der Gradadverbien. In: Bahner, W. et al. (ed.). Linguistische Studien. Reihe A Arbeitsberichte. Akademie der Wissenschaften der DDR. Berlin, 70⫺110. Unger, Ulrich. 1985. Einführung in das Klassische Chinesisch. Teil I. Wiesbaden. Wang, Li. 1979. Gudai Hanyu (Die altchinesische Sprache). Bd. I Teil 1. Beijing. ⫺. 1958. Hanyu shi gao (Manuskript zur Geschichte der chinesischen Sprache). Beijing.

Wolfgang Lippert, Erlangen (Deutschland)

130. Japanese written language 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Range of use of the written language Structural characteristics of the written language Styles in the written language History of the written language Supplementary explanations References

1.

Range of use of the written language

It is not so much the structure of Japanese as its range of use or the relation between the Japanese country and the language that distinguishes it from other languages. As for Japan, Japanese is actually the only language

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130. Japanese written language

for over 110 million people. It may safely be said that everybody can use it. Ainu, the language of an ethnic minority, had probably more than ten thousand speakers one hundred years ago but it was replaced with Japanese almost completely and it is not used for daily life any more. Hundreds of thousands of Koreans, another minority group, are in most cases second- or third-generation whose mother tongue is Japanese. The first generation who came from Korea can speak Japanese, too. The Japanese language is restricted in its use almost entirely to Japan. There are many Japanese immigrants in Hawaii or North and South America, but the number is not so large as that of the immigrants from other countries and they are easily assimilated into the predominant languages there. This nearly one to one correspondence between people, country and language is very unique. The above-mentioned holds good also in the case of written language. While it is hardly used abroad, it is almighty in Japan. But some comments are necessary. First, correspondence with abroad, even with non English-speaking countries, is usually made in English because of the lack of internationality in Japanese. Business letters and scientific papers are such examples. Japanese is one of the few languages which can be used in all branches of science. Throughout the process of research, scientists discuss entirely in Japanese. If there is a class in Japanese universities in English or German, it is for the students learning these foreign languages. Scientific papers are also written in Japanese if the authors are not competing with foreign researchers in publishing the results and the date of publishing does not matter so much. But since Japanese is of no practical use to diffuse the results of research among foreign scientists, many scientific papers (especially in natural sciences) are published in English. Not only articles contributed to foreign magazines but those for organs of academic societies which are published in Japan are often written in English. Most of the readers in this case must be Japanese, but the authors expect them to be read by foreigners. When they read papers in Japan, they do it in Japanese, because very few foreigners will attend the meeting. Foreign languages are more important in the consumption (reading) than in the production of written language. Japan is surrounded by sea and it was difficult to go

abroad or to speak with foreigners, so written language was traditionally more important than spoken language in adopting foreign culture and learning foreign languages. Most intellectuals can read foreign languages but they cannot understand them when spoken, though the situation is changing a bit among younger generations. Japan exceeds all other countries in the amount of imported English books in all fields: science, literature and practical uses. Further, we must add materials to teach foreign languages (especially English). In Japan, English is taught to almost all pupils through three years compulsory education in junior high schools and three years senior high school course. (They scarcely have opportunity to learn foreign languages other than English in high schools.) Of course many students learn English in colleges and other private schools and they can choose other foreign languages as subjects at university level. Therefore a lot of textbooks are published or imported to teach these foreign languages. Several daily English newspapers are published with fairly large circulation in Japan and the readership is not limited to foreigners. Some Japanese read the papers to improve their English ability. 40% of the readers of The Japan Times are Japanese.

2.

Structural characteristics of the written language

Written language is less dependent on the situation than spoken language and it is characterized by few irregularities, longer sentences and less ellipses. According to statistical research, a sentence in newspaper articles has 19 words while a sentence in daily conversation has only 3.8 words. These features are probably common to all written languages and it is not necessary to point them out here. But some facts of Japanese deserve special emphasis. Japanese is, at least compared with English, extremely situation-oriented. Different expressions must be used for the same contents in different contexts or situations under which the linguistic activity occurs. The most standard form corresponding to English “This is my book” is the following: Kore wa watashi no hon desu.

But this sounds too formal to be used among family members or intimate friends. Sentences like these are more natural:

1478 Kore, boku no hon da yo. (male) Kore, watashi no hon yo. (female)

The following are some of the expressions which vary in accordance to situations: (a) Pronouns There are several pronouns other than watashi that are used only for the first person: watakushi to be used in a formal setting, familiar words boku (male) and atashi (female), vulgar ore exclusively used by men, and so on. As for the second person, one must use anata, kimi and omae each in its proper way according to the sex of the speaker or the relationship with the hearer. Furthermore, all these second person pronouns sound impolite for a superior and one must use a noun instead and address the hearer like X san (Mr. X) or Y sensei (Dr. Y). (b) Words indicating respect towards the person spoken about Instead of kuru (to come) and morau (to receive), irassharu and itadaku are used respectively if they refer to a person who is superior to the speaker that comes or gives something to the speaker. The cases are not so many, as these examples show, that the stem of a word itself is different from the usual one. But prefixes meaning respect (o- and go-) are used very often. o-shigoto (your ‘honorable’ work), go-kenko¯ (your ‘respectable’ health). The decision as to who deserves the speaker’s respect finally depends on the personal relationship between speaker and hearer other than objective criteria like social status or age. So the speaker must judge and decide himself which form is to be used to whom at the moment of utterance. (c) Verb-forms Japanese verbs have a special form to express respect and every verb must take either nonpolite form (kaku) or polite form (kakimasu) when it is used in a sentence. The copula also has this distinction: non-polite form (hon da, hon de aru) and polite form (hon desu). Nonpolite forms are generally used among persons with intimate relationships like family members and friends. But there is another condition on the side of the speaker: women use polite forms more than men, so the proper use of these forms is rather difficult. (d) Sentence-final particles Particles are used in or at the end of sentences to direct attention to the hearer or to indicate a close relationship with the hearer. Kore wa ne, watashi no hon desu yo.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

There are several other particles, for example, kore wa sa is more vulgar than kore wa ne and hon da zo calls stronger attention than hon da yo. If one does not use these expressions in a proper way, one cannot speak natural Japanese. To speak Japanese means to speak it with due consideration of all the following conditions: ⫺ characteristics of the speaker (Male or female?) ⫺ relationships with the hearer (Is the other party superior or a family member or a friend?) ⫺ relationship with the person spoken about (Is one speaking of a superior?) ⫺ setting (In a formal situation?) Some of these conditons also apply to the written language. For example, when a letter is sent to a specified person we cannot write it leaving honorific expressions out of consideration, and it has a style fairly close to spoken language. But, in general, written language consists in abstraction from specific hearer or setting and the above conditions are substantially simplified. The following “rules” apply except cases when a colloquial style is intended. (a) Pronouns: A second person pronoun is scarcely used in a written text and the first person pronoun is almost limited to watashi, which is uncommon, too. (b) Words indicating respect: They are used only in rare cases when a person having some special relationship with the writer is referred to in the text. (c) Word-forms: Non-polite forms are commonly used. (d) Particles: They are omitted in the written language. Thus, Japanese spoken and written language diverge from one another to some extent, while Japanese spoken language is situation dependent. As the difference between them is not so large that they have different grammatical structures, it is not proper to call this situation “diglossia”, but rather stylistic varieties. According to the degree of abstraction of the spoken language from the context dependency, different style in the written language appears. In Japan there is no custom of “reading a paper” at an academic meeting. A written paper sounds unnatural if it is literally read, cf. the following example:

1479

130. Japanese written language Nihongo wa jinko¯ 1 oku o kosu daigengo de aru. Shikashi, kokugai dewa hotondo tsukawarenai. (Japanese is a big language with over one hundred million speakers. But it is scarcely used outside the country.)

This text with non-polite style is quite natural as a written paper, but when we read this at a meeting we must change the style into a polite one as follows: Nihongo wa jinko¯ 1 oku o kosu daigengo desu. Shikashi, kokugai dewa hotondo tsukawaremasen.

or, sometimes, in a more familiar and colloquial way, Nihongo wa jinko¯ 1 oku o kosu daigengo desu kedo, kokugai ja hotondo tsukawarenai n desu ne.

On the lexical side we must point out that there are many kango or loans from ancient Chinese in written Japanese. This is no wonder as every written language may have its peculiar old expressions and scientific terms. But kango has a special close relationship with written language because there are so many homonyms among them which need Chinese characters to be differentiated. These scientific terms cannot exist without characters. The function of Japanese written language is not limited to another means of communication besides spoken language but it supports parts of the linguistic system itself. In this sense, the written language is given much weight in Japanese.

3.

Styles in the written language

There are various styles in Japanese written language. On the one hand, this is based on different degrees of the difference between spoken and written language in Japanese. And, on the other hand, the written language with its long history still keeps some old features which causes the stylistic difference. Let’s now have a look at them beginning from the nearest one to the spoken language. 3.1. Modern style (Ko¯gobun) 3.1.1. Colloquial style The text whose style is the nearest to spoken language is the records of lectures and roundtable talks. There are different types among them, starting from the records faithful to the original discourse. These come very near to the general written style through later modifications by the speaker or the editor. The most common way is to correct mistakes and grammatical irregularities but leave other characteristics of the spoken language as they

were (the difference between polite and nonpolite forms and interjected particles). The copula de aru (non-polite form) which is not used in spoken language is rarely seen in conversational style texts. Records of dialogues and round-table talks are one of the important genres which compose the content of magazines together with articles and essays in general modern style, though they are not so many as the latter. Sometimes they are published as books. Their features peculiar to the spoken language have the effect of giving a familiar feeling to the readers. Dramas, scenarios of pictures, conversational parts of novels and those novels written as hero monologues have a style similar to such records. 3.1.2. General texts Most contemporary texts belong to this category. 3.1.2.1. Polite style The polity style is used in books for children but is rare in texts for adults. Exceptions are some novels and nontechnical books. But many letters are written in this style, because a letter is normally sent to a specific individual and close to the spoken language, while printed texts are aimed at anonymous readership. Official letters from public offices to citizens often use this style in order to create a sense of familiarity. The formal feature of the polite style is desu as the base form of the copula and the base form of verbs ending with -masu: Kore wa hon desu. (This is a book) Ame ga furimasu. (It rains)

The copula has a more polite form (hon) de gozaimasu and more formal (hon) de arimasu, but these forms are not used very much. 3.1.2.2. Non-polite style Print material directed at an anonymous readership like newspapers, magazines and books is usually written in non-polite style. It has two forms of the copula: (hon) da and (hon) de aru. These forms are used in spoken and written language as follows: spoken language written language

da frequently rarely

de aru never frequently

As this table shows, de aru, the most standard form in the written language, is not used in the spoken language. This again tells us the main difference between Japanese spoken

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IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

and written languages. Pure da-style texts are fewer than pure de aru-style ones, that is, many texts use only de aru but few use da throughout. Da is used in different degrees mixed with de aru. (Verbs take the same nonpolite form, no matter which copula is used in the text.) 3.2. Classical style (Bungobun) This style basically retains the grammar of the Heian period, about 1000 years ago. As is shown below, there is a clear distinction from the modern style. modern

classical

English gloss

kaku kaita kaku daro¯ kakanai samukatta hon da (de aru)

kaku kakiki kakamu kakazu samukariki hon nari

write wrote will write do not write was cold is a book

Scarcely any new texts are written in this style now. The exceptions are traditional short poems tanka (31 syllables) and haiku (17 syllables). Unlike other forms of literature, these are not regarded as being composed only by special poets and there are millions of amateur writers of these verses. These short poems are usually written in classical style. Some people argue these should be written in modern style and there are some experimental works, too. However, although modern, colloquial expressions are coming in by and by, classical style still dominates this domain of writing. 100 years ago there were hardly any texts written in modern style: written language at that time simply meant the classical style (see below, section 4). The modern style has only one hundred years history, while the history of the classical style exceeds one thousand years. So, even now, we often see this style. Children learn Japanese classics in junior high school. Some parts of the law, written earlier, still retain this style.

4.

History of the written language

Japan adopted Chinese characters from China and adapted them for its own language. The first texts written in Japan must have been in Chinese. Buddhist priests and other intellectuals came to Japan from China and from Korea, where Chinese culture had been introduced earlier, and introduced Chinese characters and written language to the Japanese.

Fragmentary Chinese phrases were discovered on the mirrors and swords from the 5th or 6th century, but most of the earlierst inscriptions are from the 7th century. Some writings of this period were not pure Chinese but already Japanized. But it is sometimes difficult to decide whether the text was written in Chinese or in Japanese. Texts of this sort are indiscriminately called “kambun (Chinese text)”. To understand these circumstances we must know the characteristics of Chinese characters (or kanji, as they are called in Japan) as ideograms (or logograms). Take Arabic numerals which are a kind of ideogram. Germans who have just begun to learn English can understand the meaning of 23 in an English text but they may not be able to read them in English and probably read them dreiundzwanzig in their own language. The same happened in old Japan with all the kanji used in writing Chinese. That is, people read them in Japanese though the written form itself remained Chinese. While looking at the Chinese text through eyes, they simultaneously translated it into Japanese. Further, if they wrote Japanese in kanji after this model, no one could tell, from the appearance, whether it was Chinese or Japanese. Thus it is now impossible for some early texts to decide in which language they were originally written. However, the word orders of Japanese (SOV) and Chinese (SVO) are different. So, in order to read a Chinese text in Japanese, one must first find the object of the verb, subsequently return to the verb which precedes it. On the other hand, a Japanese text written only in kanji sometimes betrays not merely irregularities in word order but other special features of Japanese like honorific terms, too. Such a text is called hentai kambun (modified Chinese text). From the 7th to the 9th centuries, namely before and during the Nara period (710⫺784) and at the beginning of the Heian period (794⫺1185), Japanese written language in kambun or hentai kambun had its closest relationship with the power of the state. It was used, first of all, for the sake of practical administrative purposes. Paper was still very precious and thin slices of wood were also used for temporary purposes. It was necessary for Buddhism to write sutras for proselytizing. But this was done mainly with the help of the state, too. Some private documents remain, but they are rare and fragmentary. Writing tools were so precious and kanji

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130. Japanese written language

as a means to write a foreign language (Chinese) was so complex and difficult that it was impossible for everybody to write freely. It was only in the 8th century that they could write Japanese with kanji correctly. People ignored the meaning of kanji and made full use of readings to record poems and other Japanese texts: in short, they used kanji as phonetic symbols. The Man’ yo¯shu, an anthology of 4500 poems, is an invaluable source for the study of old Japanese. But the notation adopted here was still very inconvenient and they had to wait until the invention of kana as a special means to record Japanese in the 9th century, through simplification of kanji, to be able to write Japanese freely. Katakana was used together with kanji, in principle, as a supplementary sign to denote what was difficult for characters to express (grammatical morphemes peculiar to Japanese, for example). But hiragana could be used without the help of kanji to denote Japanese and thanks to it, Japan from the 10th to the 11th century had its golden age in literary prose. But, as the official texts were thought to be written in kambun, writers of literary prose with hiragana (novels, diaries and accounts of trips) were mainly court ladies who were not allowed to be officials or scholars. “Genji monogatari” (The Tale of Genji) by Murasaki Shikibu was the representative work in hiragana. The difference between written and spoken language of this time is considered to be very slight. The written language kept the grammatical structure fixed at this time (10⫺11 c.) basically until the middle of the 19th century. It was influenced by the spoken language which did not cease to change, but it did not suffer a fundamental change and later epochs produced only stylistic varieties. Remarkable changes are observed, however, in the writing and vocabulary. Both poetry and prose during the Heian period used almost exclusively hiragana and native Japanese words with few kanji and Chinese loans. But, as the knowledge of kanji and kambun became more widely spread, they increased in the purely Japanese proses and a mixed style was born. From the Heian period of the 10th century to the Edo period in the middle of the 19th century, the grammatical structure of the Japanese written language may be regarded as the same despite differences in its complexity and variety. These varieties can be placed along a continuum according to the density

of kanji and Chinese loans. At the one end there are poems and prose works, written entirely in kanji and having the same appearance as Classical Chinese. This style became powerful especially in scholarly fields as Confucianism established its footing in the feudal government. Next to this is hentai kambun written with kanji, and then comes the mixed style with kanji and kana. The latter two were the most important styles of practical writing like official documents, records and letters. At the opposite end were traditional poems and pseudo-classical proses written almost entirely in hiragana. The writers of this style were limited to a handful of classical scholars. The Meiji Restoration (1864⫺1871) spelled the fall of the feudal political system and the start of a modern society. At the same time, information about the European and American situation reached Japan, which eventually triggered a popular language movement for the unification of the spoken and written language. Starting from literature at the end of the 1880s, this movement reached its goal in about thirty years converting almost all literary works into modern style and spreading it also to newspaper and magazine articles. But its final victory was won only after the Second World War. Under the totalitarian regime before the war, all laws and official documents, not to mention the constitution, were written in classical style and there was no sign of changing them into modern style. This conservative attitude to keep these old inaccessible forms irrespective of modernization of general texts was suitable to the political system. It was after the old regime was defeated and the American occupation had forced the Japanese to adopt a democratic constitution; the constitution itself as well as laws and other official documents were drafted in modern style, and unification of the spoken and written language was completed.

5.

Supplementary explanations

5.1. Internationality of Kambun Japanese people invented a unique method of reading and simultaneously translating into Japanese old Chinese texts written in kanji. If they write a Japanese text entirely in kanji, using this method in the opposite direction, then it is also possible for Chinese and Koreans to read it, taking it for old Chinese. In

1482 fact, some books were written in kambun on purpose by Japanese, though the mixed writing with kana was more popular, in order to let Chinese and other Asians read them. There is an expression hitsudan (conversation by writing) in Japanese. Even now, a Japanese and a Chinese can exchange their thoughts to some extent through showing kanji without knowing the other party’s language. Kambun is often compared to Latin, because it played an important role, as a kind of international language in East Asia. It also provides the material for word-formation, especially in technical domains, for building modern vocabulary, like Latin, in China as well as in Japan, and became the base of the internationality in modern vocabularies. The difference is that kambun or Classical Chinese served only as a written international medium and was not used as a spoken language. 5.2. The role of religion Buddhism was almost the only religion throughout the history of Japan. But, while literature played an important part in creating kana from kanji and in modernizing the classical style, the role filled by religion in the development of written language was rather small. Compared to the importance of the Bible or the Koran (→ art. 45), the position of the sutras in Japanese written language is almost negligible. Japanese often hear sutras cited at a funeral and other ceremonies. However, strictly speaking, they are not Japanese but Old Chinese read with Japanized pronunciation. When Buddhism was brought from India to China, all sutras were translated into Chinese. But Japan introduced it later without translating them into Japanese. Buddhism in old Japan was a religion for the sake of the state. In other words, the role of Buddhism at that time was building big temples and Buddhist statues by the power of the state and praying not for the safety of individuals, but for the safety of the state. Sutras were to be cited before Buddhist statues and it was not important for common people to understand the contents. Accordingly it was not necessary to translate them into Japanese. In many countries religion made a great contribution to literacy. In some cases there was hardly anything but the Bible or sutras to read in spite of big progress in literacy. But that was not the case in Japan. Only priests

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

could read sutras. For common people, sutras were not something to read but something to listen to without understanding the meaning. But priests contributed to literacy as representative intellectuals. Kanji was practically used in administration and although Buddhism had little to do in this field, priests and temples rendered great services in the instruction of kanji. Missionaries promulgating Christianity in Japan in the 15th and 16th centuries printed and published Japanese texts in Latin letters out of necessity to learn Japanese. Some of them were written in the spoken style at that time. But they were only learning materials and not for general use. Christianity was prohibited later and these texts in Latin letters were lost, leaving no influence on the public. 5.3. Dialectal base of the written language The modern standard language is based on the language of Tokyo. So we can say the written language is also based on Tokyo. It was during the Edo period from the 17th to the middle of the 19th century that the center of politics and culture of Japan moved to Tokyo (Edo). The center before that time was in Kyoto. The classical style is based on the language of Kyoto 1000 years ago. So the difference between the classical and modern styles consists both in their age and their dialectal bases. Japanese written language, with its over 1000 years history, can be divided into two big divisions: the classical style based on the old Kyoto dialect and the modern style based on the contemporary Tokyo dialect. There was hardly any written language based on the dialects of districts far from these political and cultural centers. At the very most we can name records of folk songs or dialectal conversations in novels. Kana is a syllabic writing system which can represent the pronunciation of dialects. However, no written language based on dialects other than those of Kyoto and Tokyo came into existence. The reason probably lies in centralization of the old Japanese state not only in politics but also in culture. It was not possible for everybody to learn the complex system of kanji as a means to write a foreign language. Protection and material support from the government was necessary. And kana could be invented only in Kyoto where nobles, officials and priests with the ability to use kanji, gathered. After the written language based on the Kyoto dialect came into existence, invention of a new written lan-

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131. Die schriftliche Sprache im Arabischen

guage on the base of another dialect meant a rupture of the relations with the central culture and it was not easy for people to invent a new written language. Feudal governments in different districts did not have such strong independence. The modern style, newly born through the unification of spoken and written language, became a powerful means to spread the standard language based on Tokyo. It clearly has the characteristics of eastern Japan. If the capital had been Kyoto after the Meiji Restoration, western features might have become standard. But the contemporary standard language received many words from the written language based on the western dialects in ancient times. Thus the written and standard language is based not on one particular dialect of today but on a wider foundation, in both the temporal and spacial sense.

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References

Bunsho¯hen. 1958. Zo¯ku Nihon Bumpo¯ Ko¯za 3. Bunsho¯ to Buntai. 1963. Ko¯za Gendaigo 5. Buntaishi, Gengoseikatsushi. 1972. Ko¯za Kokugoshi 6. Bunsho¯ Katsudo¯ no Ayumi. 1977. Gendai Sakubun Ko¯za 8. Tokyo. Buntai. 1977. Iwanami Ko¯za Nihongo 10. Tokyo.

Nihongo no Bumpo¯, Buntai (Ge). 1989. Ko¯za Nihongo to Nihongo Kyo¯iku. Tokyo. Habein, Yaeko Sato. 1984. The Japanese Written Language. Tokyo. Lewin, Bruno. 1959. Abriß der japanischen Sprache. Wiesbaden. ⫺. 1968. Kleines Wörterbuch der Japanologie. Wiesbaden. ⫺. 1989. Sprache und Schrift Japans. Leiden. Martin, Samuel. 1975. A Reference Grammar of Japanese. New Haven. Miller, Roy A. 1967. The Japanese Language. Chicago. Miyaji, Yutaka. 1963. Hanashikotoba to Kakikotoba. Ko¯za Gendaigo 1, Gendaigo no Gaisetsu. Tokyo. Neustupny´, Jirˇ´ı V. 1977. Nihongo no Naka no Kakikotoba no Ichi. Gendai Sakubun Ko¯za 1, Bunsho¯ towa Nani ka. Tokyo. Nomoto, Kikuo. 1977. Hanashikotoba to Kakikotoba. Gendai Sakubun Ko¯za 1, Bunsho¯ towa Nani ka. Tokyo. Sansom, George. 1928. An Historical Grammar of Japanese. Oxford. Sato¯, Kiyoji. 1966. Nihon Bunsho¯shi no Kenkyu¯. Tokyo. Uno, Yoshikata. 1965. Hanashikotoba to Kakikotoba no Bumpo¯teki Tokushitsu. Ko¯go Bumpo¯ Ko¯za 5, Hyo¯gen to Bumpo¯. Tokyo. Watanabe, Minoru. 1982. Hanasu Koto to Kaku Koto. Ko¯za Nihongogaku 1, So¯ron. Tokyo.

Tatsuo Miyajima, Kyoto (Japan)

Buntaishi I. 1982. Ko¯za Nihongogaku 7. Tokyo.

131. Die schriftliche Sprache im Arabischen 1.

Entstehung und Entwicklung der arabischen Schriftsprache Das moderne Hocharabisch und die arabischen Dialekte Diglossie und arabische Schrift Literatur

Entstehung und Entwicklung der arabischen Schriftsprache

von Ferguson beschriebenen Beispielen ist die Diglossie im Arabischen aber nicht erst eine Folge der neuzeitlichen Herausbildung oder Übernahme einer Hochsprache, sondern bereits mit der Entstehung der arabischen Schriftsprache im frühen Mittelalter eng verknüpft: „Arabic diglossia seems to reach as far back as our knowledge of Arabic goes“ (Ferguson 1959, 327).

1.1. Als Charles Ferguson 1959 den Begriff „Diglossie“ in die Linguistik einführte, war das Arabische eine seiner vier „defining languages“, liefert doch die arabische Sprachgemeinschaft ein gleichermaßen wichtiges wie charakteristisches Beispiel für eine diglottische Situation. Im Gegensatz zu den anderen

1.2. Die ältesten literarischen Sprachzeugnisse des Arabischen reichen bis zum Anfang des 6. Jh. zurück. Dabei handelt es sich um eine Poesie, die von einer Oberschicht gepflegt wurde, deren Mitglieder verschiedenen Regionen und Stämmen der arabischen Halbinsel entstammten. Ähnlich wie im Südfrank-

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131. Die schriftliche Sprache im Arabischen

guage on the base of another dialect meant a rupture of the relations with the central culture and it was not easy for people to invent a new written language. Feudal governments in different districts did not have such strong independence. The modern style, newly born through the unification of spoken and written language, became a powerful means to spread the standard language based on Tokyo. It clearly has the characteristics of eastern Japan. If the capital had been Kyoto after the Meiji Restoration, western features might have become standard. But the contemporary standard language received many words from the written language based on the western dialects in ancient times. Thus the written and standard language is based not on one particular dialect of today but on a wider foundation, in both the temporal and spacial sense.

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Tatsuo Miyajima, Kyoto (Japan)

Buntaishi I. 1982. Ko¯za Nihongogaku 7. Tokyo.

131. Die schriftliche Sprache im Arabischen 1.

Entstehung und Entwicklung der arabischen Schriftsprache Das moderne Hocharabisch und die arabischen Dialekte Diglossie und arabische Schrift Literatur

Entstehung und Entwicklung der arabischen Schriftsprache

von Ferguson beschriebenen Beispielen ist die Diglossie im Arabischen aber nicht erst eine Folge der neuzeitlichen Herausbildung oder Übernahme einer Hochsprache, sondern bereits mit der Entstehung der arabischen Schriftsprache im frühen Mittelalter eng verknüpft: „Arabic diglossia seems to reach as far back as our knowledge of Arabic goes“ (Ferguson 1959, 327).

1.1. Als Charles Ferguson 1959 den Begriff „Diglossie“ in die Linguistik einführte, war das Arabische eine seiner vier „defining languages“, liefert doch die arabische Sprachgemeinschaft ein gleichermaßen wichtiges wie charakteristisches Beispiel für eine diglottische Situation. Im Gegensatz zu den anderen

1.2. Die ältesten literarischen Sprachzeugnisse des Arabischen reichen bis zum Anfang des 6. Jh. zurück. Dabei handelt es sich um eine Poesie, die von einer Oberschicht gepflegt wurde, deren Mitglieder verschiedenen Regionen und Stämmen der arabischen Halbinsel entstammten. Ähnlich wie im Südfrank-

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1484 reich der Troubadours benutzten die Dichter eine Dichtungskoine´, die mit keinem der gesprochenen Dialekte völlig identisch war. Die Sprache der Dichtung wies offensichtlich schon damals einige archaische Züge auf, etwa die Bewahrung aller Flexionsendungen, während einige der damaligen Dialekte schon dem neuarabischen Sprachtyp, in dem diese Endungen abgefallen sind, näherstanden (vgl. Diem 1973). Obwohl der Prophet Muhammad ideologische Distanz zur Dichtung bezog, ist doch auch der Koran, der zwischen 610 und 632 offenbart wurde, zwangsläufig in einer Sprachform gehalten, die sich eng an die der altarabischen Dichtung anlehnt. 1.3. In den Jahrzehnten nach Muhammads Tod breitete sich die Herrschaft des Islam (und damit auch der Araber) über den gesamten südmediterranen und mittelöstlichen Raum aus. Unter dem Kalifat des Abdalmalik (685⫺705) setzte sich das Arabische auch als Verwaltungssprache des neugegründeten Reichs durch. Dieses Arabisch konnte nur die altarabische Dichtersprache sein, die allein kulturelles (die Dichtungstradition lebte ungebrochen fort) und religiöses (als Sprache des Koran) Prestige hatte und schließlich auch als überregionales Kommunikationsmittel konkurrenzlos war. Allerdings hatten sich als Folge der politischen Umwälzungen auch große gesellschaftliche Veränderungen ergeben, die sich wiederum auf die sprachliche Situation auswirkten: Zum einen gelangten zahlreiche Araber in Führungspositionen, die nicht an der altarabischen Dichtungstradition partizipiert hatten und der Dichterkoine´ deshalb auch nur bedingt mächtig waren. Vor allem aber spielten die Nichtaraber (Perser, Aramäer, Kopten, Berber u. a.), die in den eroberten Gebieten die Mehrheit bildeten, eine ständig wachsende gesellschaftliche Rolle. Die allmähliche sprachliche Assimilierung dieser großen Bevölkerungsgruppe trug gleichzeitig zu einem weiteren Auseinanderklaffen zwischen Umgangs- und Hochsprache bei. Daraus ergab sich die Notwendigkeit einer aktiven Sprachpflege, die zu einer Blüte der Sprachwissenschaft führte, wie sie in der vormodernen Welt hinsichtlich Umfang und Qualität einzig ist. In keiner anderen Kulturgemeinschaft spielte die Sprachwissenschaft eine ähnlich dominierende Rolle, bildete linguistisches Wissen so sehr die Basis der Allgemeinbildung wie in der klassisch-islamischen Kultur des Mittelalters.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Vom 8. Jh. an entstanden in großer Zahl Grammatiken, Wörterbücher und Lehrwerke mit dem Ziel, (1) das sprachlich-literarische Erbe der vor- und frühislamischen Zeit, das noch heute als mustergültig und vorbildlich betrachtet wird, zu bewahren, aufzuarbeiten und verständlich zu machen, (2) die Grammatik der arabischen Sprache in ein theoretisches System zu bringen, (3) eine Norm für jede Konstruktion und jedes Wort festzulegen und schließlich (4) den Stoff didaktisch aufzubereiten. Dieses von den Grammatikern beschriebene und gelehrte „klassische Arabisch“ unterschied sich nur wenig von der altarabischen Dichtersprache. Die normative Tätigkeit der Philologen führte allerdings zu einer stärkeren Reglementierung der Sprache, etwa zur Ausmerzung von Nebenformen z. B. im Bereich der Demonstrativpronomina, die in der Dichtungssprache, die noch engen Kontakt zu den Dialekten hatte, toleriert worden waren (zu weiteren Unterschieden, vor allem auf dem Gebiet der Syntax, vgl. Fischer 1971⫺72). 1.4. In dieser klassisch-arabischen Sprache entstand das gewaltige Korpus der klassischarabischen Literatur, geschaffen von einer Elite von Gelehrten und Verwaltungsbeamten. Aus dieser Zeit datieren aber auch Texte, in denen wesentliche Züge der damaligen gesprochenen Sprache faßbar werden. Teile der Fachliteratur aus Sparten wie Geographie, Medizin und Naturwissenschaften und die Mehrzahl der für ihre Glaubensgenossen bestimmten Schriften der arabischen Christen und Juden stammen von Verfassern, die das klassische Arabisch entweder nur bedingt beherrschten oder/und denen bei der Abfassung ihrer Schriften nicht viel an korrektem Arabisch gelegen war. So sind diese Texte durchsetzt von Regelverstößen (Fehlern und pseudokorrekten Formen), die zeigen, daß die damalige gesprochene Sprache den heutigen Dialekten typologisch in allen wesentlichen Punkten entsprach, also dem neuarabischen Sprachtyp angehörte (einen guten Überblick bietet die Aufsatzsammlung von Blau 1988). Für die Sprachform, die in diesen Texten verwendet wird, hat man den etwas irreführenden Begriff „Mittelarabisch“ geprägt, doch handelt es sich nicht um eine historische Sprachstufe zwischen Alt- und Neuarabisch, sondern um Texte, in denen klassisches Arabisch intendiert wird ⫺ der Gedanke, gleich im Dialekt zu schreiben, wäre den damali-

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131. Die schriftliche Sprache im Arabischen

gen Autoren so abwegig erschienen wie den meisten heutigen ⫺, die aber stärkere oder schwächere Dialektinterferenz aufweisen (vgl. Fischer 1991) und damit einen Texttyp repräsentieren, wie er in zahlreichen nicht zur Veröffentlichung bestimmten Texten (Privatbriefe, Geschäftsunterlagen etc.) bis heute produziert wird (vgl. Meiseles 1979). Das Ausmaß der Dialektinterferenzen in „mittelarabischen“ Texten wird zwar durch einige noch zu besprechende Eigenheiten der arabischen Schrift verschleiert. Fest steht aber, daß die Situation der Diglossie vom frühen Mittelalter an bis heute relativ stabil und unverändert geblieben ist: Ein Arabisch neuarabischen Typs war Mutter- und Umgangssprache aller (auch der Gelehrten, falls diese nicht ohnehin Persisch als Muttersprache hatten). Alleinige Schriftsprache war das klassische Arabisch, das gemeinsam mit dem Erwerb der Schrift erlernt werden mußte und je nach Bildungsgrad und Textsorte mehr oder weniger regelkonform umgesetzt wurde. 1.5. Obwohl nach der Blüte der klassisch-arabischen Kultur (etwa vom 8. bis zum 13. Jh.) eine lange Zeit der Stagnation eintrat, in der das Arabische schließlich sogar seine Stellung als Verwaltungssprache an das OsmanischTürkische abtreten mußte, hörte die Produktion klassisch-arabischer Texte nie auf, wenn auch Bedeutung, Umfang und Niveau zur Osmanenzeit einen Tiefpunkt erreicht hatten. Diese Situation änderte sich, als im 19. Jh. zum zweiten Mal politische Umwälzungen Bewegung in die Sprachlandschaft brachten. Ein Ziel der von nationalistischen Ideen getragenen kulturellen „Erweckungsbewegung“ (nahdø a) war die „Wiederbelebung“ der arabischen Sprache, nicht zuletzt als Ausdruck der erhofften politischen Einheit. Tatsächlich gelang es, Türkisch, Französisch und Englisch in beinahe allen Bereichen durch das Arabische zu ersetzen. Dieses Arabisch konnte wiederum nur das Klassisch-Arabische sein, das aber nun durch die Einflüsse des Französischen und Englischen stärker verändert wurde als jemals zuvor in seiner Geschichte, weil es ja nun für Textgattungen gebraucht wurde, die es früher nicht gegeben hatte und für die die europäischen Vorbilder maßgeblich waren. Ergebnis dieses Prozesses war das moderne Hocharabisch, das in Phonologie und Morphologie mit dem klassischen Arabisch weitgehend identisch ist, in der Syntax schon stärker abweicht und in Stilistik, Phraseologie und Wortschatz einschneidende Ver-

änderungen durchlaufen hat (vgl. Wild 1982). Ungeachtet dieser Veränderungen (die, außer auf dem Gebiet der Lexik, den meisten Arabern gar nicht bewußt sind), ist die in den Grammatiken des Mittelalters aufgezeichnete Sprachform weiterhin die allein gültige kodifizierte Norm. Auch die damals entwickelte grammatische Theorie und Terminologie wird in der arabischen Welt im wesentlichen unverändert zu Beschreibung und Lehre des modernen Hocharabisch verwendet.

2.

Das moderne Hocharabisch und die arabischen Dialekte

2.1. Das moderne Hocharabisch als direkte Fortsetzung des klassischen Arabisch und das Neuarabische der arabischen Dialekte repräsentieren zwei unterschiedliche Entwicklungsstufen der arabischen Sprache, die nur deshalb nebeneinander existieren, weil die ältere Sprachform im Medium der Schrift überlebt hat. Gäbe es nicht die Schrifttradition des klassischen Arabisch, gäbe es auch kein modernes Hocharabisch, das dem altarabischen Sprachtyp angehört. Seit über tausend Jahren hat kein Araber Hocharabisch als Muttersprache. Das Hocharabische ist aber die einzige anerkannte arabische Schriftsprache (sieht man vom Sonderfall des Maltesischen ab). Zwar gibt es eine arabische Dialektliteratur (vgl. Grotzfeld 1982), die aber nur eine geringe Rolle spielt und mit ideologischen Vorbehalten belegt ist. So werden selbst Privatbriefe an Familienangehörige, mit denen man sich nie anders als im Dialekt unterhält, auf Hocharabisch (bzw. dem, was der Schreiber dafür hält) verfaßt. Wenn also ein Araber schreiben lernt, muß er gleichzeitig die hocharabische Sprache lernen, was z. B. auch den Erwerb von neuen, weil im Dialekt nicht vorhandenen Lauten, Morphemen, syntaktischen Konstruktionen und Wörtern einschließt. Den Gegenpol zum modernen Hocharabisch bilden die arabischen Dialekte, die untereinander zwar ungefähr so verschieden sind wie die heutigen romanischen Sprachen (und sich ihrerseits zum Hocharabischen in etwa so verhalten wie jene zum Latein), aber doch eine Reihe gemeinsamer Züge aufweisen, durch die sie sich vom altarabischen Sprachtyp unterscheiden. Diese Unterschiede erstrecken sich auf alle Ebenen des Sprachsystems. Einige besonders charakteristische Erscheinungen sollen im folgenden kurz dargestellt werden.

1486 2.2. Während im Altarabischen sogar das gemeinsemitische Konsonantensystem fast unverändert bewahrt ist, sind in den neuarabischen Dialekten einerseits alte Phoneme zusammengefallen, andererseits z. T. durch Entlehnungen, z. T. durch Phonemisierung ursprünglicher phonemischer Varianten neue Phoneme entstanden. Da kein dialektales Phonemsystem mit dem des Hocharabischen völlig übereinstimmt, muß jeder Araber, der Schreiben und damit Hocharabisch lernt, ihm bislang unbekannte Phoneme erlernen. Wenn etwa in seinem Dialekt die altarabischen (und daher hocharabischen) Interdentale tß, dß und døß (der Punkt unter dem Transkriptionssymbol bezeichnet „emphatische“, d. h. pharyngalisierte, velarisierte artikulatorische Modifikation) mit den entsprechenden dentalen Verschlußlauten t und d zusammengefallen bzw. zu dø verschoben sind (so in den meisten Ansässigendialekten), muß sich der Sprecher eines solchen Dialekts mit dem Hocharabischen auch die drei Interdentale aneignen. Trotzdem bleiben ihm diese Laute ungewohnt, und so neigen viele Sprecher dazu, die Interdentale in gesprochenem Hocharabisch zu ersetzen, doch nicht etwa durch die im Dialekt entsprechenden Dentale, sondern, eben um den Anklang an den Dialekt zu vermeiden, durch die analogen Sibilanten s, z und zø . So finden sich etwa in einem Rundfunkinterview mit dem Generalsekretär der Kairener Sprachakademie, das W. Diem aufgezeichnet hat (vgl. Diem 1974, 76) Formen wie masalan „zum Beispiel“ statt matßalan, Å asna¯Å „während“ statt Å atßna¯’a. Neben korrektem ha¯dß ihi „diese (f.)“ und Å alfa¯døß „Wörter“ verwendet derselbe Sprecher ein andermal ha¯zihi bzw. Å alfa¯zø . Nur beim Zahlwort „zwei“ benutzt er die dialektale Form mit Dental, also itne¯n statt Åitßnayn. Daß die Schrift nicht nur ein in muttersprachlich gesprochener Sprache untergegangenes Lautsystem bewahrt, sondern sogar neue Laute gewissermaßen „schaffen“ kann, zeigt das Beispiel jener Phoneme, die in arabischer Schrift mit den Graphemen und ausgedrückt werden. Der mit bezeichnete altarabische Laut (ein velarisierter, palataler, evtl. laterer Spirant?) ist schon im frühen Mittelalter in dem mit geschriebenen Konsonanten (ursprünglich wohl øtß, neuarabisch døß ) aufgegangen. Verwechslungen von und kommen schon in Texten aus dem 9. Jh. vor, und die arabischen Philologen des Mittelalters haben Bücher verfaßt, in denen der Leser aufgeklärt wird, welche Wörter mit

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

welchem der beiden Buchstaben geschrieben werden müssen, weil beiden in gesprochener Sprache nur noch ein Phonem entsprach. Da nun natürlich auch im modernen Hocharabisch in der Schrift zwei Grapheme existieren, ist man gezwungen, diesen Graphemen in gesprochenem Hocharabisch auch zwei verschiedene Laute entsprechen zu lassen. wird dabei der im Altarabischen nicht Für existierende Laut dø verwendet, der in den Dialekten, in denen die Interdentale zu Dentalen geworden sind, aus døß entstanden ist. im Hocharabischen Zur Aussprache von wird, je nach Dialekt des Sprechers, entweder døß oder, wenn in seinem Dialekt die Interdentale nicht bewahrt worden sind, das als Substitut dienende zø verwendet, ein dem Altarabischen gleichfalls fremder Laut, der aber auch in den Dialekten meist nur deshalb existiert, weil er in Lehnwörtern aus dem Hochzu ersetzen hat. Die arabischen das durch und bezeichneten Laute nehmen deshalb im Phonemsystem des modernen Hocharabisch eine ganz andere Stellung ein, als dies im Altarabischen der Fall war und in den Dialekten der Fall ist, und sie existieren nur deshalb in dieser Form, weil die Schrift dies erfordert. Hier sind also ausnahmsweise die Grapheme das Primäre, nicht die Phoneme. Im Bereich der Vokale haben viele Dialekte den drei alt- bzw. hocharabischen Langvokalen a¯, ¯ı und u¯ die Vokale o¯ und e¯ hinzugefügt, die meist aus der Monophthongierung der Diphthonge aw und ay entstanden sind. In vielen Dialekten wurde die Opposition der Kurzvokale i und u aufgegeben. Da häufig Kurzvokale, besonders in offener, unbetonter Silbe, ausgefallen sind, ist auch die Silbenstruktur der Dialekte von der des Hocharabischen z. T. stark verschieden. Auch diese Dinge müssen arabische Schüler beim Schriftsprachenerwerb lernen. Weil in gewöhnlicher, d. h. unpunktierter arabischer Schrift viele dieser Erscheinungen aber nicht zum Ausdruck kommen, müssen in Elementarschulbüchern nicht nur die Grundgrapheme, sondern auch alle Fakultativgrapheme gesetzt werden (Art. 127). 2.3. Der typologisch wichtigste Unterschied zwischen dem stärker synthetischen Sprachbau des Alt- und dem stärker analytischen des Neuarabischen ist der Abfall der kurzvokaligen Kasusendungen des Nomens (und damit auch der Indeterminationsendung -n, die an den Kasusvokal suffigiert wird) und der Modusendungen des Verbs und damit die

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völlige Aufgabe des altarabischen Kasus- und Modussystems. Die richtige Setzung dieser Endungen, die ja wahrscheinlich schon in vorislamischer Zeit nicht mehr von allen Arabern gesprochen wurden, ist ein Hauptthema der mittelalterlichen Grammatikwerke. Dabei wird für jede Endung ein ‘a¯mil, ein „bewirkender Faktor“ ausfindig gemacht (z. B. „Satzanfang“, „Rektion des Verbs“, „Genitivposition“, „Konjunktion, die eine bestimmte Endung nach sich zieht“ etc.). Diese ‘a¯mil-Theorie zeigt schon, daß die Kasusund Modusendungen größtenteils durch die syntaktische Position und Umgebung eines Worts determiniert sind, ein Satz also auch dann problemlos verstanden werden kann, wenn die Endungen weggelassen werden. Auch im klassischen Arabisch fallen die Endungen in Sprechpausen weg, und schließlich werden in der Schrift diese Endungen (mit einer Ausnahme) nur durch Fakultativgrapheme, in der Regel also gar nicht ausgedrückt. Da aber im Bewußtsein vieler Araber (nicht zuletzt wegen der Grammatiktradition, die diesem Punkt so viel Aufmerksamkeit schenkt) die Kasusendungen als das wichtigste Kennzeichen von korrektem Hocharabisch gelten (schließlich heißen die Endungen auf Arabisch sogar ’i‘ra¯b, eigentlich „Arabisierung“), wird beim Erlernen der Schriftsprache viel Wert auf sie gelegt. Weil sie aber andererseits so gut wie redundant sind und in der Schrift nicht zum Ausdruck kommen, läßt man sie in gesprochenem Hocharabisch meist weg. So etwa auch der Akademiedirektor in erwähntem Interview. Lediglich vor Pronominalsuffix, wo man ohnehin einen Vokal benötigt, wird der korrekte Kasusvokal öfters verwendet. Über den Abfall der kurzvokalischen Endungen hinaus ist die Morphologie des Neuarabischen einerseits durch Vereinfachung des Formenbestandes gekennzeichnet (z. B. Zusammenfall einiger verbaler Flexionsparadigmata, häufig Aufgabe der Genusdifferenzierung beim Verbum im Plural etc.), andererseits durch das Entstehen neuer Morpheme (z. B. einer dem Imperfekt des Verbums präfigierten Präsenspartikel bi- im syrisch-ägyptischen Raum). Diese ⫺ im Grunde viel gravierenderen ⫺ Unterschiede in der Morphologie machen sich als Dialektinterferenz nicht nur in gesprochenen (vgl. Diem 1974, 36⫺42), sondern oft auch in geschriebenen hocharabischen Texten, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt sind, bemerkbar (vgl. Meiseles 1979, 290⫺302). Bei den Zahlwörtern, die generell besonders stark in

1487 der Muttersprache verwurzelt sind und deren Konstruktion im Hocharabischen überdies ziemlich kompliziert ist, wird in gesprochenem Hocharabisch fast immer die Dialektform anstelle der hocharabischen verwendet (vgl. Diem 1974, 47 f.). 2.4. Auch auf dem Gebiet der Syntax läßt das Neuarabische eine Tendenz zur Vereinfachung erkennen. So steht in den Dialekten das Subjekt nicht nur im Nominalsatz, sondern auch im Verbalsatz an erster Stelle. Auch die Kongruenzverhältnisse sind vereinfacht worden. Allerdings scheinen auf diesen Gebieten Interferenzerscheinungen zwischen Dialekt und Hocharabisch keine so große Rolle zu spielen wie in der Morphologie. In der Syntax, vor allem aber in der Phraseologie, gibt es Erscheinungen, in denen die neuarabischen Dialekte dem klassischen Arabisch näher stehen als dem modernen Hocharabisch. Ursache dafür sind die zahlreichen Lehnbildungen nach französischem und englischem Vorbild, die heute aber für gutes Hocharabisch gehalten werden, schon allein deshalb, weil es sie im Dialekt nicht gibt. 2.5. Mit dem Erlernen der Schriftsprache müssen zugleich zahlreiche neue Wörter gelernt werden. Unter den Lexemen, die in Dialekt und Hochsprache verschieden sind, finden sich auch viele Wörter des Grundwortschatzes, z. B. (jeweils Damaszenisch-Arabisch ⫺ Hocharabisch): sˇlo¯n ⫺ kayfa „wie?“, sˇu¯ ⫺ ma¯dß a¯ „was?“, ’adde¯sˇ ⫺ kam „wieviel?“, imba¯rehø ⫺ ’ams „gestern“, sˇuwayy ⫺ qalı¯l „wenig“, sˇa¯f ⫺ ra’a¯ „sehen“, hø elw ⫺ gˇamı¯l „schön“, zalame ⫺ ragˇul „Mann“. Für viele Erscheinungen des modernen Lebens in Bereichen wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Technik gibt es kein Dialektwort, weil die Sache erst seit kurzem bekannt ist (und oft aus dem Westen importiert worden ist) und/oder weil alltagssprachliche Konversation über solche Themen nicht üblich war. In alltagssprachlichen Situationen müssen hier bei Bedarf die hocharabischen Begriffe entlehnt werden. Umgekehrt fehlen der Hochsprache wiederum Wörter für manche Dinge des Alltagslebens, über die man normalerweise nur im Dialekt spricht. Dabei handelt es sich zum Teil um Fremdwörter, wie sˇorba (so in Ägypten, in Syrien sˇo¯raba¯) „Suppe“ (aus dem Türkischen), zum Teil um altarabisch durchaus existierende Wörter, die aber in Situationen, die das Hocharabische erfordern, so selten vorkommen, daß den meisten die der Dialektform entsprechende hochara-

1488

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

bische Form nicht bekannt ist. In gesprochenem Hocharabisch bestehen keine Vorbehalte gegen die Verwendung solcher Dialektwörter. In geschriebener Sprache müssen sie jedoch nach Möglichkeit vermieden werden, weil nämlich „die Sprache als Offenbarungssprache des Koran und als höchstes nationales und kulturelles Gut […] ‘rein’ gehalten werden soll“ (Diem 1974, 44). Wenn nun aber in einem Roman von Suppe die Rede sein soll, bleibt dem Autor trotzdem nichts anderes übrig, als das Dialektwort zu benutzen, das er dann aber häufig in Klammern (die unseren Anführungszeichen entsprechen) setzt (vgl. Diem, loc. cit.). Das Arabische ist bekanntlich reich an Synonymen. Hier ist die interessante Erscheinung zu beobachten, daß dann, wenn im Altarabischen zwei synonyme Begriffe für eine Sache existieren, häufig nur derjenige als gutes Hocharabisch gilt, der im Dialekt kein Äquivalent besitzt, auch wenn das Dialektwort die Fortsetzung eines guten klassischen Worts ist. So entspricht das damaszenische Wort für „sitzen“, ’a‘ad, altarabischem qa‘ada. Im heutigen Hocharabisch wird aber meist das im Dialekt nicht existierende qˇalasa verwendet, weil es von jedem dialektalen „Beigeschmack“ frei ist (zu dieser sog. „negativen Interferenz“ vgl. Diem 1974, 44⫺46).

3.

Diglossie und arabische Schrift

3.1. Die schon im Mittelalter bestehende Dichotomie zwischen einer prestigeträchtigen archaischen Sprachform, deren Domäne schriftliche Texte sind, und den arabischen Dialekten, die fast ausschließlich in mündlicher Kommunikation verwendet werden, hat sich im wesentlichen unverändert bis heute erhalten. Ebenso entstehen heute wie damals (geschriebene wie gesprochene) Texte, die stärkere oder schwächere Interferenz seitens der jeweils anderen Sprachform aufweisen. Neu ist aber, daß durch die Ausweitung des Schulwesens und die explosive Entwicklung der Medien heute ein wesentlich größerer Prozentsatz der arabischsprachigen Bevölkerung Hocharabischkenntnisse aufweist. Da das Hocharabische heute nicht mehr das exklusive, liebevoll und pedantisch gepflegte Bildungsgut einer Elite ist, da ständig größere Bevölkerungskreise an der sprunghaft zunehmenden überregionalen und öffentlichen Kommunikation teilnehmen, vermehrt sich auch die Häufigkeit der Situationen, in denen das Hocharabische mündlich gebraucht wird

(Radio, Fernsehen, Konferenzen, politische Versammlungen etc.). Während also geschriebener Dialekt weithin die Ausnahme ist, ist gesprochenes Hocharabisch eine durchaus alltägliche Erscheinung. Da nun aber das freie Sprechen des Hocharabischen eine ständige Konzentration auf die Sprache erfordert und viele Sprecher auch gar nicht über ausreichende Kompetenz im Hocharabischen verfügen, wird auch in relativ formellen Situationen (falls nicht abgelesen wird) nicht reines Hocharabisch, sondern eine Mischform aus Hochsprache und Dialekt verwendet, die von Hocharabisch mit leichter Dialektinterferenz bis zum Dialekt mit hocharabischer Interferenz reicht. Die beiden Sprachformen, der kodifizierten Norm vollständig entsprechendes Hocharabisch einerseits, reiner Dialekt andererseits, sind nicht säuberlich getrennt, sondern nur zwei Endpunkte eines Kontinuums. Für die Wahl der Sprachform ist neben dem Bildungsgrad des Sprechers vor allem der Formalitätsgrad der Situation ausschlaggebend. Hohe Formalität (Rede, politische Diskussion, Rundfunkinterview etc.) erfordert Hocharabisch, niedrige Formalität (Alltagskonversation, aber auch Quizsendung, „Seifenoper“ etc.) Dialekt. Der Formalitätsgrad wird außer durch die Situation auch durch die gesellschaftliche Bedeutung des Sprechers und des Themas (detailliert dargestellt bei Diem 1974) determiniert. Nicht abgelesenes gesprochenes Hocharabisch, das in allen Punkten der kodifizierten Norm entspricht, ist allerdings so gut wie nie zu hören. Doch wird auch mehr oder weniger dialektgefärbtes Hocharabisch, wie es allenthalben üblich ist, gesellschaftlich akzeptiert. Es steht korrektem Hocharabisch im Prestige nur wenig nach, ist aber bedeutend einfacher und ohne allzu großen Aufwand an Konzentration zu handhaben. Während diese Sprachform in freier Rede bereits weitgehend an die Stelle von reinem Hocharabisch getreten ist, verhindert doch die kompromißlose Aufrechterhaltung der auf das 8./9. Jh. zurückgehenden kodifizierten Norm, daß sich hier feste neue Normen etablieren. So ist gesprochenes Hocharabisch durch ein ständiges Schwanken zwischen dialektalen und korrekten Formen gekennzeichnet. Oft variiert die Sprachebene auch innerhalb einer Kommunikationssituation, etwa wenn ein Rundfunkinterview in relativ gehobenem Hocharabisch begonnen wurde und allmählich die Aufmerksamkeit, die die Teilnehmer auf die Sprache richten, nachläßt,

131. Die schriftliche Sprache im Arabischen

was eine Annäherung an den Dialektpol zur Folge hat (Beispiele bei Diem 1974). 3.2. Viele der erwähnten Phänomene lassen sich auch in anderen diglottischen Sprachgemeinschaften beobachten. Eine Besonderheit des Arabischen ist aber die Rolle, die die Schrift in dieser Situation spielt. Anders als etwa in der Schweiz kann eine dem Neuarabischen in Phonetik und z. T. auch Morphologie angenäherte Form des Hocharabischen auch dann beibehalten werden, wenn ein Text nicht frei formuliert, sondern abgelesen wird. Wenn ein Schweizer einen hochdeutschen Text vorliest, kommt immer sauberes Hochdeutsch heraus. Der Dialekt macht sich allenfalls auf der phonetischen Ebene bemerkbar. Die arabische Schrift drückt aber in ihrer unpunktierten (also normalen) Form, wie in Art. 123 dargestellt, weder die Kasusund Modusendungen noch die Kurzvokale aus, so daß also ein Arabischsprecher einen geschriebenen Text selbst dann unter Berücksichtigung sämtlicher Grapheme vorlesen kann, wenn er die (zum Verständnis ohnehin redundanten) Kasus- und Modusendungen wegläßt und sein dialektales System der Kurzvokale zugrundelegt. Ja oft steht sogar die dialektale Silbenstruktur eines Worts nicht im Widerspruch zur hocharabischen Graphie. So kann man etwa den Satz *kt{ b {lbnt+ „das Buch des Mädchens“ in reinem Hocharabisch als kita¯bu l-binti lesen, oder sogar in reinem Dialekt, z. B. damaszenisch als kta¯b el-bent, oder aber in einer dem einen oder anderen Pol angenäherten Form. Bei den Diphthongen des Arabischen (aw und ay) wird in der Schrift nur der zweite (als Konsonant interpretierte) Bestandteil ausgedrückt, d. h. aw wird durch *w+, ay durch *y+ repräsentiert. Beide Grapheme sind aber mehrdeutig, wobei *w+ für die Phoneme w und u¯, *y+ für die Phoneme y und ¯ı steht. Liegt nun in einem Dialekt Monophthongierung vor, können die aus aw und ay entstandenen Phoneme o¯ bzw. e¯ problemlos mit den Graphemen *w+ bzw. *y+ identifiziert werden, die ja auch sonst für einen Langvokal stehen. So kann man dann in der Graphemfolge *mwt {lsˇyh˚ + „der Tod des alten Mannes“ hochsprachliches mawtu sˇ-sˇayh˚ i oder dialektales mo¯t esˇ-sˇe¯h˚ erkennen. Da die Konsonantenentwicklung in den arabischen Dialekten sehr regelmäßig verlaufen ist, muß ein Leser, der einen hochsprachlich geschriebenen Text mit seinem dialektalen Konsonantensystem realisieren will, nur relativ einfache Neuzuordnungen von Graphem zu Phonem vorneh-

1489 men. So ist z. B. die normative Aussprache des Graphems * + der Laut [D]. Aber selbst in gehobenem Hocharabisch läßt sich kein Kairener davon abbringen, * + mit dem in seinem Dialekt entsprechenden Laut [g] zu realisieren. Sind Laute zusammengefallen, z. B. die Interdentale mit den dentalen Verschlußlauten, muß nur die 1:1-Relation zwischen Graphem und Phonem durch eine 2:1Relation ersetzt werden und das Graphem, das für den Interdental steht, als zweites, „etymologisches“ Graphem für den entsprechenden Dental interpretiert werden. Liest also jemand im Rundfunk einen literarischen Text vor, wird er die Wortfolge *dß bhø {ltßwr+ „er schlachtete den Stier“ als dß abahø a tß-tßawra realisieren. Wenn der Satz in einem Privatbrief steht, könnte ein Damaszener auch dialektales dabahø et-to¯r vorlesen (er wird aber eher die hocharabischen Interdentale durch die entsprechenden Sibilanten substituieren). In einem leicht dem Neuarabischen angenäherten Hocharabisch wäre eine Realisierung wie etwa dß abahø etß-tßawr angemessen. Diese Mehrdeutigkeit der arabischen Schrift hat den ägyptischen Schriftsteller Tawfı¯q al-H ø akı¯m 1956 zu einem etwas kuriosen Experiment verleitet. Um dem Problem zu begegnen, daß ein literarisches Werk, also auch ein Drama, einerseits hocharabisch verfaßt sein soll, es aber andererseits befremdlich wirkt, wenn auf der Bühne gewöhnliche Menschen in Alltagssituationen Hocharabisch sprechen (vielfach werden deshalb Theaterstücke hocharabisch gedruckt, aber zur Aufführung in den Dialekt übersetzt), hat er ein Theaterstück verfaßt, in dem (fast) nur solche Graphemfolgen verwendet werden, die sich sowohl hocharabisch als auch in ägyptischen Dialekt umsetzen lassen. Da dies aber nur möglich ist, wenn man auf zahllose Wörter gerade des Grundwortschatzes (z. B. „jetzt“, „dann“, „was?“, „warum?“, „auch“ etc.) verzichtet und auch in Morphologie und Syntax kaum tolerierbare Kompromisse eingeht, hat er schließlich selbst sein Experiment als gescheitert betrachtet und auch keine Nachahmer gefunden (vgl. Diem 1974, 120 ff.). Es zeigt aber doch, welche Breite an Realisierungsmöglichkeiten die arabische Schrift zuläßt. 3.3. Die Vieldeutigkeit der arabischen Schrift hat wohl auch ihr Gutes. Sie ermöglicht es etwa, daß sich auch Menschen mit geringer Schulbildung schriftlich ausdrücken können, ohne durch allzu viele Fehler aufzufallen. Sie erlaubt es, hinter dem Schriftbild literarischer

1490 Texte eine der Muttersprache angenäherte Form zu erkennen, wodurch diese nicht mehr ganz so unnatürlich wirken, und sie verstärkt die Tendenz, daß sich eine eigene Norm für ein dem Neuarabischen angenähertes Hocharabisch herausbildet, die allmählich in weiten Bereichen die klassische Norm ablösen könnte, ohne daß dies einen so großen Bruch mit der Tradition bedeuten würde wie die Herausbildung mehrerer Standardsprachen, die auf den Dialekten der großen Metropolen beruhen (so die kaum realistische Zukunftsvision von Ferguson 1959, 340). Den meisten Angehörigen der kulturellen Elite ist die Mehrdeutigkeit der arabischen Schrift aber ein Dorn im Auge, weil sie beim Schreiben nicht dazu zwinge, sich stets aller grammatischen Regeln bewußt zu sein, was den Erwerb korrekter Hocharabischkenntnisse verzögere und erschwere, und weil das Schriftbild erst grammatisch interpretiert werden müsse, ehe man einen Text „korrekt“ (d. h. im Sinne der kodifizierten Norm) lesen kann. Lehrer bedauern, daß sie aus schriftlichen Arbeiten ihrer Schüler nur bedingt auf deren Grammatikkenntnisse schließen können. Und manche glauben, daß die skizzierten Eigenheiten der arabischen Schrift den von vielen erhofften Ersatz der Dialekte durch das Hocharabische auch als Umgangssprache verzögere. Würden in der Schrift nämlich alle Vokale stets ausgedrückt, wäre man gezwungen, geschriebene Texte stets in korrektem Hocharabisch zu lesen, wodurch sich die hocharabischen Formen besser einprägen würden (vgl. Diem 1974, 14f). Um dieser von vielen als Mißstand betrachteten Situation abzuhelfen, sind immer wieder (letzlich chancenlose) Schriftreformen vorgeschlagen worden, die bis zur Abschaffung der arabischen Schrift und ihrer Ersetzung durch die Lateinschrift reichten (vgl. Meynet 1971). Aber selbst wenn man nicht vor den Konsequenzen zurückschreckt, die ein solch ungeheuerlicher Bruch mit der Tradition mit sich bringen würde, sind Zweifel an der Wirksamkeit einer solchen Reform angebracht. Der Glaube, eine archaische Sprachform mit zahlreichen weitgehend redundanten Endungen würde jemals Alltagssprache aller Araber werden können, ist illusorisch. Dagegen ist die Tendenz „in Richtung der Schaffung einer mündlichen Literatursprache, die breite gesellschaftliche Funktionen besitzt“ (Belkin 1990, 113), nicht von der Hand zu weisen. Die Tatsache, daß in der arabischen Schrift aber die Unterschiede zwischen einer solchen mündlichen,

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

in manchen Punkten (etwa dem Wegfall der Flexionsendungen) dem Neuarabischen angenäherten Literatursprache und der Schriftsprache der kodifizierten, klassischen Norm und Tradition weitgehend aufgehoben wird, bietet die anderswo (z. B. in China) nicht gegebene Möglichkeit, den Erfordernissen einer modernen Ansprüchen genügenden, effizienten sprachlichen Kommunikation entgegenzukommen, ohne gleichzeitig die eigene Schriftkultur und Literaturtradition preisgeben zu müssen.

4.

Literatur

Belkin, Vladimir M. 1990. Die arabische Literatursprache der Gegenwart: Versuch einer Begriffsbestimmung. In: Reuschel, Wolfgang (ed.), Orientalische Philologie und arabische Linguistik. Berlin, 111⫺113. Blau, Joshua. 1982. Das frühe Neuarabisch in mittelarabischen Texten. In: Fischer, 96⫺109. ⫺. 1988. Studies in Middle Arabic and its JudaeoArabic Variety. Jerusalem. Diem, Werner. 1973. Die nabatäischen Inschriften und die Frage der Kasusflexion im Altarabischen. Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft 123, 227⫺237. ⫺. 1974. Hochsprache und Dialekt im Arabischen. Untersuchungen zur heutigen arabischen Zweisprachigkeit. Wiesbaden. Ferguson, Charles A. 1959. Diglossia. Word 15, 325⫺340. Fischer, Wolfdietrich 1971⫺1972. Die Perioden des Klassischen Arabisch. Abr-Nahrain 12, 15⫺18. ⫺. 1991. What is Middle Arabic? In: Semitic Studies in honor of Wolf Leslau. Vol. I. Wiesbaden, 430⫺436. ⫺. (ed.). 1982. Grundriß der Arabischen Philologie. Band I: Sprachwissenschaft. Wiesbaden. Fischer, Wolfdietrich & Jastrow, Otto (ed.). 1980. Handbuch der arabischen Dialekte. Wiesbaden. Grotzfeld, Heinz. 1982. Neuarabische Dialekte als Sprache der Literatur. In: Fischer, 119⫺124. Kropfitsch, Lorenz. 1980. Semantische Tendenzen im Neuhocharabischen. Zeitschrift für arabische Linguistik 5, 118⫺136. Meiseles, Gustav. 1979. Informal Written Arabic. A preliminary evaluation of data. Israel Oriental Studies 9, 272⫺314. Meynet, Roland. 1971. L’e´criture arabe en question. Les projets de l’Acade´mie de Langue Arabe du Caire de 1938 a` 1968. Beirut. Wild, Stefan. 1982. Die arabische Schriftsprache der Gegenwart. In: Fischer, 51⫺57.

Thomas Bauer, Erlangen (Deutschland)

1491

132. Die schriftliche Sprache im Französischen

132. Die schriftliche Sprache im Französischen 1. 2. 3. 4.

1.

Schreibtraditionen zwischen referentieller Angemessenheit und kulturellem Selbstverständnis einer Nation Von den scriptae bis zum bon usage Die Krise der Schreibtraditionen Literatur

Schreibtraditionen zwischen referentieller Angemessenheit und kulturellem Selbstverständnis einer Nation

„[…] Et si i’escris en Franc¸ois, qui est la langue de mon paı¨s, plutost qu’en Latin, qui est celle de mes Precepteurs, c’est a cause que i’espere que ceux qui ne se seruent que de leur raison naturelle toute pure, iugeront mieux de mes opinions, que ceux qui ne croyent qu’aux liures anciens“. („Und wenn ich auf Französisch schreibe, was die Sprache meines Landes ist, statt auf Latein ⫺ der Sprache meiner Erzieher ⫺, dann weil ich hoffe, daß diejenigen, die sich nur der reinen natürlichen Ratio bedienen, besser meine Gedanken beurteilen werden, als die, die nur den Büchern der Alten Glauben schenken.“) So kann Descartes 1637 im „Discours de la me´thode“ schreiben: die Entwicklung des schriftlichen Französisch ist weit genug fortgeschritten, daß er die Sprache seines Volkes für hinreichend leistungsfähig und würdig hält, sie als graphischen Träger philosophischer Ratio zu verwenden. Der zitierte Denker gehört in eine Umbruchphase des Sprachbewußtseins. Hatte man bis in das 16. Jahrhundert immer wieder das Bedürfnis verspürt, Lücken der französischen Schriftsprache zu füllen, glaubt man wenig später, das Französische sei die Sprache der clarte´ überhaupt (Weinrich 1961; Ricken 1978). Descartes’ Zeilen öffnen einen Blick auf den theoretischen Horizont des Schriftfranzösischen. Funktional-referentiell steht das Wie des Ausdrucks zur Diskussion, die Frage, ob Lexikon und Grammatik ausreichen, um anspruchsvolle, merkmalhaltige Gedanken zu versprachlichen. Historisch-kulturell geht es um die Dignität des Französischen als Schriftsprache. Im Mittelbereich zwischen funktional-referentiellem und kulturellem Aspekt steht die Ausbildung eines Kanons nationaler Schreibtraditionen. Damit sind folgende Fragen verknüpft: Welche Gattungen werden zu Papier gebracht, also

üblicherweise „medial schriftlich“ ausgedrückt, und inwieweit sind sie zudem inhaltlich schriftsprachlich geprägt, d. h. gleichzeitig „konzeptionell schriftlich“ (Koch & Oesterreicher 1985; Ludwig 1986; Koch & Oesterreicher 1990; → Art. 1, 44)? Welche Schreibtraditionen haben den höchsten Stellenwert im ⫺ für die gesellschaftliche Identität maßgeblichen ⫺ „kulturellen Gedächtnis“ (Assmann & Assmann 1988; Assmann 1992) der Franzosen, und welche Stilmittel zeichnen sie aus?

2.

Von den scriptae bis zum bon usage

2.1. Im Mittelalter sind die romanischen Volkssprachen und damit das Französische zunächst diglossisch auf die Rolle der low variety beschränkt, während die high variety das Lateinische ist (Ferguson 1959; Berschin & Berschin 1987). Latein und Französisch stehen dabei in einem Wechselverhältnis, so daß diese Diglossie am besten als Skala zu beschreiben ist; entsprechend fließen in das Französische, soweit es immer mehr in die Domäne der Schriftlichkeit vorrückt, lateinische Ausdrucksmittel ein (Raible 1995). Bei der Ausbildung französischer Schreibtraditionen sind ⫺ dieses ist die zweite wesentliche Koordinate nicht nur des mittelalterlichen Schriftlichkeitsfeldes ⫺ grosso modo zwei Bereiche zu unterscheiden: Literatur und nichtliterarisches Schrifttum (Goebl 1979, 351 f). Breitere selbständige literarische Schreibtraditionen entstehen vor den nichtliterarischen, obwohl der erste französische, sprachlich noch heterogene Text, die berühmten Straßburger Eide (Serments de Strasbourg) von 842, zu letzterem Bereich zählt (Hilty 1973; Berschin, Felixberger & Goebl 1978, 183⫺189). Allerdings gilt die Einstufung der Straßburger Eide als ältestes französisches Sprachzeugnis nur mit einer Einschränkung; wohl müssen diese Eide im Jahr 842 geleistet worden sein, aber die erhaltene Abschrift stammt vom Ende des 10. oder beginnenden 11. Jahrhunderts. Drei andere altfranzösische Manuskripte ⫺ darunter das der Eulalia-Sequenz (s. u.) ⫺ sind früher zu datieren (Frank & Hartmann 1996). 2.2. Zunehmend eigenständige literarische Schreibtraditionen entwickeln sich über die

1492 Heiligenviten ⫺ die erste ist die Se´quence de Sainte Eulalie (ca. 880) ⫺, die Chanson de geste wie die Chanson de Roland (um 1100) bis zum Versroman (z. B. Erec et Enide von Chre´tien de Troyes, um 1165) und dann zum Prosaroman (vom Beginn des 13. Jahrhunderts an). Sieht man einmal davon ab, daß die diatopische Zuordnung der Eulaliasequenz umstritten ist, so tragen diese Werke doch deutlich regionale Züge, z. B. des ⫺ auch in Südengland gesprochenen ⫺ Anglonormannischen (Rolandslied) oder des Champagnischen (Chre´tien de Troyes). Die Textstruktur insbesondere von Chanson de geste und manchen Heiligenviten scheint durch die Praxis des mündlichen Vortrags beeinflußt zu sein (Duggan 1989). Als typische konzeptionell schriftsprachliche, „integrative“ Ausdrucksparadigmen erweisen sich allgemein merkmalhaltiger Wortschatz und Subordinationstechniken (Ludwig 1986; Raible 1992). Gemäß Stempel (1964, z. B. 106) stehen im Bereich der Subordination alle Konjunktionstypen von Anfang an zur Verfügung, sogar die komplizierteren Konzessivausdrücke. Im Hinblick auf das Lexikon mangelt es aber nicht an zeitgenössischen Klagen über die fehlenden Ausdrucksmittel (Stempel 1987, z. B. 21 f). 2.3. Innerhalb des nicht-literarischen Schrifttums in französischer Sprache erweisen sich neben Listen und Registern oder didaktischen Schriften Urkunden als wichtigste Textsorte; es finden sich bis 1200 einige hundert, im 13. Jahrhundert dann einige tausend Urkunden in romanischer Volkssprache (Frank & Hartmann 1993). Die französischen Urkunden sind vor allem im 13. und in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts von regionalen Orthographiekonventionen, den scriptae, geprägt; diese scriptae bilden „Schreiblandschaften“ (Gossen), die dialektal beeinflußt sind, aber nicht direkt mit Regionalsprachen gleichgesetzt werden dürfen (Delbouille 1962; Gossen 1967; Goebl 1979). Charakteristisch für konzeptionelle Schriftlichkeit ist explizite Textgliederung (Ludwig 1986). Diese Urkunden machen bereits regen Gebrauch von metakommunikativen Hinweisen, die deutlich auf einen schriftkundigen Rezipienten, also einen globalen Lesevorgang und nicht nur lineares Vorlesen hin angelegt sind (Frank & Hartmann 1993). Aus dem didaktischen Textbereich formiert sich die volkssprachliche Fachprosa. Als Vater der französischen Wissenschafts-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

sprache kann Nicole Oresme (gest. 1382) gelten. Er richtet sich mit französischen Traktaten an gebildete Leser, nicht aber ⫺ wie andere vor ihm ⫺ in pädagogisch-vulgarisierender Absicht an Lateinunkundige; dabei benutzt er „moderne“ Schreibverfahren, wie metakommunikative Verweise, Fremdwörterglossen, Zitatverweise etc. (Stempel 1987). Hinsichtlich der Rolle des Französischen als Schriftsprache formuliert er Argumente, die im 16. Jahrhundert verstärkt ausgeführt werden. Wohl muß besonders der Wortschatz der Volkssprache bereichert werden, aber in seinen Augen steht das Französische durchaus nicht hoffnungslos hinter dem Latein zurück (Stempel 1987, 21 ff). 2.4. Schriftlichkeit erfordert eine einheitliche Norm (Ludwig 1986, 20 f). Als Grundlage für die französische Schriftsprache setzt sich innerhalb der französischen Dialektlandschaft das Franzische, d. h. die Sprache der Ile de France, immer mehr durch. Vom Ende des 12. Jahrhunderts an klagen Dichter wie Conon de Be´thune über die Geringschätzung ihrer heimatlichen Mundart gegenüber dem Franzischen (Goebl 1979, 352⫺355), und von der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts ab werden die Unterschiede zwischen den scriptae zugunsten der Sprache der Ile de France nivelliert (Gossen 1957, Goebl 1979, 355). Das funktionale Bedürfnis einer einheitlichen Schriftsprache konvergiert mit den territorial-politischen Interessen der französischen Krone (Pfister 1973); es wird gestützt durch das Vorhandensein eines Dialekts im politisch-geographischen Zentrum des langue d’oı¨l-Raumes, der in mancher Hinsicht als der neutrale Mittelwert zwischen den periphereren, stärker ausgeprägten Dialekten erscheint, also eben des Franzischen (Delbouille 1962, bes. 22). 2.5. Im Zeitalter der Renaissance, im Frankreich des 16. Jahrhunderts, machen sich die Dichter der Ple´iade, allen voran Joachim du Bellay mit seiner „Deffence et illustration de la langue francoyse“ von 1549, zu den Wortführern eines ⫺ etwa durch Entlehnungen verschiedener Art ⫺ bereicherten Schriftfranzösischen, das derart zum würdigen Träger gleichzeitig politischen und literarischen Ruhms Frankreichs werden soll. Waren Kapetinger-Könige wie Philipp August (1180⫺ 1223) nicht als poetische Förderer in Erscheinung getreten (Gossen 1957, 435), so kommt jetzt unter den Valois ein für die französische

1493

132. Die schriftliche Sprache im Französischen

Schriftsprache, d. h. für die Verankerung und Hierarchisierung nationaler Schreibtraditionen im kulturellen Gedächtnis, wesentlicher Vorgang zum Tragen, der sich später unter den Bourbonen fortsetzt. In der engen Wechselbeziehung von Monarchie und literarischem Schöngeist ist einer der Hauptgründe dafür zu sehen, daß Sprache, und zwar literarische Schreibtradition, einen zentralen Platz im Kanon französischer Wertvorstellungen bekommt; der schriftlichen Wissenschaftssprache bleibt eine nachgeordnete Bedeutung. 2.6. In der Klassik, d. h. im 17. Jahrhundert, entwickelt sich dann der bon usage, also die eigentliche Grundlage des heutigen Schriftfranzösischen. Durch die 1635 offiziell begründete Acade´mie franc¸aise erhält es eine Schiedsinstanz, deren wichtigstes Sprachrohr der Grammatiker Vaugelas ist. In einer berühmten Formel definiert er den „guten Sprachgebrauch“ als die Art, mit der der „beste Teil des Hofes spricht“ (Settekorn 1988, 52 f). Auf diese Weise werden dem Schriftfranzösischen, d. h. den im kulturellen Gedächtnis zentralen literarischen Schreibtraditionen, vorerst Züge der Mündlichkeit belassen, worin gewiß ein Ergebnis der durch Castigliones „Libro del Cortegiano“ beeinflußten höfischen Konversationskultur zu sehen ist (Bader 1988). Nachdem über Jahrhunderte das Schriftfranzösische bereichert werden sollte, will man nun den bon usage von zu vielen ⫺ italienischen, lateinischen ⫺ Entlehnungen, von im Übermaß vorhandenen, nicht scharf genug voneinander geschiedenen Ausdrucksmitteln reinigen. Im Bereich der syntaktischen Integrationstechniken untersagt man jetzt beispielsweise den Konjunktivgebrauch nach affirmierten epistemischen Verben (also Ausdrücke wie je crois qu’il soit, die analog im Spanischen und Italienischen bis heute möglich sind), oder man sucht, die Vielzahl der kausalen Junktoren auf drei zu begrenzen: parce que, puisque und car (Wartburg 1946, 174, 178 f). Bei der makrostrukturellen Textorganisation zeigt sich ⫺ zumindest in historiographischen Texten ⫺ eine stärkere Kausalisierung und Ebenenhierarchisierung, was auf eine gestiegene Lesefähigkeit und vermehrte Ansprüche an die intellektuelle Analyse von Sachverhalten zurückgeht (Blumenthal 1990).

3.

Die Krise der Schreibtraditionen

3.1. Das neue Sprachbewußtsein, an dessen Schwelle der eingangs zitierte Descartes steht, den Anspruch, das Französische sei die Sprache der Klarheit schlechthin, bringt im 18. Jahrhundert Rivarol mit seinem „Discours sur l’universalite´ de la langue franc¸aise“ von 1784 auf den Punkt (Ricken 1978, 155 ff). Die Sprachtheoretiker der Revolution wie der Abbe´ Gre´goire ⫺ die im Pariser Französischen die langue de la liberte´ erblikken ⫺ engagieren sich dann für eine allgemeine Alphabetisierung; auf diesem Wege bekämpfen sie weiter die regionalen oralen Traditionen, d. h. die Dialekte werden endgültig zu patois abgewertet (Schlieben-Lange 1981). 3.2. Die Einführung eines allgemeinen Schulwesens gelingt jedoch erst im 19. Jahrhundert unter dem Einfluß des Bildungspolitikers Jules Ferry; jetzt wird das Schriftfranzösische in die Reichweite nicht nur einer kleinen Elite, sondern der Gesamtbevölkerung gebracht. Damit verbunden ist ein enormer Anstieg des Buchdrucks und der Verbreitung von Lehrwerken, in denen ⫺ etwa mit Autorenzitaten ⫺ die literarische Schreibtradition zur allgemeinen Sprachnorm propagiert wird (Settekorn 1988, 112 ff). 3.3. Auch im 20. Jahrhundert kommt der normierte, in mancher Hinsicht auf die Gleichung ‘bon usage ⫽ franc¸ais e´crit ⫽ franc¸ais litte´raire’ rückführbare Charakter der französischen Schreibtraditionen (Bellenger 1986, 49 ff) nicht nur in den Standardlexika und -grammatiken zum Ausdruck (Settekorn 1988, 114 ff), sondern ebenfalls in einer Anzahl von Schreiblehren. Die darin enthaltenen Anweisungen lassen sich nach den für die Konstitution von Schreibtraditionen typischen Bereichen gruppieren: ⫺ allgemeine funktional-referentielle Anforderungen an Schriftlichkeit, z. B. Gebrauch präziser Wörter, Vermeidung lexikalischer und grammatischer Passe-partout-Ausdrücke (Gabay 1988, 47, 58, 65; Dulie`re 1988, 98 ff), eindeutige Referenz (Gabay 1988, 56) und sorgfältige logische Verknüpfung (Gabay 1988, 59); ⫺ kulturspezifische Normen, wie die des style agre´able (Gabay 1988, 53), der clarte´ des Ausdrucks (Gabay 1988, 194; Dulie`re 1988, 78 ff) oder von bestimmten Aufbauschemata für Texttypen wie Schulaufsätze (Gabay 1988, 175 ff);

1494

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

⫺ Präferenz bestimmter einzelsprachlicher Techniken für die Schriftlichkeit, so die Verwendung des im mündlichen Französisch obsoleten Konjunktiv-Imperfekt (vgl. Ludwig 1989, 135 ff), die Beachtung der Zeitenfolgeregeln und die Vermeidung des Konjunktivs nach apre`s que (Gabay 1988, 50⫺53) bis zur Vermeidung von Provinzialismen und Anglizismen (Dulie`re 1988, 129 ff; Gabay 1988, 45 f). 3.4. Die Verabsolutierung der ursprünglich oralitätsnahen literarischen Schreibtradition, des bon usage, hat zu einem Auseinanderklaffen von Mündlichkeit und Schriftlichkeit und damit zu Problemen geführt, die man oft als „Krise des Französischen“ bezeichnet hat (Söll 1983). Die innere Geschlossenheit und allgemeine Verbindlichkeit der traditionellen Schriftnorm ist konfrontiert mit einer Vielzahl von Sprachkontakten innerhalb und außerhalb Europas sowie eigenständigen Entwicklungsprozessen des Französischen in der Frankophonie (Weinstein 1989; Ludwig 1995 a). Die Vernachlässigung des technischen Bereichs hat dem Gebrauch des Englischen als Wissenschaftssprache und lexikalische Entlehnungsquelle Vorschub geleistet. Die politischen Instanzen haben darauf mit einer ganzen Reihe sprachplanerischer Maßnahmen geantwortet; deren Gegenstand sind die Einsetzung von Kommissionen für technischen Wortschatz, die Eindämmung der Anglizismen in der Öffentlichkeit und die Begründung von Frankophonie-Instanzen (Hage`ge 1987, 142 ff; Weinstein 1989, 62 ff; Schmitt 1990). Eine gewisse Neuorientierung ist im literarischen Bereich abzusehen. Hatten sich schon Autoren wie Ce´line und Queneau Elemente gesprochener Sprache zunutze gemacht (Blank 1991), so zeichnet sich jetzt eine Öffnung der Schreibtraditionen etwa gegenüber dem Afrikafranzösischen oder Antillenfranzösischen ab, wenn man an die Verleihung des Prix Goncourt an den Marokkaner Tahar Ben Jelloun im Jahre 1987, des Prix Renaudot an den gebürtigen Haitianer Rene´ Depestre im Jahr darauf oder des Prix Goncourt 1992 an den Martinikaner Patrick Chamoiseau denkt (Ludwig 1995 b).

4.

Literatur

Assmann, Jan. 1992. Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. München.

Assmann, Aleida & Assmann, Jan. 1988. Schrift, Tradition und Kultur. In: Raible, 25⫺49. Bader, Eugen. 1988. Celare artem: Kontext und Bedeutung der stilistischen Anweisung ‘schreibe, wie du redest!’ im 16./17. Jahrhundert (Italien, Spanien, Frankreich). In: Raible, 197⫺217. Bellenger, Lionel. 1986. L’expression e´crite. Paris, 2., überarbeitete Ausgabe. Berschin, Helmut & Berschin, Walter. 1987. Mittellatein und Romanisch. Zeitschrift für Romanische Philologie 103, 1⫺19. Berschin, Helmut, Felixberger, Josef & Goebl, Hans. 1978. Französische Sprachgeschichte. Lateinische Basis ⫺ Interne und externe Geschichte ⫺ Sprachliche Gliederung Frankreichs. München. Blank, Andreas. 1991. Literarisierung von Mündlichkeit. Louis-Ferdinand Ce´line und Raymond Queneau. Tübingen. Blumenthal, Peter. 1990. Textorganisation im Französischen vom Mittelalter zur Klassik. Zeitschrift für französische Sprache und Literatur 100, 25⫺60. Delbouille, Maurice. 1962. La notion de ‘bon usage’ en ancien-franc¸ais. A propos de la gene`se de la langue franc¸aise. Cahiers de l’association internationale des e´tudes franc¸aises 14, 9⫺24. Duggan, Joseph J. 1989. Performance and Transmission, Aural and Ocular Reception in the Twelfth- and Thirteenth-Century Vernacular Literature of France. Romance Philology 43, 49⫺58. Dulie`re, Andre´. 1988. Les secrets de la langue franc¸aise. Essai sur l’art d’e´crire. Lausanne. Ferguson, Charles A. 1959. Diglossia. Word 15, 325⫺340. Frank, Barbara & Hartmann, Jörg. 1993. Les indications me´tacommunicatives des premiers documents des langues romanes. In: Selig, Maria, Frank, Barbara & Hartmann, Jörg (ed.), Le passage a` l’e´crit des langues romanes. Tübingen, 207⫺226. ⫺. 1996. Inventaire syste´matique des premiers documents des langues romanes. Tübingen, erscheint. Gabay, Miche`le (sous la direction de). 1988. Guide d’expression e´crite, Paris. Goebl, Hans. 1979. Verba volant, scripta manent. Quelques remarques a` propos de la scripta normande. Revue de linguistique romane 43, 344⫺ 399. Gossen, Carl-Theodor. 1957. Die Einheit der französischen Schriftsprache im 15. und 16. Jahrhundert. Zeitschrift für romanische Philologie 73, 427⫺459. ⫺. 1967. Französische Scriptastudien. Untersuchungen zu den nordfranzösischen Urkundensprachen des Mittelalters. Wien. Hage`ge, Claude. 1987. Le franc¸ais et les sie`cles. Paris.

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133. Written Language: English Hilty, Gerold. 1973. Les origines de la langue litte´raire franc¸aise. Vox romanica 32, 254⫺271.

⫺. 1992. Junktion. Eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration. Heidelberg.

kon der Romanistischen Linguistik (LRL), Band II, Art. 100. Tübingen, erscheint. Ricken, Ulrich. 1978. Grammaire et philosophie au sie`cle des lumie`res. Controverses sur l’ordre naturel et la clarte´ du franc¸ais. Lille. Schlieben-Lange, Brigitte. 1981. Die Französische Revolution und die Sprache. Zeitschrift für Linguistik und Literaturwissenschaft 41, 90⫺123. Schmitt, Christian. 1990. „Frankophonie I. Der Begriff der Frankophonie“. In: Holtus, Günter, Metzeltin, Michael & Schmitt, Christian (ed.). Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), Band V. Tübingen, 686⫺703. Settekorn, Wolfgang. 1988. Sprachnorm und Sprachnormierung in Frankreich. Einführung in die begrifflichen, historischen und materiellen Grundlagen. Tübingen. Söll, Ludwig. 1983. Die Krise der französischen Sprache ⫺ Realität oder Illusion? Wieder abgedruckt in: Hausmann, Franz-Josef (ed.), Die französische Sprache von heute. Darmstadt, 270⫺285. Stempel, Wolf-Dieter. 1964. Untersuchungen zur Satzverknüpfung im Altfranzösischen. Braunschweig. ⫺. 1987. Notizen zu Nicole Oresmes Spracharbeit. In: Stempel, Wolf-Dieter & Stierle, Karlheinz (ed.), Die Pluralität der Welten. Aspekte der Renaissance in der Romania. München, 11⫺37. Wartburg, Walther von. 1946. E´volution et structure de la langue franc¸aise. Bern 101971. Weinrich, Harald. 1961. Die ‘clarte´’ der französischen Sprache und die Klarheit der Franzosen. Zeitschrift für romanische Philologie 77, 528⫺544. Weinstein, Brian. 1989. Francophonie: Purism at the International Level. In: Jernudd, Björn H. & Shapiro, Michael J. (ed.), The Politics of Language Purism. Berlin etc., 53⫺79.

⫺. 1995. Relatinisierung. In: Schmitt, Christian, Metzeltin, Michael & Holtus, Günter (ed.), Lexi-

Ralph Ludwig, Freiburg (Deutschland)

Koch, Peter & Oesterreicher, Wulf. 1985. Sprache der Nähe ⫺ Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. Romanistisches Jahrbuch 36, 15⫺43. ⫺. 1990. Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch. Tübingen. Ludwig, Ralph. 1986. Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Felder der Forschung und Ansätze zu einer Merkmalsystematik im Französischen. Romanistisches Jahrbuch 37, 15⫺45. ⫺. 1989. Modalität und Modus im gesprochenen Französisch. Tübingen. ⫺. 1995 a. Sprache als Kultursymbol. Entwicklungen in der Frankophonie und Hispanophonie. In: Raible, Wolfgang (ed.), Kulturelle Perspektiven auf Schrift und Schreibprozesse, Tübingen, 187⫺214. ` la de´couverte d’une e´criture ‘de´me⫺. 1995 b. „A sure´e’: Quelques nouvelles donne´es litte´raires et leurs conse´quences de´sespe´rantesques pour le graal du bon usage.“ In: Delpech, Catherine & Roelens, Maurice (ed.), Socie´te´ et litte´rature antillaises aujourd’hui. Actes des Rencontres Scientifiques et Culturelles Perpignanaises (17⫺19 novembre 1994), Perpignan, erscheint. Pfister, Max. 1973. Die sprachliche Bedeutung von Paris und der Ile-de-France vor dem 13. Jahrhundert. Vox romanica 32, 217⫺253. Raible, Wolfgang (ed.). 1988. Zwischen Festtag und Alltag. Zehn Beiträge zum Thema ‘Mündlichkeit und Schriftlichkeit’. Tübingen.

133. Written Language: English 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Introduction Lexico-syntactic analyses Cohesion and cohesive harmony A theory of involvement Information structuring relations Analytic approaches to coherence Contrastive rhetoric Multidimensional analyses of register variation 9. Conclusion 10. References

1.

Introduction

There is a long history of linguistic research on written English texts and varieties (or registers). Early studies tended to be carried out in disciplines such as rhetoric and literary criticism, while more recently there have been numerous contributions from linguistics and related fields. Many studies focus on the linguistic characteristics of a single written register, for ex-

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133. Written Language: English Hilty, Gerold. 1973. Les origines de la langue litte´raire franc¸aise. Vox romanica 32, 254⫺271.

⫺. 1992. Junktion. Eine Dimension der Sprache und ihre Realisierungsformen zwischen Aggregation und Integration. Heidelberg.

kon der Romanistischen Linguistik (LRL), Band II, Art. 100. Tübingen, erscheint. Ricken, Ulrich. 1978. Grammaire et philosophie au sie`cle des lumie`res. Controverses sur l’ordre naturel et la clarte´ du franc¸ais. Lille. Schlieben-Lange, Brigitte. 1981. Die Französische Revolution und die Sprache. Zeitschrift für Linguistik und Literaturwissenschaft 41, 90⫺123. Schmitt, Christian. 1990. „Frankophonie I. Der Begriff der Frankophonie“. In: Holtus, Günter, Metzeltin, Michael & Schmitt, Christian (ed.). Lexikon der Romanistischen Linguistik (LRL), Band V. Tübingen, 686⫺703. Settekorn, Wolfgang. 1988. Sprachnorm und Sprachnormierung in Frankreich. Einführung in die begrifflichen, historischen und materiellen Grundlagen. Tübingen. Söll, Ludwig. 1983. Die Krise der französischen Sprache ⫺ Realität oder Illusion? Wieder abgedruckt in: Hausmann, Franz-Josef (ed.), Die französische Sprache von heute. Darmstadt, 270⫺285. Stempel, Wolf-Dieter. 1964. Untersuchungen zur Satzverknüpfung im Altfranzösischen. Braunschweig. ⫺. 1987. Notizen zu Nicole Oresmes Spracharbeit. In: Stempel, Wolf-Dieter & Stierle, Karlheinz (ed.), Die Pluralität der Welten. Aspekte der Renaissance in der Romania. München, 11⫺37. Wartburg, Walther von. 1946. E´volution et structure de la langue franc¸aise. Bern 101971. Weinrich, Harald. 1961. Die ‘clarte´’ der französischen Sprache und die Klarheit der Franzosen. Zeitschrift für romanische Philologie 77, 528⫺544. Weinstein, Brian. 1989. Francophonie: Purism at the International Level. In: Jernudd, Björn H. & Shapiro, Michael J. (ed.), The Politics of Language Purism. Berlin etc., 53⫺79.

⫺. 1995. Relatinisierung. In: Schmitt, Christian, Metzeltin, Michael & Holtus, Günter (ed.), Lexi-

Ralph Ludwig, Freiburg (Deutschland)

Koch, Peter & Oesterreicher, Wulf. 1985. Sprache der Nähe ⫺ Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. Romanistisches Jahrbuch 36, 15⫺43. ⫺. 1990. Gesprochene Sprache in der Romania: Französisch, Italienisch, Spanisch. Tübingen. Ludwig, Ralph. 1986. Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Felder der Forschung und Ansätze zu einer Merkmalsystematik im Französischen. Romanistisches Jahrbuch 37, 15⫺45. ⫺. 1989. Modalität und Modus im gesprochenen Französisch. Tübingen. ⫺. 1995 a. Sprache als Kultursymbol. Entwicklungen in der Frankophonie und Hispanophonie. In: Raible, Wolfgang (ed.), Kulturelle Perspektiven auf Schrift und Schreibprozesse, Tübingen, 187⫺214. ` la de´couverte d’une e´criture ‘de´me⫺. 1995 b. „A sure´e’: Quelques nouvelles donne´es litte´raires et leurs conse´quences de´sespe´rantesques pour le graal du bon usage.“ In: Delpech, Catherine & Roelens, Maurice (ed.), Socie´te´ et litte´rature antillaises aujourd’hui. Actes des Rencontres Scientifiques et Culturelles Perpignanaises (17⫺19 novembre 1994), Perpignan, erscheint. Pfister, Max. 1973. Die sprachliche Bedeutung von Paris und der Ile-de-France vor dem 13. Jahrhundert. Vox romanica 32, 217⫺253. Raible, Wolfgang (ed.). 1988. Zwischen Festtag und Alltag. Zehn Beiträge zum Thema ‘Mündlichkeit und Schriftlichkeit’. Tübingen.

133. Written Language: English 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Introduction Lexico-syntactic analyses Cohesion and cohesive harmony A theory of involvement Information structuring relations Analytic approaches to coherence Contrastive rhetoric Multidimensional analyses of register variation 9. Conclusion 10. References

1.

Introduction

There is a long history of linguistic research on written English texts and varieties (or registers). Early studies tended to be carried out in disciplines such as rhetoric and literary criticism, while more recently there have been numerous contributions from linguistics and related fields. Many studies focus on the linguistic characteristics of a single written register, for ex-

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IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ample, legal language, scientific research articles, or written advertisements (see the booklength treatments by Mellinkoff 1963; Swales 1990; Leech 1966). Several of these studies take a diachronic perspective, analyzing changes in the linguistic characteristics of a written variety over time. For example, Halliday (1988) analyzes changes in the syntactic characteristics of physical science writing in English over the last several centuries, and Atkinson (1992) analyzes linguistic developments in Scottish medical research writing over the last 250 years. In addition, numerous studies have taken a variationist approach, comparing the linguistic characteristics of two or more registers. Many of these studies compare written and spoken varieties, showing how they differ in their lexical characteristics (e. g., type/ token ratio), grammatical characteristics (e. g., use of nominalizations or passives), and syntactic features (e. g., syntactic embedding). Chafe & Tannen (1987) survey many studies of this type, while Atkinson & Biber (1994) survey both studies of individual registers and comparative register analyses. An alternative perspective is to compare the various analytical approaches that have been used to study English written discourse; we consider several of these approaches in the following sections.

2.

Lexico-syntactic analyses

The analytical approach most commonly used to characterize written texts in English has focused on surface lexical and syntactic features. Many studies taking this approach have analyzed the development of students’ writing skills, focusing on linguistic measures such as the length of T-units (a main clause and all associated dependent clauses), and the frequency and complexity of noun phrases, adverbial and adjectival modifiers, and various clause types (see the survey in Hillocks 1986). Other studies have used a similar approach to compare spoken and written texts. Studies such as Pellegrino et al. (1978) compare syntactic development in children’s spoken and written language, while Chafe (1982) and Tannen (1982) compare adults’ spoken and written language with respect to two linguistic parameters: detachment vs. involvement, and integration vs. fragmentation.

3.

Cohesion and cohesive harmony

Cohesion markers are linguistic features which provide connections across sentence boundaries, reflecting the underlying logical coherence of a text. In the original framework developed by Halliday & Hasan (1976), two main types of cohesion were distinguished: lexical cohesion referred to the relations among words (e. g., anaphora, repetition, synonymy), while logical cohesion referred to surface marking of the relations among clauses (e. g., by conjuncts). More recently, Halliday & Hasan (1989) have extended their earlier theory in several respects. The new sub-component of Structural Cohesion includes syntactic parallelism, given ⫺ new information structuring, and theme ⫺ rheme structure. Componential Cohesion includes pronouns, deictics, definite articles, comparatives, ellipsis, and substitution. Lexical cohesion is part of Componential Cohesion and includes repetition, synonymy, antonymy, equivalence, naming, and meronymy (part-whole). Finally, the component labelled Organic Cohesion focuses on transition markers. The extended theory of cohesive harmony better enables quantitative analyses of cohesive markers in relation to textual coherence. The foundation of this new approach is based on the extent and types of chaining relations in a text. Chains can be used to measure the main topics and their relations to one another. Interesting results using this approach have been presented by Crowhurst (1987), Cox et al. (1990), and Speigel and Fitzgerald (1990).

4.

A theory of involvement

A related approach to written text analysis is proposed by Tannen (1989), who argues that involvement features contribute to textual coherence while creating a sense of interaction and sharing between writer and reader. Eight major components of involvement are identified: Rhythm, Repetition, Figures of Speech, Indirection/Ellipsis/Silence, Tropes, Detail/Imagery, Dialogue, Reported Speech, and Narratives. Analysis of these components can be applied to a wide range of informational and aesthetic written registers.

1497

133. Written Language: English

5.

Information structuring relations

Consideration of differences in information structure is another popular analytical approach used to compare English written registers. Information structuring is typically examined in terms of some sub-set of the following oppositions: given-new, themerheme, topic-comment, and focus-presupposition (cf. Grabe 1990; Grabe & Kaplan to appear; Vande Kopple 1986). While information structuring parameters are often conflated and sometimes confused, there is much important research on information structuring. Theme-rheme analyses typically center on the first-mention unit of text clauses as markers which set the stage for the message to follow (Halliday 1985; Vande Kopple 1991). Topic-comment analyses, appearing in various guises, have been used to analyze texts in terms of overlapping referents, topic chains, topic continuity, and topical progressions (Connor 1987; Givon 1983; Lauttamatti 1987). Through these approaches, researchers can explore difficulties that readers and writers have with particular texts, depending on the types and extent of deviations from expected topic marking (e. g., Witte 1983). Two particularly useful early papers on the types of information in texts are Chafe (1976) and Prince (1981). Chafe attempts to distinguish among theoretical constructs such as givenness, contrastiveness, definiteness, and topics, while Prince further investigates the informational status of referents in texts and proposes a taxonomy of ‘assumed familiarity’ with three main categories ⫺ new, inferrable, evoked ⫺ and seven subcategories (cf. Prince 1992; Grabe 1990). Research by Vande Kopple (1986, 1991) studying the various patterns of information in texts has shown that the organization of given information before new information appears to make texts more readable and memorable. His research further indicates that there are complex patterns of informational progression in written texts that distinguish among genres, authors, and writing purposes (cf. Biber 1992 b).

6.

Analytic approaches to coherence

Many studies distinguish coherence ⫺ the underlying progression of meaning in a text ⫺ from surface linguistic characteristics (including cohesive devices). Coherence represents a

semantic interpretation of a text in terms of information structuring, local logical/functional relations among clauses, and its textual macrostructure (Grabe 1985); however, given that these relations must have some representation in the surface structure of texts, it is likely that the surface systems discussed above interact in important ways to contribute to the underlying coherence. A number of studies have proposed models of coherence relations in English written texts, investigating notions such as the overall schematic structure, propositional analysis, causal inferencing, and local coherence relations (e.g., van Dijk & Kintsch 1983; Bereiter & Scardamalia 1987; Mann & Thompson 1988; Mann et al. 1992). Although these studies are provocative, researchers such as Rayner & Pollatsek (1989) note that they are generally based on little empirical evidence, and it is not clear that the proposed underlying structures can be reliably identified in a range of texts and registers. Despite the criticisms leveled at general approaches to coherence, the question of how textual meaning is communicated by a sequence of propositions is obviously central and worthy of continued research efforts.

7.

Contrastive rhetoric

A related area of research has focused on the ways in which written English discourse is structured differently by writers from different cultural backgrounds. That is, writers tend to adopt the textual conventions from their first language in writing prose texts in English. The studies in Connor & Kaplan (1987) show that these conventions include various surface structure characteristics as well as the overall organization of information (cf. Purves 1988; Grabe & Kaplan 1989; Lux & Grabe 1991).

8.

Multidimensional analyses of register variation

The multi-dimensional approach (MD) to register variation was developed by Biber (1988) for comparative analyses of spoken and written registers in English. This approach uses computer-based text corpora and computational analyses, combined with multivariate statistical techniques, to undertake large-scale analyses of the linguistic parameters of variation among spoken and written

1498

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

registers. Since the approach is based on the assumption that no single linguistic parameter is adequate in itself to capture the range of similarities and differences among registers, it requires analysis of many spoken and written registers with respect to numerous linguistic features, including lexical, grammatical, and syntactic features. In the MD approach, registers are compared along several ‘dimensions’ of variation. Each dimension represents a grouping of linguistic features that co-occur frequently in texts. Interpretive labels are posited for each dimension, such as ‘Involved versus Informational Production’, ‘Narrative versus Nonnarrative Concerns’, and ‘Explicit versus Situation-Dependent Reference’. The MD approach has also been used in Biber & Finegan (1989 b) to compare spoken and written registers with respect to their ‘stance’ characteristics (the linguistic encoding of attitudinal and epistemological information); and it is used in Biber (1992 a) to compare the types of linguistic complexity across spoken and written registers. Other MD studies have focused on the diachronic patterns of variation among written registers in English. For example, Biber & Finegan (1989 a) traces the development of fiction, essays, and letters from 1650 to the present with respect to three of the linguistic dimensions identified in Biber (1988); the observed patterns of change are interpreted relative to the changing purposes and readership of written texts, as well as changing overt attitudes towards the appropriate forms in various types of writing. Finally, this approach is used by Biber (1989) to identify the text ‘types’ of English that are well-defined on linguistic grounds, so that the texts grouped into each type are maximally similar in their linguistic characteristics. These text types are subsequently interpreted in functional terms and assigned labels such as ‘Intimate interpersonal interaction’, ‘Informational interaction’, ‘Scientific exposition’, ‘Learned exposition’, ‘Imaginative narrative’, and ‘General narrative exposition’.

9.

Conclusion

This review of current research on English written discourse has been necessarily selective. Other approaches that could have been described include critical discourse analysis,

which focuses on the role of written text in socialization and the establishment of power (see Kress 1991). In addition, a large number of studies describing particular written registers could have been included (e. g., Hiltunen 1990 on legal English; Bazerman 1988 on experimental science articles). As we’ve shown, research on written English is actively being conducted in a number of related sub-disciplines; as these various approaches become integrated, we anticipate even greater progress being made in this field.

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William Grabe / Douglas Biber, Tuxon (USA)

1500

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

134. Die schriftliche Sprache im Deutschen 1. 2. 3. 4. 5.

Historische Perspektive Textuelle Phänomene der Gegenwartssprache Beispiele Schlußbemerkung Literatur

1.

Historische Perspektive

In historischer Perspektive soll vor allem die Frage interessieren, wie sich die schriftliche Form im Verhältnis zur mündlichen entwikkelt hat. Die Anfänge geschriebener deutscher Sprache vollziehen sich zwischen lateinischer Schriftkultur und heimischer mündlicher Tradition. Otfried von Weißenburg schreibt um 860 in dem Widmungsschreiben zu seinem „Evangelienbuch“ (ins Deutsche übersetzt, S. 313): Diese Sprache (die ahd. ⫺ d. Vf.) wird ja wie eine Bauernsprache eingeschätzt, weil sie von den Franken niemals durch schriftlichen oder irgendeinen künstlerischen Gebrauch verfeinert worden ist […] Es ist schon erstaunlich, daß so bedeutende Männer, mit so großer Erfahrung, von so großer Sorgfalt, geistiger Beweglichkeit, hoher Weisheit und strahlender Heiligkeit diese Vorzüge ganz dem Ruhm einer fremden Sprache (der der Lateiner oder Griechen ⫺ d. Vf.) dienstbar machen, daß sie sich aber nicht im schriftlichen Gebrauch der eigenen Sprache üben.

Das Bemerkenswerte an dieser Sprachsituation ist, daß sich die Verschriftlichung des Deutschen vor dem Hintergrund einer bereits verschriftlichten Sprache, eben dem Lateinischen, vollzieht, das Verlassen der Mündlichkeit also nicht mehr unberührt von bereits existierender Schriftkultur geschieht (für weitere Beispiele vgl. R. Ludwig 1986, 19 f). Dies erleichtert einerseits den Überstieg von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit; die Orientierung am Vorbild der hochentwickelten lateinischen Schriftsprache bringt für eine eigenständige Entwicklung aber auch eine Reihe von Problemen mit sich; das gilt für die Ebene des Schriftsystems ebenso wie beispielsweise für stilistische Fragen. Wenn sich auch auf Grund der schwierigen Quellenlage die Anfänge der geschriebenen deutschen Sprache nicht genau bestimmen lassen, so stehen doch ⫺ ganz allgemein ⫺ veränderte/neue gesellschaftliche oder sogar institutionelle Erfordernisse hinter dem Aufkommen früher Verschriftlichungsbemühungen (vgl. Feldbusch 1985).

Ein (herausragender) historisch-gesellschaftlicher Anknüpfungspunkt für die Erforschung der (geschriebenen) deutschen Sprache sind die Reformen Karls des Großen. Der Ausbau des staatlichen Verwaltungssystems und die Ausbreitung der christlichen Mission werden zum Movens auch für eine Ausweitung der Funktionen der geschriebenen Sprache. In die früheste Zeit Karls des Großen führen erste Versuche, Urkunden in Deutsch abzufassen. Wenn es auch bis zum 13. Jahrhundert dauerte, bis dieser Versuch wiederholt wurde, so ist der Niedergang des Reiches Karls des Großen ⫺ entgegen weitverbreiteter Meinung ⫺ dennoch nicht das vorläufige Ende der deutschen Schriftlichkeit. Nach und nach beginnt die schriftliche Form des Deutschen, sich verschiedene Textsorten zu erobern. Einen erneuten Aufschwung nimmt insbesondere die deutsche Prosaliteratur im Hoch- und Spätmittelalter; nach der Einführung von Papier und Druck im 14./15. Jahrhundert kann man Anfang des 16. Jahrhunderts von einer Schriftlichkeitsund Verschriftungswelle sprechen ⫺ maßgeblich befördert durch das Wirken Martin Luthers ⫺, dem Vordringen der geschriebenen Form in völlig neue Funktionsbereiche (zur Genese der gedruckten Fachprosa in Deutschland vgl. Giesecke 1980). Die deutsche Prosa beginnt schließlich auch, sich als Wissenschaftssprache zu etablieren. Dabei gilt es zu beachten, daß es bis ins 16. Jahrhundert im deutschen Sprachgebiet keine einheitliche Schreibsprache, sondern nur verschiedene Schreib- und Schriftdialekte gab, die teilweise miteinander konkurrierten. Eine einheitliche Form der geschriebenen Sprache setzte sich, befördert durch die schon im 17. Jahrhundert rapide anwachsende Buchproduktion, erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts durch: die deutsche „Schriftsprache“. Diese deutsche Schriftsprache war im 18. Jahrhundert wohl die wichtigste Grundlage für die Bildung einer deutschen Hochsprache. Haben wir es bei den Anfängen deutschsprachiger Schriftlichkeit vom 8.⫺17. Jahrhundert mit noch nicht standardisierten Stadien der Schriftsprache zu tun, so wird in der Folgezeit Schriftsprache quasi zum Synonym für Hochsprache, Kultursprache, Literatur-/ Dichtersprache und Wissenschaftssprache.

134. Die schriftliche Sprache im Deutschen

Erst im 19./20. Jahrhundert entwickelt sich dann auch eine überregionale mündliche Verkehrssprache, so daß erst für die jüngste Entwicklung von Standardsprache in schriftlicher und mündlicher Form gesprochen werden kann, ein Begriff, der sich für sprachgeschichtliche Betrachtungen verbietet, „da es im Spätmittelalter und noch im 16. Jahrhundert eben keine allgemein gültigen schriftsprachlichen Normen oder Standards gab […]“ (Betten 1987, 8). Die geschriebene Sprache bzw. Schriftsprache wirkte nun ihrerseits nach der Ausbildung der deutschen Hochsprache verstärkt auf die gesprochene Sprache ein ⫺ von der „Aussprache nach der Schreibung“ bis in den Bereich des Stilistischen. In der Gegenwart zeigt die Entwicklung der geschriebenen Sprache für das Deutsche verschiedene, teils gegenläufige Tendenzen: Einerseits Zunahme der Unterschiede zur gesprochenen Sprache (Verwaltung, Wissenschaft), andererseits mehr oder weniger weitgehende Annäherung, z. B. in Literatur, Presse, Medien, Werbung. Wenn auch eine Geschichte der deutschen Sprache unter dem Blickwinkel der Entstehung der geschriebenen Sprache noch aussteht, so kann man die geschriebene Sprache doch als die Führungsform qualifizieren, die den Schub in Richtung der Stationen Hochsprache/Standardsprache gebracht hat.

2.

Textuelle Phänomene der Gegenwartssprache

Die mündliche und die schriftliche Sprache ⫺ das sind zunächst einmal Abstraktionen. Zu erschließen sind beide Sprachformen nur aus mündlichen bzw. schriftlichen Äußerungen. Zu Beginn der wissenschaftlichen Beschäftigung mit geschriebener Sprache stehen daher „die Merkmale“ im Mittelpunkt des Interesses. In meist kontrastiv angelegten Untersuchungen werden schriftliche Äußerungen mit mündlichen verglichen und dann Inventare von Merkmalen der geschriebenen und gesprochenen Sprache erstellt. Da dieses Verfahren aber nicht geeignet ist, Unterschiede zu erklären, verlagert sich das Interesse zunehmend auf eine Analyse der Bedingungen und der Eigenschaften schriftlicher Kommunikation. Darüber hinaus konzentriert sich in jüngster Zeit die Diskussion auf die Frage nach dem theoretischen Status von gesprochener und geschriebener Sprache.

1501 In diesem Zusammenhang hat die Beschäftigung mit den Merkmalen eine andere Qualität: Die Merkmale avancieren zum Prüfstein für unterschiedliche Modellierungen des Verhältnisses von gesprochener und geschriebener Sprache: Wenn gesprochene und geschriebene Sprache „lediglich“ von denselben Mitteln verschiedenen Gebrauch machen, stützt das die Auffassung, wonach es sich bei gesprochener und geschriebener Sprache um zwei Register ein und derselben Sprache (oder nach Steger 1987 sogar nur um Stile) handelt. Lassen sich jedoch Merkmale angeben, die nur mündlich oder schriftlich vorkommen, so könnte dies die These von der Autonomie geschriebener Sprache bzw. von den zwei „Sprachen“ erhärten. Hier sei deshalb (zur Problematisierung) nach Phänomenen gefragt, die ausschließlich in der schriftlichen Form begegnen. Zu den Eigenschaften geschriebener Sprachformen, die in gesprochenen Sprachformen keine (direkten) Entsprechungen haben können, gehören z. B. Spatien, Interpunktionszeichen oder Verfahren der typographischen Auszeichnung beim Drucken (Kapitel, Abschnitte, Hervorhebungen durch Fett- oder Kursivdruck o. ä.). Anführen kann man hier auch den Apostroph, die Worttrennung am Zeilenende, das Arbeiten mit Klammern, z. B. (Kunst)harzen, der Verlag beschäftigt(e) oder auch das Arbeiten mit Schrägstrichen, z. B. […] aus sozialen und/oder politischen Gründen, Arbeiter/innen. Schriftspezifisch ist auch das große „I“, z. B. ArbeiterInnen (vgl. dazu O. Ludwig 1989), und ferner die Tilde, z. B. Teig- und Wurstwaren. Entsprechend gibt es auch Eigenschaften der gesprochenen Sprachform, die in der geschriebenen Sprachform nicht repräsentiert sind bzw. repräsentiert werden können, z. B. häufig Akzentund Intonationsverhältnisse wie etwa feinere prosodische Abstufungen. Es ist aber fraglich, ob es sich bei solchen visuellen bzw. akustischen Details um relevante Unterschiede zwischen der gesprochenen und der geschriebenen Sprache handelt. Auch der Vergleich isolierter Phänomene im Bereich der Syntax (z. B. die Formen des Konjunktivs, die Länge von Sätzen oder die Tiefe ihrer Einbettung, die Häufigkeit von Partikeln) werden mittlerweile eher kritisch beurteilt. O. Ludwig (1990, 3 f) fordert vielmehr zu Recht die Einbeziehung ganzer Systeme, wie z. B. des Tempussystems oder des Systems der Deiktika des Raumes und der Zeit. Eine die Phänomene isoliert betrach-

1502 tende und lediglich auflistende, den quantitativen Aspekt stark betonende Gegenüberstellung hat in der Tat nur sehr begrenzten Aussagewert, zumal sie von der Anlage her Idealisierungen, idealtypische Oppositionen begünstigt und den medialen Aspekt verabsolutiert. Einen Weg aus diesem Dilemma weisen Koch & Oesterreicher (1985) mit ihrer Unterscheidung von Medium und Konzeption: Im Bereich des Mediums werden der phonische und der graphische Kode als die beiden Realisierungsformen für sprachliche Äußerungen unterschieden. Bezogen auf die kommunikativen Strategien, soll heißen: die Konzeption sprachlicher Äußerungen werden die beiden Modi gesprochen und geschrieben unterschieden. Dabei ist das Verhältnis von phonischem und graphischem Kode im Sinne einer strikten Dichotomie zu verstehen, „während die Polarität von ‘gesprochen’ und ‘geschrieben’ für ein Kontinuum von Konzeptionsmöglichkeiten mit zahlreichen Abstufungen steht“ (a. a. O., 17). Diese nicht mediale, sondern konzeptionelle Definition des Kontinuums unterschiedlicher Kommunikationsformen wird ausgearbeitet über das Begriffspaar ‘Nähe’ vs. ‘Distanz’ (→ Art. 44). Was heißt das nun hinsichtlich konkreter textinterner Merkmale? Die Schwierigkeit einer Operationalisierung des Unterschiedes zwischen mündlicher und schriftlicher Sprache hängt nicht nur mit dem beschränkten Angebot an einschlägigen empirischen Untersuchungen (wie der von Heinze 1979) zusammen, sondern auch mit der folgenden Grundannahme: Es gibt, wenn man mit Häcki Buhofer (1985) die weite Spanne sprachlicher Produktionsmöglichkeiten bedenkt, kaum ein Merkmal, das ausschließlich auf die schriftliche Sprache und die Schreibung allein zuträfe und sie damit grundsätzlich gegen das Mündliche abhöbe. Schreiben und Sprechen sind vielmehr eng aufeinander bezogen. In den Alphabetschriften liegt in beiden Fällen eine doppelte Kodierung (double articulation) vor. Unterscheidungszeichen, aus Phonen bzw. Graphen bestehend, bauen Bedeutungszeichen auf. Der zeitlichen Linearität der Phonabfolge entspricht die räumliche Linearität der Graphenfolge. Allophonische/morphophonemische und allographische/morphographemische Regeln überlappen sich teilweise. Für Sprechen und Schreiben gibt es eine Syntax und eine Lexik, die in den Mitteln weitgehend gleich sind, aber durch unterschiedliche Anwendung der Mittel (etwa be-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

zogen auf Häufigkeit und Verknüpfung) zu unterschiedlichen Registern geführt haben. Damit soll das Trennende nicht verkleinert werden; aber es wäre u.E. nur dann möglich, von zwei Systemen/Sprachen auszugehen ⫺ wenn die Begriffe nicht äquivok gebraucht werden ⫺, wenn z. B., wie oft im Mittelalter, Latein geschrieben, aber Deutsch gesprochen wurde. Mündliche Sprache und schriftliche Sprache sind u. E. kollektive Ensemble potentiell verfügbarer und untereinander zusammenhängender sprachlicher Mittel, mit denen das jeweils individuelle Produkt einer Rede, eines Gesprächs oder eines schriftlichen Textes realisiert wird. Der einzelne handhabt die mündliche und schriftliche Sprache durch eine sprachliche Kompetenz, zu der die Register Mündlichkeit und Schriftlichkeit gehören. Um die Relativität der Autonomie zu betonen, scheint es uns angemessener, von einem mündlichen vs. schriftlichen Register auszugehen, zumal so auch die Phänomene der „Semioralität“ miterfaßt werden, die darauf verweisen, daß es um eine Sprache geht. Vor diesem Hintergrund stellt sich im Hinblick auf die Frage nach den textuellen Manifestationen der schriftlichen Sprache im Deutschen die Aufgabe, den Merkmalsvernetzungen des schriftlichen Registers im lexikalischen, syntaktischen und textuellen Bereich nachzugehen. (Das schriftliche ⫺ wie auch das mündliche ⫺ Register kann in sich wieder vielfältig stilistisch differenziert sein und u. a. die Beherrschung eines oraten vs. literaten Stils vorsehen. Bezugsgröße ist deshalb im folgenden zunächst der entfaltete schriftliche Text in seiner prototypischen Form.)

3.

Beispiele

3.1. Lexik Es gibt intuitiv erahnte Unterschiede, Plausibilitätsannahmen, daß manche Ausdrücke des Lexikons besonders schriftlich, andere besonders mündlich sind. Aber es gibt kein Wörterbuch, das man heranziehen könnte, um in den Texten die besonders schriftsprachlichen von den besonders sprechsprachlichen Ausdrücken zu sondern; und dies deshalb, weil es keine strikte Opposition gibt. Lexikalische Unterschiede, dergestalt daß Wörter nur mündlich oder nur schriftlich verwendet werden können, sind sehr selten. O. Ludwig (1980, 326) führt an: kaputt vs.

134. Die schriftliche Sprache im Deutschen

entzwei oder kriegen vs. bekommen. Hier kombinieren und kreuzen sich u. E. stilistische und mediale Merkmale, denn umgangssprachlich sagt und schreibt man eher kaputt, kriegen, in der gehobenen Diktion sind entzwei, bekommen oder gar empfangen bevorzugt zu erwarten. Rein heuristisch ließe sich daher der Wortschatz, den wir uns an sich als stufenlos ineinander übergehend vorstellen, vom extrem Umgangssprachlichen/Mündlichen zum extrem Gehobensprachlichen/ Schriftlichen in drei Teile gliedern:

1503

Es fehlen leider genaue empirische Untersuchungen zur Lexik der mündlichen und schriftlichen Sprache, die den in der Forschungsliteratur immer wieder hervorgehobenen Unterschied (z. B. Nerius 1985) erhärten.

oder vor allem Nominalkonstruktionen zu einer wesentlich knapperen und kompakteren Integration führen. Nominalisierungen und Funktionsverbgefüge sind hervorstechende Merkmale einer „Kompaktbauweise“ (Drosdowski 1980, 626). Die Syntaktisierung der Schriftsprache verdankt sich generell Produktions- und Rezeptionsbedingungen der Schriftlichkeit (größere sprachliche Bewußtheit, sprachliche Kontrolle, Überarbeiten, raschere Lesegeschwindigkeit, daher mehr Informationen pro Zeiteinheit). Wie bei der Lexik gilt es jedoch vorsorglich darauf hinzuweisen, daß Satzkomplexität sich nicht allein durch den medialen Unterschied (schriftlichmündlich) erklärt, sie kann auch herangezogen werden zur Beschreibung von Umgangssprache vs. gehobener Sprache; außerdem ist sie ein starkes, auffälliges Maß zur Kennzeichnung des individuellen Stils.

3.2. Syntax Verstärktes Interesse hat seit jeher dem Bereich der syntaktischen Unterschiede gegolten: Gesprochene Sprache ist mehr parataktisch, geschriebene Sprache mehr hypotaktisch, so lautet die Quintessenz vieler Untersuchungen im In- und Ausland (Leska 1965; Rickheit 1975; Heinze 1979; Portnoy 1973; Hunt 1970, 1983 u. v. a.). Daher werden in den meisten Forschungen Art, Zahl und der Grad der Nebensätze zum Maß der Beschreibungen gemacht. Darüber hinaus muß aber auch die Struktur der Sätze verstärkt Beachtung finden. Schon Chafe (1982) hat darauf aufmerksam gemacht, daß in der schriftlichen Kommunikation mehr Nominalisierungen auftreten. Die Unterscheidung von rhetorischer Einheit der Sprechsprache und den grammatischen Sätzen der Schriftsprache (Gumperz et al. 1984, 7) läßt sich dahingehend präzisieren, daß in der schriftlichen Sprache das Verb die Keimzelle von Sätzen ist und daß es verschiedene Formen gibt, in der mehrere Verben sich zu einem grammatischen Satz verbinden, d. h. zu einer komplexen Proposition(sverkettung) (van Dijk & Kintsch 1983). Gerade diese Form der Verbindung „sorgt“ für die syntaktische Komplexität. Wenn auf Grund der unterschiedlichen Kommunikations- und Produktionsbzw. Rezeptionssituation in der schriftlichen Sprache die Strategie „Integration statt Sequenz“ (Augst & Faigel 1986, 78) heißt, dann bedeutet dies zwar, daß Nebensätze zweiten oder dritten Grades eine stärkere Integration ermöglichen, daß aber Infinitiv-, Partizipial-

3.3 Text und Textstruktur Für Texte ist es keine hinreichende, aber eine notwendige Bedingung, daß die Sätze untereinander verkettet sind. Gerade in diesem Bereich hat die Textlinguistik umfassende Repertoires der intersententiellen Verknüpfung (Halliday & Hasan 1976) und der funktionalen Satzperspektive (Prager Schule) erarbeitet. Ergänzt wird das mikrostrukturelle Phänomen durch das makrostrukturelle: Der Text ist eine übersummative Einheit. Aus der Forschungsliteratur (z. B. Scardamalia 1981; Hirsch 1977; Olson 1982; Bereiter 1980; Kroll 1981) geläufige Schlagwörter, wie Text, Komposition, Konzept, (relative) Autonomie, greifen daher nicht nur auf der Ebene der Syntax oder des Wortschatzes, sondern auch auf der höheren Ebene des „Kommunikationsganzen“. Der Text ist das eigentliche sprachliche Zeichen, alles andere ist ihm untergeordnet. Nun wäre es sicher falsch, Text allein auf die Schriftlichkeit zu beschränken, sofern Konzept(ion), Formulierung (Antos 1982) und Strukturierung, vielleicht auch Autonomie, zu seinen Kennzeichen gehören. Die intentional größere Objektivität, Endgültigkeit und Einklagbarkeit schriftlicher Kommunikation, das Auseinanderfallen der IchDu-Hier-Jetzt-Origo mit der Folge einer veränderten Kontextualität, Kohärenz und Referenzialität (Schlieben-Lange 1983 a,b), der Verlust bestimmter Kommunikationsmittel (parasprachlich/extraverbal), der Hinzugewinn anderer (z. B. der Räumlichkeit), die Veränderung der Produktions- und Rezeptionsfaktoren, z. B. in zeitlicher Hinsicht, und

extrem mündlich umgangssprachlich

neutral

extrem schriftlich gehoben

1504 die Möglichkeit bewußter Planung und Handhabung des Werkzeugs Sprache führen jedoch mit Notwendigkeit zu verschiedenen Produkten. Alle drei Größen (Intention, Faktoren, Produktion) verweisen in prototypischer Betrachtung der Schriftlichkeit tendenziell auf ein autonomes Sprachwerk, das „selbstversorgt“ alle notwendigen Informationen enthält, die den Leser befähigen, den vom Schreiber gemeinten Sinn zu rekonstruieren oder überhaupt einen Sinn zu konstruieren. Im Schriftlichen gibt es einen veräußerlichten, objektivierten Text, der sich vom Schreiber löst; nur durch ihn können Schreiber und Leser kommunizieren. Oft tritt der Schreiber auch ganz aus dem Blickfeld des Lesers (z. B. Gesetzestexte, manche Formen der Dichtung). Der Schreiber muß sich daher vorwegnehmend stark auf den/die potentiellen Leser einstellen und seinen Text explizit wirken lassen. Der Text ist relativ autonom, integrativ und leserorientiert. Dabei ist die Linearität als Grundprinzip nur schwer aufhebbar. Der Begriff der Integration spielt also auch bezüglich der Textualität eine wichtige Rolle (vgl. z. B. Chafe 1982). Aufschlüsseln läßt sich das nach Textqualitäten, die sich nicht nur an „Richtigkeitsnormen“, sondern vor allem auch an „Angemessenheitsnormen“ orientieren. Sieber (1990,354) unterscheidet etwa im Hinblick auf Qualitäten der Verständlichkeit: Textmakrostruktur (sind im Text Textteile auszumachen, die funktional auf das Textganze hin bestimmbar sind); Erfüllung von Textbaumusternormen; Rezipientenführung; Entfaltung des Themas; Grad an Implizitheit/Explizitheit (Lösung des Präsuppositionsproblems), Sprachmittelwahl. Mit Blühdorn (1990) ist dabei von Prototypen auszugehen, die die Funktion latenter, im gesellschaftlichen Verkehr konventionalisierter Leitbilder erfüllen. Sie werden mit dem normalen Spracherwerb gelernt und weithin unbewußt bei Textproduktion und -rezeption zugrundegelegt: Von einem kompetenten Mitglied einer Kommunikationsgemeinschaft wäre zu erwarten, daß es etwa über eine Vorstellung von einem typischen wissenschaftlichen Aufsatz oder einem typischen Telefongespräch (als Genre-Vertreter), aber zum Beispiel auch einer typischen förmlichen Rede oder einer typischen Reportage (als Repräsentant eines Funktionalstils) verfügt. Eine solche Vorstellung hätte charakteristischerweise aus einer funktionalen Komponente (Erwartung eines bestimmten situativen und kommunikativen Kontextes) und einer formalen Komponente (Erwartung bestimmter for-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit maler Texteigenschaften) zu bestehen. (Blühdorn 1990, 228).

Prototypisches Leitbild kann also sowohl der fachsprachlich ausgerichtete, logisch durchstrukturierte, informative und wohlgeformte Text sein (als Ideal der Hochschule), als auch der leicht verständliche, flüssige, wenig Widerstand bietende Text (als Ideal der Gymnasien) (zu dieser Diskrepanz vgl. Sieber 1990). Merkmalstrukturen von Texten können deshalb nicht schlechthin, sondern immer nur mit Blick auf bestimmte prototypische Leitbilder erarbeitet werden. Dabei ist der mediale Unterschied sicher ein Faktor, aber wohl nicht dergestalt ⫺ wie man oft liest ⫺, daß mündliche Kommunikation keine bis eine geringe, schriftliche Kommunikation eine hoch entfaltete bis artifizielle Textstruktur habe. Differenzen, die aber u.E. nicht zentral sind, können in zweifacher Weise gesehen werden: (1) Die modalitätsspezifischen Unterschiede von zeitlicher vs. räumlicher Linearität haben zur Folge, daß der Sprechende auf das Geredete nur zeitlich (wie ich soeben/ vorhin gesagt habe) referieren kann, während der Schreiber sich auf das Geschriebene nur räumlich (wie ich oben/auf der vorhergehenden Seite geschrieben habe) beziehen kann. (2) Es gibt Textsorten, für die die Modalität konstitutiv ist, z. B. im Mündlichen: Small talk, Telefongespräch […], im Schriftlichen: Quittung, Liste, Tabelle, Anzeigen, Wörterbücher, Lexika; die makrostrukturelle Organisation von umfangreicheren Texten in Inhaltsverzeichnis, „Text“, Fußnoten, Literaturverzeichnis, Personen- und Sachregister kann es nur im Schriftlichen geben.

4.

Schlußbemerkung

In der Forschung gibt es einen nie endenden Streit über den Zusammenhang der beiden Modalitäten von Schriftlichkeit und Mündlichkeit, und jede Forscherin/jeder Forscher findet für seinen Standpunkt treffliche Beweise: sei er nun dependent, autonom oder in irgendeiner Weise vermittelnd. Die Unauflöslichkeit dieses historisch lang aufgerollten Argumentationsknäuels (Müller 1990) machen die beiden stilistischen Feststellungen „er schreibt, wie er spricht“ ⫺ „er spricht wie gedruckt“ deutlich. Einerseits muß es, wenn diese Aussage wahr sein soll, etwas typisch Mündliches bzw. Schriftliches geben. Wenn aber andererseits dieses Modalitätstypische genau für die andere Modalität festgestellt

134. Die schriftliche Sprache im Deutschen

oder gar empfohlen wird („Schreibe, wie du sprichst, dann schreibst du schön!“ [Lessing]), dann ist das Modalitätstypische in eine Aporie geraten, die aber zumindest erklärt, warum jeder Laie und Wissenschaftler Belege für seine These findet. Da jedoch solche Stilaussagen und Stilmaximen in der alltäglichen Kommunikation der literaten Sprachgemeinschaft erfolgreich angewendet werden, kann sich daraus nur ergeben, daß sich die Modalitäten des Schriftlichen und Mündlichen nicht kontradiktorisch oder komplementär, sondern eben nur in prototypischer Ausprägung gegenüberstehen und daß diese Typik nicht einzigartig dasteht, sondern auf vielfältige Weise mit anderen „Typiken“ der Kommunikation in ihren konkreten Ausprägungen verwoben ist.

5.

Literatur

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IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ner Merkmalsystematik im Französischen. Romanistisches Jahrbuch 37, 15⫺45. Müller, Karin. 1990. „Schreibe, wie du sprichst!“ Eine Maxime im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Eine historische und systematische Untersuchung. Frankfurt/M. et al. Nerius, Dieter. 1985. Über den linguistischen Status der Orthographie. Zeitschrift für Germanistik 3, 300⫺309. Olson, David R. 1982. What is said and what is meant in speech and writing. Visible Language 16, 151⫺174. Portnoy, S. 1973. A comparison of oral and written code elaboration. Language and Speech 19, 305⫺312. Rickheit, Gert. 1975. Zur Entwicklung der Syntax im Grundschulalter. Düsseldorf. Scardamalia, Marlene. 1981. How children cope with the cognitive demands of writing. In: Frederiksen, Carl H. & Dominic, Joseph F. (ed.), Writing. The nature development, and teaching of written communication. Volume 2: Writing: Process, development and communication. Hillsdale-New Jersey, 81⫺103.

Schlieben-Lange, Brigitte. 1983 a. Schriftlichkeit und Mündlichkeit in der französischen Revolution. In: Assmann, Aleida, Assmann, Jan & Hardmeier, Christoph (ed.), Schrift und Gedächtnis. Archäologie der literarischen Kommunikation. München, 194⫺211. ⫺. 1983 b. Traditionen des Sprechens. Elemente einer pragmatischen Sprachgeschichtsschreibung. Stuttgart. Sieber, Peter. 1990. Untersuchungen zur Schreibfähigkeit von Abiturienten. Muttersprache 100, 346⫺358. Steger, Hugo. 1987. Bilden „gesprochene Sprache“ und „geschriebene Sprache“ eigene Sprachvarietäten? In: Aust, Hugo (ed.), Wörter. Schätze, Fugen und Fächer des Wissens. Festgabe für Theodor Lewandowski zum 60. Geburtstag. Tübingen, 35⫺58. Otfried von Weißenburg. Um 860. An Liutbert (Widmungsschreiben zum Evangelienbuch). In: Schlosser, Horst Dieter (ed.), Althochdeutsche Literatur ⫺ Ausgewählte Texte und Übertragungen. Frankfurt 1970, 310⫺313.

Gerhard Augst/Karin Müller, Siegen (Deutschland)

135. Abkürzungen 1. 2. 3. 4. 5.

Allgemeines Historischer Überblick Verwendung von Kürzungszeichen Auflösung von Kürzungen Literatur

1.

Allgemeines

1.1. Unterscheidung zwischen geschriebenen und gesprochenen Abkürzungen Abkürzungen lassen sich in allen Schrift- und Sprachsystemen beobachten (Schmitz 1983, 18). Bis heute ist jedoch weder von linguistischer noch von paläographischer oder graphostilistischer Seite eine befriedigende Definition dessen, was Kürzungen sind, erreicht (Menzel 1990, 1261). Die nicht vollkommen durchführbare Trennung zwischen geschriebener und gesprochener Sprache (Glück & Sauer 1990, 29 ff) und die Beschränkung auf Sprachphänomene der Gegenwart auf dem Gebiet der Linguistik wirkt sich hierbei ebenso aus wie die Vernachlässigung linguistischer Forschung auf seiten der Paläographie. Im folgenden sollen alle jene Formen von Abkürzungen außer acht bleiben, die ⫺

sofern feststellbar ⫺ in ihrer Verbreitung nicht primär von geschriebener Sprache ausgehen, insbesondere Ellipsen, Anakoluthe und Parenthesen (vgl. Betten 1976). Daneben finden aus der Umgangssprache in die Schriftsprache eingedrungene Abkürzungen ⫺ gelegentlich als Kurzwörter bezeichnet (vgl. Bellmann 1980, 369 f) ⫺ wie Bus (⫽ Omnibus), ad (⫽ advertisement) oder cine´ (⫽ cine´ma) keine Berücksichtigung, obwohl die Trennlinie nicht immer scharf zu ziehen ist; die Zuordnung erfolgt sehr häufig intuitiv (Menzel 1990, 1261). 1.2. Anwendung und Aufgaben von Abkürzungen Avi-Yonah (1940, 9) bringt eine umfassende, die historische Dimension mit einbeziehende Definition geschriebener Abkürzungen, nach der sie arbeitssparende Schriftanwendungen sind, bei denen Wörter nur durch einen Teil ihrer Buchstaben angedeutet werden; zusätzlich kann ein Zeichen zur Kenntlichmachung verwendet werden. Ein Maximum an Bedeutung soll mit einem minimalen Verbrauch von Raum und Zeit erreicht werden. Daher

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IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

ner Merkmalsystematik im Französischen. Romanistisches Jahrbuch 37, 15⫺45. Müller, Karin. 1990. „Schreibe, wie du sprichst!“ Eine Maxime im Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Eine historische und systematische Untersuchung. Frankfurt/M. et al. Nerius, Dieter. 1985. Über den linguistischen Status der Orthographie. Zeitschrift für Germanistik 3, 300⫺309. Olson, David R. 1982. What is said and what is meant in speech and writing. Visible Language 16, 151⫺174. Portnoy, S. 1973. A comparison of oral and written code elaboration. Language and Speech 19, 305⫺312. Rickheit, Gert. 1975. Zur Entwicklung der Syntax im Grundschulalter. Düsseldorf. Scardamalia, Marlene. 1981. How children cope with the cognitive demands of writing. In: Frederiksen, Carl H. & Dominic, Joseph F. (ed.), Writing. The nature development, and teaching of written communication. Volume 2: Writing: Process, development and communication. Hillsdale-New Jersey, 81⫺103.

Schlieben-Lange, Brigitte. 1983 a. Schriftlichkeit und Mündlichkeit in der französischen Revolution. In: Assmann, Aleida, Assmann, Jan & Hardmeier, Christoph (ed.), Schrift und Gedächtnis. Archäologie der literarischen Kommunikation. München, 194⫺211. ⫺. 1983 b. Traditionen des Sprechens. Elemente einer pragmatischen Sprachgeschichtsschreibung. Stuttgart. Sieber, Peter. 1990. Untersuchungen zur Schreibfähigkeit von Abiturienten. Muttersprache 100, 346⫺358. Steger, Hugo. 1987. Bilden „gesprochene Sprache“ und „geschriebene Sprache“ eigene Sprachvarietäten? In: Aust, Hugo (ed.), Wörter. Schätze, Fugen und Fächer des Wissens. Festgabe für Theodor Lewandowski zum 60. Geburtstag. Tübingen, 35⫺58. Otfried von Weißenburg. Um 860. An Liutbert (Widmungsschreiben zum Evangelienbuch). In: Schlosser, Horst Dieter (ed.), Althochdeutsche Literatur ⫺ Ausgewählte Texte und Übertragungen. Frankfurt 1970, 310⫺313.

Gerhard Augst/Karin Müller, Siegen (Deutschland)

135. Abkürzungen 1. 2. 3. 4. 5.

Allgemeines Historischer Überblick Verwendung von Kürzungszeichen Auflösung von Kürzungen Literatur

1.

Allgemeines

1.1. Unterscheidung zwischen geschriebenen und gesprochenen Abkürzungen Abkürzungen lassen sich in allen Schrift- und Sprachsystemen beobachten (Schmitz 1983, 18). Bis heute ist jedoch weder von linguistischer noch von paläographischer oder graphostilistischer Seite eine befriedigende Definition dessen, was Kürzungen sind, erreicht (Menzel 1990, 1261). Die nicht vollkommen durchführbare Trennung zwischen geschriebener und gesprochener Sprache (Glück & Sauer 1990, 29 ff) und die Beschränkung auf Sprachphänomene der Gegenwart auf dem Gebiet der Linguistik wirkt sich hierbei ebenso aus wie die Vernachlässigung linguistischer Forschung auf seiten der Paläographie. Im folgenden sollen alle jene Formen von Abkürzungen außer acht bleiben, die ⫺

sofern feststellbar ⫺ in ihrer Verbreitung nicht primär von geschriebener Sprache ausgehen, insbesondere Ellipsen, Anakoluthe und Parenthesen (vgl. Betten 1976). Daneben finden aus der Umgangssprache in die Schriftsprache eingedrungene Abkürzungen ⫺ gelegentlich als Kurzwörter bezeichnet (vgl. Bellmann 1980, 369 f) ⫺ wie Bus (⫽ Omnibus), ad (⫽ advertisement) oder cine´ (⫽ cine´ma) keine Berücksichtigung, obwohl die Trennlinie nicht immer scharf zu ziehen ist; die Zuordnung erfolgt sehr häufig intuitiv (Menzel 1990, 1261). 1.2. Anwendung und Aufgaben von Abkürzungen Avi-Yonah (1940, 9) bringt eine umfassende, die historische Dimension mit einbeziehende Definition geschriebener Abkürzungen, nach der sie arbeitssparende Schriftanwendungen sind, bei denen Wörter nur durch einen Teil ihrer Buchstaben angedeutet werden; zusätzlich kann ein Zeichen zur Kenntlichmachung verwendet werden. Ein Maximum an Bedeutung soll mit einem minimalen Verbrauch von Raum und Zeit erreicht werden. Daher

135. Abkürzungen

treten Abkürzungen zuerst dort auf, wo wenig Platz vorhanden, eine hohe Schreibgeschwindigkeit erwünscht oder die häufige Repetition von Begriffen notwendig ist. Ist die Benutzung von Abkürzungen einmal zur Gewohnheit geworden, werden sie auch ohne Berücksichtigung der genannten Kriterien eingesetzt. Hinzuzufügen bleiben lediglich Wörter, die durch Symbole, die nicht aus Buchstaben hervorgegangen sind, repräsentiert werden. In diesem Randbereich treten Überschneidungen mit Piktogrammen und ähnlichen bildhaften Zeichen auf (vgl. Koblischke 1980, 472 ff). Ebenso wichtig ist die Bedeutung von Kürzungen für Layout-Probleme und als Lesehilfen zum schnelleren Erfassen unübersichtlicher Texte (Bozzolo, Coq & Muzerelle et al. 1990, 18; Römer 1992 a, 144). Abkürzungen bilden nach Schmitz (1983, 11) kein eigenes Subsystem der Sprache, da mit ihnen keine eigenständigen Texte gebildet werden könnten. Zumindest für handschriftliche oder epigraphische Texte der Antike und des Mittelalters muß diese Definition jedoch in Frage gestellt werden, da sich hier gelegentlich Texte finden lassen, in denen nur abgekürzte Wortformen auftreten. Günther (1993, 2) bezeichnet Abkürzungen als den vierten Typ der Wortbildung neben Ableitung, Komposition und Konversion. Sie werden im Eigen- wie im Fremdspracherwerb zuletzt gelernt, da ihr Verständnis die Kenntnis der Bedeutung der Langformen voraussetzt (Schmitz 1983, 17; vgl. 4.). Die Benutzung von Abkürzungen und Kurzwörtern unterscheidet sich von der der Langform durch eine geringere sprachliche Motivation; sie erlaubt jedoch subsemantische Interpretationsmöglichkeiten (Bellmann 1980, 373 f). Abgrenzung gegenüber Dritten durch Verschweigen und Ausdruck des Unaussprechlichen (Po, Klo, WC), Unvorstellbaren (KZ), Unerwünschten (BRD) oder Verbotenen (Gröfaz ⫺ abwertend für ‘Größter Feldherr aller Zeiten’) (Schmitz 1983, 21; Glück & Sauer 1990, 18 ff). Abkürzen ist wie Sprechen unter anderem eine regelgeleitete Tätigkeit. Dies ist grundsätzlich unterschieden von der Kausalität (Warum hat ein Schreiber so abgekürzt und nicht anders?) und von der Frage nach der Freiheit, die Regeln zu durchbrechen (Boeder 1987, 56). Die Bedeutung von Traditionen muß beim Gebrauch von Abkürzungen hoch eingeschätzt werden, da vor allem in handschriftlichen Texten des Mittelalters und der Neuzeit Abkürzungen mitunter so sparsam eingesetzt werden, daß eine nen-

1507 nenswerte Beschleunigung, Platzersparnis oder bessere Lesbarkeit nicht zu erkennen sind (Römer 1992 b, 99 ff). Die Anwendung von Abkürzungen ist von der Art des Textes abhängig. Seit der Antike finden sich in literarischen Texten stets wenige Kürzungen, in fachsprachlichen ⫺ so vor allem des Rechts und des Militärs ⫺ und in Zwecken der Verwaltung dienenden Texten oft erheblich mehr. Auch die Frage nach der Leserschaft ist von besonderer Bedeutung: In privaten Aufzeichnungen zum Eigengebrauch können mehr Kürzungen verwendet werden als in Texten für andere Leser. Eine verwandte Möglichkeit der Ersparnis von Zeit und Raum stellen tachygraphische oder stenographische Systeme dar (vgl. 2.; → Art. 144). Bei den meisten Abkürzungen bleibt der Wortbeginn erhalten (zu den bei Voetz (1987) beschriebenen Formen vgl. 2.2.). Unabhängig von der Sprache oder Periode werden vorwiegend Vokale gekürzt, was vermutlich weniger auf die Ableitung von den sog. nomina sacra (vgl. 2.1.) zurückgeht als auf eine Parallele zu den semitischen Schriften und zu den gemeinsamen Wurzeln dieser und der griechisch-lateinischen Schriften verweist. Die graphematische Bevorzugung der Konsonanten vor den Vokalen ist ein Charakteristikum dieser Schriftsysteme (Naveh 1987, 8 ff; von Soden 1985, 30 ff). Für einzelne Sprachen können genaue Untersuchungen sogar Hierarchien der Buchstaben nach ihrer Häufigkeit in Kürzungen ermitteln (Boeder 1987, 66; Römer 1992 b, 92 f). Für die Bildung moderner Akronyme scheint dies jedoch nach den Untersuchungen von Weiss, Günther & Gfroerer (1984, 231 ff, 240 f), die sich mit Phänomenen des Wortüberlegenheitseffektes und orthographischer Wohlgeformtheit bei dreibuchstabigen Wörtern und Abkürzungen befaßten, nicht im gleichen Maß zuzutreffen; Abkürzungen in Form von Pseudowörtern können besser erkannt und memoriert werden als solche in Form von Nichtwörtern (vgl. Hall 1987, passim). Das X eignet sich wegen seiner doppelten Bedeutung als Graphem und Symbol besser als andere Buchstaben zum Bilden von Kürzungen der unterschiedlichsten Art: Xer ( ⫽Kreuzer), xsona (⫽ persona von der Bedeutung des x als Symbol für per im Italienischen), Xmas (⫽ Christmas), xc (⫽ cross country), x’d out (⫽ crossed out), xf (⫽ extra fine) usw. Die Bedeutung von Silben für die Anwendung von Kürzungen ist bisher nicht umfassend untersucht; Boeder (1987, 66) und Avi-Yonah (1940, 25) weisen darauf hin, daß

1508 im Wortinneren Silbenanlaute etwa doppelt so oft erhalten bleiben wie andere Buchstaben. Abhängig vom Kontext gibt es jedoch auch Gegenbeispiele; Meyer (1973, 86) verweist darauf, daß in Bürgerlisten des antiken Rom Namen stets mit drei Buchstaben und unabhängig von Silbengrenzen abgekürzt worden seien. Abkürzungen sind in Handschriften häufiger am Zeilenende anzutreffen (Avi-Yonah 1940, 12 f; Römer 1992 b, 74 ff); für gedruckte Texte trifft dies nicht zu. Für die Verteilung von Kürzungen in handschriftlichen Texten können noch keine genaueren Angaben gemacht werden. Der Aufbau von Handschriften, etwa die Lagenordnung, scheint hier jedoch von Bedeutung zu sein. Die Zahl der gekürzten Buchstaben pro Wort ist ebenfalls kontextbedingt und weitgehend von den Erwartungen und Fähigkeiten der Leserschaft abhängig. In spätmittelalterlichen Texten fallen bei einer durchschnittlichen Kürzung ca. 1,5⫺2 Buchstaben aus (Bozzolo et al. 1990, 23; Römer 1992 b, 80 ff). Häufig werden Maß- und Währungsbezeichnungen gekürzt, Namen oder Institutionsbezeichnungen, Titulaturen etc. Es finden sich keine Hinweise darauf, daß einzelne Wortarten durchgängig selten gekürzt worden seien, jedoch wurden in handschriftlichen Texten eher Pronomina, Konjunktionen usw. gekürzt, in gedruckten Texten der Gegenwart in stärkerem Maße Substantive, Adverbien und Adjektive. Über die Verbreitung und Übernahme von Abkürzungen lassen sich kaum fundierte Aussagen treffen, am ehesten noch für die Gegenwart, in der die schnelle Verbreitung der Abkürzung wg. (⫽ wegen), die durch den sog. Parteispendenskandal der 80er Jahre bekannt wurde, ein interessantes Beispiel ist, da hier die mittransportierten Nebenbedeutungen eine Rolle gespielt haben dürften (vgl. Glück & Sauer 1990, 57). 1.3. Formen der geschriebenen Abkürzungen Bei der Benennung von verschiedenen Formen von Abkürzungen ist Einheitlichkeit nicht erreicht und wohl auch nicht erreichbar, da die Fachterminologien von Linguistik und Paläographie hier zu weit auseinanderklaffen (Römer 1993). De Sola (1978, IX f), Heller & Macris (1968, 202 ff), Gehenot (1976, 127 ff), Bellmann (1980, 370 f), Schmitz (1983, 12 ff), Menzel (1990, 1261), Günther (1993, 2 f), Kobler-Trill (1994) und andere haben von linguistischer Seite Klassifikationssysteme vorgelegt, die sich z. T. in

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

grundsätzlichen Fragen unterscheiden, ohne allerdings zu abschließender Klärung vorgedrungen zu sein. Im folgenden wird weitgehend die paläographische Terminologie benutzt, was jedoch im Hinblick auf gegenwärtige Phänomene nicht durchgängig möglich ist. Zur Verwendung von Kürzungszeichen vgl. 3. Abkürzungen, bei denen der/die erste/n Buchstabe/n erhalten bleiben, sind Suspensionen oder Apokopen. Bsp.: dergl. (⫽ dergleichen), AUG (⫽ Augustus), Sig. (⫽ Signore). Aphäresen, bei denen der Wortanfang wegfällt, sind sehr selten und häufig der gesprochenen Sprache zuzuordnen; nur wenige Beispiele lassen sich anführen: f (⫽ auf; Grun 1966, 9), Ricain (⫽ Americain; Menzel 1982, 21 ff). Das gleiche gilt für Kürzungen, bei denen Wortanfang und -ende fehlen. Bsp.: l (⫽ als; Grun 1966, 9). Bei Kontraktionen bleiben mindestens der erste und der letzte Buchstabe erhalten. Auch Formen mit mehreren Buchstaben an Wortanfang oder -ende kommen vor. Neben diesen reinen Kontraktionen treten Abkürzungen auf, in denen unverbunden Buchstaben des Wortinneren erhalten sind. Bsp. für Kontraktionen: Bhf. (⫽ Bahnhof), sps (⫽ spiritus), baton (⫽ bataillon). Mischformen zwischen Kontraktion und Suspension sind häufig anzutreffen. Bsp.: Mktpl. (⫽ Marktplatz), kald (⫽ kalendas; Hälvä-Nyberg 1988, 18 f), sq. (⫽ sequente). Seit der Antike wird die Vervielfältigung von Buchstaben einer Kürzung dazu genutzt, den Plural der Langform anzuzeigen. Bsp.: ff (⫽ folgende), DDD (⫽ domini tres), Sigg. (⫽ Signori). Reduplikationsbildungen der Kindersprache sind nicht als Kürzungen aufzufassen (Menzel 1982, 35 f). Der Gebrauch des Begriffs Sigle ist unklar. In der Antike wurden hierunter stets die sog. litterae singulares verstanden, einzelne Buchstaben zur Kürzung eines Wortes, auch in mehrfacher Aneinanderreihung (Bilabel 1932, 2280 ff). Bsp.: S (⫽ senatus), SPQR (⫽ senatus populusque romanus). Neben dieser Verwendung, die die weiteste Verbreitung erfahren hat (Menzel 1982, 26 ff; Grun 1966, 30; Calvet 1980, 7) sind eine Reihe von Varianten zu finden, wo jedoch besser von Symbolen (Bischoff 1986, 222) die Rede wäre. Andere Definitionen des Begriffs dürfen ebenso als unbrauchbar gelten (Römer 1992 a, 138; Koch 1981, 126; Uhlirz 1912, 516 f, 518). Die Sigle ist das vorherrschende Kürzungsinstrument der gegenwärtigen Schriften. Vor allem das aus mehreren Siglen zu-

1509

135. Abkürzungen

sammengesetzte Akronym (vgl. Heller & Macris 1968, 203) ⫺ ein in der Mitte des 20. Jahrhunderts entstandener Begriff ⫺ ist die Standardabkürzung der Gegenwart. Bsp.: FCKW (⫽ Fluorchlorkohlenwasserstoff), C. E. E. (⫽ Comunita` economica europea), MIÖG (⫽ Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtswissenschaft), s.v.p. (⫽ s’il vous plaıˆt). Unklar ist, ob auch Wortfolgen, die durch die Wiedergabe der ersten Buchstaben oder Silben als Wort abgekürzt werden, zu den Akronymen zu rechnen sind (Calvet 1980, 7). Bsp.: direlatex (⫽ direction des relations exte´rieures), Gestapo (⫽ Geheime Staatspolizei), ENACT (⫽ Environmental Action). ICHTHYS (⫽ Iesus Christos Theu Yios Soter) ist das älteste bekannte Beispiel für eine immer mehr an Bedeutung gewinnende Gruppe der Akronyme, die Bellmann (1980, 379 f) homonymenbildende Kurzwortvarianten nennt. Ihre Benutzung verbreitet sich in den letzten Jahrzehnten sehr schnell (Crowley & Thomas 1970, VII ff). Zu unterscheiden sind dabei zufällige (GAU (⫽ Größter anzunehmender Unfall ⫽ Gau)) und geplante Bildungen, die häufig freiwillige oder unfreiwillige Bezüge zum Signifikat haben, wie SATAN (⫽ Saarbrücker Textanalyse oder Satelliten-Anlage), MOMS ⫽ (Mothers for Moral Stability). Bei der Bildung dieser sprechenden Akronyme werden die Anfangsbuchstaben und -silben oft nach Bedarf kombiniert. Viele Akronyme neigen dazu, von der Aussprache als Einzelbuchstaben zur Aussprache als Wort überzugehen. Bsp.: A. W. O. L. (⫽Absent Without Official Leave) > AWOL (als Buchstaben gesprochen) > Awol (als Wort gesprochen) (Heller & Macris 1968, 204 f). Rodrı´guez Gonza´lez (1988, 68) weist darauf hin, daß vor allem in romanischen Sprachen die Bildung von Derivativen aus Akronymen zu beobachten ist. So wird ein Mitglied der PQ (⫽ Parti Que´be´cois) zum pe´quiste, Anhänger der ETA (⫽ Euzkadi Ta Askatasuna) heißen etarras usw. Als Symbole sollten Zeichen bezeichnet werden, die Wörter oder Buchstabenfolgen vertreten und selbst keine (erkennbaren) Buchstaben sind. Schon in antiken Texten Griechenlands werden von Schreibern nichtalphabetische Zeichen benutzt, z. B. für Formen des definiten Artikels (McNamee 1981, XIII). Avi-Yonah (1940, 10) nennt einbuchstabige Suspensionen Symbole; hier ist jedoch Sigle vorzuziehen. Menzel (1982, 34 ff) bezeichnet etwa §, %, &, ⫹ oder - als Symbole, ebenso arabische Ziffern an Stellen, wo sie

ebensogut hätten ausgeschrieben werden können. Diese Zeichen, aber auch solche, deren Buchstabencharakter noch unmittelbarer zu erkennen ist (Æ, x⬚, $) ordnet Nöth (1985, 260) den Logographen ⫺ nicht weiter segmentierbaren Schriftzeichen, die als arbiträre Symbole direkt Sememe repräsentieren ⫺ zu. Es erscheint unerheblich, darauf insistieren zu wollen, daß ein Teil dieser Zeichen seinen Ursprung in Buchstaben hat ($, Æ, &; letzteres als Ligatur von e und t); lediglich die Tatsache, daß sie als solche nicht (mehr) erkannt werden, ist ausschlaggebend.

2.

Historischer Überblick

2.1. Antike Schon in sumerischen Keilschriften finden sich Abkürzungen (Cannon 1989, 99). Seit dem 5. Jahrhundert v. u. Z. wurden in Rom Abkürzungen benutzt (Hälvä-Nyberg 1988, 11), in Griechenland seit dem 3. Jahrhundert v. u. Z. (McNamee 1981, XI). Unterschiede zwischen Handschriften und Inschriften sind zu beobachten, ebenso wie zwischen literarischen und nichtliterarischen Texten. Vor allem die Suspension war in der Antike verbreitet; es finden sich jedoch auch Belege für den Gebrauch von Kontraktionen (Nachmanson 1910, 104 f). Nur selten wurden Kürzungszeichen in Form übergestellter waagerechter Striche benutzt. Zu den Kürzungen kamen im 1. Jahrhundert v. u. Z. noch notae (vgl. Bischoff 1986, 203) der verschiedenen tachygraphischen Systeme hinzu, die sich in Griechenland und im römischen Machtbereich schnell verbreiteten und ausgebaut wurden. Das römische wurde vorwiegend für administrative, aber auch private Zwecke benutzt und hatte seine Blütezeit vom 3. bis zum 5. Jahrhundert. Seine Zeichen hatten sich zwar zunächst aus Buchstabenformen oder -teilen der Kapital- und Kursivschrift herausgebildet (signa principalia), während später eigens geschaffene hinzugefügt wurden (signa auxiliaria). Sie sind jedoch als nichtalphabetische Zeichen anzusehen, weswegen sie in Inschriften nur selten benutzt wurden (Hälvä-Nyberg 1988, 10). Während die ältere Forschung (Traube 1907, passim) noch die sog. nomina sacra, die formal Kontraktionen darstellen, nach Übernahme aus dem Hebräischen zum Ausgangspunkt der Entwicklung kontraktivischer Kürzungen gemacht hatte, konnte in jüngerer Zeit nachgewiesen werden, daß die christlichen nomina sacra zwar

1510 sehr zur Verbreitung von Kontraktionen beitrugen, diese Form der Kürzung jedoch schon vorher bekannt war. Solche nomina sacra sind etwa (im Lateinischen) DS für deus, SPM für spiritum (die Deklinationsendungen konnten also ausgedrückt werden, was einen Fortschritt gegenüber den Suspensionen darstellt) oder IHS für Jesus, wobei letztere im gesamten Mittelalter benutzt wurde ⫺ sehr häufig grammatikalisch falsch ⫺ und zur fälschlichen Schreibung Ihesus führte. Einen Überblick über die Debatte um die nomina sacra gibt Hälvä-Nyberg (1988, 14; vgl. Brown 1970, 7 ff). Aus den Suspensionen, Kontraktionen und tachygraphischen Zeichen entstand ein Mischsystem, das vorwiegend in nichtliterarischen Texten zum Einsatz kam, vor allem in juristischen Handschriften. Im Gefolge der großen Veränderungen in der Schriftkultur im 4. Jahrhundert ⫺ Durchsetzung des Christentums, Aufkommen des Pergaments, des Codex, stärkere Verbreitung der Tachygraphie, Entstehen neuer Schriftarten ⫺ veränderte sich auch die Kürzungspraxis, namentlich durch den stärkeren Gebrauch der Kontraktionen und der feststehenden Kürzungszeichen (Hälvä-Nyberg 1988, 225). Schon in der Antike waren Abkürzungsverzeichnisse nötig, und bereits 438 erließ Theodosius ein Abkürzungsverbot, dem 533/4 weitere durch Justinian folgten (Bischoff 1986, 202 f). 2.2. Mittelalter Im frühen Mittelalter wurden die vorhandenen Systeme nebeneinander benutzt, zum Teil erweitert, wie etwa in Irland. Die Kontraktionen errangen eine vorherrschende Stellung. Einen Überblick über die verschiedenen notae bietet Lindsay (1915, 1 ff). In Majuskelhandschriften wurde von Kürzungen spärlicher Gebrauch gemacht als in Minuskelhandschriften (Bilabel 1932, 2313). Die karolingische Ära bringt hier eine gewisse Vereinfachung, die Zahl der benutzten Kürzungen geht allgemein zurück, wenn auch die Vielfalt der Systeme erhalten bleibt (Bischoff 1986, 206). Vor allem in peripheren Regionen der mittelalterlichen Schriftkultur wird auffallend viel gekürzt, so etwa in Irland (Bischoff 1982, 206), Island (Van Arkel 1982, 157) oder Georgien (Boeder 1987, 35 f). Eine umfassende Erklärung für dieses Phänomen steht noch aus. Einen deutlichen Bruch in der Schrift- und Buchkultur Europas im 12. und 13. Jahrhundert hat Illich (1991, passim) aufzeigen können. Zu den vorwiegend religiösen

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Texten treten immer mehr profane, der Kreis der Schreibkundigen vergrößert sich und die sog. karolingische Minuskel wird von der sog. gotischen Schrift abgelöst. Auf das Kürzungssystem hatte dies tiefgreifende Auswirkungen, den Schreibern wurde nunmehr neben den zu erlernenden Kürzungen in Form des „akustischen Prinzips“ (Bischoff 1986, 207) eine Möglichkeit gegeben, Kürzungen weitgehend selbst zu bilden, da eine Reihe von Zeichen mit feststehender Bedeutung für einzelne Buchstaben (m, n und r) und Silben (solche mit einem a) sich immer stärker ausbreiten. So wird zu einem Charakteristikum der neuen gotischen Schrift der immer stärkere Gebrauch von Kürzungen, der sich vor allem im Umfeld der neu entstehenden Universitäten rasch verbreitet (Ullman 1960, 11; Grun 1966, 5). Auch in den sich nun entfaltenden volkssprachlichen Texten werden Kürzungen benutzt, allerdings in wesentlich schwächerem Maße als in den lateinischen (Römer 1992 a, 135). Die von Voetz (1987, 166 ff; 179) beschriebenen Kürzungen in althochdeutschen Glossen sind nicht als Kürzungen i. e. S. aufzufassen, da sie keine Möglichkeit einer Auflösung bieten und eher als Gedächtnisstützen der Schreiber anzusehen sind. Die Frage danach, warum in volkssprachlichen Texten weniger gekürzt wurde als in lateinischen, läßt sich nicht allein mit dem Hinweis auf das der lateinischen Sprache angepaßte Kürzungssystem beantworten, wie die erwähnten Beispiele Georgien und Island zeigen. Viel eher ist anzunehmen, daß für die Ausbildung eines eigenen Systems bis zur Einführung des Buchdrucks nicht genügend Zeit war (Römer 1992 b, 101 f). Darüber hinaus stellte das akustische Prinzip hohe Anforderungen an die Leser, die selbst im 15. und 16. Jahrhundert von Schreiblehrern und -meistern nicht immer erbracht wurden (Müller 1969, 59 f; 79 ff; 103 f; 108; 385 ff; 415). Die kursiver werdenden Schriften, die Platzersparnis durch engeres und Zeitersparnis durch schnelleres Schreiben zu erreichen vermochten, machten den Kürzungen weitgehend den Garaus, hinzu kam mit dem Buchdruck das Bestreben der Drucker, den Typenapparat klein zu halten und auf Kürzungen und ihre Zeichen zu verzichten (Crous 1925, 289). Die italienische Renaissance brachte eine neue Schrift, die humanistische Minuskel oder Antiqua, hervor, die kaum mehr Abkürzungen verwendete (Ullman 1960, 13). Einbuchstabige Suspensionen und Hochstellung von Wortenden, wie noch heute z. B. in Ita-

1511

135. Abkürzungen

lien und Frankreich gebräuchlich, kamen verstärkt auf, und das mittelalterliche Kürzungssystem wurde weitgehend aufgegeben (Bramanti 1980, 185 ff; Nyberg 1978, 63; 79). Dieser Zeitraum muß, nach dem 4. und dem 12./13. Jahrhundert, als dritter großer Bruch im Gebrauch von Abkürzungen gesehen werden; es bahnte sich das gegenwärtige System mit fast völliger Beschränkung auf Siglen oder Akronyme an. Spillner (1956, 63) nennt als weitere typische Erscheinung der Neuzeit die sog. lautschreibenden Abkürzungen, wie z. B. Benelux. 2.3. Neuzeit Der humanistische Einfluß macht sich auch in den nichtromanischen Schriften bemerkbar. Es entstehen Kürzungen wie etwa W. G. W. (⫽ Wie Gott will), E. F. G. (⫽ Ewer Fürstliche Gnaden) etc. Bis zum 17. Jahrhundert halten sich Kürzungen des mittelalterlichen Gebrauchs, in Einzelfällen, etwa im sog. Geminationsstrich zur Verdeutlichung von Doppel-m oder -n, bis ins 20. Jahrhundert. Die vorwiegend benutzten Kürzungen sind jedoch nunmehr Siglen bzw. Akronyme oder Initialismen und neue Suspensionen, die keiner Auflösung bedürfen, Bsp.: herzl. (⫽ herzlich). Im handschriftlichen Bereich hält sich eine größere Zahl feststehender Zeichen (Grun 1966, 115 ff). Im 20. Jahrhundert werden seit dem 2. Weltkrieg systematisch Initialismen gebildet (Cannon 1989, 101), und das einzige Abkürzungszeichen ist der Punkt (vgl. 3.). Im Krieg wurden Abkürzungen auch aus Gründen der Tarnung benutzt (Grun 1966, 51). Eine Übersicht über die verschiedenen Formen möglicher Abkürzungsschreibungen des modernen Deutsch bei Schmitz (1983, 13 f), Kobler-Trill (1994). Für Deutschland ist der Gebrauch von Kürzungen in Zeitschriftentiteln durch DIN-Normen geregelt. Analoge Vorschriften existieren in anderen Ländern (siehe Liste bei Samulski 1973, 7). Grun (1966, 50) verweist auf Verordnungen zur korrekten Kürzung von Währungseinheiten für das Deutsche Reich von 1877 und 1912. Für den englischen Sprachraum können Anweisungen zur Kürzungsbenutzung bei Hart (1986, 2) nachgeschlagen werden, für den deutschen im Duden (Duden 1986, 17 f), für andere Sprachen in entsprechenden Werken. Seit dem Altertum sind Kürzungsverzeichnisse bekannt (Lehmann 1929, passim). Die vorwiegend paläographisch orientierte Abkürzungsforschung im 18. und 19. Jahrhundert erstellte in erster Linie Sammlungen von

Abkürzungen, die bis heute den Grundstock paläographischer Forschung zum Thema bilden (Walther 1745/47; Chassant 1846; Cappelli 1899). Erst im späten 19. Jahrhundert erfolgte eine Interessenverlagerung auf Fragen der Genese und Veränderung der historischen Kürzungssysteme (Römer 1992 b, 5 f). Für Fragen der Textkritik wurde bisweilen auch der Kürzungsgebrauch einzelner Schreiber herangezogen. Nach einer Phase sprachwissenschaftlicher Kritik am Gebrauch von Kürzungen (Spillner 1956, 60 f; Tarno´czi 1969, 284), in der Vereinheitlichungen gefordert wurden, begann erst in den sechziger Jahren eine intensivere linguistische Beschäftigung mit Abkürzungen der geschriebenen Sprache (vgl. 5.). Vor allem klassifikatorische Fragen standen dabei im Mittelpunkt, die historische Perspektive fand jedoch nur selten Berücksichtigung. Eine semiotische Analyse von Abkürzungen und den dabei verwendeten Zeichen scheint bisher noch auszustehen. Die Zahl der Abkürzungswörterbücher, vor allem zu Abkürzungen in Fachsprachen, ist kaum noch zu übersehen (Samulski 1973, 9 ff; Menzel 1990, 1266).

3.

Verwendung von Kürzungszeichen

Grundsätzlich ist bei Kürzungszeichen zwischen determinativen und indeterminativen (Hälvä-Nyberg 1988, 221) Zeichen zu unterscheiden. Erstere geben mehr oder weniger genau Auskunft über die gekürzten Buchstaben, letztere zeigen nur allgemein eine Kürzung an. In Anlehnung an Nöth (1985, 258 ff) wären daher Abkürzungszeichen des sog. akustischen Prinzips (vgl. 2.2.) mit festgelegter Buchstaben- oder Silbenbedeutung als Übergang zwischen Alphabet und Syllabar aufzufassen. Sie weisen daher neben der sprachsystembezogenen Zeichenhaftigkeit ⫺ wie die sonstigen, allgemein eine Abkürzung anzeigenden Zeichen ⫺ eine phonographische Qualität auf, da als ihr Signifikat Phone bzw. Phoneme eines Sprachsystems gelten können. Während der Antike wurden zunächst kaum Kürzungszeichen verwendet (Gordon 1948, 111); stattdessen wurden interpungierende Zeichen als solche benutzt (Hälvä-Nyberg 1988, 219). Der waagrechte, übergestellte Strich ist in seiner Genese umstritten; Rudberg (1910, 90) nimmt eine Entstehung aus kursivierten und abgeschliffenen Buchstaben an, Gordon (1948, 111) leitet sie aus

1512 gelegentlich über Zahlzeichen benutzten Strichen ab. Schon während der Antike nimmt der Strich auch gelegentlich die Form eines Hakens oder accents an; allerdings erhalten diese Formen erst in der karolingischen Zeit eine eigene Bedeutung, zumeist für Kürzungen von Silben mit einem r. Vor allem in frühund hochmittelalterlichen Königsurkunden wird bis ins 13. Jahrhundert der sog. titulus diplomaticus benutzt; über seine Bedeutung als Kürzungszeichen hinaus hatte er symbolischen Charakter als feststehender Teil der dort angewendeten speziellen Urkundenschriften (Rück 1991, 314 ff). Der Kürzungsstrich wird in der Sprachwissenschaft ⫺ etwas verkürzend ⫺ auch als Nasal- oder Geminationsstrich bezeichnet. Hochgestellte Buchstaben erscheinen, vor allem wenn sie auf weitere gekürzte Buchstaben verweisen, als Kürzungszeichen ebenfalls bereits in antiker Zeit. Ihre Bedeutung nimmt im Mittelalter ab, um während der Renaissance wieder anzusteigen, Bsp. hierfür bei Bramanti (1980, 185 ff). In gewisser Weise zu den Kürzungen zu rechnen sind auch viele Ligaturen, z. B. die &-Ligatur, auch für Zahlen und piktogrammatische Zeichen lassen sich Beispiele seit der Antike finden (Avi-Yonah 1940, 38 ff). Um 800 wird das Zeichenrepertoire stark vereinheitlicht, es entstehen neue Zeichen mit festgelegter Bedeutung wie das für die Silbe ur, das einer hochgestellten 2 ähnlich sieht, als wichtiges Zeichen bildet sich ein Haken aus dem Strich aus, der für die Kürzung der Silbe er verwendet wird (Bischoff 1986, 207). Diese Vereinheitlichung löst sich im Verlauf des Spätmittelalters wieder auf, einzelne Zeichen wechseln durch kursiveres Schreiben nicht nur ihre Form, sondern parallel dazu ihre Bedeutung. Ein hochgestelltes a, das in lateinischen und deutschen Texten bis ins 14. Jahrhundert im allgemeinen eine Kürzung von ra oder ar anzeigte, konnte, nachdem es sich zu einer Wellenlinie abgeschliffen hatte, andere Aufgaben wahrnehmen, etwa die der Kürzung des in deutschen Urkunden häufigen Wortes vorgenant, wobei es die letzten fünf Buchstaben repräsentierte. Vergleichbare Erscheinungen können auch bei anderen Zeichen ⫺ etwa dem er-Haken ⫺ beobachtet werden: Die quasi kanonische Form wird nicht (mehr) erfaßt und damit kann das Zeichen variabler eingesetzt werden (Römer 1992 b, 57 ff). Nicht völlig eindeutig geklärt ist die Genese der Verwendung des Punktes als Kürzungszeichen, der in der Gegenwart das einzige mit nennenswerter Be-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

deutung ist. Seine Funktionen als Interpunktionszeichen und Worttrenner seit der Antike (Hälvä-Nyberg 1988, 219; Avi-Yonah 1940, 33) legten es vielen Schreibern und Steinmetzen nahe, ihn auch als Zeichen für einen Abbruch zu verwenden. Während des Mittelalters nimmt er eine eher untergeordnete Stellung ein und wird vorzugsweise für Kürzungen von Namen benutzt, daneben als Worttrenner, häufig bei römischen Zahlzeichen oder Elementen von Listen. Erst mit der Renaissance gewinnt er seine führende Rolle als Kürzungszeichen, die er, unter Aufgabe determinativer Kürzungszeichen seit dem 16. Jahrhundert, bis heute behält. Seit dem 17.Jahrhundert begegnet öfter auch der Doppelpunkt als Kürzungszeichen (Grun 1966, 37, vgl. Römer 1992 a, 141 f). Die Verwendung des Punktes als Kürzungszeichen ist bis heute nicht verbindlich geregelt, in verschiedenen Sprachen werden unterschiedliche Regeln mehr oder minder einheitlich angewendet. Günther (1993, 2) weist darauf hin, daß bei Syntagmen (u. A. w. g., a. a. O.) meist der Punkt verwendet würde, bei Komposita (LKW) jedoch nicht.

4.

Auflösung von Kürzungen

Die Auflösung von Kürzungen ist grundsätzlich kontextabhängig. In einem juristischen Fachtext kann eine Abkürzung etwas anderes bedeuten als in einem medizinischen (Synonymieproblem, vgl. Schmitz 1983, 15). Das Zeicheninventar eines Kürzungssystems kann weitaus umfangreicher sein als das der gekürzten Schrift, da nicht nur einzelne Grapheme, sondern auch Graphemgruppen, und zwar theoretisch unbegrenzt, durch Kürzungszeichen substituiert werden können. Daher ist es unmöglich, alle Kürzungen kennen zu wollen; es können jederzeit und ohne den Anspruch längerer Benutzung und Gültigkeit ad hoc neue gebildet werden. In diesem Fall muß der Autor die Erklärung allerdings gleich mitliefern, was in jeder Tageszeitung geschieht. Für handschriftliche Texte des Mittelalters gilt, daß der Schreiber und Leser das System kennen mußten, vor allem die feststehenden Zeichen und ihre Anwendungsregeln für Silben wie per, prae, pro, con-, -orum, -us; hinzu kamen die Möglichkeiten der Kürzungsbildung des akustischen Prinzips (vgl. 2.2.; Römer (1992 a, 138 f)). Daneben gibt es drei weitere Möglichkeiten für die Auflösung von Kürzungen: Sie kann grup-

135. Abkürzungen

penintern bekannt sein (Fachsprachen), die Kürzung wird unaufgelöst verwendet, häufig so, daß sich die Kurzform als eigenständiges Wort etabliert (Bsp.: Radar, Ufo, DIN) und schließlich die, in der die Sprache selbst den Code zum Verständnis liefert (Bsp.: herzl., phantast.; vgl. Bellmann 1980, 381 f). Die Übergänge zwischen diesen Möglichkeiten sind fließend. Vor allem für die phonetische Realisierung von Abkürzungen scheinen kaum Regeln zu existieren. So wird der Name des Gemeinnützigen Bestattungsinstituts in Bremen GE BE IN abgekürzt, die hausinterne Realisierung lautet [ge:be:in], während die volkstümliche Aussprache [ge:bain] sich subsemantische Interpretationsmöglichkeiten zueigen macht. Es sind auch Volksetymologien bei der Auflösung von Kürzungen zu beobachten: statt „Deutsche Industrie-Norm“ ist die Langform „Das ist Norm“ für die Abkürzung DIN belegt (Büchner 1971, Stichwort DIN). Ebenso sind für gleiche Abkürzungen in verschiedenen Sprachen unterschiedliche Auflösungen möglich, wie bei der Kürzung R. I. P. (⫽ Requiescat in pace, Rest in peace); Schmitz (1983, 17) nennt diese Kürzung einen durch Abkürzung ritualisierten Sprechakt. Daneben finden sich Fälle, in denen ein fremdsprachliches Kürzel trotz anderslautender Schreibung eigensprachlich aufgelöst wird, im Deutschen z. B. USA (⫽ Vereinigte Staaten von Amerika), UNO (⫽ Vereinte Nationen) oder im Englischen e. g. (⫽ for example), wobei den Lesern und Sprechern die korrekte Form vermutlich in den seltensten Fällen gegenwärtig ist. Calvet (1980, 61 ff) kann anhand von Versuchen mit Schulkindern nachweisen, daß das Verständnis von Abkürzungen abhängig vom Bildungsgrad ist.

5.

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1515

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Jürgen Römer, Marburg (Deutschland)

136. Die Konstitution schriftlicher Texte 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Textkonstitution⫺Textualität⫺Textkohärenz Grammatische Textkonstitution Thematische Textkonstitution Pragmatische Textkonstitution Textkonstitution und Textsorte Literatur

Eine der Grundfragen, um deren Klärung sich die Textlinguistik von Anfang an bemüht hat, ist das Problem der Textkonstitution. In der ersten Phase textlinguistischer Forschung, die sprachsystematisch ausgerichtet war und in theoretisch-methodischer Hinsicht noch weitgehend auf der strukturalistischen Satzlinguistik gründete, sind es fast ausschließlich grammatische (syntaktische und semantische) Prinzipien, die als textkonstitutiv angesehen werden. Die sog. pragmatische Wende in der Linguistik zu Beginn der 70er Jahre führt dann zu einer fundamentalen Änderung der Perspektive: Die Konstitution von Texten wird nun primär unter kommunikativ-pragmatischen bzw. handlungstheoretischen Aspekten beschrieben. Beide Ansätze, der grammatische und der pragmatische, erscheinen in wissenschaftshistorischer Hinsicht zwar als alternative Konzeptionen; sprachtheoretisch gesehen sind sie aber als komplementäre Positionen zu betrachten und eng aufeinander zu beziehen, indem das grammatische Textmodell der ersten Phase der Textlinguistik in die übergeordnete Konzeption von Sprache als Kommunikations- und Handlungsinstrument integriert wird. Dieser Auffassung versucht die folgende Darstellung Rechnung zu tragen. Der vorliegende Artikel beschränkt sich dabei auf den schriftkonstituierten monologi-

schen Text, wobei die nicht-literarischen Texte, die sog. Gebrauchstexte (vgl. Dimter 1981, 35), im Vordergrund stehen. Für den mündlich konstituierten dialogischen Text gelten ⫺ bedingt durch den Sprecherwechsel ⫺ z. T. ganz andere Konstitutionsbedingungen (vgl. Franck 1980, 44 ff; Brinker & Sager 1989, 9 ff).

1.

Textkonstitution⫺Textualität⫺ Textkohärenz

Die Beschreibung der Konstitution von Texten besteht im wesentlichen in einer systematischen Darstellung der allgemeinen Bedingungen, die ein sprachliches Gebilde erfüllen muß, um überhaupt als Text zu gelten. Es geht dabei um die Bedingungen, die in der Textlinguistik unter dem Begriff der Textualität (Texthaftigkeit) zusammengefaßt werden (vgl. etwa Schmidt 1973, 144 ff; Dimter 1981, 1f). Beaugrande & Dressler (1981) führen sieben „Kriterien der Textualität“ auf, die ein Text erfüllen muß, um als „kommunikativ“ eingestuft zu werden: „Kohäsion“ (Verknüpfung der Oberflächenelemente des Textes durch bestimmte grammatische Mittel), „Kohärenz“ (die zugrundeliegende Konstellation von Begriffen und Relationen; der semantisch-kognitive Zusammenhang), „Intentionalität“ (des Textproduzenten), „Akzeptabilität“ (seitens des Textrezipienten), „Informativität“ (Ausmaß der Bekanntheit bzw. Unbekanntheit), „Situationalität“ (Faktoren der Kommunikationssituation) und „Intertextualität“ (Beziehung zu anderen Texten und Textsorten). Damit sind zwar grundlegende

1515

136. Die Konstitution schriftlicher Texte ⫺. 1909. Lehre und Geschichte der Abkürzungen. In: Boll, F. (ed.), Ludwig Traube. Vorlesungen und Abhandlungen. Bd. 1. München, 129⫺156. Uhlirz, Karl. 1912. Philologische Paläographie. Suspension und Kontraktion. Mitteilungen des Instituts für österreichische Geschichtsforschung 33, 515⫺519. Ullman, B. L. 1960. The Origin and Development of Humanistic Script. Rom. Van Arkel, Andrea. 1981. Automatic Expansion of Abbreviations: An Experiment with Old Icelandic. Computers and the Humanities 16, 157⫺164.

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Jürgen Römer, Marburg (Deutschland)

136. Die Konstitution schriftlicher Texte 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Textkonstitution⫺Textualität⫺Textkohärenz Grammatische Textkonstitution Thematische Textkonstitution Pragmatische Textkonstitution Textkonstitution und Textsorte Literatur

Eine der Grundfragen, um deren Klärung sich die Textlinguistik von Anfang an bemüht hat, ist das Problem der Textkonstitution. In der ersten Phase textlinguistischer Forschung, die sprachsystematisch ausgerichtet war und in theoretisch-methodischer Hinsicht noch weitgehend auf der strukturalistischen Satzlinguistik gründete, sind es fast ausschließlich grammatische (syntaktische und semantische) Prinzipien, die als textkonstitutiv angesehen werden. Die sog. pragmatische Wende in der Linguistik zu Beginn der 70er Jahre führt dann zu einer fundamentalen Änderung der Perspektive: Die Konstitution von Texten wird nun primär unter kommunikativ-pragmatischen bzw. handlungstheoretischen Aspekten beschrieben. Beide Ansätze, der grammatische und der pragmatische, erscheinen in wissenschaftshistorischer Hinsicht zwar als alternative Konzeptionen; sprachtheoretisch gesehen sind sie aber als komplementäre Positionen zu betrachten und eng aufeinander zu beziehen, indem das grammatische Textmodell der ersten Phase der Textlinguistik in die übergeordnete Konzeption von Sprache als Kommunikations- und Handlungsinstrument integriert wird. Dieser Auffassung versucht die folgende Darstellung Rechnung zu tragen. Der vorliegende Artikel beschränkt sich dabei auf den schriftkonstituierten monologi-

schen Text, wobei die nicht-literarischen Texte, die sog. Gebrauchstexte (vgl. Dimter 1981, 35), im Vordergrund stehen. Für den mündlich konstituierten dialogischen Text gelten ⫺ bedingt durch den Sprecherwechsel ⫺ z. T. ganz andere Konstitutionsbedingungen (vgl. Franck 1980, 44 ff; Brinker & Sager 1989, 9 ff).

1.

Textkonstitution⫺Textualität⫺ Textkohärenz

Die Beschreibung der Konstitution von Texten besteht im wesentlichen in einer systematischen Darstellung der allgemeinen Bedingungen, die ein sprachliches Gebilde erfüllen muß, um überhaupt als Text zu gelten. Es geht dabei um die Bedingungen, die in der Textlinguistik unter dem Begriff der Textualität (Texthaftigkeit) zusammengefaßt werden (vgl. etwa Schmidt 1973, 144 ff; Dimter 1981, 1f). Beaugrande & Dressler (1981) führen sieben „Kriterien der Textualität“ auf, die ein Text erfüllen muß, um als „kommunikativ“ eingestuft zu werden: „Kohäsion“ (Verknüpfung der Oberflächenelemente des Textes durch bestimmte grammatische Mittel), „Kohärenz“ (die zugrundeliegende Konstellation von Begriffen und Relationen; der semantisch-kognitive Zusammenhang), „Intentionalität“ (des Textproduzenten), „Akzeptabilität“ (seitens des Textrezipienten), „Informativität“ (Ausmaß der Bekanntheit bzw. Unbekanntheit), „Situationalität“ (Faktoren der Kommunikationssituation) und „Intertextualität“ (Beziehung zu anderen Texten und Textsorten). Damit sind zwar grundlegende

1516 Aspekte von Textualität genannt; diese sind aber nicht gleichgewichtig, sondern müssen noch systematisiert und in einen konsistenten sprachtheoretischen Bezugsrahmen eingeordnet werden. Bei der Erstellung eines solchen Rahmens ist von dem Textbegriff der handlungstheoretisch orientierten Textlinguistik auszugehen, die den Text ⫺ vor dem Hintergrund der Sprechakttheorie (J. L. Austin; J. R. Searle) ⫺ als komplexe sprachliche Handlung definiert (vgl. Schmidt 1973, 149 ff; Sandig 1973, 20; van Dijk 1980 a, 90 ff; Rosengren 1980, 275 ff; Motsch & Viehweger 1981; Motsch 1986 u. v. a.). Der für die Sprechakttheorie konstitutive Begriff des Sprechakts und seine Aufgliederung in verschiedene Teilakte (etwa in einen illokutionären Akt, einen propositionalen Akt und einen Äußerungsakt bei Searle) kann die theoretisch-begriffliche Basis für die analytische Unterscheidung von drei eng miteinander verbundenen Ebenen der Textbeschreibung bilden, der pragmatischen, der thematischen und der grammatischen Ebene (zur detaillierten Darstellung dieser Beschreibungsebenen vgl. Brinker 1985). Mit dem skizzierten Ebenenmodell ist eine sprachtheoretische Grundlage geschaffen, auf die die aufgeführten Textualitätsmerkmale bezogen werden können. Als Basiskriterium der Textualität wird in verschiedenen Richtungen der Textlinguistik die Textkohärenz betrachtet (vgl. z. B. Bellert 1970; Isenberg 1970; Gülich & Raible 1977; Brinker 1979; van Dijk 1980 a; Fritz 1982; die Sammelbände von Sözer 1985 und Heydrich & Petöfi 1986 u. v. a.). Der Kohärenzbegriff kann diese zentrale Bedeutung allerdings nur erhalten, wenn er umfassender definiert wird als bei Beaugrande & Dressler (1981). Ein solches Kohärenzkonzept wird in Brinker (1979) entwickelt. Der Terminus „Textkohärenz“ bezeichnet hier den spezifischen Zusammenhang zwischen den Textkonstituenten auf den verschiedenen sprachtheoretischen Ebenen: zwischen Sätzen auf der grammatischen Ebene („grammatische Kohärenz“), zwischen Propositionen auf der thematischen Ebene („thematische Kohärenz“) und zwischen sprachlichen Handlungen („Illokutionen“ bzw. kommunikativen Funktionen) auf der pragmatischen Ebene („pragmatische Kohärenz“). Für die Beschreibung der Textkonstitution ergibt sich vor diesem Hintergrund, daß sie primär darin besteht, die allgemeinen gram-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

matischen, thematischen und pragmatischen Kohärenzbedingungen von Texten zu ermitteln und darzustellen.

2.

Grammatische Textkonstitution

Die Beschreibung der grammatischen Konstitution von Texten hat vor allem die syntaktisch-semantischen Bedingungen der Textkohärenz zu erfassen. Es geht dabei im wesentlichen um zwei textkonstitutive Prinzipien: um das Rekurrenz- und das Konnexionsprinzip (vgl. auch die Zweiteilung bei Gülich & Raible 1977, 42 ff). „Rekurrenz“ meint die Wiederholung und Wiederaufnahme von sprachlichen Einheiten in aufeinanderfolgenden Sätzen eines Textes (vgl. etwa Harweg 1968 a, 1986; Oomen 1972; Beaugrande & Dressler 1981, 57 ff). „Konnexion“ bezieht sich demgegenüber auf die Verknüpfung von Propositionen (Satzinhalten); vgl. dazu etwa van Dijk 1980 a, 30 f; Heinemann & Viehweger 1991, 37, 119. Beide Formen textueller Kohärenz können explizit (d. h. durch bestimmte grammatische Mittel) und implizit (d. h. semantisch-kognitiv) realisiert sein. Die expliziten Formen werden in einigen Aufsätzen der Textlinguistik auch unter dem Terminus „Kohäsion“ zusammengefaßt (etwa von Beaugrande & Dressler 1981 im Anschluß an Halliday & Hasan 1976). Der Terminus „Kohärenz“ wird dann nur auf die dem „Oberflächentext“ zugrundeliegenden thematischen Konzepte und die zwischen ihnen bestehenden Relationen bezogen. 2.1. Formen der Wiederaufnahme Unter den verschiedenen Phänomenen, die im Zusammenhang mit dem Rekurrenzprinzip angeführt werden (Wiederholung und Wiederaufnahme von Wörtern und Wortgruppen, von grammatischen Formen und Mustern, Metrum, Reim usw.) wird den Referenzbeziehungen zwischen Sätzen eine besondere Bedeutung für die Kohärenz und Konstitution des Textes zugesprochen (vgl. etwa Steinitz 1968, Harweg 1968 a; Isenberg 1968, 1970; Conte 1986; Vater 1991 u. v. a.). Dieser Bereich, der in den Anfängen der Textlinguistik sogar im Zentrum der Forschung stand (vgl. Brinker 1971) und der auch heute noch eine nicht unbedeutende Rolle innerhalb der textlinguistischen Diskussion spielt (vgl. z. B. den Sammelband von Heydrich & Petöfi 1986 oder Vater 1991), erscheint in der Literatur u. a. auch unter den Termini „Pro-Fort-

1517

136. Die Konstitution schriftlicher Texte

führung“ (Steinitz 1968), „syntagmatische Substitution“ (Harweg 1968 a), „Koreferenz“ (Isenberg 1970), „Relation der Verweisung“ (Kallmeyer et al. 1974); „Wiederaufnahmerelation“ (Brinker 1973, 1985), „Pronominalisierung“ (Braunmüller 1977). Ich spreche im folgenden von „Wiederaufnahme“. Dieses textkonstitutive Prinzip soll nun kurz dargestellt werden. Vereinfacht gesprochen läßt sich zwischen expliziter und impliziter Wiederaufnahme unterscheiden (vgl. Brinker 1973, 1985). Die explizite Wiederaufnahme besteht in der Referenzidentität bestimmter sprachlicher Ausdrücke in aufeinanderfolgenden Sätzen eines Textes. Ein bestimmter Ausdruck (z. B. ein Lexem oder eine Lexemverbindung) wird durch einen oder mehrere Ausdrücke in den nachfolgenden Säzen des Textes in Referenzidentität wiederaufgenommen. Der Begriff „Referenzidentität“ besagt, daß sich der wiederaufgenommene Ausdruck (der sog. Bezugsausdruck) und der wiederaufnehmende Ausdruck auf das gleiche außersprachliche Objekt (den sog. Referenzträger) beziehen (z. B. auf Personen, Gegenstände, Sachverhalte, Ereignisse, Handlungen, Vorstellungen usw.). Beispiel: (1)

In rasendem Tempo fuhr ein PKW durch die Straßen Hamburgs. Der PKW (oder er oder das Auto usw.) wurde von einem Betrunkenen gesteuert.

Der durch das Nomen PKW benannte Referenzträger kann also durch Wiederholung desselben Nomens (PKW), durch ein Pronomen (hier: das definite Personalpronomen er) oder durch ein anderes Nomen (Auto, Fahrzeug), das besondere semantische Bedingungen erfüllen muß (sog. Oberbegriff ⫺ vgl. Steinitz 1968; Brinker 1985, 29 f), wiederaufgenommen werden. Die Ausdrücke, die aufgrund ihres minimalen Bedeutungsinhalts ausschließlich dazu dienen, andere sprachliche Einheiten referenzidentisch wiederaufzunehmen, werden Proformen genannt (vgl. Dressler 1973, 25 f; Vater 1975, 20 ff; Beaugrande & Dressler 1981, 64 ff). Das sind vor allem Pronomen und Adverbien; es können aber auch andere Wortarten vereinzelt als Proformen fungieren (z. B. die Verben tun und machen). Das erste Vorkommen des Referenzträgers zeigt sich in der Neueinführung eines Nomens mit dem Merkmal „nicht bekannt“. Dieses Merkmal bewirkt in der Regel die Wahl des unbestimmten Artikels beim Nomen (ein). Bei der Wiederaufnahme des

Referenzträgers durch dasselbe oder ein anderes Nomen tragen diese das Merkmal „bekannt“, was mit der verbindlichen Wahl des bestimmten Artikels (der) verbunden ist. Da Bekanntheit und Unbekanntheit innertextlich und außertextlich begründet sein können (darüber sagt der Artikel nichts aus), sollte der Signalwert des Artikels nicht (wie bei Steinitz 1968) mit „vorerwähnt“ bzw. „nicht vorerwähnt“, sondern mit „bekannt“ bzw. „nicht bekannt“ umschrieben werden (Brinker 1985, 28); zur textlinguistischen Bedeutung der Artikelformen vgl. vor allem Weinrich 1969 und Baumann 1970). Je nach Verknüpfungsrichtung kann von anaphorischer (zurückverweisender) oder kataphorischer (vorausweisender) Wiederaufnahme gesprochen werden (vgl. etwa Dressler 1973, 57 ff; Kallmeyer et al. 1974, Bd. 1, 180). Anaphorische Wiederaufnahme liegt in Beispiel (1) vor; Beispiel (2) repräsentiert die kataphorische Wiederaufnahme: (2)

Nach langem Nachdenken erwiderte der Politiker folgendes: „[…]“.

Die kataphorische Proform folgendes verweist auf das gesamte nachfolgende Zitat (zu anaphorischen und kataphorischen Textanfängen vgl. Harweg 1968 a, b). Im Gegensatz zur expliziten Wiederaufnahme ist die implizite Wiederaufnahme dadurch charakterisiert, daß zwischen dem wiederaufnehmenden Ausdruck (in der Regel ein Nomen oder eine nominale Wortgruppe) und dem wiederaufgenommenen Ausdruck (dem Bezugsausdruck) keine Referenzidentität besteht. Beide Ausdrücke beziehen sich auf verschiedene Referenzträger, d. h., es wird von verschiedenen Gegenständen und dergleichen gesprochen; zwischen diesen bestehen aber bestimmte Beziehungen, von denen die Teil-von- oder Enthaltenseinsrelation die wichtigste ist. Beispiel: (3)

Abends kam ich in München an. Vom Bahnhof fuhr ich […]

Ein Zwischensatz wie Dort gab es einen Bahnhof entfällt (vgl. Harweg 1968 a, 195), weil die Bekanntheit des Bahnhofs aus der Bekanntheit von München (als Stadt) folgt. Solche Gegenstandsbeziehungen sind in der Sprachkompetenz des Sprachteilhabers verankert, so daß man sagen kann, daß dem Ausdruck Stadt in der Sprachkompetenz u. a. das Merkmal „Bahnhof“ mitgegeben ist. In der Forschung werden solche Bedeutungsbeziehungen unter dem Terminus „semantische

1518 Kontiguität“ (begriffliche Nähe) zusammengefaßt (vgl. dazu Dressler 1973, 38 f; insbesondere aber Harweg 1968 a, 192 ff, der logisch, ontologisch, kulturell und situationell begründete Kontiguitätsverhältnisse zwischen Ausdrücken in aufeinanderfolgenden Sätzen eines Textes unterscheidet). In diesem Zusammenhang ist auch das Isotopiekonzept von Greimas (1966) zu erwähnen, das die Kohärenz des Textes auf Semrekurrenz, d. h. auf wiederholtes Vorkommen von gleichen semantischen Merkmalen in verschiedenen Lexemen eines Textes zurückzuführen versucht. Die durch gemeinsame Seme verknüpften Lexeme konstituieren dann sog. Isotopie-Ebenen (vgl. dazu auch Kallmeyer et al. 1974, Bd. 1, 94, 143 ff). Das Prinzip der Wiederaufnahme in seinen unterschiedlichen Formen ist am ausführlichsten von Harweg (1968 a) behandelt worden. Harweg (er spricht von „syntagmatischer Substitution“) erarbeitet eine vielschichtige Klassifikation von Substitutionstypen unter verschiedenen Aspekten (lexikologisch, syntaktisch usw.). In lexikologischer Hinsicht bezeichnen die Identitätssubstitution (etwa Wortwiederholung), die Similaritätssubstitution (etwa Wiederaufnahme durch sog. Synonyme) und die Kontiguitätssubstitution (verschiedene Formen der impliziten Wiederaufnahme) die wichtigsten Grundtypen. Harweg gründet auf das Prinzip der Wiederaufnahme sogar seinen Textbegriff, wenn er Text definiert als „ein durch ununterbrochene pronominale Verkettung [⫽ „syntagmatische Substitution“] konstituiertes Nacheinander sprachlicher Einheiten“ (Harweg 1968 a, 148). Die Beschreibung der Textkonstitution ist bei Harweg somit auf „die Eruierung der textkonstitutiven Funktion der Pronomina“ (Harweg 1968 a, 11) beschränkt. 2.2. Wiederaufnahmeprinzip und Textkohärenz In kritischer Auseinandersetzung mit der Konzeption Harwegs konnte nun gezeigt werden, daß das Prinzip der Wiederaufnahme ⫺ selbst unter Berücksichtigung von impliziten semantischen Verknüpfungen ⫺ keine notwendigen Bedingungen dafür liefert, daß eine Folge von Sätzen eine kohärente Satzfolge darstellt, d. h. als Text verstanden wird (vgl. Brinker 1971, 223 f). Nicht alle Satzfolgen, die als kohärent interpretiert werden, sind durch das Prinzip der Wiederaufnahme verbunden. Beispiel:

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit (4)

Es war eine regnerische Nacht. Zwei Männer standen in einem Hauseingang und rauchten.

Obwohl keine Verknüpfung nach dem Prinzip der Wiederaufnahme vorliegt, wird die Satzfolge als kohärent eingestuft. Der erste Satz gibt den situativen Rahmen für den zweiten (vgl. auch die in Isenberg 1968 aufgestellten „Vertextungstypen“). Wenn somit das Prinzip der Wiederaufnahme auch nicht als zwingende Bedingung für Textkohärenz gelten kann, stellt es doch ein wesentliches Mittel der grammatischen Textkonstitution dar. Die Sätze eines Textes sind häufig durchgehend nach diesem Verfahren miteinander verknüpft. Dort, wo es bei der Textproduktion zur Anwendung kommt, sind auch bestimmte grammatische Bedingungen bzw. Regeln einzuhalten (etwa der Artikelselektion oder der Abfolge koreferierender Ausdrücke), deren Nichtbeachtung das Verständnis des Textzusammenhangs erschweren und zu Mißverständnissen führen kann. Das Prinzip der Wiederaufnahme in seinen verschiedenen Formen stellt nun nicht das einzige Mittel der Satzverknüpfung dar, das für die Kohärenz und Konstitution von Texten relevant ist. Eine besonders wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die bereits erwähnte Konnexion von Satzinhalten (Propositionen) durch spezifische Verknüpfungsmittel (vgl. van Dijk 1977, 43 ff; v. Polenz 1985, 265 ff; Rudolph 1988), vor allem durch Konjunktionen (vgl. Buscha 1988) und Adverbien, die nicht als Proformen einzustufen sind (z. B. auch, vielmehr, also, dennoch). Auch Tempus und (in anderen Sprachen) Aspekt können eine textkonstitutive Funktion haben (vgl. Dorfmüller-Karpusa 1988). Bei der Konnexion gibt es ⫺ wie bei der Rekurrenz ⫺ neben den expliziten Formen die implizite Verknüpfungsmöglichkeit. Beispiel: (5) Die Lampe brennt nicht. Die Sicherung ist durchgebrannt.

Es liegt eine kausale Verknüpfung vor, die nicht durch bestimmte grammatische Mittel (etwa die Konjunktion denn) signalisiert wird (vgl. Isenberg 1968; Linke & Nussbaumer 1988). Grammatische Verknüpfungssignale können für das Textverstehen also weitgehend entbehrlich sein, wenn der Rezipient über ein ausreichendes thematisches und kontextuelles Hintergrundwissen verfügt (zur Unterscheidung verschiedener Wissenssysteme in der Textlinguistik vgl. Heinemann &

136. Die Konstitution schriftlicher Texte

Viehweger 1991, 93 ff). Das Kohärenzproblem ist letztlich nicht durch die grammatischen Verfahren der Rekurrenz und Konnexion zu erklären. Die grammatische Verknüpfungsstruktur ⫺ insbesondere die Wiederaufnahmestruktur ⫺ fungiert vielmehr als Trägerstruktur für die auf bestimmten Wissensvoraussetzungen der Kommunikationsteilnehmer aufbauenden thematischen Zusammenhänge des Textes (vgl. Brinker 1985, 40 f).

3.

Thematische Textkonstitution

Die Beschreibung der thematischen Konstitution von Texten besteht im wesentlichen in der Eruierung und systematischen Darstellung der Bedingungen thematischer Textkohärenz. Der Terminus „thematische Textkohärenz“ bezieht sich auf den semantisch-kognitiven Zusammenhang, den der Text zwischen den in den Sätzen ausgedrückten Sachverhalten (Propositionen) herstellt. Grundlegend für diesen Beschreibungsaspekt ist der Begriff des Textthemas, der innerhalb der Textlinguistik in unterschiedlichen Fassungen vorliegt (vgl. Lutz 1981; Lötscher 1987). Zu nennen sind hier insbesondere die Thema-Rhema-Analyse, das Modell der Makro- und Superstrukturen sowie das Konzept der Themenentfaltung. 3.1. Thema-Rhema-Gliederung Die von Mathesius (1929) begründete Thema-Rhema-Gliederung der Prager Schule (auch „Funktionale Satzperspektive“ genannt) gliedert den Satz von seinem „Mitteilungswert“ her gesehen in zwei Teile, in das „Thema“ als den „Ausgangspunkt der Aussage“ und das „Rhema“ als den „Kern der Aussage“. Dieser zunächst primär satzbezogene Ansatz wurde dann Ende der 60er Jahre von Danesˇ für die semantische Analyse der Textstruktur fruchtbar zu machen versucht (Danesˇ 1970; dazu Gülich & Raible 1977, 60⫺89; Eroms 1991). Unter „Thema“ versteht Danesˇ das, worüber etwas mitgeteilt wird; unter kontextuellem Aspekt handelt es sich dabei um die Information, die bekannt, vorgegeben, aufgrund der Situation erschließbar oder vom Rezipienten aufgrund seines Vorwissens bzw. seiner Weltkenntnis identifizierbar ist. Als „Rhema“ bestimmt er das, was über das Thema mitgeteilt wird; das Rhema bezeichnet also ⫺ kontextuell gesehen ⫺ die

1519 neue, nicht vorher erwähnte und nicht aus dem Text- bzw. Situationszusammenhang ableitbare Information. Danesˇ gibt nun die satzbezogene Orientierung insofern auf, als er die Textstruktur als „eine Sequenz von Themen“ darstellt. „Die eigentliche thematische Struktur des Textes besteht […] in der Verkettung und Konnexität der Themen, in ihren Wechselbeziehungen und ihrer Hierarchie, in den Beziehungen zu den Textabschnitten und zum Textganzen, sowie zur Situation“ (Danesˇ 1970, 14). Diesen ganzen Komplex von thematischen Relationen im Text nennt er die „thematische Progression“; sie stelle das „Gerüst des Textaufbaus“ dar. Danesˇ unterscheidet fünf Typen von thematischen Progressionen: 1. die einfache lineare Progression (das Rhema des ersten Satzes wird zum Thema des zweiten Satzes usw.), 2. die Progression mit einem durchlaufenden Thema (das Thema bleibt konstant, das Rhema ändert sich), 3. die Progression mit abgeleiteten Themen (die Themen der einzelnen Sätze werden von einem „Hyperthema“ abgeleitet), 4. die Progression eines gespaltenen Rhemas (das Rhema eines Satzes wird in mehrere Themen zerlegt), 5. die Progression mit einem thematischen Sprung (ein Glied der thematischen Kette, das aus dem Kontext leicht zu ergänzen ist, wird ausgelassen). Problematisch ist bei diesem Ansatz vor allem die Abgrenzung von Thema und Rhema, da es an zureichenden Verfahren mangelt, sie intersubjektiv überprüfbar zu machen (vgl. auch Gülich & Raible 1977, 83). Außerdem ist der in sprachtheoretischer Hinsicht unklare Status des Thema-Begriffs zu kritisieren; es werden semantische und kommunikativ-pragmatische Kriterien miteinander vermischt (Thema als Basis der Aussage vs. Thema als bekannte Information). Insgesamt gesehen ist die Strukturbeschreibung zu sehr der Textoberfläche verhaftet; die Analyse der Thema-Rhema-Gliederung eines Textes führt kaum über das hinaus, was nicht auch durch eine Beschreibung nach dem Prinzip der Wiederaufnahme erfaßt wird. Die Konzeption erscheint somit als nicht geeignet, die Textstruktur als ein Gefüge von logisch-semantischen Relationen zwischen den Propositionen darzustellen (vgl. Brinker 1985, 46 f). Diese zentrale Aufgabe einer thematischen Strukturbeschreibung macht einen anderen Thema-Begriff erforderlich.

1520 3.2. Makro- und Superstrukturen Ein anderer Thema-Begriff ist kennzeichnend für verschiedene texttheoretische Forschungsansätze, die sich in irgendeiner Form an der Generativen Transformationsgrammatik mit ihrer Unterscheidung von Oberflächen- und Tiefenstruktur orientieren (Dressler 1973; van Dijk 1972, 1977, 1980 a, 1980 b; Agricola 1979 u. a.). In dieser Richtung am explizitesten entfaltet ist wohl das von van Dijk im Rahmen der Erzähltextanalyse entwickelte Konzept der „Makrostruktur“ von Texten (vgl. dazu Brinker 1973, 20 f; Gülich & Raible 1977, 250 ff). Die semantische Texttiefenstruktur oder Makrostruktur repräsentiert nach van Dijk die „globale Bedeutung“ des Textes. Sie wird durch Verfahren der paraphrasierenden Reduktion gewonnen: Aus den Propositionen des konkreten Textes, des Oberflächentextes, leitet van Dijk sog. Makropropositionen ab, indem er eine Reihe von Operationen anwendet, die er Makroregeln nennt. Das Ergebnis der Regelanwendung ist eine Textzusammenfassung, ein Resümee, das als direkte Verbalisierung der Makrostruktur aufgefaßt wird. Das Textthema ist nach van Dijk nun nichts anderes als „eine Makroproposition auf einem bestimmten Abstraktionsniveau“; es muß im Text nicht explizit genannt werden. Wenn das doch der Fall ist, wird vom „Themawort“ (Schlüsselwort) oder „Themasatz“ gesprochen (vgl. van Dijk 1980 a, 50). Van Dijk beansprucht für seine Konzeption der Makrostruktur, daß sie kognitive Realität besitze; durch empirische Argumente und eigene Experimente psychologischer Art versucht er zu erweisen, daß die Makrostruktur und ihr Aufbau (durch die Anwendung der Makroregeln) in einem psychologischen Prozeß-Modell des Textverstehens eine wesentliche Rolle spielen (vgl. van Dijk 1980 a, 183 ff). Van Dijks Ansatz ist von verschiedenen Seiten kritisiert worden (z. B. von Gülich & Raible 1977, 272 ff; Quasthoff 1980, 39 ff). Die Kritik betrifft einmal Form und Ableitung der Makrostruktur selbst, zum anderen das Problem, wie aus der semantischen Tiefenstruktur durch textuelle Operationen (Transformationen) die Oberflächenstruktur der Texte generiert werden kann, schließlich die Frage, wie die Anwendung der Makroregeln im einzelnen zu erfolgen hat, um zur Makrostruktur des betreffenden Textes zu gelangen; umstritten ist auch van Dijks Postu-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

lat von der kognitiven Relevanz seines Konzepts. Außer den Makrostrukturen nimmt van Dijk noch sog. Superstrukturen an. Unter einer Superstruktur versteht er „eine Art abstraktes Schema, das die globale Ordnung eines Textes festlegt und das aus einer Reihe von Kategorien besteht, deren Kombinationsmöglichkeiten auf konventionellen Regeln beruhen“ (vgl. van Dijk 1980 a, 131). Die Superstrukturen werden als „elementare Basisstrukturen“ aufgefaßt, die durch „Bildungsregeln“ erzeugt und durch „Transformationsregeln“ modifiziert werden. Van Dijk beschreibt zwei Superstrukturen genauer, die Erzählung und die Argumentation (140 ff). Sie werden ⫺ in Anlehnung an die Strukturbäume („phrasemarkers“) der generativen Grammatik ⫺ als hierarchisch geordnete kategoriale Baumdiagramme dargestellt (131ff), wobei kritisch anzumerken ist, daß diese Präsentation wohl eine zu feste Ordnung der Kategorien impliziert. Was nun den Zusammenhang zwischen Super- und Makrostrukturen betrifft, so bemerkt van Dijk dazu lediglich, daß die Superstruktur „eine Art Textform“ bilde, „deren Gegenstand, Thema, d. h.: Makrostruktur, der Textinhalt“ sei (128). In kognitiver Hinsicht, d. h. unter dem Aspekt der Text- und Informationsverarbeitung, werden die Superstrukturen als Produktionsund Interpretationsschemata für Texte betrachtet (186 f). 3.3. Grundformen thematischer Entfaltung Auch das Konzept der Themenentfaltung (Brinker 1971, 1979, 1980, 1985) basiert ⫺ wie die texttheoretischen Ansätze von van Dijk, Agricola u. a. ⫺ auf der Annahme einer semantisch-thematischen Textbasis. „Thema“ wird als Kern des Textinhalts definiert, wobei der Terminus „Textinhalt“ den auf einen oder mehrere Gegenstände (Personen, Sachverhalte, Ereignisse, Handlungen, Vorstellungen usw.) bezogenen Gedankengang des Textes bezeichnet. Das Textthema (als Inhaltskern) bezieht sich nicht nur auf den kommunikativen Hauptgegenstand eines Textes (den dominierenden Referenzträger), wie er sich sprachlich in den nominalen und pronominalen Wiederaufnahmen manifestiert, sondern umfaßt auch das, was im Text „in nuce“ über diesen zentralen Gegenstand ausgesagt wird, d. h. den Grund- oder Leitgedanken eines Textes. Ein solcher Thema-Begriff entspricht auch unserem Alltagskonzept von „Thema“ (vgl. etwa die Wendungen über ein Thema dis-

1521

136. Die Konstitution schriftlicher Texte

kutieren, das Thema verfehlen, vom Thema abkommen). Ein Text enthält in der Regel mehrere Themen, die allerdings einen unterschiedlichen thematischen Stellenwert besitzen, so daß eine Rangordnung von Themen, eine Art Themenhierarchie entsteht. Grundlegend für die thematische Kohärenz und Konstitution von Texten ist nun die Auffassung, daß der Textinhalt (die „Gesamtinformation“ eines Textes) das Ergebnis eines „Ableitungsprozesses“ darstellt, nämlich das Resultat der Entfaltung eines Themas (Inhaltskern, „Grundinformation“) zum Gesamtinhalt des Textes. Der Begriff „thematische Entfaltung“ meint die gedankliche Ausführung des Themas. Da die Themenentfaltung wesentlich durch kommunikative und situative Faktoren (wie Kommunikationsintention und Kommunikationszweck, Art der Partnerbeziehung, der Partnereinschätzung usw.) gesteuert wird, sind grundsätzlich verschiedene Möglichkeiten der Entfaltung eines Themas gegeben. Über diese Zusammenhänge ist aber noch wenig bekannt. Die Entfaltung des Themas zum Gesamtinhalt des Textes kann als Verknüpfung bzw. Kombination relationaler, logisch-semantisch definierter Kategorien beschrieben werden, welche die internen Beziehungen der in den einzelnen Textteilen (Überschrift, Abschnitten, Sätzen usw.) ausgedrückten Teilinhalte bzw. Teilthemen zum thematischen Kern des Textes (dem Textthema) angeben (z. B. Spezifizierung, Begründung usw.). Es haben sich nun in der Sprachgemeinschaft eine Reihe von Grundformen thematischer Entfaltung herausgebildet. Für den Bereich der (monologischen) Gebrauchstexte konnten die deskriptive (beschreibende), die explikative (erklärende) und die argumentative (begründende) Entfaltung eines Themas zum Textinhalt als besonders relevant herausgearbeitet werden (Brinker 1985, 59⫺85). Für diese Grundformen sind jeweils bestimmte semantisch-thematische Kategorien bzw. Verbindungen von Kategorien (im oben beschriebenen Sinn) charakteristisch. So gilt für die argumentative Themenentfaltung ⫺ wenn man das Toulminsche Argumentationsmodell (Toulmin 1958, Kap. III) zugrundelegt ⫺, daß zu einer Konklusion (etwa einer These) als Begründung bestimmte Daten (Argumente) angeführt werden, daß der Schritt von den Daten zur Konklusion durch eine Schlußregel („warrant“) legitimiert und die Zulässigkeit der Schlußregel durch eine Stüt-

zung („backing“) erwiesen wird. Zentrale Kategorien der deskriptiven Themenentfaltung sind die Spezifizierung und die Situierung (einer festgestellten oder behaupteten Sache bzw. eines Sachverhalts); für die Beschreibung der explikativen Themenentfaltung kann auf das Modell der wissenschaftlichen Erklärung von C. G. Hempel und P. Oppenheim (kurz: H-O-Schema genannt) zurückgegriffen werden. Diese und weitere Grundformen (wie z. B. die narrative Themenentfaltung ⫺ vgl. dazu Gülich & Raible 1977; van Dijk 1980 a; Quasthoff 1980) gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie geben den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die thematische Textkonstitution. In den konkreten Texten können sie in vielfältigen Ausprägungen erscheinen, die als „Realisationsformen“ (Formen der Musterrealisierung) bezeichnet werden (Brinker 1985, 132). Im Unterschied zum grammatischen Textaufbau sind die Bedingungen der thematischen Konstitution von Texten erst ansatzweise untersucht worden. Wichtige Problemstellungen betreffen etwa die Beziehungen zwischen thematischen Textstrukturen und bestimmten Wissens- und Kenntnissystemen (insbesondere dem Bereich des sog. enzyklopädischen Wissens) oder den Zusammenhang von Grundformen, Realisationsformen und Textsorten ⫺ ein Forschungsthema, dessen Bearbeitung nur auf einer breiten empirischen Basis möglich ist.

4.

Pragmatische Textkonstitution

Der Terminus „pragmatische Textkonstitution“ bezieht sich auf verschiedene texttheoretische Konzeptionen, die ⫺ ausgehend von der innerhalb der angelsächsischen Sprachphilosophie entwickelten Sprechakttheorie (Austin 1962; Searle 1969) ⫺ den Text in seiner Handlungsqualität zu erfassen versuchen. Die Sprechakttheorie ist allerdings auf die Konstitution einfacher (elementarer) sprachlicher Handlungen beschränkt (wie eine Behauptung aufstellen, einen Befehl erteilen, eine Frage stellen, ein Versprechen geben, einen Wunsch äußern, einen Rat erteilen, einen Glückwunsch aussprechen usw.), die in grammatischer Hinsicht nicht den Umfang eines sog. vollständigen Satzes überschreiten. Es stellt sich nun die Frage, in welcher Form die an einfachen sprachlichen Handlungen gewonnenen Erkenntnisse auf Texte

1522

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

angewandt werden können, die in der Regel komplexer strukturiert sind. Diese Problemstellung wird in der gegenwärtigen textlinguistischen Forschung in unterschiedlicher Weise behandelt. Zu nennen sind hier vor allem das Illokutionsstrukturkonzept und der textfunktionale Ansatz. 4.1. Illokutionsstrukturen Das Illokutionsstrukturkonzept (Motsch & Viehweger 1981, 1991; Brandt et al. 1983; Rosengren 1987; Motsch 1986, 1987 u. a.) definiert den Text als hierarchisch strukturierte Abfolge von elementaren sprachlichen Handlungen („illokutive Handlungen“ genannt). Die illokutive Handlung, die in direkter Beziehung aus den sog. Satzmodi (Deklarativ-, Interrogativ-, Imperativsatz) abgeleitet wird (dazu im einzelnen Motsch & Pasch 1987), gilt als Grundeinheit für die Textkonstitution. „Hierarchisch strukturiert“ bedeutet in diesem Zusammenhang, daß zwischen den illokutiven Handlungen mannigfache Unterund Überordnungsbeziehungen bestehen, wobei in der Regel eine bestimmte illokutive Handlung die übrigen dominiert (vgl. Brandt et al. 1983; Motsch 1987, 58); diese bezeichnet dann das Gesamtziel des Textes. Die anderen illokutiven Handlungen dienen dazu, diese dominierende illokutive Handlung zu stützen, d. h. ihren Erfolg zu sichern; sie werden „subsidiäre Illokutionen“ genannt. „Der Sprecher muß […] seine Gesamthandlung so aufbauen, daß Mißverständnisse, Zurückweisungen und unerwünschte Reaktionen seitens des Hörers nach Möglichkeit vermieden werden. […] Die Möglichkeit wird dadurch geschaffen, daß er eine dominierende illokutive Handlung durch subsidiäre stützt“ (Motsch 1987, 58). Das kann an dem folgenden (einfachen) Beispiel verdeutlicht werden: (6)

Du bist sehr erkältet. Geh doch bitte zum Arzt. Er hat seine Praxis ganz in der Nähe.

Es liegt die Handlungsfolge „Feststellung⫺ Bitte⫺Feststellung“ vor. Dominierender Handlungstyp ist die Bitte; sie wird durch die erste Feststellung begründet und durch die zweite spezifiziert, d. h. im Hinblick auf ihre Erfüllbarkeit durch den Angesprochenen genauer bestimmt. Die Analyse von Illokutionsstrukturen besteht also darin, die illokutiven Handlungen zu segmentieren und die Relationen zwischen diesen Handlungen, etwa bestimmte Arten von Stützungsbeziehungen (vgl. Motsch 1987, 60), zu ermitteln. Das führt dann zu

einer auch schematisch repräsentierbaren Illokutionshierarchie, in der sich die Handlungsstruktur des Textes manifestiert. Die folgende Figur gibt diese Illokutionsstruktur wieder (nach Brandt et al. 1983, 112): Illokution0 Illokution11 Illokution12 … Illokution1n …



Illokution21 Illokution22 Illokution2k …





Abb. 136.1: Schematische Darstellung der Illokutionsstruktur

Das Illokutionsstrukturkonzept wirft eine Reihe von kritischen Fragen auf, etwa zum Zusammenhang von Illokutionsstruktur und syntaktischer wie thematischer Struktur des Textes, aber auch zur Beziehung zwischen Illokutionsstruktur und textueller Gesamtfunktion. Seitens des textfunktionalen Ansatzes wird eingewendet (vgl. Brinker 1985, 90), daß man Sätzen im Grunde nur bei einer isolierten Betrachtung eine illokutive Rolle zuordnen könne. Sind sie in die Ganzheit „Text“ integriert, besäßen sie meist keine unmittelbare Handlungsqualität, sondern erfüllten vielmehr bestimmte textinterne Funktionen, vor allem im Hinblick auf den thematischen Aufbau des Textes (Begründungs-, Spezifizierungsfunktion usw.). Der Handlungscharakter komme dem Text als Ganzem zu und werde durch die Textfunktion bezeichnet. 4.2. Textfunktionen Der textfunktionale Ansatz (Große 1976; Brinker 1983, 1985; vgl. auch Rolf 1993) basiert auf der Auffassung, daß die Kohärenz des Textes letztlich durch die kommunikative Funktion gestiftet wird, die der Text innerhalb eines Kommunikationsprozesses erhält. Diese (dominierende) Kommunikationsfunktion wird als Textfunktion bezeichnet. Unter „Textfunktion“ versteht Große (1976, 68) „die in einem Text encodierte, sich im Text als Kommunikationsinstrument ausprägende Intention, und zwar ⫺ und dies ist sehr wichtig ⫺ so, wie der Empfänger sie verstehen soll“. Die Textfunktion als die im Text ausgedrückte Kommunikationsabsicht des Textproduzenten ist sozusagen die „Instruktion

136. Die Konstitution schriftlicher Texte

des Empfängers über den für den jeweiligen Text vom Sender erwünschten Verstehensmodus“ (26, 115), d. h., sie instruiert den Adressaten, als was er den Text insgesamt auffassen soll, z. B. als informativen oder als appellativen Text. Große unterscheidet zwischen Textfunktion und „geheimer Intention“, die zwar der Textfunktion entsprechen kann, aber nicht mit ihr übereinstimmen muß (68 ff). Für die Bestimmung der Textfunktion ist allein entscheidend, was der Textproduzent zu erkennen geben will, indem er sich auf bestimmte Regeln (Konventionen) sprachlicher und kommunikativer Art bezieht (vgl. Brinker 1983, 131 ff). Große unterscheidet verschiedene Funktionstypen. Zunächst hebt er „normative“ Textfunktionen, „die verbindliche Interaktionsregelungen signalisieren“, und „nicht-normative“ Textfunktionen voneinander ab (Große 1976, 28). Diese Einteilung begründet er mit der „überragenden Bedeutung der Regeln für das menschliche nichtsprachliche und sprachliche Handeln“. Die normativen Funktionen (charakteristisch für Gesetze, Satzungen, Verträge, Vollmachten usw.) gliedert er in die legislative, die proklamatorische, die zertifikatorische, die prokuratorische, die selbstverpflichtende, die vereinbarende und die deklaratorische Funktion auf (58 ff). Die nichtnormativen Funktionen werden in Anlehnung an das Kommunikationsmodell von K. Bühler (1934) „nach ihrem referentiellen Personenbezug“ (Ich-, Du-, X-Bezug) definiert (Große 1976, 30 ff). Große gewinnt so die unipersonalen Funktionen „Selbstdarstellung“ (z. B. charakteristisch für Tagebücher und Autobiographien), „Aufforderung“ (kennzeichnend für Werbetexte, Zeitungskommentare, Propagandatexte usw.) und „Informationstransfer“ (grundlegend für Nachrichten, Berichte, Beschreibungen, wissenschaftliche und populärwissenschaftliche Texte usw.) sowie die pluripersonalen Funktionen „Kontaktfunktion“ (dominant in Glückwunsch- und Kondolenzschreiben) und „gruppenindizierende Funktion“ (z. B. in Gruppenliedern wie der Marseillaise). Gegen Großes Klassifikationsansatz ist eingewendet worden, daß er insofern nicht ganz homogen sein, als er ⫺ sprachtheoretisch gesehen ⫺ auf unterschiedlichen Kriterien beruhe (Brinker 1983, 133; 1985, 96 f). Während z. B. die Aufforderungsfunktion und die Kontaktfunktion auf der kommunikativ-funktionalen Ebene definiert seien (Art der kommunikativen Beziehung), werde die

1523 Selbstdarstellungsfunktion auf der thematischen Ebene aufgrund einer Referenzart bestimmt (Thematisierung der Person des Textproduzenten selbst). Mit der gruppenindizierenden Funktion und der normativen Funktion kämen dann noch andere Kriterien ins Spiel. Außerdem ist kritisch anzumerken, daß Große ⫺ obwohl sein Konzept der Textfunktion eine große Nähe zum Begriff des illokutiven Akts in der Sprechakttheorie aufweist (vgl. Große 1976, 69 f) ⫺ diesem Zusammenhang in seinem Klassifikationsansatz kaum Rechnung trägt. Auf der Grundlage der Illokutionstypologie Searles (Searle 1975) ist in Brinker 1983 und 1985 eine Klassifikation von Textfunktionen entwickelt worden, die auf einem einheitlichen Kriterium beruht, und zwar auf der Art des kommunikativen Kontakts, die der Textproduzent mit dem Text dem Rezipienten gegenüber zum Ausdruck bringt. Es werden fünf textuelle Grundfunktionen unterschieden: die Informationsfunktion (konstitutiv für Nachrichten, Berichte, Beschreibungen, Gutachten usw.), die Appellfunktion (konstitutiv für Werbeanzeigen, Propagandatexte, Anleitungen, Gesetze, Predigten, Anträge usw.), die Obligations- oder Selbstverpflichtungsfunktion (konstitutiv für Verträge, Garantie-Erklärungen, Angebote usw.), die Kontaktfunktion (konstitutiv für Gratulations-, Kondolenzschreiben, Ansichtskarten usw.) und die Deklarationsfunktion (konstitutiv für Ernennungsurkunden, Bevollmächtigungen, Bescheinigungen usw.). Ein Text kann durchaus mehr als eine kommunikative Funktion signalisieren; der Kommunikationsmodus des Textes wird aber in der Regel nur durch eine Funktion, eben die Textfunktion, bestimmt. Die anderen Funktionen fungieren als Zusatz- oder Komplementärfunktionen (vgl. auch Möhn 1991 in bezug auf Instruktionstexte). Die Textfunktion kann durch bestimmte sprachliche Formen und Strukturen (etwa durch sog. explizit performative Formeln und äquivalente Satzmuster) direkt im Text angezeigt sein oder auch nur indirekt zum Ausdruck kommen und ist dann aus anderen innertextlichen (sprachlichen und nichtsprachlichen) sowie aus außertextlichen (kontextuellen) Merkmalen zu erschließen (vgl. Brinker 1985, 90 f: „Indikatoren der Textfunktion“). Diese Bestimmungen sollen an dem folgenden Geschäftsbrief verdeutlicht werden:

1524 (7)

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit Sehr geehrter Herr B., wir danken Ihnen für den uns erteilten Auftrag und sichern Ihnen die Fertigstellung der Arbeiten zum 30 d. M. verbindlich zu. Mit freundlichen Grüßen Fa. A.

Der Text enthält zwei explizit performative Formeln (wir danken Ihnen ⫺ wir sichern Ihnen verbindlich zu), die auf verschiedene kommunikative Funktionen verweisen, auf die Kontaktfunktion einerseits, auf die Obligationsfunktion andererseits. Aufgrund des Kontextes, insbesondere der Zugehörigkeit des Textes zum Handlungsbereich „Geschäftsverkehr“ läßt sich der Handlungscharakter des Textes als „Auftragsbestätigung mit Termingarantie“ kennzeichnen. Als Indikator der Textfunktion fungiert in erster Linie die Formel wir sichern Ihnen verbindlich zu, mit der der Produzent dem Adressaten zu verstehen gibt, daß er ihm gegenüber eine bestimmte, innerhalb des Handlungsbereichs rechtlich genau fixierte Obligation übernimmt. Die Textfunktion, d. h. die dominierende kommunikative Funktion dieses Textes, ist also die Obligationsfunktion. Demgegenüber ist die Formel wir danken Ihnen kein Indikator der Textfunktion, da die Kontaktfunktion in diesem Handlungszusammenhang von recht untergeordneter Bedeutung ist; sie fungiert vielmehr als eine den Adressatenbezug intensivierende Zusatzfunktion. Die Textfunktion ist als übergeordnetes Konstitutionsprinzip zu betrachten, da sie ⫺ zusammen mit Faktoren der Kommunikationssituation ⫺ die Ausprägung der Textstruktur sowohl in grammatischer als auch in thematischer Hinsicht in hohem Maße beeinflußt (vgl. Brinker 1985, 113 ff).

5.

Textkonstitution und Textsorte

Die behandelten grammatischen, thematischen und pragmatischen Kohärenzbedingungen betreffen die allgemeinen Aspekte der Textkonstitution. Nun ist ein konkreter Text nicht nur eine Realisierung der allgemeinen Größe „Text“; er repräsentiert vielmehr zugleich auch eine bestimmte Textsorte, d. h., er ist ein Zeitungskommentar, eine Gebrauchsanweisung oder eine Werbeanzeige ⫺ um nur einige alltagssprachliche Bezeichnungen für Textsorten anzuführen. Unter sprechakttheoretischer Perspektive können Textsorten als konventionalisierte Muster für komplexe sprachliche Handlun-

gen definiert werden, die sich als jeweils typische Verbindungen von kontextuellen (situativen), kommunikativ-funktionalen und strukturellen (grammatischen wie thematischen) Merkmalen beschreiben lassen (Sandig 1978, 69 f; Ermert 1979, 40 ff; Dimter 1981; Brinker 1985, 118 ff; Franke 1991 u. a.). Textsorten stellen also komplexe Konstitutionsmuster dar, in denen die allgemeinen Prinzipien der Textkonstitution ihre jeweils spezifische Ausprägung finden. So ist z. B. der Lexikonartikel durch eine explizite Wiederaufnahmestruktur gekennzeichnet ⫺ im Unterschied etwa zum Zeitungskommentar; der Zeitungsbericht verlangt eine deskriptive Themenentfaltung, während Gutachten oder Rezension ihr Thema primär argumentativ entwickeln; für die Werbeanzeige ist die explizite Signalisierung der Appellfunktion ungewöhnlich, nicht aber für die Bittschrift oder die Arbeitsanleitung usw. usw. Textsorten als komplexe Konstitutionsmuster haben sich in der Sprachgemeinschaft historisch entwickelt und gehören zum Alltagswissen der Sprachteilhaber; sie besitzen zwar eine normierende Wirkung, erleichtern aber zugleich den kommunikativen Umgang, indem sie den Kommunizierenden mehr oder weniger feste Orientierungen für die Produktion und Rezeption von Texten geben.

6.

Literatur

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Klaus Brinker, Hamburg (Deutschland)

1527

137. Die Produktion schriftlicher Texte

137. Die Produktion schriftlicher Texte 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

Vorbemerkung Systematisch-historische Einordnung Relevanz Begriffsbestimmung Forschungsleitende Fragen Charakteristika der Textproduktionsforschung Neuere Tendenzen Literatur

1.

Vorbemerkung

Sprachwissenschaft produktionsorientiert zu betreiben ist im Kontext der Linguistik und der kognitiven Wissenschaften (vgl. Anderson 1988) neu; wissenschaftshistorisch betrachtet steht dieser Ansatz jedoch als klassische Rhetorik in einer langen und einflußreichen Tradition. Die heutige Forschung zur mündlichen und schriftlichen Textproduktion ist ein interdisziplinär ausgerichtetes, sehr verschiedene Ansätze umfassendes Arbeitsgebiet. Entsprechend disparat sind Fragestellungen, Ziele, Gegenstände, Methoden und Theorien. Viele dieser Aspekte werden anderswo in diesem Handbuchbehandelt (→ Art. 44, 77, 84, 85, 90, 100, 108, 139). Ziel des Artikels kann es daher nur sein, die Konturen dieses neuen Forschungsgebietes unter einer integrativen, wenn möglich systematischen Perspektive zu skizzieren und einzelne bisher wenig fokussierte Aspekte näher zu beleuchten.

2.

Systematisch-historische Einordnung

Aus kommunikationstheoretischer Sicht lassen sich systematisch drei Zugänge zur Analyse sprachlicher Kommunikation unterscheiden: 1. eine produktionsorientierte Analyse aus der Perspektive des Sprecher/Schreibers; 2. eine rezipientenorientierte Analyse aus der Perspektive des Hörer/Lesers und 3. eine objektorientierte Analyse der semiotischen Struktur sprachlicher Phänomene. Auf dem Hintergrund der langue-paroleDichotomie Saussures hat der Strukturalismus und die von ihm beeinflußte Sprachwissenschaft die Analyse sprachlicher Kommunikation weitgehend auf die dritte Forschungsperspektive reduziert. Neben den unbestreitbaren Vorteilen dieser Reduktion haben sich im Verlaufe der Überwindung des

strukturalistischen Paradigmas mindestens sechs gravierende Nachteile herausgeschält: (i) Die Ausblendung des kognitiven Aspekts bei der Analyse sprachlicher Kommunikation ist bereits im Kernbereich der Syntaxtheorie gegenstandsinadäquat (vgl. Chomsky 1965). (ii) Die analytische Reduktion des kommunikativen Handlungsprozesses auf die sprachliche Zeichenstruktur führt u. a. zur Ausblendung der temporalen Dimension und damit zu einer Überbetonung des Produktgegenüber dem Prozeßaspekt sprachlicher Kommunikation. (iii) Mit dieser Überbetonung der strukturellen Semiose werden die funktionalen Dimensionen sprachlicher Gemeinschaftshandlungen (sensu Wittgenstein, Austin und Searle) ausgeblendet. (iv) Entsprechendes gilt für die strukturalistische Eliminierung des Intentions-Begriffs (sensu Grice). Mit seiner in den 70er Jahren einsetzenden Rehabilitierung ist eine Aufwertung der Sprecher- bzw. Hörerrolle verbunden, die zu einer Neubewertung des Produktions- und des Rezeptionsaspekts führt. (v) Ebenfalls in einer strukturalistischen, im Generativismus noch radikalisierten Tradition steht die Syntaxzentriertheit. Mit der Beschränkung der Untersuchung auf den „Satz“ als dem kanonischen Gegenstand der Sprachwissenschaft wird für längere Zeit der gesprochene Diskurs bzw. der schriftliche „Text“ als legitime Analyseeinheit weithin diskreditiert (vgl. Brinker 1995 ⫽ Art. 136). (vi) Schließlich hat die faktische Nivellierung des medialen Aspekts insbesondere zu einer Trivialisierung des Unterschieds von Mündlichkeit und Schriftlichkeit in der Sprachwissenschaft geführt (vgl. Günther & Günther 1983; Feldbusch 1985; Glück 1987). Diese Reduktionismen werden seit Ende der 60er Jahre in der Linguistik nach und nach aufgegeben: Der psycholinguistisch interpretierte Generativismus Chomskys führt zunächst zur Erforschung der psychischen Realität von Sprachgenerierungsmodellen (vgl. Wiese 1983; Levelt 1989; Pechmann 1994). Zusammen mit der Untersuchung von Phänomenen der spontan gesprochenen Sprache (Pausen, Versprecher etc., vgl. Goldman-Eisler 1968, Fromkin 1973, 1980; Butterworth 1980) rückt spätestens seit Anfang der 80er Jahre die produktionsorientierte

1528 Sprachbetrachtung in den Vordergrund eines interdisziplinär orientierten Interesses, nicht zuletzt auch in Deutschland (vgl. Dechert, Möhle & Raupach 1984). Daneben wurde schon immer parallel zur Rhetorik in der vorwissenschaftlichen Tradition der „ars poetica“ (vgl. Allemann 1971) die metapoetische Textproduktion von Dichtern und Schriftstellern reflektiert. In marxistischen, sozialpsychologischen und psychoanalytischen Theorien zur künstlerischen Produktion (vgl. Curtius 1976) wurde diese Thematisierung der schriftlichen Produktion auch wissenschaftlich aufgegriffen. Bedeutsam ist heute ⫺ nicht zuletzt aufgrund ihrer dezidiert empirischen Ausrichtung ⫺ die Erforschung der Textgenese literarischer Texte (vgl. Culioli 1982; Gre´sillon & Lebrave 1983; Beetz & Antos 1984; Hay 1988; Schlieben-Lange & Gre´sillon 1987; Viollet 1995 ⫽ Art. 53). Entscheidende Impulse erhält die Textproduktionsforschung (vgl. Herrmann & HoppeGraff 1989) darüber hinaus durch kognitionswissenschaftliche Arbeiten zur rezeptiven Sprachverarbeitung (vgl. Dijk & Kintsch 1983; Christmann & Groeben 1995 ⫽ Art. 138). Theoretisch wichtig werden dabei zwei Konzepte, die sich als Erklärungsmodelle für Produktionsstrategien besonders eignen: Neben der kognitiven Konstruktivitätshypothese (Christmann & Groeben 1995), zu der einerseits Kreativitäts- (vgl. Chafe 1977) und andererseits Problemlöseansätze (Hayes & Flower 1980 a, b; Flower & Hayes 1980; Beaugrande & Dressler 1981; Antos 1982) zu rechnen sind, gehören dazu holistische Textmusterkonzepte (Labov & Waletzky 1973; Rumelhard 1975; Dijk 1980 sowie Frameund Schema-Ansätze). Ihren „Durchbruch“ schafft die Textproduktionsforschung aber erst durch die nordamerikanische Schreibforschung (vgl. Gregg & Steinberg 1982; Nystrand 1982; Bereiter & Scardamalia 1982, 1987) und ihre deutsche Rezeption (vgl. Ludwig 1983; Coulmas & Ehlich 1983; Günther & Günther 1983; Molitor 1984; Keseling 1984; Eigler 1985; Krings 1986; Antos & Krings 1989; Krings & Antos 1992; Rothkegel 1993; → Art. 85). Die Schreibforschung hat neben der mutter- und fremdsprachlichen Schreibdidaktik (vgl. Augst 1988; Chiss et al. 1987; Börner 1989; Baurmann 1992) auch nachhaltig die Sprachlehrforschung, insbesondere die „second language production“ (vgl. Dechert et al. 1984; Krings 1986), sowie die Übersetzungswissenschaften beeinflußt (Krings 1986; Lörscher 1989). Nicht unwich-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

tige Impulse strahlen auch auf die Patholinguistik (vgl. Peuser 1983; Kotten 1989) und auf die Computerlinguistik aus (vgl. Koch 1992; Rothkegel 1989, 1992, 1993). Mit der Schreibforschung in engem Zusammenhang steht eine sich prozedural verstehende Textlinguistik. Kernidee dieses Ansatzes ist nach Beaugrande & Dressler (1981, 34) die Erforschung der hinter den sprachlich-textuellen Einheiten und Mustern stehenden kognitiven Operationen, die bei der Verbalisierung aktiviert, produziert und rezipiert werden. Ein ebenfalls prozeduraler Ansatz, der auf eine holistische Erklärung von mikround makrostrukturellen Textphänomenen abzielt, wird im Kontext des „Quaestio“-Ansatzes erforscht. Grundgedanke dieses an die Hermeneutik sich anlehnenden Ansatzes ist es, daß der Text als eine komplexe Antwort auf eine ihm (in der Regel implizit zugrunde liegende) Frage, eben der „Quaestio“ aufzufassen ist (vgl. Klein & Stutterheim 1987; Stutterheim 1992; Kohlmann 1992). Schließlich spielt die Erforschung von Prinzipien der Linearisierung von Wissen bzw. Prinzipien der sprachlichen Repräsentation von Wissensstrukturen in Texten eine nicht unwichtige Rolle (vgl. die Analyse von Wohnraumbzw. Wegbeschreibungen bei Linde & Labov 1985; Klein 1979).

3.

Relevanz

Das neue Interesse an einer produktionsorientierten Sprachwissenschaft entzündet sich ⫺ wie schon am Anfang der klassischen Rhetorik ⫺ an praktischen Problemen: ⫺ Schriftliche Texte sind angesichts der explosionsartigen Zunahme menschlichen Wissens die wichtigsten Manifestationsformen für die Auffindung, Aneignung, Darstellung, Weitergabe und Speicherung von Wissen geworden. ⫺ In der modernen, durch Medien geprägten Informationsgesellschaft nehmen angesichts der „inneren Mehrsprachigkeit von Einzelsprachen“ (Jäger 1990) sowohl die innersprachlichen Kommunikationsbarrieren (Fach- und Sondersprachen) als auch die durch die zunehmende internationale Verflechtung bedingten interlingualen und interkulturellen Probleme zu. ⫺ Anders als in der bürgerlichen Kultur des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts haben heute Menschen in immer mehr Berufen nicht nur rezeptiv Umgang mit Texten

1529

137. Die Produktion schriftlicher Texte

(Rezeption, Interpretation, Bearbeitung und Archivierung von Texten), sondern sie müssen in zunehmendem Maße selber kommunikativ produktiv werden, d. h. sich mündlich eigenverantwortlich (und d. h. häufig: textorientiert oder sogar textgebunden) äußern oder sogar Texte eigenständig herstellen. ⫺ Damit wird das Schreibenlernen bzw. -können für breite Bevölkerungsschichten selber zu einem gesellschaftlichen Problem („literacy crisis“, vgl. Molitor 1984; Eigler, Jechle, Merzinger & Winter 1990). Das gilt für den Erwerb der Schriftsprache (vgl. Feilke 1993, 1995 ⫽ Art. 100) ebenso wie für das Formulieren(-lernen) von Texten in Schule und Beruf (Antos 1995).

4.

Begriffsbestimmung

Die produktionsorientierten Ansätze vor allem in der Text- und in der Psycholinguistik firmieren unter verschiedenen Bezeichnungen: Sprachproduktion, speech production, sentence production, language production, text production, composition, production strategies, discourse production, Textproduzieren, Textherstellung, Formulieren, Reformulieren, Textkonstitution, Textorganisation, Textplanung, gene`se du texte, produzierendes bzw. reproduzierendes Sprechen, rhetorische bzw. ästhetische Kommunikation, speaking, Schreiben, Schreibenlernen, Schreibprozesse, Produktion schriftlicher Texte, Autorensysteme, Hypertext, Übersetzungsprozeß etc. In der deutschen Literatur zur Produktion schriftlicher Texte scheint sich die von Beaugrande (1984) in die Textlinguistik eingeführte Bezeichnung Textproduktion als vereinheitlichender Begriff einzubürgern (vgl. Hess-Lüttich 1983, Antos & Krings 1989, Krings & Antos 1992). In der Sprachpsychologie bzw. Psycholinguistik dominiert hingegen der Begriff der Sprachproduktion. Die Sprachproduktion befaßt sich vorwiegend mit der kognitiven Verarbeitung syntaktischer Strukturen (vgl. Rosenberg 1977; Pechmann & Zerbst 1992; Pechmann 1994). Die Textproduktion rückt darüber hinaus ökologische (d. h. kommunikative, textuelle, situative, soziale und kulturelle) Randbedingungen in den Vordergrund des Interesses. Diese können als spezifische Bedingungen und Restriktionen (z. B. Zielsetzung, Einfluß des Welt- und des Sprach-/Textwissens, Beachtung sozialer Standards und kommunikativer

Maximen, Strategien und Muster, Prognosen über intendierte Wirkungen etc.) betrachtet werden. Eine noch ausstehende Präzisierung (etwa zwischen Text- und Diskursproduktion) scheint wünschenswert.

5.

Forschungsleitende Fragen

Was passiert tatsächlich beim mündlichen wie schriftlichen Formulieren? Ausgehend von dieser zentralen Schlüsselfrage läßt sich folgendes Forschungsprogramm für die schriftliche Produktion von Texten skizzieren: ⫺ Welche kognitiven Prozesse laufen bei der Sprach- und Textproduktion typischerweise ab (vgl. Beaugrande 1984; Molitor 1983; Krings 1992; → Art. 85)? ⫺ Wie beeinflussen die spezifischen Bedingungen (der spontan mündlichen wie der verschiedenen schriftsprachlichen Formen) der Textproduktion Frequenz und Distribution lexikalischer und syntaktischer Mittel? In der schriftlichen Textproduktionsforschung ist der Zusammenhang zwischen bestimmten inhaltlichen wie formalen Texteigenschaften einerseits und der Wahl spezifischer sprachlicher Ausdrucksformen andererseits ein Schwerpunkt der Forschung (vgl. Stutterheim 1992; Kohlmann 1992). Eine aus der Mündlichkeits-Schriftlichkeits-Debatte abgeleitete Frage ist ferner: Welche Konsequenzen haben bestimmte Produktionsformen für die Ausbildung sprachlicher und textueller Formeigenschaften (vgl. Giesecke 1978; Ehlich 1989, 1994 ⫽ Art. 2; Antos 1992)? ⫺ Welche charakteristischen Handlungen werden bei der Textherstellung vollzogen und inwieweit reflektieren sie soziale, institutionelle (z. B. Schule und Beruf) oder situative Bedingungen ihrer Produktion (vgl. Häcki-Buhofer 1985; Augst & Faigel 1986; Becker-Mrotzek 1992)? ⫺ Welche Variablen beeinflussen entscheidend Textproduktionsprozesse? Welche Rolle spielen dabei die im Genie-Konzept (vgl. Feilke 1995 ⫽ Art. 100)) und in der Individualstilistik (vgl. Gauger 1988) herausgestellten individuenspezifischen Variablen (vgl. Krings 1992)? Gegenüber solchen Ansätzen wird heute in der Narrativik und in der Schreibforschung die Verallgemeinerbarkeit von Produktionsprozessen betont (z. B. bei der Erforschung invarianter Erzähl- und Argumentations-

1530









6.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

strukturen). Andererseits rücken kulturspezifische Bedingungen (vgl. Antos & Pogner 1995) und Strukturen der Textproduktion in den Vordergrund des Interesses (z. B. inwieweit sind Erzählstrukturen kulturspezifisch, vgl. die transkulturell untersuchte „Pear-Story“ in Chafe 1980?) Wie unterscheiden sich Prozesse und Resultate der Textproduktion in Abhängigkeit von bestimmten Parametern wie z. B. Medien (s. u.) oder unterschiedlicher Beherrschung von Sprachen (vgl. Krings 1989; Dausendschön-Gay, Gülich & Krafft 1992)? Wie verändern bestimmte soziale oder sprachliche Randbedingungen (z. B. formelhafte Rituale bzw. Texte, vgl. Coulmas 1981; Antos 1986; Keseling 1987; Gülich 1988) Art und Ergebnis der Textplanung? Welchen Einfluß haben verschiedenartige Textsorten (vgl. Matsuhashi 1982; Keseling, Rau & Wrobel 1987; Keseling 1993)? Wie ist das Verhältnis von Wissen(erwerb) und Verbalisierung (etwa bei der Erlebnisverarbeitung in Erzählungen, vgl. Labov & Waletzky 1973, oder beim Schreiben, vgl. McCutchen 1986; Eigler et al. 1990)? Betrachtet man das Herstellen von Texten als ein permanentes Wechselspiel von Routinen und Problemlösungen (vgl. Molitor 1984, 9), so stellt sich ferner die Frage nach dem Verhältnis von Musterhaftigkeit und Kreativität in der Textproduktion (vgl. Chafe 1977; Antos 1986; Augst & Faigel 1986; Gülich 1988; Feilke & Augst 1989; Brinker 1995).

Charakteristika der Textproduktionsforschung

6.1. Fast alle Ansätze zur Textproduktion wenden sich gegen die bisher übliche Verabsolutierung des schriftsprachlichen Produkts (vgl. die Kritik in Ehlich 1989). Demgegenüber wird der prozessuale Aspekt in der Diskursanalyse, insbesondere in der mündlichen Narrativik herausgestellt und als „interaktiver Prozeß …, der in seiner Dynamik nur sequenziell zu beschreiben ist“ (Hausendorf & Quasthoff 1989, 89 f), betrachtet. Obwohl es zwischen Textprozeß und Textprodukt keine lineare Beziehung gibt („Produkt“-„Prozeß“-Ambiguität, vgl. Krings 1992), wird der Schreibprozeß als „Ontogenese“ eines Textproduktes verstanden („text

as a trace of process“, McCutchen 1986; vgl. Krings 1992; Feilke 1993). Aufgrund der Rekursivität von Planung, Formulierung und Revision ist der Textherstellungsprozeß prinzipiell ein unabschließbarer Prozeß (vgl. Hayes & Flower 1980 a; Antos 1982; Ludwig 1983). Im literaturwissenschaftlichen Begriff der Intertextualität wird diese „Offenheit“ bzw. die „Fortschreibung“ von Texten ebenso thematisiert wie in textlinguistischen (Beaugrande & Dressler 1981, 188 ff) oder sprachpsychologischen Ansätzen (Rickheit & Strohner 1989). 6.2. In der Tradition Saussures und in Kommunikationsmodellen wird eine schlichte Symmetrie zwischen Produktion und Rezeption sowie eine Dichotomie zwischen Sender und Empfänger unterstellt. Produktion erscheint danach gleichsam als rückwärts verlaufende Rezeption et vice versa. Demgegenüber betonen integrative Modelle sowohl die Wechselbeziehung von Produktion und Rezeption als auch deren Verzahnung ⫺ oft zusätzlich kombiniert mit anderen Formen der Informationsverarbeitung eines Systems (vgl. Dijk 1980; Dijk & Kintsch 1983; Herrmann 1985). ⫺ Unterschätzt wurden bisher zudem grammatische, lexikalische (aktiver vs. passiver Wortschatz) und kommunikative Asymmetrien. D. h.: Rezeptive Fähigkeiten garantieren noch nicht entsprechende produktive Fähigkeiten (vgl. Antos 1995). Neben spezifischen kognitiven dürfen soziokulturelle Asymmetrien der Textproduktion nicht vergessen werden: Sie reichen von einer familial, milieuspezifisch bzw. schulisch geprägten unterschiedlichen Sozialisation, die Artikulationsfähigkeit betreffend, bis hin zu der Tatsache, daß für bestimmte Formulierungsprodukte situations- und textsortenspezifisch sehr differenziert Verantwortung zugeschrieben werden kann (vgl. Antos 1982). 6.3. In der Textproduktionsforschung wird fast durchweg die besondere Rolle und die Spezifik des medialen Aspekts in der sprachlichen Kommunikation hervorgehoben (z. B. zur Autonomie des graphematischen Systems, vgl. Feldbusch 1985; Anis 1988). Die daraus resultierenden Probleme für den Textproduzenten lassen sich in dem prägnant formulierten Titel von Bereiter & Scardamalia (1982) „From conversation to composition“ einerseits und in dem bis weit in den vorwissenschaftlichen Bereich hineinwirkenden populären Topos „Schreibe, wie du sprichst!“

1531

137. Die Produktion schriftlicher Texte

(vgl. Gauger 1988; K. Müller 1990) andererseits ablesen. Der Einfluß des oder der Medien auf Art, Umfang und Struktur der Textproduktion hat heute unter dem Einfluß elektronischer Kommunikationstechnologien eine neue Aktualität gewonnen (allgemein dazu: vgl. Ong 1987; zum Telefon vgl. Antos & Augst 1989; zum Computer vgl. Weingarten 1989). 6.4. Viele Ansätze zur Textproduktion wenden sich gegen die mit dem Repräsentationstopos verbundene Vorstellung, Texte seien nur eine Art sprachliches „Kostüm“ von „Sachen“ (res), Intentionen oder Gedanken. Danks (1977, 229) hat diesen „Kleider“-Topos so karikiert: „First we have an idea; then we compose the sentence expressing that idea; then we speak the sentence“. Demgegenüber steht die Vorstellung von der „allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden“ (von Kleist), eine Position, die in der Sprachpsychologie gegenwärtig als „inkrementelle Sprachproduktion“ (Pechmann & Zerbst 1992) diskutiert wird. In der Formulierungstheorie von Antos (1982) und im Begriff des „epistemischen Schreibens“ (Bereiter 1980; vgl. Molitor-Lübbert 1989) wird herausgehoben, daß Formulieren bzw. reflektiertes Schreiben nicht nur als ein Produkt des Denkens angesehen werden kann, sondern „als integraler Bestandteil desselben“ (Molitor 1984, 10) verstanden werden muß. Diese „Kommunikation des Autors mit sich selbst“ bezeichnet Molitor (1984) als „epistemischheuristische Funktion“ des Schreibens (→ Art. 85). Textlinguistisch gewendet heißt das: Sachverhalte, Ideen, Intentionen, Darstellungsperspektiven konstituieren sich erst in Texten und als Texte (vgl. Antos 1982). 6.5. Schon die klassische Rhetorik betrachtete die Erforschung der sprachlich-kommunikativen Produktion unter dezidiert praxisorientierten Konsequenzen. Auch die heutige Textproduktionsforschung versteht sich weitgehend als angewandte Wissenschaft. Gegenwärtige Forschungsschwerpunkte sind: Technisches Schreiben (vgl. Herzke, Juhl & de la Roza 1989; Hoffmann & Schlummer 1989; Becker-Mrotzek 1992); Abstracting (vgl. Endres-Niggemeyer & Schott 1992), Hypertext (vgl. Streitz 1988; Gloor & Streitz 1990) sowie Verständlichkeitsforschung (vgl. Antos & Augst 1989; Groeben & Christmann 1989; Becker et al. 1990; Christmann & Groeben 1995; Krings 1992, 97 f).

6.6. Dem neuen Interesse an der mündlichen wie schriftlichen Textproduktion wird man aber wissenschaftshistorisch kaum gerecht, wenn man solche Ansätze nicht auf dem Hintergrund eines fundamentalen Perspektivenwechsels in der neuzeitlichen Forschung sieht: In der Geschichte der Naturwissenschaften und später auch der Sozial- und Handlungswissenschaften konkurrieren zwei antagonistische Programme zur Beschreibung und Erklärung von Phänomenen: Reduktionismus und Holismus (vgl. Krohn & Küppers 1990). Unter dem Schlagwort der „Selbstorganisation“ entsteht gegenwärtig in ganz verschiedenen Disziplinen ein übergreifendes holistisches Paradigma, das sich als Alternative gegenüber dem seit Newton herrschenden Reduktionismus versteht. Dieser holistische Ansatz, der in flexibler Weise postulierte Wissensmodule mit Interaktionen zwischen ihnen zu verbinden sucht, fördert auch das Verständnis für und die Erklärung von so komplexen Phänomenen wie der mündlichen und schriftlichen Textproduktion, insbesondere dem Schreiben. Ob man dabei soweit gehen muß wie Beaugrande (1989, 1992), der der analytisch vorgehenden Linguistik pauschal eine „synthetisch“ operierende Textproduktionsforschung entgegenzuhalten versucht, mag allerdings dahingestellt bleiben.

7.

Neuere Tendenzen

Der vorhergehende Artikel berücksichtigt ⫺ ungeachtet einiger nachträglich eingearbeiteter Literaturangaben ⫺ nur den Forschungsstand bis 1992. Daher sollen einige wenige summarische Angaben zu neueren Entwicklungen die obige Darstellung ergänzen. Die Sprachproduktionsforschung (Blanken, Dittmann & Wallesch 1988, Pechmann 1994) beginnt sich befruchtend auch auf die Textproduktionsforschung und da insbesondere auf die Analyse von Planungsprozessen auszuwirken (Günther 1993, Eigler 1995). Die Forschungen zum schulischen Schreiben (Portmann 1991; Baurmann & Weingarten 1995; Feilke & Portmann 1995) bilden nach wie vor ein wichtiges Zentrum der Schreibforschung. Dabei spielt zunehmend die Berücksichtigung sozialer Kontexte des Schreibens eine wichtige Rolle (Rafoth & Rubin 1988, Flower 1993). Hervorzuheben ist dabei eine Entwicklung, die als „kooperatives“ oder „kommunikatives Schreiben“ bezeichnet wird (Jechle 1992). Im Anwendungs-

1532

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

bereich hat sich das „kreative Schreiben“ in seinen vielfältigen Formen ⫺ auch und gerade außerhalb von Schule und Hochschule durchgesetzt (Scheidt 1990, Werder 1990, 1992). Zu einem weiteren Schwerpunkt der letzten Jahre hat sich das „akademische“ und speziell: das „wissenschaftliche Schreiben“ entwickelt (Jakobs, Knorr & Molitor-Lübbert 1995). Neben Fragen des kultur- und domänenspezifischen Schreibens (Clyne 1993, Schröder 1993) geht es hier vorwiegend um den Einfluß elektronischer Medien auf das wissenschaftliche Schreiben (Jakobs & Knorr 1994). Die anwendungsbezogene Schreibforschung scheint ferner mit dem berufsbezogenen Schreiben im „non-academic setting“ (Odell & Goswami 1985, Häcki-Buhofer 1985, Becker-Mrotzek 1992, Spilka 1993, Flower & Ackermann 1994) ein zentrales Forschungsfeld etabliert zu haben, das die Forschungen der nahen Zukunft nicht unwesentlich bestimmen dürfte (Antos & Pogner 1995).

8.

Literatur

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Gerd Antos, Halle (Deutschland)

1536

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

138. Die Rezeption schriftlicher Texte 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

1.

Vorstrukturierung: Text-Leser-Interaktion Textverständnis bei pragmatischen und literarischen Texten Rezeptionseinstellungen bei literarischen Texten Organisationsprozesse bei pragmatischen Texten Rezeptions-/Verarbeitungsstrategien Ausblick: Rezeptionsflexibilität als Auflösung der Theorienkonkurrenz? Literatur

Vorstrukturierung: Text-Leser-Interaktion

Der Begriff der Textrezeption bezeichnet all jene (psychischen) Prozesse, die während des Lesens von schriftlichem Material ablaufen. Ausgangspunkt für Theoriebildung und Forschung im Bereich der psychologischen Textrezeption ist heute die Kernannahme der kognitiven Konstruktivität des sprachverarbeitenden Subjekts. Danach ist ⫺ entgegen der Alltagsintuition ⫺ die Rezeption schriftlichen Materials kein passiver Vorgang der Bedeutungsabbildung, sondern ein aktiver Prozeß der Bedeutungskonstruktion, bei dem die Rezipienten auf der Grundlage ihrer inhaltlichen Vorkenntnisse und ihres Wissens von Welt die Textinformation aktiv-konstruktiv in ihre Wissensstruktur einfügen (→ Art. 82). Die zuerst von Bartlett (1932) im Rahmen gedächtnispsychologischer Untersuchungen zur Reproduktion narrativer Texte begründete kognitive Konstruktivitätshypothese erlebte nach dem Niedergang der behavioristischen Forschungstradition ihren eigentlichen Aufschwung; sie wurde zu der beherrschenden Rahmentheorie für die zu Beginn der 70er Jahre einsetzende sprach- und kognitionspsychologische Erforschung der Textverarbeitungsprozesse. Dabei konnte die ursprünglich lediglich für die Reproduktionsphase formulierte Konstruktivitätshypothese präzisiert und auf die Rezeptionsphase ausgeweitet werden, so daß heute übereinstimmend davon ausgegangen wird, daß der konstruktive Charakter der Sprachverarbeitung als integraler Bestandteil des Auffassungsvorgangs anzusehen ist (vgl. Hörmann 1976). Als paradigmatische Manifestationen der kognitiven Konstruktivität, die mittlerweile als ‘anthropologische Invariante’ jedweder sprachlicher Kommunikationsprozesse angesetzt wird

(Groeben & Landwehr 1991), gelten dabei insbesondere Schlußfolgerungs-, Elaborations- und Strukturierungsprozesse, die in einer Fülle sprach- und gedächtnispsychologischer Untersuchungen empirisch nachgewiesen wurden (für eine integrierende Diskussion vgl. Hörmann 1976; Bock 1978; Ballstaedt et al. 1981; Groeben 1982). Solche Manifestationen kognitiv-konstruktiver Textrezeption stehen im Zentrum dieses Beitrags, allerdings nicht hinsichtlich der basalen kognitiven Verarbeitungsprozesse (die bereits in Art. 82 behandelt worden sind), sondern in bezug auf praktische Konkretisierungen dieser konstruktiven Rezeptionsprozesse (Christmann & Groeben 1995 b). Dazu sollen ⫺ soweit nötig, möglich und empirisch begründet ⫺ Differenzierungen nach unterschiedlichen Textsorten vorgenommen werden. Eine unmittelbare Konsequenz aus der kognitiv-konstruktivistischen Erklärungsperspektive des Sprachverstehens ist die Konzeptualisierung des Rezeptionsprozesses als Interaktion zwischen vorgegebenem Text und Kognitionsstruktur des Lesers (Ballstaedt et al. 1981; Groeben 1982; Groeben & Christmann 1995). Entsprechend wird der Verstehensprozeß heute übereinstimmend als Wechselwirkung zwischen zwei zeitlich parallel ablaufenden Verarbeitungsrichtungen modelliert: die aufsteigende (textgeleitete) Verarbeitung, die durch die material-objektiven Merkmale der Textinhaltsstruktur (Semantik; Inhaltsorganisation; Sequenzierung etc.) gesteuert wird, und die absteigende (schemageleitete) Verarbeitung, die durch Charakteristika der Kognitionsstruktur des Rezipienten (Vorwissen, Zielsetzungen, Erwartungen, Einstellungen) geprägt ist (Frederiksen 1977). Analog dieser Unterscheidung läßt sich die Forschung zur Textrezeption danach klassifizieren, ob eher die Text- oder eher die Leserseite des Rezeptionsprozesses akzentuiert wird. Die leserseitig orientierte Forschung läßt sich unter dem Begriff ‘Textverständnis’ subsumieren, der sowohl Prozeß- als auch Produktaspekte in sich vereinigt, und thematisiert die dem Rezeptionsprozeß zugrundeliegenden kognitiven Aktivitäten und Kompetenzen des Lesers (vgl. Groeben 1982). Im Unterschied dazu ist die textseitig orientierte Forschung darum bemüht, auf unterschiedlichen Analyseebenen Textmerkmale zu identifizieren, die einen Einfluß auf das Verstehen

138. Die Rezeption schriftlicher Texte

und Behalten von Texten haben, und darauf aufbauend Techniken zur Textoptimierung abzuleiten (Christmann & Groeben 1995 b). Unter der oben explizierten Frageperspektive nach Konkretisationen kognitiver Konstruktivität werden wir uns im folgenden auf die leserseitige Forschung konzentrieren (für eine Diskussion textseitig orientierter Forschung → Art. 136).

2.

Textverständnis bei pragmatischen und literarischen Texten

Die Forschung im Gegenstandsbereich ‘Textverständnis’ thematisiert die Frage nach den kognitiven Aktivitäten/Fähigkeiten, die beim Verstehen eines Textes beteiligt sind, sowie die pädagogisch-didaktisch motivierte Frage nach der Verbesserung des Textverständnisses (s. u. 5.). Dabei lassen sich zwei Forschungsperspektiven unterscheiden: eine induktive, an den Teilfähigkeiten des Verstehens ansetzende Perspektive und eine deduktive, von theoretischen Verstehensmodellen ausgehende (vgl. Groeben 1978, 1982). Der (historisch frühere) induktive Zugang setzt bei der Unterscheidung verschiedener Ebenen des Verstehens an (vgl. z. B. Guszak 1971) und sucht diese im Sinne subjektiver Analysen (z. B. auf der Grundlage von Unterrichtserfahrungen) mit potentiell ablaufenden kognitiven Prozessen in Verbindung zu bringen. Auf diese Weise expliziert Robinson (1966) fünf Teilfähigkeiten des Textverständnisses, die zugleich die Ergebnisse jahrzehntelanger Forschung in diesem Bereich integrieren: (1) Verstehen des offen zutage liegenden Textsinns, den ein Autor äußert; (2) Feststellen des impliziten Textsinns; (3) Feststellen des Ziels, des Realitätstyps, der Vorannahmen und Verallgemeinerungen des Autors; (4) Bewertung der Ideen des Autors durch den Leser; (5) Verbindung der Informationen und Ideen des Autors mit dem Wissen und den Erfahrungen des Lesers. Die Frage nach dem empirischen Gehalt derartiger Klassifikationen wurde mit Hilfe faktorenanalytischer Untersuchungen angegangen. Dabei hat insbesondere Davis (1972) eine Fülle von Einzelfertigkeiten durch MehrfachWahl-Aufgaben an Hunderten von Rezipienten überprüft (Davis-Reading-Test). Die faktorenanalytische Aufbereitung der erhaltenen Daten durch Davis selbst erbrachte fünf Faktoren. Eine Reanalyse der Daten durch Spearritt (1972) führte zu vier vorläufig als gesi-

1537 chert anzusehenden Faktoren des Textverständnisses (Groeben 1982, 23): (1) Kenntnis der Wortbedeutungen; (2) Schlußfolgerungen des Lesers qua Sinnverstehen; (3) Nachvollzug der Textstruktur und -gliederung; (4) Identifizierung der Intention etc. des Textes bzw. des Autors. Die Faktoren verdeutlichen zugleich, daß Textverständnis sich offensichtlich primär auf den semantischen, nicht auf den grammatischen Bereich bezieht. Die Kompatibilität dieser Teilfähigkeiten mit jenen kognitiv-konstruktiven Prozessen des Textverstehens, die unter theoretisch-deduktiver Perspektive empirisch gesichert wurden, hat Groeben (1982, 26 ff) herausgearbeitet. So erklärt sich z. B. die Bedeutsamkeit des Faktors ‘Kenntnis der Wortbedeutung’ daraus, daß die für das Satz- und Textverstehen nachgewiesenen Integrationsprozesse von der Bedeutung (jeweils) zentraler Worte ausgehen. Der zweite Faktor ‘Schlußfolgerungen während des Lesens’ wird durch all jene Untersuchungen erhärtet, die nachweisen, daß beim Textverstehen als semantischem Integrationsvorgang über den unmittelbar gegebenen linguistischen Input hinausgegangen und durch Schlußfolgerungsprozesse die Textinformation mit vorhandenem Wissen integriert wird (z. B. Bransford & Franks 1971; Frederiksen 1975; s. a. unten 4.). Diese Integration kann auf unterschiedlich ‘tiefen’ Verarbeitungsniveaus ablaufen (Craik & Lockhart 1972); sie ist nicht nur im Sinne einer Bereitstellung von Hintergrundwissen zu verstehen, auf das die neue Information bezogen wird, sondern auch als ein aktiver Prozeß des Vergleichens und Bewertens und bildet damit die Basis für die Teilfähigkeit ‘Erkennen der Intention eines Textes’. Die Relevanz des Faktors ‘Nachvollzug der Textstruktur und -gliederung’ schließlich wird durch jene Befunde zum Textverstehen erklärt, nach denen der Verarbeitungsprozeß als hierarchischer und sequentieller Organisationsvorgang anzusehen ist (s. u. 4.). Die genannten Teilfähigkeiten des Textverständnisses wurden allerdings vor allem anhand der Rezeption pragmatischer Texte herausgearbeitet. Von daher ergibt sich die Frage, ob die identifizierten Teilfähigkeiten in dem Sinne textsortenübergreifend sind, daß sie gleichermaßen auch das Verstehen literarischer Texte kennzeichnen. Dabei setzen wir als zentralen Unterschied zwischen pragmatischen und literarischen Texten an, daß erstere auf eine Vermittlung von Wissen in der realen Welt abzielen, während letztere den Leser mit

1538

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Weltmodellen konfrontieren, die in einer ‘Alternativbeziehung’ zur realen Welt stehen und deren Verständnis ein Hinausgehen über die Gegebenheiten und Strukturen der realen Welt erforderlich macht (Schmidt 1980; Beaugrande & Dressler 1981). Kennzeichnend für literarische Sprache ist dabei deren potentielle Mehrdeutigkeit, assoziative Aufladung sowie Loslösung von der alltagssprachlichen Syntax (Groeben 1972, 148 ff). Von daher ist zunächst rein theoretisch zu vermuten, daß das für literarische Texte postulierte Transzendieren realer Weltstrukturen eine besonders intensive kognitiv-konstruktive Aktivität des Lesers erforderlich macht. Zu fragen ist dann, wie sich diese Aktivität manifestiert und was die besondere Qualität literarischer Textrezeption ausmacht. Grundsätzlich berechtigen hier bereits die Ergebnisse früherer empirischer Untersuchungen zur Rezeption literarischer Texte (z. B. Willenberg 1978) zu dem Schluß, daß bei der literarischen Textverarbeitung die gleichen Teilfähigkeiten involviert sind, wie dies auch bei der Verarbeitung pragmatischer Texte der Fall ist (vgl. Groeben 1982, 78 f). Die These der intensiveren Informationsverarbeitung bei literarischen Texten wird insbesondere durch jene Arbeiten gestützt, die nachweisen, daß sich literarische von nichtliterarischen Texten durch die Art der inferentiellen und elaborativen Prozesse unterscheiden (vgl. La´szlo´ 1987, 1988). Meutsch (1987) konnte z. B. zeigen, daß der gleiche mehrdeutige Text, einmal in einen literarischen, einmal in einen nicht-literarischen Kontext gestellt, zu signifikant unterschiedlichen Elaborationen und Inferenzen führte. Kennzeichnend für literarisches Verstehen waren drei Elaborationstypen: Inhaltselaborationen mit alternativen Referenzrahmen, metatextuelle Elaborationen mit literaturspezifischen Signalen und kognitive polyvalente Elaborationstypen (S. 158). Zusammenfassend läßt sich somit festhalten, daß die oben genannten Teilfähigkeiten des Textverständnisses sowohl für pragmatische wie für literarische Texte anzusetzen sind, daß aber literarische Texte beim Rezipienten noch einmal höhere kognitiv-konstruktive Aktivität auslösen, die sich besonders in der Qualität der Schlußfolgerungen und Bewertungsprozesse bemerkbar macht.

3.

Rezeptionseinstellungen bei literarischen Texten

Die Textsortenunterscheidung ist nun allerdings keine Unterscheidung, die dem Text-

material als solchem objektiv zukommt; vielmehr basiert sie zumindest auch auf entsprechenden Rezeptions- und Bewertungskonventionen, die sich im Rezeptionsprozeß ausweiten und die Verarbeitung des Textes als pragmatischen oder literarischen (mit-)konstituieren (s. o. Meutsch 1987). Dies impliziert zugleich, daß die Realgeltung von Konventionen (im Sinne bedeutungskonstitutiver Rezipientenaktivitäten) empirisch zu sichern ist; d. h. es ist zu überprüfen, ob Texte in der Tat entsprechend den unterschiedenen Konventionen verarbeitet werden. Erste empirische Befunde liegen für den Bereich der Rezeption literarischer Texte vor. Nach Auffassung der empirischen Literaturwissenschaft ist die Rezeption literarischer Texte durch zwei Konventionen geprägt: Ästhetik und Polyvalenz (Schmidt 1971; Groeben 1972, 1977). Der Faktor der Ästhetik (s. o.) bezieht sich auf die Bewertung literarischer Texte, die sich, wie bei Kunstwerken allgemein, nicht nach den üblichen Nützlichkeits- und Wahrheitskriterien richtet, vielmehr sind subjektiv bedeutsame Rezeptionskontexte als Bewertungskriterien zuzulassen (Meutsch 1987). Der Faktor der Polyvalenz bezeichnet die unterschiedlichen Bedeutungen, die einem Text zugeordnet werden können; er stellt das leserseitige Pendant zur textseitigen Polyfunktionalität literarischer Texte dar. Für die Annahme einer polyvalenten Bedeutungsgenerierung sprechen die empirischen Befunde von Meutsch & Schmidt (1985). Die Autoren verglichen die Rezeptionsdaten eines Gedichts mit denen einer Kurzgeschichte und konnten zeigen, daß nicht-narrative literarische Texte mehr polyvalente Referenzrahmenwechsel und polyvalente Rezeptionsprozesse auslösen als narrative literarische Texte. Die aus der Ästhetik-Konvention abgeleitete Annahme, daß Referenzrahmenwechsel positiv bewertet werden, konnte hingegen nicht eindeutig bestätigt werden. Die These von der polyvalenten Bedeutungsgenerierung gilt nun allerdings nicht uneingeschränkt; denn sie erfährt eine gewisse Relativierung durch die Tendenz von Rezipienten, die Bedeutungsvielfalt eines literarischen Textes nicht voll auszuschöpfen, sondern an ihren individuellen Erfahrungshintergrund anzugleichen (Groeben 1982, 80). Dieses von Steinmetz (1974, 58) als ‘Normalisierung des Textsinns’ beschriebene Phänomen ist in der Literaturwissenschaft mittlerweile unumstritten. So kommt auch Viehoff (1988) in seiner Überblicksarbeit zu dem Schluß,

1539

138. Die Rezeption schriftlicher Texte

daß polyfunktionale Textmerkmale nur dann Wirksamkeit entfalten, wenn sie auf entsprechende Wissens- und Einstellungsvoraussetzungen des Rezipienten treffen. Damit gewinnt das Konzept der Rezeptionseinstellung, das im weitesten Sinn als Komplex von Wünschen, Erwartungen, Zielen und Werthaltungen definiert werden kann, für das Verstehen literarischer Texte eine besondere Bedeutung. Rezeptionseinstellungen, die sich vor dem jeweiligen Erfahrens- und Erlebenshintergrund entwickeln, geben dann dem Prozeß des literarischen Verstehens seine Richtung, der durchaus auch in eine monovalente Bedeutungskonstitution münden kann. Die Befunde von Ibsch (1988) sprechen hier deutlich für eine monovalente Bedeutungsgenerierung und polyvalente Bedeutungsakzeptanz (vgl. im einzelnen Groeben & Landwehr 1991; Groeben & Schreier 1992). Die Wirksamkeit von (inhaltlichen) Rezeptionseinstellungen auf die Bewertung literarischer Texte wurde von Bichler (1981) anschaulich belegt. Er verglich die Bewertung von fünf Kurzgeschichten durch drogenabhängige vs. nicht-drogenabhängige Leserinnen. Zwei dieser Geschichten enthielten Elemente (Verschmelzungsphantasien), die einen Bezug zur aktuellen Lebensthematik der Drogenabhängigen hatten, und wurden von den Drogenabhängigen eindeutig positiver bewertet als von den Nicht-Drogenabhängigen. Mit fortschreitender Resozialisierung konnte eine Angleichung zwischen den beiden Gruppen festgestellt werden. Neben solchen eher inhaltlichen, mit der Lebensthematik verbundenen Einstellungen können auch subjektive Überzeugungsstrukturen in bezug auf die Textsorten selbst einen Einfluß auf die Rezeption ausüben. Erste Befunde zu subjektiven Theorien über Märchen und Krimis wurden von Burgert et al. (1989) vorgelegt. Die empirische Überprüfung zum Einfluß dieser Wissensstrukturen auf den Rezeptionsprozeß steht allerdings noch aus. Die in Rezeptionseinstellungen zum Ausdruck kommenden Werthaltungen können nun allerdings auch so dominierend und gewichtig werden, daß sie zu einem ‘verzerrten Verstehen’ führen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn Textinhalte und Werthaltungen der Rezipienten stark voneinander abweichen (vgl. Daubert 1984, 1987). Insgesamt sprechen die Befunde dafür, daß die These der polyvalenten Verarbeitung literarischer Texte durch das Konzept der Rezeptionseinstellung zu relativieren ist. Dies

heißt nicht, daß polyvalente Verarbeitung nicht möglich ist, sondern lediglich, daß polyvalente Verarbeitungen in dem Maße wahrscheinlich werden, in dem bei den Rezipienten entsprechende Wissens- und Erfahrensstrukturen vorhanden sind bzw. aktiviert werden können. Daraus ergeben sich Konsequenzen sowohl für die zukünftige Forschung als auch für die Literaturdidaktik. Für die Forschung resultiert das Erfordernis, Rezeptionseinstellungen in die jeweiligen theoretischen Modellierungen literarischer Rezeptionsprozesse explizit einzubeziehen sowie geeignete Instrumente zu ihrer Erhebung zu entwickeln. Dabei kann und sollte sich die empirische Rezeptionsforschung allerdings nicht mit dem Nachweis von Einstellungseffekten begnügen, sondern nach deren sozialer Genese sowie den Möglichkeiten und Grenzen ihrer Veränderbarkeit fragen (Groeben & Landwehr 1991). Auf Rezeptionseinstellungen rückführbare Unterschiede im Verstehen literarischer Texte können literatur-didaktisch im Sinne einer Einleitung von Veränderungen genutzt werden, und zwar mit dem Ziel der Überwindung einseitiger Verarbeitungsweisen. Für den Erfolg solcher Modifikationsanstrengungen im Literaturunterricht sprechen die empirischen Befunde von Willenberg (1987) sowie Willenberg & Lange (1989).

4.

Organisationsprozesse bei pragmatischen Texten

Die Prozesse, die bei der Rezeption pragmatischer Texte ablaufen, konstituieren den zentralen Forschungsgegenstand der neueren Textverarbeitungspsychologie, die sich zu Beginn der 70er Jahre auf der Grundlage der sprach- und gedächtnispsychologischen Forschung zum Wort- und Satzverstehen entwikkelt hat. Als zentrales Sprachverarbeitungsprinzip gilt das von Miller (1956) erstmals beschriebene Rekodierprinzip, das die Organisation und Integration von Einzelinformationen zu umfassenden und übergeordneten Einheiten beschreibt. Dabei ist durch eine Fülle empirischer Untersuchungen belegt, daß diesem Prinzip auf Wort-, Satz- und Textebene gleichermaßen Gültigkeit zukommt (vgl. Bock 1978). Auf Wortebene erfolgt die Bildung übergeordneter Einheiten entweder auf der Grundlage vorhandener semantischer Relationen des Wortmaterials (reduktive Kodierung; z. B. Bildung von Oberbegriffen bei

1540 kategorial verbundenen Wörtern) oder durch Bildung neuer Ordnungsbeziehungen (elaborative Kodierung) nach semantischen, phonologischen bzw. akustischen Gesichtspunkten (Bredenkamp & Wippich 1977; Bock 1978). Sowohl für die reduktive als auch für die elaborative Kodierung gilt, daß bereits während der Informationsaufnahme ein übergeordneter Code gebildet wird, unter den sich die Einzelinformationen subsumieren lassen, und daß dieser als Organisationszentrum wirkende Code in der Reproduktionsphase die Funktion eines Abrufreizes (retrieval cue) übernimmt. Es kann als empirisch gesichert gelten, daß die Güte der Reproduktion vom Ausmaß der Organisations- und Hierarchiebildungsprozesse abhängt (z. B. Mandler 1967; Thompson et al. 1972). Auf Satzebene laufen parallele Verarbeitungsprozesse ab, wobei angenommen wird, daß die Satzelemente im Verarbeitungsprozeß zu einer propositionalen Einheit integriert werden (Engelkamp 1973; Kintsch 1974; Hörmann 1976). Auf Textebene wurden derartige Rekodierprozesse zuerst im Rahmen propositionstheoretischer Ansätze des Textverstehens modelliert und empirisch überprüft. Ausgehend von Propositionen als Basiseinheiten des Textverstehens wurde mit Hilfe spezieller Beschreibungsverfahren eine hierarchisch organisierte propositionale Textstruktur erstellt und die Verarbeitungsrelevanz spezifischer Merkmale dieser Struktur (hierarchische Organisiertheit; Kohärenz; propositionale Dichte etc.) empirisch überprüft. Belegt werden konnte u. a., daß hierarchiehohe Propositionen besser behalten werden als hierarchieniedrige (z. B. Kintsch et al. 1975; Beyer 1987), und zwar unabhängig von deren Textposition (z. B. Meyer 1975). Obgleich propositionale Modelle eine Fülle von Problemen aufweisen (vgl. Christmann 1989), kann davon ausgegangen werden, daß bei der Textverarbeitung die Funktion von Organisationskernen durch hierarchiehohe Texteinheiten übernommen wird (zum Problem der Bestimmung von ‘Hierarchiehöhe’ vgl. Christmann 1989). Entsprechend ist die Verarbeitung eines Textes als hierarchischer und sequentieller Organisationsprozeß zu beschreiben (Bock 1978, 71). Dieser Organisationsprozeß läßt sich dabei nicht nur auf propositionaler Mikroebene nachweisen, sondern gerade auch auf der Ebene globaler Textstrukturen, d. h. auf makrostruktureller Ebene. Makrostrukturen sind das Resultat informationsreduzierender

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Prozesse (für ein Trainingsprogramm vgl. Friedrich 1995), wie sie bei der Rezeption längerer Texte erforderlich werden (van Dijk 1980); sie bilden den globalen Zusammenhang eines Textes auf höherem Abstraktionsniveau ab. Makrostrukturen werden durch Anwendung bestimmter Reduktionsoperationen bzw. Makroregeln gebildet. Van Dijk (1980) unterscheidet vier solche Makroregeln, die die reduktive Organisation beschreiben und hierarchisch-sequentiellen Charakter haben: (1) Auslassen; (2) Generalisieren; (3) Selegieren; (4) Konstruieren oder Integrieren. Ihre Anwendung erfolgt nicht ausschließlich auf der Grundlage des vorgegebenen Textes, sondern erfordert konstruktive Schlußfolgerungsprozesse auf der Basis von Vorwissen, Interessen, Erwartungen und Zielsetzungen (van Dijk 1980, 184 ff; van Dijk & Kintsch 1983, 202). Die Verarbeitungsrelevanz von Makrostrukturen wurde in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen empirisch überprüft: Vergleich von Zusammenfassungen (die als textuelle Manifestationen von Makrostrukturen gelten) mit freien Wiedergaben nach längerem Behaltensintervall (z. B. Rumelhart 1977), Beantwortung von Fragen zu thematisch wichtigen Gedanken (Kintsch & Yabrough 1982), Überprüfung der Behaltenswirksamkeit von Makropropositionen (Beyer 1987). Die Verarbeitungsrelevanz ließ sich dabei insbesondere bei längeren Texten und nach längerem Behaltensintervall zeigen (vgl. Christmann 1989). Makrostrukturen beschreiben die globale Inhaltsstruktur textsortenübergreifend; d. h. sie bilden die formalen Unterschiede zwischen Textsorten wie z. B. ‘Erzählung’, ‘Berichterstattung’ oder ‘Anweisung’ nicht ab. Solche textsortenspezifischen (Formal-)Charakteristika werden in Abgrenzung zu den Makro- als Superstrukturen bezeichnet (van Dijk 1980). Superstrukturen beschreiben im Sinne eines Rasters oder abstrakten Schemas die globale Ordnung von Textteilen unabhängig von ihrer inhaltlichen Auffüllung. Sie bestehen aus Kategorien und Regeln, die die Kombinationsmöglichkeiten der Kategorien festlegen. Postuliert wird, daß Superstrukturen in Form von „kognitiven Regeln/Prozeduren, Kategorien usw.“ im Kognitionssystem von Sprachbenutzern verankert sind (van Dijk 1980, 133). Von der Fülle der textlinguistisch explizierten Textsorten sind unter dieser dezidiert kognitionspsychologischen Perspektive insbesondere Erzähltexte und (in sehr viel geringerem Maß) auch Zeitungstexte

138. Die Rezeption schriftlicher Texte

(van Dijk 1988) als Manifestationen von Superstrukturen empirisch erforscht werden. Zur Beschreibung von Erzähltexten wurden Kategorien- und Regelsysteme, sog. Story Grammars, erstellt; sie bestehen aus Ersetzungsregeln, die angeben, aus welchen Konstituenten eine Geschichte besteht (z. B. Thema; Setting; Ereignis; Charaktere etc.) und welche hierarchische und sequentielle Position diese Konstituenten in der Geschichtenstruktur einnehmen (z. B. Rumelhart 1975; Thorndyke 1977). Die Abhängigkeit der Verstehens- und Behaltensleistung von der hierarchischen und sequentiellen Position der Geschichtenkonstituenten ist in einer Vielzahl von Untersuchungen überprüft worden (zusammenfassend Mandler 1984; HoppeGraff 1984). Die empirische Befundlage ist allerdings uneinheitlich (vgl. Christmann 1989): Zwar liegen eine Reihe von Untersuchungen vor, die einen Verstehens- und Behaltenseffekt nachweisen konnten (z. B. Mandler & Johnson 1977; Thorndyke 1977), aber gleichzeitig wurde auch deutlich, daß das Auftreten der beiden Effekte von verschiedenen Einflußgrößen wie dem ‘semantischen Gehalt der Konstituenten’ oder der ‘Art und Anzahl der Relationen zwischen Textelementen’ abhängt. Neuere Ansätze haben sich daher stärker darauf konzentriert, Faktoren für die Wichtigkeit von Textelementen zu identifizieren (z. B. Trabasso & Sperry 1985), und modellieren Geschichten als Ketten von Problemlösehandlungen, deren Konstituenten danach analysiert werden, ob und in welchem Ausmaß sie Bestandteile zielerreichender Handlungen darstellen (z. B. Trabasso et al. 1984). Insgesamt ist die neuere Forschung zum Geschichtenverstehen durch das Bemühen gekennzeichnet, Erzähltexte auf globalerer Ebene zu beschreiben, als dies in den traditionellen ‘Grammatikmodellen’ vorgesehen war, um so der Vielfalt möglicher Geschichten besser gerecht zu werden (vgl. z. B. die ‘Source-Goal-Plan-Einheiten’ bei Abbott & Black 1986). Zusammenfassend ist dabei festzuhalten, daß Organisationsprozesse bei pragmatischen Texten hierarchischen und sequentiellen Charakter aufweisen. Diese Prozesse werden sowohl beeinflußt von der zugrundeliegenden Textsorte als auch von den Einstellungen, Wissensvoraussetzungen und Interessen der Rezipienten.

5.

Rezeptions-/Verarbeitungsstrategien

Ausgehend von der Frage nach der Effektivierung schulischen Rezeptionslernens hat

1541 sich insbesondere die kognitionspsychologisch orientierte Instruktionspsychologie in den letzten 15 Jahren mit der Entwicklung von Rezeptions- und Textbearbeitungsstrategien befaßt, die es dem Lernenden ermöglichen sollen, Lehrtexte gleich welchen Inhalts besser zu verstehen, zu behalten und zu verarbeiten. Den Strategien ist gemeinsam, daß sie in lockerer Anlehnung an Theorien und Befunde zum semantischen Gedächtnis (speziell netzwerk- und schematheoretische Modellierungen) entwickelt wurden, und zwar unter der Annahme, daß die Wirksamkeit einer Strategie umso höher ist, je stärker sie zu kognitiven Aktivitäten anregt, die mit den postulierten Prozessen und Operationen des Gedächtnisses kompatibel sind (Holley & Dansereau 1984, 4). Von den herkömmlichen instruktionspsychologischen Lernstrategien (Unterstreichen, Herstellung von Zusammenfassungen, Fragen an den Text stellen etc. (Groeben 1982; Schroeder-Naef 1994)) unterscheiden sie sich zum einen durch den mehr oder minder starken Rückbezug auf kognitive Verarbeitungsprozesse und zum anderen in dem Versuch, Textinhalte und Textstrukturen graphisch darzustellen. Diese Darstellungsart macht eine tiefgreifende Reorganisation und Restrukturierung der Textinformation erforderlich und zwingt den Rezipienten zu einer besonders tiefen Verarbeitung. Der Grundgedanke graphischer Darstellungstechniken besteht darin, die als bedeutsam erachteten Konzepte/Aussagen eines Textes und die zwischen ihnen bestehenden Relationen mit Hilfe von speziell entwickelten Notationssystemen herauszuarbeiten und graphisch in Form von Netzwerken oder zweidimensionalen Diagrammen abzubilden. Dabei werden Netzwerktheorien (z. B. Collins & Quillian 1969; Norman & Rumelhart 1975) und Schematheorien (z. B. Anderson 1978; zusammenfassend Mandl et al. 1987) im Sinne einer Heuristik für die Herausarbeitung der jeweiligen Strategien genutzt. Die bislang entwickelten Strategieansätze unterscheiden sich vor allem darin, ob sie eher Bezug auf netzwerk- oder schematheoretische Überlegungen nehmen, hinsichtlich der Art und Anzahl vorgegebener Relationen sowie hinsichtlich der Art der graphischen Veranschaulichung der Textinformation. Von der Vielzahl der bislang vorliegenden Strategien (für einen Überblick vgl. Holley & Dansereau 1984; Tergan 1986), kann das ‘Networking’ (Dansereau et al. 1979) als typisch für eine netzwerktheoretisch ausgerichtete Verarbei-

1542

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

tungsstrategie angesehen werden, während das ‘Idea Mapping’ (Armbruster & Anderson 1980) ein eher schema-theoretisches Vorgehen modelliert. Die Wirksamkeit der angeführten Strategien im Hinblick auf eine Verbesserung der Verstehens/Behaltensleistung konnte von den jeweiligen Autoren in allen Fällen gesichert werden; allerdings jeweils nur für spezielle, nicht für generelle Behaltensmaße (vgl. auch Pflugradt 1985). Die Strategien sprechen offensichtlich in Abhängigkeit von den vorgegebenen Relationen jeweils unterschiedliche Teilprozesse des Verstehens an und führen ⫺ vermutlich auch in Interaktion mit dem kognitiven Stil der Rezipienten (holistisch vs. analytisch; vgl. Pflugradt 1985) ⫺ in den je speziellen Bereichen zu einer tieferen Verarbeitung der Textinformation (im Sinne des ‘Levels of Processing’-Ansatzes nach Craik & Lockhart 1972). Die vorliegenden Befunde verweisen darauf, daß Textrezeptions- und Verarbeitungsstrategien flexibel in Abhängigkeit von Zielsetzung, Texttyp, Textinhalt und Lesermerkmalen eingesetzt werden sollten. Insgesamt liegen allerdings noch zu wenig empirische Befunde vor, um die Wirksamkeit von Rezeptionsstrategien gerade auch in Abhängigkeit von den genannten Parametern differenziert und umfassend beurteilen zu können.

6.

Ausblick: Rezeptionsflexibilität als Auflösung der Theorienkonkurrenz?

Die Textrezeptionsforschung ist durch eine Vielfalt theoretischer Modellierungen des Verstehensprozesses und durch eine Fülle von z. T. uneinheitlichen Befunden gekennzeichnet. So konkurrieren beispielsweise im Bereich der Satz- und Textrezeption ‘subjektzentrierte’ mit ‘verb-zentrierten’ und diese wiederum mit ‘gestalt-zentrierten’ Verarbeitungsmodellen, wobei die unterschiedlichen Ansätze jeweils durch empirische Befunde gestützt werden. Ähnlich liegen auch für die Rezeption von Geschichten unterschiedliche Modelle vor (Grammatik-Modelle vs. Problemlöse-Modelle), die zu differierenden Behaltensvorhersagen führen; bei der Rezeption literarischer Texte stehen sich Polyvalenzund Monovalenz-Theorien der Bedeutungsgenerierung gegenüber, und im Bereich der Rezeptionsstrategien setzen netzwerktheoretisch orientierte Modellierungen andere Verarbeitungsprioritäten als schematheoretisch

orientierte. U. E. kann die Vielfalt der vorliegenden Modellierungen (von denen hier nur ein vergleichsweise kleiner Ausschnitt dargestellt werden konnte) und der sie stützenden empirischen Befunde als Indikator dafür angesehen werden, daß das sprachverarbeitende Subjekt offensichtlich über eine Reihe ganz unterschiedlicher Verarbeitungsstrategien verfügt, die es in Abhängigkeit von Stimulusmaterial, Rezeptionsbedingungen, Zielsetzungen und Perspektiven alternierend einsetzen kann. Diese Perspektive hat Konsequenzen sowohl für die Gegenstands- als auch Theorieebene (vgl. Groeben & Vorderer 1988). Auf Gegenstandsebene ist dem Leser ganz grundsätzlich die Fähigkeit zu einer flexiblen Textrezeption zuzuschreiben; d. h. der Rezipient kann in Abhängigkeit von Situations- und Materialbedingungen aus einem Reservoir verfügbarer Strategien die ihm geeignet erscheinende auswählen; für diese Annahme sprechen auch die Befunde der Metakognitionsforschung (vgl. Christmann & Groeben 1995 a). Auf Theorieebene führt die Annahme der Rezeptionsflexibilität dann zur Auflösung von an und für sich ‘unechten’, d. h. unnötigen Theorienkonkurrenzen (Beispiele bei Christmann & Groeben 1995 a). Der Rezipient muß bei der Verarbeitung eines literarischen Textes beispielsweise nicht notwendigerweise polyvalente Bedeutungen generieren; ebensowenig muß er den Text monovalent verarbeiten: Er kann wählen. Folglich können auch auf der Theorieebene zur Erklärung unterschiedlich komplexer, differenzierter und tiefer Rezeptionsprozesse verschiedene theoretische Modellierungen herangezogen werden (Groeben & Vorderer 1988, 341). Daraus ergibt sich zugleich das Desiderat für die weitere Forschung: nämlich jene Bedingungen herauszuarbeiten, die die Wahl und den Einsatz spezifischer Verarbeitungsstrategien determinieren, und systematisch zu prüfen, unter Rückgriff auf welche Antezedensbedingungen welche theoretischen Modellierungen erklärungskräftiger sind bzw. welche potentiellen Theorienkonkurrenzen dadurch auflösbar werden. Zugleich ist die flexible Auswahl von Strategien auf der nächst höheren Ebene wiederum als Manifestation der kognitiv-konstruktiven Aktivität des Rezipienten zu werten.

7.

Literatur

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1545

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Ursula Christmann, Heidelberg/ Norbert Groeben, Köln (Deutschland)

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs 1. 2.

4. 5.

Ausgangspunkte Stilistik und Schriftlichkeit im 18. und 19. Jahrhundert Stilistik und Schriftlichkeit im 20. Jahrhundert Zusammenfassung und Ausblick Literatur

1.

Ausgangspunkte

3.

1.1. Stilistik, Rhetorik, Grammatik Gemeinhin gilt die Stilistik als die Lehre vom schriftlichen, die Rhetorik dagegen vom mündlichen Sprachgebrauch. Diese einfache Zuordnung läßt natürlich die historische Entwicklung und die vielfachen Beziehungen zwischen Rhetorik und Stilistik nicht mehr erkennen. Eine eigenständige Stilistik ist relativ jung, ist ein Produkt bürgerlicher Kultur. Noch 1898 betrachtet der „Brockhaus“ die Stilistik als einen Teil der Rhetorik. So setzt sie sich erst allmählich gegen die traditionelle Schulrhetorik durch und verweist diese mit ihrem umfangreichen Korpus von Regeln schließlich auf das Gebiet der Poetik (vgl. etwa das Standardwerk von Heinrich Lausberg 1949). Zum andern aber schließt die Stilistik, mit bezeichnender Umwertung und neuer Begrifflichkeit, an Prinzipien und Wirkziele der Rhetorik an; wir erinnern an Anschaulichkeit oder Natürlichkeit anstelle des alten aptum. Und sie bildet seit geraumer Zeit wieder wie jene ein normatives Regelwerk aus, das lange sogar über die schriftorientierte Hochsprache in den Bereich der Konversation hineinwirkte.

Die Stilistik korrespondiert ferner der Grammatik. Denn wenn Stil oder Stilqualität „auf einem ganzheitlichen, übergreifenden System von Gesetzmäßigkeiten in der Verwendung von Sprache beruhen“ (Michel 1972, 14), dann sind je spezifische lexikalische, syntaktische und eben auch grammatische Elemente betroffen, jedoch nicht isoliert und für sich. Insofern kann man der Tradition folgen, die zwischen einer ars bene dicendi (Rhetorik und später Stilistik) und einer ars recte dicendi (Grammatik) unterscheidet. Die Grammatik hat es mit dem „System obligatorischer Kombinationsmöglichkeiten“, die Stilistik mit dem „System fakultativer Möglichkeiten des Sprachgebrauchs“ zu tun (Sowinski 1973, 28). Zu solchen Abgrenzungen stehen Titel wie „Stilistische deutsche Grammatik“ (Schneider 1959) oder „Rhetorik des Schreibens“ (Ueding 1985) nicht im Widerspruch. Denn Schneider betrachtet mit Leo Spitzer die Grammatik als „gefrorene Stilistik“; und Ueding geht es allein um die Techniken wirkungsbezogenen Schreibens. Stilistik (von lat. stilus „Griffel“) betrifft zwar eine techne´, aber mit der abstrakt-metonymischen Bedeutung „Schreibart“ doch mehr. 1.2. Stil, Stilistik, Stilkunde Die Vielfalt von Stilauffassungen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kann hier nicht referiert werden (siehe dazu Sanders 1973, 13 ff und Sowinski 1991, 3 ff). Bekanntlich findet sich der Terminus „Stil“ in allen Kulturwissenschaften, so z. B. in der Kunstgeschichte („Stil des Barocks“) oder der

1545

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs Tom (ed.), Learning and comprehension of text. Hillsdale, N. J., 83⫺112. Trabasso, Tom & Sperry, Linda L. 1985. Causal relatedness and importance of story events. Journal of Memory and Language 24, 595⫺611. van Dijk, Teun A. 1980. Textwissenschaft. München. ⫺. 1988. News as discourse. Hillsdale, N. J. van Dijk, Teun A. & Kintsch, Walter. 1983. Strategies of discourse comprehension. New York. Viehoff, Reinhold. 1988. Literarisches Verstehen. Neuere Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung. Internationales Archiv für Sozialgeschichte der deutschen Literatur 13, 1⫺29.

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Ursula Christmann, Heidelberg/ Norbert Groeben, Köln (Deutschland)

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs 1. 2.

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Ausgangspunkte Stilistik und Schriftlichkeit im 18. und 19. Jahrhundert Stilistik und Schriftlichkeit im 20. Jahrhundert Zusammenfassung und Ausblick Literatur

1.

Ausgangspunkte

3.

1.1. Stilistik, Rhetorik, Grammatik Gemeinhin gilt die Stilistik als die Lehre vom schriftlichen, die Rhetorik dagegen vom mündlichen Sprachgebrauch. Diese einfache Zuordnung läßt natürlich die historische Entwicklung und die vielfachen Beziehungen zwischen Rhetorik und Stilistik nicht mehr erkennen. Eine eigenständige Stilistik ist relativ jung, ist ein Produkt bürgerlicher Kultur. Noch 1898 betrachtet der „Brockhaus“ die Stilistik als einen Teil der Rhetorik. So setzt sie sich erst allmählich gegen die traditionelle Schulrhetorik durch und verweist diese mit ihrem umfangreichen Korpus von Regeln schließlich auf das Gebiet der Poetik (vgl. etwa das Standardwerk von Heinrich Lausberg 1949). Zum andern aber schließt die Stilistik, mit bezeichnender Umwertung und neuer Begrifflichkeit, an Prinzipien und Wirkziele der Rhetorik an; wir erinnern an Anschaulichkeit oder Natürlichkeit anstelle des alten aptum. Und sie bildet seit geraumer Zeit wieder wie jene ein normatives Regelwerk aus, das lange sogar über die schriftorientierte Hochsprache in den Bereich der Konversation hineinwirkte.

Die Stilistik korrespondiert ferner der Grammatik. Denn wenn Stil oder Stilqualität „auf einem ganzheitlichen, übergreifenden System von Gesetzmäßigkeiten in der Verwendung von Sprache beruhen“ (Michel 1972, 14), dann sind je spezifische lexikalische, syntaktische und eben auch grammatische Elemente betroffen, jedoch nicht isoliert und für sich. Insofern kann man der Tradition folgen, die zwischen einer ars bene dicendi (Rhetorik und später Stilistik) und einer ars recte dicendi (Grammatik) unterscheidet. Die Grammatik hat es mit dem „System obligatorischer Kombinationsmöglichkeiten“, die Stilistik mit dem „System fakultativer Möglichkeiten des Sprachgebrauchs“ zu tun (Sowinski 1973, 28). Zu solchen Abgrenzungen stehen Titel wie „Stilistische deutsche Grammatik“ (Schneider 1959) oder „Rhetorik des Schreibens“ (Ueding 1985) nicht im Widerspruch. Denn Schneider betrachtet mit Leo Spitzer die Grammatik als „gefrorene Stilistik“; und Ueding geht es allein um die Techniken wirkungsbezogenen Schreibens. Stilistik (von lat. stilus „Griffel“) betrifft zwar eine techne´, aber mit der abstrakt-metonymischen Bedeutung „Schreibart“ doch mehr. 1.2. Stil, Stilistik, Stilkunde Die Vielfalt von Stilauffassungen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts kann hier nicht referiert werden (siehe dazu Sanders 1973, 13 ff und Sowinski 1991, 3 ff). Bekanntlich findet sich der Terminus „Stil“ in allen Kulturwissenschaften, so z. B. in der Kunstgeschichte („Stil des Barocks“) oder der

1546

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Pädagogik („Erziehungsstile“). Für die meisten Definitionen spielen selektiv-funktionale Aspekte eine Rolle und eben auch die „Einheit und Individualität der Gestaltung“ (Kayser 1959, 292). Zudem meint Stil eine besondere Qualität; man spricht, eigentlich pleonastisch, von „Stilqualitäten“, „Stilwerten“ oder „gutem Stil“ ⫺ und zwar mit Blick auf Schreibfähigkeiten. Hier verleugnet die Stilistik nicht ihre Herkunft aus der mittelalterlichen Rhetorik, welche bekanntlich als zweite Disziplin des Triviums zu den sogenannten septem artes liberales zählte. Oft findet sich noch heute die Bezeichnung „Rhetorische Stilistik“ (Plett 1973, 23) für den alten Kernbereich der elocutio, also für die Lehre vom (guten) sprachlichen Ausdruck. Unser Thema scheint zunächst die Beschränkung auf die theoretische Stilistik zu fordern; denn hier werden ja Stilideale und damit auch Vorstellungen von der Bedeutung und Reichweite des schriftlichen Sprachgebrauchs entwickelt. Doch erscheint es gleichermaßen angebracht, die praktische Stillehre („Stilkunst“) zu berücksichtigen, da dort anerkannte Stilprinzipien sowie Stilregeln ihren Niederschlag finden. 1.3. Stilistik, Schriftlichkeit, Schriftsprache Unser Thema unterstellt, daß die Stilistik westeuropäischer Prägung maßgeblich beteiligt ist an der Entwicklung der geschriebenen Sprache selber sowie an der Theorie schriftlichen Sprachgebrauchs. Solch relativ junges Miteinander würde auch klären, warum für die Sprachwissenschaft zwar traditionell schriftliche Texte im Mittelpunkt stehen, nicht aber die geschriebene Sprache selber (vgl. Feldbusch 1985, 1; dort gibt es jedoch kein Stichwort „Stilistik“ oder „Schreibstil“!). Wir werden deshalb in einem historischen Durchgang zu prüfen haben, welche Impulse die praktische und die theoretische Stilistik dem schriftsprachlichen Standard gaben und wie Schriftlichkeit jeweils behandelt oder definiert wurde. Betont sei vor allem die Rolle von Stilarten und Stilprinzipien. Wir beschränken uns ferner auf wichtige Ansätze im deutschsprachigen und im französischen Raum, die entscheidende Anregungen für die Ausgestaltung und Pflege einer Schriftkultur gaben.

2.

Stilistik und Schriftlichkeit im 18. und 19. Jahrhundert

Während dieses längeren Zeitraums entwikkelte und konsolidierte sich eine deutsche Stilistik und mit ihr eine Theorie des schriftli-

chen Sprachgebrauchs. Auch stand die Stilistik bis zum Ende des 19. Jahrhunderts noch stark unter dem Einfluß der Rhetorik. 2.1. Frühe Ansätze einer „Schreibart“Stilistik Der hochsprachliche Ausdruck „Stil“ oder „Styl“ findet sich in Deutschland als lexikalisches Stichwort in seiner abstrakten Bedeutung erst in Adelungs Wörterbuch (Bd. 4 1780, 872). Die Sprachreiniger des 17. Jahrhunderts haben ihn noch gemieden und durch „Redart“, häufiger aber schon durch „Schreibart“ ersetzt. So fordert Georg Philipp Harsdörffer in seiner „Schutzschrift für die Teutsche Spracharbeit“ (1644 I, 361 f), daß man sich „der zierlichsten gebunden⫽ und ungebundener Schreibarten befleissige“; und Justus Georg Schottelius spricht erklärend von „Schreibart oder Stylus“ (1663, 1157). Alle frühen Belege lassen indessen erkennen, daß Schreibarten analog zu Redarten gesehen wurden, daß man sich damals allein um die „Hochteutsche Sprache / oder die rechte Hochteutsche Mundart“ (Schottelius 1663, 174) mit „Hinterlassung der Landrede“ (d. h. der Dialekte) bemühte. Knapp hundert Jahre später, um 1750, gibt es bereits ein dezidiertes Interesse an einer auf Schriftlichkeit bezogenen Stilistik. Otto Ludwig (1988, 132) spricht in diesem Zusammenhang von einem „geradezu paradigmatischen Wechsel, dem Wandel von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit, von einer primär oralen zu einer primär literal bestimmten Kultur“. Dieser Wandel hat zunächst praktische Gründe: Merkantilismus und Kameralismus der Territorialstaaten verlangen ausgebildete Verwaltungsstrukturen mit Akten, Datensammlungen und Korrespondenzen; Schreib- und Lesefertigkeiten werden also vermehrt gefordert für das öffentliche, bald jedoch ebenfalls für das private Leben. So kommt es zur Ausbildung von „Epistolographien“ und später der „Stilographie“, einer praktischen Stilkunde. Schon 1730 brachte Adam Friedrich Glaffey seine „Anleitung zu einer weltüblichen Teutschen Schreibart“ heraus und ergänzte sie 1736. Und im Jahre 1741 formulierte Christian Fürchtegott Gellert seine „Gedanken von einem guten deutschen Briefe“, in denen erstmals ein Schreiben von einer Rede unterschieden wird, weil „wir mehr Zeit zum Nachsinnen und zur Wahl unserer Gedanken und Worte haben“ (179). Bei Gellert taucht auch neben der zeitüblichen Forderung nach Natürlichkeit und Unge-

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs

zwungenheit im Briefstil die Korrespondenz von Denken und Schreiben auf: „Wer gut schreiben will, der muß von einer Sache denken können“ (184). Noch im selben Jahrzehnt folgt dann eine Fülle „Allzeitfertiger und auf allerley Fälle gerichteter Briefsteller“, oft von Amtsschreibern verfaßt, mit Anregungen für alle Fragen der Schreibkunst (man beachte den Ausdruck „Briefsteller“, der wohl nach dem Wort „Schriftsteller“ gebildet wurde). Der Briefsteller von Chrysostomus Erdmann Schröter mit dem obigen Titel (17534!) rechtfertigt den „Nutz des Schreibens, weil ja die ganze Welt durch die Feder regieret wird“ und „vieltausenden das Brod und ein zeitliches Auskommen in die Hände liefert“ (5 f); die „Schreiberei“ vergegenwärtigt Vergangenes und Abwesendes, erleichtert Handel und Wandel, ist generell auch eine „Art, einem seine Meynung zu erkennen zu geben“ (2). Schröter unterscheidet bereits vier wichtigere Schreibarten, zu denen er Exempla liefert: die canzeleymäßige, sententiöse, poetische und gemeine oder historische Schreibart. Wichtigstes Stilprinzip neben Angemessenheit (Schicklichkeit) ist der Zusammenhang (der Gedanken, der Sätze, der Wörter). Man sieht: für die praktischen Zwecke des Briefstellers ist um diese Zeit der explizite und systematische Rückgriff auf die klassische Rhetorik nicht mehr vonnöten. Den erwähnten Wandel dokumentieren deutlicher als die frühen Epistolographien dann selbständige Abhandlungen über den Stil oder regelrechte Stilistiken, auch wenn sie vor dem 19. Jahrhundert so noch nicht hießen. In seinem „Discours sur le style“ forderte der französische Naturforscher George Buffon („Le style c’est l’homme meˆme“) 1753 für ein gut geschriebenes Werk die klare und verständliche Anordnung der Gedanken ⫺ eine Anregung, die in Frankreich und Deutschland bald lebhaften Widerhall fand (vgl. z. B. „Les Re`gles du Stile“ von Isaac de Colom, 1775). Die Entwicklung der Auffassungen ist aber nirgends besser zu erfassen als im Kontrast von Johann Christoph Gottscheds „Ausführlicher Redekunst“ (1736, 17595) und Johann Christoph Adelungs umfangreichem zweibändigem Werk „Ueber den Deutschen Styl“ (1785, 18004), vor allem in dem von beiden Autoren diskutierten Begriffspaar Beredsamkeit⫺Wohlredenheit. Gottsched geht es noch um eine „Anleitung zur wahren Beredsamkeit“ (1759, 74), mit Berufung auf Griechen und Römer. Beredsamkeit und Wohlredenheit aber sind im einlei-

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tenden Gespräch synonym behandelt, eben als Fertigkeiten, wie schon bei Harsdörffer („ein anders ist Reden / ein anders Wolreden“, 1644 I, 366) oder Schottelius („auf Wohlredenheit gerichtete Schreibart“, 1663, 1177). Erst in einer zweiten Überlegung diskutiert Gottsched die Begriffe: Beredsamkeit bezweckt Überredung, Wohlredenheit den vernünftigen Ausdruck der Gedanken, eine „gute Schreibart“. Ein guter Stilist ist aber noch kein guter Redner; insofern ist die Wohlredenheit die Vorschule der Beredsamkeit, hat sozusagen dienende Funktion, ist auch nicht nur und eindeutig auf Schriftlichkeit bezogen. Ganz anders Adelung anderthalb Generationen später. Die Begriffe „Schreibart“ und „Styl“ betreffen hier allein die geschriebenen Worte, den schönen schriftlichen Ausdruck, der „zweckmäßig und mit Wohlgefallen verstanden seyn will“ (1789, 59). Erstmals ist von einer Schriftsprache mitsamt ihren Vorzügen die Rede: der mündliche Ausdruck ist „vorüberrauschend“, nachlässig und flüchtig; der „gute Hochdeutsche Sprachgebrauch“ dagegen wird am „zuverläßigsten aus den Schriften erkannt“ (72). Folgerichtig nennt Adelung 12 allgemeine Eigenschaften des guten Stils, die trotz unübersehbarer Anlehnung an die klassischen virtutes elocutionis doch über diese hinausgehen, z. B.: Gebrauch des Hochdeutschen oder der Schriftsprache, Klarheit und Deutlichkeit, Angemessenheit, Präzision und Kürze, Würde, Wohlklang, Lebhaftigkeit, Neuheit, Einheit. Im zweiten Band seines Werkes versucht Adelung sogar eine erste Systematik der Stilarten nach der Würde und Absicht des Schreibenden sowie nach der äußeren Form. Zur mittleren Schreibart gehören danach Geschäfts-Styl, Geschichts-Styl und Lehr-Styl; zur höheren Schreibart pathetischer, erhabener und feyerlicher Styl. Selbständig daneben stehen der bildliche, der rührende, der komische und der poetische Stil. Zwischen den Schreibarten, die etwas mit Stilhöhe oder Stilebenen zu tun haben, und den „Arten des Styles“ wird jedoch noch nicht terminologisch exakt unterschieden. Ferner entwickelt Adelung aus der Systematik stilartbezogene Regeln als „verbindliche Vorschriften des Verhaltens“, bei denen wieder die Zweckmäßigkeit dominiert und Stil stets lehrbar erscheint. Die vieldiskutierte Wohlredenheit aber ist hier die „Fertigkeit, sich in allen Fällen so auszudrücken, daß man mit Wohlgefallen verstanden werde“ (1789, 19 f). Sie steht nun am Ende des 18. Jahrhunderts eindeutig über der Beredsam-

1548 keit, nämlich der „Fertigkeit, mit Wohlgefallen zu überreden und zu rühren“ (ebd.). Bei den Stilprinzipien und bei der Einteilung von Stilarten bleibt Adelung der hergebrachten Rhetorik verpflichtet (vgl. Linn 1963, 41 ff). Gleichwohl ist hier der Schritt von der Rhetorik und Rede zur Stilistik und Schriftsprachlichkeit erfolgt. Zudem wurde Adelungs Buch maßgebend für die meisten praktischen Stillehren sowie die Schulstilistiken des 19. Jahrhunderts (vgl. u. a. Ludwig 1988, 137 ff). Gleiches wird man nicht von Karl Philipp Moritz behaupten können, dessen „Vorlesungen über den Styl oder praktische Anweisung zu einer guten Schreibart“ 1793 nur wenige Jahre nach Adelung erschienen. In recht lokkerer Form wird dort ausgeführt, was Moritz schon 1791 in der kleinen Broschüre „Grundlinien zu meinen Vorlesungen über den Styl“ herausstellte: daß man zwischen Sache und Ausdruck eine Grenzlinie ziehen müsse, daß der Gedanke und die „Richtigkeit der Vorstellung“ der Wortwahl vorausgehe, daß das „Charakteristische und Unterscheidende des Stils“ sich folglich „natürlicher Weise nicht lehren sondern nur beobachten“ läßt (1791/ 1962, 263). Demnach ist es auch abwegig, wie in der Tradition üblich, Schreib- oder Stilarten zu unterscheiden und Stilregeln zu formulieren. Stil ist stets „in der Eigentümlichkeit der Vorstellungsart eines jeden gegründet“ (ebd.), also subjektiv. Mit diesen Gedanken wird Moritz „zum Begründer einer neuen subjektiven Stilistik“ (Ludwig 1988, 203), die in scharfen Gegensatz tritt zum normativen Rationalismus eines Adelung und wohl nur bei Theodor Mundt („Die Kunst der deutschen Prosa“, 1837) eine direkte Nachfolge findet. 2.2. Stilistik und Stilkritik um 1850 Nachwirkungen von Adelung oder Moritz in Schule und Schriftstellerei des 19. Jahrhunderts wird man auch in Verbindung mit Hegels bekannter Unterscheidung zwischen zweckhafter Rhetorik und zweckfreier Poesie sehen können (Hegel, Ästhetik 1829/1955, Bd. 2, 257 f). Im Gegensatz zur philosophisch-ästhetischen Diskussion der Zeit dominieren in der Schule zunächst systemgerechte Rhetorik und Stilistik (vgl. Breuer 1974, 148 ff et passim). So weist das konservative Programm für die humanistische Gelehrtenschule, um und nach 1830 stark unter dem Einfluß des bayerischen Bildungspolitikers Friedrich Thiersch, dem Rhetorikunter-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

richt noch einen festen Platz in den ersten Gymnasialklassen zu, läßt ihn aber hervorgehen aus Stilübungen in den alten Sprachen und später in Deutsch (vgl. die maßgebliche Methodik von Falkmann, 1823). Angeschlossen werden bis ins späte 19. Jahrhundert Dispositionsübungen und Aufsätze vornehmlich im dogmatischen und historischen Stil, welche die von Adelung genannten Prinzipien der Reinheit, Klarheit, Präzision und Einheit sowie die entsprechenden Regeln berücksichtigen. Gleiches gilt durchweg für zeitgenössische Briefsteller, auch wenn sich hier mitunter schon eine Verbindung grammatischer, logischer und ästhetischer Prinzipien findet (etwa bei J. D. F. Rumpf, Der Geschäftsstil, Berlin 1817). Eine subjektive Schulstilistik hingegen in der Nachfolge von Moritz, die der Individualität und dem „geistigen Leben“ des Schreibers Raum gibt sowie auf die Festlegung eines verbindlichen Stilideals verzichtet, wird erst von Rudolf Hildebrand 1885 konsequent gefordert. Die harte Auseinandersetzung damals führt schließlich zur Einteilung in „objektive“ und „subjektive“ Aufsatzformen, die sich bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts gehalten hat. Zwischen den Extremen stehen damals fortschrittliche Methodiker, die eine stärkere Betonung der literarischen Ästhetik verlangten und den literarischen Aufsatz propagierten (Hiecke 1842), sodann auch solche, welche die Stilbildung in den Dienst der Denk- und Gedankenschulung stellen wollten (Laas 1868, 1872). Sie stehen wohl schon unter dem Einfluß von Karl Ferdinand Becker. Alle Bestrebungen aber fließen ein in die Schreib- und Stilauffassung des deutschen Bildungsbürgertums, wie sie sich besonders deutlich in dem erfolgreichen Familienblatt „Die Gartenlaube“ (ab 1853) artikuliert. Neue Impulse für die Diskussion um Stil und Schriftlichkeit gibt erst um die Jahrhundertmitte Beckers Werk „Der deutsche Stil“ (1848), das ganz betont die jetzt auch so genannte Stilistik in Zusammenhang mit der vergleichenden Sprachbetrachtung und der etymologischen Forschung sieht und erstmals auch an einer „Theorie des Stiles in einer streng wissenschaftlichen Form“ (2) interessiert ist. Zweck der Sprache ist für Becker stets die Mitteilung von Gedanken, ob in der Rede oder der Schrift; denn ein Wort ist der „organische Ausdruck des Begriffes“ (6) und die Rede „der organische Ausdruck des Gedankens“ (7). Eine wissenschaftliche Stilistik, hier auch „rationelle Stilistik“ genannt, wird

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs

damit zur „Lehre von der organischen Vollkommenheit der Darstellung“ (8). Eine solche Darstellung ist nun auf Inhalte und vor allem auf logische Formen bezogen; denn im Gedanken treten zwei Begriffe in ein prädikatives Verhältnis. Da auch die Grammatik die Darstellung der Gedanken zum Gegenstand hat, bezeichnet Becker folglich die Stilistik „als eine Ergänzung der Grammatik“ (IX et passim) und widmet sich besonders dem Aufbau der Sätze. Seine Ausführungen sollen allerdings nicht nur für die „schöne“, die logisch-adäquate Darstellung in der Schriftsprache gelten. Diese fordert zwar, weil sie den Gedanken „fortdauernd für nachkommende Zeiten und meistens für eine große Anzahl von Lesern“ festhält (14), eine größere Aufmerksamkeit, insbesondere eine genauere Beachtung der Wortstellung. Schriftsprache und mündliche Rede jedoch haben einerlei Gesetze. Mit dem Schwerpunkt der Grammatik dehnt Becker also die Stilistik auf die Rede aus und macht sie damit universell. Wir finden bei ihm sozusagen eine erste logische Propädeutik, in der den gelegentlichen Bemerkungen von Gottsched, Gellert oder Buffon über die Beziehungen zwischen Stil und Gedanke eine systematische Theorie gegeben wird. Mit der Betonung des Organischen wendet sich Becker zudem gegen die noch bei Adelung propagierte Zweckmäßigkeit und die fixen Regeln zum Erlernen des guten Stils. Denn Stil ist „mehr eine Naturgabe, als das Werk einer Kunst“ (84). Stilgefühl bildet sich durch die lebendige Rede und insbesondere durch die Einsicht in die typischen Gesetze „unseres Denk- und Sprachvermögens“ (89), also auch in den besonderen Sprachbau des Deutschen. Gerade hier spürt man, daß Beckers Buch in Auseinandersetzung mit Auffassungen von Wilhelm von Humboldt und Jakob Grimm entstanden ist. Das Verhältnis von Schreiben und Denken sowie deren Beziehung zur Grammatik behandelt auch Arthur Schopenhauer in seinem Aufsatz „Über Schriftstellerei und Stil“ (1851). Dies zeigt schon der berühmte Aphorismus „Der Stil ist die Physiognomie des Geistes“ (1913, 561). Ein guter Schriftsteller muß denken, selbst denken, bevor er ans Werk geht. Guter Stil verlangt folglich nur eine Regel: „daß man etwas zu sagen habe“ (564). Alle weiteren Stilanforderungen diktiert die Rücksicht auf den Stoff und, das dürfte neu sein, auf den Leser, nämlich dessen „Zeit, Anstrengung und Geduld“ (570).

1549

So wird ein Schreiber zu einem „objektiven“, d. h. gedanken- und lesergerechten Stil gezwungen. Deshalb verlangt Schopenhauer vor allem Kürze, ferner Deutlichkeit, Bestimmtheit und Präzision des Ausdrucks. Weitschweifigkeit, Dunkelheit und Undeutlichkeit rühren ja her von der mangelnden Klarheit des Gedankens. So mündet seine Darstellung in eine durchaus konservative Sprachkritik, welche die Nachlässigkeiten der Zeitungsschreiber u. a. auf die Unkenntnis der lateinischen und französischen Klassiker zurückführt. Diese schrieben noch „mit höchster Korrektheit und möglichster Eleganz“ (595) und begründeten damit einen ausgesprochenen „Schriftstil“, der sich vom Redestil deutlich unterscheidet. Ganz ähnlich plädiert übrigens auch Friedrich Nietzsche zwanzig Jahre später in einer Basler Vortragsreihe „Über die Zukunft unserer Bildungsanstalten“ (1872) dafür, daß der „heranwachsende edler begabte Jüngling mit Gewalt unter die Glasglocke des guten Geschmacks und der strengen sprachlichen Zucht“ gesetzt werde und es in der Behandlung der Muttersprache „zum Gefühl einer heiligen Pflicht“ bringe (1921, 37). Die Betonung von Logik und Grammatik in der Stilistik fand alsbald ihre Resonanz in der schulischen Praxis, bei den sogenannten Antibarbari und sogar in der Briefstellerei. Schon Beckers eigene frühe Methodik (1833) und die seines Schülers Raimund Jakob Wurst (1836) wollten eine „Sprachdenklehre“ sein. Daraus entwickelten sich später Stilund Aufsatzübungen im Anschluß an einen oft schematisch und formal gehandhabten analytischen Grammatikunterricht (vgl. u. a. Ludwig 1988, 275). Die Antibarbari kritisierten ursprünglich fremdsprachige Ausdrücke, so etwa das frühe Werk von J. F. Heynatz (Berlin 1796). Jetzt aber wandten sie sich vornehmlich grammatischen Sprach- und Stilwidrigkeiten zu. Das erfolgreichste Buch dieser Art dürften Gustav Wustmanns „Sprachdummheiten“ (1891) mit dem bezeichnenden Untertitel „Kleine Grammatik des Zweifelhaften, Falschen und Häßlichen“ gewesen sein (196614!). In einem deutsch-englischen Briefsteller schließlich von J. S. S. Rothwell (1875), der auch für den Gebrauch im Unterricht gedacht war, wird Stil als „Spiegel der Seele des Schreibenden“ bezeichnet und als die Art definiert, „wie man seine Gedanken mündlich oder schriftlich ausdrückt“.

1550 2.3. Die Stildiskussion der Jahrhundertwende Bei der Darstellung stilistischer Grundgedanken um 1900 beschränken wir uns auf zwei Bücher: Max Schießls „System der Stilistik“ (1884) und Richard M. Meyers „Deutsche Stilistik“ (1906). Beide haben gewisse Gemeinsamkeiten: sie beabsichtigen eine „wissenschaftliche Fundamentaluntersuchung“ (Schießl 1884, X) und sehen in der Stilistik „ein System theoretischer Erkenntnisse“ (Meyer 1906, 1); sie gehen hervor aus einer harschen Kritik an der stilistisch-rhetorischen Praxis und beziehen sich nunmehr eindeutig und allein auf den schriftlichen Sprachgebrauch; sie wollen die theoretischen und methodischen Grundlagen erarbeiten für die Praxis des Schreibens in Schule und Gesellschaft. Max Schießl, selbst Realschullehrer, beklagt zunächst den mangelhaften Stilunterricht und versucht dann eine prinzipielle Neuorientierung im Rahmen einer „stilistischen Entwicklungstheorie“. Stilistik hat es immer mit Darstellung zu tun; stilistische Darstellung aber ist eine „schriftliche prosaische Gedankenauseinandersetzung“ mit eindeutig „praktisch-realistischer Wirkung“ (1884, 6). Insofern unterscheidet sie sich von der poetischen Darstellung einerseits und dem mündlichen Gedankenvortrag andererseits. Stilistisches bzw. schriftliches Darstellen wird aber erst dann deutlich, wenn man überlegt, wie ein Schriftstück oder eine „Komposition“ entsteht, wie eine „Zweckrealisierung“ zu bewerkstelligen ist. Somit gerät hier erstmals der Prozeß des Schreibens mit seinen methodischen Schritten in den Blick, die „Entwicklung“ eben, im Gegensatz zu der üblichen Betrachtung des fertigen Produkts. Schießl gibt dann auch zehn Gesetze an zum „Auf- und Ausbau einer stilistischen Darstellung“ (331), die zugleich auf Merkmale schriftsprachlicher Äußerungen verweisen, z. B. das Gesetz der Gliederung, das Gesetz der drei Phasen (Anfang, Mitte, Schluß), das Gesetz des stetigen Fortschritts, das Gesetz der konkretisierenden Durchbildung der Darstellung, das Gesetz der Einheit und Totalität. Bei Beachtung dieser „ästhetischen Kompositionsgesetze“ kann es schon in der Schule zu einem sprachlich-stilistischen Kunstwerk kommen. Folgerichtig legt Schießl sie später auch seinem Curriculum für den Stilunterricht zugrunde, das von einfachen Erzählungen am Anfang bis zum freien Aufsatz der Oberstufe führt.

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Auch Richard M. Meyers „Deutsche Stilistik“ hat einen eindeutigen Schulbezug: sie erschien als dritter Band in einem von Adolf Matthias herausgegebenen „Handbuch des Deutschen Unterrichts an Höheren Schulen“ und muß als eine Art Lehrbuch angesehen werden. Die Stilistik als wissenschaftliche Disziplin gehört für Meyer, in der Nachfolge von Becker, in den Zusammenhang mit der Grammatik und ist im Grunde nichts anderes als eine „vergleichende Syntax“ (1906, 3). Er bezeichnet sie ferner als die „Lehre von der schriftmäßigen Sprachkunst, der die Rhetorik als die Lehre von der mündlichen Redekunst gegenübersteht“ (4). Sie überläßt dieser die „spezifischen Erfordernisse“; insofern setzt die Rhetorik die Stilistik voraus. Im wesentlichen bietet Meyer nun eine systematische Darstellung aller Stilelemente und Gestaltungsfaktoren, ferner der Stilgattungen. Die Stilelemente werden von den kleineren zu den größeren Einheiten fortschreitend besprochen, vom Wort zum Satz und zum Schriftganzen, jeweils zuerst in formaler, dann in inhaltlicher Hinsicht. Dabei erläutert Meyer, anhand von Beispielen aus der zeitgenössischen Literatur, die schon in der späten Rhetorik und bei Adelung angesprochenen Stilprinzipien der „Gemeinverständlichkeit“, der „Genauigkeit“ und der „Anschaulichkeit“. Im Grunde ist Meyers Darstellung so den positivistischen Positionen von Wilhelm Scherer verpflichtet und will eigentlich nur das Werkzeug bieten für stilistische Analysen. Interessant ist jedoch die Einteilung der Stilgattungen, und zwar entsprechend den Satzarten (Ausruf, Aussage, Anrede) in poetischmonologische Prosa (Gebete), berichtende Prosa (Erzählung), untersuchende bzw. überredende Prosa (Abhandlung⫺Beredsamkeit). Dieses der Syntax folgende Aufbauprinzip entspricht den sprachwissenschaftlichen Erkenntnissen um 1900 und hat nichts mehr gemein mit dem antiken Genus-System (vgl. u. a. Linn 1963, 67). Im ganzen begründete Meyer schon die moderne beschreibende Stilistik und damit eine wissenschaftliche Stiluntersuchung, auf der Seidler u. a. später aufbauen konnten. Seine Darstellung ist zudem eine Explikation des schriftlichen Sprachgebrauchs auf der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, mit Blick auf das bildungsbürgerliche Stilideal, in dem ja Tradition und Moderne auf bezeichnende Weise verbunden waren.

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs

3.

Stilistik und Schriftlichkeit im 20. Jahrhundert

Die Entwicklung des schriftlichen Sprachgebrauchs und der stilistischen Disziplinen im 19. Jahrhundert läßt schließlich ein Nebeneinander von praktischer und theoretischer Stilistik entstehen, das wir in der folgenden Übersicht berücksichtigen müssen. 3.1. Prinzipien und Regeln der praktischen Stilistik Die praktische Stilistik formuliert „immer die Lehre vom vorbildlich angemessenen Ausdruck in der schriftsprachlichen Prosa“ (Nikkisch 1975, 17), mag sie nun „angewandte“ oder „didaktische Stilistik“ oder etwa „normative Stillehre“ genannt werden. Auch in ihren Gebrauchsmustern und Hinweisen findet sich eine zeitentsprechende Theorie der Schriftlichkeit. Wir beschränken uns auf drei Autoren zwischen 1911 und 1986, deren Einfluß auf die schreibende Öffentlichkeit verbürgt ist und die, so Willy Sanders (1988, 377), in mehrfacher Hinsicht ein „Triumvirat“ bilden: Eduard Engel, Ludwig Reiners und Wolf Schneider. Die „Deutsche Stilkunst“ des Altphilologen und Vielschreibers Eduard Engel erschien 1911 und erlebte in den folgenden zwei Jahrzehnten 31 Auflagen. In zehn Büchern und auf knapp 480 Seiten versucht Engel, „den deutschen Prosastil auf die Höhe sonstiger deutscher Kunst heben zu helfen“ (5), und zwar durch seinen „Stilratgeber“ für Schreibende und (!) Lesende. Dabei wird eingangs nicht nur der „beklagenswerte Zustand unserer Prosa“ (14) gebrandmarkt, sondern ebenso die bisherige Stilistik durchweg verdammt, als „gelehrte Stilgeschichte, Figurenbeschreibung und Sprachphilosophie, oder Grammatik mit Formenlehre und Syntax für Schulen“ (7). Der Hauptgrund: in Deutschland speziell hat sich „eine Schriftsprache im Gegensatz zur Sprechsprache“ entwickelt (29), ein Papierstil als Ausdruck der Unnatur. Folglich gibt es nur einen Weg zum guten, zum „volkstümlichen“ Stil: den zurück zur „Menschenrede“ und zur „Gemeinsprache“, getreu der richtig verstandenen Devise: „Schreibe, wie du sprichst!“. Gemeint sind hier offenbar die eher bürgerlichen Schreibtugenden der Natürlichkeit und Angemessenheit, die für Engel in der Wahrhaftigkeit münden, d. h. in einer Übereinstimmung von Stil und Charakter, wie Engel sie etwa bei Goethe beobachtet (über den er eine zwei-

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bändige Biographie verfaßte). Eine der „Urbedingungen des guten Stils“ (17) ist neben der „Sachlichkeit“ für Engel auch die „Rücksicht auf den Leser“, da Schreiben immer eine „zweiseitige Tätigkeit“ darstellt. So kommt Engel zu seinem obersten Stilprinzip: „Höchste Zweckmäßigkeit ist also höchster Stil“ (16) ⫺ im Grunde eine Neuauflage des alten aptum, des in einer Situation Angemessenen. Auch sonst findet sich viel Gemeingut aus der Tradition normativer Stilistiken: die Schönheit, die Schlichtheit, die Klarheit und die Verständlichkeit. Daneben beeindruckt Engel jedoch mit einer Fülle positiver und vor allem negativer Beispiele aus dem deutschen und antiken Schrifttum, ebenso durch griffige Formulierungen. So spricht er mit bezeichnender Metaphorik von „Stilgebrechen“, von „schlampigem Stil“ oder vom „Stopfstil“, von der „Fremdwörterseuche“ und überhaupt von der „Macht des Wortes“(!). Im zehnten und letzten Buch werden sogenannte „Stilgattungen“ expliziert und (ohne strenge Systematik) nach dem Zweck unterschieden, z. B. der Belehrungsstil, der Zeitungsstil, der Kunstschreiberstil, der Kanzleistil. Das Buch schließt mit einem Kapitel über „Deutsche Prosaklassiker“, also mit Hinweisen auf klassisch gewordene Vorbilder (Luther, Goethe, Schiller, J. Grimm, Fichte u. a.), unter denen wiederum kaum Wissenschaftler zu finden sind. Eine noch größere Breitenwirkung hatte nach dem Zweiten Weltkrieg wohl „Ludwig Reiners’ Lehre vom guten Deutsch“ (Nikkisch 1975, 32), und zwar gleich durch mehrere Publikationen: die „Stilkunst“ von 1943/ 1949 ff; die „Stilfibel“ (unter dem Titel „Der sichere Weg zum guten Deutsch“ 1951, ab 1963 bis heute als dtv-Taschenbuch), schließlich durch den Essay „Vom deutschen Stil“ in zwei Auflagen des Duden-Stilwörterbuchs (1956, 1963). Wie schon Engel rückt Reiners dem Papierdeutsch zu Leibe, zu dem er sogar eine Negativliste von 18 Regeln entwickelt (1943/1961, 191 ff). Der Papierstil verdankt sich der besonderen Entwicklung der deutschen Hochsprache als Schriftsprache, dem Einfluß des Gelehrtenstils, der wachsenden „Sintflut der Zeitungen“, dem deutschen Schulaufsatz (!) und schließlich dem Volkscharakter, der zur Unterwürfigkeit und zur „Ausdrucksform kraftloser Naturen“ neigt (1961, 200). Stilpflege schult deshalb „Denken und Charakter“ (15); Sprachpflege ist „Erziehung des Geistes und des Charakters“, zudem auch „Arbeit an der deutschen Kul-

1552 tur“ (14). Solche Pflege ist nach Reiners vor allem deshalb notwendig, weil die „Modewörter des Tages den anspruchslosen Sprachbedarf von Millionen befriedigen“ (14). Und die Methode besteht darin, „das Stilgefühl durch Analyse von Beispielen zu entwickeln“ sowie den Lernenden „mit Beispielen des Stilverfalls“ zu überfüttern (61). Eine systematische Typologie aller Stilarten oder Stilgattungen entwickelt Reiners nicht; möglich und nötig erscheint ihm allein eine Beschreibung der „Stilkrankheiten“, der er den zentralen dritten Teil seiner „Stilkunst“ widmet und dabei bis in Einzelheiten der metaphorischen Begriffsbildung hinein seinen Vorgänger Engel kopiert. Im Grunde vertritt er auch dasselbe Ziel: eine gehobene Gebrauchsprosa, als deren oberstes Stilideal die Verständlichkeit zu gelten hat ⫺ Orientierungspunkt ist damit wiederum die „Redesprache“. Diesem Ideal untergeordnete Stilprinzipien sind Genauigkeit, Anschaulichkeit, Kürze und Klarheit ⫺ also Aspekte, die schon im 18. Jahrhundert entwickelt und vollständig im 19. Jahrhundert kodifiziert worden sind. Sie scheinen ebenfalls durch in den berühmten „Stilregeln“ des Duden-Essays (1956, 10⫺ 20): Bilde keine übermäßig langen Sätze! Drücke Handlungen in Verben aus! Vermeide das Papier- oder Amtsdeutsch! Schreibe klar, aber knapp! Wähle die richtige Tonart! Suche immer das treffende Wort! Mit Recht sieht Nickisch (1975, 37 f) allerdings in diesen Forderungen eher Prinzipien als Regeln. Und zu diesen tritt dann noch, an vielen Stellen versteckt (z. B. 1961, 85 und 102), die grammatische Korrektheit, also die Sprachrichtigkeit. Damit wird deutlich, daß auch bei Reiners Sprech- und Schreibsprache verschiedenen Gesetzmäßigkeiten unterliegen, daß sie genau zu unterscheiden sind (vgl. Nickisch 1975, 58). So ist Reiners jedenfalls von Georg Kühn („Stilbildung in der höheren Schule“, 1953), einem seiner großen Bewunderer, verstanden und weitergegeben worden: „Stilistische Vollendung“ ist „nur bei schriftlichen Leistungen erreichbar“, auch wenn „das Schreiben aus der mündlichen Äußerung zu entwickeln ist“ (Kühn 1953, 47). Wir übergehen hier die Duden-Stilfibel von Wilfried Seibicke (BRD 1969, noch heute greifbar) oder die „Praktische Stillehre“ von Georg Möller (DDR 1968), die ebenfalls eine Gebrauchsprosa vertreten und an der stilistischen Eigengesetzlichkeit der Schriftsprache festhalten. Vielmehr wenden wir uns dem letzten aus der erwähnten Trias zu, Wolf

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

Schneider. Schneider, seit 1979 Leiter der Hamburger Journalistenschule, beruft sich in seinen Stil-Lehren „Deutsch für Profis“ (1984) und „Deutsch für Kenner“ (1986, 19936) vielfach auf Reiners, zitiert ihn fleißig „mit Gewinn und Vergnügen“. Er kopiert ihn (und Vorgänger wie Schopenhauer) zudem mit Neubildungen wie „Spreizvokabeln“, „Silbenschleppzüge“ oder „Wortdreimaster“, ebenso mit seinen drei „Generalregeln“ (1986, 40 f): Schreiber und Redner: Fasse dich kurz! Faß die Sache ⫺ triff das Ziel! Liebe deinen Nächsten wie dich selbst! Seine Begründung für eine solch „neue Stilkunde“ (die zur Hälfte, wie er sagt, auch immer die alte sein wird): die Sprachformer unserer Tage sind „Fernsehen, der „Spiegel“ und die Deutsche Presse-Agentur“ (1986, 14). Moderne Schriftlichkeit beruht auf einer „Springflut von Drucksachen“, auf „Wortkaskaden“ aus allen Medien, auf „Hohlprosa“ der wenigen für die vielen (14). So handelt Schneider vom korrekten Deutsch nur am Rande; er kämpft vielmehr gegen die „Wegwerf-Sprache“ und das Kauderwelsch, für eine verschlankte, gereinigte Alltagssprache. Drei seiner „Lösungen“ sind überschrieben: „Kampf der Blähung“, „Kampf dem Krampf“, „Kampf den Satzpolypen“. Dabei vermeidet Schneider jedoch alle Ratschläge, „sich aus verquältem Schriftdeutsch durch eine stärkere Anlehnung an die natürliche Rede zu befreien“ (129). Die gesprochene Sprache ist nämlich längst von schriftdeutschen Eigenheiten durchsetzt, ferner von dem Jargon der Jugendlichen, der Akademiker und anderer Sondersprachen. Deshalb plädiert Schneider für eine schlanke schriftliche Gemeinsprache und eine Disziplinierung der Rede durch Niederschrift, mit der Devise: „Schreibe für die Ohren!“ ⫺ „Lies laut, was du geschrieben hast!“ (136). Als Beispiele für „elegantes, kraftvolles, brillantes Deutsch“ (327) stellt er an den Schluß des Bandes nach bewährtem Muster Passagen aus „Meisterwerken“ von Walser, Kafka, Büchner, Kleist, Nietzsche, Musil, Benn u. a. Die praktische Stilistik im 20. Jahrhundert, von Engel bis Schneider, offenbart eine eindeutige Linie: die genannten Autoren, alle Außenseiter, vermitteln Regeln und Normen zum guten Deutsch, als dessen Paradigma die Schriftsprache, genauer jetzt die „Prosa“ gilt. Ihr Ansatzpunkt ist dabei, in der Nachfolge Schopenhauers, eine konservative, teilweise sogar deutschnationale Sprachkritik. Als Zielstandard gilt durchweg die Hochsprache

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs

des deutschen Bildungsbürgertums. Und sie knüpfen ferner an beim Positivismus des 19. Jahrhunderts, der auch das Arsenal rhetorischer Figuren und Tropen integrierte. 3.2. Die Theorie der Schriftsprache in wissenschaftlichen Stilistiken Ein ganz anderes Bild als die breitenwirksamen Stil-Lehren ergibt durchweg der Blick auf die Stilistiken der Fachgermanisten. Insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg haben sich solche Werke in enger Auseinandersetzung mit den jeweils anerkannten Denkmodellen und Methoden der Sprachanalyse entwickelt. Ihr Bestreben ist es zumeist, „Ordnungsbegriffe“ oder später „Universalien“ einer allgemeinen Stiltheorie herauszustellen. 3.2.1. Inhaltsbezogen-grammatische Modelle Nach einer Zeit der Stagnation in den 20er Jahren gab es zunächst wesentliche Impulse durch Wilhelm Schneider, schon früh über sein Werk „Ausdruckswerte der deutschen Sprache“ (1931), später durch die „Stilistische deutsche Grammatik“ (1959). Schneider, der nach 1945 in Bonn an der Seite von Leo Weisgerber lehrte, führte den Begriff des Ausdrucks- oder Stilwertes ein. Unter Ausdruckswert versteht Schneider „die ästhetische Wirkung einer sprachlichen Erscheinung auf den Leser“ (1931, 20). Ausdruckswerte betreffen immer die Worte, und zwar in ihren Beziehungen zum Gegenstand der Aussage, in ihren Beziehungen untereinander, in ihren Beziehungen zur gesamten Sprache und zum Verfasser. Solche Ausdruckswerte denkt Schneider, in der Nachfolge von Oskar Walzel oder Julius Petersen, immer als relativ flexible „Ordnungsbegriffe“, die zur „Erfassung des Schriftwerks, und zwar seines Sprachstils“ verhelfen sollen (1931, 13). Sie umschreiben also die besondere Leistung, die ein sprachliches Grundelement wie beispielsweise das Substantiv im Zusammenhang der Nationalsprache, in verschiedenen Kontexten und mit Blick auf den Leser erbringt. Im Hintergrund steht dabei die Humboldtsche Lehre von der sprachlichen energeia und Weisgerbers Auffassung von der „wirkenden Kraft“ der Sprache. Und Sprache wird durchaus noch als Monosystem, als die geschlossene und über die Grammatik definierbare Einheit der Schriftsprache betrachtet. Ausgedehnt und weiter systematisiert hat Schneider diese Gedanken in dem Spätwerk von 1959, das auch im Aufbau ganz der traditionellen

1553

Grammatik folgt und seine zahlreichen Beispiele aus der deutschen Dichtkunst vor allem des 19. und 20. Jahrhunderts bezieht, im übrigen aus Lyrik und Prosa gleichermaßen. Ein Beispiel zum Schluß: „Während das Substantiv im allgemeinen den Hörer oder Leser im Abstand von ihm läßt, zieht das Verb ihn ins Geschehen hinein“ (1959, 200; demonstriert an „Der römische Brunnen“ und „Zwischen Himmel und Erde“). Auch Herbert Seidler knüpft in seinem Buch „Allgemeine Stilistik“ (1953/19632) bei der zeittypischen Lehre von den Stilwerten und bei der muttersprachlichen Forschung an; er zielt jedoch auf eine „Stilistik als Wissenschaft vom Stil aller Sprachen“ (63), also auf Universalien. Stil ist für Seidler „die durch Sprache erwirkte, bestimmt geartete Gemüthaftigkeit eines Sprachwerks“ (1953, 62) oder die „Gestaltung des Menschlichen in seiner Weite und Tiefe“ (1963, 58). Gegenstand der Stilistik sind demnach die „Gemütkräfte der Sprache überhaupt“ (1963, 63). Die höchste Form des Gemüthaften aber findet sich im Sprachkunstwerk, das als „Organismus von Stilkräften und Stilelementen“ (1953, 76) aufgefaßt wird. Deshalb ist das Sprachkunstwerk auch erkenntnisleitend bei Seidlers Unterscheidung der Stilarten, die anhand von Gegensatzbegriffen Spannweiten kennzeichnet: dichter und flacher Stil (mit Bezug auf sprachliche Bilder), unmittelbarer und enthobener Stil (mit Bezug auf die Gestaltung der Wirklichkeit), schlichter und entfalteter Stil (mit Bezug auf die „Gefühlshaltung“, d. h. die Art der „Welterfassung“; cf. 1953, 342 ff). Man sieht: bei Seidler führt der Begriff des Stilwertes, klarer noch als bei Schneider, in den Bereich des Ästhetischen. Damit bildet die Stilistik auch die „deutliche Fuge zwischen der Sprachwissenschaft und der Literaturwissenschaft“ (1953, 72). Denn die Stilistik hat bei ihrer Untersuchung der „Vollsprache“ oder der „Gestalt“ im Sprachkunstwerk Einsichten in das Wesen der Sprache überhaupt zu berücksichtigen (Organ der Welterfassung, Lautung, Wirkung). Mit diesen Gedanken steht Seidler dann schon in der Nähe von hermeneutisch-literarischen Stiltheorien, die nach 1945 die Diskussion bestimmten. 3.2.2. Hermeneutisch-literarische Modelle Zwei Autoren haben im ersten Jahrzehnt nach Kriegsende von der Literaturwissenschaft her die Stilforschung und ebenfalls die

1554 Theorie der Schriftsprache stark beeinflußt: Emil Staiger („Grundbegriffe der Poetik“, 1946; „Die Kunst der Interpretation“, 1955) und Wolfgang Kayser („Das sprachliche Kunstwerk“, 1948). Beide wenden sich vehement gegen die normative Stilistik und Rhetorik des 19. Jahrhunderts; beide betrachten aktuelle Stilistiken abwertend als „Lehren des gemäßen Schreibens“ (Kayser 1948/19595, 273), bilden ihren Stilbegriff mit Blick auf die Vollkommenheit des Sprachkunstwerks aus. Denn im „Stil ist das Mannigfaltige eins“, und „Kunstgebilde sind vollkommen, wenn sie stilistisch einstimmig sind“ (Staiger 1955/ 1971, 12). Auch für Kayser ist Stil „die Einheit und die Individualität der Gestaltung“ oder, von innen gesehen, die „Einheit und Individualität der Perzeption, das heißt eine bestimmte Haltung“ (1959, 292). Damit wird aller „empirischen Ermittlung“ oder einem „Indizienbeweis“ (Kayser) eine Absage erteilt: Stil als einheitlicher Ausdruck läßt sich nicht „unmittelbar in Begriffe“ fassen (Staiger 1971, 16), sondern erschließt sich nur einer ganzheitlichen „werkimmanenten“ Interpretation. Für sie hat insbesondere Kayser den Weg bereitet. Er setzt sich ausführlich auseinander mit drei Schulen, die die neuere Stilforschung bestimmten: der sprachwissenschaftlich orientierten Genfer Schule im Gefolge von Charles Bally (Traite´ de stylistique franc¸aise, 1921) mit ihrer Betonung des affektiv-emotionalen Gehalts; der eher literaturwissenschaftlich inspirierten Münchner Schule von Karl Voßler und Leo Spitzer mit ihrer Betonung von Phantasie und Geschmack in den unterschiedlichen Nationalsprachen; der kunstgeschichtlichen Schule von Heinrich Wölfflin mit ihrer auf Gegensatzpaaren aufbauenden Kategorienlehre. Hieraus destilliert Kayser seine Vorstellung vom unverwechselbaren „Werkstil“, und zwar mithilfe des Begriffs „Ausdruck“, den er als „durchgängige gestaltungsmäßige Bestimmtheit durch ein Inneres bezeichnet“ (289). Ähnlich konzipiert Staiger seine Lehre von den „Gattungsstilen“: lyrischer Stil ist reine „Erinnerung“, ohne eigentliche Substanz und Logik; epischer Stil ist „Vorstellung“, Zeigen und Anschaulichmachen; dramatischer Stil schließlich ist „Spannung“, zwischen dem Gegenwärtigen und Zukünftigen, zwischen dem Bedingten und dem Unbedingten. Stil als einheitliche Gestaltung, auch als einheitliche Perzeption: das hat nach Kayser ebenfalls ein Volkslied, ein Märchen, ein Zeitungsartikel oder ein Schulaufsatz (cf. 289). Damit aber

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

avanciert der Stil nun endgültig zum Kernbegriff schriftlicher Ausdrucksformen und dient sogar dazu, die Grenzlinie zur mündlichen Rede zu ziehen. Denn schriftlicher Sprachgebrauch zeigt ja überall das „Funktionieren der sprachlichen Mittel als Ausdruck einer Haltung“ (Kayser 1959, 300), d. h. einer inneren Ordnung. Die Deutschdidaktik der fünfziger und sechziger Jahre hat sich solche Gedanken auf breiter Front zunutze gemacht und für eine Generation noch einmal Impulse zur Schriftsprachgestaltung gegeben: in der Ableitung von Aufsatz- oder Stilformen aus „Einstellungen“ oder „Grundhaltungen“ (z. B. bei Robert Ulshöfer), in dem Bemühen um sprachlich-vollendete Stilbildung (vor allem bei Georg Kühn), schließlich in der Theorie einer kategorial gegliederten muttersprachlich-literarischen Bildung (Hermann Helmers). Geltung und Bedeutung von Begriffen wie „Stilbruch“ oder „Ausdrucksschwäche“ werden erst auf der Folie der Gedanken von Wolfgang Kayser erkennbar. 3.2.3. Funktionalistisch-strukturalistische Modelle Die Stiltheorien der siebziger Jahre wenden sich ganz anderen Schwerpunkten zu. Sie sind eindeutig kommunikationstheoretisch beeinflußt und auch textlinguistisch orientiert. Damit geraten sie wieder in den Sog der Sprachwissenschaft. Der Begriff der kommunikativen Funktion ist schon für die frühen Arbeiten von Elise Riesel („Stilistik der deutschen Sprache“, 19632, „Der Stil der deutschen Alltagsrede“, 1964) kennzeichnend, die in der Tradition der Prager Schule stehen. Riesels Stilistik unterscheidet auf der Makroebene fünf Funktionalstile (Stil der öffentlichen Rede, der Wissenschaft, der Presse und Publizistik, der Alltagsrede und der schönen Literatur), und zwar nach der Zweckbestimmung sowie der gesellschaftlichen Relevanz, „aufgrund kodifizierter Normen für die einzelnen Kommunikationsbereiche“ (Riesel/Schendels 1975, 16). Dabei werden „Sprach- und Redestil“, wie schon die Formulierungen in der obigen Klassifikation verraten, als „dialektische Einheit“ in der „Kommunikationswirklichkeit“ gesehen (1975, 17). Die Funktionalstilistik von Riesel ist also nicht alleine auf schriftsprachlich fixierte Texte bezogen, sondern auch auf mündlich-alltägliche Sprachkontakte bzw. „Sprechakte“, die früher als „Konversationsstil“ bezeichnet wurden. Sie ermöglicht es aber, vor allem im schriftsprachlichen

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs

Bereich, historisch veränderbare und gesellschaftlich determinierte Gebrauchsmuster deskriptiv zu erfassen. Dies geschieht mithilfe der jeweils charakteristischen Stilzüge, d. h. der „inneren qualitativen Wesensmerkmale“ einer Textsorte (1975, 24), die den stilregelnden Anforderungen, beispielsweise an ein amtliches Dokument, entsprechen. Solche Stilzüge beziehen sich in „unterschiedlicher Ausgestaltung“ auf die „grundlegenden Kategorien jeglicher Kommunikation ⫺ Logik, Expressivität und Bildkraft“ (1975, 25). Wie man sieht, wird hier die normative Stilistik mit ihrer Vorstellung vom „guten Stil“ zumindest terminologisch und tendenziell aufgegeben. Man sollte jedoch nicht übersehen, daß das Prinzip der Angemessenheit, das schon bei Engel als „Zweckmäßigkeit“ gedeutet wurde, jetzt nur eine neue, zeitgemäße Begründung erfährt. Auf kommunikationstheoretisch-textlinguistischer Basis entwickelt ist auch die „Strukturale Linguistik“ von Michael Riffaterre (1971, dt. 1973). Trotz einer Reihe ähnlich klingender Termini (z. B. Funktion) liegt hier jedoch eine andersartige Auseinandersetzung mit der Tradition vor. Zunächst geht es Riffaterre vor allem darum, die Forschungen von Charles Bally oder Leo Spitzer durch eine exakte Methode der Stilanalyse weiterzuführen, in Abkehr von der gängigen Rhetorik und natürlich auch der üblichen literarischen Interpretation. Dafür versucht er, die stilistische Struktur eines Textes genauer zu bestimmen. Sie besteht aus einer „Folge markierter Elemente, die mit nicht markierten Elementen kontrastieren“ (1973, 61). Mit anderen Worten: der übliche „stilistische Kontext“, die Norm oder das „linguistische pattern“ ohne Markierung, wird von einem „unvorhersehbaren Element durchbrochen“ (53), das durch Kontrast „als stilistischer Stimulus“ wirkt. Stil ist damit auch hier als Abweichungsphänomen deklariert, das sich jedoch erst innerhalb einer Textstruktur zeigt und also allein textlinguistisch erfaßt werden kann. Allerdings bedient sich Riffaterre zur Erklärung auch kybernetisch-informationstheoretischer Termini. So lassen sich Texte klassifizieren nach dem Grad der Vorhersehbarkeit: die stärkste stilistische Wirkung geht von literarischen Texten aus, deren markierte Elemente eine niedrige Vorhersehbarkeit besitzen und zudem besonders verschlüsselt sind; sie erfordern also, im Gegensatz zur Alltagsnachricht, eine maximale Entschlüsselung, da sie eine ästhetische Information

1555

transportieren. Hier spätestens wird deutlich, daß es nicht ausreicht, stilistische Phänomene textuell oder kontextuell zu klären. Involviert in jedem Kommunikationsprozeß ist der Empfänger, der Leser, mit seinen Hypothesen und Reaktionen. Insofern muß die Stilistik „eine Linguistik der Wirkungen der Nachricht sein“ (125). Es bedarf wohl keiner Frage, daß Riffaterres strukturale Stilistik eine Theorie des Sprachgebrauchs entwirft, in der stilistische Funktionen vor allem an schriftlichen Texten und bei deren Empfängern erkennbar werden. Denn sie allein sind hoch organisiert, elaboriert, setzen eine verbale Planung voraus und lohnen erst die von Riffaterre vorgeschlagene Stilanalyse. Nicht von ungefähr hat er wiederum seine Methode verdeutlicht nur an literarischen Texten, die er als „Sonderfall der linguistischen Kommunikation“ beschreibt (58). Er setzt sogar seinen Begriff der „stilistischen Funktion“ an die Stelle der „poetischen Funktion“ im System von Roman Jakobson (cf. 134 f). 3.2.4 Pragmalinguistische Modelle In den späten siebziger und den achtziger Jahren schließlich geraten noch andere Bezugswissenschaften in den Blickpunkt der Stildiskussion: Sprechakt- und Handlungstheorie sowie Ethnomethodologie. Damit verlagern sich noch einmal die Akzente auch in der Beschreibung schriftlichen Sprachgebrauchs bzw. schriftlicher Gebrauchsmuster der Sprache. Im Übergangsbereich zwischen Soziolinguistik und Pragmalinguistik versuchte zunächst Willy Sanders („Linguistische Stiltheorie“, 1973; „Linguistische Stilistik“, 1977), den Bezugsrahmen und die Reichweite einer modernen Stiltheorie zusammenfassend darzustellen. Sprachstil, als „charakteristische Realisierung eines Kommunikationsaktes“ (1977, 61), hat immer eine idiolektische und eine soziolektische Seite. Beide ergeben ein Geflecht endogener und exogener Faktoren, die sich im Prozeß der Selektion stilistischer Mittel auf der Basis jeweils anerkannter Prinzipien äußern. Als kollektiv-sozial sowie „sachorientiert“ bezeichnet Sanders die Stiltypen, also eingeschliffene Kommunikationsmuster, die situativ, funktional oder textsortenspezifisch geordnet werden können. Eher individuell-sozial bestimmt sind Stilschichten, die sich in hohem Maße „auf Bildungsbzw. Ausbildungsfaktoren“ zurückführen lassen (1977, 132) und einen jeweils spezifischen

1556 „Bewußtheitsgrad der Sprachformung“ repräsentieren (1977, 52). Stilschichten erfassen und erklären damit die charakteristische Art der Auswahl von Stilmitteln, Stiltypen dagegen die typische Art der Einschränkung solcher Wahlmöglichkeiten durch Situation, Zweck etc. In diesem Sinne nennt Sanders später (1986, 21) Stil eine „Gestaltungsstrategie“ in „kommunikativen Handlungszusammenhängen“ ⫺ übrigens theoretisch bezogen auf gesprochene wie geschriebene Texte, in praxi aber dann doch festgemacht vor allem an schriftlichen Stilmustern. Auch für Barbara Sandig („Stilistik“, 1978; „Stilistik der deutschen Sprache“, 1986) ist Stil eine sozialrelevante Handlungsweise, die individuell wie konventionell bestimmt ist. Sandig geht es jedoch um einen grundsätzlichen Neuansatz, der über die Harmonisierung gegensätzlicher Sichtweisen wie z. B. bei Bernhard Sowinski (1973) oder auch Sanders hinausreicht und endlich „eine gewisse Ordnung“ in das bisherige „Chaos“ der linguistischen Stilistik bringen soll. Dafür bedient sich Sandig einer „ethnomethodologischen Fundierung“ (1986, 15), weil es ihr um den „Prozeß des Interagierens“ und um die wechselseitige Konstituierung von Sinn im Alltagshandeln geht, wie es etwa Alfred Schütz oder Harold Garfinkel beschrieben haben. Stil ist für sie bestimmbar als regelhafter Gebrauch gleichartiger sprachlicher Phänomene in gleichartigen sprachlichen Handlungen, die sie als Handlungstypen bezeichnet (1978, 32 et passim). Durch die Verknüpfung von Äußerungsformen mit Handlungstypen entstehen ja stets konventionell vorgegebene Handlungsmuster (1986, 45), die nun auch stilistisch relevant sind. Denn „der generelle Zweck von Stil ist das Zuschneiden, das Zurechtstutzen von Handlungstypen in der Durchführung für den konkreten Fall“ (1986, 32). Das grundlegende Stilmuster wurde von Sandig früher als erwartbares Fortführen bezeichnet (1978, 32); als Sonderfälle nennt sie das Wiederholen und das Variieren (1978, 88). Mit Bezug auf die Handlungstheorien von Gisela Harras und Jochen Rehbein spricht sie später, jedoch mit gleicher Bedeutung, von Durchführen oder von der „Art, wie die Handlung durchgeführt wird“ (1986, 42). Diese je besondere Art ergibt dann „stilistischen Sinn und Stilwirkung“ (1986, 52). An einer Fülle von konkreten Textbeispielen verdeutlicht Sandig, daß Stil als „Gleichzeitighandlung“ und auch als „Zusatzhandlung“ vorkommen kann (1986, 60). Die Bei-

IX. Sprachliche Aspekte von Schrift und Schriftlichkeit

spiele entnimmt sie in großer Bandbreite vor allem der Schriftsprache, als deren Prototyp sie die Hochsprache ansieht (im Unterschied zur gesprochenen „Standardsprache“; 1986, 270). Gesprochene und geschriebene Sprache gelten ihr demnach strukturell und „kanalbedingt“ als verschiedene Varietäten, deren Merkmale, Unterschiede und auch Mischungsverhältnisse stilanalytisch erfaßt werden können. Ob Sandig allerdings mit ihrem zeitbedingt modischen Vokabular, ihrer Ausweitung des Stilbegriffs und der unscharfen Ansiedlung von Stil zwischen Kompetenz und Performanz wirklich Ordnung in das Chaos gebracht oder weiterreichende Impulse für die Beschreibung von Schriftsprache geliefert hat, darf hier ausdrücklich bezweifelt werden.

4.

Zusammenfassung und Ausblick

Darstellung und Diskussion von Stiltheorien und Stil-Lehren seit der Mitte des 18. Jahrhunderts erweisen: Die Stilistik begleitet die Ausbildung des Schriftsprachsystems und die Entwicklung schriftsprachlicher Strukturen, und zwar stets im Einklang mit dem kulturellen Bedarf sowie mit einer ihm entsprechenden Begrifflichkeit. Diese Begleitung bestimmt im wesentlichen Status und Standard, liefert also sozusagen die Ideologie des schriftlichen Sprachgebrauchs. Das geschieht über die zeittypische Formulierung von Prinzipien und Regeln, über die Begründung von Zwecken und Zielen, über die Unterscheidung von Stilarten und Textsorten, über die Konstruktion von Erklärungsmodellen, ebenso über die Festlegung von Normen des recte und bene, über die Präsentation von Mustern, schließlich über den Einfluß von „Stilpäpsten“ in Schule und Öffentlichkeit. Wenn man den Weg des Deutschen oder des Französischen (trotz aller Sonderentwicklungen, vgl. etwa Weinrich 1985) gewissermaßen als Paradigma nimmt, dann lassen sich bei der Ausbildung einer westeuropäischen Sprachkultur, die ganz wesentlich eine stilistisch definierte und formulierte Schriftsprachkultur gewesen ist, etwa die folgenden Etappen unterscheiden: ⫺ Festigung der Einheitssprache in Barock und Aufklärung („hochteutsche Mundart“); ⫺ Formierung von Briefkultur und Literatursprache im 18. Jahrhundert („belles lettres“);

139. Stilistik als Theorie des schriftlichen Sprachgebrauchs

1557

⫺ Ausbildung einer bildungsbürgerlichen Elitesprache im 19. Jahrhundert („Hochsprache“); ⫺ Konsolidierung von Funktionalstilen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Sprache der Öffentlichkeit, Sprache der Werbung und Politik, Fachsprachen, Wissenschaftssprachen); ⫺ Durchsetzung einer „kanalbedingten“ Medien- und Computersprache in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Sprachmischung der „Standardsprache“).

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Auffallend ist bei der kurzen Rückschau natürlich, daß die retardierende Rolle der praktischen Stilistik in Verbindung mit einer konservativen Sprachkritik seit 1900 deutlicher geworden ist. Auch wird man nicht übersehen dürfen, daß sich gegenwärtig ein merkwürdiger Kontrast zeigt: der Abnahme stilistischer Fertigkeiten und Freiheiten, der Reduktion auch schriftsprachlicher Elemente alter Art in der Alltagskommunikation steht ein wiedererwachtes Interesse an Stilistik und „Stilarbeit“ (Praxis Deutsch, Heft 101/1990) gegenüber, bei dem als Leitbegriff bezeichnenderweise der Terminus „Handlung“ figuriert, der ja gerade auf freie Wahlmöglichkeiten und persönliche Verantwortung abhebt, die im Grunde kaum mehr wahrgenommen werden (können). Schriftlicher Sprachgebrauch heute schwankt offenbar zwischen Tradition und Trend; noch stehen überkommene Formen (Erzählungen, Essays, Feuilletons) und reine Beschriftungstechniken (Sprechblasen, Buttons, Graffiti, Computerbriefe) friedlich nebeneinander. Aber schon spricht Burkhard Spinnen in seinem Versuch zur Schriftkultur der Gegenwart von einem „Zeitalter der Aufklebung“ und stellt die bange Frage, ob künftig Schriftliches „nicht mehr auf das Alphabet, sondern auf digitale Codes gegründet sein wird“ (1990, Vorwort), die schließlich zu einer „Schriftvernichtung“ führen. Das wäre nicht nur das Ende des Schreibens und des Schreibprozesses im Sinne etwa von Otto Ludwig (1983), sondern auch der hier vorgestellten Stilistik.

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Gerhart Wolff, Köln (Deutschland)

X. Sonderschriften Special Writing Systems 140. Writing and notation 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

The problem of notation A surrogational theory of notation Comments on Goodman’s theory An integrational theory of notation Comments on Harris’s theory Conclusions References

1.

The problem of notation

It seems intuitively obvious that the systems of marks developed by human beings for writing languages like English, Chinese or Sumerian have something fundamental in common with at least some of the systems or marks developed for purposes such as mathematical calculation, recording music and dance, telling the time, indicating temperature, etc. To say that these all involve visual configurations of various kinds is true enough, but does not spotlight the intuited similarity. It is commonly said that such systems are ‘notational’ or constitute ‘notations’. But the term notation is itself so vague it is unlikely that there is any gain in clarity by declaring that what the systems mentioned above have in common is that they are notations. If we take the definition of notation offered in Crystal’s “Dictionary of linguistics and phonetics”, the problematic character of this concept becomes evident. There we are told that the term notation is used in linguistics and phonetics “to refer to any system of graphic representation of speech” (Crystal 1985, 209). Apart from the question-begging restriction to the representation of ‘speech’ (a term which would in any case stand in need of clarification), the definition in effect equates notation with writing. Given that for many linguists writing is of interest only on condition it is treated as a ‘representation’ of speech, the definition conspicuously fails to identify any distinguishing characteristics of writing systems which make them notations.

And certainly it is hard to see how the simple restriction to representation of speech would do that either, given that the English word notation (like the French notation) is so widely used outside linguistics in connexion with mathematics, logic, music and other enterprises. Lest linguists be thought particularly guilty on this score, it is only fair to add that exactly parallel criticisms could be addressed to musicologists. According to the “Dictionnaire encyclope´dique de la musique”, the term notation is applicable to “toute indication formelle relative a` la fac¸on dont doivent eˆtre reproduits les sons et les silences conside´re´s comme de la musique” (Pryer 1988, 251). Here a note of prescriptivism enters into the definition to complicate the issue. But basically what is wrong is the same as in the linguistic case. The mistake in both instances is the attempt to define a class of signs solely by reference to the purpose or function which the signs are supposed to fulfil. Apart from anything else, this shows a profound ignorance of ⫺ or contempt for ⫺ any lessons in the theory of signs that might have been learnt from the pioneering work of Saussure, Peirce and their successors. What is needed is some attempt to supply specific semiological or semiotic criteria which would differentiate notations from or among systems of signs, and what is surprising at first sight is how few serious attempts have been made to do this. It is interesting to note that in quite general works such as Eco’s (1976) “Theory of semiotics” or “Rhe´torique du signe visuel” by the Groupe m (1992), the question of notation is not even addressed. It would be beyond the scope of the present discussion to go into the reasons for this in any detail, but it is worth suggesting en passant that one reason is that the issue has been obscured by concentrating on dichotomies

1560

X. Sonderschriften

which cut across it: in particular, the oppositions ‘arbitrary vs. non-arbitrary’ and ‘iconic vs. non-iconic’. The fact is that notational systems can be arbitrary or non-arbitrary, iconic or noniconic. It makes no difference; but because the dichotomies mentioned have been assumed to be fundamental, the questions of how notation might be differentiated from non-notational systems has tended to drop out of sight. Here the theory of signs has developed its own historical blinkers. It is an attempt to set these blinkers aside that dictates the structure of the present article. Two types of attempt to define notation will be compared and contrasted, one (Goodman 1968) following a ‘surrogational’ approach and the other (Harris 1992) pursuing an ‘integrational’ approach. The former proceeds on the assumption that notations comprise signs having meaning in virtue of correlations with independently given items which they denote or ‘stand for’, whereas the latter approach assumes that the features that characterize notations can be specified independently of the system or systems of expression in which they are utilized.

2.

A surrogational theory of notation

Credit for bringing the question of notation into focus in recent years must undoubtedly go to the Harvard philosopher Nelson Goodman. What immediately follows is a synopsis of the chapter entitled ‘The Theory of Notation’ in Goodman’s book Languages of Art (Goodman 1968). But it should perhaps be made clear at the outset that a lucid exposition of Goodman’s position is not facilitated by the quirky and occasionally perverse terminology he employs. (In particular, the term inscription is used to cover auditory as well as written signs ⫺ in fact, to include potentially any type of signal whatsoever without restriction as to its mode of realization. So although many of Goodman’s examples are drawn from forms of writing, his definition of notation has nothing at all to do with writing per se.) According to Goodman there are five criteria that conjointly define a notation and they are logically independent of one another. A system is a notation if and only if these five conditions are satisfied. Two of the requirements are syntactic and the other three are semantic. The five are: (i) character-

indifference, (ii) articulation, (iii) unambiguity, (iv) semantic disjointness, and (v) semantic finite differentiation. These are all conditions on units called characters, but it should be noted that, as with the use of the term inscription noted above, characters are not necessarily for Goodman written characters. Goodman distinguishes between a notational scheme and a notational system. A notational scheme is a set of characters plus their rules of combination, if any. A notational system is a notational scheme correlated with a field of reference. The objects in the field of reference are the things which the notation is used to identify or refer to (e. g. in the case of a musical score, a performance of it; in the case of a written word, its pronunciation). The things in the field of reference are said to comply with or to be compliants of their corresponding inscriptions, which are drawn from the notational scheme. The atomic or minimal characters are the basic units of the notational scheme, and each such character is a particular class of inscriptions. An inscription is any mark “that belongs to a character” (Goodman 1968, 131), i. e. is an instance of that character. Goodman’s five conditions will now be examined in detail. (i) The criterion of character-indifference requires that all inscriptions of a given character be syntactically equivalent. Goodman offers two explanations of syntactic equivalence. The first is that the members of a given character in a notation may be freely exchanged for one another without any syntactical effect. The second is that being instances of the same character is a sufficient condition for marks being “true copies” (Goodman 1968, 131) or replicas of one another. However, he concedes that there is in general no degree of similarity that is necessary or sufficient for being a replica. What is clear is that he wishes to treat character-indifference as a reflexive, symmetric and transitive relation having as its outcome the result that no inscription may belong to more than one atomic character. Goodman relates his concept of character-indifference to Peirce’s distinction between types and tokens, but adds that in his (Goodman’s) view types can be dispensed with and tokens treated as replicas of one another. (ii) The requirement that the characters be ‘articulate’ or ‘finitely differentiated’, although described by Goodman as a syntactic requirement, is actually the requirement that

1561

140. Writing and notation

it be possible to determine theoretically that a single inscription does not belong to two different characters in the notational scheme. In other words, it is a requirement that pertains to the identity of the individual characters. The term ‘theoretically’ in this stipulation is to be interpreted, Goodman tells us, “in any reasonable way” (Goodman 1968, 136). Arabic fractional numerals are finitely differentiated, even though the series of finitely differentiated characters in that scheme is infinite. On the other hand, Goodman cites as an example of a scheme lacking finite differentiation a hypothetical case in which there is an alphabet of just two characters, both rectilinear configurations, and all marks of an inch or less belong to one, while all marks longer than an inch belong to the other. In this latter case, evidently, the two characters are by definition distinct and nonoverlapping, but in Goodman’s view it will not be ‘theoretically’ possible to ascertain that certain inscriptions do not belong to both, presumably because of the theoretical impossibility of any finite determination of the length of the shortest member of the second character. (It is important to note that this is quite different from the practical difficulty of devising sufficiently accurate methods of measurement.) (iii) The requirement of unambiguity is taken by Goodman to be as follows: no inscription of a single character shall have different compliants at different times or in different contexts. A character is ambiguous if any inscription of it is. The inscriptions of an unambiguous character are “semantically equivalent” (Goodman 1968, 147). Goodman stresses the point that even if you have ambiguity in the system, semantic equivalence does not imply syntactic equivalence; nor vice versa. (iv) The requirement of semantic disjointedness is that in a notational system the compliances-classes be disjoint. In other words, no two characters have any compliant in common. Goodman concedes that this requirement rules out “most ordinary languages” (Goodman 1968, 152). Exactly what hangs on the words ‘most’ and ‘ordinary’ it is difficult to tell. Goodman does not instance any languages which, exceptionally, fulfil the requirement or might fulfil it, so one may presumably take ‘most’ and ‘ordinary’ as simple pieces of posterior-protection. Actually, since very many known languages seem to afford the possibility of making

statements such as ‘These animals are lions’, it appears that Goodman is willing to write off at least English and any language into which such a statement could be unambiguously translated. (v) The requirement of semantic finite differentiation is parallel to (ii). In other words, it must be ‘theoretically’ possible to determine that any object is not simultaneously a compliant of two different characters in the notational system. Goodman sums up these conditions by saying that a system is notational “if and only if all objects complying with inscriptions of a given character belong to the same compliance class and we can, theoretically, determine that each mark belongs to, and each object complies with inscriptions of, at most, one particular character” (Goodman 1968, 156).

3.

Comments on Goodman’s theory

Goodman’s theory of notation is obviously a form of fixed-code theory, i. e. all systems that conform to its requirements provide for a totally determinate encoding and decoding of every message. His five criteria certainly offer a framework for categorizing various types of device utilized for recording and displaying information. Goodman himself seems to regard his distinction between notational and non-notational systems as a more satisfactory replacement for the familiar distinction between digital and analog systems. For instance, he points out that although a simple analog pressure gauge in which the pointer moves smoothly over an ungraduated surface in direct response to the pressure may be both accurate and adequate for certain purposes, it fails to qualify as a notational device because the system lacks both syntactic and semantic differentiation. However, introducing a graduated dial does not automatically make the system notational. That depends on how the dial is to be read. If the gradations serve merely as visual aids to determining the absolute position of the pointer, the system still lacks syntactic and semantic differentiation. However, if the gradations identify specific pressure values, the exact position of the needle not being taken to indicate finer distinctions of value within each gradation, and provided that both the gradations and the pressure values are disjoint and separated by gaps, however small,

1562 then the system is notational. Similarly, the minute hand of a watch functions notationally provided it is read merely as picking out one of the sixty divisions of the hour; but if the absolute distance of the minute hand beyond the preceding mark is taken to indicate the exact time elapsed since the hand passed that mark, the symbol system is non-notational. Goodman proposes to redefine what he calls the “misleading” terms analog and digital by relating them to his five criteria. It turns out that an analog system is “the very antithesis” (Goodman 1968, 196) of a notational system, whereas a digital system may or may not be notational. It is not clear, however, that Goodman’s theory can handle all the types of case he evidently thinks it can. In particular, there seems to be a problem with systems in which values on the one hand and signs on the other both form continua. As noted above, Goodman’s way of dealing with clocks and watches is to say that all depends on whether the hand is ‘read’ as indicating the absolute time or merely one of a finite set of marked divisions. But if I inspect the minute hand of my watch and say ‘The time is just gone nineteen minutes past two’, it is not altogether clear whether I am reading it notationally or not. I am certainly attaching some significance to the fact that the hand has moved past the nineteen-minute mark; but I am not making a very serious attempt to translate this into seconds. Introducing the notion of ‘reading’ in some respects seems to undermine the basic aims of Goodman’s enterprise, by placing the onus on the reader rather than on the system. However I read the time, the fact is that the minute hand of my watch does not move in saccadic leaps (like the minute hands of some public clocks) but progresses at a constant rate over the dial surface. And this, rather than how I happen to read it, would seem to determine the structure of the system of chronometry employed. Now why Goodman does not wish to include the continuous recording of continua within the scope of notation is another question. As Hutton (1990, 78) points out, Goodman’s rejection of Peirce’s types has to be understood in the context of Goodman’s nominalism. This nominalism, while reluctant to recognize classes, does not involve a rejection of abstractions. On the contrary, the ultimate reason why Goodman links together his five criteria for notation is that this allows him to identify a particular genus of abstract

X. Sonderschriften

entity and to say in what its identity consists. The abstract entities in question he calls allographic, and typical examples are poems and symphonies. As far as Goodman is concerned, a symphony is radically different from a painting, although both count as works of art. Unlike a symphony, a painting, such as Rembrandt’s “Lucretia”, is described by Goodman as autographic. The key to the difference is that a symphony is defined by reference to a symbol system, i. e. by means of its score; whereas there is no score of Rembrandt’s picture ⫺ only the picture itself, which is a unique object. For the same reason, according to Goodman, it is possible to have a forgery of “Lucretia”, but not possible to have a forgery of Beethoven’s “Fifth symphony”. It is the problem of allographic objects that lurks behind Goodman’s theory of notation. The theory seeks to explain, in effect, how such objects can have an enduring identity despite the fact that they fail to have the properties associated with physical objects. That identity is guaranteed logically by the possibility of defining them in terms of a suitable notational system; and the requirements on the notational system are in turn dictated by the demand that it must be possible in principle to distinguish, as Goodman himself puts it, between Beethoven’s “Fifth symphony” and “Three blind mice”. We may or may not share Goodman’s conviction about the importance of being able to identify allographic objects. In one sense that is neither here nor there as regards the coherence of his theory of notation. But in another sense it makes or mars the whole enterprise. For otherwise any given selection of Goodman’s five criteria could be arbitrarily set up to define the term notation; for the criteria are, as Goodman stresses, independent of one another. What makes Goodman’s theory surrogational is its basic assumption that the characters of a notation are to be defined by reference to non-notational objects that the notational inscriptions stand for. And this is one of the issues on which a surrogational theory of notation differs from an integrational theory, as will become apparent from a comparison between Goodman’s theory of notation and Harris’s.

4.

An integrational theory of notation

In his paper “Ecriture et notation”, Harris (1992) proposes a quite different set of criteria for defining a notation. Harris’s point

140. Writing and notation

of departure is diametrically opposed to Goodman’s, in that the ‘integrational’ approach he adopts rejects ab initio any form of fixed-code theory as a model for scripts of the kind traditionally used for literary, legal and religious texts. From Harris’s perspective, the immediate source of significance for signs of all kinds is not a prior set of correlations between forms and meanings but the context in which the individual sign is recognized as occurring. To this extent Harris, like Goodman, is not concerned narrowly with the written sign as such, but with semiological universals. On the other hand, he focuses much more specifically on the relevance of a theory of notation to an understanding of the history of writing. Harris begins by pointing out that Saussure, in his analysis of the relationship between speech and writing, makes the mistake of assuming that the alphabet itself is a system of signs, each alphabetic character having ⫺ or being designed to have ⫺ some specific phonetic value. Even if this were originally so, it cannot be true of the alphabet today, since if it were it would be impossible to explain how the same sequence of alphabetic symbols (e. g. chair) can be used to write one word in language A (e. g. English), but a quite different word in language B (e. g. French). Thus it is the context that determines in any given case how alphabetic symbols are to be interpreted (e. g. how they will be pronounced). Nevertheless a reader is in no doubt that it is the same sequence of alphabetic symbols involved in both cases. Whether they are identified by their English names or their French names is irrelevant, since they could be independently identified by their shape, which is constant across printed French texts and printed English texts. (Regional differentiation in styles of notation is not an issue addressed in Harris 1992.) Harris’s first move is thus to divorce the writing ‘scheme’ (in Goodman’s sense) from the system of signs it serves to implement, and to insist that Saussurean semiology fails entirely to explicate ⫺ or even to acknowledge ⫺ this fundamental distinction. It is this distinction that Harris proposes to recognize by reserving the term notation for a (certain type of) scriptorial system, considered in abstraction from its application to inscribe the signs of any particular language. Notations, in other words, are sets of marks used for writing, but having different func-

1563 tions depending on the particular writing system in question. (It should be noted in connexion with this point that Harris does not make the assumption that the basic function of writing systems is to transcribe speech, even where these systems are clearly correlated with oral languages). According to Harris, the most widely used notations in modern Western culture are the alphabet and the Arabic system of numerals. He points out that in mathematics the difference between a notation and its arithmetic application has long been recognized, although the term notation itself has not been used. For example, the oldest printed mathematical treatise in Europe (the “Practica” of Treviso) begins by discussing numeration and establishing an alphabet of ten letters or figures (0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9), which serves as a basis for all arithmetic. This constitutes a notation in Harris’s sense, and its potential as a system is independent of the particular arithmetic values that might, in different contexts, be assigned to the individual characters and their combinations. Why is this semiological independence of notation not more widely recognized? Because, according to Harris, it is very easy to identify a character in a notation with its most common function. We are tempted to suppose that the figure 5, for instance, always has the same numerical value, i. e. that which it assumes in the counting operations of everyday life. But this is an illusion, arising from a conflation of the figure 5 with the words five, cinq, cinque, etc. Nor is this conflation confined to the ignorant or uneducated: it is possible to find the word five defined in English dictionaries as ‘the number 5’, which compounds the confusion. Whereas the fact is that the figure 5 is the same even when it has no quantificational value at all; for example, when it serves as a unit in a telephone number or post code. The next question for Harris is how to account for this important feature of notation, and the answer he proposes is that the contextual versatility of a notation depends on its being a structured system. When we examine the alphabet and Arabic numerals we find that basically they have the same type of structure. In both cases, the constituent characters are defined (i) by a distinctive visual configuration, and (ii) by a given position in a series, relative to the other characters. Furthermore, the set of characters is closed: it cannot be augmented or reduced

1564 without altering the structural properties of the system. If the system has variants, these variants conform to the same general structural features. These features remain constant irrespective of the values the system is called upon to express in any particular context. This analysis is confirmed, in Harris’s view, by the way the term letter is ordinarily used to refer to a notational character (as in letters of the alphabet). This everyday usage in fact corresponds to two semiological notions which need to be distinguished. When we say ‘This word is spelt with a […]’ and then pronounce the name of one of the letters of the alphabet, we make no mention of whether the letter in question is capital, lower-case, italic, etc. Such distinctions only become relevant when questions of drafting a document or proof correcting arise. They arise precisely because, for example, a capital B does not have the same visual configuration as a lower-case b. Yet both occupy the same position in their respective series. Now sometimes the term letter is applied to a specific configuration (‘This letter is not well formed’), sometimes to a whole family of configurations linked solely by their position in the series and their name. Furthermore, in particular systems of writing there may be quite definite substitution-relations between letters as configurations, depending on their membership of specific letter families. An obvious example is the regular substitution of capitals for the corresponding small letters at the beginning of sentences in a printed English text such as this. All these relations provide evidence, according to Harris, that the semiological phenomenon we are dealing with is a notation system, not a system of expression. The difference, Harris argues, is of great importance in a number of ways. For one thing, it highlights a fundamental asymmetry between the structure of a spoken language and the structure of the corresponding written language ⫺ an asymmetry that Saussurean semiology fails to recognize altogether. (For Saussure, there are only de´saccords: i. e. instances in which writing fails to reflect speech.) But a written English sentence, such as The cat sat on the mat, is based on (and is only possible because of) the application of a notation, i. e. the alphabet, whereas there is no such system underlying the corresponding sentence in spoken English at all. Some linguists would claim that the basic units of a spoken language (at least, on the level corre-

X. Sonderschriften

sponding to the use of alphabetic characters in writing) are its phonemes. Even if this claim is accepted, Harris would deny that the phonemes of a language constitute an oral notation. Their structural role cannot be parallel to that of alphabetic characters, even though it might be possible in principle to set up a writing system in which each alphabetic symbol corresponded to a single phoneme in the spoken language. Phonemes, if they exist, cannot be divorced from the expression system (i. e. spoken language) in which they occur. Whereas what is characteristic of a notation is that its units are structurally independent of the expression system. That is why, historically, it proved possible to adapt the alphabet to so many different languages. On the other hand, it is also why there is no serious possibility of borrowing the phoneme system of English in order to speak French. (Arguably, that is a reasonable description of just what inept learners of a foreign language try to do; and simultaneously an explanation of why it is that they consequently fail to make themselves understood by native speakers of the language they are trying to learn.) At the same time, it explains the ‘international’ status of written sentences such as 2 ⫹ 2 ⫽ 4. Here a notation is being used in the services of an expression system which does not need to be mediated by English, French, or any other language. This is no more miraculous than the fact that the written formula for a knitting pattern can be understood by knitters who would be incapable of understanding each other’s oral translation of the knitting instructions. The ‘miracle’, if there is one, resides in the fact that notations are independent of particular expression-systems in which they are used. How does the human mind manage to divorce the two? One part of Harris’s answer is that a notation is a cultural artifact in a sense in which a phonological system is not. Exactly wherein the difference lies remains to be explored. But we already know that such a difference exists because, for example, no culture has ever been found in which children were first taught to articulate individual sounds or phonemes, and only later taught how to string these together into syllables, and only later still taught how to make syllables into meaningful words. Whereas this is a pattern of instruction familiar in teaching the elements of alphabetic writing. (Quintilian in his

140. Writing and notation

“Institutio Oratoria” offers the classic example: the modern ‘phonic’ method of reading is a recent adaptation.) The other part of Harris’s answer appeals to the idea that there exist certain elementary structures of signification, which recur in a wide variety of human activities. In Harris (1992) the following examples are cited. 1. The Japanese game of shenken is based on a structural opposition between the symbols Knife, Paper and Stone. The priorities are as follows: Knife beats Paper, Paper beats Stone, Stone beats Knife. The two players simultaneously and independently choose one of the three, and the winner is the player choosing the more powerful symbol. Harris points out that one could imagine a different set of priorities: e. g. Knife beats the other two. (But then the game would lose its interest, because the players would always choose Knife.) 2. The suit in a pack of cards. Each has a finite number of members: ace, king, queen, jack, ten, nine, etc. In some games a deuce takes precedence over an ace and a joker takes precedence over all other cards. As between suits, there is no priority except in certain games with trumps. (‘Trump’ is a semiological concept: a local priority is established where there is normally no such priority.) 3. The Chinese calendrical symbolism, comprising the symbols Rat, Ox, Tiger, Hare, Dragon, Snake, Horse, Goat, Monkey, Cock, Dog and Boar. The priorities are chronological and the cycle is repeated every twelve years, invariably in the same order. Thus Horse is always preceded by Snake and followed by Goat. 4. The pelelintangan of Bali. This is a calendrical symbolism comprising thirty-five characters. There are a number of variants, of which the following is typical. Kala sungsang, upside down demon; gajah, elephant; patrem, dagger; uluku, plough; laweyan, headless body; kelapa, coconut tree; kukus, smoke; kiriman, gift; lembu, bull; pedati, empty cart; kuda, horse; yuyu, crab; asu, dog; jong sarat, full ship; sidamalung, sow; tangis, tears; gajah-minah, elephant-fish; lumbung, rice granary; kartika, Pleiades; tiwa tiwa, death ceremonies; sangkatikel, broken hoe; salah ukur, wrong size; bade, cremation tower; kumba, container; naga, dragon; banyak angrem, brooding goose; bubu bolong, leaky fish trap; prahu pegat, broken boat; magelut, couple embracing; udang, shrimp; begoong, fantom head; ru, arrow; sungenge,

1565 sunflower; puwuh atarung, fighting quails; pagelangan, staring. Here the order of symbols does not correspond to simple chronological succession. Their number and their position in the pelelintangan are based on the fact that the Balinese calendar has several systems of weeks running simultaneously. The two most important are the pancawara of five days and the saptawara of seven days. The coincidence of pairs of days in these two weeks is considered as specially significant, and the symbols of the pelelintangan are an allegorical representation of this. In other words, what the pelelintangan shows is the permanent gamut of possibilities of coincidence between the days of the pancawara and the days of the saptawara. Each of these coincidences is a bintang. Thus there are thirty-five of these, and the character of a child is held to be determined by the bintang of the day on which it was born. The pelelintangan is displayed in the form of a grid, in which the thirty-five squares do not correspond to the chronological succession of the bintang but to the order of days in the two weeks. Consequently, the arrangement has the effect of imposing a new succession in both cases: 1, 6, 4, 2, 7, 3 in the case of the saptawara and 1, 3, 5, 2, 4 in the case of the pancawara. In Harris (1992) the above examples are construed in the light of a thesis put forward in Harris (1986), where it was argued that the two basic categories of visual sign are the emblem and the token. The semiological function of the token is simply to indicate another member of a kind already agreed. The semiological function of the emblem is to differentiate one such kind from another. These concepts are developed in Harris (1992) to yield the notion of an emblematic frame (cadran emble´matique), of which the four cases cited above are typical examples. An emblematic frame is defined by reference to a finite number of emblems, each of which has a distinctive visual form, and between any two of which there obtains either a relation of equipollence or a relation of priority. Given these definitions, the shenken system, the suit of cards, the Chinese calendrical symbolism and the pelelintangan are all instances of emblematic frames. Such symbolic frames may be established by a wide variety of cultural traditions and practices. For Harris, the important point about them is this: once an emblematic frame has been established, its structure becomes an

1566

X. Sonderschriften

independent semiological fact. It can be described without reference to the historical cultural practices that gave rise to it, and it can be adapted and used to articulate new and quite different cultural practices. For example, it is possible to describe very exactly the emblematic structure of the pelelintangan without revealing whether the pelelintangan is a calendar or part of a game of cards. Similarly, it is possible to describe the structure of a suit of cards without revealing whether it is part of a card game or a cosmic calendar. It could be both. Emblematic frames, according to Harris, are very common phenomena in different cultures, from the most ‘primitive’ to the most ‘advanced’. They are particularly associated with measurement, with calendars, with military uniforms and insignia, with religious rituals of all kinds and with formalized games. A notation, in short, is for Harris nothing other than an emblematic frame of which the symbols are used as the units in a system of writing; or more generally as the units in a system of visual signalling of any kind.

5.

derive from the binary system; but the opposition between the two characters, their form and their order of priority come from the notation and have nothing to do with the binary principle as such. Likewise, if we compare the two expressions 13 and 31, we see that the two characters are the same, but their syntagmatic relationship is different in the two cases. This difference has nothing to do with the notation, but is explicable by reference to the fact that the denary system and the quaternary system require different syntagmatic structures. It is worth noting that although in Harris (1992) it is assumed that each character in a notation has a distinctive configuration, Harris differs from Goodman in not claiming that it is possible to specify in abstracto criteria for its instantiation. On the contrary, following Saussure, he takes it for granted that there will be indefinitely many cases in which identical marks will instantiate one character in context A but a different character in context B. This is in line with Harris’s more general theoretical position, which treats signs as the products of contextual integration.

Comments on Harris’s theory

Harris’s theory, like Goodman’s, is not essentially tied to writing, nor does it constitute part of an attempt to define writing. Harris does not claim e. g. that all systems of writing are based on notation. But he does claim that with all systems of writing that are based on notation it becomes essential for the analyst to recognize two levels of structure; and furthermore that any theory of signs which does not distinguish between the notation and the system of expression will be unable to do this, and hence be both theoretically and practically inadequate for the analysis of writing systems in general. In Harris’s view it is typically the case that a system of expression grafts a more complex stratum of organization on to that of the notation it uses. He cites as an example the different possibilities of expressing the number thirteen in Arabic numerals. This can be written, for example, 13, 1101, 111, 31, 23, 21 or 11. But all these systems of expression use a selection of characters drawn from the same Arabic inventory and impose a further level of structure on that of the basic notation. Thus the expression of the number thirteen in the binary system is 1101. Here the syntagmatic organization and the numerical values

6.

Conclusions

It is important to distinguish difficulties which arise specifically for Goodman (1968) and Harris (1992) from difficulties which arise for any surrogational theory of notation or for any integrational theory of notation. In this final section comparisons will be drawn between the two types of theory by means of application to specific examples. The relationship between upper case (‘capital’) and lower case (‘small’) letters is a conspicuous feature of writing in English. An integrational analysis will identify e. g. the link between B and b as a feature of the notational system, while identifying the syntagmatic use to which this is put as a feature of the system of expression. Goodman, it seems, would have to deny this, even if in all other respects English writing satisfied his criteria for a notation. According to his theory, B and b cannot be recognized as variants of a single character because of their lack of syntactic equivalence in English. On the other hand, this is not necessary for surrogational theories in general: it is possible to envisage a surrogational theory which did not incorporate Goodman’s requirement concerning

140. Writing and notation

syntactic equivalence. Here, then, is a case where surrogational and integrational theories of notation do not necessarily have to be at variance in practice. Similarly, it is difficult to see how under Goodman’s theory it would be possible to have a phonemic notation for a language like English, since the classes of allophones are not disjoint. But such a notation is not in principle out of the question for a surrogationalist. Or consider the case of traffic lights. In the simplest type of system, a circular red light means ‘stop’ and a circular green light positioned immediately below it means ‘go’, the two lights being illuminated alternately, i. e. in the continuous sequence … red, green, red, green, red, green … Now under Harris’s definition there is no doubt that what underlies this system is a notation. For we are dealing with a finite set of signals (just two), each of which has a distinctive visual configuration (identified by its colour and shape). Furthermore, the relationship between the two lights is ordered in terms of relative position and mutual exclusion (the red light never appearing when the green light shows and vice versa). But the meaning of the signals is quite independent of this notational structure. It would be perfectly possible to have a convention in which the values were reversed and red meant ‘go’ while green meant ‘stop’. Or red might mean ‘turn right’ while green meant ‘turn left’. An indefinite number of other conventions or sets of messages can easily be imagined, any of which could be articulated by a notation structured in this way. Under Harris’s definition, on the other hand, the symbols of the Highway Code in general do not constitute a notation. For it would be possible to add new symbols (e. g. 쐌쐌l쐌 meaning ‘diesel vehicles prohibited on this motorway’) without in any way interfering with the symbols already in use. Now it might be argued that Harris’s inclusion of the requirement of a finite set of symbols is unnecessarily restrictive, since that does not matter from an integrational point of view, provided it is possible to assign new symbols a determinate place in the notational structure. For this proviso safeguards the integrational principle that values are established only by contextual integration in a particular communication situation. Under Goodman’s definition, on the other hand, there are various problems with admitting that the traffic lights involve a notational

1567 system at all. One difficulty arises from the fact that the colour spectrum is a continuum. Thus it seems that there would be, for instance, an indefinite number of cases for which it would be impossible to determine whether the light was green or not green. What would be violated here is Goodman’s second syntactic requirement of finite differentiation. For this is violated, as Goodman himself observes, “wherever there is even a single mark that does not belong to two characters and yet is such that determination of its nonmembership in at least one of them is theoretically impossible” (Goodman 1968, 137). If the traffic lights were to meet this condition they would have to operate with colour bands defined far more rigorously than red and green. Even if standard samples of the two colours were provided in the Highway Code, it would not be adequate to use these, for the notion ‘like the colour sample given’ is itself not well defined. Another problem for Goodman arises with determining the compliance classes corresponding to the meanings ‘stop’ and ‘go’. In practice, the green light is normally interpreted as telling the motorist to proceed if the way is clear. Thus in certain circumstances remaining stationary is behaviour compliant with the green signal, as it also is with the red. This violates the requirement that in a notational system the compliance classes be disjoint. Now it would be perfectly possible to have a surrogational theory of notation in which compliance classes were not required to be disjoint. But it is difficult to see how a surrogationalist could concede that the succession of red and green lights had any semiological structure or status at all if no fixed meaning were assigned to these respective signals. The application of the two theories to writing music is also instructive. Under Goodman’s definition, an arrangement of notes on a stave could not possibly be notational unless, at the very least, the key signature were specified and precise definitions of pitch, duration and intensity provided. Under Harris’s definition, these requirements would not matter, provided that the different types of note were visually distinctive, finite in number, and their ordinal ranking clear (irrespective of the actual values assigned to e. g. quaver, semiquaver, etc.). What emerges from this is that although it is possible to envisage a surrogational theory that imposes rather less stringent conditions

1568

X. Sonderschriften

than Goodman’s, and likewise an integrational theory that imposes somewhat different requirements from Harris’s, there is no compromise possible between the two types of theory. In particular, it is difficult to see how any type of surrogational theory would accommodate the integrational distinction between a notation and a system of expression that uses the notation. For if the sign is defined by reference to what it stands for, then features of the kind that an integrational theory treats as typical of notational structure have to be treated as if they were merely accidental, i. e. as features which happen to be present (for historical or other reasons) but which were not significant in the sense of belonging to the sign system as such. This conclusion concerning possible types of notation theory represents at least one major landmark established in a field where hitherto there has been little but vagueness and uncertainty.

7.

References

Crystal, David. 1985. A Dictionary of Linguistics and Phonetics. 2nd ed. Oxford. Eco, Umberto. 1976. A Theory of Semiotics. Indiana. Goodman, Nelson. 1968. Languages of Art. Indianapolis. Groupe m. 1992. Traite´ du signe visuel. Paris. Harris, Roy. 1986. The Origin of Writing. London. ⫺. 1992. “Ecriture et notation”. [Paper delivered to the first workshop of the European Science Foundation network on Written Language and Literacy, Siena, September, 1992.] Hutton, Christopher M. 1990. Abstraction and Instance. Oxford. Pryer, Anthony. 1988. Notation musicale. In: Arnold, D. (ed.), Dictionnaire Encyclope´dique de la Musique. t. 2. Paris.

Roy Harris, Oxford (England)

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem ⫺ alphabetisches Sortieren 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Alphabet und Alphabetreihe Absolute alphabetische Sortierung Zähl- und Zahlsysteme Geschichte der Alphabetreihe und ihrer Anwendung Schlußüberlegung Literatur

1.

Alphabet und Alphabetreihe

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden zwei Aspekte des Ausdrucks ‘alphabetisch’ nicht getrennt. Zum einen ist damit ein bestimmter Schrifttyp angesprochen: Alphabetisch wird ein Schriftsystem genannt, das über eine begrenzte kleine Menge von Schriftzeichen verfügt, aus denen die Bedeutungsträger zusammengesetzt sind und die auf ‘Laute’ bzw. ‘Phoneme’ der Sprache bezogen sind (→ Art. 118). Zum anderen ist das Alphabet eine geordnete Menge, d. h. es gibt eine kanonische Abfolge der Schriftzeichen, der Elemente des Alphabets. Alphabetisch bedeutet in diesem Kontext, daß eine Menge von Ausdrücken gemäß dieser Abfolge angeordnet ist. Es scheint angezeigt, diese beiden Aspekte des Ausdrucks Alphabet im wissenschaftlichen Sprachgebrauch zu trennen. Im folgen-

den soll unter Alphabet die ungeordnete (!) Menge der Buchstaben eines Schriftsystems verstanden werden, d. h. diejenige Teilmenge der Schriftzeichen, aus deren Elementen in alphabetischen Schriftsystemen die Bedeutungsträger zusammengesetzt sind. Dieser Begriff bezeichnet damit einen Spezialfall der Verwendungsweise des Ausdrucks in der Mathematik und der formalen Logik, wo unter Alphabet die ungeordnete Menge der Symbole verstanden wird, aus denen wohlgeformte Ketten komplexer Ausdrücke gebildet werden können. Im Unterschied dazu soll von der Alphabetreihe oder auch kurz vom ABC gesprochen werden, wenn es um die Reihenfolge der Buchstaben in ihrer kanonischen Anordnung geht; die damit verbundene Tätigkeit heiße alphabetisches Sortieren.

2.

Absolutes alphabetisches Sortieren

Die Technik alphabetischen Sortierens und des Auffindens von Information in alphabetisch sortierten Listen ist den meisten literaten Menschen so vertraut, daß es gar nicht so einfach ist, sich klarzumachen, was dieser Technik und Tätigkeit zugrundeliegt; wissen-

1568

X. Sonderschriften

than Goodman’s, and likewise an integrational theory that imposes somewhat different requirements from Harris’s, there is no compromise possible between the two types of theory. In particular, it is difficult to see how any type of surrogational theory would accommodate the integrational distinction between a notation and a system of expression that uses the notation. For if the sign is defined by reference to what it stands for, then features of the kind that an integrational theory treats as typical of notational structure have to be treated as if they were merely accidental, i. e. as features which happen to be present (for historical or other reasons) but which were not significant in the sense of belonging to the sign system as such. This conclusion concerning possible types of notation theory represents at least one major landmark established in a field where hitherto there has been little but vagueness and uncertainty.

7.

References

Crystal, David. 1985. A Dictionary of Linguistics and Phonetics. 2nd ed. Oxford. Eco, Umberto. 1976. A Theory of Semiotics. Indiana. Goodman, Nelson. 1968. Languages of Art. Indianapolis. Groupe m. 1992. Traite´ du signe visuel. Paris. Harris, Roy. 1986. The Origin of Writing. London. ⫺. 1992. “Ecriture et notation”. [Paper delivered to the first workshop of the European Science Foundation network on Written Language and Literacy, Siena, September, 1992.] Hutton, Christopher M. 1990. Abstraction and Instance. Oxford. Pryer, Anthony. 1988. Notation musicale. In: Arnold, D. (ed.), Dictionnaire Encyclope´dique de la Musique. t. 2. Paris.

Roy Harris, Oxford (England)

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem ⫺ alphabetisches Sortieren 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Alphabet und Alphabetreihe Absolute alphabetische Sortierung Zähl- und Zahlsysteme Geschichte der Alphabetreihe und ihrer Anwendung Schlußüberlegung Literatur

1.

Alphabet und Alphabetreihe

Im allgemeinen Sprachgebrauch werden zwei Aspekte des Ausdrucks ‘alphabetisch’ nicht getrennt. Zum einen ist damit ein bestimmter Schrifttyp angesprochen: Alphabetisch wird ein Schriftsystem genannt, das über eine begrenzte kleine Menge von Schriftzeichen verfügt, aus denen die Bedeutungsträger zusammengesetzt sind und die auf ‘Laute’ bzw. ‘Phoneme’ der Sprache bezogen sind (→ Art. 118). Zum anderen ist das Alphabet eine geordnete Menge, d. h. es gibt eine kanonische Abfolge der Schriftzeichen, der Elemente des Alphabets. Alphabetisch bedeutet in diesem Kontext, daß eine Menge von Ausdrücken gemäß dieser Abfolge angeordnet ist. Es scheint angezeigt, diese beiden Aspekte des Ausdrucks Alphabet im wissenschaftlichen Sprachgebrauch zu trennen. Im folgen-

den soll unter Alphabet die ungeordnete (!) Menge der Buchstaben eines Schriftsystems verstanden werden, d. h. diejenige Teilmenge der Schriftzeichen, aus deren Elementen in alphabetischen Schriftsystemen die Bedeutungsträger zusammengesetzt sind. Dieser Begriff bezeichnet damit einen Spezialfall der Verwendungsweise des Ausdrucks in der Mathematik und der formalen Logik, wo unter Alphabet die ungeordnete Menge der Symbole verstanden wird, aus denen wohlgeformte Ketten komplexer Ausdrücke gebildet werden können. Im Unterschied dazu soll von der Alphabetreihe oder auch kurz vom ABC gesprochen werden, wenn es um die Reihenfolge der Buchstaben in ihrer kanonischen Anordnung geht; die damit verbundene Tätigkeit heiße alphabetisches Sortieren.

2.

Absolutes alphabetisches Sortieren

Die Technik alphabetischen Sortierens und des Auffindens von Information in alphabetisch sortierten Listen ist den meisten literaten Menschen so vertraut, daß es gar nicht so einfach ist, sich klarzumachen, was dieser Technik und Tätigkeit zugrundeliegt; wissen-

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141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem

schaftliche Literatur ist dazu kaum zu finden. Worin besteht eine vollständige alphabetische Anordnung, was macht man beim vollständigen, absoluten oder mechanischen alphabetischen Sortieren (Wiegand 1989)? Die Elemente einer Liste, z. B. die Lemmata eines Wörterbuchs, werden beim absoluten Alphabetisieren analysiert als den jeweiligen Buchstabenketten zugeordnete Zahlenwerte. Dabei wird jeder Buchstabenposition des Wortes diejenige Ziffer zugeordnet, die der Stelle des Buchstabens in der Alphabetreihe entspricht. Zur Verdeutlichung beschränken wir uns zunächst auf diejenigen deutschen Wörter, die aus den ersten neun Buchstaben der Alphabetreihe bestehen, also aus den Buchstaben A, B, C, D, E, F, G, H und I. Da finden wir z. B. die Wörter EBBE, BACH, DACH, CHIC, AFFE, IDEE, HIEB, GABE, FACH. In Ziffern umgewandelt ergibt sich (A ⫽ 1, B ⫽ 2, C ⫽ 3, D ⫽ 4, E ⫽ 5, F ⫽ 6, G ⫽ 7, H ⫽ 8, I ⫽ 9): 5225, 2138, 4138, 3893, 1665, 9455, 8952, 7125, 6138. Wir ordnen die Wörter alphabetisch, indem wir die entsprechenden Zahlenwerte ordnen, vgl. Liste 141.1. Freilich sind das nicht alle Wörter unserer Menge, da gibt es u. a. noch DA, BEI, AHA, BAD mit den Werten 41, 259, 181, 214. Es ist unmittelbar ersichtlich, daß diese Wörter kleinere Werte zeigen und deshalb vor AFFE einzuordnen wären, was nicht stimmig ist. Eine Lösung des Problems besteht darin, die Zahlenwerte am Ende durch 0 aufzufüllen, wobei sich die erwünschte Reihung ergibt, vgl. Liste 141.2. Entsprechend zu verfahren ist mit den längeren Wörtern FEIGE, EICHE, BEIGE mit den zugeordneten Werten 65975, 59385, 25975: Wir benötigen eine weitere Nullstelle, um diese Wörter korrekt einordnen zu können, vgl. Liste 141.3. Zur Verdeutlichung wurden hier nur die ersten 9 Buchstaben der im Deutschen verwendeten Alphabetreihe betrachtet. Dies erlaubte es, die Buchstabenfolge von A bis I direkt auf die Ziffernfolge eines Dezimalsystems (von 1⫺9) abzubilden; die Null entspricht dem Nichtvorhandensein eines Buchstabens in einer Buchstabenkette. Es bedeutet also, wie schon in der Klammer notiert, in den Listen 141.1⫺3 der Zahlenwert 94550 für IDEE nichts anderes als 9*104 ⫹ 4*103 ⫹ 5*102 ⫹ 5*101 ⫹ 0*100. Tatsächlich weisen aber alle in den Schriften der Welt verwendeten ABCs mehr als 9 Buchstaben auf. Rechnerisch bedeutet das, daß wir Buchstabenket-

ten abbilden müssen auf ein Zahlensystem zur Basis n, wobei n ⫽ 1 ⫹ {Anzahl der Buchstaben im ABC}. n muß um eins größer sein als die Anzahl der Buchstaben in der ABC-Reihe, weil ja noch die Null benötigt wird, für die es im ABC kein Zeichen gibt (dies ist in Günther 1990 übersehen worden). Im Deutschen beträgt die Zahl der Buchstaben von A bis Z 26, also n⫽27 (s. aber unten Zf. 4.4.). Im übrigen bleibt alles gleich. Wir ordnen also die Wörter DERB, PASTE, ADER, OPFER, ODER, WURF, DER alphabetisch aufgrund dieser Analyse so, wie dies in Liste 141.4 angegeben ist. Voraussetzung alphabetischen Sortierens ist also das Vorliegen einer Alphabetreihe, d. h. einer fixen Abfolge der Schriftzeichen eines Alphabets. Gemäß der vorgelegten Analyse lassen sich dann beliebige Buchstabenketten alphabetisch sortieren: Unter Zugrundelegung der kanonischen Form des ABC erhält jede Buchstabenkette, die aus Elementen des ABC gebildet ist, einen wohldefinierten Platz in der Menge aller Buchstabenketten über diesem ABC, da für zwei beliebige Ausdrücke gilt, daß derjenige, dem der kleinere Zahlenwert zugeordnet wird, vor dem anderen eingeordnet ist. Dabei ist die Abfolge der Einheiten der Alphabetreihe konventionell und arbiträr; prinzipiell wäre jede andere Abfolge der Elemente genau so möglich; auch kann ein ABC andere Elemente enthalten. Zum alphabetischen Sortieren ist also jeweils ein ABC zu definieren, d. h. die Zuordnung der natürlichen Zahlen von 1 bis n zu den Elementen, aus denen die Zeichenketten bestehen. Alphabetisches Sortieren läßt sich also auf die Grundtätigkeit des Zählens zurückführen. Im folgenden Abschnitt sollen die schriftlichen Formen des Zählens kurz dargestellt werden.

3.

Zähl- und Zahlsysteme

3.1. Additionssysteme Die einfachste Form des Zählens ist die Zuordnung von Gegenständen, z. B. Kieselsteinen, oder visuellen Marken, z. B. Kerben in einem Holzstück oder Knochen, zu den zu zählenden Objekten. Die Größe des Haufens von Steinen oder die Menge der Kerben entspricht der Größe der Sippe, der Herde oder was immer man zählen wollte. Ein solcher Haufen Steine aber ist unstrukturiert und wenig praktikabel; die Größe eines Kerbholzes ist beschränkt.

1570

X. Sonderschriften

AFFE BACH CHIC DACH EBBE FACH GABE HIEB IDEE

(1*103 (2*103 (3*103 (4*103 (5*103 (6*103 (7*103 (8*103 (9*103

+ + + + + + + + +

6*102 1*102 8*102 1*102 2*102 1*102 1*102 9*102 4*102

+ + + + + + + + +

6*101 3*101 9*101 3*101 2*101 3*101 2*101 5*101 5*101

+ + + + + + + + +

5*100) 8*100) 3*100) 8*100) 5*100) 8*100) 5*100) 2*100) 5*100)

(1*103 (1*103 (2*103 (2*103 (2*103 (3*103 (4*103 (4*103 (5*103 (6*103 (7*103 (8*103 (9*103

+ + + + + + + + + + + + +

6*102 8*102 1*102 1*102 5*102 8*102 1*102 1*102 2*102 1*102 1*102 9*102 4*102

+ + + + + + + + + + + + +

6*101 1*101 3*101 4*101 9*101 9*101 0*101 3*101 2*101 3*101 2*101 5*101 5*101

+ + + + + + + + + + + + +

5*100) 0*100) 8*100) 0*100) 0*100) 3*100) 0*100) 8*100) 5*100) 8*100) 5*100) 2*100) 5*100)

1665 2138 3893 4138 5225 6138 7125 8952 9455

Liste 141.1 AFFE AHA BACH BAD BEI CHIC DA DACH EBBE FACH GABE HIEB IDEE

1665 1810 2138 2140 2590 3893 4100 4138 5225 6138 7125 8952 9455

Liste 141.2 AFFE AHA BACH BAD BEI BEIGE CHIC DA DACH EBBE EICHE FACH FEIGE GABE HIEB IDEE

16650 18100 21380 21400 25900 25975 38930 41000 41380 52250 59385 61380 65975 71250 89520 94550

(1*104 (1*104 (2*104 (2*104 (2*104 (2*104 (3*104 (4*104 (4*104 (5*104 (5*104 (6*104 (6*104 (7*104 (8*104 (9*104

+ + + + + + + + + + + + + + + +

6*103 8*103 1*103 1*103 5*103 5*103 8*103 1*103 1*103 2*103 9*103 1*103 5*103 1*103 9*103 4*103

+ + + + + + + + + + + + + + + +

6*102 1*102 3*102 4*102 9*102 9*102 9*102 0*102 3*102 2*102 3*102 3*102 9*102 2*102 5*102 5*102

+ + + + + + + + + + + + + + + +

5*101 0*101 8*101 0*101 0*101 7*101 3*101 0*101 8*101 5*101 8*101 8*101 7*101 5*101 2*101 5*101

+ + + + + + + + + + + + + + + +

Liste 141.3 ABEND ADER DER ODER OPFER PASTE WURF

1*274 1*274 4*274 16*274 16*274 17*274 24*274

Liste 141.4

+ 2*273 + 4*273 + 5*273 + 4*273 +16*273 + 1*273 +21*273

+ 5*272 + 5*272 +18*272 + 5*272 + 6*272 +19*272 +18*272

+15*271 +18*271 +18*271 +18*271 + 5*271 +20*271 + 6*271

+ 4*270 + 0*270 + 0*270 + 0*270 +18*270 + 5*270 + 0*270

0*100) 0*100) 0*100) 0*100) 0*100) 5*100) 0*100) 0*100) 0*100) 0*100) 5*100) 0*100) 5*100) 0*100) 0*100) 0*100)

1571

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem

Abb. 141.1: Das ägyptische Zahlensystem der Hieroglyphenschrift (aus Ifrah 1989: 232); es fehlt das Zeichen für die Millionen.

Sehr bald kam man in allen Kulturen der Welt auf effizientere Verfahren. Sie beinhalten weiterhin den Vorgang des Zählens im Sinne einer Addition, strukturieren den Vorgang aber durch die Verwendung verschiedener visueller Symbole (vgl. dazu und zum folgenden ausführlich Menniger 1957, Ifrah 1989). Die historisch verbreitetste Form sind Additionssysteme. Ein Beispiel ist das ägyptische dekadische Zahlsystem mit je einem Zeichen für 1, 10, 100, 1000, 10000, 100000 und 1000000 (Abb. 141.1). Eine Zahl wird dadurch ausgedrückt, daß die Anzahl der Einer, Zehner, Hunderter, Tausender usw. hingeschrieben wird; der Zahlenwert ist durch Addieren zu ermitteln (vgl. Abb. 141.2 oben als Schreibung der Zahl 3577 in der ägyptischen Hieroglyphenschrift, wofür 22 Zeichen benötigt werden). Das System ist strukturell sehr einfach; es besteht aus nicht mehr als 7 Zeichen, mit denen man alle natürlichen Zahlen ausdrücken kann, die kleiner als 10 Millionen sind. Mathematisch betrachtet sind die einzelnen Zahlzeichen durch folgende Reihe definiert:

Abb. 141.2: Ägyptische Schreibung der Zahl 3577 in hieroglyphischer (oben) und hieratischer (unten) Schreibweise (aus Ifrah 1989: 269)

1572 n0 n1 n2 n3 n4 n5 n6 (wobei n ⫽ 10) Allerdings wird die Einfachheit erkauft durch die Komplexität der Zahlendarstellung; für die höchste in diesem System darstellbare Zahl (9999999) benötigt man 81 Zahlzeichen. Alle hieroglyphischen Zahlzeichen werden in der Hieroglyphenschrift auch bei der Schreibung von Wörtern verwendet (entweder als Semo- oder als Phonogramm); so bedeutet das Zeichen für 100000 ‘Kaulquappe’, das Zeichen für 1000 ‘Lotosblume’ etc. Es werden also in der ägyptischen Hieroglyphenschrift Schriftzeichen als Zahlzeichen verwendet, es besteht systematische Homographie (zu den anderen Verhältnissen in der ägyptischen hieratischen Schrift s. u.). Ebenfalls mit 7 Zahlzeichen kommt das bis heute für spezielle Zwecke verwendete römische System der Zahlzeichen aus: I (1), V (5), X (10), L (50), C (100), D (500), M (1000). Mathematisch betrachtet ist es ein Additionssystem mit zwei Basen n und m, die in folgendem Zusammenhang stehen: n0 m n1 mn1 n2 mn2 n3 (wobei n ⫽ 10, m ⫽ 5) Das System ist überschaubarer; die maximale Zahl aufeinander folgender gleicher Symbole in einem Zahlausdruck beträgt 4 (gegenüber 9 im hieroglyphischen System). Unsere oben als Beispiel gewählte Zahl 3577 wird mit römischen Ziffern MMMDLXXVII geschrieben. Man benötigt also nur 10 Zahlzeichen gegenüber den 17 Zeichen der hieroglyphischen Zahlenschreibweise. Allerdings ist in dieser einfachen Form der römischen Zahlen auch die Reichweite des Systems erheblich eingeschränkt; die höchste darstellbare Zahl ohne eine Erweiterung des Systems (s. u.) ist 4999. Entgegen dem Anschein und der vielfach anzutreffenden Behauptung in der Literatur, die römischen Zahlzeichen seien von lateinischen Schriftzeichen abgeleitet, hat Gerschel (1960) plausibel machen können, daß sie sich aus der Form von Einkerbungen in Holz oder anderes Material ableiten lassen (vgl. Ifrah 1989, 163 ff), wie sie in sehr unterschiedlichen Kulturen nachweisbar sind. Allerdings sind die Zahlzeichen später an Buchstabenformen angeglichen worden; im Falle von M ⫽ mille ist das alte Zeichen in der Tat durch den Anfangsbuchstaben des Zahlworts ersetzt worden. Es handelt sich also bei der lateinischen Zahlenschreibung nicht darum, daß Schriftzeichen als Zahlen verwendet werden; viel-

X. Sonderschriften

mehr werden genuine Zahlzeichen a posteriori an Buchstabenformen angeglichen. Additionssysteme dieser Art sind in der ganzen Welt verbreitet (für verschiedene Beispiele vgl. Ifrah 1989, 241⫺263). Das Zahlensystem der Maya z. B. entsprach dem Ägyptischen, allerdings war die Basis 20. Eine Entsprechung zum römischen System mit Basis 10, aber einer anderen Größe für die Hilfsbasis m, nämlich 60, finden wir in der sumerischen Notation von Zahlen (→ Art. 18). Die mit solchen Systemen notierten Zahlen waren in der Regel nicht „als Ganze“ lesbar, sondern ihr Lesen stellte immer eine Additionsoperation dar. Sie sind durch die Zahl der verwendeten Symbole in ihrer Reichweite beschränkt; will man den Zahlenraum erweitern, so muß man neue Zeichen hinzuerfinden. Im römischen Fall etwa bräuchte man sechs neue Zeichen, um bis zur Größenordnung der ägyptischen Zahlzeichen vorzustoßen. Gravierender ist das folgende Problem: Selbst in der noch vergleichbar übersichtlichen römischen Zahlenschrift entstehen bisweilen komplizierte Gebilde, mehr noch in den anderen beiden Systemen. Deshalb wurden sehr bald abkürzende Darstellungen erfunden, z. B. durch Subtraktion. So wird im römischen System die ohnehin auf 4 reduzierte maximale Menge identischer aufeinanderfolgender Zahlzeichen durch die Subtraktionsschreibweise weiter eingeschränkt, d. h. dadurch, daß man, abweichend von der üblichen Schreibweise, in der die Ziffern von links nach rechts absteigend entsprechend ihrer Größe hingeschrieben werden, ein kleineres Zahlzeichen v o r das größere schreibt; man schreibt also z. B. IV (5⫺1) und XL (50⫺10) anstelle von IIII oder XXXX für die Zahlen 4 bzw. 40 etc. Eher zufällig wird in Ägypten dieses Problem auf ganz andere Weise einer Teillösung zugeführt, nämlich durch das Schreiben der Zahlen selbst. Die ägyptischen Hieroglyphen sind eine Monumentalschrift im Sinne des Wortes (→ Art. 34): Sie wurden im wesentlichen auf steinernen Monumenten geschrieben und behielten dort ihre Form und Schreibweise über Jahrhunderte hinweg, als sich für das Rechnungs- und Verwaltungswesen längst ganz andere Formen des Schreibens von Texten und Zahlen herausgebildet hatten, nämlich die hieratische und die demotische Schrift (→ Art. 19). In diesen auf effektive Schreib- und Lesbarkeit hin angelegten Schriften störten so umständliche Zahlen, in denen die gleichen Symbole bis zu neunmal

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem

zu schreiben waren, denn solche Anhäufungen sind beim Lesen wie beim Schreiben fehleranfällig. Anstelle einer rechnerischen Lösung fanden die Schreiber eine graphische (im Sinne des Wortes), indem sie gleiche Zahlzeichen gruppierten, wodurch sie optisch gegliedert wurden. Die gruppierten Einheiten wurden dann auch graphisch zunehmend in einem Zug geschrieben, d. h. die 2⫺9 Einzelzeichen mit einem Strich, so daß sich als Endprodukt eine durchaus andere Struktur des Zahlschreibsystems ergibt (vgl. Abb. 141.3):

Abb. 141.3: Entwicklung einiger Zahlzeichen aus der ägyptischen Hieroglyphenschrift zur hieratischen Schrift (aus Ifrah 1989: 266)

Das Zeichen für 5 läßt sich graphisch nicht mehr analysieren als 1 ⫹ 1 ⫹ 1 ⫹ 1 ⫹ 1, das für 30 nicht mehr als 10 ⫹ 10 ⫹ 10 usw. Es entstehen graphische Zeichen für alle „Zwischenstationen“ (vgl. Abb. 141.1) bis zur 9000, also insgesamt 4*9 ⫽ 36 Zeichen. Dadurch wird das System einerseits komplexer: Statt 4 Zahlschriftzeichen (bis zur Größenordnung der Tausender) enthält es jetzt 36. Aber die Schreibung der Zahlen hat sich drastisch vereinfacht; unser obiges Beispiel 3577 läßt sich jetzt auch ägyptisch (hieratisch) mit 4 Zeichen schreiben, d. h. als 3000 ⫹ 500 ⫹ 70 ⫹ 7 (Abb. 141.2). Viele in der hellenistischen Zeit und später entwickelte Zahlschriften bauen auf eben dieser Entwicklung des Ägyptischen auf, vgl. Ifrah (1989, 271⫺273). Charakteristisch ist, daß die Homographie zwischen Zahlzeichen und sprachlichen Zeichen weitgehend aufgehoben wird: Die Zahlzeichen bilden nun eine distinkte Menge der

1573 Schriftzeichen, und es gibt nur wenige Schriftzeichen, die gleichzeitig der schriftlichen Wiedergabe von Zahlen und von Wörtern dienen, d. h. man kann Zahlen mit Ziffern (z. B. 124) oder mit Buchstaben (z. B. einhundertvierundzwanzig) niederschreiben. Ein anderer Weg, den Schreib- und Leseproblemen einfacher Additionssysteme zu begegnen, besteht darin, große Zahlen durch die Angabe von Multiplikatoren zu notieren. Im römischen System wird z. B. die Multiplikation mit 1000 durch einen waagrechten Strich über den entsprechenden Zahlzeichen angezeigt, die Multiplikation mit 100000 durch ein unvollständiges Rechteck. Im Sumerischen wird schon bald nach der Einführung der Keilschrift für die Zahl 216000 statt der Aneinanderreihung von 6 Zeichen für 36000 das Zeichen für 36000 nur noch einmal hingeschrieben, in das Zeichen hinein aber die Zahl 6 (216000 ⫽ 6 * 36000); ähnlicher Verfahren bedient man sich auch in der hieratischen Zahlenschreibweise und später bei Griechen und Römern (vgl. Ifrah 1989, 355⫺365). Durch solche Schreibweisen entstehen hybride Systeme, die nicht mehr rein additiv sind. Sie sind überdies fehleranfällig: Der Schreiber und der Leser, beide müssen korrekt rechnen, um eine Anzahl richtig hinzuschreiben oder um eine niedergeschriebene Zahl richtig zu erfassen; zudem fällt das Rechnen mit solchen Zahlen sehr schwer (s. u.). 3.2. Buchstaben als Zahlen ⫺ Das griechische Zahlen-ABC Das hieratische dezimale Additionssystem der Ägypter hatte für die Einer, Zehner, Hunderter und Tausender je 9, insgesamt 36 distinkte Zeichen, deren Bedeutung durch die Zahlenfolge bestimmt war. Eines der beiden Zahlensysteme des antiken Griechenlands ist mathematisch gesehen genauso aufgebaut, wobei allerdings nur 27 Zeichen verwendet werden, d. h. nur die Zahlen bis 999 ausgedrückt werden können (höhere Zahlen werden durch Multiplikationsschreibweise notiert). Die Besonderheit des griechischen Systems zur Zahlenschreibung besteht darin, daß die Griechen ihre (von den Phöniziern übernommenen) Schriftzeichen benutzten, um Zahlen darzustellen. Die Elemente der griechischen Alphabetreihe werden in der griechischen Zahlenschrift entsprechend ihrer Abfolge verwendet: Die ersten 9 Buchstaben als Zeichen für die Ziffern von 1⫺9, die zweiten 9 Buchstaben für 10⫺90, die dritten 9

1574

X. Sonderschriften Einer

A B G D E

a b g d e

Z H U

z h u

Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Digamma Zeta Eta Theta

Zehner 1 2 3 4 5 6 7 8 9

I K L M N J O P ä

i k l m n j o p o0

Iota Kappa Lambda My Ny Xi Omikron Pi Koppa

Hunderter 10 20 30 40 50 60 70 80 90

R S T Y F X C V

r s t y f x c v ã

Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega San

100 200 300 400 500 600 700 800 900

Abb. 141.4: Das griechische System der Zahlenschreibung mit Buchstaben (aus Ifrah 1989: 289)

Buchstaben für 100⫺900 (vgl. Abb. 141.4); in laufendem Text zeigt ein Beistrich nach der Zahl an, daß die Schriftzeichenfolge als Zahl und nicht als Wort zu lesen ist. Vergleicht man das griechische Zahlen-ABC mit dem zum Schreiben von Texten benutzten griechischen Alphabet, so fällt der unterschiedliche Umfang auf: Das griechische Alphabet hat 24 Buchstaben, das griechische ABC 27 Ziffernzeichen. Digamma (9), Koppa (90) und San (900) werden nur als Zahlzeichen benutzt; sie kommen im klassischen Griechisch als Buchstaben nicht vor. Dieses ABC muß sehr fest sein, d. h. seine Abfolge darf keinen Schwankungen unterliegen ⫺ wesentliche Rechenfehler wären sonst die Folge. Nur so ist zu erklären, daß die genannten 3 Schriftzeichen, die man zur Schreibung griechischer Wörter (von einigen frühen Dialektschreibungen abgesehen) nicht braucht, dennoch im ABC erhalten bleiben. Das Zahlenschreibsystem bleibt im griechischen Schrifttum in Gebrauch, bis es im späten Mittelalter von den arabischen Ziffern abgelöst wird. Bemerkenswert ist weiter, daß die Alphabetreihe (diesmal 24 Buchstaben, d. h. ohne Digamma, Koppa und San) auch als musikalisches Notationssystem benutzt wird, worauf schon Dornseiff (1922, 13 f) besonders hinweist. Zusammenhänge zwischen Alphabet, Alphabetreihe, Musikund Zahlennotation sind immer wieder vermutet worden, ohne daß man zu sicheren Ergebnissen gekommen wäre. Erwähnt werden soll an dieser Stelle noch das andere griechische Zahlenschreibsystem, das auf dem akrophonischen Prinzip beruht. Es ist in Griechenland bis ins zweite vorchristliche Jahrhundert hinein das vorherrschende System. Seine mathematische Struktur entspricht ganz dem lateinischen System; es handelt sich also um ein zweibasiges Additionssystem mit den Basen 10 und 5 (s.o.). Im

Gegensatz zum lateinischen System aber sind hier die Zahlzeichen in der Tat die Anfangsbuchstaben der damit bezeichneten Ziffern, also das Pi (P) für die 5 (pente), das Delta (D) für die 10 (deka), usw. Lediglich die 1 wird durch einen einfachen Strich symbolisiert. Zur Schreibung größerer Zahlen gibt es eine Reihe von Verfahren; auch wird das Grundprinzip in verschiedenen griechischen Staaten im Detail unterschiedlich verwendet (vgl. Ifrah 1989, 252⫺256). 3.3. Exkurs: Zahlen als Buchstaben ⫺ Die keltische Ogham-Schrift Den umgekehrten Fall einer Schrift, in der Zahlzeichen als Schriftzeichen verwendet werden, stellt die irische Ogham-Schrift dar, die in älteren Publikationen auch als keltische Druidenschrift bezeichnet wird (vgl. Jensen 1969, 568⫺572). Eine ausgezeichnete Darstellung mit einer systematischen Berücksichtigung der älteren und neueren Literatur bietet Gippert (1992). Diese Schrift ist in erster Linie in ca. 450 Steininschriften erhalten, die nach allgemeiner Auffassung der Keltologen schon im 4. Jhdt. (Gippert 1992, 8 ff) entstanden ist. Ihr typisches Merkmal ist, daß die aus jeweils bis zu fünf Strichen oder Punkten bestehenden Schriftzeichen auf der Kante eines Steins angebracht sind (vgl. Abb. 141.5). Einzelne Texte sind später auch in Handschriften erhalten. Im Kontext des vorliegenden Artikels fällt die numerische Ordnung der einzelnen Zeichen auf. Gerschel (1962, 153) hat wohl als erster auf den Umstand hingewiesen, daß in der keltischen Sprache in Zwanziger-Einheiten gezählt wird, vgl. auch Menniger (1957/I, 61). Danach läßt sich die in Abb. 141.6 gegebene Anordnung als Zahlensystem verstehen. Die besonderen Zeichen für 10, 20, 100, 200 und 400 sind offenbar späteren Datums; sie tauchen auf den

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem

Abb. 141.5: Keltische Inschrift in der Ogham Schrift. Text, an beiden Kanten von unten nach oben zu lesen: COILLABOTAS MAQI CORBI 兩 MAQI MOCOI QERAI, d. h. (Stein des) Coı´lub, Sohn des Corb, Sohn des Stammes der Ciar(raige). Text nach Gippert (1992, 2 f), Foto Jost Gippert.

1575 Inschriften kaum auf. Bringt man nun diejenigen keltischen Laute, denen lateinische Buchstaben entsprechen, in eine phonetisch motivierte Gruppierung (Vokale, Semivokale, Mutae, Litterae Graecae), wie sie etwa schon bei Donat vorgenommen wird, so ergibt sich durchaus die oben gegebene Gliederung (eine detaillierte Darstellung bei Gippert 1992). Bemerkenswert an der Struktur der Ogham-Schrift ist zweierlei. Zum einen, daß hier Zahlzeichen zu Schriftzeichen werden, was nur selten zu beobachten ist, zum anderen der Umstand, daß Ogham eine der wenigen älteren Alphabetschriften ist, deren Alphabetreihe nicht auf das griechische ABC zurückgeht, obgleich die Basis der Schrift, akzeptiert man die vorstehenden Überlegungen, die Folge der natürlichen Zahlen ist. Das hat die Ogham-Schrift möglicherweise mit dem Runenalphabet gemeinsam, obgleich die lange Jahre vermutete Beziehung zwischen den beiden Schriften wohl so eng nicht gewesen sein kann ⫺ wenn überhaupt, ist Ogham Vorbild für die Runen und nicht umgekehrt. Dies bezieht sich im übrigen nur auf bestimmte Verschlüsselungstechniken der Runenschreibung aus späteren Jahrhunderten, die durch zahlartige Schreibungen auf die Position des Buchstabens in der kanonischen Abfolge des Runenalphabets (FUPARK) Bezug nehmen. Zu einigen Überlegungen zur solcherart von der kanonischen Form verschiedenen Anordnung der älteren Alphabetreihen des Ogham, des Runenalphabets etc. vgl. Seebold (1993), der von phonetischen Grundaspekten ausgehend verschiedene Umordnungsmechanismen annimmt. 3.4. Positionssysteme Abgesehen von der Tatsache, daß die Zahlzeichen weitgehend identisch mit den Buch-

Abb. 141.6: Das ABC des Ogham. Oben: Keltische Zahlenschreibweise (nach Gerschel 1962 aus Gippert 1992, 29) Unten: Traditionelle Anordnung und Interpretation der Alphabetreihe des Ogham (aus Gippert 1992, 2).

1576 stabenzeichen sind, stellen die beiden in 3.2. gekennzeichneten griechischen Zahlensysteme, die zudem jedenfalls in der Frühzeit in verschiedenen Ausprägungen vorlagen, keine Besonderheit dar: Es sind Additionssysteme. Solche Zahlensysteme sind tauglich zur Darstellung aller natürlichen Zahlen; ihre große Schwäche besteht darin, daß man mit ihnen schlecht rechnen kann. Damit soll die mathematische Leistung der Griechen keinesfalls geschmälert werden; im Gegenteil erhöht es den Respekt vor der Leistung etwa eines Diophant. Aber „einfache“ Rechenoperationen, die heute ein Schüler der vierten Grundschulklasse durchführen können muß (wie 320*80 oder 171/3), waren bis zum Ende der frühen Neuzeit in Europa die Angelegenheit von Rechenmeistern; ihr primäres Arbeitsgerät war der Abakus, das Rechenbrett. Rechnen war eine körperliche Tätigkeit, in der es der Rechnende beständig mit konkret faßbaren Anzahlen zu tun hatte. Der Grund dafür war, daß „Zahlenschrift und Zahlenrechnen auseinanderfielen“ (Krämer 1988, 54). Mit anderen Worten, die hingeschriebenen Zahlzeichen referierten nur auf Einheiten, mit denen man rechnen wollte, waren nicht die Einheiten selbst. Der entscheidende Fortschritt war die Entwicklung des Positionssystems der Zahlenschreibung bei den Indern. Die einzelnen Ziffern haben in diesem System, das wir noch heute verwenden, keinen absoluten Wert mehr, sondern nur einen Wert relativ zu ihrer Position. Maßgeblich dafür ist die Einführung der Ziffer Null (vgl. Krämer 1988, 45 ff). In einem Positionssystem werden so viele Ziffern benötigt wie die Basis des Systems angibt (also 10 im Dezimalsystem, 8 im Oktalsystem, 2 im binären System, 16 im Hexadezimalsystem, usw.). Solche Systeme sind notwendig schriftlich, weil der Wert einer Ziffer nur in seiner schriftlichen Darstellung bestimmt werden kann. Über die Araber gelangte die indische Erfindung nach Europa, wo sie sich ab dem Ende des Mittelalters (sehr langsam) durchsetzte. Der für den vorliegenden Artikel wichtigste Effekt dieser Neuerung ist freilich nicht die Mathematik, die sich nun erst wirklich entfalten konnte durch die systematische Entwicklung algoritmischer Verfahren (vgl. Krämer 1988), sondern die Rückwirkung auf die Schrift. Additionssysteme erlauben im Prinzip eine nicht-lineare Darstellung von Zahlen; für ein Positionssystem ist die Linearität konstitutiv. Die einzelne Ziffer hat hier keinen „absoluten“ Wert mehr, sondern ist

X. Sonderschriften

eine Variable. Die Position einer beliebigen Zahl in der Zahlenreihe ergibt sich unmittelbar aus ihrer Schreibweise. In genau der gleichen automatischen Art wird es nun möglich, den Wörtern einer Sprache einen definierten Ort in einer endlichen Liste zuzuordnen. Absolute (mechanische) Alphabetisierung ist nichts anderes als die Behandlung von Wörtern als Zahlenfolgen. Dem entspricht die Feststellung, daß absolutes alphabetisches Sortieren, wie es in Zf. 2 oben beschrieben worden ist, vor dem 11. nachchristlichen Jahrhundert nur sporadisch auftritt, sich aber mit der Übernahme der arabischen Ziffern und des Posititionssystems der Zahlen erst langsam, dann immer schneller durchsetzt.

4.

Geschichte der Alphabetreihe und ihrer Anwendung

4.1. Herkunft der Alphabetreihe Die älteste uns erhaltene vollständige Aufzeichnung der Alphabetreihe (→ Art. 20, Abb. 20.2) wurde 1949 in Ras Shamra, dem antiken Ugarit, entdeckt und wird übereinstimmend ins 14. Jahrhundert vor Christus datiert. Es handelt sich um eine keilschriftliche Form des nordwestsemitischen Langalphabets mit 30 Buchstaben, die aber in ihrer Abfolge übereinstimmt mit dem späteren Kurzalphabet mit 22 Buchstaben (→ Art. 20, 25). Einig ist man sich in der Literatur darüber, daß die Reihenfolge der Buchstaben selbst älteren Datums ist. Die Frage nach der ursprünglichen Herkunft, Motivation und Funktion der Alphabetreihe hat die Wissenschaft seit langem beschäftigt und dabei die verschiedensten Theorien (bis hin zur Skurrilität) hervorgebracht: Sie wurde in Zusammenhang gebracht u. a. mit astrologischen Systemen, mit keilschriftlichen Ordnungsprinzipien, mit der visuellen Ähnlichkeit von Schriftzeichen, mit dem Gebrauch der Schriftzeichen als Zahlen oder mit systematischen Aspekten der Lautstruktur, von der Auffassung ihres göttlichen Ursprungs nicht zu reden (vgl. Driver 1976, 181 ff; Jensen 1969, 271 ff). Gegenwärtig kann keiner der Vorschläge wirklich überzeugen; der fachkundige Semitist konstatiert lakonisch, daß wir nicht wissen, nach welchen Kriterien die Folge festgelegt wurde, und fährt fort: „Man darf annehmen, daß entweder mnemotechnische Kriterien (einprägsame lautliche Abfolge von Zeichennamen) oder formale Ähnlichkeiten von Zeichen eine Rolle […] gespielt ha-

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem

ben“, sie wurde dann „über die Jahrhunderte hinweg im wesentlichen unverändert beibehalten“ (Tropper 1994 ⫽ Art. 20, 298). Die im Kontext dieses Artikels naheliegende Idee, daß die Alphabetreihe ursprünglich eine Zahlenreihe ist, daß man also erst mit einem ABC gerechnet hat, bevor man es als Schrift benutzte, sozusagen übers Rechnen auf die Schrift gekommen ist, ist historisch offenbar unzutreffend, vgl. Ifrah (1989, 303⫺306, 374⫺382). Denn die semitischen Völker der beiden vorchristlichen Jahrtausende benutzten die Buchstaben der Alphabetreihe nicht zum Rechnen, sondern haben eine eigene Zahlschrift neben ihrem Alphabet entwickelt. Das griechische Zahlen-ABC wird lediglich von den Juden in die hebräische Quadratschrift übernommen und (erheblich später) von den Äthiopiern und Arabern in ihre Schriften, wobei teilweise die kanonische Reihenfolge der Alphabetreihe verändert wird (vgl. Ifrah 1989, Kap. 18 und 26). In neueren Arbeiten zur Herkunft der Alphabetreihe scheint der Ansatz einer Erklärung über die Lautstruktur vielversprechend; hinzuweisen ist besonders auf Watt (1989), der die semitische Alphabetreihe anhand des Alphabets aus Ras Shamra als eine artikulatorische Matrix mit 5 Zeilen und 5 Spalten analysiert und ihre Herkunft aus didaktischem Kontext plausibel zu machen versucht. Der Ansatz ist aus zwei Gründen hervorzuheben: Zum einen ist die Analyse so konkret, daß systematisches Suchen nach bestimmten Dokumenten sinnvoll wird; zum anderen wird die Funktion der Alphabetreihe am Schreiben und Schreibenlernen festgemacht und nicht an externen Faktoren. Problematisch ist freilich, daß Watt konzedieren muß, daß die ursprüngliche Motivation der Alphabetreihe (im Sinne einer 5*5 Matrix) schon in der Zeit von Ugarit nicht mehr bewußt ist, d. h. daß die postulierte Matrix die Rekonstruktion einer früheren Stufe darstellt, die im 14. Jahrhundert nur noch als konventionalisierte eindimensionale Abfolge faßbar ist. Zu fragen bleibt dann aber, warum eine rein konventionell gewordene, arbiträre Abfolge dennoch so fest im kulturellen Bewußtsein verankert bleiben konnte. Denn erst zur Zeit der Griechen ist dies keine Merkwürdigkeit mehr, weil die Alphabetreihe auch die Abfolge der Zahlzeichen darstellt, und weil sie im wissenschaftlichen Bereich als Ordnungssystem benutzt wird. Wir müssen also mit einer Zeit von ca. 1000 Jahren rechnen, in der die an sich bedeutungslose, konventio-

1577 nelle Alphabetreihe ohne Veränderungen tradiert wird. Denn die Tradition erstreckt sich auch auf die Alphabetübernahme: Wo immer das Alphabet als Schriftsystem übernommen wird, wird auch die Alphabetreihe übernommen, ohne daß die Verwendung als Zahlen oder die Technik alphabetischen Sortierens gleich mit übernommen würde. Eben deshalb sind die beiden o.a. Fälle des Ogham und der Runen so bemerkenswert, weil zwar das Prinzip alphabetischen Schreibens übernommen wird, nicht aber die Alphabetreihe. Einen weiteren wichtigen Fall bildet das Arabische, wo ebenfalls die kanonische Abfolge nicht der semitisch-griechischen Alphabetreihe entspricht; neuere Forschungen haben hier zeigen können, daß diese Abweichung auf den Gebrauch der Buchstaben als Zahlzeichen zurückgeht, der anders organisiert war als in Griechenland, so daß man das arabische ABC gemäß dem Zahlwert der Buchstaben neu angeordnet hat (Ifrah 1989, 307⫺315); aber auch die formale Ähnlichkeit bestimmter Buchstaben kann hier eine Rolle gespielt haben. Dennoch wird es bei der Übernahme des Alphabets zum Schreiben einer anderen Sprache in der Regel notwendig, das Inventar zu verändern (→ Art. 57). Dabei gelten drei Prinzipien. Neue Zeichen werden in der Regel am Ende angefügt. Nicht mehr benötigte Zeichen werden ausgeschieden, umgedeutet oder bleiben funktionslos erhalten. Schließlich werden Diakritika verwendet; dabei werden die Buchstaben mit Diakritikon entweder als Varianten geführt (so z. B. in den meisten Lexika die deutschen Umlaute und das ß) oder als eigene Buchstaben am Ende eingefügt (so in den skandinavischen Sprachen etwa a˚, æ), s. a.u. Zf. 4.4. 4.2. Anfänge alphabetischen Sortierens Es konnte nicht ausbleiben, daß man aus dem numerischen Zusammenhang von Alphabet und Alphabetreihe im Griechischen Folgerungen zog. Denn wenn die Buchstaben, die man schreibt, durch die Abfolge der Zahlen, die man mit ihnen auch schreibt, eine quasi natürliche Reihenfolge haben, dann doch auch die Wörter, die man mit diesen Buchstaben schreibt. Was uns heute so selbstverständlich vorkommt, entwickelte sich freilich nur äußerst langsam. „Die älteren Arbeiten zur Lexikographie waren […] sachlich geordnet, die Kapitel chronologisch“ (Alpers 1975, 113).

1578 Die sehr materialreiche Standarddarstellung zur Geschichte des Alphabetisierens bis zum späten Mittelalter findet man bei Daly (1967). Danach entsteht das Prinzip alphabetischen Sortierens im Umkreis der Tätigkeit der griechischen Gelehrten in der Bibliothek des Museions von Alexandria, und zwar im Zusammenhang mit lexikographischer Arbeit. Nach Alpers (1975, 117) hat zuerst Zenodot, der erste Leiter der Bibliothek, das Prinzip alphabetischer Sortierung in seinen Glossen zu Homer angewandt. Inwieweit er es „erfunden“ hat, bleibt ungewiß; Alpers vermutet, daß der aus Kleinasien stammende Zenodot es von dort entlehnt hat, und verweist u. a. auf alphabetische Akrostichis in den Klageliedern Jeremias und einigen Psalmen. Freilich handelt es sich hierbei nicht um alphabetisches Sortieren vorliegenden Materials, sondern um die Gestaltung von Textteilen nach der Alphabetreihe. Auf den Vorarbeiten Zenodots und der Organisation der Bibliotheksbestände baut Kallimachos seine Übersicht über das griechische Schrifttum auf, in der die große Einteilung sachlichen Gesichtspunkten folgt, innerhalb derer dann die einzelnen Autoren bzw. ihre Werke alphabetisch aufgeführt werden (vgl. Blum 1977). Im Umkreis der alexandrinischen Gelehrsamkeit verbreitet sich die Technik alphabetischen Sortierens langsam, aber keineswegs durchgehend; der Hauptanwendungsbereich bleibt bis in die byzantinische Zeit die lexikographische Arbeit (vgl. dazu den Überblick von Alpers 1989). Von den Anfängen bis ins Mittelalter wird fast ausschließlich nur nach dem Initialbuchstaben alphabetisch sortiert. Wenn Folgebuchstaben überhaupt herangezogen werden, dann meist nur der zweite, sehr selten der dritte, beide in unsystematischer Weise. Alphabetisieren ist hier offensichtlich ein direktes Anwenden des akrophonischen Prinzips. Dabei ist die Alphabetreihe nur eines unter vielen anderen, vielfach als wichtiger angesehenen Ordnungskriterien. Bei der Sichtung von Dalys (1967) umfangreichen Belegen entsteht der Eindruck, daß immer erst dann alphabetisch sortiert wird, wenn keine inhaltlichen Ordnungsbegriffe mehr verfügbar sind. Bemerkenswert ist auch, daß die alphabetische Anordnung im griechisch-hellenistischen Bereich zwar primär im Bereich der Wissenschaft verbleibt, aber doch jedenfalls teilweise auch für praktische Zwecke, z. B. Steuer- und Personallisten, vor allem im ptolemäischen Ägypten, verwendet wird ⫺

X. Sonderschriften

auch dort aber nicht durchgehend. Im römischen Reich dagegen wird praktisch nur für wissenschaftliche Zwecke alphabetisch geordnet (z. B. in Plinius’ Historia Naturalis), und zwar immer in Anlehnung an griechische Vorbilder, obgleich das Memorieren der Alphabetreihe der erste schulische Unterrichtsstoff ist. (Für uns geradezu unvorstellbar, daß eine Riesenorganisation wie die römische Armee ohne alphabetisch geordnete Listen funktionieren konnte!). Nach Daly (1967, 34 f) ist der erste Beleg für absolute Alphabetisierung ⫺ d. h. eine Anordnung, in der nicht nur der erste, sondern alle Buchstaben eines Wortes berücksichtigt werden ⫺ in Galens Hippokratischen Glossen aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert zu finden. Absolute Alphabetisierung bleibt aber im hellenistischen und später im byzantinischen Bereich trotz der Verwendung des ABC als Zahlschrift die Ausnahme; in der Tat scheinen die Bearbeiter und Glossisten von Galens Werk diese Besonderheit meist gar nicht zu bemerken. Im antiken und mittelalterlichen lateinischen Schrifttum fehlt absolutes Alphabetisieren bis zum 11. Jahrhundert völlig. Es lassen sich aber drei systematisch völlig voneinander unabhängige Gründe dafür angeben, warum sich Idee und Realisierung absoluter Alphabetisierung erst erheblich später entwickeln. 4.3. Schwierigkeiten bei der Entwicklung alphabetischen Sortierens Der erste Grund ist technischer Natur. Absolutes Alphabetisieren ist eine durchaus komplizierte Tätigkeit; sie macht nur bei größeren Datenmengen überhaupt Sinn (zur formalen Strukturierung einer Liste von 100 Einträgen reicht in der Regel Initialalphabetisierung völlig aus). Daly (1967, 85⫺90) zeigt anhand einiger Belege aus mittelalterlicher Zeit, wie wir uns den Vorgang des Herstellens einer alphabetischen Anordnung konkret vorzustellen haben: Es wird zunächst ein Blatt in etwa gleich große Teile für jeden Buchstaben geteilt; auf diesen Raum werden dann die einzelnen Einträge verteilt. Diese Technik versagt bei der Berücksichtigung der Folgebuchstaben. Oder anders gesagt: Nach dem Zweitbuchstaben läßt sich noch beim Abschreiben ordnen; die Berücksichtigung weiterer Buchstaben erfordert (je nach Datenmenge) größere Schreib- oder Gedächtnisleistungen. Für das neuere Verfahren (vor der Erfindung ordnender Computer), daß man die einzelnen Items jeweils auf Karten schrieb und diese

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem

dann ordnete, gibt es keine Belege. Im übrigen fehlt im Mittelalter vor der Erfindung des Papiers eine wesentliche Voraussetzung dafür: Pergament ist teuer; man verschwendet es nicht, um kleine Zettel anzufertigen. Der zweite Grund, den Daly (1967) kaum thematisiert, liegt in Schreibnorm und Aussprache. Eine Ortho-Graphie im heutigen Sinne beginnt erst im 15./16. Jahrhundert in den einzelnen Nationalsprachen langsam zu entstehen; sie ist in Antike und Mittelalter nicht vorhanden. Es wird, was die gedruckten Ausgaben der antiken Klassiker verschleiern, in der antiken Zeit durchaus variabel geschrieben; man folgt der ebenso variablen Aussprache. Eine Normierung der Schreibung aber ist eine Grundvoraussetzung für absolutes Alphabetisieren: Denn einen fest definierten Platz in der alphabetischen Liste der Wörter hat ein Eintrag nur dann, wenn seine Schreibung feststeht. Natürlich gibt es eine mehr oder weniger feste Graphie, d. h. Grundprinzipien der Schreibung; ihr Festlegungspotential ist aber mit einer modernen Orthographie überhaupt nicht zu vergleichen (vgl. Desbordes 1990). Die Probleme, die im Mittelalter durch das Fehlen einer solchen Norm für das Lateinische für ein über den Initialbuchstaben hinausgehendes Alphabetisieren entstehen, sind von Miethaner-Vent (1986) beschrieben worden. Zunächst gilt bezüglich der Ordnungskategorien das gleiche wie für die Antike: „Das erste Bestreben der Autoren war sicherlich, auf jeder Ebene eine sich aus der Sache selbst ergebende Gliederung zu finden“ (S. 89); alphabetisches Sortieren ist ein Subsystem. Den Übergang zur Technik absoluter Alphabetisierung bildet seit dem 11. Jahrhundert der von Miethaner-Vent etwas unglücklich als ‘Silbenalphabet’ bezeichnete Ansatz, kenntlich gemacht entweder durch Hervorhebung von Initialen oder auch durch Kopfzeilen vom Typ A ante B, A ante C; er soll hier als anlautalphabetisches Sortieren bezeichnet werden. Dabei stehen die geordneten Elemente zunächst in ABC-Folge gemäß dem Initialbuchstaben. Lautet ein Wort vokalisch an, so wird der zweite Buchstabe in seiner alphabetischen Position berücksichtigt, aber nichts darüber hinaus. Bei konsonantisch anlautendem Wort wird weiter sortiert gemäß der Position des nächstfolgenden Vokals im ABC (A-E-I-O-U). Miethaner-Vent (1986, 91) gibt z. B. die folgende Reihe (aus Alanus ab Insulis, Distinctiones, um 1200): GRATIA, GRAVIS, […], GLADIUS, GALLUS, GRA-

1579 DUS, GAZOPHILACIUM, GRESSUS, […], GERMEN, GYGAS, GYRUS, GLORIA, GURGES, GUTTA (Y steht für den Lautwert /i/). Manchmal ist das System noch etwas feiner ausdifferenziert; prinzipielle Unterschiede zur demonstrierten Grundstruktur bestehen nicht. Dabei ist offenbar (und wenig verwunderlich) die prinzipielle Richtschnur die Aussprache des Wortes; so werden Wörter mit U unterschiedlich eingeordnet je nachdem, ob das U vokalisch oder konsonantisch auszusprechen ist (vgl. Miethaner-Vent 1986, 89⫺95 mit Beispielen). Die Methode ist oral orientiert: Die oral leicht zu diskriminierenden Vokale bilden die Basis der Verfeinerung des initialalphabetischen Ansatzes. Kritisch ist zu Miethaner-Vents in der Sache ausgezeichneten Darstellung die schiefe Perspektive anzumerken. Immer wieder nimmt sie die von den Lexikographen des Mittelalters geäußerte Meinung für bare Münze, daß das Latein der Zeit verdorben sei, daß „für viele Wörter eine anerkannte Schreibtradition nicht mehr bestand“ (S. 98). Es kann keine Rede davon sein, daß in klassischer Zeit die Schreibungen feststanden. Dies ist in der Tat durch den Umstand mit bedingt, daß Lesen immer lautes Lesen, Schreiben immer lautes, sich selbst diktierendes Schreiben war (vgl. Saenger 1982, Günther 1995; → Art. 4, 5). Dieser Umstand erklärt, daß die (beim absoluten alphabetischen Sortieren notwendige) Loslösung der geschriebenen Wortform von der gesprochenen Form so schwer fällt, eigentlich nur (aufgrund der Zugänglichkeit des akrophonischen Prinzips) nach dem Wortanlaut gegliedert werden kann, nicht nach den Anfangsbuchstaben. Dies wird auch deutlich darin, daß diese Verfahren (initial- bzw. anlautalphabetisches Sortieren) den Benutzern der Handschriften nicht erläutert werden ⫺ Erläuterungen werden im Spätmittelalter genau dann gegeben, wenn das neue, das absolute alphabetische Sortierverfahren angewandt ist. Dabei geht es einerseits darum, daß die schwankende Aussprache und Schreibung beklagt wird, andererseits darum, das Prinzip selbst zu erläutern (vgl. Miethaner-Vent 1986, 95⫺101); dies trifft auch für die Kommentierung der in dieser Zeit entstehenden alphabetischen Register zu (vgl. van den Brincken 1962). Der dritte Grund für die Langsamkeit der Entwicklung absoluten alphabetischen Sortierens ist theoretischer Natur und betrifft das verwendete Zahlsystem. In der Abbildung von Buchstabenketten auf Zahlenwerte wer-

1580 den Buchstaben aus den Wörtern isoliert. Ihr Lautbezug wird (notwendig) ausgeblendet, sie werden ebenso als Variablen behandelt wie die Ziffern im Positionssystem. Das wird besonders deutlich bei Digraphen, deren lautliche Entsprechung als eine Einheit nicht berücksichtigt wird. Die Übernahme des neuen Zahlensystems (s.o. Zf. 3.4.) ermöglicht den Einstieg in die mechanische Methode des Alphabetisierens. Dem entspricht die historische Entwicklung im Mittelalter: Seit Isidor wird initialalphabetisch sortiert, später auch mit dem o.a. Anlautprinzip. Erst die späteren lexikographischen Werke ab dem 12. Jahrhundert werden absolut alphabetisch geordnet; erst die Kenntnis des Positionssystems öffnet den Blick für die ja durchaus schon immer gegebene und bisweilen, etwa von Galen, auch genutzte Möglichkeit absoluten Alphabetisierens. Wolfgang Raible (1991; → Art. 1) hat neuerdings die wesentlichen Veränderungen im Schriftbild in der mittelalterlichen Entwicklung gekennzeichnet und sie in Zusammenhang gebracht mit geistesgeschichtlichen Entwicklungen insbesondere der Scholastik. Das Schriftbild wird von den Schreibern ihren Bedürfnissen als Leser entsprechend gestaltet; die Ordnung des Werks soll auch aus seiner Gestalt sichtbar werden. Bei der Menge des Materials aber entsteht nun auch ein ganz neuer Bedarf an Ordnungsverfahren. Die großen Summen, die enzyklopädischen Werke, in denen das Wissen der Zeit und der Vorzeit zusammengetragen wurde, blieben unerschlossen ohne Register, diese aber unbenutzbar ohne ein systematisches Prinzip. Alphabetische Register entstehen in eben dieser Zeit. Die tabula alphabetica des Speculum Historiale des Vincent von Beauvais aus dem 13. Jahrhundert ist das erste alphabetische Register, in dem auch absolute Alphabetisierung angestrebt wird, vgl. van den Brincken (1962) mit Hinweisen auf die weitere Entwicklung der Registerkonstruktion im Spätmittelalter. 4.4. Neuere Entwicklungen Es hat sich gezeigt, daß die scheinbar so einfache Technik mechanischer Alphabetisierung ihre Anwender vor erhebliche Probleme stellt. Wenn man nämlich Wörter nach den Positionen der in ihnen enthaltenen Buchstaben im ABC ordnet, so funktioniert das nur, wenn die Schreibung der Wörter festliegt. In einer Zeit, in der in der Regel noch laut gelesen wurde und die Schreibung der Aus-

X. Sonderschriften

sprache folgte, ergibt sich ein zentrales Anordnungsproblem dadurch, daß dasselbe Wort mal so, mal so geschrieben wurde (vgl. ausführlich Miethaner-Vent 1986, 95⫺101). Und befolgt auch der einzelne Schreiber eine einheitliche Graphie, so muß doch der Leser erst deren Regularität ermitteln, weil seine Aussprache vielleicht ganz anders lautet. Es sind nicht zuletzt diese Probleme der „richtigen Aussprache“ im Zusammenhang mit der Anlage von Wörterbüchern, Enzyklopädien etc., die der humanistischen ad fontes-Bewegung den Boden bereiteten ⫺ dort, in den Quellen, mußte ja die „richtige“ Schreibung/ Aussprache zu finden sein. Und was man zunächst für das Lateinische schuf, nämlich eine Schreibnorm im Rückgriff auf die Klassiker, das wurde später auch nötig für die volkssprachlichen Wörterbücher bis hin zu unseren modernen Orthographien. Nur bei einer festliegenden Schreibung, deren Bezug zur Lautung für das Sortieren irrelevant ist, kann man überhaupt Wörterbücher alphabetisch anordnen ⫺ mit der paradoxen Konsequenz, daß Aussprachewörterbücher bis heute nach der Schreibung angeordnet sind. Dies ist deshalb der Fall, weil es ein LautABC nicht gibt; das International Phonetic Alphabet (IPA) z. B. hat keine inhärente Ordnung der Lautzeichen (→ Art. 142). Es gibt in der Geschichte immer wieder Versuche, diesen „Fehler“ der Alphabetreihe zu beheben; besonders bemerkenswert ist hier das um 1000 in Byzanz entstandene Lexikon „Suidas“, in dem die Lemmata absolut alphabetisiert werden in einer die Aussprache berücksichtigenden und so z. T. von der klassischen Anordnung abweichenden Alphabetreihe: a, b, g, d, ai, e, z, ei, h, i, u, k, l, m, n, j, o, v, p, r, s, t, oi, y, f, x, c (vgl. Alpers 1989, 26). Den jüngsten Versuch einer nach der Lautstruktur alphabetisch sortierten geschriebenen Wortliste des Deutschen stellt Muthmann (1988) dar. An diesem Beispiel läßt sich die Problematik sehr schön studieren. Die meisten Sprachen, so auch das Deutsche, haben wesentlich mehr Phoneme in ihrem Lautinventar als Buchstaben in ihrem Alphabet. Zur Lösung des Zuordnungsproblems gibt es eine Reihe von Verfahren wie Digraphen, Diakritika etc. (→ Art. 117, 127); diese sind aber in der kanonischen Alphabetreihe nicht berücksichtigt. Muthmann (1988) definiert dazu ein Verfahren, mit dem man auf eine (aus den 29 deutschen Buchstaben einschließlich diverser, in fremden Wörtern verwende-

1581

141. Schrift als Zahlen- und Ordnungssystem

ten Diakritika bestehende) Alphabetreihe kommt, die über 200 Ordnungseinheiten umfaßt. Diese Reihe scheint für den normalen Benutzer zu lang; denkbar ist freilich ihre Computerumsetzung (Günther 1990). Alphabetisch sortieren mit Erschließbarkeitswert für den Benutzer kann man nur mit einer Alphabetreihe, die die menschlichen Gedächtnisbeschränkungen berücksichtigt, also nicht länger als um die 30 Einheiten ist. Probleme für die alphabetische Sortierung ergeben sich offenbar immer bei Veränderungen des alphabetischen Inventars. In der Tat tun sich deutsche Lexikographen und Behörden bis heute schwer, den Platz der Umlautbuchstaben in der deutschen Alphabetreihe zu bestimmen (vgl. Wiegand 1989). Erst nach Abschluß der Korrekturen wurde ich auf die Arbeiten von Hermann Möcker (1985, Kurzfassung 1987) aufmerksam. Der Publikationsort und der etwas irreführende Titel verschleiern, daß in Möcker (1985) die erschöpfendste Darstellung der Frage nach der Einordnung von ä, ö, ü (sowie ß) in die deutsche Alphabetreihe vorliegt, wobei in der Tat sämtliche Möglichkeiten dargestellt (und belegt) werden. Im einfachsten Fall werden Umlautbuchstaben einfach behandelt wie der entsprechende Buchstabe ohne Diakritikon. Genauer gesagt handelt es sich um die Einführung einer zweiten Ordnung (vgl. Günther 1990); d. h. allen Wörtern mit A an der betreffenden Position folgen diejenigen mit Ä an derselben Position. Es ergibt sich also z. B. die folgende Sortierung einiger deutscher Wörter (z. B. im Duden): BACKEN, BÄKKER, BADER, BÄDER, BÄFFCHEN, BAFÖG, BAGAGE, BUCH. Andere Wörterbücher behandeln Ä so, als stünde dort AE; das ergäbe diese Folge: BACKEN, BAD, BÄCKER, BÄFFCHEN, BAFÖG, BAGAGE, BUCH. Schließlich kann man die Umlautbuchstaben ˚ (und wie die skandinavischen Sprachen das A wie ältere Computerprogramme das Ä) an den Schluß der Alphabetreihe setzen, dies ergäbe diese Abfolge: BACKEN, BAD, BAFÖG, BAGAGE, BUCH, BÄCKER, BÄFFCHEN. Überlegungen zu solchen Problemen mögen auf den ersten Blick trivial erscheinen, genügt doch ein Hinweis in der Benutzeranweisung, wie die Items geordnet sind. Dies gilt jedoch dann nicht mehr, wenn es um die alphabetische Sortierung von Lemmata aus Sprachen mit verschiedenen Alphabetreihen geht, eine Aufgabenstellung, der sich z. B. Behörden bei Namen gegenübersehen. Die traditionelle Verfahrensweise ist hier die Transliteration

(→ Art. 143); aber dieses Verfahren verlangt von den Benutzern Kenntnisse der zugrundegelegten Prinzipien, die zudem von der fragwürdigen Prämisse eines grundsätzlich primären Lautbezugs alphabetischer Schriftzeichen ausgehen. Für die Sprachverarbeitung durch den Computer ergeben sich ebenfalls Schwierigkeiten, aber auch Lösungswege. Jeder Computerbenutzer, der einmal auf einem fremden System in seiner Muttersprache geschrieben hat und dann Listen sortieren wollte, kennt diese Probleme. Zwar enthalten neuere Textverarbeitungsprogramme meist eine ganze Anzahl von Sprachoptionen, doch gibt es natürlich erheblich mehr Alphabetreihen. Einfachere Programme ordnen in der Regel nach dem ASCII-Standard (→ Art. 10, 11). Im ASCII-Code stehen für 256 Zeichen Kodierungsmöglichkeiten bereit; davon werden die unteren 127 durch den ASCII-Standard belegt, die oberen 127 je nach System (IBM, Atari, …). Dies ist natürlich viel zu wenig, um die für internationalen Datentausch notwendige direkte Überführbarkeit zu ermöglichen. Es wird deshalb derzeit an der Erarbeitung eines internationalen Standards gearbeitet, der so viele Schriften wie möglich systematisch erfassen soll (ISO 10646, UNICODE; vgl. Weingarten 1995). Für den Zusammenhang dieses Artikels wesentlich ist dabei, „daß ein universelles Referenzsystem für die meisten Schriftzeicheninventare der Welt eingeführt wird. Die Inventare werden durch diese Entwicklung eines Metainventars erstmalig in der Geschichte in einen definierten Zusammenhang gebracht. Zunächst heißt das einfach nur, daß ihnen auf einer riesigen zwei- bzw. dreidimensionalen Tabelle ein eindeutiger Platz zugewiesen wird. Dadurch werden sämtliche Sortier-, Such- und Ordnungsoperationen, die bislang auf einzelne Inventare beschränkt waren, über alle Inventare hinweg möglich“ (Weingarten 1995, 14).

5.

Schlußüberlegung

In verschiedenen Arbeiten der letzten 30 Jahre ist die These vertreten worden, daß das Alphabet als universale Lautschrift eine zentrale Ursache für die Dominanz westlicher Kultur gewesen ist. Dabei ist sicherlich übertrieben worden (vgl. die kritischen Überlegungen u. a. von Coulmas 1993 sowie in Art. 1 und 30 dieses Handbuchs), doch bleibt die Grundthese bestehen. Die vorliegende

1582

X. Sonderschriften

Darstellung könnte dazu beitragen, den Grund für die (berechtigte oder unberechtigte) Dominanz alphabetisch schreibender Kulturen nicht nur im Lautbezug ihrer Schriften zu sehen, sondern auch (oder sogar vor allem) in der Anwendung einer kanonischen Abfolge der von ihnen verwendeten Schriftzeichen. Eine solche Abfolge spielt in anderen Schriftsystemen kaum eine Rolle (wenn es sie überhaupt gibt). Die Ordnung chinesischer Schriftzeichen zu lexikographischen Zwecken ist ein außerordentliches Problem (→ Art. 26, 379⫺381). Das Kana-System des Japanischen hat zwar eine kanonische Abfolge (→ Art. 27, 389 f), aber seine Anwendung ist auf einsprachige Listen beschränkt (Telefonbuch, Lexika, Gliederungen etc.); zur historischen Entwicklung des heutigen Systems, das auf die indische Tradition zurückgeht, vgl. Müller-Yokota (1989). Der Abstraktheit des Positionssystems der Zahlen gegenüber der Konkretheit der Additionssysteme entspricht die Abstraktheit, ja Inhaltsleere des alphabetischen Sortierverfahrens. Es funktioniert genau deswegen so gut, weil der Inhalt des sortierten Materials keinen Einfluß auf die Listenstruktur ausübt ⫺ dies garantiert seine Universalität. Dies gilt auch für den Lautbezug: Beim absoluten alphabetischen Sortieren muß der Lautbezug der Schriftzeichen unberücksichtigt bleiben (z. B. bei Di- und Trigraphen). Die pikante Folgerung wäre, daß ein wesentliches Merkmal der Universalität des Alphabets darin liegt, daß man von seinem Lautbezug absehen kann. Nicht nur, um diesen Gedanken abzusichern, bleibt eine genauere Untersuchung der Entwicklung alphabetischen Sortierens seit dem Mittelalter eines der wichtigsten Desiderate der Schriftlichkeitsforschung.

6.

Literatur

Alpers, Klaus. 1975. Rezension zu Daly 1967. Gnomon 47, 113⫺117. ⫺. 1989. Griechische Lexikographie in Antike und Mittelalter. In: Koch, Hans-Albrecht (ed.), Welt der Information. Stuttgart, 14⫺48. Blum, Rudolf. 1977. Kallimachos und die Literaturverzeichnung bei den Griechen. Frankfurt. van den Brincken, Anna-Dorothea. 1962. TABULA ALPHABETICA. Von den Anfängen alphabetischer Registerarbeiten zu Geschichtswerken. In: Festschrift für Hermann Heimpel zum 70. Geburtstag Bd. 2. Göttingen, 900⫺923. Coulmas, Florian. 1994. Das Abc der Wissenschaft. Merkur 530, 390⫺398.

Daly, Lloyd W. 1967. Contributions to a history of alphabetization in antiquity and the Middle Ages. Brüssel: Collection Latomus Bd. 90. Desbordes, Franc¸oise. 1990. Ide´es romaines sur l’e´criture. Lille. Dornseiff, Franz. 1922. Das Alphabet in Mystik und Magie. Leipzig. Driver, Sir Godfrey R. 1976. Semitic Writing. London (3. Auflage). Gerschel, Lucien. 1960. Comment comptaient les anciens Romains? In: Hommages a` Le´on Hermann. Brüssel, 386⫺397. ⫺. 1962. L’Ogam et le nombre. Etudes celtiques 10, 153. Gippert, Jost. 1992. Ogam: Eine frühe keltische Schrifterfindung. Prag (Lectiones eruditorum extraneorum in facultate philosophica universitatis Carolinae Pragensis factae fasciculus 1). Günther, Hartmut. 1990. Innovativer Anachronismus. Rezension zu Muthmann 1988. Zeitschrift für germanistische Linguistik 18, 354⫺366. ⫺. 1995. Aspects of a history of written language processing in the Middle Ages. In: Frith, Uta, Lüdi, Georges, Egli, Mirjam & Zuber, ClaudeAnne (ed.), Contexts of Literacy. Proceedings of the 3rd workshop of the ESF network Written Language and Literacy. Straßburg, 101⫺127. Günther, Hartmut & Ludwig, Otto et al. (ed.). 1994. Schrift und Schriftlichkeit ⫺ Ein interdisziplinäres Handbuch internationaler Forschung. Band 1. Berlin. Ifrah, Georges. 1989. Universalgeschichte der Zahlen. Frankfurt (frz. Original 1981). ISO (International Organization for Standardization/International Electronical Committee). 1991. Information technology ⫺ Universal multiple-octed coded character set (UCS) Part 1: Architecture and basic multilingual plane. Working document for ISO/IEC draft international standard 10646. (ISO 10646). Jensen, Hans. 1969. Die Schrift in Vergangenheit und Gegenwart. Berlin (3. Auflage). Krämer, Sybille. 1988. Symbolische Maschinen: Die Idee der Formalisierung im ideengeschichtlichen Abriß. Darmstadt. Menninger, Kurt. 1957. Zahlwort und Ziffer. Eine Kulturgeschichte der Zahl. 2 Bände. Göttingen. Miethaner-Vent, Karin. 1986. Das Alphabet in der mittelalterlichen Lexikographie. La Lexique 4, 83⫺112. Möcker, Hermann. 1985. Wittgensteins Beitrag zu einer Hierarchie der Buchstaben. Österreich in Geschichte und Gegenwart 29, 205⫺287. ⫺. 1987. Wittgenstein, Wüster und die Erstellung eines deutschen Norm-Alphabets. Muttersprache 97, 336⫺356.

142. Phonetische Transkription Müller-Yokota, Wolfram. 1989. Schrift und Schriftgeschichte [Japans]. In: Handbuch der Orientalistik. Fünfte Abteilung: Japan. Hier: Bruno Levin et al. (ed.), Sprache und Schrift Japans. Leiden et. al., 185⫺221. Muthmann, Gustav. 1988. Rückläufiges deutsches Wörterbuch. Handbuch der Wortausgänge im Deutschen mit Beachtung der Wort- und Lautstruktur. Tübingen. Raible, Wolfgang. 1991. Zur Entwicklung von Alphabetschrift-Systemen. Is fecit cui prodest. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Bericht 1/1991. Heidelberg. ⫺. 1994. Orality and Literacy. In: Günther & Ludwig, 1⫺17 (⫽ dieses Handbuch, Band 1, Artikel 1). Saenger, Paul. 1982. Silent reading: Its impact on late medieval script and thougt. Viator 13, 367⫺414. Seebold, Elmar. 1993. FuÌark, Beith-Luis-Nion, Abgad und Alphabet. Über die Systematik der Zeichenaufzählung bei Buchstaben-Schriften. In: Heidermann, Frank, Rix, Helmut & Seebold, Elmar (ed.), Sprachen und Schriften des antiken Mittelmeerraumes. Festschrift für Jürgen Untermann. Innsbruck, 411⫺444.

1583 Tropper, Josef. 1994. Die nordwestsemitischen Schriften. In: Günther & Ludwig, 267⫺306 (⫽ dieses Handbuch Band 1, Artikel 20). The Unicode Consortium. 1991. The unicode standard. Worldwide character encoding. 2 vols. Reading (Mass.). Watt, W. C. 1989. The Ras Shamra Matrix. Semiotica 74, 61⫺108. Weingarten, Rüdiger. 1995. Das Alphabet in neuen Medien. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 50, 101⫺123. Wiegand, Herbert Ernst. 1989. Aspekte der Makrostruktur im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch: Alphabetische Anordnungsformen und ihre Probleme. In: Haussmann, Franz Josef, Reichmann, Oskar, Wiegand, Herbert Ernst & Zgusta, Ladislaus (ed.), Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Berlin et al., 371⫺409. Ich danke den Mitgliedern der Studiengruppe Geschriebene Sprache sowie den Kollegen Klaus Alpers, Jost Gippert, Wolfgang Raible und Wolfgang Schenkel; ohne ihre vielen Hinweise wäre es mir nicht möglich gewesen, auf diesem so unbeackerten Feld einen einigermaßen kohärenten Artikel zu schreiben.

Hartmut Günther, Mannheim (Deutschland)

142. Phonetische Transkription 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Definitorisches Alphabetische und analphabetische Notation Das Notationssystem der IPA Andere Notationssysteme Phonetische Notation in der Datenverarbeitung Literatur

1.

Definitorisches

Unter phonetischer Transkription versteht man eine Methode, mittels welcher gesprochene Sprache unter Verwendung eines Alphabets oder Notationssystems schriftlich aufgezeichnet wird. Die verwendeten Notationssymbole sind inhaltlich bezüglich ihres Lautwertes genau definiert. Sie sind zu verstehen als Abkürzung der artikulatorischen Deskription der zu transkribierenden Laute und werden in eckige Klammern [ ] gesetzt. So stellt im System der IPA (vgl. u. 3.) etwa [m] die Abkürzung dar für „bilabialer stimmhafter Nasal“ oder [e] für „mittelhoher ungerundeter Vorderzungen-Vokal“.

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Formen der Transkription: der breiten (engl. broad) oder phonematischen (zwischen Schrägstriche // gesetzten) Transkription und der engen (engl. narrow) oder phonetischen Transkription. Bei Anwendung der breiten Transkription werden nur solche Laute mit unterschiedlichen Symbolen notiert, welche in der betreffenden Sprache Bedeutungen unterscheiden können, d. h. Phonem-Charakter haben. In der engen Transkription werden alle auditiv erfaßbaren Unterschiede notiert. Als Beispiel seien hier die beiden wichtigsten r-Realisationen des Deutschen genannt. In einigen Dialekten des Deutschen, wie etwa dem Bairischen, wird das /r/ als apikal-alveolarer Vibrant realisiert, d. h. die Zungenspitze vibriert gegen den Zahndamm. In anderen Dialekten, z. B. dem Schwäbischen, wird /r/ mit dem Zäpfchen gebildet, als uvularer Vibrant. In einer breiten Transkription werden beide r-Formen mit dem gleichen Symbol wiedergegeben, also als /r/, da der artikulatorische Unterschied im Deutschen nicht auch

142. Phonetische Transkription Müller-Yokota, Wolfram. 1989. Schrift und Schriftgeschichte [Japans]. In: Handbuch der Orientalistik. Fünfte Abteilung: Japan. Hier: Bruno Levin et al. (ed.), Sprache und Schrift Japans. Leiden et. al., 185⫺221. Muthmann, Gustav. 1988. Rückläufiges deutsches Wörterbuch. Handbuch der Wortausgänge im Deutschen mit Beachtung der Wort- und Lautstruktur. Tübingen. Raible, Wolfgang. 1991. Zur Entwicklung von Alphabetschrift-Systemen. Is fecit cui prodest. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Bericht 1/1991. Heidelberg. ⫺. 1994. Orality and Literacy. In: Günther & Ludwig, 1⫺17 (⫽ dieses Handbuch, Band 1, Artikel 1). Saenger, Paul. 1982. Silent reading: Its impact on late medieval script and thougt. Viator 13, 367⫺414. Seebold, Elmar. 1993. FuÌark, Beith-Luis-Nion, Abgad und Alphabet. Über die Systematik der Zeichenaufzählung bei Buchstaben-Schriften. In: Heidermann, Frank, Rix, Helmut & Seebold, Elmar (ed.), Sprachen und Schriften des antiken Mittelmeerraumes. Festschrift für Jürgen Untermann. Innsbruck, 411⫺444.

1583 Tropper, Josef. 1994. Die nordwestsemitischen Schriften. In: Günther & Ludwig, 267⫺306 (⫽ dieses Handbuch Band 1, Artikel 20). The Unicode Consortium. 1991. The unicode standard. Worldwide character encoding. 2 vols. Reading (Mass.). Watt, W. C. 1989. The Ras Shamra Matrix. Semiotica 74, 61⫺108. Weingarten, Rüdiger. 1995. Das Alphabet in neuen Medien. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 50, 101⫺123. Wiegand, Herbert Ernst. 1989. Aspekte der Makrostruktur im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch: Alphabetische Anordnungsformen und ihre Probleme. In: Haussmann, Franz Josef, Reichmann, Oskar, Wiegand, Herbert Ernst & Zgusta, Ladislaus (ed.), Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Berlin et al., 371⫺409. Ich danke den Mitgliedern der Studiengruppe Geschriebene Sprache sowie den Kollegen Klaus Alpers, Jost Gippert, Wolfgang Raible und Wolfgang Schenkel; ohne ihre vielen Hinweise wäre es mir nicht möglich gewesen, auf diesem so unbeackerten Feld einen einigermaßen kohärenten Artikel zu schreiben.

Hartmut Günther, Mannheim (Deutschland)

142. Phonetische Transkription 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Definitorisches Alphabetische und analphabetische Notation Das Notationssystem der IPA Andere Notationssysteme Phonetische Notation in der Datenverarbeitung Literatur

1.

Definitorisches

Unter phonetischer Transkription versteht man eine Methode, mittels welcher gesprochene Sprache unter Verwendung eines Alphabets oder Notationssystems schriftlich aufgezeichnet wird. Die verwendeten Notationssymbole sind inhaltlich bezüglich ihres Lautwertes genau definiert. Sie sind zu verstehen als Abkürzung der artikulatorischen Deskription der zu transkribierenden Laute und werden in eckige Klammern [ ] gesetzt. So stellt im System der IPA (vgl. u. 3.) etwa [m] die Abkürzung dar für „bilabialer stimmhafter Nasal“ oder [e] für „mittelhoher ungerundeter Vorderzungen-Vokal“.

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Formen der Transkription: der breiten (engl. broad) oder phonematischen (zwischen Schrägstriche // gesetzten) Transkription und der engen (engl. narrow) oder phonetischen Transkription. Bei Anwendung der breiten Transkription werden nur solche Laute mit unterschiedlichen Symbolen notiert, welche in der betreffenden Sprache Bedeutungen unterscheiden können, d. h. Phonem-Charakter haben. In der engen Transkription werden alle auditiv erfaßbaren Unterschiede notiert. Als Beispiel seien hier die beiden wichtigsten r-Realisationen des Deutschen genannt. In einigen Dialekten des Deutschen, wie etwa dem Bairischen, wird das /r/ als apikal-alveolarer Vibrant realisiert, d. h. die Zungenspitze vibriert gegen den Zahndamm. In anderen Dialekten, z. B. dem Schwäbischen, wird /r/ mit dem Zäpfchen gebildet, als uvularer Vibrant. In einer breiten Transkription werden beide r-Formen mit dem gleichen Symbol wiedergegeben, also als /r/, da der artikulatorische Unterschied im Deutschen nicht auch

1584 einem Bedeutungsunterschied entspricht. In einer engen Notation dagegen sind beide rRealisationen mit unterschiedlichen Symbolen zu schreiben: der apikal-alveolare Vibrant nach IPA als [r], der uvulare Vibrant als [R]. Das bisher Ausgeführte hat zwei Implikationen: (1) phonetische Transkription ist eine Technik, die erlernt werden muß. Eine passive Beherrschung der Notationssymbole eines phonetischen Alphabets genügt nicht; vielmehr muß der Transkribent gelernt haben, die Symbole einem bestimmten Lautwert zuzuordnen. Dies setzt gezieltes Training und Schulung des Gehörs voraus. Dabei ist es vor allem wichtig, daß der Transkribent sich von seinen muttersprachlichen Hörgewohnheiten löst. Der Erwerb der Muttersprache durch das Kind stellt eine Einschränkung auf die in dieser Sprache relevanten, nämlich bedeutungsunterscheidenden Laute (Phoneme) dar. Varianten dieser Phoneme, seien sie nun stellungsbedingt oder frei, werden unter die entsprechenden Phoneme subsumiert und nicht als eigenständige Laute wahrgenommen; sie werden höchstens als Eigenheiten bestimmter Sprecher oder Dialekte gewertet. So liegt z. B. für einen linguistisch/ phonetisch nicht geschulten Sprecher des Deutschen der einzige Unterschied bei den Vokalen des Wortpaares *Ofen+ vs. *offen+ in der Dauer. Erst nach einigem Training ist er in der Lage zu erkennen, daß sich die beiden /o/ außerdem noch in der Qualität, nämlich ihrer artikulatorischen Ausprägung, unterscheiden. Diese muttersprachlichen Hörgewohnheiten gilt es abzulegen. Der Transkribent muß lernen, die Artikulation eines Lautes zu erkennen, u. a. durch eigenes Nachahmen dieses Lautes, und ihm das adäquate Notationssymbol zuzuordnen. (2) Aus dem oben Gesagten folgt jedoch auch, daß eine breite Transkription nur derjenige anfertigen kann, der die Phonologie der zu transkribierenden Sprache kennt. Die enge Transkription (auch einer fremden Sprache) wird jedoch andererseits stets von den Kenntnissen der eigenen Muttersprache beeinflußt sein, da die Sensibilität für diejenigen Laute größer ist, die in der eigenen Sprache Phonemcharakter haben. Alle bekannten Transkriptionssysteme wurden geschaffen mit der Absicht, sich von einzelsprachlichen Orthographien abzusetzen und auf möglichst viele Sprachen anwendbar zu sein. Viele Autoren von Transkriptionssystemen definierten für sich selbst das Ziel, ein universelles Alphabet zu schaffen. Die Auto-

X. Sonderschriften

ren von älteren Transkriptionssystemen gingen häufig von der als inadäquat empfundenen Orthographie der eigenen Muttersprache aus, wie z. B. Pitman-Ellis bei ihrem ‘phonotypischen’ Alphabet von 1847. Den Ausgangspunkt anderer Autoren bildet das Problem der Transliteration (→ Art. 143) wie z. B. im Falle von Sir William Jones (1788) bei der Beschäftigung mit asiatischen (indoarischen) Sprachen. Sir Jones formulierte bereits 1788 Grundsätze für Transkriptionssysteme, welche auch heute noch Gültigkeit haben. So forderte er u. a., daß nicht derselbe Buchstabe für verschiedene Laute und nicht verschiedene Buchstaben für denselben Laut verwendet werden sollten.

2.

Alphabetische und analphabetische Notationssysteme

Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Transkriptionssystemen, den alphabetischen und den sog. analphabetischen Systemen. Die alphabetischen Systeme verwenden Buchstaben aus bereits vorhandenen Alphabeten. Verwendung findet hier vorzugsweise das lateinische Alphabet, u. U. ergänzt durch Buchstaben aus dem griechischen und/oder dem kyrillischen. Nach Möglichkeit wird die Schaffung neuer Zeichen vermieden. Alle Zeichen werden in der Regel artikulatorisch definiert, stehen somit für einen ganz bestimmten Laut. Es ist eine oft und lange geübte Praxis, den Lautwert eines Zeichens zu demonstrieren durch Angabe von Beispielwörtern aus Sprachen, in denen dieser Laut auftritt. Da viele Laute nicht in den bekannteren europäischen Sprachen, vorkommen, müssen Beispiele aus sehr entlegenen Sprachen angeführt werden wie dem Arabischen, Hindi, Amharischen etc. Dadurch wird das Erlernen eines Transkriptionssystems naturgemäß ganz erheblich erschwert. Das Ziel analphabetischer Notationssysteme ist dagegen die direkte Abbildung der Artikulation eines Lautes. Man kann grundsätzlich zwischen zwei Typen von analphabetischen Systemen unterscheiden. Beim ersten Typ entstehen wieder neue Buchstaben, die jedoch aus einzelnen Teilen artikulatorischen Inhalts zusammengesetzt sind. Bekannt sind die Alphabete von Alexander Melville Bell (1867) und Ernst Brücke (1863). Beide Autoren orientieren sich an der Artikulation der Laute, wobei sie spezielle Zeichen für Artikulationsstellen, Artikulationsmodi und die

1585

142. Phonetische Transkription

Hervorbringung (Phonation) erstellen, aus welchen sich die Notationssymbole zusammensetzen. In der Notation von Brücke setzt sich so das Symbol für [b] ⫽ * + zusammen aus dem Zeichen * + für die bilabiale Artikulationsstelle und * + für einen Verschlußlaut (Plosiv). Dessen stimmloses Gegenstück, [p], wird als * + notiert, wobei * + zusätzlich Stimmlosigkeit anzeigt. Ein historisch frühes Beispiel für Systeme dieser Art stellt das von Bischof John Wilkins aus dem Jahr 1668 dar, der zudem auch eine artikulatorisch orientierte Silbenschrift für das Englische erfand. Den zweiten Typ der analphabetischen Notation finden wir bei Otto Jespersen (1904). Er verwendete eine Formel, deren Basis griechische Buchstaben bilden, mittels derer die artikulierenden (beweglichen) Organe notiert werden; dabei bezeichnet *a+ die Lippe, *b+ die Zungenspitze, *g+ das Zungenblatt, *d+ das Gaumensegel, *e+ den Kehlkopf. Die Artikukationsstellen werden mit hochgestellten lateinischen Buchstaben notiert: *a, b, c+ entsprechen der Oberlippe, *d, e+ den oberen Schneidezähnen, *f+ dem Zahndamm, *g+ dem harten Gaumen, *h, i+ dem Gaumensegel, *k+ dem Zäpfchen und *l+ der Rachenwand. Die Zahlzeichen *0+ bis *8+ und einige Sonderzeichen geben den „Grad der Öffnung“ an, wobei *0+ einen völligen Verschluß (u. a. einen Plosiv), *1+ und *2+ Engelaute (Frikative) bezeichnen. Die Zahlen *3+ bis *8+ sind der Notation von Vokalen vorbehalten. Das Verhalten des Gaumensegels (Velum) wird durch die Kombination von *d+ und den Zahlzeichen *0+ bis *2, (3)+ wiedergegeben: *d0+ bedeutet ein gehobenes Velum, *d1+ ein teilweise gesenktes und *d2, (3)+ ein völlig gesenktes Velum. Phonationstypen wie stimmhaft, stimmlos und stimmlos aspiriert werden durch Kombination des Zeichens für den Kehlkopf *e+ und die Zahlen *0+ bis *3+ notiert: *e0+ bezeichnet den Kehlkopfverschlußlaut (engl. glottal stop), *e1+ einen stimmhaften, *e2+ einen stimmlos aspirierten und *e3+ einen stimmlosen Laut. In dem System von Jespersen wird z. B. [p] notiert als *a0a d0 e3+, [b] als *a0a d0 e1+, [m] als *a0a d2 e1+ usw. Die analphabetischen Notationssysteme haben gegenüber den alphabetischen Systemen Vor- und Nachteile. Der Vorteil liegt zweifellos in der Exaktheit, mit welcher Artikulationen, auch pathologische Äußerungen, notiert werden können. Der Nachteil ist dagegen die schlechte Lesbarkeit der Tran-

skripte. Letzteres hat dazu geführt, daß sich keines der Systeme über einen längeren Zeitraum durchsetzen konnte.

3.

Das Internationale Phonetische Alphabet (IPA)

3.1. Entstehung der IPA Das heute verbreitetste Transkriptionssystem ist das der Internationalen Phonetischen Gesellschaft (eng. International Phonetic Association, frz. L’Association Phone´tique International, im Dt. auch: Weltlautschriftverein). Sie wurde 1886 von Paul Passy in Frankreich unter dem Namen „Dhi Fone`tik Tıˆtcer’z Aso´cie´con“ gegründet. Die Gründungsmitglieder waren Fremdsprachenlehrer, welche den Nutzen phonetischer Kenntnisse über die Produktion der Sprachlaute und ihre Notation für den Fremdsprachenunterricht erkannt hatten und ihre Methode einem größeren Kreis von Kollegen bekannt machen wollten. Die Gesellschaft bekam noch im gleichen Jahr internationalen Charakter, als einige der damals in Europa führenden Phonetiker und Sprachwissenschaftler Mitglieder der Gesellschaft wurden, wie z. B. Otto Jespersen aus Dänemark, Henry Sweet aus England, Wilhelm Vie¨tor aus Deutschland und J. A. Lundell aus Schweden. Der Name der Gesellschaft wurde mehrmals geändert: 1889 in „L’Association Phone´tique des Professeurs de Langues Vivantes“, 1897 in „L’Association Phone´tique Internationale“ und zuletzt 1971 in „International Phonetic Association“. Der Sitz der Gesellschaft war zunächst Paris, später London und ist heute Leeds, England. Die IPA begann bereits im Jahre ihrer Entstehung mit der Herausgabe einer Zeitschrift in phonetischer Notation, „Dhi Fone`tik Tıˆtcer“. Diese war zunächst ein 4-seitiges Papier mit Buchbesprechungen zum Fremdsprachenunterricht, persönlichen Mitteilungen der Mitglieder und Anzeigen. Langsam veränderte sich jedoch der Inhalt der Zeitschrift, und es wurden Artikel phonetischen und sprachwissenschaftlichen Inhalts aufgenommen. Jedoch blieb für lange Zeit ein Schwerpunkt der Zeitschrift der Fremdsprachenunterricht. Der Name der Zeitschrift wurde 1889 in „Le Maıˆtre Phone´tique“ geändert; seit 1971 wird sie als „Journal of the International Phonetic Association (JIPA)“ in normaler einzelsprachlicher Orthographie weitergeführt.

1586 3.2. Entstehung des IPA-Alphabets Während der ersten beiden Jahre benutzte Paul Passy in der Zeitschrift ein vorläufiges Notationssystem, das 1888 von einem anderen, ebenfalls noch tentativen, System abgelöst wurde. Während dieser Zeit hatte die Gesellschaft bzw. die Zeitschrift kein allgemein verbindliches Alphabet; die einzelnen Autoren benutzten sehr unterschiedliche Systeme. Die Idee, ein Notationssystem zu schaffen, das auf alle bekannten Sprachen anwendbar und verbindlich sein sollte, geht vermutlich auf eine Anregung von Otto Jespersen von 1886 zurück. Die Idee wurde mit großem Enthusiasmus aufgenommen, und nach zweijährigen Diskussionen unter den Mitgliedern der Gesellschaft wurde die erste Version eines internationalen phonetischen Alphabets 1888 publiziert. Das ursprüngliche Notationssystem basiert auf dem 1847 von Pitman und Ellis entwickelten ‘phonotypischen’ Alphabet und zeigt nur einige Modifikationen, die nötig wurden, da die Setzerei in Frankreich nicht alle von Pitman und Ellis benutzten Zeichen zur Verfügung hatte. Die Arbeit am Alphabet, besonders auch an der Form der einzelnen Zeichen, wurde fortgesetzt und 1900 eine zweite Fassung vorgelegt. Im Lauf der Zeit wurden mehrere Ergänzungen und Änderungen des Alphabets notwendig, bis im Jahre 1949 ein Alphabet veröffentlicht werden konnte, das die Bedürfnisse auf lange Jahre hinaus befriedigte. Es wurde publiziert in „The Principles of the International Phonetic Association“. Die Principles enthalten auf den ersten 19 Seiten neben einem Überblick über die Entstehungsgeschichte der Gesellschaft einen Abriß über die dem Alphabet zugrundeliegenden Prinzipien, eine Diskussion über den Status von Phonemen und eine Abgrenzung zwischen phonematisch breiter und phonetisch enger Transkription, ein Kapitel über Kardinal-Laute, die Notationssysteme für Konsonanten und Vokale, Erläuterungen über deren Aussprache und eine Aufstellung der Diakritika mit Beispielen für ihre Anwendung. Die restlichen der insgesamt 53 Seiten füllen sog. ‘Specimes’, d. h. Textproben der Äsop-Fabel „Der Nordwind und die Sonne“ in phonetischer Transkription aus 51 Sprachen. Neben den Principles hat die Gesellschaft eine Audio-Kassette produziert, welche die Aussprache der einzelnen Zeichen erläutern soll. Die „Principles“ wurden seit 1949 wiederholt nachgedruckt (letztmalig 1984), aber nicht überarbeitet. Änderungs- und Ergän-

X. Sonderschriften

zungsvorschläge wurden in den Mitgliederversammlungen diskutiert und das Ergebnis in der Zeitschrift publiziert. Erst 1989, 40 Jahre nach dem Erscheinen der Principles, wurde eine Überarbeitung des Alphabets nach Anregung von Peter Ladefoged, dem damaligen Direktor der Gesellschaft, vorgenommen. Nach ca. zweijähriger Vorbereitung traf man sich zu den sog. ‘Kiel Conventions’. Die Ergebnisse dieser Konferenz sind in JIPA 19 (1989): 67⫺80 (zur letzten Revision vgl. JIPA 23 (1993): 32⫺34), publiziert, eine Nachfolge der Principles soll unter dem Namen „The IPA Handbook“ erscheinen. 3.3. Die Prinzipien des IPA Die Prinzipien, welche dem Alphabet zugrundeliegen und hier nur in Auszügen besprochen werden können, wurden während der Kieler Konferenz neu überdacht und in JIPA 19 (1989) publiziert. ⫺ Das IPA ist so strukturiert, daß es Symbole für die Repräsentation aller möglichen Laute in allen Sprachen der Welt besitzt. Der Repräsentation dieser Laute liegen phonetische Kategorien zugrunde, welche beschreiben, wie diese Laute artikuliert sind. Die Symbole des IPA sind Abkürzungen für die Intersektion dieser Kategorien. Z. B. ist [p] die Abkürzung für die Kombination der Kategorien stimmlos, bilabial und Plosiv. ⫺ Die Konstruktion und der Gebrauch des IPA ist von den folgenden Überlegungen geleitet: (a) Wenn zwei Laute in einer Sprache verwendet werden, um Wortbedeutungen zu unterscheiden (d. h. wenn sie phonematischen Status haben) sollen sie, wenn immer möglich, mit zwei verschiedenen Symbolen notiert werden. (b) Wenn zwei Laute einander sehr ähnlich sind und in keiner bekannten Sprache Phonemstatus haben, sollen sie mit dem gleichen Symbol notiert werden. Wenn nötig können Sonderzeichen (Diakritika) verwendet werden, um solche Lautschattierungen zu notieren. (c) Da auf Diakritika nicht völlig verzichtet werden kann, soll ihr Gebrauch auf die folgenden Fälle beschränkt werden: (aa) zur Bezeichnung von Dauer, Akzentposition und Tonhöhe, (bb) zur Bezeichnung von Lautschattierungen und (cc) wenn durch Einführung eines einzigen Diakritikums die Schaffung einer größeren Anzahl von neuen Symbolen vermieden werden kann. ⫺ Wie in den Prinzipien ausgeführt, bedarf es für die alphabetische Notation immer eines Bezugsrahmens, wie er u. a. auch durch Kar-

1587

142. Phonetische Transkription

dinallaute ⫺ insbesondere die Kardinalvokale ⫺ angegeben werden kann. Unter Kardinalvokalen versteht man nach Daniel Jones die artikulatorisch-akustisch definierten Bezugspunkte des Vokalvierecks, wie sie in Abb. 142.1 dargestellt sind. Die primären Kardinalvokale (links) sind gegeben durch akustisch gleichmäßige Unterteilung der Abstände innerhalb der (in den meisten SpraFront

Back Front

i

Back

u y

e

o ε

ɔ ɒ

a

Front

Back

ɯ

ø 

 

Front

ɒ

Back

Abb. 142.1: Das System der Kardinalvokale (nach IPA, 1949)

chen ungerundeten) Serie vom höchstmöglichen Vorderzungenvokal [i] und dem offensten Hinterzungenvokal [a] mit [e, e, a] und eine gleichartige (in den meisten Sprachen gerundete) Serie weiter zum höchstmöglichen Hinterzungenvokal [u] mit [o, c]. Als weiterer Kardinalvokal tritt [È] mit einer zwischen [i] und [u] gelegenen Zungenposition (ungerundet) hinzu. Die sekundären Kardinalvokale (rechts) sind bei gleicher Zungenhöhe/-position durch die entgegengesetzte Besetzung des Merkmals der Lippenrundung gekennzeichnet. Abb. 142.2 zeigt die deutschen Vokale innerhalb dieses Systems. i e

y i y ε

υ

u

o ø ə ε ɔ  a,a

ɔi ai aυ

Abb. 142.2: Das deutsche Vokalsystem (nach Kohler 1990, 49)

3.4. Das Symbol-Inventar des IPA Die Hauptquelle für das IPA stellt das lateinische Alphabet dar, z. B. [a, e, i, o, u; p, t, k; m, n]. Diese lateinischen Buchstaben werden ergänzt durch griechische Buchstaben, welche in ihrer Form jedoch den lateinischen typographisch angepaßt werden. Weitere Zeichen werden geschaffen durch Umdrehung von Buchstaben; z. B. [c], [X], [v] etc. Ergänzt

wird dieses Zeicheninventar durch Kapitälchen. Die Schaffung völlig neuer Zeichen wurde soweit wie möglich aus ökonomisch/ finanziellen Gründen vermieden: Spezialzeichen waren nur in einigen wenigen Setzereien verfügbar und waren, wenn sie neu gegossen werden mußten, sehr teuer. Die letzte Gruppe von Zeichen schließlich bilden die Diakritika. Für die tabellarische Darstellung wurde der Symbolbestand des IPA in Konsonanten (pulmonal, nichtpulmonal), Vokale, ‘weitere Symbole’, (segmentale) Diakritika und Suprasegmentalia (Diakritika zur Notation von Dauer, Akzent und Tonhöhe) untergliedert. Die Konsonanten und Vokale sind in je einer Tabelle bzw. einem System dargestellt. Das Konsonantensystem (Abb. 142.3) ist aufgebaut auf zwei Deskriptionsparametern, nämlich der Artikulationsstelle (sowie dem artikulierenden Organ) und dem Artikulationsmodus. In dem Bestreben, die Anzahl der Reihen und Spalten der Tabelle der pulmonalen Konsonanten möglichst gering zu halten, wurden nur die absolut notwendigsten Artikulationsstellen und -modi erfaßt. Bei den Artikulationsstellen sind dies: bilabial (mit beiden Lippen gebildet), labiodental (mit der Unterlippe an den Zähnen gebildet), dental, alveolar, postalveolar, retroflex, palatal, velar, uvular, pharyngal und glottal. Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden z. B. die alveolar-palatalen Frikative, doppelt-artikulierte und epiglottale Konsonanten. Diese wurden aus der Tabelle herausgenommen und unter ‘weitere Symbole’ plaziert, da ansonsten zusätzliche Spalten hätten geschaffen werden müssen. Bei den Artikulationsmodi wurden erfaßt: Plosive, Nasale, Vibranten (engl. trills), Taps und Flaps (geschlagene r-Laute), Frikative, laterale Frikative, Approximanten und Laterale. In der Konsonantentabelle schraffierte Felder zeigen an, daß Konsonanten in dieser Position artikulatorisch unmöglich sind, wie z. B. ein pharyngaler Nasal, dessen Bildung einen kompletten Verschluß an der Rachenwand und einen gleichzeitig offenen Nasengang voraussetzen würde. Die Symbole für die nichtpulmonalen konsonantischen Modi der Schnalzlaute (engl. clicks), Implosive und Ejektive sind in einer eigenen Tabelle gelistet. Die Darstellung des Vokalsystems orientiert sich an der Zungenposition, der Zungenhöhe und der Lippenrundung (gerundet vs. ungerundet) der Vokale. Es werden drei Zungenpositionen (vorn-zentral-hinten) und vier (Haupt-)Zungenhöhen von geschlossen nach

1589

142. Phonetische Transkription

dies durch die Plazierung des Diakritikums in Relation zu einer senkrechten Grundlinie (vgl. Abb. 142.6). extra-hoch

steigend

hoch mittel

fallend hoch steigend

tief

tief steigend

extra-tief

steigendfallend etc.

Abb. 142.6: Die 2. Tonnotation des IPA

Abb. 142.4: Das Vokalinventar des IPA

offen unterschieden, mit nur teilweise bezeichneten Zwischenstufen. Die Anzahl der ‘segmentalen’ Diakritika ist beschränkt. Ihr Gebrauch sowie ihre Plazierung in Relation zum Grundzeichen wird an jeweils ein bis zwei Beispielen erläutert. Die größte Neuerung im Vergleich zum System der „Principles“ findet sich bei der Notation der Tonhöhe. Hier stehen jetzt optional zwei grundsätzlich verschiedene Notationsweisen zur Auswahl. Die erste, welche Akzentzeichen benutzt, findet sich schon seit längerem in der Tradition der Afrikanistik (vgl. Abb. 142.5). Hier bezeichnet ein einfaches Diakritikum die unterschiedlichen Tonstufen. Durch die unterschiedliche Kombination dieser Grundzeichen werden die entsprechenden Symbole für Tonhöhenverläufe geschaffen. extra-hoch hoch mittel tief extra-tief Downstep Upstep

steigend fallend hoch steigend tief steigend steigendfallend etc.

Abb. 142.5: Die 1. Tonnotation des IPA

Das zweite Notationssystem für Tonhöhen geht auf die chinesische Tradition zurück und wurde 1933 von Chen Ren Chao eingeführt. Die Grundlage des Systems von Chao ist eine 5-stufige Skala. Alle Töne werden in Bezug zu diesen 5 Stufen notiert. Angezeigt wird

Die diakritischen Tonzeichen werden über das entsprechende segmentale Zeichen, die ‘tone letters’ von Chao vor oder hinter das segmentale Material geschrieben. 3.5. Internationale Verbreitung des IPA Das IPA hat von allen Transkriptionssystemen die weiteste Verbreitung und Anerkennung gefunden. So wird es nicht nur im Bereich der Phonetik, der angewandten Phonetik (z. B. der forensischen Phonetik), bei den Logopäden und Sprachheilkundlern verwendet, sondern ist auch die Grundlage für die Ausspracheangaben in zweisprachigen Wörterbüchern. Im letzten Fall begegnet es allerdings in einer vereinfachten Form, während Ergänzungen des Alphabets, besonders im Bereich der Diakritika, notwendig waren zur Notation pathologischer Äußerungen. Trotz der Verbreitung des IPA gibt es Bereiche, in denen das Alphabet auf Ablehnung stößt oder bis vor kurzem stieß (vgl. u. 4.). Zu diesen Bereichen gehören die Afrikanistik, Dialektstudien und Atlanten (hier insbesondere die Zeitschrift „Teuthonista“), die amerikanische Phonetik und Sprachwissenschaft und die Finnougristik. Grundsätzliche Unterschiede in der Schrifttradition haben die Akzeptierung des IPA in den USA lange Zeit verhindert. Während das IPA z. B. der deutsch-skandinavischen Tradition im Gebrauch von *j+ und *y+ folgt, wobei [j] einen stimmhaften palatalen Approximanten und [y] einen vorderen gerundeten hohen Vokal bezeichnet, orientiert sich die amerikanische Transkription an der angelsächsischen Tradition, in welcher *j+ eine stimmhafte (alveolo-)palatale Affrikate und *y+ einen stimmhaften palatalen Approximanten bezeichnet. Ähnliche Probleme bereitet der Gebrauch von [¨], welches nach IPA die Zentralisierung eines Vokals, in der ame-

1590

X. Sonderschriften

rikanischen Tradition einen vorderen Vokal bezeichnet. Allerdings findet das IPA in letzter Zeit auch in den USA verstärkt Anerkennung.

4.

Andere Notationssysteme

Daß sich Afrikanisten von jeher schwer taten mit der Anwendung des IPA, hat seine Ursache zum nicht geringen Teil in der Entstehungsgeschichte des Alphabets. Damals galt das Augenmerk fast ausschließluch den indogermanischen Sprachen unter Hinzunahme von Arabisch und Hebräisch; afrikanische und amerikanische Sprachen wurden nur am Rande berücksichtigt. Daraus folgte, daß sich in der Afrikanistik ein eigenes ⫺ an den Bedürfnissen des Faches orientiertes ⫺ Notationssystem entwickelte, das z. T. konträr zu demjenigen der IPA stand. Beispiele hierfür sind zum einen die Symbole für die Notation von Tönen (wie bereits dargelegt), zum anderen die Zeichen für Schnalzlaute. In der Afrikanistik wurden bereits seit Jahrzehnten nicht-alphabetische Zeichen für die Notation von Schnalzen verwendet (s. auch Lepsius 1855). D. h., daß die Majorität der mit diesen Lauten befaßten Wissenschaftler die IPASymbole nicht verwendete. Erst 1989 in Kiel hat man dieser Situation Rechnung getragen, wenn auch erst nach heftigen Diskussionen, und die in der Afrikanistik gebräuchlichen nichtalphabetischen Symbole für die Notation von Schnalzen übernommen. Das in der „Teuthonista“ verwendete Notationssystem unterscheidet sich von dem der IPA grundsätzlich. Während das IPA phonemorientiert ist und vorsieht, daß eigenständige Phoneme mit eigenen Zeichen zu notieren sind, faßt das Alphabet der „Teuthonista“ artikulatorisch/akustisch ähnliche Laute, wie z. B. die o-Laute, zu einer Klasse zusammen und notiert sie mit dem gleichen Grundsymbol. Zur Unterscheidung der einzelnen oLaute werden Diakritika verwendet. In der Finnougristik wird bis in unsere Tage ein Notationssystem verwendet, dessen Ursprünge auf Techmer zurückgehen und welches von E. N. Setälä (1901) überarbeitet und ergänzt wurde. Dieses Notationssystem kann ebenfalls zu den ‘diakritischen’ Systemen gezählt werden, da es auf ähnlichen Prinzipien beruht wie das der „Teuthonista“. Es ist aber aufgrund des starken Gebrauchs von Diakritika (die Kombination von drei bis vier Diakritika mit einem einzigen Grundzeichen ist keine Seltenheit) schwer schreibund lesbar.

5.

Phonetische Notation in der Datenverarbeitung

Ein eigenes Problem bildet die ComputerDarstellung der phonetischen Transkription, da ein einheitlicher Repräsentationsstandard nur für die 128 7-Bit-ASCII-Zeichen existiert (wovon wiederum 32 Zeichen ausschließlich für Steuerfunktionen reserviert sind). Einen gewissen europäischen Standard der Repräsentation bildet hier das im ESPRITProjekt SAM „Multilingual Speech Input/ Output Assessment, Methodology and Standardization“ entwickelte SAM-PA (vgl. Wells et al. 1992), das auf frühere Versuche, die Sonderzeichen des IPA mnemotechnisch auf die Großbuchstaben und Sonderzeichen der Computertastatur abzubilden (z. B. *S+ für [s], *@+ für [e], *2+ für [ø] ⫺ wg. frz. deux, *9+ für [œ] ⫺ wg. frz. neuf), zurückgeht. Auf den ‘Kiel Conventions’ der IPA im Jahr 1989 wurde zudem eine Kodierung sämtlicher IPA-Zeichen in Form von dreistelligen Kennziffern (‘IPA numbers’) erarbeitet (vgl. Esling 1990), wobei die Nummern ⫺ jeweils dem Raster der IPA-Tabelle folgend ⫺ in der Serie 1nn (beginnend bei 101 für [p]) die gültigen IPA-Konsonantensymbole, in der Serie 2nn die älteren IPA- sowie andere Konsonantensymbole repräsentieren, die Nummern 3nn für die Vokalsymbole, 4nn für segmentale Diakritika, 5nn für suprasegmentale Symbole, 6nn für Stimmqualitätsbezeichnungen und 9nn für Steuerzeichen u. ä. stehen.

6.

Literatur

Bell, Alexander M. 1867. Visible Speech: The science of universal alphabetics; or self-interpreting physiological letters, for the writing of all languages in one alphabet. London. Brücke, Ernst. 1863. Über eine neue Methode der phonetischen Transkription. Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Classe. Bd. XLI, H. II, 223⫺ 285. Esling, John. 1990. Computer coding of the IPA: Supplementary report, in: Journal of the International Phonetic Association 20, 22⫺26. IPA. 1949. The Principles of the International Phonetic Association. London [letztes Reprint 1984]. Jespersen, Otto. 1904. Lehrbuch der Phonetik. Leipzig. Jones, William. 1788. On the orthography of Asiatic words in Roman letters. Asiatic Researchers 1. Calcutta 1⫺56.

143. Transliteration Kohler, Klaus. 1990. German. Journal of the International Phonetic Association 20, 48⫺50. Lepsius, Richard. 1855. Das allgemeine linguistische Alphabet. Berlin. Setälä, Emil N. 1901. Über die Transkription der finnisch-ugrischen Sprachen. Finnisch-Ugrische Forschungen 1, 15⫺52. Wells, John, Barry, William, Grice, Martine, Fourcin, Adrian & Gibbon, Dafydd. 1992. Stage Report

1591 SEn.3. Standard computer compatible transcription (SAM-UCL-037). Wilkins, John. 1668. Essay towards a real character and a philosophical language. London.

Lieselotte Schiefer, München/ Bernd Pompino-Marschall, Berlin (Deutschland)

143. Transliteration 1. 2. 3.

Begriffliches und Geschichtliches Probleme konkreter Transliteration Literatur

1. Begriffliches und Geschichtliches 1.1. Ethnische Gemeinschaften mit unterschiedlichen Sprachen und Schriften müssen wegen der immer enger werdenden internationalen Kommunikation immer häufiger Text(element)e, vor allem Eigennamen und Realienbezeichnungen, aus dem einen Schriftsystem in ein anderes umsetzen, sie mit den Mitteln einer anderen als der ursprünglichen Schrift wiedergeben, sie umschriften. Die konsequenteste Lösung aller damit zusammenhängenden Probleme bestünde darin, die jeweils erforderliche Prozedur nach einem weltweit einheitlichen System vorzunehmen, das zugleich eine adäquate Aussprache der umgeschrifteten Einheiten gewährleisten könnte. Eine solche Wiedergabe fremdsprachlicher und fremdschriftlicher Text(element)e wäre theoretisch mit Hilfe des Notationssystems der von der Internationalen Phonetischen Assoziation entwickelten Weltlautschrift (IPA) möglich (→ Art. 142). Dabei verlöre man zwar die Möglichkeit, das originalgetreue Schriftbild wiederherzustellen, gewönne aber eine exakte Anleitung zur originalgetreuen Aussprache der betreffenden Schriftbilder. Ein solches Vorhaben wäre allerdings nur schwer realisierbar, denn das erforderte erstens die Feststellung der genauen Lautung der wiederzugebenen Text(element)e, zweitens eine entsprechende sprachwissenschaftliche (phonetisch-phonologische und graphische) Schulung der Schreiber und Leser und drittens die nationale und internationale Durchsetzung dieser Praxis. So stehen die einzelnen Sprachund Schriftgemeinschaften heute wie eh und je vor der Notwendigkeit, die in fremden Schriftsystemen verfaßten Text(element)e mit

den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der eigenen Sprache und Schrift zu schreiben bzw. ⫺ bei der Verwendung fremder Sprachen ⫺ die in ihrer eigenen Sprache und Schrift vorliegenden Text(element)e durch die graphischen Mittel der betreffenden Zielsprache wiederzugeben. Bei dieser Verfahrensweise werden z. B. kyrillisch geschriebene russische Wörter von Engländern lateinisch, von Griechen neugriechisch, von Arabern arabisch, von Koreanern koreanisch usw. geschrieben. Diese Art der Umschriftung heißt Transkription. Ihr Wesen besteht darin, daß die jeweiligen Wortschriftbilder aus ihrer Originalform mit den Mitteln eines anderen Schriftsystems entsprechend den Möglichkeiten (Graphie, Orthographie und Interpunktion) einer bestimmten Sprache geschrieben werden. Die nur für die jeweilige Zielsprache geltenden Transkriptionsentsprechungen bilden einen (wenn auch mehr oder weniger peripheren) Bestandteil des orthographischen Regelwerks dieser Sprache. 1.2. Auf Grund mannigfach bedingter historischer Ereignisse hat ein Schriftsystem eine besonders starke und weite Verbreitung erfahren ⫺ das lateinische. Seiner verschiedenen Varianten bedienen sich heute viele Völker und Nationen in Europa, Nord-, Mittelund Südamerika und Australien, aber auch in Teilen Asiens und Afrikas. Auch die Weltsprache Nr. 1, das Englische, wird mit Hilfe des lateinischen Alphabets geschrieben. Vor diesem Hintergrund erscheinen alle nichtlateinischen Schriftsysteme gleichsam als Außenseiter. Das erklärt denn auch die in manchen Staaten z. T. erfolgreichen Versuche, das bislang benutzte nichtlateinische Schriftsystem entweder völlig oder wenigstens zusätzlich auf das lateinische umzustel-

142. Phonetische Transkription Müller-Yokota, Wolfram. 1989. Schrift und Schriftgeschichte [Japans]. In: Handbuch der Orientalistik. Fünfte Abteilung: Japan. Hier: Bruno Levin et al. (ed.), Sprache und Schrift Japans. Leiden et. al., 185⫺221. Muthmann, Gustav. 1988. Rückläufiges deutsches Wörterbuch. Handbuch der Wortausgänge im Deutschen mit Beachtung der Wort- und Lautstruktur. Tübingen. Raible, Wolfgang. 1991. Zur Entwicklung von Alphabetschrift-Systemen. Is fecit cui prodest. Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Bericht 1/1991. Heidelberg. ⫺. 1994. Orality and Literacy. In: Günther & Ludwig, 1⫺17 (⫽ dieses Handbuch, Band 1, Artikel 1). Saenger, Paul. 1982. Silent reading: Its impact on late medieval script and thougt. Viator 13, 367⫺414. Seebold, Elmar. 1993. FuÌark, Beith-Luis-Nion, Abgad und Alphabet. Über die Systematik der Zeichenaufzählung bei Buchstaben-Schriften. In: Heidermann, Frank, Rix, Helmut & Seebold, Elmar (ed.), Sprachen und Schriften des antiken Mittelmeerraumes. Festschrift für Jürgen Untermann. Innsbruck, 411⫺444.

1583 Tropper, Josef. 1994. Die nordwestsemitischen Schriften. In: Günther & Ludwig, 267⫺306 (⫽ dieses Handbuch Band 1, Artikel 20). The Unicode Consortium. 1991. The unicode standard. Worldwide character encoding. 2 vols. Reading (Mass.). Watt, W. C. 1989. The Ras Shamra Matrix. Semiotica 74, 61⫺108. Weingarten, Rüdiger. 1995. Das Alphabet in neuen Medien. Osnabrücker Beiträge zur Sprachtheorie 50, 101⫺123. Wiegand, Herbert Ernst. 1989. Aspekte der Makrostruktur im allgemeinen einsprachigen Wörterbuch: Alphabetische Anordnungsformen und ihre Probleme. In: Haussmann, Franz Josef, Reichmann, Oskar, Wiegand, Herbert Ernst & Zgusta, Ladislaus (ed.), Wörterbücher. Ein internationales Handbuch zur Lexikographie. Berlin et al., 371⫺409. Ich danke den Mitgliedern der Studiengruppe Geschriebene Sprache sowie den Kollegen Klaus Alpers, Jost Gippert, Wolfgang Raible und Wolfgang Schenkel; ohne ihre vielen Hinweise wäre es mir nicht möglich gewesen, auf diesem so unbeackerten Feld einen einigermaßen kohärenten Artikel zu schreiben.

Hartmut Günther, Mannheim (Deutschland)

142. Phonetische Transkription 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Definitorisches Alphabetische und analphabetische Notation Das Notationssystem der IPA Andere Notationssysteme Phonetische Notation in der Datenverarbeitung Literatur

1.

Definitorisches

Unter phonetischer Transkription versteht man eine Methode, mittels welcher gesprochene Sprache unter Verwendung eines Alphabets oder Notationssystems schriftlich aufgezeichnet wird. Die verwendeten Notationssymbole sind inhaltlich bezüglich ihres Lautwertes genau definiert. Sie sind zu verstehen als Abkürzung der artikulatorischen Deskription der zu transkribierenden Laute und werden in eckige Klammern [ ] gesetzt. So stellt im System der IPA (vgl. u. 3.) etwa [m] die Abkürzung dar für „bilabialer stimmhafter Nasal“ oder [e] für „mittelhoher ungerundeter Vorderzungen-Vokal“.

Man unterscheidet grundsätzlich zwischen zwei Formen der Transkription: der breiten (engl. broad) oder phonematischen (zwischen Schrägstriche // gesetzten) Transkription und der engen (engl. narrow) oder phonetischen Transkription. Bei Anwendung der breiten Transkription werden nur solche Laute mit unterschiedlichen Symbolen notiert, welche in der betreffenden Sprache Bedeutungen unterscheiden können, d. h. Phonem-Charakter haben. In der engen Transkription werden alle auditiv erfaßbaren Unterschiede notiert. Als Beispiel seien hier die beiden wichtigsten r-Realisationen des Deutschen genannt. In einigen Dialekten des Deutschen, wie etwa dem Bairischen, wird das /r/ als apikal-alveolarer Vibrant realisiert, d. h. die Zungenspitze vibriert gegen den Zahndamm. In anderen Dialekten, z. B. dem Schwäbischen, wird /r/ mit dem Zäpfchen gebildet, als uvularer Vibrant. In einer breiten Transkription werden beide r-Formen mit dem gleichen Symbol wiedergegeben, also als /r/, da der artikulatorische Unterschied im Deutschen nicht auch

1584 einem Bedeutungsunterschied entspricht. In einer engen Notation dagegen sind beide rRealisationen mit unterschiedlichen Symbolen zu schreiben: der apikal-alveolare Vibrant nach IPA als [r], der uvulare Vibrant als [R]. Das bisher Ausgeführte hat zwei Implikationen: (1) phonetische Transkription ist eine Technik, die erlernt werden muß. Eine passive Beherrschung der Notationssymbole eines phonetischen Alphabets genügt nicht; vielmehr muß der Transkribent gelernt haben, die Symbole einem bestimmten Lautwert zuzuordnen. Dies setzt gezieltes Training und Schulung des Gehörs voraus. Dabei ist es vor allem wichtig, daß der Transkribent sich von seinen muttersprachlichen Hörgewohnheiten löst. Der Erwerb der Muttersprache durch das Kind stellt eine Einschränkung auf die in dieser Sprache relevanten, nämlich bedeutungsunterscheidenden Laute (Phoneme) dar. Varianten dieser Phoneme, seien sie nun stellungsbedingt oder frei, werden unter die entsprechenden Phoneme subsumiert und nicht als eigenständige Laute wahrgenommen; sie werden höchstens als Eigenheiten bestimmter Sprecher oder Dialekte gewertet. So liegt z. B. für einen linguistisch/ phonetisch nicht geschulten Sprecher des Deutschen der einzige Unterschied bei den Vokalen des Wortpaares *Ofen+ vs. *offen+ in der Dauer. Erst nach einigem Training ist er in der Lage zu erkennen, daß sich die beiden /o/ außerdem noch in der Qualität, nämlich ihrer artikulatorischen Ausprägung, unterscheiden. Diese muttersprachlichen Hörgewohnheiten gilt es abzulegen. Der Transkribent muß lernen, die Artikulation eines Lautes zu erkennen, u. a. durch eigenes Nachahmen dieses Lautes, und ihm das adäquate Notationssymbol zuzuordnen. (2) Aus dem oben Gesagten folgt jedoch auch, daß eine breite Transkription nur derjenige anfertigen kann, der die Phonologie der zu transkribierenden Sprache kennt. Die enge Transkription (auch einer fremden Sprache) wird jedoch andererseits stets von den Kenntnissen der eigenen Muttersprache beeinflußt sein, da die Sensibilität für diejenigen Laute größer ist, die in der eigenen Sprache Phonemcharakter haben. Alle bekannten Transkriptionssysteme wurden geschaffen mit der Absicht, sich von einzelsprachlichen Orthographien abzusetzen und auf möglichst viele Sprachen anwendbar zu sein. Viele Autoren von Transkriptionssystemen definierten für sich selbst das Ziel, ein universelles Alphabet zu schaffen. Die Auto-

X. Sonderschriften

ren von älteren Transkriptionssystemen gingen häufig von der als inadäquat empfundenen Orthographie der eigenen Muttersprache aus, wie z. B. Pitman-Ellis bei ihrem ‘phonotypischen’ Alphabet von 1847. Den Ausgangspunkt anderer Autoren bildet das Problem der Transliteration (→ Art. 143) wie z. B. im Falle von Sir William Jones (1788) bei der Beschäftigung mit asiatischen (indoarischen) Sprachen. Sir Jones formulierte bereits 1788 Grundsätze für Transkriptionssysteme, welche auch heute noch Gültigkeit haben. So forderte er u. a., daß nicht derselbe Buchstabe für verschiedene Laute und nicht verschiedene Buchstaben für denselben Laut verwendet werden sollten.

2.

Alphabetische und analphabetische Notationssysteme

Man unterscheidet zwischen zwei Arten von Transkriptionssystemen, den alphabetischen und den sog. analphabetischen Systemen. Die alphabetischen Systeme verwenden Buchstaben aus bereits vorhandenen Alphabeten. Verwendung findet hier vorzugsweise das lateinische Alphabet, u. U. ergänzt durch Buchstaben aus dem griechischen und/oder dem kyrillischen. Nach Möglichkeit wird die Schaffung neuer Zeichen vermieden. Alle Zeichen werden in der Regel artikulatorisch definiert, stehen somit für einen ganz bestimmten Laut. Es ist eine oft und lange geübte Praxis, den Lautwert eines Zeichens zu demonstrieren durch Angabe von Beispielwörtern aus Sprachen, in denen dieser Laut auftritt. Da viele Laute nicht in den bekannteren europäischen Sprachen, vorkommen, müssen Beispiele aus sehr entlegenen Sprachen angeführt werden wie dem Arabischen, Hindi, Amharischen etc. Dadurch wird das Erlernen eines Transkriptionssystems naturgemäß ganz erheblich erschwert. Das Ziel analphabetischer Notationssysteme ist dagegen die direkte Abbildung der Artikulation eines Lautes. Man kann grundsätzlich zwischen zwei Typen von analphabetischen Systemen unterscheiden. Beim ersten Typ entstehen wieder neue Buchstaben, die jedoch aus einzelnen Teilen artikulatorischen Inhalts zusammengesetzt sind. Bekannt sind die Alphabete von Alexander Melville Bell (1867) und Ernst Brücke (1863). Beide Autoren orientieren sich an der Artikulation der Laute, wobei sie spezielle Zeichen für Artikulationsstellen, Artikulationsmodi und die

1585

142. Phonetische Transkription

Hervorbringung (Phonation) erstellen, aus welchen sich die Notationssymbole zusammensetzen. In der Notation von Brücke setzt sich so das Symbol für [b] ⫽ * + zusammen aus dem Zeichen * + für die bilabiale Artikulationsstelle und * + für einen Verschlußlaut (Plosiv). Dessen stimmloses Gegenstück, [p], wird als * + notiert, wobei * + zusätzlich Stimmlosigkeit anzeigt. Ein historisch frühes Beispiel für Systeme dieser Art stellt das von Bischof John Wilkins aus dem Jahr 1668 dar, der zudem auch eine artikulatorisch orientierte Silbenschrift für das Englische erfand. Den zweiten Typ der analphabetischen Notation finden wir bei Otto Jespersen (1904). Er verwendete eine Formel, deren Basis griechische Buchstaben bilden, mittels derer die artikulierenden (beweglichen) Organe notiert werden; dabei bezeichnet *a+ die Lippe, *b+ die Zungenspitze, *g+ das Zungenblatt, *d+ das Gaumensegel, *e+ den Kehlkopf. Die Artikukationsstellen werden mit hochgestellten lateinischen Buchstaben notiert: *a, b, c+ entsprechen der Oberlippe, *d, e+ den oberen Schneidezähnen, *f+ dem Zahndamm, *g+ dem harten Gaumen, *h, i+ dem Gaumensegel, *k+ dem Zäpfchen und *l+ der Rachenwand. Die Zahlzeichen *0+ bis *8+ und einige Sonderzeichen geben den „Grad der Öffnung“ an, wobei *0+ einen völligen Verschluß (u. a. einen Plosiv), *1+ und *2+ Engelaute (Frikative) bezeichnen. Die Zahlen *3+ bis *8+ sind der Notation von Vokalen vorbehalten. Das Verhalten des Gaumensegels (Velum) wird durch die Kombination von *d+ und den Zahlzeichen *0+ bis *2, (3)+ wiedergegeben: *d0+ bedeutet ein gehobenes Velum, *d1+ ein teilweise gesenktes und *d2, (3)+ ein völlig gesenktes Velum. Phonationstypen wie stimmhaft, stimmlos und stimmlos aspiriert werden durch Kombination des Zeichens für den Kehlkopf *e+ und die Zahlen *0+ bis *3+ notiert: *e0+ bezeichnet den Kehlkopfverschlußlaut (engl. glottal stop), *e1+ einen stimmhaften, *e2+ einen stimmlos aspirierten und *e3+ einen stimmlosen Laut. In dem System von Jespersen wird z. B. [p] notiert als *a0a d0 e3+, [b] als *a0a d0 e1+, [m] als *a0a d2 e1+ usw. Die analphabetischen Notationssysteme haben gegenüber den alphabetischen Systemen Vor- und Nachteile. Der Vorteil liegt zweifellos in der Exaktheit, mit welcher Artikulationen, auch pathologische Äußerungen, notiert werden können. Der Nachteil ist dagegen die schlechte Lesbarkeit der Tran-

skripte. Letzteres hat dazu geführt, daß sich keines der Systeme über einen längeren Zeitraum durchsetzen konnte.

3.

Das Internationale Phonetische Alphabet (IPA)

3.1. Entstehung der IPA Das heute verbreitetste Transkriptionssystem ist das der Internationalen Phonetischen Gesellschaft (eng. International Phonetic Association, frz. L’Association Phone´tique International, im Dt. auch: Weltlautschriftverein). Sie wurde 1886 von Paul Passy in Frankreich unter dem Namen „Dhi Fone`tik Tıˆtcer’z Aso´cie´con“ gegründet. Die Gründungsmitglieder waren Fremdsprachenlehrer, welche den Nutzen phonetischer Kenntnisse über die Produktion der Sprachlaute und ihre Notation für den Fremdsprachenunterricht erkannt hatten und ihre Methode einem größeren Kreis von Kollegen bekannt machen wollten. Die Gesellschaft bekam noch im gleichen Jahr internationalen Charakter, als einige der damals in Europa führenden Phonetiker und Sprachwissenschaftler Mitglieder der Gesellschaft wurden, wie z. B. Otto Jespersen aus Dänemark, Henry Sweet aus England, Wilhelm Vie¨tor aus Deutschland und J. A. Lundell aus Schweden. Der Name der Gesellschaft wurde mehrmals geändert: 1889 in „L’Association Phone´tique des Professeurs de Langues Vivantes“, 1897 in „L’Association Phone´tique Internationale“ und zuletzt 1971 in „International Phonetic Association“. Der Sitz der Gesellschaft war zunächst Paris, später London und ist heute Leeds, England. Die IPA begann bereits im Jahre ihrer Entstehung mit der Herausgabe einer Zeitschrift in phonetischer Notation, „Dhi Fone`tik Tıˆtcer“. Diese war zunächst ein 4-seitiges Papier mit Buchbesprechungen zum Fremdsprachenunterricht, persönlichen Mitteilungen der Mitglieder und Anzeigen. Langsam veränderte sich jedoch der Inhalt der Zeitschrift, und es wurden Artikel phonetischen und sprachwissenschaftlichen Inhalts aufgenommen. Jedoch blieb für lange Zeit ein Schwerpunkt der Zeitschrift der Fremdsprachenunterricht. Der Name der Zeitschrift wurde 1889 in „Le Maıˆtre Phone´tique“ geändert; seit 1971 wird sie als „Journal of the International Phonetic Association (JIPA)“ in normaler einzelsprachlicher Orthographie weitergeführt.

1586 3.2. Entstehung des IPA-Alphabets Während der ersten beiden Jahre benutzte Paul Passy in der Zeitschrift ein vorläufiges Notationssystem, das 1888 von einem anderen, ebenfalls noch tentativen, System abgelöst wurde. Während dieser Zeit hatte die Gesellschaft bzw. die Zeitschrift kein allgemein verbindliches Alphabet; die einzelnen Autoren benutzten sehr unterschiedliche Systeme. Die Idee, ein Notationssystem zu schaffen, das auf alle bekannten Sprachen anwendbar und verbindlich sein sollte, geht vermutlich auf eine Anregung von Otto Jespersen von 1886 zurück. Die Idee wurde mit großem Enthusiasmus aufgenommen, und nach zweijährigen Diskussionen unter den Mitgliedern der Gesellschaft wurde die erste Version eines internationalen phonetischen Alphabets 1888 publiziert. Das ursprüngliche Notationssystem basiert auf dem 1847 von Pitman und Ellis entwickelten ‘phonotypischen’ Alphabet und zeigt nur einige Modifikationen, die nötig wurden, da die Setzerei in Frankreich nicht alle von Pitman und Ellis benutzten Zeichen zur Verfügung hatte. Die Arbeit am Alphabet, besonders auch an der Form der einzelnen Zeichen, wurde fortgesetzt und 1900 eine zweite Fassung vorgelegt. Im Lauf der Zeit wurden mehrere Ergänzungen und Änderungen des Alphabets notwendig, bis im Jahre 1949 ein Alphabet veröffentlicht werden konnte, das die Bedürfnisse auf lange Jahre hinaus befriedigte. Es wurde publiziert in „The Principles of the International Phonetic Association“. Die Principles enthalten auf den ersten 19 Seiten neben einem Überblick über die Entstehungsgeschichte der Gesellschaft einen Abriß über die dem Alphabet zugrundeliegenden Prinzipien, eine Diskussion über den Status von Phonemen und eine Abgrenzung zwischen phonematisch breiter und phonetisch enger Transkription, ein Kapitel über Kardinal-Laute, die Notationssysteme für Konsonanten und Vokale, Erläuterungen über deren Aussprache und eine Aufstellung der Diakritika mit Beispielen für ihre Anwendung. Die restlichen der insgesamt 53 Seiten füllen sog. ‘Specimes’, d. h. Textproben der Äsop-Fabel „Der Nordwind und die Sonne“ in phonetischer Transkription aus 51 Sprachen. Neben den Principles hat die Gesellschaft eine Audio-Kassette produziert, welche die Aussprache der einzelnen Zeichen erläutern soll. Die „Principles“ wurden seit 1949 wiederholt nachgedruckt (letztmalig 1984), aber nicht überarbeitet. Änderungs- und Ergän-

X. Sonderschriften

zungsvorschläge wurden in den Mitgliederversammlungen diskutiert und das Ergebnis in der Zeitschrift publiziert. Erst 1989, 40 Jahre nach dem Erscheinen der Principles, wurde eine Überarbeitung des Alphabets nach Anregung von Peter Ladefoged, dem damaligen Direktor der Gesellschaft, vorgenommen. Nach ca. zweijähriger Vorbereitung traf man sich zu den sog. ‘Kiel Conventions’. Die Ergebnisse dieser Konferenz sind in JIPA 19 (1989): 67⫺80 (zur letzten Revision vgl. JIPA 23 (1993): 32⫺34), publiziert, eine Nachfolge der Principles soll unter dem Namen „The IPA Handbook“ erscheinen. 3.3. Die Prinzipien des IPA Die Prinzipien, welche dem Alphabet zugrundeliegen und hier nur in Auszügen besprochen werden können, wurden während der Kieler Konferenz neu überdacht und in JIPA 19 (1989) publiziert. ⫺ Das IPA ist so strukturiert, daß es Symbole für die Repräsentation aller möglichen Laute in allen Sprachen der Welt besitzt. Der Repräsentation dieser Laute liegen phonetische Kategorien zugrunde, welche beschreiben, wie diese Laute artikuliert sind. Die Symbole des IPA sind Abkürzungen für die Intersektion dieser Kategorien. Z. B. ist [p] die Abkürzung für die Kombination der Kategorien stimmlos, bilabial und Plosiv. ⫺ Die Konstruktion und der Gebrauch des IPA ist von den folgenden Überlegungen geleitet: (a) Wenn zwei Laute in einer Sprache verwendet werden, um Wortbedeutungen zu unterscheiden (d. h. wenn sie phonematischen Status haben) sollen sie, wenn immer möglich, mit zwei verschiedenen Symbolen notiert werden. (b) Wenn zwei Laute einander sehr ähnlich sind und in keiner bekannten Sprache Phonemstatus haben, sollen sie mit dem gleichen Symbol notiert werden. Wenn nötig können Sonderzeichen (Diakritika) verwendet werden, um solche Lautschattierungen zu notieren. (c) Da auf Diakritika nicht völlig verzichtet werden kann, soll ihr Gebrauch auf die folgenden Fälle beschränkt werden: (aa) zur Bezeichnung von Dauer, Akzentposition und Tonhöhe, (bb) zur Bezeichnung von Lautschattierungen und (cc) wenn durch Einführung eines einzigen Diakritikums die Schaffung einer größeren Anzahl von neuen Symbolen vermieden werden kann. ⫺ Wie in den Prinzipien ausgeführt, bedarf es für die alphabetische Notation immer eines Bezugsrahmens, wie er u. a. auch durch Kar-

1587

142. Phonetische Transkription

dinallaute ⫺ insbesondere die Kardinalvokale ⫺ angegeben werden kann. Unter Kardinalvokalen versteht man nach Daniel Jones die artikulatorisch-akustisch definierten Bezugspunkte des Vokalvierecks, wie sie in Abb. 142.1 dargestellt sind. Die primären Kardinalvokale (links) sind gegeben durch akustisch gleichmäßige Unterteilung der Abstände innerhalb der (in den meisten SpraFront

Back Front

i

Back

u y

e

o ε

ɔ ɒ

a

Front

Back

ɯ

ø 

 

Front

ɒ

Back

Abb. 142.1: Das System der Kardinalvokale (nach IPA, 1949)

chen ungerundeten) Serie vom höchstmöglichen Vorderzungenvokal [i] und dem offensten Hinterzungenvokal [a] mit [e, e, a] und eine gleichartige (in den meisten Sprachen gerundete) Serie weiter zum höchstmöglichen Hinterzungenvokal [u] mit [o, c]. Als weiterer Kardinalvokal tritt [È] mit einer zwischen [i] und [u] gelegenen Zungenposition (ungerundet) hinzu. Die sekundären Kardinalvokale (rechts) sind bei gleicher Zungenhöhe/-position durch die entgegengesetzte Besetzung des Merkmals der Lippenrundung gekennzeichnet. Abb. 142.2 zeigt die deutschen Vokale innerhalb dieses Systems. i e

y i y ε

υ

u

o ø ə ε ɔ  a,a

ɔi ai aυ

Abb. 142.2: Das deutsche Vokalsystem (nach Kohler 1990, 49)

3.4. Das Symbol-Inventar des IPA Die Hauptquelle für das IPA stellt das lateinische Alphabet dar, z. B. [a, e, i, o, u; p, t, k; m, n]. Diese lateinischen Buchstaben werden ergänzt durch griechische Buchstaben, welche in ihrer Form jedoch den lateinischen typographisch angepaßt werden. Weitere Zeichen werden geschaffen durch Umdrehung von Buchstaben; z. B. [c], [X], [v] etc. Ergänzt

wird dieses Zeicheninventar durch Kapitälchen. Die Schaffung völlig neuer Zeichen wurde soweit wie möglich aus ökonomisch/ finanziellen Gründen vermieden: Spezialzeichen waren nur in einigen wenigen Setzereien verfügbar und waren, wenn sie neu gegossen werden mußten, sehr teuer. Die letzte Gruppe von Zeichen schließlich bilden die Diakritika. Für die tabellarische Darstellung wurde der Symbolbestand des IPA in Konsonanten (pulmonal, nichtpulmonal), Vokale, ‘weitere Symbole’, (segmentale) Diakritika und Suprasegmentalia (Diakritika zur Notation von Dauer, Akzent und Tonhöhe) untergliedert. Die Konsonanten und Vokale sind in je einer Tabelle bzw. einem System dargestellt. Das Konsonantensystem (Abb. 142.3) ist aufgebaut auf zwei Deskriptionsparametern, nämlich der Artikulationsstelle (sowie dem artikulierenden Organ) und dem Artikulationsmodus. In dem Bestreben, die Anzahl der Reihen und Spalten der Tabelle der pulmonalen Konsonanten möglichst gering zu halten, wurden nur die absolut notwendigsten Artikulationsstellen und -modi erfaßt. Bei den Artikulationsstellen sind dies: bilabial (mit beiden Lippen gebildet), labiodental (mit der Unterlippe an den Zähnen gebildet), dental, alveolar, postalveolar, retroflex, palatal, velar, uvular, pharyngal und glottal. Nicht in die Tabelle aufgenommen wurden z. B. die alveolar-palatalen Frikative, doppelt-artikulierte und epiglottale Konsonanten. Diese wurden aus der Tabelle herausgenommen und unter ‘weitere Symbole’ plaziert, da ansonsten zusätzliche Spalten hätten geschaffen werden müssen. Bei den Artikulationsmodi wurden erfaßt: Plosive, Nasale, Vibranten (engl. trills), Taps und Flaps (geschlagene r-Laute), Frikative, laterale Frikative, Approximanten und Laterale. In der Konsonantentabelle schraffierte Felder zeigen an, daß Konsonanten in dieser Position artikulatorisch unmöglich sind, wie z. B. ein pharyngaler Nasal, dessen Bildung einen kompletten Verschluß an der Rachenwand und einen gleichzeitig offenen Nasengang voraussetzen würde. Die Symbole für die nichtpulmonalen konsonantischen Modi der Schnalzlaute (engl. clicks), Implosive und Ejektive sind in einer eigenen Tabelle gelistet. Die Darstellung des Vokalsystems orientiert sich an der Zungenposition, der Zungenhöhe und der Lippenrundung (gerundet vs. ungerundet) der Vokale. Es werden drei Zungenpositionen (vorn-zentral-hinten) und vier (Haupt-)Zungenhöhen von geschlossen nach

1589

142. Phonetische Transkription

dies durch die Plazierung des Diakritikums in Relation zu einer senkrechten Grundlinie (vgl. Abb. 142.6). extra-hoch

steigend

hoch mittel

fallend hoch steigend

tief

tief steigend

extra-tief

steigendfallend etc.

Abb. 142.6: Die 2. Tonnotation des IPA

Abb. 142.4: Das Vokalinventar des IPA

offen unterschieden, mit nur teilweise bezeichneten Zwischenstufen. Die Anzahl der ‘segmentalen’ Diakritika ist beschränkt. Ihr Gebrauch sowie ihre Plazierung in Relation zum Grundzeichen wird an jeweils ein bis zwei Beispielen erläutert. Die größte Neuerung im Vergleich zum System der „Principles“ findet sich bei der Notation der Tonhöhe. Hier stehen jetzt optional zwei grundsätzlich verschiedene Notationsweisen zur Auswahl. Die erste, welche Akzentzeichen benutzt, findet sich schon seit längerem in der Tradition der Afrikanistik (vgl. Abb. 142.5). Hier bezeichnet ein einfaches Diakritikum die unterschiedlichen Tonstufen. Durch die unterschiedliche Kombination dieser Grundzeichen werden die entsprechenden Symbole für Tonhöhenverläufe geschaffen. extra-hoch hoch mittel tief extra-tief Downstep Upstep

steigend fallend hoch steigend tief steigend steigendfallend etc.

Abb. 142.5: Die 1. Tonnotation des IPA

Das zweite Notationssystem für Tonhöhen geht auf die chinesische Tradition zurück und wurde 1933 von Chen Ren Chao eingeführt. Die Grundlage des Systems von Chao ist eine 5-stufige Skala. Alle Töne werden in Bezug zu diesen 5 Stufen notiert. Angezeigt wird

Die diakritischen Tonzeichen werden über das entsprechende segmentale Zeichen, die ‘tone letters’ von Chao vor oder hinter das segmentale Material geschrieben. 3.5. Internationale Verbreitung des IPA Das IPA hat von allen Transkriptionssystemen die weiteste Verbreitung und Anerkennung gefunden. So wird es nicht nur im Bereich der Phonetik, der angewandten Phonetik (z. B. der forensischen Phonetik), bei den Logopäden und Sprachheilkundlern verwendet, sondern ist auch die Grundlage für die Ausspracheangaben in zweisprachigen Wörterbüchern. Im letzten Fall begegnet es allerdings in einer vereinfachten Form, während Ergänzungen des Alphabets, besonders im Bereich der Diakritika, notwendig waren zur Notation pathologischer Äußerungen. Trotz der Verbreitung des IPA gibt es Bereiche, in denen das Alphabet auf Ablehnung stößt oder bis vor kurzem stieß (vgl. u. 4.). Zu diesen Bereichen gehören die Afrikanistik, Dialektstudien und Atlanten (hier insbesondere die Zeitschrift „Teuthonista“), die amerikanische Phonetik und Sprachwissenschaft und die Finnougristik. Grundsätzliche Unterschiede in der Schrifttradition haben die Akzeptierung des IPA in den USA lange Zeit verhindert. Während das IPA z. B. der deutsch-skandinavischen Tradition im Gebrauch von *j+ und *y+ folgt, wobei [j] einen stimmhaften palatalen Approximanten und [y] einen vorderen gerundeten hohen Vokal bezeichnet, orientiert sich die amerikanische Transkription an der angelsächsischen Tradition, in welcher *j+ eine stimmhafte (alveolo-)palatale Affrikate und *y+ einen stimmhaften palatalen Approximanten bezeichnet. Ähnliche Probleme bereitet der Gebrauch von [¨], welches nach IPA die Zentralisierung eines Vokals, in der ame-

1590

X. Sonderschriften

rikanischen Tradition einen vorderen Vokal bezeichnet. Allerdings findet das IPA in letzter Zeit auch in den USA verstärkt Anerkennung.

4.

Andere Notationssysteme

Daß sich Afrikanisten von jeher schwer taten mit der Anwendung des IPA, hat seine Ursache zum nicht geringen Teil in der Entstehungsgeschichte des Alphabets. Damals galt das Augenmerk fast ausschließluch den indogermanischen Sprachen unter Hinzunahme von Arabisch und Hebräisch; afrikanische und amerikanische Sprachen wurden nur am Rande berücksichtigt. Daraus folgte, daß sich in der Afrikanistik ein eigenes ⫺ an den Bedürfnissen des Faches orientiertes ⫺ Notationssystem entwickelte, das z. T. konträr zu demjenigen der IPA stand. Beispiele hierfür sind zum einen die Symbole für die Notation von Tönen (wie bereits dargelegt), zum anderen die Zeichen für Schnalzlaute. In der Afrikanistik wurden bereits seit Jahrzehnten nicht-alphabetische Zeichen für die Notation von Schnalzen verwendet (s. auch Lepsius 1855). D. h., daß die Majorität der mit diesen Lauten befaßten Wissenschaftler die IPASymbole nicht verwendete. Erst 1989 in Kiel hat man dieser Situation Rechnung getragen, wenn auch erst nach heftigen Diskussionen, und die in der Afrikanistik gebräuchlichen nichtalphabetischen Symbole für die Notation von Schnalzen übernommen. Das in der „Teuthonista“ verwendete Notationssystem unterscheidet sich von dem der IPA grundsätzlich. Während das IPA phonemorientiert ist und vorsieht, daß eigenständige Phoneme mit eigenen Zeichen zu notieren sind, faßt das Alphabet der „Teuthonista“ artikulatorisch/akustisch ähnliche Laute, wie z. B. die o-Laute, zu einer Klasse zusammen und notiert sie mit dem gleichen Grundsymbol. Zur Unterscheidung der einzelnen oLaute werden Diakritika verwendet. In der Finnougristik wird bis in unsere Tage ein Notationssystem verwendet, dessen Ursprünge auf Techmer zurückgehen und welches von E. N. Setälä (1901) überarbeitet und ergänzt wurde. Dieses Notationssystem kann ebenfalls zu den ‘diakritischen’ Systemen gezählt werden, da es auf ähnlichen Prinzipien beruht wie das der „Teuthonista“. Es ist aber aufgrund des starken Gebrauchs von Diakritika (die Kombination von drei bis vier Diakritika mit einem einzigen Grundzeichen ist keine Seltenheit) schwer schreibund lesbar.

5.

Phonetische Notation in der Datenverarbeitung

Ein eigenes Problem bildet die ComputerDarstellung der phonetischen Transkription, da ein einheitlicher Repräsentationsstandard nur für die 128 7-Bit-ASCII-Zeichen existiert (wovon wiederum 32 Zeichen ausschließlich für Steuerfunktionen reserviert sind). Einen gewissen europäischen Standard der Repräsentation bildet hier das im ESPRITProjekt SAM „Multilingual Speech Input/ Output Assessment, Methodology and Standardization“ entwickelte SAM-PA (vgl. Wells et al. 1992), das auf frühere Versuche, die Sonderzeichen des IPA mnemotechnisch auf die Großbuchstaben und Sonderzeichen der Computertastatur abzubilden (z. B. *S+ für [s], *@+ für [e], *2+ für [ø] ⫺ wg. frz. deux, *9+ für [œ] ⫺ wg. frz. neuf), zurückgeht. Auf den ‘Kiel Conventions’ der IPA im Jahr 1989 wurde zudem eine Kodierung sämtlicher IPA-Zeichen in Form von dreistelligen Kennziffern (‘IPA numbers’) erarbeitet (vgl. Esling 1990), wobei die Nummern ⫺ jeweils dem Raster der IPA-Tabelle folgend ⫺ in der Serie 1nn (beginnend bei 101 für [p]) die gültigen IPA-Konsonantensymbole, in der Serie 2nn die älteren IPA- sowie andere Konsonantensymbole repräsentieren, die Nummern 3nn für die Vokalsymbole, 4nn für segmentale Diakritika, 5nn für suprasegmentale Symbole, 6nn für Stimmqualitätsbezeichnungen und 9nn für Steuerzeichen u. ä. stehen.

6.

Literatur

Bell, Alexander M. 1867. Visible Speech: The science of universal alphabetics; or self-interpreting physiological letters, for the writing of all languages in one alphabet. London. Brücke, Ernst. 1863. Über eine neue Methode der phonetischen Transkription. Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Philosophisch-historische Classe. Bd. XLI, H. II, 223⫺ 285. Esling, John. 1990. Computer coding of the IPA: Supplementary report, in: Journal of the International Phonetic Association 20, 22⫺26. IPA. 1949. The Principles of the International Phonetic Association. London [letztes Reprint 1984]. Jespersen, Otto. 1904. Lehrbuch der Phonetik. Leipzig. Jones, William. 1788. On the orthography of Asiatic words in Roman letters. Asiatic Researchers 1. Calcutta 1⫺56.

143. Transliteration Kohler, Klaus. 1990. German. Journal of the International Phonetic Association 20, 48⫺50. Lepsius, Richard. 1855. Das allgemeine linguistische Alphabet. Berlin. Setälä, Emil N. 1901. Über die Transkription der finnisch-ugrischen Sprachen. Finnisch-Ugrische Forschungen 1, 15⫺52. Wells, John, Barry, William, Grice, Martine, Fourcin, Adrian & Gibbon, Dafydd. 1992. Stage Report

1591 SEn.3. Standard computer compatible transcription (SAM-UCL-037). Wilkins, John. 1668. Essay towards a real character and a philosophical language. London.

Lieselotte Schiefer, München/ Bernd Pompino-Marschall, Berlin (Deutschland)

143. Transliteration 1. 2. 3.

Begriffliches und Geschichtliches Probleme konkreter Transliteration Literatur

1. Begriffliches und Geschichtliches 1.1. Ethnische Gemeinschaften mit unterschiedlichen Sprachen und Schriften müssen wegen der immer enger werdenden internationalen Kommunikation immer häufiger Text(element)e, vor allem Eigennamen und Realienbezeichnungen, aus dem einen Schriftsystem in ein anderes umsetzen, sie mit den Mitteln einer anderen als der ursprünglichen Schrift wiedergeben, sie umschriften. Die konsequenteste Lösung aller damit zusammenhängenden Probleme bestünde darin, die jeweils erforderliche Prozedur nach einem weltweit einheitlichen System vorzunehmen, das zugleich eine adäquate Aussprache der umgeschrifteten Einheiten gewährleisten könnte. Eine solche Wiedergabe fremdsprachlicher und fremdschriftlicher Text(element)e wäre theoretisch mit Hilfe des Notationssystems der von der Internationalen Phonetischen Assoziation entwickelten Weltlautschrift (IPA) möglich (→ Art. 142). Dabei verlöre man zwar die Möglichkeit, das originalgetreue Schriftbild wiederherzustellen, gewönne aber eine exakte Anleitung zur originalgetreuen Aussprache der betreffenden Schriftbilder. Ein solches Vorhaben wäre allerdings nur schwer realisierbar, denn das erforderte erstens die Feststellung der genauen Lautung der wiederzugebenen Text(element)e, zweitens eine entsprechende sprachwissenschaftliche (phonetisch-phonologische und graphische) Schulung der Schreiber und Leser und drittens die nationale und internationale Durchsetzung dieser Praxis. So stehen die einzelnen Sprachund Schriftgemeinschaften heute wie eh und je vor der Notwendigkeit, die in fremden Schriftsystemen verfaßten Text(element)e mit

den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln der eigenen Sprache und Schrift zu schreiben bzw. ⫺ bei der Verwendung fremder Sprachen ⫺ die in ihrer eigenen Sprache und Schrift vorliegenden Text(element)e durch die graphischen Mittel der betreffenden Zielsprache wiederzugeben. Bei dieser Verfahrensweise werden z. B. kyrillisch geschriebene russische Wörter von Engländern lateinisch, von Griechen neugriechisch, von Arabern arabisch, von Koreanern koreanisch usw. geschrieben. Diese Art der Umschriftung heißt Transkription. Ihr Wesen besteht darin, daß die jeweiligen Wortschriftbilder aus ihrer Originalform mit den Mitteln eines anderen Schriftsystems entsprechend den Möglichkeiten (Graphie, Orthographie und Interpunktion) einer bestimmten Sprache geschrieben werden. Die nur für die jeweilige Zielsprache geltenden Transkriptionsentsprechungen bilden einen (wenn auch mehr oder weniger peripheren) Bestandteil des orthographischen Regelwerks dieser Sprache. 1.2. Auf Grund mannigfach bedingter historischer Ereignisse hat ein Schriftsystem eine besonders starke und weite Verbreitung erfahren ⫺ das lateinische. Seiner verschiedenen Varianten bedienen sich heute viele Völker und Nationen in Europa, Nord-, Mittelund Südamerika und Australien, aber auch in Teilen Asiens und Afrikas. Auch die Weltsprache Nr. 1, das Englische, wird mit Hilfe des lateinischen Alphabets geschrieben. Vor diesem Hintergrund erscheinen alle nichtlateinischen Schriftsysteme gleichsam als Außenseiter. Das erklärt denn auch die in manchen Staaten z. T. erfolgreichen Versuche, das bislang benutzte nichtlateinische Schriftsystem entweder völlig oder wenigstens zusätzlich auf das lateinische umzustel-

1604

X. Sonderschriften

kratischen Republik. (Transkriptionsordnung für Koreanisch). 1982. Berlin. Regeln für die alphabetische Katalogisierung in wissenschaftlichen Bibliotheken. 1965. Leipzig. [Vierter, durchges. fotomechanischer Nachdruck der Instruktionen für die alphabetischen Kataloge der preußischen Bibliotheken.] Regeln für die alphabetische Katalogisierung RAK. 1977. Wiesbaden. ⫺. Anlage 5. Tabelle für die Umschrift nichtlateinischer Schriftzeichen in die Buchstaben der lateinischen Schrift. Tabelle 8. Transliteration kyrillischer Alphabete nichtslawischer Sprachen. 1983. Berlin [Vorabdruck]. Regeln für die Alphabetische Katalogisierung (RAK). 1989. Leipzig. Richtlinien zur einheitlichen deutschen Wiedergabe bulgarischer Eigennamen in der Deutschen Demokratischen Republik. 1978. Berlin. Standart SE˙V. Pravila transliteracii bukv kirillovskogo alfavita bukvami latinskogo alfavita. ST SE˙V 1362⫺78. Transliteration kyrillischer Buchstaben. 1981. Berlin [TGL 37116].

TUN. 1979. Third United Nations Conference on the Standardization of Geographical Names. Athens, 17 August⫺7 September 1977. Vol. I. Report of the Conference. 1979. New York. Umschrift des arabischen Alphabets. 1982 [DIN 31 635]. Umschrift kyrillischer Alphabete slawischer Sprachen. 1982 [DIN 1460]. Weitershaus, Friedrich Wilhelm (Bearb.). 1980. Duden „Satz- und Korrekturanweisungen“: Richtlinien für die Texterfassung; mit ausführl. Beispielsammlung. Mannheim [4., vollst. überarb. Aufl.]. Wellisch, Hans H. 1978. The conversion of scripts. Its nature, history and utilization. New York. Zikmund, Hans. 1979. Die Verwendung und Wiedergabe der slawischen Originalschriften in der DDR. Österreichische Osthefte. 21, 287⫺295. ⫺. 1990. Optimale russisch⫺deutsche Eigennamentranskription. Zeitschrift für Slawistik 35, 424⫺438.

Hans Zikmund, Berlin (Deutschland)

144. Stenographie 1. 2. 3. 4. 5. 6.

1.

Begriffsbestimmung und Abgrenzung Typologie der Stenographiesysteme Grundzüge der Schriftkürzung Grundzüge der Schreibkürzung Bedeutende Stenographiesysteme des 19. und 20. Jahrhunderts Literatur

Begriffsbestimmung und Abgrenzung

Stenographie ist „eine neben der allgemeinen Schrift […] geschaffene Kunstschrift mit besonderen Zeichen (die von den Buchstaben der gewöhnlichen Schrift abweichen und sie an graphischer Kürze weit übertreffen) und besonderen Regeln (durch deren Anwendung Minderwesentliches und Ergänzbares [Laute, Wortteile und sogar Wörter] sinnbildlich dargestellt oder ganz weggelassen werden) zur Erzielung einer erheblichen Schriftkürze“ (Johnen 1940, 5; erweitert durch Boge 1973, 3). Kurzschrift entspringt historisch dem Bedürfnis, Reden und Verhandlungen wortgetreu festzuhalten. Der erste sichere Hinweis auf die Verwendung einer Stenographie („Tironische Noten“) erwähnt die Nachschrift ei-

ner Rede im römischen Senat (63 v. Chr.). Aus spätantiker Zeit ist die stenographische Protokollierung von Kirchenkonzilien belegt, im 17. Jahrhundert die Nachschrift von Predigten. Seit dem 19. Jahrhundert bildet der Stenographische Bericht ein integrales Element des modernen Parlamentarismus. Einmal etablierte Kurzschriften werden zur Diktataufnahme von Briefen und sonstigen Schriftstücken verwendet, ferner benutzen Stenographiekundige ihre Fertigkeit zum Anfertigen von Notizen und zum Entwerfen von Texten. Diese Anwendungsbereiche verlangen unterschiedliche Grade der Schriftkürze, weshalb moderne Kurzschriften in aufeinander aufbauende Systemstufen gegliedert sind. Funktionsbezogene Benennungen sind: Notizschrift, Diktatschrift, Redeschrift. Nicht zur Stenographie im engeren Sinne zählen solche Systeme, die die Buchstaben der gewöhnlichen Schrift beibehalten und durch Verkürzungsregeln und die Verwendung von Buchstabenzusätzen eine größere Schriftkürze zu erreichen suchen. Sie gelten als Abkürzungs- oder Abbreviaturschriften. Zu ihnen gehört strenggenommen auch die besonders in den Vereinigten Staaten verbrei-

1605

144. Stenographie

tete Maschinenstenographie (engl. a. stenotypy), die sich allerdings durch ihr hohes Geschwindigkeitspotential von den manuellen Systemen abhebt. Hierbei kommt neuerdings die Möglichkeit hinzu, das „Stenogramm“ mit Hilfe des Computers zu transkribieren und simultan in gewöhnlicher Schrift auf dem Bildschirm darzustellen (auch zur Untertitelung von Fernsehsendungen für Gehörbehinderte).

2.

Typologie der Stenographiesysteme

Stenographische Zeichen stellen im allgemeinen Teilzüge von Buchstaben der gewöhnlichen Schrift dar. Willis, der Begründer der neuzeitlichen Kurzschrift (1602), gewinnt in der Tradition der Tironischen Noten seine Zeichen aus der lateinischen Kapitalschrift. Das aus Kreisbögen und Geraden in verschiedenen Lagen bestehende Inventar verlangt ein Schreibverhalten, das an schnelles Zeichnen erinnert. Die ersten Systeme dieser Art verwenden Zeichen, für deren Erzeugung mehrere Schreibbewegungen erforderlich sind. In der Folge setzt sich aber die Forderung durch, daß stenographische Zeichen grundsätzlich nur aus einem Schreibzug bestehen dürfen, ja das stenographische Wortbild ⫺ das Stenem ⫺ durch die unmittelbare Verbindung dieser einfachen Zeichen aufzubauen ist. Die englische Stenographie bewahrt diese Konzeption bis in die Gegenwart. Sie ist um die Wende des 18. zum 19. Jahrhundert von Frankreich und den Ländern der Iberischen Halbinsel übernommen worden. Systeme dieser Art bezeichnet man als geometrische Kurzschriften. In Unkenntnis dieser Schriftauffassung leitet Franz Xaver Gabelsberger nach 1817 sein Zeicheninventar aus der in den Münchener Kanzleien gebräuchlichen Kurrentschrift ab, was dem Stenographen die Beibehaltung seiner normalen Schreibgewohnheiten gestattet. Dazu trägt auch bei, daß die Verbindung der durchweg mehrzügigen Zeichen zum Teil durch Aneinanderreihung mittels bedeutungsloser Aufstriche erfolgt. Unmittelbar oder mittelbar auf Gabelsberger zurückgehende stenographische Systeme sind seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in den deutschsprachigen Ländern sowie von Italien über Südost- und Osteuropa bis nach Skandinavien verbreitet. Sie werden als kursive Kurzschriften bezeichnet. Die Vereinbarkeit der geometrischen und der kursiven Auffassung beweist das 1888 in

England entstandene und nach 1893 in den Vereinigten Staaten verbreitete System Gregg. Es verbindet Zeichen und Schriftgedanken aus der englischen, französischen und deutschen Stenographie und stellt sich somit als eine kursivierte geometrische Schrift dar. Die in der Literatur übliche Bezeichnung als halbkursive Kurzschrift ist unbefriedigend. Gemeinsam ist allen Kurzschriften das Bestreben, mit dem geringsten graphischen Aufwand möglichst viel auszudrücken. Schriftkürzung, d. h. die Aufhebung der Redundanz der gewöhnlichen Schrift, genügt jedoch nicht, um die Geschwindigkeitsdifferenz zwischen Sprechen und Schreiben auszugleichen. Eine zur Redeaufnahme befähigende Kürze läßt sich nur erreichen, wenn von vornherein durch Regeln festgelegt wird, daß ein Teil der gehörten Textsegmente bei der Niederschrift auszulassen oder symbolisch anzudeuten ist (Schreibkürzung).

3.

Grundzüge der Schriftkürzung

Steneme geben vereinfachte Wortbilder der gewöhnlichen Schrift wieder. Polygraphen für Einzelphoneme werden immer, hochfrequente Graphemfolgen häufig durch ein Zeichen dargestellt. Fast alle Kurzschriften betrachten das Konsonantenskelett der Wörter als die eigentliche distinktive Konfiguration und deuten die Vokale vorwiegend durch die Art der Konsonantenverbindung an. Dies geschieht in einigen geometrischen Systemen mittels verbindungserleichternder Kreise und Kreisteile, in einer Gruppe kursiver Kurzschriften durch die Überformung des verbindenden Haarstrichs. Bei aneinanderreihender Konsonantenverbindung besteht auch die Möglichkeit, durch Anhebung oder Senkung des vorangehenden oder nachfolgenden Konsonantenzeichens, durch dessen drucklose oder druckverstärkte Ausführung sowie durch Variation der Verbindungsweite den Vokal anzudeuten. Ferner kommen Größen- oder Formveränderungen der Nachbarkonsonanten in Betracht. In geometrischen wie in kursiven Systemen kann das nur konsonantisch dargestellte Stenem zum Ausdruck des Vokals als Ganzes über die Schreibzeile gehoben oder unter diese abgesenkt werden („Dreizeiligkeit“). Auf die geometrischen Kurzschriften beschränkt ist das nachträgliche Hinzufügen von Punkten, Strichen und ähnlichem in verschiedenen Stellungen (was bei schnellem Schreiben unterbleiben kann).

1606

X. Sonderschriften

Abb. 144.1

Auf der Grenze zur Schreibkürzung steht das Verfahren vieler Kurzschriften, die morphematische Gliederung der Wörter mit stenographischen Mitteln wiederzugeben. Kursive Systeme verwenden durchweg besondere Zeichen für Präfixe, Suffixe und Endungen. In den geometrischen Systemen, die infolge der geringeren Ergiebigkeit ihrer Zeichenquelle kaum über freie Zeicheninventare verfügen, übernimmt die abgesetzte Schreibung der verkürzten Funktionsmorpheme häufig diese Aufgabe. Solche Formen werden zu den Kürzeln gerechnet. Es ist daher vertretbar, auch die Kurzschreibung der Funktionswörter noch als Schriftkürzung anzusehen, zumal diese durchweg schon in der Grundstufe hierarchisch strukturierter Systeme auftauchen.

4.

Grundzüge der Schreibkürzung

Alle weitergehenden Verfahren zur Erzielung graphischer Kürze gelten als Schreibkürzung. Zu allen Zeiten übernehmen die stenographischen Systeme die Abbreviaturtechnik der Suspension als Kürzung auf den Wortanfang bzw. auf den (Stammorphem-)Anlaut. Dem liegt die Leseerfahrung zugrunde, daß jeweils

die erste Graphemgruppe bei der Sinnleitung Vorrang hat. Wenn bei komplexen Wörtern verdeutlichend der Ausgang hinzugefügt wird (wie dies besonders in den geometrischen Schriften geschieht), entspricht das Verfahren der traditionellen Kontraktion. Entfällt auf diese Weise das Stammorphem, so spricht man von Formkürzung. Der Grenzfall dieser Kürzungsart ist die Stellvertretung des ganzen Wortes durch ein Affix. In der Umkehrung wird nur der Vokal des Stammorphems wiedergegeben (Inlautkürzung). Dieses Verfahren ist jedoch meist auf zweite und weitere Glieder in der Wortzusammensetzung beschränkt. In Schriften mit Auslautvokalisation bietet sich die Möglichkeit an, den konsonantischen Anlaut auszulassen und lediglich den Rest des Stammorphems zu schreiben. Was bisher im Hinblick auf Einzelwörter gesagt wurde, gilt auch für Wortgruppen. Sie werden in vielen Kurzschriftsystemen durch Zusammenschreiben graphisch als Einheit behandelt und lassen dann die Anwendung der verschiedenen Kürzungsarten zu. Zusammenfassend spricht man von Gruppenkürzung. Mit den Verfahren der Schreibkürzung gewonnene Steneme sind häufig nur im Kon-

144. Stenographie

text eindeutig. Obwohl sie jederzeit nach einfachen Regeln zu bilden sind, prägt sich der Stenograph einen Grundbestand vorweg als „Vorratskürzungen“ ein. Solche Wort- bzw. Gruppensigel dienen zugleich als Muster für das freie „Augenblicks“kürzen. Welche Möglichkeiten der Schreibkürzung der Stenograph tatsächlich einsetzt, hängt von der zu bewältigenden Sprechgeschwindigkeit ab.

5.

Bedeutende Stenographiesysteme des 19. und 20. Jahrhunderts

Gabelsberger. Erfinder: Franz Xaver Gabelsberger. Seit 1817 ohne erkennbares Vorbild als Redeschrift entwickelt und bereits 1819 zu Aufnahmen in der bayerischen Ständeversammlung verwendet. Anleitung zur deutschen Redezeichenkunst. 1834. Kursive Schrift mit gemischter Vokaldarstellung (symbolisch und durch besondere Vokalzeichen). Weitgehende Verwendung der Zeichenverschmelzung, dadurch Bildung besonders schreibflüchtiger „Monogrammate“. Zeitweilig gymnasiales Schulfach in Bayern, Sachsen und Österreich; Gebrauchsschrift von Akademikern und Schriftstellern. 1924 in der Deutschen Einheitskurzschrift aufgegangen, in Übertragungen weiterhin in mehreren europäischen Ländern verwendet. Pre´vost-Delaunay. Erfinder: Hippolyte Pre´vost (1827). Ursprünglich Verbesserung des Systems Bertin (1792), das seinerseits auf Übernahme des englischen Systems Taylor (1786) beruht. Geometrische Schrift ohne Vokalbezeichnung im Wortinneren, jedoch Unterscheidung von reinen Konsonantenfolgen und Silbenkonsonanten. Nutzung sprachlich oder stenographisch unzulässiger Zeichenverbindungen („incompatibilite´s“) zur symbolischen Andeutung ausgelassener Konsonanten. 1878 von Albert Delaunay überarbeitet. In Frankreich und in der Communaute´ franc¸aise verbreitet. Pitman. Erfinder: (Sir) Isaac Pitman (1837). Ursprünglich Verbesserung des Systems Taylor (1786). Geometrische Stenographie mit Druckverstärkung zur Kennzeichnung der Stimmhaftigkeit der Konsonanten bzw. der Länge der Vokale bei nachträglicher Vokalbezeichnung durch Punkte und Striche. Dreizeiligkeit zur Andeutung der Gruppenzugehörigkeit des ersten Vokals. Haken, Schleifen und Kreise als Zeichenzusätze für Konsonantenfolgen. Konsonantensymbolik durch Halbierung bzw. Verdoppelung der

1607 Zeichenlänge. Schriftform „New Era“ (1922) dreistufig. „Pitman 2000“ (1975) vereinfachte Notiz- und Diktatschrift. In Großbritannien und im britischen Commonwealth verbreitet. Duploye´. Erfinder: Emile Duploye´ (1867). Ursprünglich Verbesserung des Systems Conen de Pre´pe´an (1813), das an Taylors Schrift (1786) anknüpft. Geometrisches System mit zwei Zeichengrößen zur Unterscheidung von stimmlosen und stimmhaften Konsonanten. Vokaldarstellung durch zeichenverbindende Kreise und Kreisteile. Zunächst kürzellose Notizschrift, später auch Redeschrift („Me´tagraphie“). In Frankreich, der französischen Schweiz und in der Communaute´ franc¸aise verbreitet. Gregg. Erfinder: John Robert Gregg (1888). Ursprünglich Umgestaltung des geometrischen Systems (Sloan-)Duploye´ durch Übernahme von Zeichen und Schriftprinzipien aus der deutschen Kurzschrift (Gabelsberger; Stolze). Geraden und Ellipsenbögen in kursiver Schreiblage ohne Druckverstärkung, daher in drei Größenstufen. Zeichenverbindung häufig durch Verschmelzung. Vokaldarstellung durch verbindende Kreise und Kreisteile. Mehrere Systemrevisionen, seit 1978 „Series 90“. Kurzschrift der Vereinigten Staaten, in Übertragungen in einigen Ländern Südamerikas und Ostasiens verbreitet. Stolze-Schrey. 1897 für den Zusammenschluß der Schulen Stolze und Schrey geschaffen; nur leicht veränderte Schriftung Schrey (1887). Erfinder: Ferdinand Schrey. Übernahme vieler Konsonantenzeichen Wilhelm Stolzes (1841) und der Auslautvokalisation des Gabelsbergerianers Karl Faulmann (1875) für die Grundstufe. Kursive Schrift mit zwei, später drei Systemstufen (Schulschrift, Geschäftsschrift, Redeschrift). Zeitweilig Gebrauchsschrift von Akademikern und Schriftstellern. Weiterhin Kurzschrift der deutschsprachigen Schweiz. Deutsche Einheitskurzschrift. 1924 staatlich eingeführt nach schwierigen Ausschußarbeiten seit 1912. Kursive Kurzschrift mit vorwiegend gabelsbergerschen Konsonantenzeichen und der in der Schriftung Stolze-Schrey bewährten Auslautvokalisation Faulmanns. Ursprünglich zwei, jetzt drei Systemstufen (Verkehrsschrift, Eilschrift, Redeschrift). Die Schriftform der Wiener Urkunde (Bundesrepublik/Österreich, 1968) verdrängt seit Oktober 1990 die stärker modernisierte „Deutsche Stenografie“ (1970) der ehemaligen DDR.

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6.

X. Sonderschriften

Literatur

Bäse, Hans-Jürgen. 1958. Die slawischen Kurzschriftsysteme als Ausdruck des sprachlichen Minimums. Diss. Göttingen. Boge, Herbert. 1973. Griechische Tachygraphie und Tironische Noten. Ein Handbuch der mittelalterlichen und antiken Schnellschrift. Berlin. Erbach, Karl. 1977. Handbuch der deutschen Einheitskurzschrift. Neubearbeitet von Maria Erbach und Fritz Haeger. 10. Aufl., Darmstadt. Giulietti, Francesco. 1968. Storia delle scritture veloci (dall’antichita` ad oggi). Florenz. Jochems, Helmut. 1986. Schreiben in Gedankenschnelle. Wegleite durch eine terra incognita der Graphematik. In: Augst, Gerhard (ed.), New

Trends in Graphemics and Orthography. Berlin⫺ New York, 105⫺123. Johnen, Christian. 1940. Allgemeine Geschichte der Kurzschrift. 4. Aufl., Berlin. Kaneko, Tsuguo. 1982. Stenographic Science. Takatsukishi. Matula, Milosˇ. 1983. Modernı´ teˇsnopis. Prag. Mentz, Arthur & Haeger, Fritz. 1981. Geschichte der Kurzschrift. 3. Aufl., Wolfenbüttel. Moser, Franz & Erbach, Karl. 1979. Lebendige Kurzschriftgeschichte. Neubearbeitet von Maria Erbach. 8. Aufl., Darmstadt. Sander-Jaenicke, Beate & Karpenstein, Hans. 1975. Art und Bau der wichtigsten Kurzschriften. 3. Aufl., Darmstadt.

Helmut Jochems, Siegen (Deutschland)

145. Kryptographie 1. 2. 3. 4.

1.

Kryptogramme und kryptographische Systeme Entwicklung und Anwendung der Systeme Chiffriergeräte und -maschinen Literatur

Kryptogramme und kryptographische Systeme

1.1. Botschaft und Kryptogramm Vorab einige Bemerkungen zu den verwendeten Begriffen und der Hinweis darauf, daß im folgenden nur die sogenannten „handgefertigten“ Kryptographien behandelt werden, welche angesichts der modernen Informationstechniken und des Einsatzes von Computern, die die kryptographische Landschaft völlig verändert haben, mittlerweile der Geschichte angehören. Als Kryptographie bezeichnen wir die Disziplin, mit deren Hilfe eine „klare“ schriftliche Botschaft systematisch in eine ebenfalls schriftliche und lesbare, jedoch „verschlüsselte“ Botschaft (Kryptogramm) transformiert wird, die aber nur für den, der das dabei verwendete konventionelle System ⫺ den sog. „Kode“ ⫺ kennt, verständlich wird. Der Begriff ist von den griechischen Wörtern krypto¬w und grafi¬a abgeleitet, während der Begriff „Schlüssel“ nicht das System, auf das er bezogen ist, sondern lediglich die Art und Weise, wie jenes zu gebrauchen ist, bezeichnet. Man spricht schließlich vom Dechiffrieren, wenn man einen „ver-

schlüsselten“ Text ins „Klare“ überträgt, indem man sich des „Kodes“ bedient. Dagegen spricht man vom Entschlüsseln, wenn ein chiffrierter Text ohne Schlüssel ins „Klare“ übertragen wird ⫺ eine Aufgabe, die ungleich schwieriger ist. (Die sogenannten Jargons sind kein eigentlicher Bestandteil der Disziplin.) 1.2. Die wichtigsten kryptographischen Systeme Nach einer mittlerweile allgemein anerkannten wissenschaftlichen Klassifizierung unterscheidet man zwischen zwei Gruppen von Systemen: transpositiven und substitutiven. Bei ersteren werden die verschiedenen Elemente des Ausgangstextes anhand einer besonderen, nur den Korrespondierenden bekannten Regel miteinander vertauscht, im zweiten Fall werden die verschiedenen Textelemente dagegen ersetzt, auch hier nach einer getroffenen Vereinbarung. Natürlich können die beiden Verfahren auch kombiniert angewandt werden. Man spricht dann von „Überverschlüsselung“. Generell geht es in beiden Fällen immer darum, ein Zeichen durch ein anderes zu ersetzen. Die Transposition läßt sich grob folgendermaßen klassifizieren: als einfache, Schlüssel-, Figuren- oder Gittertransposition. Sie ist einfach, wenn jeder Buchstabe des Alphabets durch einen Buchstaben aus einem Alphabet ersetzt wird, das gegenüber dem ursprünglichen verschoben wurde. In der Praxis

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X. Sonderschriften

Literatur

Bäse, Hans-Jürgen. 1958. Die slawischen Kurzschriftsysteme als Ausdruck des sprachlichen Minimums. Diss. Göttingen. Boge, Herbert. 1973. Griechische Tachygraphie und Tironische Noten. Ein Handbuch der mittelalterlichen und antiken Schnellschrift. Berlin. Erbach, Karl. 1977. Handbuch der deutschen Einheitskurzschrift. Neubearbeitet von Maria Erbach und Fritz Haeger. 10. Aufl., Darmstadt. Giulietti, Francesco. 1968. Storia delle scritture veloci (dall’antichita` ad oggi). Florenz. Jochems, Helmut. 1986. Schreiben in Gedankenschnelle. Wegleite durch eine terra incognita der Graphematik. In: Augst, Gerhard (ed.), New

Trends in Graphemics and Orthography. Berlin⫺ New York, 105⫺123. Johnen, Christian. 1940. Allgemeine Geschichte der Kurzschrift. 4. Aufl., Berlin. Kaneko, Tsuguo. 1982. Stenographic Science. Takatsukishi. Matula, Milosˇ. 1983. Modernı´ teˇsnopis. Prag. Mentz, Arthur & Haeger, Fritz. 1981. Geschichte der Kurzschrift. 3. Aufl., Wolfenbüttel. Moser, Franz & Erbach, Karl. 1979. Lebendige Kurzschriftgeschichte. Neubearbeitet von Maria Erbach. 8. Aufl., Darmstadt. Sander-Jaenicke, Beate & Karpenstein, Hans. 1975. Art und Bau der wichtigsten Kurzschriften. 3. Aufl., Darmstadt.

Helmut Jochems, Siegen (Deutschland)

145. Kryptographie 1. 2. 3. 4.

1.

Kryptogramme und kryptographische Systeme Entwicklung und Anwendung der Systeme Chiffriergeräte und -maschinen Literatur

Kryptogramme und kryptographische Systeme

1.1. Botschaft und Kryptogramm Vorab einige Bemerkungen zu den verwendeten Begriffen und der Hinweis darauf, daß im folgenden nur die sogenannten „handgefertigten“ Kryptographien behandelt werden, welche angesichts der modernen Informationstechniken und des Einsatzes von Computern, die die kryptographische Landschaft völlig verändert haben, mittlerweile der Geschichte angehören. Als Kryptographie bezeichnen wir die Disziplin, mit deren Hilfe eine „klare“ schriftliche Botschaft systematisch in eine ebenfalls schriftliche und lesbare, jedoch „verschlüsselte“ Botschaft (Kryptogramm) transformiert wird, die aber nur für den, der das dabei verwendete konventionelle System ⫺ den sog. „Kode“ ⫺ kennt, verständlich wird. Der Begriff ist von den griechischen Wörtern krypto¬w und grafi¬a abgeleitet, während der Begriff „Schlüssel“ nicht das System, auf das er bezogen ist, sondern lediglich die Art und Weise, wie jenes zu gebrauchen ist, bezeichnet. Man spricht schließlich vom Dechiffrieren, wenn man einen „ver-

schlüsselten“ Text ins „Klare“ überträgt, indem man sich des „Kodes“ bedient. Dagegen spricht man vom Entschlüsseln, wenn ein chiffrierter Text ohne Schlüssel ins „Klare“ übertragen wird ⫺ eine Aufgabe, die ungleich schwieriger ist. (Die sogenannten Jargons sind kein eigentlicher Bestandteil der Disziplin.) 1.2. Die wichtigsten kryptographischen Systeme Nach einer mittlerweile allgemein anerkannten wissenschaftlichen Klassifizierung unterscheidet man zwischen zwei Gruppen von Systemen: transpositiven und substitutiven. Bei ersteren werden die verschiedenen Elemente des Ausgangstextes anhand einer besonderen, nur den Korrespondierenden bekannten Regel miteinander vertauscht, im zweiten Fall werden die verschiedenen Textelemente dagegen ersetzt, auch hier nach einer getroffenen Vereinbarung. Natürlich können die beiden Verfahren auch kombiniert angewandt werden. Man spricht dann von „Überverschlüsselung“. Generell geht es in beiden Fällen immer darum, ein Zeichen durch ein anderes zu ersetzen. Die Transposition läßt sich grob folgendermaßen klassifizieren: als einfache, Schlüssel-, Figuren- oder Gittertransposition. Sie ist einfach, wenn jeder Buchstabe des Alphabets durch einen Buchstaben aus einem Alphabet ersetzt wird, das gegenüber dem ursprünglichen verschoben wurde. In der Praxis

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145. Kryptographie

setzt man an die Stelle eines Buchstabens des Klartextes einen in der normalen alphabetischen Reihenfolge folgenden Buchstaben, wobei nur die Anzahl der zu überspringenden Elemente festgelegt wird. Wenn hierbei das Ende des Alphabets überschritten wird, beginnt man wieder mit dem ersten Buchstaben des Alphabets. Sieht die Konvention anstelle eines konstanten Tauschverfahrens eine bestimmte festgelegte Reihenfolge vor, so haben wir es mit einer Schlüsseltransposition zu tun. Als Leitfaden für die Transposition können auch vereinbarte geometrische Figuren dienen, die in genau determinierter Anzahl für jede Zeile des chiffrierten Textes benutzt werden. In diesem Fall werden die Konstituenten des Klartextes so angeordnet, daß man an einem Eckpunkt der Figur beginnt und in einer vereinbarten Drehrichtung um diese herum schreibt. Die Kryptogrammzeile ergibt sich so automatisch. Will man die Elemente der Wörter sapientia tua anhand einer Sequenz von Quadraten vertauschen, so verfährt man wie folgt:

Aus der zeilenweisen Anordnung der Buchstaben ergibt sich so das Kryptogramm A P N T T U S I E I A A. Um den Text zu entschlüsseln, reicht es (nachdem man die geometrischen Figuren wieder in die vereinbarte Reihenfolge gebracht hat), die Buchstaben der Chiffre an den Eckpunkten nach und nach auf derselben Ebene anzuordnen und den Text dann gemäß der vereinbarten Drehrichtung zu lesen. Zum Zweck der Transposition können auch sogenannte „Gitter“ verwendet werden. Diese bestehen im wesentlichen aus Täfelchen, die jeder der Korrespondenten besitzt, in denen kleine Fenster angebracht sind. Legt man die Tafel auf den Text, so kann man natürlich nur die Buchstaben lesen, die in den Fenstern erscheinen, während der den übrigen Platz der Tafel einnehmende ⫺ für die Botschaft irrelevante ⫺ Text frei wählbar bleibt. Man liest, indem man die Buchstaben zeilen- oder spaltenweise bzw. in einer auf den Tafeln angezeigten Reihenfolge zusammensetzt. Die substitutiven Systeme beinhalten, wie ausgeführt wurde, die Substitution der Elemente des Klartextes mit anderen Elementen,

die auf der Grundlage einer besonderen Konvention zwischen den Korrespondierenden ausgewählt wurden. Man kann ein oder mehrere Chiffrier-Alphabete benutzen; im ersten Fall spricht man von monoalphabetischen Systemen, im zweiten Fall von polialphabetischen Systemen. Die substitutiven Systeme waren die am häufigsten verwendeten, insbesondere im diplomatischen Schriftverkehr. Wir werden daher in den folgenden Abschnitten auf diese und die bei ihnen angewendeten Techniken näher eingehen. Schließlich gibt es noch die sogenannten Repertoire-Systeme. Zusammengefaßt kann gesagt werden, daß in diesen statt alphabetischen oder auch silbischen Elementen ganze Wörter oder Sätze durch Gruppen von Zeichen, Buchstaben oder Nummern ersetzt werden. Es ist klar, daß man sich im Falle der transpositiven und substitutiven Systeme meistens numerischer Regeln bedient, um den Kode zu entwickeln, zu übermitteln und zu benutzen, ganz im Sinne der Sicherheit und Diskretion, während man für die RepertoireSysteme, auch Kode-Systeme genannt, viel komplexere Instrumente benötigt, die sogar die Form von regelrechten Wörterbüchern annehmen können.

2.

Geschichtliche Entwicklung und Anwendung der Systeme

2.1. Die kryptographischen Systeme der Antike Schon Herodot (VII, 139) berichtet, wie die Spartaner über die Invasionspläne König Xerxes in Griechenland in Kenntnis gesetzt wurden, dank einer auf eine Tafel geschriebenen und dann mit Wachs überzogenen Mitteilung. Aulo Gellio, Plutarch und andere klassische Autoren erinnern an ähnliche Systeme und beschreiben die von den Spartanern verwendete „Scytala“, die als eines der ältesten Exemplare einer Chiffriermaschine bezeichnet werden kann, da die Botschaft zusammen mit anderen, bedeutungslosen Wörtern auf einen Lederstreifen geschrieben wurde, der spiralförmig auf ein zylindrisches Stäbchen gewickelt werden mußte, so daß der Text nur gelesen werden konnte, wenn man sich eines Zylinders der richtigen Maße bediente. Natürlich war es notwendig, daß dieser für die verschiedenen Korrespondierenden identisch war. Sueton (Caes., LVI) berichtet, wie Caesar ein einfaches, aber wirkungsvolles Vertauschungssystem benutzte,

1610 um mit seinen Statthaltern zu korrespondieren. Es bestand darin, jeden Buchstaben mit jenem, der drei Stellen nach ihm in der natürlichen alphabetischen Reihenfolge steht, zu ersetzen. 2.2. Die Kryptographie des Mittelalters Über das Hochmittelalter ist wenig bekannt, doch weiß man, daß die großen Gelehrten der Zeit, wie Hrabanus Maurus, Geheimschriften benutzten. Die Geschichtsschreiber der Kryptographie haben es jedoch allgemein versäumt, einige interessante Beziehungen zwischen Tachygraphie und Kryptographie zu untersuchen. Aus historischer Sicht erscheint es in der Tat wichtig, zu beobachten, wie sich ein Phänomen nachweisen läßt, das zwar an den Gebrauch der Tachygraphie gebunden, aber eindeutig kryptographisch ist, wenn nämlich die wahre Bedeutung der Zeichen verborgen bleiben sollte, damit nur derjenige sie wiedererkennen konnte, der sie geschrieben hatte. Auf diese Weise sollten die Authentizität gesichert und Fälschungen vermieden werden. Für den Kryptologen hingegen ist von Interesse, daß als kryptographische Zeichen tironische oder silbische Noten verwendet wurden, die aus der Tachygraphie stammten, sowohl aus der klassischen wie auch aus der mittelalterlichen. Noten dieser Arbeit behalten ihre Bedeutung, doch wurden sie nur noch von einigen wenigen Experten, z. B. von den Reichskanzleien oder von der souveränen hohen Gerichtsbarkeit verstanden, auch weil sie häufig verformt und mit anderen hochkomplizierten graphischen Gebilden verflochten waren. Das Phänomen findet sich in italienischen wie auch in merowingischen Papyrustexten wieder, sowie in Beglaubigungen und anderen Textteilen notarieller Dokumente. So wiederholt der Notar in dem Beispiel

nach der Unterschrift seinen Namen in silbischen tachygraphischen Zeichen: e-go-te-bal-dus-no-ta-ri-us. Vom Ende des 11. Jahrhunderts an geraten Gebilde dieser Art in Vergessenheit. Als in der Blüte der Renaissance das wiedererwachte Interesse für das Lateinstudium die Aufmerksamkeit auf die Tachygraphien der Vergangenheit lenkte, wurden diese für wahre und echte Kryptographien gehalten und dem

X. Sonderschriften

berühmten Kryptologen jener Zeit, von Tritenheim, zur Interpretation vorgelegt. In den Jahren um 1000 findet man jedoch ⫺ ebenfalls in notariellen Dokumenten ⫺ Kryptogramme wie dieses:

Die Zeichen sind hier nicht mehr tachygraphisch, aber dennoch sehr speziell, auch wenn sie auf den ersten Blick den Buchstaben des griechischen Alphabets ähneln. Das Auge des modernen Beobachters erkennt hier bereits die Anlage eines monoalphabetischen substitutiven Systems, auch wenn dieses noch partiell ist. Die spärlichen Unterlagen, die über die Zeit zwischen dem 11. und 13. Jahrhundert vorhanden sind, erlauben keine genaue Bewertung. Die Tachygraphie wurde nicht mehr zu kryptographischen Zwecken benutzt, auch wenn sich sporadisch einige tironische Noten finden lassen. Es ist nicht klar, zu welchem Zweck sie dann gebraucht wurden. Über die wenigen verfügbaren Belege läßt sich zum Großteil sagen, daß versucht wurde, vor allem die Vokale mit nicht alphabetischen Zeichen, mit x in verschiedener Anzahl oder einfach mit anderen Buchstaben zu ersetzen. Ein solches System wurde 1263 von einem Genueser Notar benutzt, während man im darauffolgenden Jahrhundert in einer venezianischen Kanzlei Silben und andere Vokabeln von Eigennamen ersetzte. Allgemein läßt sich feststellen, daß in den Kanzleien, darunter auch in der besagten venezianischen, in bestimmten Dokumenten Eigennamen durch Alphabetzeichen ersetzt wurden. Auch wenn die Dokumentation spärlich bleibt, liefert ein philosophisches Werk des großen Roger Bacon einige wichtige Elemente der Beurteilung. Es handelt sich um die „Epistel über die Nichtigkeit der Magie“, in welcher einige Hilfsmittel aufgelistet werden, um Schriften geheim zu halten, unter ihnen vor allem das Einfügen zahlreicher bedeutungsloser Buchstaben in den Text, den man unlesbar machen will. Dieses Verfahren sollte in den folgenden Jahrhunderten stark weiterentwickelt werden. Wahrscheinlich verbreitete sich allein im 14. Jahrhundert der Gebrauch des gesamten monoalphabetischen Systems, vor allem für diplomatische Korrespondenz. Dies läßt sich daraus ableiten, daß das System am Ende des

1611

145. Kryptographie

Jahrhunderts oder zu Beginn des nächsten, als die Dokumentation umfangreicher wird, bereits weitgehend perfektioniert erscheint. Wie schon im vorhergehenden Jahrhundert mit der „Epistel“ von Bacon, erweist sich eine kleine Sammlung von Chiffreschlüsseln der Jahre um 1380, die Gabriele da Parma zugeschrieben und in den vatikanischen Archiven aufbewahrt wird, als bedeutsamer als die eigentlichen Chiffren. In dieser Sammlung wird bestätigt, daß über die Anwendung des nunmehr vollständigen monoalphabetischen Systems hinaus auch die Möglichkeit besteht, sich einer größeren Anzahl von Zeichen (Homophonen) zu bedienen, um in der Sprache häufiger vorkommende Buchstaben zu ersetzen, Zeichen ohne Bedeutung einzufügen, wie es bereits Bacon nahegelegt hatte, und nicht zuletzt das grundlegende monoalphabetische System durch eine Liste von Wörtern aus einem besonderen Repertoire zu erweitern, was in der Folgezeit von großer Wichtigkeit wurde. In der Praxis sieht man sich einem zusammengesetzten System gegenüber, in dem das mit Homophonen und bedeutungslosen Elementen angereicherte monoalphabetische System durch Repertoire-Elemente ergänzt wird. Das reine monoalphabetische System sieht in der Tat nur den Ersatz jedes Buchstaben aus dem Klartext mit einem einzigen Substitut vor, das im betreffenden Zeitabschnitt größtenteils ein beliebiges graphisches Zeichen war, welches nicht mit einem Buchstaben oder mit arabischen Ziffern, die noch nicht allgemein gebräuchlich waren, verwechselt werden konnte. Das folgende Beispiel zeigt die Zeichen, die in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts in einem Mailänder Dokument verwendet wurden:

Ein solches System ist jedoch leicht verwundbar, denn, da man die Häufigkeit des Vorkommens jedes Buchstabens in einer bestimmten Sprache kennt bzw. leicht ausrechnen kann, ist es auch leicht, bei der Analyse des Kryptogramms die am häufigsten verwendeten Zeichen auszumachen und auf die wahre Bedeutung der einzelnen Buchstaben zu schließen. Wenn man ein Kryptogramm wie das folgende untersucht

D I C E T - • I :

A L I QU I S c = • ? .. • II

ist leicht festzustellen, daß der Punkt viel häufiger als die anderen Zeichen vorkommen, und man weiß, daß das i der häufigste Buchstabe des Lateinischen ist. Dennoch ist die Analyse von Schriften in lateinischer Sprache, die in jeder Epoche nicht nur in öffentlichen Dokumenten, sondern auch im Briefwechsel und in notariellen Akten benutzt wurde, alles andere als leicht wegen der Gewohnheit, Wörter abzukürzen, Diphthonge mit einem einzigen Zeichen darzustellen, bestimmte Präfixe oder Endungen mit besonderen Zeichen ⫺ meist tironische Noten ⫺ zu ersetzen. Es läßt sich jedoch ohne größere Schwierigkeiten stets ein brauchbares Ergebnis erreichen, obwohl die Schrift der Kryptogramme keine Zwischenräume zwischen den Wörtern aufwies. Aus diesen Gründen verbreitete sich die Gewohnheit, das System mit einigen der bereits erwähnten Verfahren zu verstärken, welche bereits vor der Mitte des 15. Jahrhunderts allgemein benutzt und in den Kanzleien der italienischen Staaten (Mantua 1395, Mailand 1411 und kurz darauf in fast allen italienischen Republiken) dokumentiert wurden, wie die Einfügung völlig bedeutungsloser Zeichen in das Kryptogramm, die nur die Analyse erschweren sollte, die Substitution doppelter durch einfache Zeichen und nicht zuletzt die Anweisung, anhand eines Repertoires eine Liste von Ersatzsymbolen für die Wörter des Textes zu verwenden. Man nutzt auch systematisch die Möglichkeit aus, jeden Buchstaben mit mehreren Homophonen zu ersetzen, die von mal zu mal variiert wurden, speziell bei den gebräuchlichsten Vokalen, um deren Wiederholungshäufigkeit wirkungsvoll zu glätten und die Möglichkeit einer leichten Erkennbarkeit auszuschalten. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts verbreitete sich darüber hinaus vor allem in den Kanzleien die Sitte, Bigramme und ganze Silben, zuerst die offenen, dann auch die geschlossenen, mit einer einzigen Note zu kennzeichnen; dasselbe geschah mit Präfixen, Pronomen, Konjunktionen und Hilfsverben. Auch die Anzahl der Repertoire-Wörter wurde ständig erhöht, wie auch der Brauch zunahm, bedeutungslose Zeichen zu Beginn und am Ende jeder Zeile einzufügen.

1612 In einem Mailänder Chiffreschlüssel um 1450 finden sich bereits mehr als 170 Bigramme und Repertoire-Wörter. Mit all diesen Hilfsmitteln war das System schwerer zu entschlüsseln, vor allem dank mehrerer Homophone für jeden Buchstaben (bis zu vier oder fünf), welche die gesamte graphotaktische Struktur der Sprache verdeckten. In der Praxis verfuhr man somit, als hätte man nicht nur ein Chiffrieralphabet, sondern mehrere zur Verfügung. Mit anderen Worten: Bei den in diesem Kodiersystem möglichen Varianten verwandelte sich dieses in ein anderes, das die Kryptologen später als „polialphabetisch mit freier Substitution“ bezeichnen sollten, während einige Franzosen es „Capricciosa“ nannten. Auf diese Weise wurde die Entschlüsselung ⫺ bei geschicktem Einsatz der Homophonie ⫺ äußerst schwierig, da festgestellt werden konnte, daß das Histogramm der Häufigkeiten einzelner Buchstaben in einigen Kanzleikryptogrammen nahezu völlig geglättet erschien und man zur Entschlüsselung die Sprache und den Stil ⫺ insbesondere bestimmte Redewendungen ⫺ des Verfassers genauer studieren mußte. Dies war die Situation, speziell im Italien der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, als Cicco Simonetta, der berühmte Kanzler der Sforza, sein bekanntes Lehrbuch schrieb. Ohne Zweifel war es gelungen, einen erheblichen Grad an Sicherheit zu erreichen. Dennoch hielt man den Chiffrierschlüssel unter Verschluß, so daß er, wenn nötig, leicht vernichtet werden konnte, auch wenn er aufgrund des häufigen Gebrauchs besonderer Zeichen anstelle alphabetischer oder numerischer schwer in Erinnerung behalten und im Fall des Verlustes schwer rekonstruiert werden konnte. 2.3. Die Kryptographie in der Moderne Dennoch blieb ein wichtiges Problem bestehen: Durch den Umstand, daß man die Anzahl der von Fall zu Fall zu verwendenden Homophone genau abwägen und bestimmen mußte, verlangte die Vorbereitung eines Kryptogramms viel Zeit und Aufmerksamkeit, was jemandem, der mit Schnelligkeit arbeiten muß, sicher nicht entgegenkommt. Eine mögliche Lösung des Problems bestand darin, die Auswahl und die Verwendung der Homophone sozusagen mechanisch zu gestalten, so daß ein rascherer, sichererer und effizienterer Übergang vom Klartext zum Kryptogramm ermöglicht wurde. Entscheidend dafür war, daß dank einiger fähiger Ma-

X. Sonderschriften

thematiker, wie von Tritenheim, Della Porta und Vige`nre, die Anzahl der verfügbaren Chiffrieralphabete erhöht wurde, vor allem aber, daß ein externer Faktor erfunden wurde, der nur den Korrespondierenden bekannt war und der von mal zu mal das am besten passende Homophon automatisch auswählte, so daß eine Berechnung der Buchstabenhäufigkeiten schwer möglich war. Diesen Faktor bezeichnete man als „Schlüssel“, und das gesamte System bezeichnete man als „polialphabetischen Schlüssel“. Die ursprüngliche Idee stammt wahrscheinlich von Leon Battista Alberti, sie erreicht jedoch den Höhepunkt ihrer Entwicklung im 16. Jahrhundert. Als Auswahlmechanismus für die substitutiven Elemente, die aus immer mehr geeigneten Alphabeten stammen, wurden nun z. B. eine Gruppe von Zeichen, Zahlen, Buchstaben, eines oder mehrere Wörter bzw. sogar Prosatexte oder Gedichte als Schlüssel verwendet. Eines der ältesten polialphabetischen Schlüsselsysteme war das des Mathematikers G. B. Della Porta, der es in seinem Werk „De furtivis litterarum notis, vulgo de zifferis“ bekannt machte. Das bekannteste und künftig wegen seiner praktischen Beschaffenheit am meisten benutzte System war jedoch das sogenannte Quadrat von Vige`nre. Das folgende Schema zeigt in der Version des italienischen Alphabets, wie das System funktioniert (siehe nächste Seite). Bei einem Quadrat wie diesem, in dem, wie leicht zu sehen ist, so viele Alphabete aufeinanderfolgen, wie Buchstaben im Schriftsystem der Sprache existieren, wobei jeweils die Anordnung automatisch einfach um ein Element nach hinten verschoben wird, schreibt man die zu übermittelnde Nachricht hin und unter jeden Buchstaben in kontinuierlicher Folge ein dem Schlüssel angehörendes Zeichen. Wenn man als Schlüssel das Wort „Milano“ benutzen und die Nachricht „partiro` domani“ übermitteln will, so schreibt man: PARTIRO

DOMANI

MILANOM

ILANOM

Der Buchstabe P der Nachricht wird chiffriert, indem man die mit dem entsprechenden Schlüssel-Buchstaben M gekennzeichnete Zeile des Quadrats benutzt, wobei das Element, das am Schnittpunkt dieser mit der Spalte des P liegt, in diesem Fall also das c, notiert wird. Auf diese Weise wird mit allen

1613

145. Kryptographie

A

B

C

D

E

F

G

H

I

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Buchstaben der Nachricht verfahren, und man erhält das Kryptogramm: CIDTVGBNAMNCU

Um zu entschlüsseln, verfährt man in entgegengesetzter Richtung, d. h. der Buchstabe der Chiffre wird immer in der ersten waagerechten Zeile aufgesucht, und von dort fährt man hinunter bis zu der mit dem SchlüsselBuchstaben markierten Zeile und notiert den Buchstaben am Schnittpunkt. Die polialphabetischen Schlüsselsysteme hatten, auch wenn sie ein hohes Maß an Sicherheit boten, anfangs ihre Schwachstellen, sei es wegen der zu regelmäßigen Abfolge der Alphabete und der Buchstabensequenzen selbst, sei es wegen der periodischen Wiederholungen des Schlüssels, vor allem, wenn dieser kurz war. Den-

noch wurden sie mit Beginn des 17. Jahrhunderts, da sie praktisch und leicht zu benutzen waren, weitgehend verwendet, besonders wenn ein schneller Gebrauch vonnöten war. Daher wurden sie besonders im militärischen Bereich sowie in den Bereichen des Handels und der Finanzen eingesetzt. Aus historischer Sicht muß jedoch festgestellt werden, daß das polialphabetische Schlüsselsystem, das zweifellos ziemlich sicher war und eine langwierige und komplexe Entschlüsselungsarbeit verlangte, während es sich auf der anderen Seite als einfach anwendbar zeigte, von den diversen Staatskanzleien jener Zeit mit erheblichem Mißtrauen betrachtet wurde. Dies ging, besser gesagt, nicht von den Kanzleien selbst aus, sondern von den Herrschermächten, denen sie untergeben waren. Den Beweis

1614 dafür liefern die von den Kanzleien vorgebrachten verschiedenen Vorschläge zur Übernahme des Systems, die immer abgelehnt wurden. Der Grund dafür ist wahrscheinlich in der Tatsache zu suchen, daß die oberste Gewalt ebenso wie die Kanzleien eines Chiffrierschlüssel zur freien Substitution besaß und daher stets in der Lage war, die Aktivitäten der Kanzlei zu kontrollieren, was im Fall eines polialphabetischen Schlüsselsystems, für das man einen geheimen Schlüssel benutzen konnte, sehr viel schwerer war. In der Tat war im System der freien Substitution (Capricciosa) jedes Chiffrierelement immer auf seiner Position genau festgelegt und außerdem leicht zu bestimmen, auch wenn die Suche nach dem inzwischen ziemlich umfangreichen System selbst lang und mühsam werden konnte, falls dessen Rekonstruktion unerläßlich war. Im 16. und 17. Jahrhundert bedienten sich die Kanzleien deshalb weiterhin in erster Linie des polyalphabetischen Systems mit freier Substitution, sowohl aus den genannten Gründen als auch wegen der Möglichkeit, sich die Fähigkeiten der Chiffreure zunutze zu machen und eine bemerkenswerte Vielfalt an Hilfsmitteln und inzwischen auch wirklich zahlreiche Listen von Repertoire-Wörtern verwenden zu können. All diese Möglichkeiten erlaubten, wenn sie richtig genutzt und in ihrer Anwendungsbreite richtig eingeschätzt wurden, das Erreichen erhöhter Geheimhaltungsebenen und hatten zudem den Vorteil, daß sie keine regelmäßige Wiederholung des Schlüssels aufwiesen. So konnten in den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts, zur Zeit Heinrichs IV., als die französischen Dechiffrierstuben, die in dem berühmten „bureau“ zusammengeschlossen waren, bereits ein hohes Niveau an Effizienz erreicht hatten, einige, zweifellos sehr fähige Persönlichkeiten als Dechiffreure großen Ruhm erlangen. So auch Vie`te, der jedoch, auch wenn er ein äußerst fähiger Dechiffreur war, einmal den Leichtsinn beging, vor dem venezianischen Botschafter damit zu prahlen, daß es ihm gelungen war, eine Botschaft der Serenissima zu entschlüsseln, was diesen in die Lage versetzte, sofort Abhilfe zu schaffen. Vie`te, wie übrigens auch Della Porta, wurde der Hexerei beschuldigt, während sein bekannter Nachfolger Rossignol den Besuch und die Danksagung Ludwigs XIV. entgegennahm. Es ist sicherlich das goldene Zeitalter der französischen Kryptologie, doch gibt es auch in England hervorragende Vertreter der Dis-

X. Sonderschriften

ziplin, vor allem zur Zeit von Karl I. und von Jakob II. und etwas später, als das Traktat von Davys erscheint, auch in Deutschland dank der Werke von Selenus (1624), Kirker (1663), Schort (1665), Hitler (1682) und Frederici (1685). An dieser Stelle ist anzumerken, daß während die polialphabetischen Schlüsselsysteme in den Kanzleien der romanischen Länder allgemein wenig Erfolg gehabt hatten, gerade in Deutschland das Werk Vige`nres die Aufmerksamkeit der Fachleute erregte, die im übrigen bemerkten, daß die Grundlagen desselben sich bereits in den Arbeiten von Tritenheims finden lassen. Vor allem nachdem Gronsfeld im Schlüsselsystem Wörter durch Zahlengruppen ersetzte, um so eine Anwendungstechnik zu finden, die den Vorteil hatte, das substitutive System in gewisser Hinsicht mit dem transpositiven zu kombinieren, war das polialphabetische Schlüsselsystem in den protestantischen Ländern Norddeutschlands stark verbreitet. Noch Friedrich der Große benutzte es, um mit Ferdinand von Braunschweig zu korrespondieren. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß in der Zeit des 30jährigen Krieges die großen Sprachenunterschiede zwischen den Völkern in ganz Mitteleuropa ein großes Hindernis für eine homogene Entwicklung der Kryptographie bildeten. Während die polialphabetischen Systeme mit freier Substitution hauptsächlich in den Kanzleien der romanischen Länder benutzt wurden, erhielten die Schlüsselsysteme den Vorzug bei Privatleuten, beim Militär, bei Wirtschafts- und Finanzverbänden, und sie wurden lange Zeit für unangreifbar gehalten, bis in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der preußische Offizier F. W. Kasiski ein wirksames System zur Berechnung der Schlüssellänge vorschlug. Er hatte untersucht, inwiefern sich im verschlüsselten Text Bigramme und Trigramme finden lassen, die sich wiederholen, und wie es möglich sei, daß sich im Intervall zwischen diesen, in Buchstaben gerechnet, der Schlüssel eine gewisse Anzahl von Malen wiederholen kann. Wenn sich also mehrere Wiederholungen des Phänomens finden lassen, so ist die Länge des Schlüssels gleich dem gemeinsamen Teiler der Intervallängen. Wenn die Länge des Schlüssels bekannt ist, weiß man auch, daß er nach einer bestimmten Gruppe von Zeichen erneut beginnt und daß somit der erste Buchstabe der neuen Gruppe der gleiche sein wird wie der erste der vorhergehenden Gruppe und der nachfolgenden Gruppen. Aus der Überlegung, daß dies für jedes

145. Kryptographie

Element aller im chiffrierten Text vorkommenden Gruppen gilt, folgt, daß man damit verfahren kann, wie wenn man es mit einer einfachen Substitution zu tun hätte. Im Vergleich mit der praktischen und einfachen Handhabung der polialphabetischen Schlüsselsysteme ⫺ auch für wenig erfahrenes Personal ⫺ mußten die Systeme mit freier Substitution, welche große Umsicht, Zeit und Geduld von den Chiffreuren verlangten, auch wegen des inzwischen erheblichen Umfangs der Listen von Repertoire-Wörtern (mehr als 400 Vokabeln), wenn auch als sicher, so doch als kompliziert erscheinen. Man bedenke in diesem Zusammenhang, daß einige Botschaften Ludwig XIV. und Louvois erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts von Bazeries entschlüsselt worden sind. Obwohl in Deutschland die Arbeiten von Kasiski und anderen bemerkenswerten Autoren und in England das erwähnte Traktat von Davys erscheinen, stellt das 18. Jahrhundert eine kritische Phase der Kryptographie dar. Es ist nicht auszuschließen, daß der Grund dafür zum einen im ökonomischen Fortschritt und in den politischen Veränderungen liegt, die verstärkt den Rückgriff auf verschlüsselte Schriften und damit auch auf wenig ausgebildetes Personal notwendig und bisweilen zwingend werden lassen, zum anderen in einer noch nicht klaren Vorstellung über einen angemessenen Gebrauch der verschiedenen Systeme unter jeweils verschiedenen Umständen. 2.4. Repertoirekodes Tatsache ist, daß für militärische, wirtschaftliche und private Zwecke der Rückgriff auf polialphabetische Schlüsselsysteme ständig zunimmt ⫺ auch Mirabeau machte Gebrauch davon ⫺, während auf politischem und diplomatischem Gebiet ein immer größeres Interesse an jenem Teil der polialphabetischen Systeme mit freier Auswahl zu verzeichnen war, der aus Repertoirevokabeln und Sätzen bestand. Derartige Repertoires waren inzwischen so reichhaltig, daß es fast selbstverständlich wurde, nur sie zu verwenden, während man die Substitution von Buchstaben, Bigrammen, Trigrammen und Silben vernachlässigte. So entstehen die ersten Kodes, auch Wörterbücher genannt, und die „Chiffriertafeln“. Während der französischen Revolution und in der napoleonischen Epoche gibt es fast überall in Europa die ersten Exemplare der letzteren. Diese Zeit stellt auch eine besonders kritische Phase in der Krypto-

1615 graphietechnik der militärischen Verbände dar, zumal die vom französischen Kaiser chiffrierten Botschaften regelmäßig von den Gegnern entschlüsselt wurden. Wie bereits erwähnt wurde, werden in jenen Jahren in den Kodes ganze Wörter oder auch ganze Sätze mit Gruppen von Nummern, von drei bis fünf, ersetzt, und es wird notwendig, die einen und die anderen in Büchern oder zumindest in Mappen nach Art der Register zu sammeln, wenn nicht gar auf besonderen Tafeln. In der Tat läßt sich dabei an vereinfachende Elemente denken, die, auf Tafeln gesammelt, Wörter in Silben, Bigramme, Trigramme und einfache Buchstaben zerlegen und wie die Quadrate von Vige`nre zu gebrauchen sind, oder an richtige Bücher, in denen ganze Wörter oder Sätze gesammelt werden. Letztere waren die gebräuchlichsten, auch weil es, vor allem für weniger geschultes Personal, leichter war, in ihnen nachzuschlagen, trotz des großen Nachteils, der sich aus ihrem Verlust oder ihrer Entwendung ergeben konnte. Die ältesten Sammlungen bestehen aus Wortlisten in alphabetischer Reihenfolge, denen Zahlengruppen in progressiver Reihung zugeordnet sind. Deren Nachteile sind klar, da dem ersten Buchstaben eine niedrigere und dem letzten eine höhere Zahl entspricht, was den Versuch einer Entschlüsselung sehr erleichtert. Also dachte man daran, mit sogenannten umgekehrten Kodes Abhilfe zu schaffen, in denen einer Wortliste in alphabetische Reihenfolge eine nicht progressive Zahlenreihe zugeordnet ist, unterstützt von einem Register, in welchem den diesmal in progressiver Folge stehenden Zahlen die notwendigerweise nicht alphabetisch geordnete Wortliste gegenübersteht. Allgemein bestanden in den neuerdings am häufigsten benutzten Kodes die Chiffriergruppen aus Gründen der telegrafischen Übertragungsökonomie aus fünf Ziffern (Berechnung von Gruppen bei nicht mehr als fünf Symbolen). Vor allem im Bereich der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen wurden auch die „paginierten“ Kodes benutzt, in denen die Chiffriergruppen aus der Verbindung einer ersten, die Seitenzahl des Kodes betreffenden Gruppe mit einer zweiten, die dem eigentlichen Kode zugeordnet war, resultierten. Die erste Gruppe konnte hermetischer gestaltet werden, mit verschiedenen Systemen, z. B. mit einer weiteren Chiffrierung (Überchiffrierung).

1616

X. Sonderschriften

Man kann sagen, daß die Kodes die kryptographische Landschaft des 19. sowie der ersten Hälfte des gegenwärtigen Jahrhunderts weitgehend beherrschten, auch wenn es an Versuchen, die verschiedenen transpositiven und substitutiven Verfahren zu perfektionieren, nicht gemangelt hat. Vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erwachte das Interesse an Studien über die gebräuchlichsten Systeme dieses Typs wieder. Auf dem Feld der polyalphabetischen Schlüsselsysteme wurden zuerst vom Admiral Beaufort und dann von verschiedenen anderen französischen Autoren Auswege vorgeschlagen, um die Nachteile der Methode von Vige`nre zu überwinden, die auf die periodische Wiederholung des Schlüssels und auf die Anordnung der Alphabete zurückzuführen waren. Man dachte an unzusammenhängende, unverständliche und unbestimmte Schlüssel und sogar daran, als Schlüssel den Klartext selbst zu verwenden. Im Bereich der transpositiven Systeme sind vor allem die Studien von De Viaris, Baudoin, Deltheil und, die Gittersysteme betreffend, von L. Sacco in Erinnerung zu behalten.

3.2. Chiffriermaschinen Die eigentlichen Chiffriermaschinen wurden in Schweden von den Gebrüdern Damm entworfen und dann in verschiedene Typen, sowohl mechanische als auch elektromechanische, weiterentwickelt, wie die Burg oder die Enigma, die alle einen hohen kryptographischen Wert besitzen, da die Substitution in ihnen ohne jede Periodizität und mit völlig unabhängigen Alphabeten erfolgte. Um die mit diesen Maschinen erreichbare Geheimhaltung zu verbessern, wurden während des 2. Weltkrieges elektronische Geräte eingesetzt, die in gewisser Weise als Vorläufer der modernen Rechner bezeichnet werden können. Die Entwicklung der modernen Kryptographie ist auf diese Weise eng mit der Informatik verbunden, während die manuellen Systeme inzwischen der Geschichte angehören. Auch die Untersuchungen von Claude Shannon, der als Vater der Informationstheorie gilt, hatten einen ihrer Ursprünge in der Kryptographie.

4. 3.

Chiffriergeräte und Chiffriermaschinen

3.1. Chiffriergeräte Schon die Scytala der Spartaner war ein rudimentäres Chiffriergerät, doch wurden diese vor allem im 16. Jahrhundert entwickelt, nachdem G. B. Della Porta seinen Chiffrierstab vorgeschlagen hatte, mit dem er in der Lage war, sowohl die monoalphabetischen als auch die polialphabetischen Systeme zu benutzen. Das Gerät bestand in seiner am weitesten entwickelten Form aus zwei Stäben oder zwei konzentrischen, gegeneinander verschiebbaren oder drehbaren Kreisen: Auf dem einen war das gewöhnliche Alphabet eingezeichnet, auf dem anderen ein nach einer getroffenen Konvention verschobenes Alphabet. Später, im 19. Jahrhundert, kamen die Geräte von Bazeries und Ducros in Mode. Sie waren komplexer und bestanden aus Ringen, die sich um eine Achse drehen ließen oder aus kreisförmigen konzentrischen Kronen wie die von Vogel, die ebenfalls drehbar waren.

Literatur

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Giorgio Costamagna, Genna (Italien)

146. Blindenschrift (Braille)

1617

146. Blindenschrift (Braille) 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Die Braille-Schrift Schreib- und Druckgeräte Literaturangebot Braille-Schrift international Sondercodes Literatur

In der Zeit zwischen 1700 und 1850 wurden zahlreiche Versuche unternommen, für blinde Menschen wenigstens eine Leseschrift zu schaffen (meist tastbares Relief der lateinischen Majuskeln). Da ihnen mit einer einzigen Ausnahme kein Erfolg beschieden war, kann sich die folgende Darstellung auf das Konzept des damals 16-jährigen Louis Braille beschränken.

1.

Die Braille-Schrift

Wäre sie nicht schon 1825 erfunden worden, könnte sie heute als moderner 6-Bit-Code Verbreitung finden. Das „Bit“ ist ein ertastbarer Punkt, wovon 6 im Rechteckt (2 neben-, 3 übereinander) angeordnet sind. Numeriert werden sie von oben nach unten in der linken Spalte von 1 bis 3, in der rechten von 4 bis 6. (Dies ohne grundsätzliche Bedeutung, lediglich um eine Verständigung zu erleichtern.) Für jeden der 6 Plätze gibt es die 2 Möglichkeiten: Dort wird ein Punkt geprägt, („1“) oder der Platz bleibt leer („0“). Daraus ergeben sich 26 ⫽ 64 Möglichkeiten, Zeichen zu bilden. Dieser (verglichen mit der Normalschrift) sehr kleine Zeichenvorrat reicht aus (im Deutschen) für 30 Buchstaben (einschließlich ä, ö, ü, ß), 11 Interpunktionszeichen und 22 Hilfszeichen für sehr unterschiedliche Aufgaben. 1.2. Die scheinbar fehlenden Ziffern werden durch die Buchstaben a […] j wiedergegeben (1 durch a, […] 9 durch i, 0 durch j). Diese Bedeutung erhalten sie durch das jeder Zahl vorangestellte Zahlzeichen (Punkte 3, 4, 5, 6; siehe dazu Abb. 146.1). 1.3. Als zweites Manko erscheint das Fehlen der Großbuchstaben. Für Fälle, in denen die Großschreibung wichtig ist, hat man Hilfszeichen definiert, die anzeigen, welche der folgenden Buchstaben Großbuchstaben sind. Für die deutsche Sprache gilt das Zeichen „Punkte 4, 6“ nur für den unmittelbar folgen-

den Buchstaben (z. B. vor einem Eigennamen), das Zeichen „Punkte 4,5“ für alle unmittelbar aufeinander folgenden Zeichen (z. B. bei Abkürzungen wie „BUND“). Wo Kleinbuchstaben (z. B. unmittelbar nach Zahlen) besonders gekennzeichnet werden müssen, steht „Punkt 6“ zur Verfügung. Regelungen dieser Art sind für die einzelnen Sprachen unterschiedlich. Wollte man einen deutschen Text gemäß dieser Festlegung den Großschreibregeln entsprechend korrekt in Braille-Schrift wiedergeben, müßte man vor jedes Substantiv, jeden Namen und jeden Satzanfang das erstgenannte Großschreibzeichen setzen. Man verzichtet darauf, seit die Braille-Schrift um 1860 in Deutschland eingeführt wurde. Ob der zusätzliche Platzbedarf der einzige oder wenigstens ein wichtiger Grund war, ist nicht bekannt. Jedenfalls wurde in reichlich 100 Jahren gedruckter Braille-Schrift nie ernstlich das Fehlen der Großschreibung beim Lesen als Mangel empfunden. Lediglich bei der Beschulung blinder Kinder, von denen man verlangt, daß sie die fehlerfreie Bedienung von Normalschreibmaschinen erlernen, sind die Großschreibregeln eine zusätzliche Aufgabe. 1.4. Das einzelne Braille-Zeichen besteht (siehe 1.1) aus mehreren benachbarten erhabenen Punkten, die ertastet werden müssen. Ihr gegenseitiger Abstand wird somit durch das Auflösungsvermögen der Tastsensoren in den Fingerkuppen nach unten begrenzt und liegt normalerweise zwischen 2,5 und 2,7 mm (Punktmitte zu Punktmitte). Daraus ergibt sich ein Mittenabstand für aufeinanderfolgende Buchstaben von 6 bis 7 mm und ein Mittenabstand benachbarter Zeilen von 9,5 bis 11 mm. Dies bedeutet, daß an Stelle der rund 2000 Buchstaben (Anschläge), die man mit einer Normalschreibmaschine auf einer DIN-A-4-Seite unterbringt, nur ca. 700 Braillezeichen (Anschläge) auf die gleiche Fläche passen. Man benutzt daher für Braille-Druck-Bücher (in Deutschland) vorzugsweise das größere Format 34 ⫻ 27 cm, das aber auch nur ca. 1000 Braille-Zeichen (Anschläge) faßt. Hinzu kommt, daß der Braille-Punkt 0,4 bis 0,5 mm hoch sein sollte, um ein bequemes Lesen zu ermöglichen, und das Papier, um eine gute Haltbarkeit der Punkte zu gewährleisten, ca. 0,15 mm dick sein sollte. Ein einseitig beschriebenes Blatt

1618

X. Sonderschriften

Abb. 146.1: Das Braille-Schrift-Alphabet für die deutsche Sprache

wird also 0,6 mm, ein beidseitig bedrucktes Blatt etwa 1 mm dick. Braille-Bücher werden somit sehr voluminös, z. B. füllt „Der Große Duden“, ein im Normaldruck durchaus handliches Buch, in Braille-Schrift 22 Bände, je etwa 35 ⫻ 28 ⫻ 8 cm groß. Man darf daraus schließen, daß Braille-Druck-Bücher nicht nur wegen ihres vergleichsweise hohen Preises, sondern auch wegen ihres Stellraum-

bedarfs relativ kleinen Absatz finden und daher nur in recht kleiner Auflage gedruckt werden. Gleichwohl hat die Braille-Schrift blinden Menschen ein Tor zur Bildung und zu höheren Berufen eröffnet. 1.5. Etwas gemildert wird dieses Problem durch die Verwendung einer Kurzschrift, wie man sie in Frankreich, Großbritannien und

146. Blindenschrift (Braille)

Deutschland schon sehr früh (um 1880⫺ 1890) eingeführt hat. Dabei werden häufige Lautgruppen und die häufigsten Wörter durch einzelne charakteristische Zeichen wiedergegeben (z. B. das durch d, über durch ü, „der“ durch r) und weniger häufige Wörter durch zwei Buchstaben gekürzt (z. B. Zeit durch zt, Sprach durch sp, Herr durch rr). Die Deutsche Blindenkurzschrift wurde erstmalig nach etwa 20-jährigem Gebrauch (1905), zum zweiten Mal in den Jahren 1963⫺1971 gründlich überarbeitet, erweitert und verbessert. In ihrer derzeitigen Form spart sie gegenüber der 1-zu-1-Schrift (die also keinerlei Kürzungen verwendet) etwa 45 von 100 zu schreibenden Zeichen. Bezieht man die Wortabstände und Satzzeichen mit ein, so reduziert sich der Raumgewinn auf ca. 35%. Das Problem der „Voluminosität“ der Braille-Schrift wird dadurch zwar spürbar gemildert, aber nicht gelöst. Ein echter Gewinn ist jedoch die erzielte Erhöhung von Leseund Schreibgeschwindigkeit. Eine Lösung des Platzproblems verspricht die EDV-Technik. Einerseits läßt sich ebenso wie normale (Druck-)Schrift auch BrailleSchrift auf Datenträgern (Floppy-Disk, CDRom, Magnetband u. a.) speichern, andererseits kann ein Computer in Realzeit normalen Text in Blindenkurzschrift umsetzen. Sobald ein (preisgünstiges) „Braille-Schrift-Lesegerät“ zur Verfügung steht, ein Apparat also, der digitalisierte Texte in Braille-Kurzschrift umsetzt und in tastbarer Form ausgibt, werden blinde Menschen einen Zugang zur Literatur haben, der sich dem der sehenden rapide annähern wird.

2.

Schreib- und Druckgeräte

2.1. Ein Analogon zum „Bleistift“ des Sehenden gibt es für die Braille-Schrift nicht und damit auch keine echte Entsprechung zur Handschrift. Die Lesbarkeit der BrailleSchrift hängt in sehr hohem Maße von einer korrekten Anordnung der 6 Punkte innerhalb der Braille-Zelle und einer korrekten Plazierung der Zeichen in der Zelle ab. Daher sind mechanische Hilfen, die beides gewährleisten, unverzichtbar. Die Schreibtafel geht auf Louis Braille zurück; sie war Voraussetzung für die Nutzung seiner genialen Idee und ist noch heute als leichtes, handliches und billiges Schreibgerät in Verwendung. Sie besteht in ihrer gebräuchlichsten Form, der „Taschentafel“, aus 2 we-

1619 nig mehr als postkartengroßen Platten aus Leichtmetall oder Kunststoff, die durch ein Scharnier miteinander verbunden sind (siehe

Abb. 146.2: Schreibtafel für DIN-A-4-Blätter (Herst. Deutsche Blindenstudienanstalt, Marburg)

Abb. 146.2). Die eine, die obere Platte, ist ein Gitter, das in 8 oder 9 Reihen meist 21 kleine „Fenster“ von der Größe der Braille-Zeichen hat. Die untere Platte hat auf ihrer Oberseite im Feld eines jeden dieser Fenster 6 Grübchen von etwa 0,5 mm Tiefe. Zwischen die beiden Platten wird ein hinreichend kräftiges Papier (siehe 1.4) gelegt, und mit dem „Griffel“, einem handlichen Körper aus Holz oder Kunststoff, mit einer etwa 1,5 mm dicken Nadel, deren Spitze „gerundet“ ist, werden an der Stelle der Grübchen Punkte ins Papier geprägt. Der große Nachteil dieses sehr einfachen Schreibgeräts besteht darin, daß man die geprägten Punkte, solange man schreibt, nicht fühlen und somit das Geschriebene nicht unmittelbar kontrollieren kann. Der zweite Nachteil, der von Lernenden meist als Erschwerung empfunden wird, ist der Umstand, daß man Spiegelschrift (rechts und links vertauscht) und diese von rechts nach links schreiben muß. Das so beschriebene Blatt wendet man und liest die jetzt erhabenen Zeichen wie üblich von links nach rechts. Für „stationären Gebrauch“ stehen auch größere Tafeln zur Verfügung, z. B. für DINA-4-Blätter mit 27 Zeilen zu 30 Formen. Auch einzeilige „Täfelchen“ für Etikettierstreifen (z. B. Dymo-Band) und eine Spezialausführung für Etiketten von Tonbandkassetten werden angeboten. 2.2. Bequemeres Schreiben der Punktschrift ist mit Maschinen möglich. 1899 konzipierte der Blindenlehrer Oskar Picht eine solche

1620

X. Sonderschriften

Marburger Bogenmaschine einsatzbereit (hier: Modell mit Zeilenschaltung durch Folien ⫺ statt Gummiwalze)

쎻 A 쎻 B 쎻 C

Walzendrehknopf / Holzwalze (Unterwalze) Metallklappe in der Holzwalze zum Festklemmen des Bogens Metallwalze (Oberwalze) und Folie

쎻 D Randstellerschiene 쎻 E Anfangsrandsteller 쎻 F Schlußrandsteller 쎻 G Lesetisch 쎻 H Rücktaste 쎻 I Freilauftaste 쎻 T1 ⫺쎻 T6 Tasten für die Braille-

Für einseitiges Beschreiben von Blindenschriftpapierbogen nach dem 6-Punkt-Braille-System Daten Format: Bogenformate bis zu 27 ⫻ 34 cm Zeichenabstand: 6,07 mm Zeilenabstand: 10,8 mm Abmessungen: Maschine 375 ⫻ 330 ⫻ 125 mm Koffer 400 ⫻ 350 ⫻ 155 mm Gewicht: Maschine 3,9 kg Maschine mit Koffer 5,8 kg

Funktionsweise: Der Papierbogen wird auf der Holzwalze A (Unterwalze) mit Hilfe der Metallklappe B eingeklemmt und aufgerollt. Danach kann er durch Drehen der Gummiwalze (Oberwalze) bzw. durch die Folie auf der Metallwalze C (Oberwalze) Zeile für Zeile abgewickelt und beschrieben werden. Ist der Bogen ganz abgewickelt, wird die Metallklappe geöffnet und das Papier entnommen.

Punkte 1⫺6

쎻 T0 Leertaste 쎻 K Luftdämpfung 쎻 L Randlöser 쎻 M Streifenklammern Abb. 146.3a: Braille-Schrift-Schreibmaschine ⫺ Picht’sches Modell, gefertigt um 1980 bei der Deutschen Blindenstudienanstalt

1621

146. Blindenschrift (Braille)

schen befindliche Papier das gewünschte Zeichen prägen (siehe Abb. 146.3).

Abb. 146.3b: Eine Neuentwicklung nach 1980 mit der Besonderheit, daß das zu beschriftende Papier ⫺ ebenso wie bei der Normalschreibmaschine ⫺ durch die Maschine läuft, während es bei den früheren Modellen zunächst auf eine Walze gewickelt wird, die es dann beim Schreiben Zeile um Zeile freigibt

2.3. Für den echten Buchdruck ist es notwendig, Blechplatten zu beschreiben (in der Regel reines Zinkblech; doch werden gelegentlich auch Aluminium und Hart-PVC verwendet). Dabei werden 28 ⫻ 68 cm große (und im Falle von Metall 0,1 mm dicke) Platten auf die Hälfte (34 ⫻ 28 cm) gefaltet und in dieser Form mit einer sogenannten Punziermaschine beschrieben. Es ist möglich, sie von beiden Seiten so zu prägen, daß die Punkte der Rückseite zwischen die der Vorderseite gelangen (sogenannter Zwischenpunktdruck). Alsdann werden die Platten aufgeklappt und in eine Flachbett-Tiegelpresse gespannt. Papierbögen entsprechender Größe werden dazwischengelegt und in einem Arbeitsgang von etwa einer Sekunde beprägt. (In der Regel werden gleich Doppelblätter bedruckt, die sich leichter im Buch binden lassen). Bei Druckauflagen von einigen hundert bis mehreren tausend (was bei einzelnen Zeitschriften vorkommt) schneidet man die Druckplatten auseinander und spannt sie auf die Walzen einer Rotationspresse, zwischen denen Papier von einer großen Rolle hindurchläuft und schneller und bequemer als bei der Tiegelpresse bedruckt wird Abb. 146.4).

Abb. 146.3c: Eine Parallelentwicklung zur Eurotype, jedoch voll elektrifiziert und elektronisch ansteuerbar

Schreibmaschine, die er 1901 patentieren ließ. Im Laufe der Jahrzehnte wurde sie verbessert und vervollkommnet und hat in den letzten Jahren den gleichen Komfort erreicht wie moderne Normalschreibmaschinen. Sie verfügt über 6 (Schreib-)Tasten, für jeden der 6 Punkte eine. Beim Schreiben eines Zeichens müssen also je nach seiner Konfiguration mehrere der Tasten gleichzeitig niedergedrückt werden. Dabei werden entsprechende Stifte angehoben, die in eine Matrix aus 6 Grübchen stoßen und dabei in das dazwi-

Abb. 146.4: Rotationsdruckpresse für relativ große Auflagen

Der Tiegeldruck wurde schon vor rund hundert Jahren angewandt. Die Rotationspresse indes wurde Mitte dieses Jahrhunderts

1622

X. Sonderschriften

bei der Blindenstudienanstalt (in Marburg) entwickelt, die auch heute noch weltweit der einzige Hersteller dieser Maschine sowie auch der Punziermaschinen ist. Neben dieser Technologie entstehen bei anderen Herstellern elektronisch gesteuerte Schnelldrucker, die auch Papier in Endlosformat verarbeiten und in etwa 6 Sekunden ein Blatt beidseitig bedrucken.

3.

Literaturangebot

Da die Zahl der die Braille-Schrift lesenden Personen relativ klein ist, genügen wenige Druckereien für die Deckung des Bedarfs (in Deutschland sind es 4: in Hannover, Leipzig, Marburg und Paderborn). Ihre Produktion umfaßt eine große Anzahl Zeitschriften unterschiedlichsten Inhalts. (Um einige Beispiele zu nennen: eine Auswahl aus „Das Beste aus Reader’s Digest“, eine technische Zeitschrift „Funk und Elektronik“ [Marburg], „Wissenswertes für Jung und Alt“, religiöse Zeitschriften [Paderborn], eine Rundfunk-Programmzeitschrift [Leipzig], zweiwöchentlich in einer Auflage von 6000 eine Auswahl aus „Die Zeit“ und „Stern“, eine Jugendzeitschrift [Hannover] u. a. m.). Die Buchproduktion deckt den Schulbedarf und bietet Literatur in bescheidenem Umfang aus allen Gebieten. Da, wie oben gezeigt, der Erwerb von Punktdruckbüchern seine Probleme hat, spielen Leihbüchereien eine relativ größere Rolle als für das Normalbuch. Um ihr Angebot erweitern zu können, lassen die Braille-Bibliotheken häufig einzelne Bücher abschreiben.

4.

Braille-Schrift international

Das Braillesche Zeichensystem ist trotz seines beschränkten Zeichenvorrats so flexibel, daß es erfolgreich für fast alle Sprachen der Welt genutzt werden kann. Wo das lateinische Alphabet verwendet wird, stimmen die Buchstaben a […] z überein. Die Braille-Zeichen für ä, ö und ü lassen aber schon keine Beziehung zum Ausgangslaut mehr erkennen. Ebenso stehen im Französischen für die akzentuierten Vokale und c-Cedille besondere Zeichen. Gleiches gilt für n-Tilde und das schwedische O u. a. Das griechische und das kyrillische Alphabet lehnen sich, soweit möglich, an das lateinische an. Wo dies nicht gelingt, wählt man andere Zeichen: z. B. für „Omega“ das (lateinische) W, für das russische „Scha“ das

im Deutschen für „sch“ benutzte Zeichen. In Japan ließ sich das Blindenschriftproblem durch den Zugriff auf Hiragana lösen (→ Art. 121). Seine 51 Zeichen lassen sich leicht mit dem Zeichenvorrat der Braille-Schrift erfassen. In China ist die Blindenschrift eine Lautschrift. Es war (und ist es noch) ein wichtiges Programm der UNESCO, die Sprachen der Welt zu alphabetisieren und ihnen dann auch eine Blindenschrift zu geben. Inwieweit dies gelungen ist, weist das Buch „World Braille Usage“ aus (UNESCO 1990).

5.

Sondercodes

Bei den 63 Zeichen, die sich mit 6 Punkten darstellen lassen, ist es zunächst nicht möglich, Musiknoten, mathematische Zusammenhänge, chemische Formeln und anderes Spezialschriftgut wiederzugeben. Die unbedingte Eindeutigkeit einer jeweiligen Übersetzung erfordert für jede dieser Aufgaben einen sorgfältig ausgearbeiteten Spezialcode, was hier nur andeutungsweise skizziert werden kann. 5.1. Die Grundlagen für die Musiknotenschrift wurden bereits von Braille gelegt. Es werden die Noten c […] h durch die Buchstaben d e f g h i j wiedergegeben, die in dieser Form Achtelnoten darstellen. Für Viertelnoten tritt jeweils Punkt 6 hinzu, für halbe der Punkt 3 und für ganze und Sechzehntelnoten, die aus dem Zusammenhang unterschieden werden können, beide Punkte 3 und 6. So wird jede Note durch ein einzelnes Zeichen eindeutig dargestellt. Auch alle übrigen, den musikalischen Ausdruck des Spiels charakterisierenden Zeichen haben ihr Punktschrift-Pendant, so daß der blinde Musiker selbständig „vom Blatt“ spielen kann (was man allerdings nicht wörtlich verstehen darf, da er zum Musizieren stets beide Hände benötigt und somit das jeweilige Musikstück auswendig beherrschen muß). Notenliteratur ist in großem Umfang verfügbar, doch nie ausreichend. Es wird daher sehr begrüßt, daß eine automatische Übersetzung von Noten in Punktschrift schon weitgehend möglich ist. 5.2. Ähnlich, wenn auch wegen der immensen Zeichenvielfalt um einiges schwieriger, liegen die Dinge bei der Darstellung mathematischer Zusammenhänge. Eine erste Forderung ist hier, die nebeneinander benutzten

1623

147. Fingeralphabete, Manualsysteme und Gebärdensprachschriften

Alphabete eindeutig zu kennzeichnen. Ein zweites Problem besteht darin, die generell zweidimensionale Darstellungsweise in die eine Dimension der Braille-Zeile zu „projizieren“. Dies geschieht beispielsweise dadurch, daß man einen unteren Index oder einen Exponenten je durch ein besonderes Zeichen „ankündigt“ und dann „in gleicher Höhe“ wie das Hauptsymbol schreibt. Durch ein anderes Ankündigungszeichen leitet man den Zähler eines Bruches ein, schreibt dann ein Symbol für den Bruchstrich, anschließend den Nenner und dann das Nenner-Schlußzeichen. Mit einem solchen System sind auch blinde Mathematiker durchaus arbeitsfähig. Unerfreulich ist, daß es nicht gelang, eine welteinheitliche Mathematikschrift zu realisieren, wie sie für Sehende selbstverständlich ist. 5.3. Vor etwa 20 Jahren tat sich die Möglichkeit auf, daß auch blinde Personen mit Computern arbeiten können. Der Schlüssel dazu waren und sind (in Deutschland) „BrailleZeilen“, bei denen elektromagnetisch oder piezoelektrisch angehobene Stifte die „Punkte“ realisieren. Sie machen es möglich, (je nach Länge) auf dem Bildschirm stehenden Text (halb)zeilenweise abzurufen und zu lesen. Da dafür eine 1:1-Zuordnung gefordert wurde, mußten die Ziffern neu definiert werden: wieder die Buchstaben a bis i, jedoch mit Punkt 6 versehen, also die Zeichen aus der 4. Zeile (in Bild 1.1) und für 0 das ie-Zeichen. Die Zeichen für die Umlaute mußten doppelt belegt werden. Beides ist gewöhnungsbedürftig, hat sich aber bewährt. Dennoch verlangte der später erfolgte Übergang zum 8-Bit-AS-

CII-Code und damit zu 256 Zeichen eine Erweiterung der Braille-Zeilen um 2 Punkte: Punkte 7 und 8 unter den Punkten 3 und 6. Die Lesbarkeit wird als weniger angenehm empfunden, ist auch gewöhnungsbedürftig. Im Gefolge davon wurden Mathematikschriftsysteme auf 8-Punkte-Basis entworfen. (Ergänzend sei hier vermerkt, daß in den 40er Jahren eine 8-Punkte-Stenografie entworfen wurde, die mit einem dafür entwickelten 8Punkte-Streifenschreiber geschrieben werden konnte, was Blinden u. a. die Arbeit als Gerichtsstenografen ermöglichte. Ferner war vor geraumer Zeit auch eine 8-Punkte Notenschrift in Spanien in Gebrauch.) 5.4. Ein in Deutschland entwickeltes und in einigen Büchern sowie der (unter 3) erwähnten Zeitschrift „Funk und Elektronik“ benutztes Verfahren, Schaltdiagramme wiederzugeben, besteht in einer quasi-verbalen Beschreibung, wobei jedoch für Bauelemente, deren Verbindung und ggf. Koppelung spezifische Kurzsymbole verwendet werden, was einer raumsparenden Transformation der zweidimensionalen Normaldruckdarstellung in eine eindimensionale Braille-Schrift-Version entspricht.

6.

Literatur

Mell, Alexander. 1900. Encyclopädisches Handbuch des Blindenwesens. Wien. Scholler, H. 1990. Enzyklopädie des Blinden- und Sehbehindertenwesens. Heidelberg. UNESCO. 1990. World Braille Usage. Paris.

Karl Britz, Marburg (Deutschland)

147. Fingeralphabete, Manualsysteme und Gebärdensprachschriften 1. 2. 3.

Manualsysteme Gebärdensprache und ihre Verschriftlichung Literatur

1.

Manualsysteme

1.1.1. Fingeralphabete sind schriftorientierte Fingerzeichensysteme, die wie z. B. das deutsche Fingeralphabet (Abb. 147.1) zumeist einhändig ausgeführt werden. Es gibt jedoch auch zweihändige Versionen wie z. B. das englische Fingeralphabet (Abb. 147.2). Bei

diesen graphembestimmten Manualsystemen wird jeder Buchstabe des Alphabets durch eine bestimmte Handform wiedergegeben, die zumeist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Buchstaben aufweist. Auf diese Weise lassen sich alle laut- und schriftsprachlichen Äußerungen in die Luft fingern (fingerspelling). Bis heute haben sich in vielen Ländern eigene Fingeralphabete herausgebildet, die sich jedoch z. T. stark ähneln. Das deutsche Fingeralphabet ist mit dem amerikanischen fast identisch und steht dem inter-

1623

147. Fingeralphabete, Manualsysteme und Gebärdensprachschriften

Alphabete eindeutig zu kennzeichnen. Ein zweites Problem besteht darin, die generell zweidimensionale Darstellungsweise in die eine Dimension der Braille-Zeile zu „projizieren“. Dies geschieht beispielsweise dadurch, daß man einen unteren Index oder einen Exponenten je durch ein besonderes Zeichen „ankündigt“ und dann „in gleicher Höhe“ wie das Hauptsymbol schreibt. Durch ein anderes Ankündigungszeichen leitet man den Zähler eines Bruches ein, schreibt dann ein Symbol für den Bruchstrich, anschließend den Nenner und dann das Nenner-Schlußzeichen. Mit einem solchen System sind auch blinde Mathematiker durchaus arbeitsfähig. Unerfreulich ist, daß es nicht gelang, eine welteinheitliche Mathematikschrift zu realisieren, wie sie für Sehende selbstverständlich ist. 5.3. Vor etwa 20 Jahren tat sich die Möglichkeit auf, daß auch blinde Personen mit Computern arbeiten können. Der Schlüssel dazu waren und sind (in Deutschland) „BrailleZeilen“, bei denen elektromagnetisch oder piezoelektrisch angehobene Stifte die „Punkte“ realisieren. Sie machen es möglich, (je nach Länge) auf dem Bildschirm stehenden Text (halb)zeilenweise abzurufen und zu lesen. Da dafür eine 1:1-Zuordnung gefordert wurde, mußten die Ziffern neu definiert werden: wieder die Buchstaben a bis i, jedoch mit Punkt 6 versehen, also die Zeichen aus der 4. Zeile (in Bild 1.1) und für 0 das ie-Zeichen. Die Zeichen für die Umlaute mußten doppelt belegt werden. Beides ist gewöhnungsbedürftig, hat sich aber bewährt. Dennoch verlangte der später erfolgte Übergang zum 8-Bit-AS-

CII-Code und damit zu 256 Zeichen eine Erweiterung der Braille-Zeilen um 2 Punkte: Punkte 7 und 8 unter den Punkten 3 und 6. Die Lesbarkeit wird als weniger angenehm empfunden, ist auch gewöhnungsbedürftig. Im Gefolge davon wurden Mathematikschriftsysteme auf 8-Punkte-Basis entworfen. (Ergänzend sei hier vermerkt, daß in den 40er Jahren eine 8-Punkte-Stenografie entworfen wurde, die mit einem dafür entwickelten 8Punkte-Streifenschreiber geschrieben werden konnte, was Blinden u. a. die Arbeit als Gerichtsstenografen ermöglichte. Ferner war vor geraumer Zeit auch eine 8-Punkte Notenschrift in Spanien in Gebrauch.) 5.4. Ein in Deutschland entwickeltes und in einigen Büchern sowie der (unter 3) erwähnten Zeitschrift „Funk und Elektronik“ benutztes Verfahren, Schaltdiagramme wiederzugeben, besteht in einer quasi-verbalen Beschreibung, wobei jedoch für Bauelemente, deren Verbindung und ggf. Koppelung spezifische Kurzsymbole verwendet werden, was einer raumsparenden Transformation der zweidimensionalen Normaldruckdarstellung in eine eindimensionale Braille-Schrift-Version entspricht.

6.

Literatur

Mell, Alexander. 1900. Encyclopädisches Handbuch des Blindenwesens. Wien. Scholler, H. 1990. Enzyklopädie des Blinden- und Sehbehindertenwesens. Heidelberg. UNESCO. 1990. World Braille Usage. Paris.

Karl Britz, Marburg (Deutschland)

147. Fingeralphabete, Manualsysteme und Gebärdensprachschriften 1. 2. 3.

Manualsysteme Gebärdensprache und ihre Verschriftlichung Literatur

1.

Manualsysteme

1.1.1. Fingeralphabete sind schriftorientierte Fingerzeichensysteme, die wie z. B. das deutsche Fingeralphabet (Abb. 147.1) zumeist einhändig ausgeführt werden. Es gibt jedoch auch zweihändige Versionen wie z. B. das englische Fingeralphabet (Abb. 147.2). Bei

diesen graphembestimmten Manualsystemen wird jeder Buchstabe des Alphabets durch eine bestimmte Handform wiedergegeben, die zumeist eine gewisse Ähnlichkeit mit dem entsprechenden Buchstaben aufweist. Auf diese Weise lassen sich alle laut- und schriftsprachlichen Äußerungen in die Luft fingern (fingerspelling). Bis heute haben sich in vielen Ländern eigene Fingeralphabete herausgebildet, die sich jedoch z. T. stark ähneln. Das deutsche Fingeralphabet ist mit dem amerikanischen fast identisch und steht dem inter-

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X. Sonderschriften

nationalen Fingeralphabet sehr nahe. Prinzipiell ist das Fingeralphabet anderen ebenfalls von der Schrift abgeleiteten Symbolsystemen wie dem Morsealphabet oder der Brailleschrift (→ Art. 146) vergleichbar. Es benötigt jedoch keinerlei zusätzliche Hilfsmittel für seine Realisierung. Die Darbietungsgeschwindigkeit des Fingeralphabets ist mit maximal 60 Wörtern pro Minute im Vergleich zur gesprochenen Sprache (100⫺150 Wörter pro Minute) nur ungefähr halb so schnell. Diese Methode der Sprachvisualisierung ist schon jahrhundertelang bekannt. Sie wurde mit abnehmender Tendenz von der Gehörlosenpädagogik in vielen Ländern als methodisches Mittel zum Sprachaufbau eingesetzt, z. B. in der UdSSR und Osteuropa als Daktylologie oder in den USA als Rochester-Methode.

Abb. 147.1: Deutsches Fingeralphabet

Abb. 147.2: Englisches Fingeralphabet

1.1.2. Das graphembestimmte Manualsystem muß dabei jedoch von dem phonembestimmten Manualsystem unterschieden werden, das zur Visualisierung von Sprechlauten beim Artikulationsunterricht für Gehörlose angewendet wird, indem die Bildung der einzelnen Laute mittels spezieller bewegter Handzeichen unterstützt wird. In dem phonembestimmten Manualsystem nach Schulte (1974) werden z. B. durch 20 Handzeichen für Konsonanten und 9 für Vokale die für die deutsche Sprache erforderlichen Bildungs- und Verlaufskriterien vermittelt (Abb. 147.3). Das Mundhandsystem von Forchhammer und das Cued Speech System von Cornett sind mehr als Hilfe für das Ablesen der Wörter vom Mund gedacht und können nur bedingt als Artikulationshilfe fungieren. Ebenfalls darf das Fingeralphabet nicht mit der Gebärdensprache Gehörloser verwechselt werden (vgl. 2.1). 1.2.1. Die historische Entwicklung des Fingeralphabets reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Es wird überliefert, daß Pedro Ponce de Leon (1520⫺1584) als erster das Fingeralphabet eingeführt hat. Dieses Fingeralphabet findet sich erstmalig abgedruckt in Bonets Lehrwerk zur Sprecherziehung Gehörloser, das 1620 in Madrid erschien (Abb. 147.4). Nach Bonets Ansicht geht dieses Fingeralphabet auf die Form der lateinischen Druckbuchstaben zurück, die er wiederum durch die jeweilige Mundstellung beim Arti-

147. Fingeralphabete, Manualsysteme und Gebärdensprachschriften

1625

Abb. 147.3: Phonembestimmtes Manualsystem (nach Schulte 1974)

kulieren der Laute motiviert sieht. So meint er z. B., der Buchstabe A stelle in liegender Position den geöffneten Mund dar. Viele der Handformen ähneln den durch sie bezeichneten Buchstaben, besonders C, H, I, M, N, O, V, Z. Auf dieses Fingeralphabet gehen die meisten der heute gebräuchlichen einhändigen Fingeralphabete zurück. Es gelangte Mitte des 18. Jahrhunderts durch Pereire nach Frankreich und von dort 1826 in die USA.

Abb. 147.4: Fingeralphabet nach Bonet (1620)

1.2.2. Das in Groß-Britannien und mehreren Commonwealth-Ländern gebräuchliche zweihändige Fingeralphabet ist in seinem Ursprung weniger klar. Zwar berichtet John Bulwer, der sich als erster Engländer mit der Gebärdensprache befaßt hat, schon Mitte des 17. Jahrhunderts von einem zweihändigen Fingeralphabet, bei dem mit der einen Hand zur Kennzeichnung einzelner Buchstaben auf bestimmte Glieder der anderen Hand gezeigt wurde, aber erst 1661 wurde dieses System von George Dalgarno, einem schottischen Pädagogen und Philosophen, in seinem Buch „Ars Signorum […]“ abgebildet und erläutert (Abb. 147.5). Die Buchstaben des Alphabets sind den einzelnen Teilen der linken Innenhand zugeordnet. Die für Vokale reservierten Stellen an den Fingerspitzen werden mit dem rechten Zeigefinger, die Konsonantenstellen mit dem rechten Daumen berührt. Zur Einübung dieses Handalphabets wird ein chiffrierter Handschuh empfohlen. Dalgarnos

1626

X. Sonderschriften

Schriftsystem auch das Alphabet eingeführt wurde, ist ebenfalls ein Fingeralphabet entwickelt und eingeführt worden. Viele Gehörlose verwenden es jedoch nicht, sondern schreiben statt dessen die alten chinesischen Schriftzeichen in die Luft oder auf die Handfläche. Aber auch in Deutschland hat das Fingeralphabet erst seit Mitte der 70er Jahre dieses Jahrhunderts aufgrund einer verstärkten Verwendung in der Gehörlosenschule bei Gehörlosen größere Verbreitung gefunden (Jussen & Krüger 1975). Unabhängig davon ist nirgendwo auf der Welt das Fingeralphabet als manuelle Variante der Lautsprache die Sprache der Gehörlosen geworden, sondern eine ganz andere Form der Sprache der Hände: die Gebärdensprache. Abb. 147.5: Handalphabet nach Dalgarno (1661)

2.

Handalphabet fand jedoch kaum Verbreitung. Das zweihändige britische Fingeralphabet ist wohl eher auf den englischen Mathematiker und Gehörlosenpädagogen J. Wallis sowie die anonyme Schrift Digitilingua aus dem Jahre 1698 zurückzuführen. Dort ist ein Fingeralphabet abgebildet, das wie bei Dalgarno die Vokale durch Berühren der Fingerspitzen kennzeichnet. Um die Konsonanten auszudrücken, werden jedoch zweihändige Zeichen gebildet, die besonders bei M, N, Q, R, T, X, Y, Z den Druckbuchstaben ähneln. Wie schnell sich dieses Fingeralphabet durchsetzte, ist schon daran abzulesen, daß 1732 Daniel Defoes Buch Duncan Cambell eine Karte des Fingeralphabets enthielt.

2.1. Die Gebärdensprachen Gehörloser sind nicht an der Laut- oder Schriftsprache ausgerichtet, sondern selbständige Zeichensysteme, die eigenen Gesetzmäßigkeiten folgen und dabei teilweise grundsätzlich andere Wege gehen als Lautsprachen (vgl. Prillwitz 1985; Ebbinghaus & Heßmann 1989; Boyes Braem 1990). Zu ihrem Instrumentarium gehören neben Körperhaltung, Mimik und deiktischer Ausnutzung des Gebärdenraums zwar auch Handzeichen, doch diese Gebärdenzeichen sind ganz anders strukturiert. Sie werden nach Maßgabe der vier Parameter Handform, Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegung gebildet und weisen nur im Ausnahmefall Beziehungen zum Fingeralphabet auf, wenn im Rückgriff auf das Fingeralphabet neue Gebärdenzeichen von Wörtern abgeleitet werden. Vom Fingeralphabet beeinflußte Lehn-Gebärden werden mit dem Symbol 쒙 gekennzeichnet. Das ursprünglich gefingerte Wort hat sich jedoch im Hinblick auf Handstellung, Ausführungsstelle und Bewegung der Hand und manchmal sogar in der Handformkomponente so stark verändert, daß die Abstammung des Gebärdenzeichens vom Fingeralphabet oftmals kaum noch zu erkennen ist. Beispiele dafür sind: 쒙BUT und 쒙NO in der Amerikanischen Gebärdensprache, 쒙FIN in der Französischen und 쒙ABOUT in der Britischen Gebärdensprache. Darüber hinaus wird das Fingeralphabet zur Ausdifferenzierung von Gebärdenzeichen verwendet, indem die Handform des An-

1.2.3. In Ländern, die die lateinische Buchstabenschrift nicht verwenden, wurde das Fingeralphabetmodell von Bonet teilweise modifiziert. Z. B. wurde im Russischen für den Buchstaben Я die Handform für R genommen, weil Я wie ein gespiegeltes R aussieht. Zum Teil wurden auch ganz neue Handformen für spezielle Buchstaben kreiert. In Ländern wie Japan und China, in denen kein Alphabetsystem Verwendung findet, oder Thailand und Korea, wo ein völlig anderes Alphabetsystem benutzt wird, wurden teilweise die Bonetschen Handformen auf ganze Lautgruppen bezogen, oder auch völlig neue Handformen entwickelt. In China, wo neben dem traditionellen nichtalphabetischen

Gebärdensprache und ihre Verschriftlichung

147. Fingeralphabete, Manualsysteme und Gebärdensprachschriften

1627

Abb. 147.6: Gebärdensprachtranskription in der Gebärdenschrift HamNoSys (Zeile 1) und in Glossenumschrift (Zeile 2⫺4)

fangsbuchstabens eines Wortes als Handform zur Ausdifferenzierung einer globalen Grundgebärde verwendet wird. So unterscheiden sich z. B. in der Amerikanischen Gebärdensprache die Gebärdenzeichen FAMILY, GROUP und TEAM lediglich durch die unterschiedlichen Handformen für F, G und T. Dasselbe Prinzip findet sich ansatzweise auch in der Deutschen Gebärdensprache bei neueren Gebärdenschöpfungen wie z. B. bei KONGRESS oder FAMILIE. 2.2. Auch in den bisherigen Gebärdenschriften findet das Fingeralphabet teilweise Verwendung. Dabei ist zwischen wissenschaftlichen Notationssystemen zur Transkription von Gebärdensprache und sog. Gebrauchsschriften zu unterscheiden. Zur Transkription von Gebärdensprache werden prinzipiell zwei verschiedene Notationsweisen gebraucht: Die Glossentranskription und die formale Notation. Wie das mit dem Computer-Transkriptionsprogramm sync WRITER erstellte Beispiel zeigt, können beide Versionen auch miteinander verbunden werden (Abb. 147.6). 2.2.1. Die Glossenumschrift, die im obigen Beispiel die Zeilen 2⫺4 umfaßt, versucht über Glossen, d. h. möglichst bedeutungsgleiche Wörter, die Bedeutung der einzelnen Gebärdenzeichen auszudrücken (Zeile 3). Darüber hinaus werden meist in einer Oberzeile (Zeile 2) parallel zu den Glossen die Bedeutungsaspekte der verwendeten Mimik angegeben (z. B. Verneinung, Frage, Bedingung, Steigerung). Dies muß in vielen Fällen heute noch formal geschehen, indem z. B. der Gesichtsausdruck oder die Körperhaltung verbal beschrieben werden, da die Analyse der einzelnen grammatikalischen Funktionen der Mimik in der Gebärdensprachforschung noch in den Anfängen steckt. Manche Glossen-

transkriptionen verwenden noch eine dritte Zeile. In dieser Unterzeile (Zeile 4) werden ebenfalls parallel zu den Glossen der Mittelzeile Angaben zum Mundbild und Sprechverhalten gemacht. Dabei wird z. B. zwischen oralem Mundbild mit und ohne Stimme, wobei die jeweilige Vollständigkeit des Mundbildes angegeben wird, und der Mundgestik unterschieden, die ohne erkennbaren Bezug zur Lautsprache als konstitutiver Teil bestimmter Gebärdenzeichen anzusehen ist. Diesem eben skizzierten Grundaufbau folgen fast alle Glossenumschriften. Sie wurden in unterschiedlich ausdifferenzierter Form seit den Anfängen der Beschäftigung mit Gebärdensprachen verwendet. Eine gewisse Standardisierung wurde mit der Herausgabe eines umfassenden amerikanischen Gebärdensprachkurses von Baker & Cookley 1980 in Buchform erreicht. Im Hamburger Zentrum für Deutsche Gebärdensprache wurde darauf fußend für semantisch ausgerichtete empirische Arbeiten eine weitere Ausdifferenzierung der Glossentranskription vorgenommen (vgl. Darstellung in Prillwitz & Wudtke 1990). 2.2.2. Im Unterschied zur inhaltsbezogenen Glossentranskription verfolgt die formale Notation das Ziel, die äußere Zeichengestalt der Gebärdensprache zu beschreiben. Bis in die 60er Jahre dieses Jahrhunderts konnten die Gebärdenzeichen außer durch konkrete Abbildungen mittels Zeichnungen oder Photos nur durch verbale Beschreibung wiedergegeben werden. Zumeist wurden dabei der Bewegungsablauf, Merkmale der Handform und der Bezug der Hände zum Körper beschrieben. Eine erste nonverbale, von der konkreten Person der/s Gebärdenden abstrahierende zeichnerische Wiedergabe von Gebärdensprache versucht die sog. Sutton-

1628 Schrift (Sutton 1981). Sie ist nach ihrer Erfinderin Valery Sutton benannt, die in den 70er Jahren auf der Grundlage der Tanz-Choreographie eine Notationsweise für Gebärdensprache entwickelt hat. Die einzelnen Gebärdenzeichen werden in Form von Strichfiguren

Abb. 147.7: Die beiden Gebärden ‘GEBÄRDEN’-‘SCHRIFT’ in der Sutton-Schrift

skizziert (vgl. Abb. 147.7). In diesen Zeichnungen kommen die unterschiedlichen Handformen, Kopf-, Körper- und Armhaltungen sowie spezifische Mimikmerkmale zum Ausdruck. Für die Darstellung der Bewegung und des Gebärdenablaufs werden zusätzliche Symbole verwandt. Im Gegensatz zur verbalen Beschreibung und der ganzheitlichen Abbildung von Gebärden durch Photos bzw. Zeichnungen oder ihrer skizzenhaften Darstellung nach Art der Sutton-Schrift ist die professionelle Gebärdensprachforschung in den letzten 20 Jahren einen anderen Weg gegangen. Stokoe, der langjährige Leiter des Linguistic Department der Gallaudet-Universität in Washington, unterzog in seiner Studie zur „Sign Language Structure“ 1960 als erster die Gebärdenzeichen der Amerikanischen Gebärdensprache (ASL) einer systematischen Analyse nach den Gesichtspunkten: Ausführungsstelle, Handform und Bewegung. Die von ihm entwikkelte amerikanische Notation der Gebärdenzeichen folgt derselben Struktur und verfügt über 12 Symbole für Ausführungsstellen und 24 für Bewegungen. Zur Wiedergabe der 19 von ihm für die Beschreibung der ASL erforderlich gehaltenen Handformen greift er auf das amerikanische Fingeralphabet zurück (Stokoe, Casterline & Croneberg 1960). Die von Stokoe herausgearbeiteten grundlegenden Strukturprinzipien der Gebärdenzeichen und die daraus von ihm abgeleitete Gebärdenschrift bilden bis heute die wichtigste Grundlage für fast alle nachfolgenden formalen Notationssysteme. Sie sind in Prillwitz (1989) im einzelnen dargestellt. Das zur Zeit wohl umfassendste Notationssystem für Gebärdensprache ist das Hamburger Notations-System HamNoSys (Abb. 147.6, Zeile 1), das auch als Computer-

X. Sonderschriften

schrift vorliegt (Prillwitz 1988, 1989). Es ist mit seinen gut 150 Symbolen ein stark ausdifferenziertes Notationssystem. Die Symbole bieten einen hohen Grad an Anschaulichkeit und die Verwendung des Fingeralphabets zur Beschreibung der Handformen wurde vermieden. Stattdessen wurde ein kombinatorisches System spezieller ikonischer Symbole für die einzelnen Handformen ausgearbeitet, das eine internationale Verwendung der Gebärdenschrift ermöglicht. 2.2.3. Während sich in der Forschung Gebärdenschriften in Form von komplexen Notationen etabliert haben, hat sich bis heute noch keine Gebrauchsschrift für Gebärdensprache bei den Gehörlosen durchgesetzt; obwohl es einige interessante Versuche gibt wie die aus den Buchstaben des lateinischen Alphabets und einigen wenigen diakritischen Zeichen kombinierte Gebärdenschrift von Papaspyrou (1990) oder auch die Sutton-Schrift. Die neueste Entwicklung in den USA ist SignFont. Diese für den Alltagsgebrauch konzipierte Gebärdenschrift umfaßt insgesamt 40 Symbole für Handformen der ASL, 10 für Handstellungen, 15 für Ausführungsstellen und 25 für Bewegungen. Mimik wird mit 8 und Körperhaltung mit 4 Symbolen berücksichtigt. Nach Meinung der Autoren ist „SignFont an attempt to create a written form of Sign Language that is easy to learn, easy to read, and easy to write by hand or by computer“ (Newkirk et al. 1987, 3). Die nächsten Jahrzehnte werden zeigen, ob eine solche Gebärdenschrift von Gehörlosen als Gebrauchsschrift angenommen wird.

3.

Literatur

Baker, Charlotte & Cokely, Dennis R. 1980. American Sign Language: a student text. Units 1⫺9, Silver Spring, Maryland. Bonet, J. P. 1620. Reduccio´n de las letra y arte para ensenar a hablar los mudos. Madrid. Boyes Braem, Penny. 1990. Einführung in die Gebärdensprache und ihre Erforschung. Hamburg. Dalgarno, D. 1680. Didascalocophus or the deaf and dumb man’s tutor. Oxford. Ebbinghaus, Horst & Heßmann, Jens. 1989. Gehörlose⫺Gebärdensprache⫺Dolmetschen: Chancen der Integration einer sprachlichen Minderheit. Hamburg. Jussen, Heribert & Krüger, Michael. 1975. Manuelle Kommunikationshilfen bei Gehörlosen. Das Fingeralphabet. Berlin.

1629

148. Technische Kodierungen Newkirk, Don. 1987. Sign Font Handbook October 1987 ⫺ Architect: Final Version. San Diego. Papaspyrou, Chrissostomas. 1990. Die Gebärdensprache und die Gebärdenschrift im Rahmen einer universellen Theorie der Sprache. Dissertation. Hamburg. Prillwitz, Siegmund. 1985. Skizzen zu einer Grammatik der Deutschen Gebärdensprache. Hamburg: Forschungsstelle DGS. ⫺. 1988. Hamburger Notations-System für Gebärdensprache ⫺ Entwicklung einer Gebärdenschrift mit Computeranwendung. In: Das Zeichen 6, 74⫺85. Prillwitz, Siegmund, Leven, Regina & Zienert Heiko. 1989. HamNoSys. Version 2.0. Hamburger Notationssystem für Gebärdensprachen ⫺ Eine Einführung. Hamburg. Prillwitz, Siegmund & Wudtke, Hubert. 1990. Gebärden in der vorschulischen Erziehung gehörloser Kinder. 10 Fallstudien zur kommunikativ-sprachli-

chen Entwicklung gehörloser Kinder bis zum Einschulungsalter. Hamburg. Schulte, Klaus. 1974. Phonembestimmtes Manualsystem. Villingen. Stokoe, William C. 1960. Sign language structure: An outline of the visual communication system of the American deaf. Buffalo. Stokoe, William C., Casterline, Dorothy C. & Croneberg, Carl G. 1960. A Dictionary of American Sign Language on Linguistic Principles. Washington, D. C. Sutton, Valery. 1981. Sign Writing for Everyday Use. Boston/Newport Beach. Wallis, J. 1653. Tractatus grammatico-physicus de loquela, sive de sonorum loquelarium formatione. Oxford.

Siegmund Prillwitz, Hamburg (Deutschland)

148. Technische Kodierungen 1. 2. 3. 4. 5.

Historische Entwicklung Grundlagen technischer Kodierungen Beispiele technischer Kodierungen Auswirkungen technischer Kodierungen auf andere Anwendungsbereiche Literatur

In den vorangegangenen Artikeln dieses Kapitels wurden unterschiedliche Sonderschriften vorgestellt, sowie Abgrenzungen zu schriftähnlichen Notizen vorgenommen. Sonderschriften wurden entweder für einen besonderen Benutzerkreis (z. B. Blindenschrift) oder auf der Grundlage einer besonderen Anwendung (z. B. Stenographie, Kryptographie) diskutiert. Die Klassifikation von technischen Kodierungen als Sonderschrift oder als schriftähnliche Notation im Sinne einer exklusiven Zuordnung ist auf der Basis bisheriger Überlegungen nur schwer und dann nur im Falle einzelner Beispiele möglich. Im letzten Abschnitt wird hierauf näher eingegangen, mit dem Ziel, durch einen erweiterten Sprach-/ Schrift-Begriff die technischen Kodierungen in der Gesamtheit als Sonderschriften zu klassifizieren. Grundsätzlich wurden technische Kodierungen notwendig mit der Nutzbarmachung physikalischer Effekte zur Datenübertragung und Datenverarbeitung. Hierbei wird der Be-

griff „Daten“ bereits sehr allgemein genutzt und beinhaltet alle Zielsetzungen, die mit der Verwendung von Schriften verbunden sind. Beispielsweise überträgt jedes Buch „Daten“ vom Autor zum Leser. Diese Daten sind im informationstechnischen Sinne Nachrichten und damit Darstellungen von abstrakter Information. Die „Art der Darstellung“, die Kodierung, legt fest, inwieweit die Information aus der Nachricht eindeutig zurückgewonnen, also dekodiert werden kann. Viele unterschiedliche Interpretationen des gleichen (insbesondere historischen) Textes zeigen dieses Problem. Es muß daher Ziel aller technischen Kodierungen sein, kodierte Information beim Empfänger wieder korrekt dekodieren zu können.

1.

Historische Entwicklung

Da die menschliche Sprache nur für Nachrichtenübertragung über kurze Entfernungen geeignet ist, wurden bereits frühzeitig unterschiedliche Verfahren zur Nachrichtenübermittlung über große Entfernungen eingesetzt: ⫺ akustische Zeichen, (z. B. Buschtrommeln) ⫺ optische Zeichen, (z. B. Fackelzeichen, Rauchzeichen, Flaggenalphabet der christlichen Seefahrt) ⫺ schriftliche Zeichen.

1629

148. Technische Kodierungen Newkirk, Don. 1987. Sign Font Handbook October 1987 ⫺ Architect: Final Version. San Diego. Papaspyrou, Chrissostomas. 1990. Die Gebärdensprache und die Gebärdenschrift im Rahmen einer universellen Theorie der Sprache. Dissertation. Hamburg. Prillwitz, Siegmund. 1985. Skizzen zu einer Grammatik der Deutschen Gebärdensprache. Hamburg: Forschungsstelle DGS. ⫺. 1988. Hamburger Notations-System für Gebärdensprache ⫺ Entwicklung einer Gebärdenschrift mit Computeranwendung. In: Das Zeichen 6, 74⫺85. Prillwitz, Siegmund, Leven, Regina & Zienert Heiko. 1989. HamNoSys. Version 2.0. Hamburger Notationssystem für Gebärdensprachen ⫺ Eine Einführung. Hamburg. Prillwitz, Siegmund & Wudtke, Hubert. 1990. Gebärden in der vorschulischen Erziehung gehörloser Kinder. 10 Fallstudien zur kommunikativ-sprachli-

chen Entwicklung gehörloser Kinder bis zum Einschulungsalter. Hamburg. Schulte, Klaus. 1974. Phonembestimmtes Manualsystem. Villingen. Stokoe, William C. 1960. Sign language structure: An outline of the visual communication system of the American deaf. Buffalo. Stokoe, William C., Casterline, Dorothy C. & Croneberg, Carl G. 1960. A Dictionary of American Sign Language on Linguistic Principles. Washington, D. C. Sutton, Valery. 1981. Sign Writing for Everyday Use. Boston/Newport Beach. Wallis, J. 1653. Tractatus grammatico-physicus de loquela, sive de sonorum loquelarium formatione. Oxford.

Siegmund Prillwitz, Hamburg (Deutschland)

148. Technische Kodierungen 1. 2. 3. 4. 5.

Historische Entwicklung Grundlagen technischer Kodierungen Beispiele technischer Kodierungen Auswirkungen technischer Kodierungen auf andere Anwendungsbereiche Literatur

In den vorangegangenen Artikeln dieses Kapitels wurden unterschiedliche Sonderschriften vorgestellt, sowie Abgrenzungen zu schriftähnlichen Notizen vorgenommen. Sonderschriften wurden entweder für einen besonderen Benutzerkreis (z. B. Blindenschrift) oder auf der Grundlage einer besonderen Anwendung (z. B. Stenographie, Kryptographie) diskutiert. Die Klassifikation von technischen Kodierungen als Sonderschrift oder als schriftähnliche Notation im Sinne einer exklusiven Zuordnung ist auf der Basis bisheriger Überlegungen nur schwer und dann nur im Falle einzelner Beispiele möglich. Im letzten Abschnitt wird hierauf näher eingegangen, mit dem Ziel, durch einen erweiterten Sprach-/ Schrift-Begriff die technischen Kodierungen in der Gesamtheit als Sonderschriften zu klassifizieren. Grundsätzlich wurden technische Kodierungen notwendig mit der Nutzbarmachung physikalischer Effekte zur Datenübertragung und Datenverarbeitung. Hierbei wird der Be-

griff „Daten“ bereits sehr allgemein genutzt und beinhaltet alle Zielsetzungen, die mit der Verwendung von Schriften verbunden sind. Beispielsweise überträgt jedes Buch „Daten“ vom Autor zum Leser. Diese Daten sind im informationstechnischen Sinne Nachrichten und damit Darstellungen von abstrakter Information. Die „Art der Darstellung“, die Kodierung, legt fest, inwieweit die Information aus der Nachricht eindeutig zurückgewonnen, also dekodiert werden kann. Viele unterschiedliche Interpretationen des gleichen (insbesondere historischen) Textes zeigen dieses Problem. Es muß daher Ziel aller technischen Kodierungen sein, kodierte Information beim Empfänger wieder korrekt dekodieren zu können.

1.

Historische Entwicklung

Da die menschliche Sprache nur für Nachrichtenübertragung über kurze Entfernungen geeignet ist, wurden bereits frühzeitig unterschiedliche Verfahren zur Nachrichtenübermittlung über große Entfernungen eingesetzt: ⫺ akustische Zeichen, (z. B. Buschtrommeln) ⫺ optische Zeichen, (z. B. Fackelzeichen, Rauchzeichen, Flaggenalphabet der christlichen Seefahrt) ⫺ schriftliche Zeichen.

1630

X. Sonderschriften

Abb. 148.1: Lochkarte (Liebig 1976, 13)

Abb. 148.2: Lochstreifen mit 5 (a) und 8 (b) Kanälen

Der wohl bekannteste und heute noch gebräuchliche Code für Schriftzeichen im technischen Anwendungsfeld ist der von Samuel Morse vorgestellte Code. Er hat hierbei berücksichtigt, daß die Buchstaben in der natürlichen Sprache unterschiedlich häufig vorkommen. Um seinen Code möglichst effizient zu gestalten, hat er den häufigsten Buchstaben entsprechend kurze Codezeichen zugeordnet (eⳎ· und tⳎ⫺). Ein wesentlicher Nachteil dieses Codes liegt darin, daß die einzelnen Buchstaben nur dann eindeutig separierbar sind, wenn Trennzeichen (Pausen) eingefügt werden. Beispiel: Die Folge „⫺⫺⫺⫺⫺“ ist nicht eindeutig; sie könnte z. B. als „tot“ (⫺储⫺⫺⫺储⫺) oder als Ziffer „0“ (⫺⫺⫺⫺⫺) interpretiert werden. (储 ⫽ Pause). Es handelt sich hierbei also um einen dreiwertigen (ternären) Kode mit den Zeichen ·,⫺ und 储. Um Daten für technische Aufwendungen zu speichern, wurden zunächst von Maschinen verarbeitbare Papiermedien verwendet. Die Nachrichten wurden binär abgespeichert, indem das Papiermedium an definierten Stellen gelocht („1“) oder nicht gelocht („0“) wurde. Gelochte Papierbänder zur Steuerung von z. B. Webstühlen oder Musikautomaten sind frühe Beispiele hierzu. Die von Hollerith ursprünglich zur automatischen Durchführung von Volkszählun-

gen 1890 eingeführte Lochkarte (Abb. 148.1) blieb noch bis in die Mitte der 70er Jahre dieses Jahrhunderts das wesentliche Eingabemedium für EDV-Anlagen. Ihr Vorteil lag in der leichten Korrigierbarkeit von Daten durch Austausch einzelner Lochkarten. Lochstreifen (Abb. 148.2), die zunächst für den automatisierten Fernschreibverkehr entwickelt wurden, fanden in der EDV dort eine breite Anwendung, wo gleichbleibende Daten häufig eingelesen werden mußten (Lochstreifensteuerung eines Druckers, Unterstützung des Kaltstarts eines Rechners). In heutigen Rechenanlagen werden Daten auf elektronischen oder elektromagnetischen Medien ⫺ ebenfalls in binärer Form ⫺ gespeichert.

2. Grundlagen technischer Kodierungen Eine Information I bezeichnet einen abstrakten Sinninhalt. Bei einer Übertragung muß diese zunächst in eine Nachricht N abgebildet (a) werden, die in einem technisch-physikalischen Sinne darstellbar ist; die Nachricht N ist also die Darstellung der Information. Durch eine inverse Abbildung, die Interpretation (a-1), wird die Information wieder zurückgewonnen. Zwischenzeitlich können weitere technisch notwendige Abbildungen (b, b-1) durchgeführt werden:

148. Technische Kodierungen a

b

b ⫺1

a ⫺1

I ¿¿¡ N ¿¿¡ N⬘ ¿¿¡ N ¿¿¡ I Im technischen Gebrauch bezeichnen a, b Kodierungen und a-1, b-1 Dekodierungen. Diese allgemeine Beschreibung sagt noch nichts über die Art der Abbildungen aus. Dies kann z. B. sowohl die Umwandlung von einem Schriftstil in einen anderen (Schreibschrift in Druckschrift), wie auch die kryptologische Verschlüsselung von Text oder die Umwandlung von dezimalen Kontoständen in eine rechnergerechte Binärzahlendarstellung beinhalten. Aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen aus den verschiedenen Anwendungsbereichen ergeben sich zum Teil strukturell (aufgrund der zugrundeliegenden theoretischen Modelle) sehr unterschiedliche Verfahren der technischen Kodierung. Die wichtigsten Klassen hierzu sind: ⫺ physikalische Transformationen (z. B. Sprache in elektrische Signale) ⫺ Verarbeitungsoptimierung (z. B. besonders günstige Kodierung von Zahlen für arithmetische Operationen) ⫺ Quellenanpassung (z. B. „Optimalcodes“, Bildübertragung) ⫺ Datensicherheit, Kanalanpassung (z. B. fehlertolerante Kodes wie der Hamming-Code) ⫺ Datenschuttz (z. B. Kryptologie, → Art. 145). Bei der Diskussion aller technischen Kodierungen spielt die Redundanz eine wesentliche Rolle. Ohne die informationstheoretischen Grundlagen hier zu vertiefen, sei angegeben, daß Shannon 1948 ein Maß für die in einer Nachricht enthaltenen Information entwikkelt hat (Is). Dieses hängt ausschließlich von der Auftrittswahrscheinlichkeit p(N) der betrachteten Nachricht N ab: Is(N) ⫽ ⫺ log p(N). Stellt sich nun ein technisches Kodierungsproblem, so kann für diese Fragestellung unter Zugrundelegung des Shannon’schen Informationsmaßes der minimale (H) und der real erzeugte Kodierungsaufwand (Ho) bestimmt werden. Die Differenz (Ho⫺H), also der nicht unbedingt für die Darstellung der Information nötige Kodierungsaufwand, wird als Redundanz R bezeichnet.

3.

Beispiele technischer Kodierungen

In den folgenden Abschnitten werden exemplarisch wichtige moderne Realisierungen vorgestellt.

1631 3.1. Verarbeitungskodierung Im Artikel 144 wurde die Stenographie vorgestellt. Diese stellt in dem Sinne eine Form von Verarbeitungskodierung dar, daß hier eine Kodierung der Schrift unter besonderen Verarbeitungsgesichtspunkten geschieht (schnelle Notation, eindeutige Rekonstruktion). Neben solchen auf den Einsatz optimierten Kodes (vgl. Abschnitt 3.2) werden standardisierte Kodes, die eine möglichst hohe Datenkompatibilität zwischen unterschiedlichen Datenverarbeitungsanwendungen gewährleisten sollen, in dieser Klasse zusammengefaßt. Bei der Textdarstellung spielen der ASCIICode (American Standard Code for Information Interchange, Tab. 148.1) und der EBCDI-Code (Extended Binary Coded Decimal Interchange, Tab. 148.2) die wesentliche Rolle. Der über 7 Bit (Binary Digit) definierte ASCII-Code stellt den von allen Herstellern unterstützten Minimalcode dar. Da alle Erweiterungen herstellerspezifisch erfolgen (in Tab. 148.1 ist neben dem Grundkode die für PC’s von der Firma IBM eingeführte Erweiterung für 8 Bit angegeben), gehen bei Texttransfer zwischen unterschiedlichen Datenverarbeitungsanwendungen häufig Formatierungsangaben verloren. Der EBCDI-Code zeichnet sich dadurch aus, daß die Darstellung der Zahlen durch Unterdrückung der vorderen Binärstellen direkt zu erhalten ist. Im Rahmen der Zahlenverarbeitung werden heute vorwiegend Kodes verwendet, die die Zahl in ihrer Binärdarstellung enthalten, also die reine Darstellung als Dualzahl. Erweiterungen beziehen sich dann i. a. auf Fehlererkennung und Fehlerkorrektur, die im Abschnitt 3.3 näher behandelt werden. Für Datenverarbeitungsanlagen, die Zahlen im Dezimalsystem verarbeiten, müssen die einzelnen Dezimalziffern binär dargestellt werden. Für diesen Anwendungsbereich existiert eine Vielzahl von BCD-Kodes (Binary Coded Decimal). Für die Darstellung einer Dezimalziffer (0, 1, […], 9) sind mindestens 4 Binärstellen nötig. Da mit 4 Binärstellen 16 verschiedene Zeichen darstellbar sind, gibt es bei Tetraden-BCD-Kodes jeweils 6 „Pseudotetraden“, also Bitkombinationen, denen kein dezimales Äquivalent entspricht. In Tab. 148.3 sind exemplarisch 4 BCD-Kodes angegeben. Der 8421-Kode entspricht dem normalen Binärkode für die ersten 10 Zahlen mit den Wichtungen 8, 4, 2, 1. Der 2421-Kode ist ebenfalls ein Tetraden-Kode, der die Stellen-

1632

X. Sonderschriften

Tab. 148.1: ASCII-Code (a) mit Erweiterung für IBM PC’s

Großbuchstabenkombinationen bezeichnen Sonderzeichen (z. B. Steuerzeichen)

Tab. 148.2: EBCDI-Code (Zemanek 1967, 26)

Großbuchstabenkombinationen bezeichnen Sonderzeichen (z. B. Steuerzeichen). (KA, KI stellen Bereiche für japanische Symbolzeichen dar.)

wichtungen 2, 4, 2, 1 hat. Der dritte Tetraden-Kode (3-Excess-Code) ist der additiv um 3 Zahlen verschobene Binärkode. Eine Zahl Z wird also durch den Binärkode der Zahl (Z⫹3) dargestellt. Der vierte Kode (Biquinärcode) ist kein Tetradenkode und benutzt insgesamt 7 Binärstellen.

Der 3-Excess-Code und der Biquinärkode sind Beispiele für „Verarbeitungsoptimierende Kodes“. Beim 3-Excess-Code sind negative Zahlen leicht zu erzeugen und Ziffernüberträge leicht erkennbar. Der BiquinärCode ist besonders günstig für Vor-/Rückwärts-Zähler.

1633

148. Technische Kodierungen Tab. 148.3: BCD-Codes (A … F Ⳏ Pseudotetraden) (Ameling 1990, 110) Ziffer

8421-Code

2421-Code

3-Excess-Code

Biquinär-Code

Z

B3

B2

B1

B0

B3

B2

B1

B0

B3

B2

B1

B0

B4

B3

B2

B1

B0

Q1

Q0

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9

0 0 0 0 0 0 0 0 1 1

0 0 0 0 1 1 1 1 0 0

0 0 1 1 0 0 1 1 0 0

0 1 0 1 0 1 0 1 0 1

0 0 0 0 0 0 0 0 1 1

0 0 0 0 1 1 1 1 1 1

0 0 1 1 0 0 1 1 1 1

0 1 0 1 0 1 0 1 0 1

0 0 0 0 0 1 1 1 1 1

0 1 1 1 1 0 0 0 0 1

1 0 0 1 1 0 0 1 1 0

1 0 1 0 1 0 1 0 1 0

0 0 0 0 1 0 0 0 0 1

0 0 0 1 0 0 0 0 1 0

0 0 1 0 0 0 0 1 0 0

0 1 0 0 0 0 1 0 0 0

1 0 0 0 0 1 0 0 0 0

0 0 0 0 0 1 1 1 1 1

1 1 1 1 1 0 0 0 0 0

A B C D E F

1 1 1 1 1 1

0 0 1 1 1 1

1 1 0 0 1 1

0 1 0 1 0 1

1 1 1 1 1 1

0 0 0 0 1 1

0 0 1 1 0 0

0 1 0 1 0 1

0 0 0 1 1 1

0 0 0 1 1 1

0 0 1 0 1 1

0 1 0 1 0 1

Im Bereich der allgemeinen Binärkodes spielt der Gray-Code als Verarbeitungscode eine wichtige Rolle. Dieser Kode zeichnet sich dadurch aus, daß sich beim Zählen zwei aufeinanderfolgende Wörter nur durch eine

94 95 96 97

1110001 1110000 1010001 1010011

b) Gray-Code: 1110001 1110000 1010000 1010001

94 95 96 97

1010000 96

Binär-Code: 1011110 1011111 1100000 1100001

94 95 96 97

1100111 103



0000000 0000001 0000011 0000010 0000110 0000111 0000101 0000100 0001100 0001101 0001111



a) 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

Strichkodes (Bar-Codes) zur Warenkennzeichnung sind ein weiteres Beispiel für Verarbeitungskodes. Sie sind so konstruiert, daß sie eine Selbstsynchronisation auf die inhärente Bitfrequenz beim Überfahren mit einem Lesestift erlauben und unabhängig von der Leserichtung ein eindeutiges Ergebnis liefern (Abb. 148.4).

Abb. 148.3: Gray-Code a) Kode-Ausschnitt b) Anwendungsbeispiel mit schrägliegendem Lesefenster

Bitstelle unterscheiden. Diese Eigenschaft minimiert Verfälschungen, die auftreten, wenn beispielsweise eine optische, nach dem GrayCode belichtete Winkelkodescheibe etwas schräg versetzt zur vorgesehenen Ausleserichtung abgetastet wird. In Abb. 148.3 ist hierfür ein Beispiel angegeben.

Abb. 148.4. Beispiel eines Strichkodes (Bar-Code)

3.2. Quellenkodierung Das Ziel der Quellenkodierung liegt darin, die von einer Quelle erzeugte Information möglichst optimal in eine technisch verarbeitbare Nachricht abzubilden. Als Optimierungskriterium gilt hierbei der Aufwand, der minimiert werden soll. Ein Anwendungsbereich, in dem bei vollständiger Darstellung große Datenmengen mit hoher Redundanz anfallen, ist die Bildverarbeitung. Zur Datenreduktion wird genutzt, daß sich im Mittel sowohl in der zeitlichen Abfolge als auch in der räumlichen Um-

1634

X. Sonderschriften

gebung die Bildinformation wenig ändert. Es bieten sich dafür Kodierungen an, die lediglich Veränderungen speichern. Als Beispiel ist in Abb. 148.5 eine Lauflängenkodierung dargestellt. Bildinformation: 000000011000001111110000000011 Code:

111 010 110 110 000 011

Die Kodierung 000 gibt die Lauflänge 8 an!

Abb. 148.5: Lauflängen-Kodierung

Als untere Schranke für den Kodierungsaufwand ist der mittlere Informationsgehalt der Quelleninformation nötig. Diese von Shannon nachgewiesene Schranke kann nur unter bestimmten Randbedingungen oder bei unendlich langem Informationsfluß mit bekannter Wahrscheinlichkeitsverteilung und geeigneter komplexer Kodierung erreicht werden. In Sonderfällen läßt sich die Schranke ohne großen Aufwand erreichen: Werden 16 statistisch unabhängige, gleichverteilte Ereignisse von einer Quelle erzeugt, so ist der mittlere Informationsgehalt 4 Bit.

Die 16 Ereignisse können durch die 16 Binärzahlen 0000, 0001 […] 1111 kodiert werden; es werden somit real nur 4 Bit benötigt und die Redundanz ist Null! Als Beispiel eines „Optimal-Kodes“ für Buchstabentext sei der Fano-Code angegeben. Die zu kodierenden Zeichen werden hierbei nach Auftrittswahrscheinlichkeit sortiert aufgelistet und die Summenwahrscheinlichkeit, beginnend mit der kleinsten Auftrittswahrscheinlichkeit hinzugefügt. Der Bereich der betrachteten Summenwahrscheinlichkeit wird jeweils bei der Hälfte der Summe geteilt. Jeder Hälfte wird dann eine weitere Ziffer zugefügt (z. B. „oben“ ⫽ 0, „unten“ ⫽ 1). Dieses Verfahren wird jeweils solange fortgeführt, bis nur noch einelementige Teilmengen vorhanden sind. Tab. 148.4 gibt hierzu ein einfaches Beispiel. In Tab. 148.4 ist der Fano-Code für das deutsche Alphabet angegeben. Die Redundanz ist für diesen Kode auf 0.03 bit minimiert. Andere Verfahren (z. B. nach Huffman) bringen strukturell gleiche Ergebnisse. Als besonderer Vorteil dieser Kodes ist anzuführen, daß die Zeichen ohne zusätzliche Trennsymbole eindeutig zu identifizieren

Tab. 148.4: Fano-Codes a) einfacher Beispielcode b) deutsches Alphabet (Steinbuch 1967, 373)  a) xi p (xi) p (xi) Code a b c d e

0,3 0,26 0,2 0,14 0,1

1,00 0,70 0,44 0,24 0,10

a 0

00 01 10 110 111

b c

1 d e

b)

xi

p (xi)

Code

xi

p (xi)

Code

xi

p (xi)

Code

SP E N R I S T D H A

0,15149 0,14700 0,08835 0,06858 0,06377 0,05388 0,04731 0,04385 0,04355 0,04331

000 001 010 0110 0111 1000 1001 1010 10110 10111

U L C G M O B Z W U

0,03188 0,02931 0,02673 0,02667 0,02134 0,01772 0,01597 0,01423 0,01420 0,01360

11000 11001 11010 11011 111000 111001 111010 111011 111100 111101

K V Ü P Ä Ö J Y Q X

0,00956 0,00735 0,00580 0,00499 0,00491 0,00255 0,00165 0,00017 0,00015 0,00013

1111100 1111101 11111100 11111101 11111110 111111110 1111111110 11111111110 111111111110 1111111111110

mittlerer Informationsgehalt ⫽ 4.11 bit mittlere Wortlänge ⫽ mittlerer Entscheidungsgehalt ⫽ 4.14 bit

148. Technische Kodierungen

sind, was sich im Kodebaum (Tab. 148.4) dadurch ausdrückt, daß alle Kodeelemente Blätter sind. Auch wenn hiermit Kodierungen diskutiert werden, die sich nicht primär auf Schriften beziehen, so sind sie im weiteren Sinn durchaus hier anzugeben. Das heutzutage übliche „Einscannen“ von Texten zur weiteren Textverarbeitung, also die optische Abtastung von gedruckten Texten und deren Umsetzung in eine ASCII-kodierte Zeichenfolge, macht von den besprochenen Kodierungen intensiv Gebrauch. 3.3. Kanalkodierung Unter Kanalkodierung werden diejenigen Kodierungen verstanden, die den Eigenschaften des Kanals Rechnung tragen, also die Beeinflussung der Daten durch die Übertragungsstrecke im weitesten Sinne berücksichtigen. Die Übertragung kann dabei über eine örtliche Distanz erfolgen oder auch im zeitlichen Sinn verstanden werden; ein Speichermedium stellt z. B. Daten möglichst unverändert zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung. Für die Anpassung an die „Physik“ des Kanals ist beispielsweise die Rundfunkübertragung von Sprache zu nennen. Hierbei wird genutzt, daß sich elektromagnetische Wellen im Raum ausbreiten und an anderer Stelle detektiert werden können. Unter der Annahme, daß die Quellenkodierung bereits die Sprache als elektrisches Signal liefert (z. B. der Ausgang eines Mikrophonverstärkers), so würde der Versuch, diese Signale als elektromagnetische Welle abzustrahlen, daran scheitern, daß aufgrund des relevanten Frequenzbereiches (20Hz⫺20kHz) wegen physikalisch begründbarer Effekte keine nennenswerte Abstrahlung der Wellen mit handhabbaren Antennen möglich ist. Um sinnvoll arbeiten zu können, müssen die Frequenzen wesentlich höher liegen. Im heute üblichen UKW-Frequenzbereich um 100 MHz werden immerhin noch Antennen der Größenordnung von 1,5 m benötigt. Es wird also die zu übertragende Spannung, die die Sprache direkt darstellt, in den physikalisch nutzbaren Bereich transformiert. Man spricht in diesem Anwendungsfall von der Modulation. Bei der UKW-Technik wird üblicherweise eine „Frequenzmodulation“ eingesetzt, d. h. eine für den Sender typische Frequenz von ca. 100 MHz wird von dem Sprachsignal zu höheren bzw. tieferen Frequenzen verschoben, so daß die Abweichung der aktuellen Sendefrequenz von der Sollfre-

1635 quenz ein Maß dafür ist, wieweit ein Lautsprecher im Empfangsgerät seine Membran auslenken muß. Es werden nun Kanalcodierungen beschrieben, wie sie insbesondere für die digitale Datenverarbeitung entwickelt wurden, mit dem Ziel, eine erhöhte Fehlersicherheit zu bewirken. Jedes technische System arbeitet mit einer endlichen (und hoffentlich sehr geringen) Wahrscheinlichkeit fehlerhaft. Die Ausfallwahrscheinlichkeit für einige Standardbauelemente wie Widerstände ist so gering, daß sie für praktische Anwendungen vernachlässigbar ist. Dies gilt insbesondere nicht für sehr komplexe Bausteine (IC’s) oder für Umwelteinflüssen ausgesetzte Bauelemente wie Steckverbindungen. Hinzu kommen Störungen, die durch Fernwirkungen verursacht werden; als Beispiel seien elektromagnetische Störungen, wie sie bei Gewittern auftreten, genannt. Zwei wesentliche Klassen im Bereich der Kanalkodierung für die digitale Datenverarbeitung sind die algebraischen und die arithmetischen Codes. Bei den algebraischen Codes werden Kanäle vorausgesetzt, die die Daten unverändert übertragen. Dagegen unterliegen die Daten für den Bereich der arithmetischen Kodes arithmetischen Veränderungen; der Kanal kann hierbei beispielsweise aus einem Addierwerk für zwei Binärzahlen bestehen. Als Fehlermodell wird bei beiden Klassen vereinfachend angenommen, daß die Daten an isolierten Stellen statistisch unabhängig gestört werden. Fehler, die „eine Stelle“ verfälschen, sind dann am wahrscheinlichsten. Ein „einstelliger“ Fehler bei arithmetischen Anwendungen kann durchaus bedeuten, daß im Ergebnis, also am Ausgang des Kanals, viele Stellen verfälscht sind: Wird lediglich ein Übertrag in einem Addierer verfälscht, so kann das Ergebnis dennoch an fast allen Stellen verändert sein, nämlich genau dann, wenn sich dieser Übertrag aufgrund der zufällig vorliegenden Zahlensituation über alle Stellen „fortpflanzt“. 3.3.1. Algebraische Kodes Der Begriff „algebraische“ Kodes erklärt sich daraus, daß algebraische Strukturen und sich daraus ergebende Gesetzmäßigkeiten genutzt werden, um diese Kodes zu entwickeln und deren Eigenschaften zu bestimmen. Aufgrund der technischen Relevanz wird hierbei fast ausschließlich von Block-Kodes ausgegangen, d. h. von einem endlichen Koderaum. Dies entspricht der endlichen Wort-

1636

X. Sonderschriften

länge in digitalen Rechenanlagen oder endlichen Nachrichteneinheiten bei der Datenübertragung. Die generelle Struktur algebraischer Block-Kodes ist in Abb. 148.6 angegeben. Block-Kodes

systematische Block-Kodes

Linear-Kodes Gruppen-Kodes

systematische Linear-/Gruppen-Kodes

zyklische Kodes

systematische zyklische Kodes

Abb. 148.6: Algebraische Struktur von BlockKodes (Kreft 1989, 28)

Der zunächst algebraisch unstrukturierte Block-Kode wird als Linear- oder GruppenKode bezeichnet, wenn die Elemente des Kodes die algebraische Struktur der Gruppe oder des Vektorraumes aufweisen. Bilden die Elemente des Kodes einen zyklischen Unterraum, so wird der Kode als zyklischer Kode bezeichnet. Zu jeder Kodeklasse existiert als Teilmenge die Menge der systematischen Kodes, die sich dadurch auszeichnet, daß die zu kodierende Nachricht unverändert im Kodewort enthalten ist. Der Rahmen dieses Buches würde bei weitem überschritten, wenn diese Theorien weiter vertieft würden; es wird daher als Beispiel für einen zyklischen Kode in Tab. 148.5 ein einfacher Hamming-Kode angegeben, der zunächst nicht systematisch ist. Dazu ist dann das systematische Äquivalent in Tab. 148.5 aufgelistet.

Diese Kodes sind aufgrund ihrer algebraischen Struktur einerseits technisch mit wenig Aufwand zu erzeugen und zu dekodieren; ferner lassen sie Aussagen zur Fehlererkennung und Fehlerkorrektur durch einfache technische Realisierungen zu. Die Kodes aus Tabelle 148.5 sind beispielsweise in der Lage, eine sichere 1-Bit-Fehlerkorrektur und 2-BitFehlererkennung durchzuführen. 3.3.2. Arithmetische Kodes Da die theoretischen Grundlagen dieser Kodes wesentlich komplexer sind als bei algebraischen Kodes, seien hier lediglich zwei Beispiele (Tab. 148.6 und 148.7) für arithmetische Kodes angegeben. Auch hier wird wegen der technischen Relevanz von Blockkodes ausgegangen. Tab. 148.6: Binärer 3-N-Kode N

3-N-Code

N

3-N-Code

0000 0001 0010 0011 0100 0101 0110 0111

000000 000011 000110 001001 001100 001111 010010 010101

1000 1001 1010 1011 1100 1101 1110 1111

011000 011011 011110 100001 100100 100111 101010 101101

Die AN-Kodes stellen die Nachricht N durch das A-fache dieser Zahl dar. Wird bei binären Zahlendarstellungen A ⫽ 3 gewählt, so ist mit einem solchen Kode die Erkennung

Tab. 148.5: Hamming-Code unsystematisch (a) und systematisch (b) a)

Nachricht

Code

Zyklus

0000 0001 0010 0011 0100 0101 0110 0111 1000 1001 1010 1011 1100 1101 1110 1111

0000000 0001011 0010110 0011101 0101100 0100111 0111010 0110001 1011000 1010011 1001110 1000101 1110100 1111111 1100010 1101001

0 1 1 2 1 2 2 1 1 2 2 1 2 3 1 2

b)

Nachricht

Code

Zyklus

0000 0001 0010 0011 0100 0101 0110 0111 1000 1001 1010 1011 1100 1101 1110 1111

0000 000 0001 011 0010 110 0011 101 0100 111 0101 100 0110 001 0111 010 1000 101 1001 110 1010 011 1011 000 1100 010 1101 001 1110 100 1111 111

0 1 1 2 2 1 1 2 1 2 2 1 1 2 2 3

1637

148. Technische Kodierungen

von Einfachfehlern in Addierwerken möglich (Ⳏ Paritätsbit bei der Datenübertragung). Tab. 148.7: Binärer Restklassenkode (eine Restklasse mit dem Modul 3) Z

兩Z兩3

Code

Z

兩Z兩3

Code

0000 0001 0110 0011 0100 0101 0110 0111

00 01 10 00 01 10 00 01

0000 00 0001 01 0010 10 0011 00 0100 01 0101 10 0110 00 0111 01

1000 1001 1010 1011 1100 1101 1110 1111

10 00 01 10 00 01 10 00

1000 10 1001 00 1010 01 1011 10 1100 00 1101 01 1110 10 1111 00

Bei einem Restklassenkode werden neben der zu kodierenden Zahl Z diejenigen Reste angegeben, die bezüglich unterschiedlicher Module entstehen. In Tab. 148.7 ist ein Kode angegeben, der nur einen Rest bezüglich des Modules 3 verwendet. Dieser Kode entspricht in seinen Eigenschaften dem 3-NKode.

4.

Auswirkungen technischer Kodierungen auf andere Anwendungsbereiche

Zunächst stellt sich an dieser Stelle die Frage, inwieweit die mathematisch abstrakten Überlegungen der vorangegangenen Abschnitte in den Rahmen einer Darstellung über Schrift und Schriftlichkeit hineinpassen. Sieht man die Schrift als eine „nichtflüchtige“ Darstellung der Sprache beziehungsweise besser des Informationsflusses zunächst einmal zwischen Menschen, so ergibt sich die Interpretation dieses Begriffes aus diesem Umfeld. Im Laufe der technischen Entwicklung ist der Informationsfluß jedoch auf den Bereich der Mensch-Maschine-Kommunikation ausgeweitet worden und schließlich auch wesentlich in den Bereich der Maschine-MaschineKommunikation übergegangen. War die Technik zunächst reines Hilfsmittel zur Sprach/Schriftübertragung (Morsen, Telegraphie), so wird sie ein zunehmend eigenständiges Informationsverarbeitungsobjekt. Auch wenn heute im strengen Sinne kein Automat mit eigener kreativer Intelligenz existiert, so sind die Grenzen hierzu schon deutlich näher gerückt (z. B. durch künstliche neuronale Ansätze).

Ohne weiter die sozialpolitischen, ethischen oder gesellschaftspolitischen Aspekte diskutieren zu wollen, muß gesehen werden, daß die Technik und hierbei insbesondere die informationsverarbeitende Digitaltechnik als Kommunikationspartner eine zunehmend zentralere Rolle spielt. Damit muß das Sprache-/Schrift-Verständnis auch auf diesen Partner ausgedehnt werden. Für digitale binäre Systeme besteht der Zeichenvorrat aus allen Kombinationen von binären Symbolen. Eine völlig neue Sprache-/Schrift-Dimension wird dadurch im heutigen Alltag eröffnet. Wenn technische Geräte miteinander „sprechen“ oder sich technische „Schriftstücke“ (z. B. Dateien auf Disketten) austauschen, so bedienen sie sich dieser für die Menschen abstrakt wirkenden Sprache. Allerdings lernen auch wir diese Sprache, z. B. muß sie ein Systemprogrammierer beherrschen, um das Verhalten der Maschine zu kontrollieren. Schließlich haben ja auch Menschen diese „Sprache“ erfunden. Um breiteren Schichten die Rechnersprache zugänglich zu machen (z. B. für Programmierer), werden sogenannte „Hochsprachen“ entwickelt, die von technischen Übersetzern in die „Maschinensprache“ umgesetzt werden. Diese Hochsprachen (wie Cobol, Fortran, Pascal, C, Modula), benutzen umgangssprachliche Konstrukte (Befehle), die in streng formalisierter Form verwendet eine eindeutige Problembeschreibung bzw. eine eindeutige Beschreibung eines Problemlösungsalgorithmus erlauben. Der Mensch „spricht“ auf dieser Ebene mit der Maschine. Für den Endanwender wird dann versucht, diese Sprachbarriere möglichst niedrig zu halten. Es gibt beispielsweise unzählige Ansätze, um die Kommunikation mit dem Computer im Bereich der Textverarbeitung möglichst komfortabel und leicht verständlich zu machen. Die widersprüchliche Diskussion und die sehr variierende Akzeptanz zeigt die Komplexität dieses Problems verbunden mit der Aussage, daß ein ideales System in diesem Bereich nach wie vor nicht verfügbar ist: Der Mensch ist gezwungen, sich seinem eigenen Geschöpf, dem Rechner, anzupassen und dauernd neue „Bedieneroptionen“ zu lernen. Betrachtet man diese Entwicklungen, so wird deutlich, daß die Begriffe Sprache und Schrift in dieser verallgemeinerten technischen Interpretation noch einen langen Evolutionsweg vor sich haben. Die Vielfachheit technischer Entwicklungsmöglichkeiten in diesem Sektor ist derzeit nicht überschaubar.

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5.

X. Sonderschriften

Literatur

Ameling, Walter. 1990. Digitalrechner, Grundlagen und Anwendungen. Braunschweig⫺Wiesbaden. Dworatschek, Sebastian. 1986. Grundlagen der Datenverarbeitung. Berlin. Kreft, Lothar. 1989. Beiträge zur algebraischen und arithmetischen Codierungstheorie. Heidelberg. Liebig, Hans. 1976. Rechnerorganisation. Berlin et al.

Peterson, W. Wesley. 1967. Prüfbare und korrigierbare Codes. München⫺Wien. Rao, Thammavarapu R. N. 1974. Error Coding for Arithmetic Processors. New York. Steinbuch, Karl & Rupprecht, Werner. 1967. Nachrichtentechnik. Berlin et al. Zemanek, Heinz. 1967. Alphabete und Codes der Datenverarbeitung. München⫺Wien.

Walter Ameling/Lothar Kreft, Aachen (Deutschland)

149. Moderne Piktographie 1. 2. 3. 4.

1.

Schrift und Bild ⫺ die Übergänge sind fließend Prinzipien der piktographischen Gestaltung Literatur Beispiele von Graphik auf Verpackungen für den Transport

Schrift und Bild ⫺ die Übergänge sind fließend

Schrift und Bild sind für den Menschen wichtige Informationsträger. Ihre Trennung war nicht immer so ausgeprägt wie heute. So symbolisieren die Höhlenmalereien der jüngeren Steinzeit, die ägyptischen Hieroglyphen und die Schrift der Griechen den fließenden Übergang vom Bild über das Bildzeichen zur alphabetischen Schrift. In Europa sind bis ins Mittelalter Schrift und Bild zumindest in ihrer Gestaltung stark aufeinander bezogen (und in den meist von Hand gemalten Initialen ist ihnen ein Treffpunkt reserviert). Erst Drang und Zwang zur Aufteilung der Arbeitsprozesse trennen das Bild radikal von der Schrift. Der Schrift wird die Aufgabe zuteil, Wissen zu transportieren und zu bewahren. Verbale Informationen gelten als präzis und seriös. Gelehrte, Schriftsteller, später auch Journalisten (Schriftsetzer als Ausführende) sind zuständig dafür. Das Bild hingegen wird ins Feld der emotionalen Mitteilung verwiesen. Bilder gelten als vieldeutig und zur Wissensvermittlung ungeeignet. Künstler, später Grafiker und Fotografen (Xylografen, Lithografen, Reprofotografen als Ausführende) sind zuständig dafür. Aber: Die Annahme, Bilder seien beliebig interpretierbar und verbale Informationen präzise, stimmt nur zum Teil. Sie ignoriert den

ägyptisch al. f ‘er spricht’ etwa 3000 v. Chr. ägyptisch al. f ‘er spricht’ etwa 1500 v. Chr. phönikisch Aleph etwa 1300 v. Chr. altgriechisch Alpha etwa 600 v. Chr. griechisch Alpha etwa 200 v. Chr. Abb. 149.1: Von den Hieroglyphen zum Buchstaben, nach Philipp Luidl

Sachverhalt, daß verschiedene Menschen gleichen Wörtern verschiedene Inhalte zuordnen. Technische Bedingungen in den Druckereien verstärken die Trennung zwischen Schrift und Bild zusätzlich: Der Bleisatz erschwert die Aufnahme neuer Zeichen in das Kommunikationssystem, weil Entwurf und Herstellung von Lettern aufwendig und damit teuer sind und zudem die Setzkästen klein gehalten werden müssen. Im Hochdruck können gerasterte Bilder nur auf Kunstdruckpapier gedruckt werden und sind

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5.

X. Sonderschriften

Literatur

Ameling, Walter. 1990. Digitalrechner, Grundlagen und Anwendungen. Braunschweig⫺Wiesbaden. Dworatschek, Sebastian. 1986. Grundlagen der Datenverarbeitung. Berlin. Kreft, Lothar. 1989. Beiträge zur algebraischen und arithmetischen Codierungstheorie. Heidelberg. Liebig, Hans. 1976. Rechnerorganisation. Berlin et al.

Peterson, W. Wesley. 1967. Prüfbare und korrigierbare Codes. München⫺Wien. Rao, Thammavarapu R. N. 1974. Error Coding for Arithmetic Processors. New York. Steinbuch, Karl & Rupprecht, Werner. 1967. Nachrichtentechnik. Berlin et al. Zemanek, Heinz. 1967. Alphabete und Codes der Datenverarbeitung. München⫺Wien.

Walter Ameling/Lothar Kreft, Aachen (Deutschland)

149. Moderne Piktographie 1. 2. 3. 4.

1.

Schrift und Bild ⫺ die Übergänge sind fließend Prinzipien der piktographischen Gestaltung Literatur Beispiele von Graphik auf Verpackungen für den Transport

Schrift und Bild ⫺ die Übergänge sind fließend

Schrift und Bild sind für den Menschen wichtige Informationsträger. Ihre Trennung war nicht immer so ausgeprägt wie heute. So symbolisieren die Höhlenmalereien der jüngeren Steinzeit, die ägyptischen Hieroglyphen und die Schrift der Griechen den fließenden Übergang vom Bild über das Bildzeichen zur alphabetischen Schrift. In Europa sind bis ins Mittelalter Schrift und Bild zumindest in ihrer Gestaltung stark aufeinander bezogen (und in den meist von Hand gemalten Initialen ist ihnen ein Treffpunkt reserviert). Erst Drang und Zwang zur Aufteilung der Arbeitsprozesse trennen das Bild radikal von der Schrift. Der Schrift wird die Aufgabe zuteil, Wissen zu transportieren und zu bewahren. Verbale Informationen gelten als präzis und seriös. Gelehrte, Schriftsteller, später auch Journalisten (Schriftsetzer als Ausführende) sind zuständig dafür. Das Bild hingegen wird ins Feld der emotionalen Mitteilung verwiesen. Bilder gelten als vieldeutig und zur Wissensvermittlung ungeeignet. Künstler, später Grafiker und Fotografen (Xylografen, Lithografen, Reprofotografen als Ausführende) sind zuständig dafür. Aber: Die Annahme, Bilder seien beliebig interpretierbar und verbale Informationen präzise, stimmt nur zum Teil. Sie ignoriert den

ägyptisch al. f ‘er spricht’ etwa 3000 v. Chr. ägyptisch al. f ‘er spricht’ etwa 1500 v. Chr. phönikisch Aleph etwa 1300 v. Chr. altgriechisch Alpha etwa 600 v. Chr. griechisch Alpha etwa 200 v. Chr. Abb. 149.1: Von den Hieroglyphen zum Buchstaben, nach Philipp Luidl

Sachverhalt, daß verschiedene Menschen gleichen Wörtern verschiedene Inhalte zuordnen. Technische Bedingungen in den Druckereien verstärken die Trennung zwischen Schrift und Bild zusätzlich: Der Bleisatz erschwert die Aufnahme neuer Zeichen in das Kommunikationssystem, weil Entwurf und Herstellung von Lettern aufwendig und damit teuer sind und zudem die Setzkästen klein gehalten werden müssen. Im Hochdruck können gerasterte Bilder nur auf Kunstdruckpapier gedruckt werden und sind

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149. Moderne Piktographie

deshalb meist in einem separaten Buchteil zusammengefaßt. Das hat sich geändert: Heutige Technologie setzt dem Zusammenfügen von Schrift und Bild keine Grenzen mehr. Im Offsetdruck können auch fein gerasterte Bilder auf ungestrichenes oder nicht satiniertes Papier gedruckt werden. Im Gegensatz zur harten Hochdruckform paßt sich das Gummituch auch einer nicht glatten Papieroberfläche an. In den heutigen digitalisierten Satzsystemen lassen sich beliebig viele Zeichen speichern und auf einer überblickbaren Tastatur abrufen. Texte und Bilder (übrigens auch Musikund Sprachwiedergabe) können vom gleichen Gerät erzeugt werden. Während die früheren Satz- und Drucktechniken den Buchstabentext wegen der einfacheren Handhabbarkeit favorisierten, fällt heute in zunehmendem Maße diese Beschränkung. Dies wäre auch ein Grund zur Überprüfung unseres hergebrachten Gebrauchs von Schrift und Bild. Die Übergänge könnten und müßten wieder fließender gestaltet werden. Zumindest aber müßten Bilder und Texte besser aufeinander abgestimmt werden. Der rege touristische und merkantile Verkehr zwischen den Sprachgebieten hat heute schon eine große Zahl von Piktogrammen (Bildzeichen) hervorgebracht. Diese trennen wenig zwischen Schrift und Bild. Die Orientierungssysteme auf Flughäfen (auch Bahnhöfen, Museen, Sportstadien usw.) oder die Informationen auf Verpackungen für den Transport werden schon heute zu großen Teilen von solchen Bildzeichen bestritten. Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Ausbildungen von schon existierenden Piktogrammsystemen: Die einen zeigen die Tendenz, durch die übergroße Abstraktion und Schematisierung die Zeichen zu Tode zu designen, was deren Informationswert stark herabsetzt. Sie sind von professionellen Gestaltern entworfen, und wir begegnen ihnen auf Flughäfen, Bahnhöfen oder bei olympischen Spielen […] Interessanter und zukunftsweisender erscheinen hier die auf den Wellkarton-Verpackungen für den Transport. Diese werden von formal wenig ausgebildeten Handwerker-Gestaltern entworfen. Ihnen gelingt es mit einfachen Mitteln Überraschung, Sinnlichkeit und präzise Information in ihre Zeichen einzubringen. Deshalb illustrieren wir im folgenden die Prinzipien der piktographischen Gestaltung am Beispiel der Verpackungen für den Transport.

Abb. 149.2: Olympische Spiele München, 1972, Design O. Aicher, G. Joksch, R. Müller, E. Winschlermann

2.

Prinzipien der piktographischen Gestaltung

Waren wechseln in ihren Verpackungen für den Transport oft die Sprachbereiche. Das macht Informationssysteme nötig, welche von Angehörigen verschiedener Sprachen gelesen und verstanden werden können. Deshalb finden wir auf diesen Verpackungen eine große Zahl von Bildzeichen. Diese richten sich hauptsächlich an die mit dem Transport der Waren Beschäftigten. So informieren sie über Transport, machen aber auch die durch die Verpackung verdeckte Ware wieder sichtbar. Sie be-zeichnen und be-werben das verpackte Produkt, zeigen seine Herkunft oder Entstehung, bieten es an, setzen es in Beziehung zu seinem End-Konsumenten.

3.

Beispiele von Graphik auf Verpackungen für den Transport

Diese Bilder und Zeichen sind ein Abbild des Lebens auf dieser Welt: die Hieroglyphen von heute. Sie legen knapp und trefflich Zeugnis ab von den Artefakten, mit denen wir Menschen uns im zwanzigsten Jahrhundert umgeben haben. Beispiele dazu sind im folgenden dargestellt.

1640

X. Sonderschriften

Abb. 149.3

Der Pfeil gibt an, was oben sein (und bleiben) sollte. Er ersetzt Worte wie ‘oben’, ‘haut’, ‘alto’, ‘top’ oder Sätze wie ‘diese Seite nach oben’, ‘this side up’ usw. Er wird in Kombinationen zu solchen Wörtern oder Sät-

zen, oft aber auch allein verwendet. Seine Bedeutung ist auf Verpackungen für den Transport (aber nur auf diesen) auch ohne begleitende Worte klar.

149. Moderne Piktographie

1641

Abb. 149.4

Das Glas mit dem Stiel ist ein Hinweis auf einen zerbrechlichen oder verletzbaren Inhalt. Es ersetzt Worte wie ‘zerbrechlich’, ‘fragile’ oder Sätze wie ‘bitte sorgfältig behandeln’, ‘take care’. Dieses Zeichen hat gegenüber dem Pfeil einen stärkeren Bildwert und einen klaren Bezug zu einem Objekt. Die Gestaltungsmöglichkeiten verfeinern sich. Folgende Dramatisierungsstufen sind zu erken-

nen: Glas mit Stiel, gefülltes Glas mit Stiel, zerbrechendes Glas mit Stiel. Ein Glas ohne Stiel auf einer Verpackung für den Transport hingegen würde nicht als Aufforderung zu sorgfältiger Behandlung, sondern als Bezeichnung eines Verpackungsinhaltes gelesen. Dies ist ein Hinweis darauf, daß auch die Bedeutung von Bildzeichen erlernt werden muß.

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X. Sonderschriften

Abb. 149.5

Der aufgespannte Regenschirm bedeutet, daß die Verpackung und ihr Inhalt vor Feuchtigkeit zu schützen sind. Der Bildwert des Zeichens ist gegenüber dem Glas nochmals gesteigert. Folgende Dramatisierungs-

stufen sind zu erkennen: aufgespannter Regenschirm, Regenschirm mit abtropfendem Wasser, Regenschirm und Regen (in unterschiedlichen Graden der Abstraktion).

149. Moderne Piktographie

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Abb. 149.6

Zeichenhaft reduzierend ist die Graphik auf Verpackungen für den Transport auch aus drucktechnischen Gründen. Am gebräuchlichsten ist das Hochdruckverfahren Flexodruck, womit sich Wellkarton nicht fein bedrucken läßt. Die Druckstöcke sind aus Polymere-Kunststoff oder Gummi. Sie können fotomechanisch erzeugt oder von Hand geschnitten werden. Diese zeichenhafte Re-

duktion ist jedoch nicht mit Verarmung der Gestaltung gleichzusetzen. Den Gestaltern dieser Piktogramme gelingt es, Sachverhalte oder Objekte präzise zu bezeichnen. Sie verwechseln ⫺ im Gegensatz zu manchem professionellen Gestalter ⫺ die Reduktion der Gestaltungsmittel nicht mit Schematisierung und sie belassen diesen Zeichen einen beträchtlichen Ikonizitätsgehalt.

1644

X. Sonderschriften

Abb. 149.7

Die Werbeindustrie ist an den Verpackungen für den Transport kaum interessiert, weil sie auf den Verkauf der verpackten Ware kaum Einfluß hat (das ist die Aufgabe der Verkaufsverpackung). Trotzdem wird darauf

geworben. Dekorativ ausbreiten und auffächern ist die Urform der Be-zeichnung und gleichzeitigen Be-werbung des verpackten Produkts.

149. Moderne Piktographie

1645

Abb. 149.8

Geographische, nationale oder regionale Symbole bezeichnen und verdeutlichen die Herkunft des verpackten Produkts. Meisje, Tulpe oder Windmühle tun dies für Holland; Indianer, Palme, Sonne und Meer für Florida. Der Sombrero steht für Mexiko, die

Sphinx für Ägypten […] All diese Symbole konkretisieren den abstrakten Begriff eines Staates, einer Gegend oder einer Stadt. Gleichzeitig sollen sie ein positiv aufgeladenes Image auf das Produkt übertragen.

1646

X. Sonderschriften

Abb. 149.9

Jedes Produkt muß erzeugt und transportiert werden. Dazu wird die Arbeitskraft von Menschen und Tieren benötigt. Auf Transportverpackungen sind Darstellungen von Arbeitsprozessen zahlreich. Von den Ver-

kaufsverpackungen hingegen hat sie die marketing-orientierte Werbeindustrie praktisch verbannt. Sie könnten uns daran erinnern, daß auch wir arbeiten müssen, um ein Produkt zu erstehen.

149. Moderne Piktographie

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Abb. 149.10

Das Produkt allein hat etwas Kaltes. Präsentierende Menschen bringen es uns näher. Auf Verpackungen für den Transport finden wir den selbstbewußten, gemütlichen und

doch ‘tifigen’ Koch, den munteren, zukunftsfrohen und knackgesunden Jungen, die adrrette, fleißige und mütterliche Frau. Ihnen können wir vertrauen.

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X. Sonderschriften

Abb. 149.11

Das Produkt sagt: Kaufe, brauche, esse mich! Das ist Kaufaufforderung und Produktbezeichnung zugleich. Die unzensurierte Fantasie der Gestalter wuchert freudvoll dahin und schafft eine kindliche Fabulier- und Comicwelt: Vermenschlichte Tiere sind ‘Konsumenten’ oder ‘Lieferanten’ der verpack-

ten Produkte. Letzteres sowohl auf erster (Milch, Eier, Honig) als auch auf zweiter Stufe (Fleisch, Fell). Sie sind glücklich in dieser Rolle. Gerade darum verweisen sie auf das letztlich brutale Prinzip des Fressens und Gefressenwerdens.

149. Moderne Piktographie

1649

Abb. 149.12

Das Firmen- oder Markenzeichen weist auf das Produkt hin. Gestalterisch ist das Zusammenführen von Schrift und Bild zu be-

wältigen. Der Spielraum reicht dabei vom kontrastreichen Zueinanderstellen bis zur symbiotischen Verschmelzung.

1650

4.

X. Sonderschriften

Literatur

Frutiger, A. 1989. Der Mensch und seine Zeichen. Schriften, Symbole, Signete, Signale. 2. Aufl. Wiesbaden. Krampen, Martin (ed.). 1983. Visuelle Kommunikation und/oder verbale Kommunikation. Hildesheim et al. Kuwayama, J. 1977. Zeichen, Marken und Signets. München. Luidl, Philipp. 1989. Typographie. Hannover.

Lutz, Hans-Rudolf. 1989. Ausbildung in typographischer Gestaltung. 2. Aufl. Zürich. ⫺. 1990. Die Hieroglyphen von heute. Graphik auf Verpackungen für den Transport. Zürich. Sauer, Wolfgang Werner. 1993. Bild-Wörter. In: Baurmann, Jürgen, Günther, Hartmut & Knoop, Ulrich (ed.). 1993. homo scribens ⫺ Perspektiven der Schriftlichkeitsforschung. Tübingen. 11⫺28.

Hans-Rudolf Lutz, Zürich (Schweiz)

Stichwortverzeichnis / Subject index Bemerkungen zur Struktur Das Handbuch Schrift und Schriftlichkeit hat eine dezidiert interdisziplinäre Perspektive. Da die Terminologie zwischen den Disziplinen und z. T. auch innerhalb der Disziplinen außerordentlich uneinheitlich ist, mußte dafür Sorge getragen werden, daß Benutzer aus ganz unterschiedlichen Disziplinen nach „ihren“ Begriffen im Register suchen können. Es wurde deshalb eine sehr flache Registerstruktur angelegt. Querverweise auf quasi synonyme Ausdrücke im Register werden jeweils am Ende eines Eintrags gegeben, z. B. Betonung 363, 542, 925, 1227, 1375, 1412, 1439, 1453 f; > Intonation; > Prosodie Daneben gibt es reine Verweiseinträge ohne Seitenangaben, z. B. Akronym > Abkürzung Referenzsprache des Registers ist deutsch. Bei Verweisen von englischen Ausdrücken auf das deutsche Stichwort wird das englische Wort kursiv gesetz, z. B. abbreviation > Abkürzung Keine Verweise stehen, wenn das englische Wort hinreichend ähnlich ist oder praktisch an der gleichen Stelle einsortiert werden müßte. Es wurde für alle wichtigen Stichwörter ein englischer Verweis eingerichtet, selbst wenn das Stichwort in keinem der englischsprachigen Artikel auftaucht. Technisch sind noch folgende Hinweise wesentlich: 쐌 Die Literaturangaben der einzelnen Artikel wurden nicht berücksichtigt. 쐌 In der alphabetischen Reihenfolge werden die deutschen Umlaute als Grundbuchstabe mit Diakritikon angesehen. 쐌 Die Stichwörter werden in substantivischer Form gegeben, selbst wenn die angegebene Fundstelle eine andere Wortart zeigt, z. B. wird auf „logographisch“ durch das Stichwort „Logographie“ verwiesen. 쐌 Es wurden keine geographischen Begriffe als Stichwörter aufgenommen. Lediglich bei Sprachbezeichnungen (Englisch, Deutsch) kann es vorkommen, daß an der Fundstelle tatsächlich nicht die Sprache, sondern z. B. die Nation gemeint ist. 쐌 Nicht einzeln nachgewiesen sind aufgrund ihrer Häufigkeit die Wörter Buch, Buchstabe, Hören, Lesen, Schreiben, Schrift, Sprache, sprechen, Text. 쐌 Als zusätzliche Suchhilfe wird auf den Seiten 1735⫺49 die Stichwortliste in rückläufiger Folge angeboten; dies ermöglicht es, z. B. alle Stichwörter zu finden, die auf -schrift enden. 쐌 Die im Handbuch erwähnten Sprachen und Schriften sind auf S. 1751⫺3 noch einmal zusammengefaßt aufgelistet.

Structural remarks The general perspective of the handbook Writing and Its Use is interdisciplinary. Since there are quite different terminologies found in different disciplines, it had to be made sure that users from very different fields be able to find „their“ concepts in the subject index, the structure of which is hence a very shallow one. Reference to similar expressions is always given at the end of an entry, e.g. Betonung 363, 542, 925, 1227, 1375, 1412, 1439, 1453 f; > Intonation; > Prosodie There are also entries without page numbers just for reference purposes, e.g. Akronym > Abkürzung

1694

Abbildungsfunktion der Schrift ⫺ akrophonisches Prinzip

The reference language of the index is German. English words in reference entries are given in italics, e.g. abbreviation > Abkürzung No English entries are given if the word is similar in both languages or if the English word would fit the same place in the alphabetic order. For all important entries an English reference entry is provided even if the concept does not show up in any of the articles of the handbook written in English. The following technical hints might also be useful: 쐌 The reference sections of the articles are not taken into account. 쐌 In the alphabetic order, German „Umlaut“ is treated as the basic character with a diacritic. 쐌 Entries are given as nouns, even if on the page referenced to the concept is found as another part of speech; eg. the word „logographic“ is nevertheless referenced to by “Logography”. 쐌 Geographical terms are not considered, though sometimes, an entry denoting a language might in fact denote the nation at this particular place. 쐌 No entries are given for the following words because of their frequency: book, letter, hearing, reading, writing, script, language, speaking, text. 쐌 As an additional tool, the list of entries is given in alphabetically backward arrangement on page 1735⫺49. This list might be useful when for example searching for all entries ending on language. 쐌 An additional list on page 1751⫺3 shows all languages and scripts mentioned in the handbook.

A Abbildungsfunktion der Schrift 103, 171, 204, 260, 678, 743 abbreviation > Abkürzung Abbreviatur > Abkürzung Abecedar 299 f, 334 f, 504, 506 Abhängigkeitshypothese > Priorität der Lautsprache Abkürzung 10, 27, 57, 59, 89, 110, 199, 223, 230, 236, 280, 291, 316, 355, 357, 364, 373 f, 388, 392, 396, 398, 402, 446, 541, 548, 633, 692, 841, 910, 1061, 1065, 1067, 1228, 1374, 1399, 1421, 1440, 1442⫺4, 1463, 1465 f, 1506⫺12, 1572, 1583, 1586, 1593, 1599, 1601, 1604, 1606, 1617, 1619 Ableitung 111, 290, 348, 958, 967, 1166, 1300, 1428, 1446, 1449, 1462, 1468, 1507, 1509 Absatz 7, 10, 49, 75, 129, 223, 225, 507, 641, 661 f, 908, 1066, 1381, 1391, 1440, 1463 Abschreiben 11, 38, 55⫺9, 61, 70, 76, 86, 88⫺92, 108, 129, 235, 283, 481 f, 485, 497, 499, 506, 522, 529, 535, 537, 545, 548, 559, 566 f, 579, 630, 656, 658, 661, 675, 846, 987 f, 1057⫺60, 1089, 1139, 1171, 1211, 1213, 1228, 1244, 1251, 1255, 1277⫺80, 1291, 1294, 1304, 1464, 1578, 1622 Abschrift 55⫺62, 91, 108, 129, 148, 240, 248 f, 309, 359,

413, 417, 484, 493⫺9, 507, 566, 659, 677, 1302, 1491 Abstrakta 37, 370 Abur-Schrift > Zabur-Schrift acceptance of a writing system > Akzeptanz einer Schrift acquired dyslexia > Alexie acquisition of literacy > Schriftspracherwerb action theory > Handlungstheorie activation > Aktivation Addition 773, 1569⫺73, 1635, 1637 Additionssystem 1374, 1569⫺76, 1582 Adjektiv 124, 290, 410, 414, 665, 945, 975, 997, 1081, 1218, 1261, 1264, 1313, 1315, 1393, 1428, 1440, 1442, 1446, 1449, 1452 f, 1460, 1473, 1496, 1508 administration > Verwaltung adoption of a foreign system > Übernahme eines Schriftsystems Adressatenbezug 22, 27, 29, 32, 75 f, 104, 480, 495 f, 514, 692, 999, 1007, 1012, 1014, 1017, 1020, 1185, 1188, 1262 f, 1284, 1451, 1478, 1522⫺4 Adresse 133, 137, 498, 625 f, 684, 876 adult education > Erwachsenenbildung Adverb 372, 410, 1184⫺6, 1419, 1442, 1459, 1473, 1496, 1508, 1517 f

Adverbialbestimmung 1184, 1460, 1473 advertising > Werbung Afar 817, 819, 823 Affekt > Emotion Affix 406, 422, 443, 938, 1444, 1450, 1606 Affrikate 746, 819, 1076, 1453, 1589, 1595⫺8, 1602 ägäische Schriften 271, 273, 286 f, 297, 329 f, 332, 336 f Agawsprachen 320 agglutinierende Sprachen 263, 275, 285, 345, 492, 1102 Agraphie 927, 928, 1032, 1084⫺9, 1329 Ägyptisch 34, 43, 49, 54, 86, 104, 124, 257, 259⫺62, 272 f, 275, 286 f, 289⫺6, 298, 314, 329 f, 332, 341, 386, 416, 418 f, 421, 472⫺88, 503 f, 507, 509, 592, 629, 642, 747, 755, 757, 761, 1193, 1278, 1372, 1382, 1384, 1489, 1571 f, 1638 Ainu 1477 Ajin 337, 1599 Akademie 9, 116, 437, 442, 462, 515, 566, 599, 631, 688, 733, 811, 817 f, 822, 845, 896, 1236, 1328, 1378, 1396 f, 1487, 1493 Akkadisch 34, 52, 263, 275⫺9, 286, 298, 339, 418, 492, 494⫺500; > Babylonisch Akkulturation 592 f, 803⫺6 akrophonisches Prinzip 174, 294, 297, 330, 332, 334, 406, 1383, 1574, 1578 f

Akrostichon ⫺ Anakoluth Akrostichon 281, 507, 1578 Aksara 323 Akten 61, 126, 128, 148, 150, 154, 159, 190, 477, 480⫺2, 507, 520, 620, 623, 818, 865, 1041, 1398, 1546, 1611 Aktivation 821, 909 f, 914, 946, 952, 960⫺5, 972⫺6, 979, 1003, 1007, 1014 f, 1057 f, 1066, 1082, 1094⫺9, 1104, 1107, 1110, 1113, 1157, 1160, 1172, 1182, 1339, 1528, 1539 Akustik 24, 45 f, 904⫺6, 914 f, 924⫺7, 989, 1148, 1164, 1242, 1254, 1258, 1335, 1358, 1540, 1587, 1590, 1629 Akut 1439, 1448, 1594⫺7, 1601 Akzent 57, 280, 513, 733, 1180, 1368, 1370, 1439, 1450, 1462, 1501, 1586 f, 1622 Akzeptanz einer Schrift 328, 446, 700, 725, 806, 809, 848, 1592 Alemannisch 73, 541, 597, 598, 752, 1195 Aleph > Alif Aleutisch 698, 700 f, 706 Alexie 927, 928, 936 f, 962, 1084, 1113, 1329, 1343; > Lesestörung Algebra 1635 f Alif 174, 249, 337, 529, 533, 820 f, 1278, 1600; > Alpha Allgemeinbildung 620, 629, 862 f, 884, 1322, 1484 allgemeine Literalität 35, 429, 434 f, 519, 540, 615, 620, 788⫺90, 825, 837 f, 869, 878, 883, 1310, 1312, 1493 Allgemeinsprache 1462, 1471 Alliteration 559, 1077 Allographie 280, 410, 763 f, 806, 1028⫺33, 1082, 1089, 1447, 1502, 1562 Allomorphie 411, 1376, 1437 f Allophonie 319, 1370, 1502, 1567 Alltagsschrift 476 Alltagssprache 67, 73, 492, 493⫺500, 623, 627, 1118, 1468, 1487, 1490, 1524, 1538, 1552, 1554 Alpha 72, 174, 182⫺4, 704, 1278; > Alif alpha-syllabic writing system > Silbenalphabet Alphabet 10 f, 42 f, 60, 72 f, 86, 89, 102, 113, 117, 136, 144, 168, 171⫺86, 193, 196⫺9, 207, 229 f, 233 f, 245 f, 249, 258, 261⫺3, 273, 275, 286⫺9, 296, 298, 299⫺301, 309, 316, 324, 326, 328⫺30,

1695 332, 334⫺9, 341, 344⫺6, 378⫺80, 398 f, 416⫺28, 434, 439, 444, 449 f, 452 f, 457, 463, 466 f, 481, 509, 511⫺3, 517 f, 525, 528 f, 533, 535, 543, 562, 628, 643, 651, 655, 657 f, 673, 676, 679, 681, 689 f, 692 f, 700 f, 714 f, 718 f, 732, 743, 746, 751, 753⫺7, 761, 763, 773, 791, 797, 803⫺15, 820 f, 835, 842, 845, 848, 856 f, 886, 904 f, 908 f, 915 f, 921, 938, 960, 964, 1027, 1031, 1075 f, 1079⫺81, 1094, 1102 f, 1106, 1110 f, 1132, 1155⫺7, 1159, 1165, 1171, 1209, 1213, 1250, 1254, 1278, 1290, 1294, 1299, 1303 f, 1315 f, 1337, 1342, 1343, 1368, 1371, 1373, 1377, 1380, 1383 f, 1388, 1390, 1413, 1422, 1431, 1433, 1435, 1437, 1448, 1456, 1511, 1557, 1561, 1563 f, 1568 f, 1574, 1577⫺86, 1589⫺91, 1594⫺99, 1602, 1608⫺13, 1616, 1622 f, 1625 f, 1634, 1638 Alphabetfolge > Alphabetreihe alphabetic order > Alphabetreihe alphabetic writing system > alphabetisches Schriftsystem alphabetisation > Alphabetisierung alphabetisches Schriftsystem 7, 262, 298 f, 416 f, 421, 715, 718, 743, 745, 915, 958 f, 1075, 1094 f, 1101 f, 1104, 1109 f, 1209, 1213, 1329, 1332, 1372 f, 1381, 1385, 1432, 1442, 1456, 1568 alphabetisches Sortieren 7, 89, 137, 149, 152, 155, 168, 1568 f, 1576⫺82 Alphabetisierung 20, 55, 90, 99, 110, 111, 346, 456 f, 467, 469, 513⫺5, 518⫺20, 523, 561, 563, 600, 646, 651, 688, 699, 739, 743, 748, 752, 754, 757, 795, 805⫺9, 815, 816⫺23, 850, 860 f, 863⫺6, 868⫺70, 873, 876, 877, 878, 880 f, 883⫺9, 992, 1119, 1123⫺25, 1170, 1191, 1196, 1199, 1493, 1622 Alphabetisierungsgrad > Alphabetisierungsrate Alphabetisierungskampagne 770, 780 f, 786 f, 790, 797, 817 f, 821, 822⫺7, 837, 847, 849, 883, 1306 Alphabetisierungsrate 56, 76, 78, 98, 465, 467, 513, 518, 520,

619, 719, 776, 781, 785, 792 f, 804, 806, 822, 825 f, 828, 835, 843, 847⫺9, 858, 861, 863, 865, 873, 877, 880 f, 886, 1140, 1278, 1306, 1312, 1318, 1388 Alphabetreihe 33, 42, 174, 176, 179, 184, 298⫺300, 309, 319, 335, 344, 379-, 386, 388, 399, 504, 507, 534, 681, 763, 821, 1227, 1278, 1430, 1433, 1568⫺81, 1609 f, 1615 f Alphabetschrift 6 f, 10 f, 34, 37, 42, 45, 55, 86, 102, 104, 112, 114, 116, 118, 171, 206 f, 248, 261⫺3, 295 f, 298 f, 302, 312, 329⫺35, 337, 339, 341, 344, 346, 349, 398 f, 416, 421, 424, 443, 447, 503, 505, 507, 509, 512, 513, 647, 651, 658, 687 f, 690, 691⫺3, 695, 724 f, 745, 755, 908, 925, 1110, 1121, 1141 f, 1147, 1154, 1170, 1218, 1240, 1242, 1250, 1254, 1371⫺7, 1381, 1388, 1393, 1409, 1451 f, 1468, 1502, 1564, 1575, 1592 f, 1601 altaische Sprachen 855, 1102 Altbulgarisch 756, 1594 Altenglisch 73, 558 f, 763, 1382 Altes Testament 71, 92, 339, 359, 497, 505, 506⫺9, 606, 843 Alteuropäisch 256, 258, 268 f, 271⫺3, 329, 334 Altfranzösisch 593, 1491 Altgriechisch 3, 23, 172 f, 186, 592, 595, 597, 1377, 1596 f Althochdeutsch 555, 560, 596, 597, 690, 1510 Altkirchenslawisch > Kirchenslawisch Altnordisch 562, 563, 763 Altpersisch 275, 287, 339, 500 Altsüdarabisch 299, 300, 308, 309, 310, 311, 317, 319, 505, 509 Alveolar 327, 819, 1076, 1419, 1583, 1587, 1589 Ambiguität 257, 414, 622, 632, 713, 838, 946⫺8, 964, 967, 1080, 1082, 1085, 1099, 1172, 1435 f, 1464, 1489 f, 1530, 1538, 1561 Amharisch 319⫺21, 754, 814⫺23, 1584, 1600 Ammonitisch 505 Amtsschrift 443 Amtssprache 97, 339, 346, 618, 775, 783 f, 800, 1198, 1471 Anagramm 681 f Anakoluth 591, 696, 1399, 1506

Analogie ⫺ Astronomie

1696 Analogie 74, 167, 279, 549, 628, 679, 681, 687, 690, 693 f, 725, 986, 988, 1078, 1080, 1155, 1253, 1329, 1357⫺9, 1397 Analphabetismus 5, 11⫺3, 35, 73, 326, 435, 445, 466 f, 528, 535, 538, 540, 555 f, 561, 563, 607, 635 f, 698⫺700, 714, 742, 746, 748, 755, 767⫺70, 772, 774 f, 777, 779⫺81, 784, 785, 786, 787, 788, 790⫺800, 802, 805 f, 808, 817, 822⫺9, 835⫺52, 860 f, 864, 871, 873, 876⫺8, 881⫺90, 1119, 1130, 1159, 1201, 1205, 1301, 1306, 1312, 1351 f 1363 analytisch-synthetische Methode 825, 826, 1159, 1344 Anapher 1172, 1390 f, 1393, 1496, 1517 Aneignung der Schrift 750, 886⫺90, 989, 1118⫺22, 1124, 1126 f, 1129, 1135, 1137⫺40, 1142, 1147⫺9, 1162, 1166, 1181, 1206, 1210, 1212 f, 1247, 1253, 1357, 1359, 1399; > Schriftspracherwerb Anfangsbuchstabe 951, 1175, 1304, 1509, 1572, 1574, 1579, 1627 Anfangslaut > Anlaut Anfangsunterricht 399, 1014, 1123, 1174, 1247, 1263, 1305; > Erstlesen; > Erstschreiben Anführungszeichen 279, 687, 691, 705, 1067, 1411, 1422, 1456 f, 1461⫺4, 1488 Angelsächsisch 538, 547, 558, 559 Anlaut 278, 280, 297, 330, 364, 366, 370, 376, 384, 391, 393 f, 398 f, 914, 1164 f, 1375, 1433, 1438, 1579 f, 1600 f, 1606 Annalen 159, 293, 371, 382 f, 401, 441, 483, 500, 508, 814 f Anrede 377, 625 f, 734 f, 1066, 1281, 1399, 1440, 1451, 1550 Anthropologie 116, 119, 424⫺6, 428, 456, 574 f, 588, 600, 611, 680, 700, 984, 1102 f, 1124, 1220, 1223, 1356, 1360, 1536 Antike 3, 9, 11, 14, 27, 34⫺7, 43, 45, 55, 57 f, 69, 75, 85, 87⫺9, 92, 104⫺8, 111, 114, 118, 122⫺7, 129, 147, 217, 223, 228 f, 231, 234⫺40, 252, 281 f, 299, 302 f, 305, 307, 309 f, 311, 417, 421, 473, 508, 512 f, 519, 522 f, 535,

537⫺47, 564, 593, 598, 611⫺5, 628 f, 631, 649, 658 f, 674, 683, 691, 743, 754, 763, 895, 1129, 1242, 1270, 1272 f, 1278, 1280, 1507⫺9, 1511, 1550 f, 1573, 1576, 1578 f, 1604, 1609 Antiqua 189, 196, 198 f, 201 f, 216 f, 219⫺21, 223, 240 f, 244, 248, 752, 755, 803, 1243, 1244, 1247, 1510 antiquity > Antike Anuak 819 Anzeige 234, 876, 1424, 1434, 1471, 1523 Äolisch 597 Aphärese 1508 Aphasie 919, 928, 1084, 1108, 1113, 1206 Apikal 378, 1583 Apokope 1508 Apostroph 381, 691, 1439, 1450, 1456, 1466, 1501, 1594 f, 1596⫺8, 1600⫺2 Apperzeption 929 Apposition 1459, 1461 Arabic numerals > arabische Zahlen Arabisch 10, 27, 35, 47, 69, 85, 88, 90, 111, 126⫺8, 172, 229, 248⫺50, 275, 303, 305, 308 f, 311⫺7, 319 f, 327 f, 341, 359, 418, 420, 422, 426, 435, 454⫺6, 458, 463, 505, 508 f, 525, 528⫺30, 532⫺6, 538, 565 f, 592, 596, 598 f, 605, 607, 609, 642, 672⫺4, 681, 698, 700⫺6, 710, 719, 729, 739 f, 743, 747, 750, 752⫺7, 762, 783, 803 f, 806, 814 f, 817 f, 820 f, 856, 1032, 1066, 1193, 1196, 1299⫺1309, 1374, 1376, 1384, 1394, 1433⫺6, 1483⫺90, 1577, 1584, 1590 f, 1599 arabische Zahlen 433, 676, 1103, 1411, 1413, 1422 f, 1425, 1456, 1480, 1509, 1561, 1563, 1566, 1574, 1576, 1597, 1611 Arabisierung 314, 674, 1301, 1307, 1487 Aramäisch 147, 275, 286, 295 f, 299, 301⫺3, 313 f, 323 f, 339, 341, 418, 421, 500, 504 f, 508 f, 609, 741, 1428, 1434 Arbeitsgedächtnis 939, 974 f, 1070, 1337 Arbeitsschulbewegung 1122, 1243, 1273 Arbitrarität des sprachlichen Zeichens 105, 334, 986, 1145, 1560

Architektur 53, 233, 408 f, 492, 521, 629⫺31, 656, 662, 814, 1301 f Archiv 8, 37 f, 55, 145⫺55, 159⫺60, 272, 275, 285, 481⫺3, 495 f, 498, 500, 505, 507 f, 518, 656, 659, 815, 865, 1070, 1529, 1592, 1611 Arithmetik 433, 452, 1563, 1631, 1635 f Armenisch 330, 344, 755, 756, 803, 804, 806, 809, 816, 1200, 1598 Armenschule 879 f Artes 108, 537, 544, 546 f, 1129, 1280, 1546 articulatory loop 939 artificial intelligence > künstliche Intelligenz Artikel 932, 945, 975, 1172, 1393, 1442, 1449, 1466, 1496, 1509, 1517 f, 1600 Artikulation 28, 45, 49, 69, 105, 107, 116, 171, 327, 345, 366, 453, 639, 689, 903⫺6, 910, 912 f, 915, 925, 926, 939, 945, 987 f, 1010, 1016 f, 1078, 1082, 1102, 1108, 1150, 1158 f, 1164⫺6, 1205, 1211, 1222, 1242, 1253, 1301, 1321, 1344, 1394, 1418, 1430, 1455, 1486, 1577, 1583⫺7, 1590, 1597, 1599 f, 1602, 1624 f; > Sprechbewegung ASCII-Kode 144, 579, 1444, 1581, 1590, 1593, 1623, 1631, 1635 Aspiration 57, 280, 324, 326⫺8, 398, 511, 761, 819, 858, 1430, 1585, 1592, 1598, 1601 f Assamesisch 326, 454 assessment of literacy > Demographie der Literalität Assimilation 394, 929, 1433, 1438 f, 1451, 1455 Assimilationsprogramm 1200⫺2 Assoziation 616, 921, 947, 975, 978, 1007, 1014, 1021, 1058, 1118, 1157, 1171, 1186, 1206, 1229, 1253, 1254, 1258, 1358, 1538 assoziatives Schreiben 992, 1010 Assyrisch 49, 147, 275, 278, 283, 302 f, 339, 418, 481, 492, 495, 498⫺500, 508, 511 Ästhetik 26, 228, 230, 476, 678, 684, 690 f, 1529, 1538, 1548 Astrologie 1394, 1576 Astronomie 279, 409 f, 412 f, 421, 481, 484, 500, 515, 655, 657

Äthiopisch ⫺ beneventanische Schrift Äthiopisch 34, 296, 317⫺21, 323, 335, 418, 421, 755, 814⫺23, 1384 f, 1577 attention > Aufmerksamkeit Attisch 597, 741, 762 Attribution 334, 370, 735, 975, 1184, 1261, 1459, 1472 f, 1475 Auflage 61, 76, 91, 93, 97, 132, 134, 136, 206, 631, 860, 1062, 1618, 1621, 1622 Aufmerksamkeit 22, 72, 74, 648, 913, 927, 929, 936 f, 952, 954, 974, 977 f, 985 f, 990, 1011, 1046, 1057, 1063, 1084, 1088, 1107, 1160, 1164, 1179, 1188, 1253, 1263, 1321, 1333, 1345 Aufsatz 61, 118, 641 f, 983, 989 f, 1122, 1125, 1126, 1139, 1147, 1148, 1180, 1184, 1261 f, 1265, 1267, 1279, 1281⫺7, 1294, 1296, 1304, 1321, 1323, 1391, 1493, 1504, 1529 f, 1548⫺51, 1554 Aufsatzdidaktik 1126 f, 1226, 1260⫺7, 1275, 1282, 1284, 1325, 1363 Aufzeichnungsfunktion der Schrift 43, 45, 53, 728, 1390 Augenbewegungen 908, 919 f, 926, 935, 940, 942, 944 f, 952, 954, 960, 974, 987, 1161, 1173, 1175, 1219, 1227, 1334 Ausanisch 505 Ausbau 590, 592 Ausbildung 52, 79, 168, 283, 346, 413, 447, 480, 482, 485, 496, 534, 545 f, 561, 616, 726, 814, 816 f, 822, 858, 860⫺2, 864, 866, 868⫺70, 879, 890, 1012, 1061, 1119, 1121, 1193, 1195⫺1202, 1279, 1308, 1327 f, 1555 Ausgangsschrift 752, 1241, 1244 f, 1247 Ausgangssprache 555 Ausgleichssprache 92, 597, 1394 Auslassungszeichen 374, 1412, 1422, 1463 Auslaut 277, 280, 285 f, 302, 339, 364, 366, 378, 383 f, 391, 393, 398 f, 411, 819, 1166, 1344, 1370, 1397, 1434, 1438⫺41, 1454, 1594, 1600 f, 1606 f Ausrufezeichen 691, 1411, 1422, 1440, 1456, 1458, 1463 Außendiglossie 740 f, 743 Aussprache 44, 46, 106 f, 109, 111, 118, 319, 323 f, 326, 348, 363⫺6, 369 f, 372, 375 f, 378,

380 f, 384, 388, 391 f, 401, 410, 416, 420, 426, 442, 609, 690, 693, 703⫺5, 707, 711, 716, 815, 838, 856 f, 888, 911 f, 926, 932 f, 936, 938 f, 958, 960⫺3, 966, 1077, 1085, 1094⫺8, 1102 f, 1112, 1158, 1165, 1290, 1309, 1312, 1315 f, 1337, 1385, 1397, 1400, 1405, 1409, 1411, 1422, 1431, 1440, 1442⫺51, 1455, 1470, 1482, 1486, 1489, 1501, 1509, 1513, 1560, 1563 f, 1579 f, 1586, 1589, 1591, 1600, 1602 austroasiatische Sprachen 327, 456 f, 465, 756, 855 austronesische Sprachen 327, 756, 855 auswendig Lernen 34, 71, 89, 437, 480, 482, 486, 543, 773, 787, 821, 864, 868, 877, 1162 f, 1261, 1278, 1296, 1302, 1308, 1344; > Memorieren Auszeichnungsschrift 186, 193, 196, 217, 220, 235, 239, 356, 358, 528, 530, 539, 543 f; > Hervorhebung Autobiographie 3, 81, 486, 667, 1206, 1523 Automatisierung 132, 137, 167, 209, 449, 681, 903, 979, 987 f, 990, 1011, 1045, 1050, 1160, 1166, 1173, 1176, 1211, 1218, 1226, 1244, 1253, 1263, 1339, 1630 Autonomiehypothese > Priorität der Lautsprache Autor 3, 9, 14, 21, 33⫺6, 49, 58⫺61, 63, 67 f, 77 f, 85, 87 f, 92, 94, 96 f, 100 f, 104, 106⫺8, 111, 113⫺18, 123, 125, 129, 145, 152, 163, 168, 225 f, 234 f, 240, 379, 452, 476 f, 482, 508, 513 f, 529, 543, 551, 556, 559⫺61, 564⫺7, 579 f, 584, 649, 658⫺60, 662, 667⫺9, 675, 677, 682, 801, 861, 863, 884, 894⫺7, 972, 974, 976, 1007, 1012, 1016 f, 1019, 1021, 1023, 1061, 1070, 1268, 1280, 1292⫺94, 1301, 1319 f, 1322, 1324, 1326 f, 1391 f, 1395, 1424, 1464, 1469, 1477, 1485, 1488, 1494, 1497, 1512, 1529, 1531, 1537, 1578 f, 1609, 1615, 1629 auxiliary > Hilfsverb Azerbajdzanisch 750, 753, 761, 807 Aztekisch 112, 413⫺5, 422

1697

B Babylonisch 34, 52, 86, 147, 263, 275⫺9, 281, 283, 285 f, 298, 302 f, 329, 339, 418, 472, 492⫺500, 508, 511; > Akkadisch Bahasa 783 Baihua 370, 1406, 1470⫺5 Bairisch 597, 600, 1583 Balochi 328, 706 Bamum-Schrift 710⫺5 Bantusprachen 756 Bar-Kode 137, 1633 Basisschrift 339, 341, 344 Baskirisch 761 Baskisch 29, 600, 1196 Bassa 718 Bastarda 238 f, 549 BCD-Kode 1631 Beamtenschrift 397 Bedarfsschrift 188 Bedeutung 52, 138, 237 f, 248, 259⫺66, 277, 279, 283, 289⫺91, 348, 353, 358, 363⫺6, 370, 372 f, 375, 384⫺6, 393, 414, 416⫺20, 428, 432, 442, 453, 492, 533, 605, 608, 621 f, 628, 633, 655, 657⫺9, 681⫺2, 688⫺91, 710, 720, 723, 725, 728, 735, 773, 820, 826, 838, 856, 904, 908, 911 f, 932 f3, 936, 939, 946⫺8, 952, 958 f, 960⫺2, 967, 974, 986, 988, 1001, 1017 f, 1021, 1029, 1077⫺9, 1082, 1094, 1101, 1102⫺5, 1133, 1147, 1149, 1156, 1158, 1171⫺4, 1218 f, 1225 f, 1229, 1242, 1251, 1264, 1291, 1309⫺11, 1313, 1315, 1336, 1358, 1369⫺71, 1373, 1376 f, 1384⫺6, 1395, 1405⫺7, 1409, 1411, 1416, 1435, 1442 f, 1446, 1448, 1456, 1464, 1474, 1480⫺2, 1497, 1502, 1506⫺7, 1510, 1517, 1520, 1536⫺8, 1542, 1560, 1563 f, 1567 f, 1584, 1586, 1610 f, 1617, 1627, 1640 f; > Semantik beginning reading > Erstlesen beginning writing > Erstschreiben Beglaubigung 149, 540, 1610 Begriffsschrift 43, 260, 651 Behaviourismus 1170, 1206, 1388, 1536 Behördenschrift 540 Behördensprache 1471 Benediktiner 127, 235, 240, 541, 558, 560, 861, 1207 beneventanische Schrift 200, 543

Bengali ⫺ Buchsprache

1698 Bengali 328, 455, 467, 743 Benotung 1125 f, 1229, 1267, 1277 Berbersprachen 312, 421, 757, 1304, 1307 Berner Konvention 899 Beschreibmaterial 30, 49, 86 f, 89, 90, 122⫺9, 146 f, 150, 172 f, 180, 188, 191, 231, 239, 291, 293, 310 f, 349, 352, 357, 504, 512, 522, 539 f, 548, 659, 865, 907, 1036 f, 1040, 1043, 1046, 1062 f, 1065; > Schreibmaterial Besinnungsaufsatz 1284 Beta 175, 1278, 1597; > Beth Bete 719 Beth 174, 175, 298, 1278; ; > Beta Betonung 363, 542, 925, 1227, 1375, 1412, 1439, 1453 f; > Intonation; > Prosodie Bewußtsein 35, 67, 77, 83, 116, 155, 424, 440, 635, 647, 650, 679, 681, 721, 787, 822, 827, 884, 894, 923, 972, 987 f, 1021, 1046, 1053 f, 1132, 1136, 1142, 1159, 1176, 1213, 1237, 1240, 1253, 1270, 1392, 1393, 1399, 1577 Bibel 71, 73, 75, 87⫺93, 109, 126, 200, 207, 214, 224, 231, 235, 238 f, 246, 330, 339, 420, 457, 482, 523, 537⫺9, 541, 543, 547, 605⫺7, 610, 618, 637, 643, 675, 679, 701, 705 f, 779, 818, 842, 864, 868, 879, 1139, 1280, 1388, 1482; > heiliger Text Bibelübersetzung 93, 109, 317, 693, 819, 1137 Bibliographie 8, 94, 163, 226, 463, 545, 551, 1020, 1070, 1592 Bibliophilie 123, 126, 239, 535, 1301 Bibliothek 38, 67 f, 72, 77 f, 85⫺9, 94 f, 97, 99 f, 104 f, 113, 125, 126, 146 f, 149, 159 f, 200 f, 206, 231, 234, 239 f, 244, 359, 463, 467, 481, 493, 500, 507, 515, 520, 529, 534 f, 541 f, 544 f, 551, 558, 560, 562, 566, 581, 630, 672, 674, 776, 808, 815, 841, 866, 876, 895, 900, 1220, 1232, 1274, 1292, 1301 f, 1319 f, 1322 f, 1325, 1592, 1594 f, 1622 Bibliothek von Alexandria 9, 86⫺8, 520, 1578 Bigramm 764, 1419, 1437, 1442, 1446 f, 1580, 1582, 1611⫺5

Bihari 532 Bilabial 176, 378, 1422, 1583, 1585⫺7 Bilderbogen 867 Bilderbuch 1143, 1210, 1319 Bilderrätsel > Rebus Bilderschrift 112, 252, 256, 289, 291 f, 348, 364, 492, 856 Bildschirm 63, 79, 132⫺6, 144, 449, 579, 581 f, 584, 660, 666, 959, 1068⫺70, 1072 f, 1593, 1605, 1623 Bildung > Erziehung Bildungssprache 473, 555 Bilingualismus 421, 427, 453, 596, 702 f, 746 f, 754, 757, 784, 791, 799⫺801, 1105⫺12, 1191⫺1203, 1300, 1303, 1312 Bilingue 286, 302, 313, 322, 409, 495, 747 Biliteralität 816, 1192, 1194, 1196 f, 1200 Binarität 579, 680, 1566, 1576, 1630 f, 1633⫺7 Bindestrich 691, 733, 1439, 1456, 1465, 1594, 1599, 1600; > Gedankenstrich Binnendiglossie 740 f, 743 Biographie 3, 397, 483, 488, 534, 576, 887, 1360 Biologie 11, 515, 680, 1101, 1113 blank > Spatium Bleisatz 205⫺13, 238, 1638 Bleistift 127, 129, 985, 990, 1073, 1619 Blindenschrift 1617, 1619, 1622⫺4, 1629 Blindlinierung 127 Blockbücher 90, 206 Blockbuchstaben 136 f, 1066 Blocksatz 206 f, 356, 1066 Bodoni 219 bold > Fettdruck book > Buch book trade > Buchhandel book-keeping > Buchführung Boustrophedon 47, 172, 179, 184, 298, 307, 317, 335, 1429 bracket > Klammer Brahmi 322⫺7, 341, 421, 453⫺5, 1428 f Braille-Schrift > Blindenschrift brain > Gehirn Brief 6, 12, 14, 22 f, 27, 32, 44, 52⫺8, 60⫺2, 124⫺6, 131, 137, 140, 148, 150, 152, 258, 310, 446, 476 f, 482, 486 f, 494⫺500, 507 f, 520, 528, 535, 540, 546, 556, 566 f, 587, 593, 620⫺2, 624⫺6, 684, 698 f, 701, 706, 715, 719, 771, 773, 814, 816, 838 f, 862, 873, 876 f, 887,

1046, 1139, 1142, 1184, 1186, 1230, 1268, 1278, 1280 f, 1285, 1293, 1295, 1303 f, 1323, 1361, 1451, 1471, 1477, 1479, 1481, 1485, 1489, 1498, 1546, 1556 f, 1604, 1611; > Korrespondenz Briefsteller 622, 1281, 1303, 1547⫺9 broadcast > Radio Brotschrift 213, 222, 226 Btx 583, 1320 Buchara-jüdisch 532, 756 Buchbinder 85, 88 f, 98 f, 127, 225 Buchdruck 2, 7⫺9, 14, 19, 28 f, 31 f, 35, 37 f, 49, 60⫺2, 69, 76, 83, 89⫺93, 98, 103, 109⫺11, 115, 123, 126, 130, 137, 166, 205, 207, 210, 216, 219, 225, 238⫺41, 245, 319, 328, 425, 428, 445, 530, 548, 568, 578 f, 585, 599, 630, 656, 658 f, 672, 675⫺7, 684, 692⫺4, 705, 712 f, 726, 752, 779, 816, 860, 863, 865, 867, 879, 895, 898⫺900, 909, 1068, 1170, 1230, 1392, 1493, 1500 f, 1510, 1563, 1617, 1621 Büchersprache 1472 Bücherverbrennung 32, 87 f, 895 f, 1273 Buchformat 57, 69, 87, 92, 97, 127⫺9, 207, 526, 539, 543 f, 548 Buchführung 60, 92, 154, 264⫺7, 283, 480, 482, 492, 546, 620 f, 626, 698, 719, 862, 1065 Buchgeschichte 57, 85⫺102, 123, 539, 544, 860 Buchhandel 8, 72, 85⫺7, 91⫺101, 104, 165, 485, 513, 520, 529, 538, 548, 863, 895, 1319 f, 1322, 1324 Buchklub 902, 1320, 1322 Buchkultur 82, 105, 108, 513, 520, 537, 539, 547, 1301, 1510; > Schriftkultur Buchmalerei 125 f, 235, 237, 239, 522, 1391 Buchproduktion 7, 76, 86, 89, 90, 92 f, 95, 523, 529, 544, 548, 557, 865, 867, 1500, 1622 Buchreligion 14, 27, 609, 755 Buchschmuck 49, 235, 237 Buchschrift 58, 174, 180, 182 f, 186 f, 190, 200, 213, 217, 228⫺6, 238⫺40, 244, 315, 476, 538, 540, 543, 545 Buchsprache 555, 743

Buchstabenerkennung ⫺ correspondence Buchstabenerkennung 136 f, 847, 1339 Buchstabenfolge 62, 72, 171, 237, 309, 313 f, 504, 687 f, 691 f, 694, 908, 911 f, 919, 921⫺3, 925, 927, 949⫺52, 1059, 1163, 1174 f, 1213, 1227, 1241⫺3, 1250, 1373, 1509, 1569, 1579, 1592⫺4, 1597, 1599, 1603, 1613 Buchstabenform 45 f, 171⫺95, 200, 204, 210, 213 f, 221, 226, 230, 235, 246, 307, 310, 313, 315, 320, 332, 505, 529, 532, 549, 986, 1027 f, 1031, 1038, 1043, 1049, 1062, 1089 f, 1213, 1243, 1246, 1300, 1373, 1509, 1572 Buchstabengröße 230, 249, 950, 1161 Buchstabenhäufigkeit 1339, 1612 Buchstabenmagie 237, 530, 533, 864 Buchstabennamen 273, 319, 330, 334 f, 504, 1075, 1078, 1082, 1383, 1563, 1597 f, 1600 Buchstabenschrift 248, 379 Buchstabieren 44, 118, 290, 294, 519, 635, 690, 704 f, 747, 775, 838, 848 f, 919, 922, 924, 927, 938, 988, 1121, 1170 f, 1288 f, 1295, 1316, 1360, 1380, 1392, 1441, 1443, 1465, 1481, 1564 Buchwesen 69, 87, 89, 93⫺9, 125, 520, 541, 544, 545 Buddhismus 254, 322, 324, 374 f, 388, 395, 434, 442⫺4, 451 f, 463, 606, 676, 698, 702, 754⫺6, 803, 807, 842, 857, 1416, 1420, 1429, 1474, 1480, 1482 Bulgarisch 597, 730, 756, 1594 f Bündigkeit 223, 225 f, 1227 bureaucracy > Verwaltung Burjatisch 753, 804 Burmesisch 327, 454, 703, 1603 butische Schrift 293 Byblos-Schrift 273, 287, 297, 301, 330, 332, 335, 422, 507

C calamus > Kalamus calculate > rechnen calendar > Kalender calligraphy > Kalligraphie canonical texts > Textkanon canonization > Kanonisierung Caoshu > Konzeptschrift capital letter > Großbuchstabe case study > Einzelfallstudie

catalog > Katalog catechism > Katechismus CD 165 f, 580, 584, 1619 Cedille 1596, 1622 censorship > Zensur Chaha 818 f Chanson 563⫺5, 593, 1398, 1492 chapter > Kapitel character > Schriftzeichen character recognition > Buchstabenerkennung Chazarisch 756 Cherokee 324, 432, 706, 712 f, 715 Chi 179, 377, 1596 f Chiffrieren > Verschlüsselung Chinese characters > Hanzi Chinesisch 34, 42 f, 47, 113, 127, 136, 186, 205 f, 229, 252 f, 256 f, 259, 260⫺2, 271, 329 f, 341, 345, 347⫺82, 383⫺402, 418, 435⫺51, 456, 458, 509, 535, 592, 598, 606, 656, 672 f, 676, 680, 698, 700, 702⫺4, 709, 714, 717 f, 724, 741, 743 f, 747, 752, 754, 759, 783, 835⫺59, 899, 908, 927, 938, 958, 1101⫺13, 1147, 1213, 1309⫺13, 1315, 1317, 1371, 1373 f, 1381, 1382, 1384, 1385, 1386, 1404⫺13, 1416, 1418, 1442, 1467⫺75, 1479⫺82, 1559, 1565, 1582, 1589, 1601 f, 1626 chinesische Schriftzeichen > Hanzi Cholsprachen 408 f, 412 Christentum 11, 27 f, 36, 58, 71, 79, 87⫺9, 124⫺6, 149, 231, 233, 235, 237, 289, 303, 317, 344, 392, 434, 440, 444, 522, 525, 537⫺9, 542, 556, 558, 560, 562, 565 f, 604⫺10, 650, 755, 803, 814⫺6, 820, 863, 879, 1303, 1482, 1484, 1500, 1509 Christianisierung 88, 344, 538, 555⫺7, 803 christianity > Christentum Chronik 60, 153, 483, 486, 495, 500, 508, 518, 561, 564⫺6, 597, 814, 816, 895 chunking 1018, 1058 church > Kirche Cicero 211⫺3 Clarendon-Schrift 220 clause > Teilsatz clerk > Verwaltung clustering 1252 f code > Kode codex > Kodex

1699 codification > Kodifikation cognition > Kognition cognitive development > kognitive Entwicklung coherence > Kohärenz cohesion > Kohäsion College 9, 457 f, 464 f, 639, 641, 846, 849, 851, 1302, 1317, 1325, 1327, 1477; > höhere Schulbildung colloquial language > Umgangssprache colon > Doppelpunkt column > Kolumne com- > KomComics 81, 1318, 1320, 1648 comma > Komma commentary > Kommentar common script > Gemeinschrift compact disc > CD composition > Aufsatz compound > Zusammensetzung comprehension > Verstehen compulsory schooling > Schulpflicht Computer 8, 62 f, 81, 83, 132⫺6, 141⫺5, 158⫺61, 164⫺9, 417, 422, 449, 536, 577⫺85, 623, 637, 652, 660, 759, 771, 898, 900, 910, 915, 932, 959, 1024, 1029, 1033, 1059, 1065, 1068⫺73, 1220, 1296, 1303, 1443 f, 1531, 1557, 1578, 1581, 1590, 1605, 1608, 1616, 1619, 1623, 1627⫺31, 1637 Computerdrucker 134, 142⫺4, 449, 1059 Computermodell 968, 974 Computerschrift 1628 Computersprache 1557 con- > Konconnectionism > Konnektionismus connotation > Konnotation Conscientization 786 f, 827, 830 consciousness > Bewußtsein consonant > Konsonant context > Kontext convention > Konvention conversation > Konversation Coptic > Koptisch copula > Kopula copy > Abschreiben copy > Abschrift copy > Fotokopie copyright > Urheberrecht Corean > koreanisch corpus > Korpus Corpus Iuris Civilis 522, 612 f, 615 correction > Korrektur correspondence > Korrespondenz

Cortex ⫺ Dialekt

1700 Cortex 1032, 1057 f, 1060, 1103, 1113, 1213; > Gehirn Courier 135 cover> Einband creation of a script > Schriftschöpfung creativity> Kreativität Cree 14, 702, 753 creole language> Kreolsprache Cretan > Kretisch cryptography> Geheimschrift cuneiform writing> Keilschrift Curriculum 9, 434, 465, 640, 789, 802, 1109, 1119, 1121⫺3, 1139, 1237, 1245, 1263, 1269, 1276, 1286⫺9, 1292 f, 1296 f, 1304, 1325, 1550 cursive writing > Kursive CV > Konsonant-Vokal-Verbindung Cyprian > zyprisch Cyrillic > kyrillisch

D Dadaismus 248, 684 Dai-Schriften 855⫺9 Daleth 174, 1278; > Delta Dänisch 594, 702, 724, 729 f, 763, 1461 Darstellungsfunktion der Sprache 985 f database > Datenbank Datenbank 63, 132 f, 138, 146, 158⫺69, 579 f, 584, 885, 932, 976, 1020, 1022, 1070, 1320, 1413 Datenschutz 146, 166 Datenübertragung 143, 161, 583, 1581, 1068, 1629, 1636 f Datenverarbeitung 19, 39, 130⫺7, 141, 144 f, 155, 158 f, 161⫺6, 169, 205, 210, 213, 447, 449, 450, 577⫺80, 583 f, 624, 634, 660, 666, 676, 691, 885, 1037, 1056, 1059, 1067 f, 1398, 1413, 1532, 1578, 1590, 1593, 1616, 1619, 1629⫺31, 1633, 1635 deafness > Gehörlosigkeit deciphering > Entzifferung decoding > Dekodieren decontextualization > Situationsentbindung deep dyslexia > Tiefenalexie Defektivschreibung 535, 1435, 1436 Dehnung 280, 696, 1166, 1373, 1422, 1453 f, 1600 Deixis 21⫺3, 168, 623, 1390 f, 1501, 1626

Deklination 286, 365, 1279, 1510 Dekodieren 62, 772, 775, 825 f, 905, 907, 911, 915, 916, 1016, 1075, 1078 f, 1106⫺8, 1112, 1155, 1206, 1218, 1290 f, 1338, 1357, 1360, 1561, 1629, 1631; > phonologisches Rekodieren; > Entzifferung Dekonstruktion 36, 650, 652, 660, 682 Dekorationsschrift 220, 250, 528 dekorative Funktion der Schrift 235, 245⫺50, 307, 315, 317, 442, 476, 485, 520, 533, 1146 Delta 176, 185, 1279, 1574; > Daleth Demographie der Literalität 767⫺78, 794, 883 Demokratie 8, 34, 56, 86, 341, 395, 424 f, 429, 635, 656, 737, 743, 767, 804 f, 829 f, 877, 880 f, 1247, 1275, 1474, 1481 Demonstrativpronomen 370, 1434 f, 1484 demotische Schrift 292⫺6, 334, 418, 421, 473, 477, 483, 486⫺9, 505, 747, 761, 1572 Demotisierung der Schrift 34, 109 f, 116, 694, 1388 Denkprozeß 10, 37, 49, 69, 74, 159, 549, 628, 651, 655⫺7, 665, 669, 835, 877, 984 f, 1000, 1014, 1131, 1134, 1137, 1142, 1170, 1173 f, 1179, 1181, 1185, 1207, 1212 f, 1221, 1233, 1255, 1261, 1282, 1335, 1345, 1352, 1359, 1392, 1531, 1548 f Dental 317, 320, 327, 366, 378, 819, 1148, 1430, 1433, 1486, 1489, 1587, 1601 derivation > Ableitung Deseret-Alphabet 755 Desktop-Publishing 132⫺45, 210, 579, 584, 660, 1068 f Determinativum 260⫺3, 276⫺80, 283, 290⫺5, 330, 358, 364, 365 f, 370 f, 376 f, 379, 393 f, 397 f, 401 f, 406, 410, 414 f, 417 f, 422, 710, 938, 1112, 1311, 1384, 1405⫺10, 1433; > Klassifikator determiner > Artikel Deutsch 1, 7⫺10, 12, 24, 29, 66, 76, 78 f, 88, 90, 93⫺101, 106, 110 f, 116, 128, 160, 165, 173, 214, 219, 239⫺41, 244, 365, 463, 547, 555, 559⫺62, 592, 594⫺600, 616, 621, 632, 659, 661, 672, 674 f, 681, 688,

690, 692⫺5, 721⫺6, 728⫺30, 733 f, 736, 746, 751 f, 756, 761 f, 764, 804, 860⫺4, 867 f, 870, 883, 887⫺9, 895 f, 908, 923, 926, 928, 948, 1033, 1062, 1096, 1121, 1126, 1131, 1137⫺40, 1148, 1156 f, 1159 f, 1162, 1166, 1175, 1191, 1195 f, 1207, 1227, 1231⫺5, 1243 f, 1249, 1254, 1268 f, 1271⫺5, 1281⫺3, 1300, 1307, 1309, 1320, 1322, 1324, 1326⫺8, 1330, 1340, 1343 f, 1346, 1351, 1353, 1370, 1373, 1375 f, 1388, 1392, 1394, 1396, 1409, 1411 f, 1422, 1451⫺6, 1459, 1461⫺4, 1477, 1500⫺2, 1510⫺2, 1528, 1545⫺53, 1556, 1569, 1577, 1580⫺4, 1587, 1592, 1594 f, 1597, 1600, 1605, 1607, 1617, 1619, 1622⫺4, 1627, 1634 Deutschdidaktik 1233, 1277, 1554 Deutsche Industrie Norm > DIN Deutschkunde 1272, 1274 Deutschunterricht 1122, 1162, 1226, 1234⫺6, 1245, 1262, 1269, 1271 f, 1274⫺6, 1282⫺4, 1325 Devanagari 289, 294⫺6, 326⫺8, 453⫺5, 457, 459, 743, 1373, 1384 f, 1428 f, 1601 developmental dyslexia > Legasthenie developmental psychology > Entwicklungspsychologie dexterity > Händigkeit Dezimalsystem 1411, 1569, 1576, 1631 Diachronie 27, 33, 37, 171, 188, 597, 660, 676, 762, 771, 1372, 1389, 1445, 1450, 1454, 1496, 1498 diakritische Zeichen 177, 179, 184, 186, 197, 269, 272, 312, 3⫺6, 323, 326 f, 346, 391 f, 444, 453, 506, 526, 529, 676, 703 f, 711, 716 f, 804, 807, 809, 819, 989, 1300, 1370, 1373, 1386, 1418 f, 1429 f, 1437 f, 1446, 1449, 1577, 1580 f, 1586 f, 1589 f, 1592⫺1603, 1628 Dialekt 9, 98, 117, 177, 275, 302, 305, 308, 316, 320, 323, 328, 348, 364 f, 377, 381, 418, 421, 437, 455 f, 459 f, 464, 467, 469, 495, 498, 565, 567, 589, 594⫺600, 607, 642, 676, 689 f, 693, 699, 702 f, 705⫺7,

Dialog ⫺ Einsilbigkeit 714 f, 717 f, 739, 742, 752⫺5, 757, 775, 807, 835, 838, 842, 845, 848, 856 f, 869, 1146, 1165, 1176, 1194 f, 1201, 1280, 1300, 1305, 1307, 1311 f, 1378, 1394⫺6, 1399, 1410, 1418, 1420, 1428, 1433 f, 1446, 1470 f, 1482⫺93, 1546, 1574, 1583 f, 1600 Dialog 9, 13, 71, 103⫺5, 109, 164 f, 169, 452, 496, 574, 576, 588, 590, 648 f, 651, 787, 826, 904, 989, 1132, 1135, 1136, 1139, 1186, 1188, 1229, 1262, 1294, 1304 f, 1307, 1325, 1440, 1463⫺5, 1479, 1496, 1515; > Gespräch; > Konversation Diaphasik 592, 594 f, 599 f, 1389 diary > Tagebuch Diastratik 592, 594 f, 598⫺600, 1389 Diatopik 22, 25, 29 f, 38 f, 111, 594⫺600, 1389, 1492 Dichtersprache 518, 567, 597, 1484 Dichtung 5, 74, 76, 78, 86, 90, 96, 103⫺5, 107 f, 112, 126, 311, 336, 356, 385, 402, 420, 428, 480, 485, 487, 493, 495, 497, 504, 508 f, 512⫺5, 518, 520⫺2, 533, 535, 556⫺67, 592 f, 596 f, 606, 646⫺8, 657 f, 660, 662, 664, 669, 682, 814 f, 820, 843, 1130, 1132 f, 1136, 1230⫺35, 1268⫺70, 1272⫺5, 1280 f, 1283, 1287, 1292⫺5, 1300, 1302, 1327, 1394 f, 1398, 1480 f, 1484, 1492, 1504, 1528, 1545, 1547, 1550, 1553⫺5 Dickte 207, 223 dictation > Diktat dictionary > Wörterbuch Didaktik 28, 35, 37 f, 74, 106, 285, 492, 630, 634, 690, 729, 825, 828, 887 f, 1002, 1005, 1020, 1121⫺27, 1138⫺40, 1153, 1157, 1166, 1217, 1220⫺3, 1226, 1231, 1233⫺7, 1251 f, 1254 f, 1261⫺77, 1282 f, 1307, 1344, 1360, 1362 f, 1378, 1484, 1492, 1537, 1539, 1551, 1554, 1577 Digamma 176, 179, 517, 1574, 1596 Digitalisierung 135, 141, 166, 210, 213, 692, 1029, 1033, 1068, 1072, 1619, 1637, 1639 Diglossie 272, 460, 468, 566, 596, 599 f, 607, 699, 739⫺44,

1701 754, 757, 759, 1193, 1195, 1300, 1307, 1398, 1478, 1483, 1485, 1488 f, 1491 Digramm > Bigramm Digraph > Bigramm Digraphie > Zweischriftigkeit Diktat 49, 54⫺9, 61, 87, 89, 133, 197, 521 f, 543, 548, 587, 876, 987 f, 1058, 1060, 1122, 1139, 1143, 1162, 1242, 1251, 1258, 1278, 1302, 1304, 1345, 1549, 1579, 1604 Diktatschrift 1604, 1607 DIN 137, 141, 164, 211, 223 f, 584, 633, 694, 1062⫺5, 1511, 1592, 1594, 1600, 1617, 1619 Diphthong 280, 327, 399, 1300, 1397, 1429 f, 1446, 1453, 1486, 1489, 1592, 1596, 1600⫺2, 1611 diplomatische Minuskel 545 Diskriminationsfähigkeit 1157, 1173 f, 1220, 1337 Diskurstradition 5, 67, 589 f, 593 f, 601 Diskus von Phaistos 205, 258, 272, 287, 422, 511 Distanzsprache 588 f, 591, 593⫺600, 1392, 1502 Dokumentanalyse 132, 134, 138, 140 f Dokumentationsschrift 1241 Dominanzsprache 811 Domschule 90, 541, 543, 545, 546, 861, 862, 1280 Dongba-Schrift 856 Doppelblatt 124, 127, 543, 1621 Doppelgraphem > Geminate Doppelpunkt 223, 692, 1411, 1422, 1430, 1440, 1456 f, 1462, 1512, 1598 doppelte Artikulation 11, 42, 689, 1369 f, 1372 f, 1456, 1502 doppelte Kodifikation 694, 722 Dopplungspunkte 410 Dorisch 336, 597, 741 dravidische Sprachen 275, 322, 326, 422, 455⫺7 Dreilinienschema 184 Druckbuchstaben 683, 1242, 1626 Drucker 8 f, 63, 91 f, 94, 110 f, 132, 180, 216 f, 219, 225, 630, 658 f, 692⫺5, 726, 895, 1510 Druckerei 85, 91 f, 132, 211, 240, 677, 726, 818, 863, 898 f, 1059, 1622, 1638 Druckerpresse 7, 205⫺9, 238, 428, 467, 536, 710, 712, 815 Druckerzeugnisse 8, 32, 91, 359, 446 f, 584, 726, 895, 1043

Druckfarbe 91, 142, 208⫺10, 1228 Druckfehler 929, 940 Druckort 92, 214, 225 Druckqualität 136 f, 142⫺4 Druckschrift 159, 198, 205, 210, 214, 216 f, 219, 222 f, 230, 238, 241, 356, 386, 537, 692, 752, 987, 1046, 1243 f, 1247, 1299, 1405, 1433, 1631 Drucktechnik 111, 142, 205, 207, 209 f, 220, 578, 692, 803⫺6, 809, 1303, 1396, 1593 f, 1639, 1643 Drucktype > Font Druidenschrift > Ogham-Schrift dual route hypothesis > ZweiWege-Theorie der Worterkennung Duden 24, 688, 694, 723, 727, 889, 1062, 1581 Duktus 184, 186, 188⫺90, 193, 197⫺9, 217, 231, 237⫺9, 248⫺50, 283, 287, 296, 301, 303, 310, 314 f, 331, 335, 353⫺6, 358⫺9, 386, 525, 587, 647, 661, 908, 1243, 1279, 1304 Duktusschrift 1243 Durchsatz 137, 141 Durchschrift 1040 Durchschuß 213, 223 f Durchstreichen 661, 666 f, 1052 Dutch > Niederländisch dysgraphia > Agraphie dyslexia > Alexie dyslexia > Legasthenie Dysphasie 1332 Dyspraxie 1210 f, 1213

E e-mail 133, 425, 583 f EBCDI-Kode 144, 1631 Edition 70, 85, 88, 544, 91 f, 515, 567, 579, 659, 661, 666, 668, 674 f, 677, 809, 895, 1171, 1302, 1391 Editor 92, 135, 578 f, 911 Edomitisch 505 education > Erziehung Egyptian > Ägyptisch Egyptienne 220 Eigentumsmarke 344 Eilschrift 1607 Einband 49, 85, 87, 89, 92, 126, 249 Einschriftigkeit 1194 f, 1197, 1201 Einsilbigkeit 347, 375, 384, 401, 444, 711, 841, 965, 1279, 1329 f, 1337, 1397, 1439, 1467 f, 1472

Einsprachigkeit ⫺ Erziehung

1702 Einsprachigkeit 461, 746 f, 750, 753, 1109 f, 1112, 1191⫺1201, 1582 Einzelfallschreibung 695, 722, 725, 727, 730, 733 Einzelfallstudie 936, 1085, 1157, 1340, 1343 Einzellaut 332, 378, 399, 821, 904 f, 907, 1250, 1375 Ejektiv 819, 1587, 1592 Elaboriertheit 742, 1391, 1392 Elamisch 275, 283, 286, 339, 418, 421, 492, 496, 499, 500 elektronisches Papier 132, 134, 1033 Elementarbücher 1305, 1486 Elementarschule 7, 9, 20, 35, 56, 61, 429, 457, 464, 515, 519, 639, 648, 767, 769 f, 781, 785 f, 788, 791, 793, 796 f, 828, 836, 841, 843 f, 846, 849, 863 f, 870, 884, 1103, 1140, 1278 f, 1287, 1291, 1293, 1295, 1297, 1303, 1313, 1317 elementary education > Elementarschule Ellipse 307, 412, 696, 997, 1399, 1458, 1461, 1475, 1477, 1496, 1506, 1607 Elocutio 1261, 1282, 1546 f Elsässisch 600 Elymäisch 305 Emanzipation 77, 113, 787, 805 f, 808, 827, 895, 1123, 1236, 1327 Emblem 256 f, 282, 535, 1156, 1565 f Emotion 24, 103, 228, 248, 425, 583, 588, 590 f, 621⫺4, 661, 736, 894, 932, 939, 999, 1012, 1021, 1118, 1154, 1180, 1186, 1226, 1237, 1242, 1249, 1251, 1287, 1345, 1351, 1353, 1421, 1554, 1638 Emphase 278, 317, 1287, 1420⫺2, 1486 emphasis > Hervorhebung Empraxie 22, 591, 1181 encyclopedia > Enzyklopädie Endbuchstabe 505, 526, 990 Endlaut 384, 1159, 1397, 1400, 1438, 1600 Endung 280, 316, 348, 397 f, 526, 532, 1158, 1165 f, 1434, 1484, 1487, 1490, 1606, 1611 Englisch 7, 43, 45, 46, 63, 73, 111, 113, 128, 262, 380, 426 f, 435, 454, 456, 458 f, 461⫺5, 468, 558 f, 594, 596, 600, 605, 631, 639, 676, 697, 700⫺2, 704⫺6, 710, 712 f, 719, 730, 733, 754, 756, 759,

761⫺3, 773, 782⫺4, 826, 828, 876, 879, 881, 899, 932 f, 938, 946, 948, 958, 960, 962, 964, 966⫺9, 1033, 1062, 1069, 1072, 1075, 1077, 1081, 1083⫺5, 1094⫺7, 1099, 1103⫺7, 1109⫺11, 1147, 1157, 1159, 1166, 1175, 1193 f, 1196⫺1203, 1231, 1243, 1250, 1254 f, 1272, 1286⫺90, 1292, 1294⫺7, 1300, 1303, 1309, 1313, 1368, 1371⫺3, 1375⫺7, 1382, 1385, 1416, 1422, 1430, 1441⫺4, 1451, 1459, 1462⫺4, 1466, 1477, 1480, 1485, 1487, 1494⫺8, 1511, 1513, 1549, 1559, 1563 f, 1566 f, 1585, 1591, 1597, 1600⫺3, 1605, 1607, 1623, 1626 Engramm 1058 f, 1253 Enklise 1393, 1439 Entlehnung 129, 272, 277, 345, 348, 352, 370, 386, 388, 401, 457, 460, 494, 535, 591 f, 658, 705 f, 747, 754 f, 760, 762⫺4, 811, 815, 932, 1102, 1280, 1313, 1317, 1372, 1397, 1416, 1420, 1424, 1451, 1466, 1474, 1479, 1481, 1486 f, 1492⫺4, 1578, 1601 Entschlüsselung > Entzifferung Entwicklungspsychologie 986, 1011⫺3, 1124, 1154, 1158, 1160 f, 1163, 1165 f, 1174, 1178, 1181, 1185 f, 1207, 1209⫺13, 1220, 1275, 1332, 1341⫺3 Entzifferung 33, 66, 228, 258, 260, 274, 282, 297 f, 308, 310, 322, 334, 351, 405 f, 409 f, 416⫺22, 451, 453, 511, 532, 659, 661, 666, 668, 680, 682, 747, 973, 1112, 1171, 1382, 1429, 1608, 1612 f, 1615 Enzyklopädie 8 f, 18, 113⫺6, 214, 379, 462, 477, 492, 521, 549, 590, 629, 863, 983, 1521, 1580 Epenthese 1370 Epigraphik 34, 53 f, 148, 172, 180, 187, 301, 307, 309 f, 315, 419, 477, 495, 518, 526⫺30, 532, 1507 Epik 3, 5, 56, 86, 108, 281, 336, 418, 420, 452, 494, 497, 499, 500, 513, 518, 520, 561⫺3, 565, 597, 606, 646⫺9, 814, 1275, 1398, 1554 Epiolmekisch 405, 406, 408 epistemisches Schreiben 13, 992, 1010, 1022, 1023, 1531

Epistemologie 1, 20, 648, 655, 657, 660, 972, 1498 Epistolographie 520, 1546 f Epsilon 176 f, 179, 182, 1596 Erbauungsliteratur 68, 75 f, 90, 544, 548, 631, 863, 867 Erfassungsfunktion der Schrift 728, 1390 Ergänzungsstrich 1465 Erlebnisdidaktik 1283 Erlesen 725, 1155⫺60, 1165, 1226, 1337 f, 1342⫺4, 1392 f Erörterung 1021, 1186 f, 1261, 1263, 1284 error analysis > Fehleranalyse Erstlesen 110, 1125, 1127, 1153, 1156 f, 1159, 1166, 1172, 1174, 1176, 1217, 1226, 1241, 1247, 1319, 1331, 1343, 1361, 1363; > Anfangsunterricht Erstschreiben 1125, 1127, 1153, 1240⫺7, 1331; > Anfangsunterricht Erstsprache 1191, 1193, 1195 f, 1198 f, 1200⫺3 Erwachsenenbildung 468, 770, 781, 784, 786, 788 f, 791 f, 797, 807, 822, 828 f, 831, 838, 840, 843, 884, 1322, 1326 f Erzählen 2 f, 36, 65, 97, 108, 159, 168, 348, 413, 423 f, 426, 428, 432 f, 447, 456, 463, 467, 480, 483, 486 f, 495, 497, 500, 506, 509, 556 f, 561, 568, 574, 580, 606, 622, 641, 648, 667⫺9, 773, 775 f, 866, 973, 998, 1001, 1143, 1145, 1172, 1184⫺6, 1188, 1227, 1230, 1233, 1261, 1263, 1265 f, 1280, 1282⫺4, 1292, 1296, 1304, 1325, 1392, 1424, 1481, 1496, 1498, 1520 f, 1529 f, 1536, 1538, 1540, 1550, 1557 Erziehung 9, 13 f, 41, 72, 95, 242, 245, 426 f, 435, 456, 458 f, 460, 463, 465 f, 469, 481 f, 485 f, 506, 556, 558, 561, 636, 638⫺40, 698 f, 701 f, 713, 742, 767, 774, 779, 783 f, 785, 787 f, 790⫺801, 815, 818, 826⫺31, 836⫺51, 864, 869 f, 878 f, 938, 1027 f, 1031, 1107, 1109, 1111, 1120, 1125 f, 1137 f, 1154, 1192, 1194⫺7, 1201, 1205, 1207, 1210, 1214, 1220, 1223, 1230, 1233⫺6, 1243, 1246, 1268-, 1271⫺5, 1278⫺80, 1286, 1291, 1293, 1297, 1306, 1312, 1314, 1317, 1356, 1360, 1428, 1477, 1491, 1551

Erziehungsmodell ⫺ Fremdsprache Erziehungsmodell 1191 f, 1196 f, 1201 f, 1272 Erziehungswesen 378, 395, 452, 635, 817, 821, 846, 1137 Erziehungswissenschaft 993 f, 1124 f Eskimosprachen 702, 753, 1200 Esperanto 673, 753 essay > Aufsatz Essay 1, 5, 12, 637, 639, 643, 656, 847, 1186, 1293, 1295, 1314, 1325, 1469, 1479, 1498, 1557 Estrangelo 305 Eta 177, 179, 337, 1596 f Eteokretisch 337 Eteokyprisch 273 Ethiopian > Äthiopisch Ethnographie 425⫺7, 639, 642, 644, 772, 878, 984 Ethnomethodologie 745, 1555 f Etruskisch 184, 337, 341, 416, 517 f, 743, 763 Etymologie 107, 111, 114, 116, 262, 281, 290, 320, 449, 517, 658, 679, 919, 1375 f, 1395, 1397, 1399, 1400, 1419, 1428, 1436⫺8, 1440, 1445, 1448, 1450, 1489, 1548 Evangeliar 199, 235, 539, 544, 814, 1137, 1500 examination > Prüfung exclamation mark > Ausrufezeichen Experiment 629, 631, 656, 905 f, 912, 914, 918⫺21, 923, 925, 928 f, 932, 934⫺6, 938⫺40, 943⫺6, 949⫺3, 959, 969, 972, 977, 983 f, 986 f, 990, 995 f, 1030 f, 1043, 1046 f, 1050, 1055, 1057 f, 1063, 1096⫺8, 1109, 1112, 1124 f, 1142, 1148, 1157, 1161, 1165, 1175, 1179, 1181, 1198 f, 1212, 1286, 1332, 1337⫺9, 1342, 1344, 1520 Expertensystem 167 f, 581 f, 1020 Explicit 89, 540 Explizitform 1453 f Exzerpieren 506, 521 f eye movements > Augenbewegungen

F Fabel 74, 487, 648, 1261, 1280, 1586 Fachbuch 85, 98, 534 Fachdidaktik 1124, 1138, 1246 f, 1252, 1254, 1256, 1276, 1283 f, 1325

1703 Fachsprache 97, 618, 621 f, 627, 633 f, 754, 1420, 1504, 1507, 1511, 1513, 1557 fair copy > Reinschrift Fälschung 32, 441, 529, 1037, 1041, 1043, 1045, 1047, 1411, 1562, 1610 Falzung 70, 124, 127, 129 Fano-Kode 1634 Far Soomaali 747 Färöisch 594 FAX 133, 141, 144, 583 Fehleranalyse 581, 745, 758, 989, 994, 1016, 1063, 1110, 1157 Felszeichnungen 30, 1146 Fernschreiber 132, 1068, 1630 Fernsehen 2, 9, 13, 79, 81, 582, 642, 757 f, 762, 848, 871, 898, 1149 f, 1236, 1300, 1318, 1322, 1396, 1424, 1488, 1552, 1605 Fettdruck 134, 579, 1461; > Hervorhebung Fibel 9, 799, 808, 821 f, 825 f, 844, 888, 1123, 1139, 1157, 1159, 1174, 1220, 1222, 1245, 1304, 1339, 1355, 1434 Film 79, 594, 666, 757, 871, 898⫺901, 1322, 1412 Fingeralphabet 1062, 1206⫺8, 1623⫺8 fingerspelling > Fingeralphabet Finnisch 346, 596, 753, 773, 958, 1200 f Fixation 908⫺9, 911, 920 f, 926, 929, 935, 943⫺54, 961, 965, 967, 1161, 1175, 1219, 1227, 1334 Flachdruck 70, 205, 209 f Flaggenalphabet 1629 Flexion 116, 263, 277, 279, 285, 347 f, 385, 420, 746, 912, 940, 958, 967, 975, 1171, 1304, 1371, 1384, 1438, 1441, 1446, 1453 f, 1484, 1487, 1490 Fließtext 1070 Flüchtigkeit der gesprochenen Sprache 18, 611, 660, 691, 903, 915, 1173, 1547 Flugblatt 76, 93, 109, 863, 867, 897 Foliantenschrift 213 Font 92, 134⫺8, 703, 712, 926, 959, 961, 1628 footnote > Fußnote Förderunterricht 1213, 1323, 1331 f, 1335, 1340, 1343, 1345, 1351, 1355, 1357, 1361 foreign language > Fremdsprache forensische Schriftanalyse 1036, 1038 f, 1043, 1046 f, 1056 f, 1059⫺2, 1067, 1589

forerunners of writing > Vorläufer der Schrift forgery > Fälschung formal education 466, 468, 701, 713, 719, 767, 781, 791, 797, 825, 828, 851, 1075 Formatieren 63, 160, 168, 1068, 1069, 1072, 1631 Formular 133, 135 f, 138, 140, 159, 283, 492 f, 496⫺9, 507, 518, 580, 621, 623, 770, 876, 877, 886, 1046, 1061, 1065, 1149, 1417 Formularsprache 555 Formulierungsprozeß 107, 1007, 1008, 1010 f, 1017⫺20, 1024, 1058, 1072, 1263, 1265⫺7, 1282, 1503, 1529, 1530 f Fortbildung 1061, 1321, 1324⫺6 Fortsetzungsroman 902, 1325 Fotografie 898, 1037, 1638 Fotokopie > Kopieren Fotosatz 210, 212, 246, 394 Fragesatz 1304, 1439 f, 1458 Fragezeichen 541, 1411, 1422, 1440, 1456⫺8, 1463, 1598 Fraktur 214, 216, 239⫺41, 244⫺8, 392, 752, 755, 804 Frametheorie 998, 1001 f, 1018, 1184⫺7, 1528, 1536, 1538 Fränkisch 89, 199, 597, 690, 1137 Französisch 6 f, 9, 12, 29, 73, 110 f, 116, 200, 402, 435, 463, 559, 561, 563 f, 566 f, 592⫺600, 612, 642, 674, 676, 699, 701, 703, 710, 712, 714, 718, 730, 733, 741, 752, 754, 757, 759, 762 f, 782⫺4, 796, 816, 860, 885, 899, 1033, 1085, 1107, 1175, 1195 f, 1198 f, 1200, 1202, 1231, 1235, 1250, 1272, 1300, 1303, 1309, 1363, 1372 f, 1375 f, 1385, 1388⫺90, 1392⫺1401, 1416, 1445⫺51, 1455, 1459, 1463⫺5, 1485, 1487, 1491⫺4, 1546 f, 1549, 1556, 1559, 1563 f, 1590, 1605, 1607, 1614⫺6, 1622 Frauenhandschrift 386, 388, 1420 Frauenliteralität 72⫺7, 81 f, 426, 519, 767⫺9, 776, 784, 786, 788, 793, 826, 830, 843, 849⫺51, 881, 1306, Frauenliteratur 1322 Frauenschrift 447, 455, 673 Frauenschule 808 Fremdgraphem 746, 759 f, 762, 764 Fremdsprache 95, 339, 447, 542, 782, 860, 1020, 1191, 1196,

1704 1307, 1420, 1423, 1435, 1477, 1513, 1528, 1549, 1564, 1591 f Fremdspracherwerb 890, 1198 f, 1507, 1585 Fremdwort 285, 294, 317, 391, 394, 396, 621, 624, 723, 730, 734 f, 752, 760, 762, 1228, 1372, 1417, 1419, 1435⫺8, 1440, 1443, 1451, 1453⫺5, 1466, 1487, 1492, 1551 French > Französisch frequency effect > Häufigkeitseffekt Frikativ 45, 761, 819, 905, 1430, 1442, 1585, 1587, 1592, 1600 Frühdrucke 91, 211, 214, 216, 223; > Inkunabel Frühlesen 1141, 1149 f, 1208 Frühneuhochdeutsch 598, 676 funktionale Literalität 35, 426, 429, 637 f, 767, 770⫺5, 780, 785⫺7, 790, 794⫺6, 825, 827, 884⫺902, 1307 funktionale Satzperspektive 977, 989, 997, 998 f, 1001, 1496 f, 1503, 1519⫺21, 1524 Funktionalstilistik 180, 183, 188, 1504, 1554, 1557 Funktionswort 821, 1083, 1086 f, 1102, 1343, 1376, 1442, 1472 f, 1606 Furigana 1420 Fußnote 7, 63, 139, 207, 213, 580, 1066, 1069, 1305, 1391, 1461, 1504 Fußschrift 990 Futhark > Runenschrift Futura 230, 246

G Galegisch 70, 565, 597, 1394 Gälisch 600 Galizisch 1394, 1398 Galla 320 Gallizismus 592, 761 f, 1454 f Gamma 175 f, 178 f, 184, 517, 1278, 1597; > Gimel Ganzheitsmethode 1154, 1156, 1218, 1241, 1244, 1363 Ganzsatz 1458, 1463 Gautscher 128 Ge’ez 317 f, 320, 755, 814⫺6, 820, 821 Geba-Schrift 856 Gebärdenschrift 1627, 1628 Gebärdensprache 867, 1205⫺7, 1211, 1214, 1624⫺8 Gebet 74, 235, 385, 484, 486 f, 499, 518, 1130, 1550 Gebrauchshandschrift 89

Fremdspracherwerb ⫺ geschriebene Sprache Gebrauchsliteratur 52 f, 865, 1515, 1521 f Gebrauchsschrift 185, 188, 214, 238, 362, 365, 543, 548, 1607, 1627 f Gedächtnis 10, 18, 49, 52, 71, 75, 106, 109, 115 f, 122, 324, 423, 428, 433 f, 483, 514, 525, 529, 611, 615, 620, 625, 643, 647, 649, 663, 715 f, 773, 818, 911 f, 921, 924, 928 f, 937 f, 940, 969, 974, 984 f, 988, 990, 1007, 1014 f, 1018, 1030, 1033, 1057 f, 1080, 1084, 1088, 1094, 1104, 1107, 1110⫺2, 1118, 1125, 1162 f, 1172, 1176, 1211⫺3, 1249⫺52, 1256, 1261, 1270, 1301 f, 1311, 1335, 1337, 1356, 1358, 1360, 1392, 1510, 1536, 1539, 1541, 1578, 1581 Gedächtniskultur 53, 556, 593, 1301 Gedankenstrich 1412, 1422, 1440, 1456 f, 1463, 1465; > Bindestrich Gedeo 823 Gedicht 56, 61, 354, 385 f, 397, 402, 418, 420, 444, 452, 487, 527, 528 f, 532 f, 547, 559, 562, 565⫺7, 662, 673, 679, 683, 773, 895, 1144 f, 1229, 1232⫺4, 1269, 1271, 1281, 1304 f, 1313 f, 1317, 1321, 1325, 1327, 1480 f, 1538, 1562, 1612 Gegenreformation 94, 109 Geheimschrift 32, 112, 294, 344, 417, 419 f, 476 f, 673, 1608⫺16, 1629, 1631 Geheimsprache 535 Gehirn 1, 661, 906, 928, 936, 962 f, 990, 1032, 1050⫺2, 1057, 1084, 1089, 1090, 1108 f, 1113, 1176, 1207, 1212, 1219, 1253, 1329, 1333 f; > Cortex Gehirnschrift 990 Gehörlosenpädagogik 1211, 1214, 1624, 1626 Gehörlosigkeit 1205⫺14, 1352, 1624, 1626, 1628 Gelegenheitsschreiber 1058, 1065 f Gelehrtenschule 1281, 1548 Gelehrtenstil 1551 Gemeindeschule 880 Gemeinschrift 438, 455 Gemeinsprache 621, 1551 Geminate 280, 316, 320, 696, 819, 1433, 1453, 1454, 1598; > Konsonantengemination Geminationsstrich 1511 f

gender > Genus Genealogie 36, 311, 562 generative Grammatik 652, 979, 1018, 1288, 1389, 1458, 1520, 1527 genetischer Kode 11, 44, 680 Genitiv 277, 279, 285, 1466, 1487 Genus 109, 912, 1376, 1446, 1448 f, 1474, 1487 Geometrie 10, 241, 244, 249, 493, 529 Georgisch 330, 344, 745, 755, 757, 803 f, 1597 Gericht 481, 495 f, 499, 533, 594, 611⫺3, 615, 617, 865, 896, 900, 1045, 1059, 1061, 1261, 1280, 1471, 1610; > Gesetz; > Recht German > deutsch Germanisch 124, 537, 592, 680, 763 Germanismus 1271 Germanistik 674, 675, 1235, 1269, 1271, 1276 f, 1326, 1553 Gesamtausgabe 93, 631 Gesamtformtheorie 921 f, 924, 929 Gesamtgestalt 27, 249, 1244 Gesamtunterrichtsbewegung 1241, 1243 f Geschäftskorrespondenz 60, 138, 140, 449, 495, 546, 619, 621 f, 624, 626, 1062 f, 1065, 1485, 1523; > Korrespondenz Geschäftsschrift 228, 230, 1607 Geschäftssprache 547, 1548 Geschichtengrammatik 994, 1021, 1160, 1186, 1541 Geschichtsschreibung 88, 94, 103, 105, 116, 119, 146, 153, 256, 424, 483, 500, 508, 514, 521, 551, 561, 563 f, 594, 694, 816, 877, 1394, 1398, 1493, 1610 Geschlecht 577, 643, 767⫺9, 776, 788, 876, 978, 1178, 1331, 1478 geschriebene Sprache 28 f, 44, 51, 54, 89, 118, 171, 260, 428, 436 f, 444, 455⫺8, 460, 464, 466⫺8, 535, 597, 600, 604, 628⫺34, 637⫺42, 644, 658, 660 f, 664 f, 669, 678, 688, 699, 704, 720⫺3, 728, 735 f, 739⫺41, 745 f, 747, 752, 757, 767, 771⫺4, 776, 782 f, 837 f, 848, 860⫺9, 890, 925, 984, 986, 989, 1016, 1085, 1107, 1113, 1142 f, 1161, 1163, 1170, 1173, 1184,

Gesetz ⫺ Gräzismus 1188, 1205, 1214, 1250 f, 1254, 1332, 1340, 1360, 1368 f, 1371, 1376⫺8, 1388, 1390, 1446 f, 1456, 1458, 1461, 1465, 1469⫺85, 1488, 1496, 1500 f, 1503, 1506, 1511, 1546, 1556, 1564, 1592 Gesetz 52, 56, 60, 71, 97, 126, 148, 307, 316, 402, 481⫺3, 498, 500, 507, 519, 558, 562, 581, 587, 597, 599, 611⫺7, 894, 898⫺902, 1043, 1281, 1414, 1504, 1523, 1549; > Gericht; > Recht Gesetzessprache 617 f Gesetzgebung 52, 522, 558, 610⫺2, 615, 617, 899, 1469 Gespräch 68, 78, 514, 587, 589 f, 593, 596, 646 f, 650, 652, 663, 904, 985, 1014, 1237, 1308, 1322, 1502, 1547; > Dialog; > Konversation gesprochene Sprache 27, 29, 34, 42, 51 f, 73 f, 112, 117 f, 133, 171, 252, 260, 375, 377 f, 383, 397, 412, 436 f, 493, 500, 538, 542, 566, 582, 593, 595, 598 f, 604, 617, 624, 630, 632 f, 663, 678, 681, 688⫺90, 724, 728, 739⫺43, 746 f, 752, 757, 773, 861, 866, 904, 907, 915, 919, 925, 985, 989, 1016, 1130, 1158 f, 1161, 1163 f, 1170, 1173 f, 1181, 1194, 1201 f, 1205 f, 1213 f, 1218 f, 1242, 1250 f, 1300 f, 1305, 1332, 1336 f, 1340 f, 1344, 1357, 1368⫺78, 1388, 1391, 1393 f, 1396, 1399 f, 1421, 1446⫺9, 1454, 1456, 1458, 1460 f, 1463, 1465 f, 1468 f, 1471, 1473 f, 1477 f, 1481 f, 1484, 1486⫺8, 1492, 1494, 1501, 1503, 1506, 1508, 1527, 1552, 1556, 1579, 1583, 1624; > mündliche Kommunikation; > Oralität Gestaltpsychologie 173, 918, 1154 Geste 6, 114, 687, 867, 907, 1144 f, 1180; > Gebärdensprache Getrennt/Zusammenschreibung 687 f, 691 f, 694, 721, 723, 725, 734 f, 1437, 1439, 1451, 1465 Gilgames-Epos 497, 499 Gimel 174, 1278; > Gamma Gimira 819 Glagolitisch 344, 755 f, 761 Gleichung 1493 Gliederung 57, 225, 237, 480, 500, 507, 513, 540, 580, 634,

1705 908, 1008, 1069, 1187, 1281, 1391, 1395, 1399, 1461 f, 1550, 1606 Gliederungssignal 590 Glossar 548, 1228, 1388, 1393 Glossematik 118, 1369, 1400 Glossen 59, 199, 207, 275 f, 278, 280, 391, 413, 480, 483, 485, 506, 608, 658, 672, 756, 1280, 1391, 1420, 1510, 1578, 1627 Glossenkeil 276, 278, 280 Glossenschrift 190, 548 Glossensprache 555 Glottalisierung 818 f Glottisverschluß 299, 312, 320, 411, 711, 1433, 1585 Gotisch 672, 701, 763 gotische Minuskel 541, 549 gotische Schrift 59, 190, 198⫺200, 214, 216, 238, 246, 538, 549, 551, 1510 GPK > Graphem-Phonem-Korrespondenz Graffiti 303, 309 f, 313, 317, 322, 519, 1444, 1557 Grammatik 2 f, 8 f, 11, 24, 74, 83, 88, 105⫺11, 113, 116, 190 f, 261, 279, 285, 290, 320, 324, 349, 385, 397, 401, 406, 412 f4, 436, 451⫺3, 485, 493, 515, 522, 526, 541⫺4, 550, 557, 559, 562, 585, 590, 592, 599, 642, 658, 664, 676, 681, 687, 688, 690⫺4, 696, 705, 733, 740, 742 f, 763 f, 772 f, 814 f, 817, 820, 835, 889 f, 908 f, 912, 927, 975, 987, 989, 998, 1009, 1016⫺8, 1033, 1061, 1072, 1104, 1129⫺31, 1133, 1136 f, 1171, 1173, 1198, 1203, 1225, 1249, 1255, 1266 f, 1280 f, 1286, 1288 f, 1292, 1297, 1302, 1304, 1326, 1368, 1373, 1376⫺8, 1388, 1390 f, 1393⫺5, 1401, 1419, 1434, 1439, 1441 f, 1444, 1448, 1451 f, 1456, 1464, 1470, 1472⫺6, 1480, 1484 f, 1487, 1490 f, 1493, 1503, 1515 f, 1518, 1521, 1524, 1530, 1537, 1542, 1545, 1548⫺53, 1627 Grammatikalisierung 690, 1451, 1454 Grammatikalität 1336, 1395, 1510 Grammatikmodell 1377, 1541 Grammatikschule 546 Grammatikunterricht 520, 543, 1279, 1549 Grammatologie 261, 651 f Grantha Schrift 455

Graph 312, 314, 432, 698, 702⫺19, 1030, 1502 Graphem 52, 104, 118, 310, 313, 315, 348, 416⫺8, 517, 680⫺2, 696, 720, 722, 763 f, 803, 806, 809, 811, 821, 964, 1028, 1030 f, 1082, 1084 f, 1088 f, 1094⫺6, 1099, 1102, 1112, 1146, 1155, 1157, 1159, 1162⫺6, 1176, 1180, 1218, 1220, 1225 f, 1249, 1253 f, 1299, 1338, 1342, 1368, 1371⫺3, 1377, 1380, 1384 f, 1397, 1429, 1433⫺6, 1438, 1447 f, 1450⫺3, 1456, 1458, 1462, 1486, 1489, 1507, 1512, 1606, 1623 f Graphem-Phonem-Korrespondenz 42, 44, 171, 184, 261, 589, 688, 717, 723, 725, 730, 733, 735, 756, 764, 809, 928, 932, 936, 958, 962 f, 964 f, 968, 1075⫺8, 1080⫺3, 1085, 1087, 1094 f, 1098 f, 1101⫺4, 1147 f, 1157⫺9, 1162⫺4, 1175, 1177, 1219, 1226, 1250 f, 1254, 1329, 1337⫺40, 1342, 1359 f, 1375, 1382, 1389, 1437 f, 1440, 1442, 1445, 1447, 1452, 1454 Graphematik 171, 676, 696, 755, 762, 807, 987, 989, 1159, 1181, 1368 f, 1371⫺7, 1452, 1454, 1507, 1530 Graphemfolge 804, 811, 1199, 1226, 1250⫺2, 1254, 1340, 1344, 1390, 1395, 1435 f, 1489, 1502, 1605 Grapheminventar 93, 110, 314 f, 690, 764, 809, 811, 1165, 1436 Graphetik 171, 1372 Graphie 111, 277⫺8, 280, 291, 297, 302, 504, 506, 589, 687⫺8, 705⫺6, 721, 753, 762⫺4, 838, 1388, 1395, 1397, 1400, 1434, 1437⫺40, 1489, 1580, 1591, 1594 Graphik 63, 133⫺5, 138, 140, 142, 144 f, 210, 314, 334, 628, 630, 632, 682, 759, 1068 f, 1639, 1643 Graphismus 682 f Graphit 1037 Graphologie 983, 987 f, 990, 1036, 1046, 1049, 1051⫺5 Graphomotorik > Schreibmotorik Graphotaktik 760, 1437 f, 1451, 1457, 1463, 1612 Grasschrift 358, 386, 445 Gravis 1596 f, 1602 Gräzismus 592

Greek ⫺ Hermeneutik

1706 Greek > Griechisch Grenzsignal 1456⫺9, 1462⫺6 Griechisch 3, 7, 10, 23, 27, 35, 37, 42 f, 55⫺7, 86, 91, 93, 104, 107 f, 111, 122, 126 f, 129, 147, 171⫺80, 182⫺6, 189, 197, 219, 228⫺31, 233 f, 248, 252, 261, 263, 271⫺3, 287, 289, 294⫺6, 299, 301 f, 307, 309, 313, 317, 319, 323 f, 330, 334⫺9, 341, 344, 416, 418⫺22, 424, 433, 450 f, 473, 476 f, 483 f, 486 f, 500, 504, 506, 511⫺3, 515, 517⫺20, 529, 592, 595, 597, 608 f, 629, 646, 651, 654⫺7, 673, 677, 683, 689⫺91, 704, 734, 739⫺41, 743, 746 f, 754⫺6, 761⫺3, 803, 814, 895, 938, 1066, 1102, 1129, 1166, 1200, 1221, 1231, 1269, 1279⫺81, 1373, 1377, 1384, 1392, 1413, 1422, 1429, 1448, 1450, 1507, 1573⫺8, 1584 f, 1587, 1591, 1594, 1596 f, 1603, 1610, 1622 Griffel 30, 50, 55, 62, 129, 134, 173, 278, 281, 298, 310, 492 f, 1278 f, 1545, 1619 Groß- und Kleinschreibung 7, 688, 691 f, 695 f, 721⫺3, 725, 729 f, 734 f, 922, 1028, 1166, 1171, 1175, 1344, 1440, 1451 f, 1456, 1461, 1465, 1617 Großbuchstabe 186, 193, 231, 233, 236, 239⫺1, 244, 923, 1066, 1142, 1218, 1244 f, 1247, 1458, 1464, 1590, 1593, 1597⫺1602, 1617; > Majuskel; > Versalie Grotesk 219, 220, 359 Groteskschrift 359 Grundbuchstabe 1598, 1601 Grundschrift 356 Grundschule 395, 456 f, 464 f, 752, 769, 788, 793, 808, 817, 823, 825, 836, 845 f, 850, 858 f, 886, 890, 927, 992, 1148, 1188, 1235, 1241, 1244, 1247, 1267, 1279, 1303 f, 1307, 1321, 1326, 1332, 1353, 1357, 1395, 1414, 1420, 1576; > Elementarschule; > Volksschule Grundstrich 314, 1053, 1373, 1406 f Grundwortschatz 401, 1162, 1487, 1489 Grundzeichen 261 f, 269, 317, 319, 364, 680, 1373 f, 1589 f, 1600 Gruppen-Kode 1636

Grusinisch 804, 806, 809 Gujarati 326, 454, 460, 1428 Gurage 320 Gurmukhi 326, 453⫺5 Guttural 366, 535, 763, 1601 Guwen 436 Gymnasium > höhere Schulbildung

H H-Varietät 272, 596, 599 f, 754 Haarseite 124 Haarstrich 219, 356, 1605 Hadit-Handschriften 316, 529, 535, 608 Hadiya 823 Hadramitisch 307, 505 Hagiographie 125, 539, 563, 1388 Haitianisch 699 Halbsprachigkeit 1193, 1201 Halbvokal 176, 317, 689, 905, 1430, 1575, 1601 Hamming-Kode 1631 Hamsa 312, 316, 1600 Hancha > Hanja hand movements > Handbewegungen Handalphabet > Fingeralphabet handedness > Händigkeit Handelssprache 620 f, 624 Handgießinstrument 91, 207, 210 Händigkeit 937, 1029, 1031, 1050, 1058, 1060 Handlungstheorie 907, 1011, 1018, 1023, 1122, 1127, 1166, 1181, 1263 f, 1276, 1515 f, 1522, 1555 f Handpresse 244 Handsatz 209, 223 Handschreiben 53 f, 57, 61 f, 86, 132, 134, 136, 141, 182 f, 202, 205, 217, 223, 229 f, 239, 242, 244, 246, 250, 356 f, 372, 375, 386, 422, 476, 482 f, 526, 579, 585, 627, 658⫺60, 665 f, 674⫺7, 691, 712, 714, 865 f, 909 f, 915, 983, 990, 1027⫺55, 1060, 1063, 1066, 1070, 1082, 1084, 1241, 1243⫺5, 1295, 1301, 1303 f, 1309, 1507 f, 1511 f, 1619 Handschrift 27, 54, 58, 86⫺92, 122 f, 125⫺7, 129, 189, 201, 214, 230⫺5, 237⫺40, 246, 248⫺50, 292, 305, 309, 316, 319 f, 359, 409, 413, 476, 480, 483⫺8, 494, 527, 532, 536 f, 539, 543⫺5, 547, 551,

557⫺60, 562⫺7, 578, 659, 661, 664, 669, 672⫺7, 692, 814 f, 860, 1044, 1171, 1508⫺10, 1574, 1579; > Manuskript Handschriftenhandel 86 f, 92 Handschrifterkennung 136, 1033 handwriting > Handschreiben Hangul-Schrift 330, 344 f, 378, 398, 401, 439, 443, 447⫺9, 715, 743, 1102, 1310, 1315⫺7, 1385 Hanja 341, 349, 436, 445, 447⫺9, 743, 1316 f, 1413 Hanmun 436, 437, 447, 448 Hanzi 43, 252, 348, 436⫺48, 1309, 1311 f, 1315, 1317, 1409 f, 1413 Haplographie 675 Haptik 20, 22, 24, 29 Harappan-Schrift 286, 322, 323 f, 453, 1429 Harari 320 Hardware 134 f, 144, 161, 164, 169, 582⫺4, 1073 Hasta 172⫺200, 250, 315, 526 Hasta⫹Coda-Prinzip 172⫺193 Hattai 455 Häufigkeitseffekt 923, 932⫺4, 936, 946⫺8, 950, 963 f, 966 f, 969, 1086, 1088, 1097⫺9 Hauptsatz 695, 734, 948 Hauptstrich 244 Haussa 312, 710, 712, 756, 760, 783, 1299 headline > Überschrift hearer > Hörer Hebräisch 20, 24, 27, 91 f, 172, 275, 301 f, 309, 319 f, 334 f, 339, 341, 359, 417 f, 420 f, 481, 485, 505⫺8, 565 f, 598, 606, 608 f, 673, 681, 702, 705, 746, 755 f, 761, 803 f, 806, 809, 934, 950, 1032, 1096⫺8, 1129, 1200, 1384 f, 1388, 1434, 1509, 1577, 1590, 1598, 1603 Heftung 124 heiliger Text 27, 28, 58, 527, 604⫺6, 608 f, 864; > Bibel; > Koran; > Veden Helvetica 135 Hemisphäre 936, 1031, 1058, 1060, 1088 f, 1106, 1108 f, 1113 f, 1602 Hemmung 915, 962, 969, 974, 1095, 1099, 1106 f; > Priming Hepburn-Umschrift 1422, 1602 Herausgeber > Edition Hermeneutik 36, 86, 499, 606, 616, 650, 1126, 1135, 1142, 1171, 1234, 1270, 1321, 1528, 1553

Hervorhebung ⫺ Informationsverarbeitung Hervorhebung 7, 54, 129, 134, 136, 201, 359, 480, 544, 1066, 1305, 1413, 1462, 1501, 1579, 1597; > Auszeichnungsschrift; > Fettdruck Heta > Eta Hethitisch 275, 277, 280, 283, 286 f, 329, 339, 418 f, 472, 499 f, 1431 Hexadezimalsystem 279, 1576 Hexagramm 680 Hexameter 68, 597 hieratische Schrift 54, 250, 292, 315, 329, 386, 418, 473, 476, 481, 489, 1571⫺3 Hieroglyphen 43, 53 f, 86, 103, 112, 113, 123, 260 f, 271⫺3, 286 f, 289⫺96, 298, 329 f, 332, 334, 386, 406, 408⫺15, 418 f, 421 f, 473, 476, 481, 488, 499, 507, 509, 683, 743, 747, 1277, 1372, 1382, 1386, 1571 f, 1638 f high-variety > H-Varietät higher education > höhere Schulbildung Hilariusalphabet 196 Hilfsschrift 355, 380, 446, 716, 1601 Hilfsschule 1351 f, 1355, 1358 f Hilfssprache 547 Hilfsverb 1083, 1419, 1470, 1473, 1601, 1611 Hilfszeichen 205, 207, 313, 316, 1300, 1417, 1594, 1599, 1604, 1617 Hindi 326, 328, 454 f, 457, 459⫺62, 464, 466 f, 701, 783, 1428, 1584 Hinduismus 324, 326, 434, 457, 606, 608, 698, 743 Hiragana 386, 388, 395, 444, 449, 1102, 1313 f, 1317, 1371, 1374, 1413, 1418⫺20, 1424, 1481, 1602, 1622; > Kana; > Katakana Historiographie > Geschichtsschreibung Hittite > Hethitisch Hmong 426, 702, 705, 709, 714⫺8 Hocharabisch 757, 1193, 1433⫺90 Hochdeutsch 597, 620, 1138, 1489, 1546 f, 1556 Hochdruck 205, 209 f, 1638 f, 1643 Hochsprache 98, 364, 739, 1176, 1300, 1396, 1483 f, 1487⫺9, 1500 f, 1545 f, 1551 f, 1556 f, 1599, 1601, 1637; > Standardsprache höhere Schulbildung 9, 61, 448 f, 636, 639⫺41, 782, 864,

1232⫺5, 1237, 1269⫺2, 1273, 1277,1281⫺4, 1301, 1305, 1307, 1313, 1317, 1323 f, 1326, 1477, 1504, 1548, 1550, 1607; > College Höhlenmalereien 1638 Holismus 1257, 1287⫺9, 1290, 1295, 1297, 1369, 1373, 1528, 1531, 1542 Holzplattendruck 90, 206, 676 Holzschnitt 69, 90, 92, 241 Homiliar 539, 541, 1398 Homographie 179, 186, 197, 315, 358, 366, 819, 1290, 1571, 1573 Homonymendifferenzierung 1397, 1438 f Homonymie 11, 111, 261, 372, 414, 632, 691, 710, 1226, 1397, 1450, 1479, 1509 Homophonie 276, 278, 282 f, 285, 347, 364, 370, 372, 381, 448, 838, 939, 958, 963⫺5, 969, 1083, 1085, 1087, 1099, 1290, 1314, 1439, 1443, 1448, 1468, 1611 f Hörer 18, 21 f, 25, 31, 33, 35, 54, 89, 556, 559 f, 590, 647, 650, 663, 904, 913, 1266, 1392, 1478, 1522, 1527, 1553 Human Rights > Menschenrechte Humanismus 8, 111, 126, 196, 198, 201 f, 216 f, 234, 240 f, 246, 549⫺51, 675, 677, 754, 763, 866, 1271, 1281 Humanistenkursive 201, 246, 248 humanistische Minuskel 1510 Hungarian > Ungarisch Hurritisch 275, 278, 280, 286, 339, 418, 499, 500 Hutsuri-Schrift 344 Hypercard 63, 666 hyperlektische Kinder 1356 Hypermediasystem 167 f, 582 Hypertext 63, 167, 579 f, 582, 666, 1529, 1531 hyphen > Bindestrich hyphenation > Worttrennung Hypotaxe 23, 591 f, 640, 1392, 1475, 1503

I I Ging 679, 680 Iberisch 337 f iconic > ikonisch Ideographie 7, 10 f, 42, 258⫺62, 269, 272 f, 290 f, 330, 334, 348, 405, 410, 414 f, 442, 445, 687, 743, 835, 856, 986,

1707 1106, 1310, 1314, 1317, 1374, 1381, 1384, 1404, 1445, 1480; > Ikonizität Idiolekt 1135, 1555 Igbo 783 Ikone 527, 1068 Ikonizität 45, 172, 179, 248, 257, 271, 406, 413, 526, 579, 582, 911, 1104, 1149, 1381, 1560, 1628, 1643; > Ideographie Ikonographie 27, 53, 259, 307, 405, 408, 510; > Ideographie; > Ikonizität illiteracy > Analphabetismus Illokution 21, 25 f, 32⫺4, 622, 1017, 1516, 1522 f Illuminator 130, 543, 548, 814 Illustration 59, 88 f, 92, 98, 123, 561, 799 f, 804, 1228, 1324 imageability 932, 936 f, 1032, 1086⫺9, 1496 Imitation 985, 1038, 1142, 1217, 1283 Immersionsprogramm 1196⫺1203 Immigrantensprache 1192 Immigration 426, 432, 460, 702, 714, 770, 795 f, 1477 Imperativ 21 f, 413, 1466 Imperfekt 1487, 1494 Implosiv 366 f, 819, 1587, 1592 Imprimatur 659 Incipit 89, 92, 123, 225, 540 Index 7, 54, 60, 75, 89, 150, 152, 153, 164, 226, 546, 614, 620, 621, 1069, 1321, 1492, 1504, 1579, 1580, 1615 Indianersprachen 405, 413, 600, 1201, 1394 indirekte Rede 590, 1439, 1458, 1461, Indoeuropäisch 1, 23, 271, 273, 275, 326, 418 f, 421 f, 451 f, 456 f, 682, 689, 763, 803, 855, 1102, 1200, 1435 f, 1590 Indonesisch 730, 747 Inferenz 138, 140, 167, 657, 972, 975⫺7, 1021, 1172, 1173, 1175, 1538 Infinitiv 735, 1452, 1459⫺61, 1503 Infix 1097, 1433, 1435 inflection > Flexion information-processing > Informationsverarbeitung Informationsgesellschaft 159, 575, 1022, 1140, 1528 Informationstheorie 164, 169, 1616, 1631 Informationsverarbeitung 66, 159⫺61, 165, 167, 169, 266⫺7, 281, 578 f, 584, 674, 974⫺6, 999, 1010, 1018,

Inhaltsanalyse ⫺ Kango

1708 1022, 1097, 1102⫺4, 1106, 1113 f, 1171, 1176, 1358, 1360, 1520, 1530, 1538, 1608, 1629, 1637, 1639 Inhaltsanalyse 996, 998, 1020 Inhaltsverzeichnis 7, 134, 226, 540, 1228, 1321, 1504 inhibition > Hemmung initial teaching alphabet 938 Initialalphabetisierung 1578⫺80 Initiale 59, 231, 235, 237, 241, 244 f, 691 ink > Tinte Inkunabel 238, 677; > Frühdrucke Inlaut 302, 1606 innere Sprache 984 f, 1016 Inschrift 7, 29⫺31, 52⫺4, 56, 86, 147, 174, 179 f, 184⫺7, 191, 201, 206, 228⫺30, 233, 240, 256 f, 269, 271 f, 275, 283, 285, 293, 295 f, 298, 300⫺3, 305, 307⫺11, 313⫺5, 317, 322⫺4, 330⫺2, 334⫺9, 344, 348 f, 351⫺3, 359, 362, 365 f, 383, 386, 396 f, 406, 408 f, 412 f, 418 f, 421 f, 436, 441, 445, 453, 473, 476, 481⫺4, 486⫺8, 493⫺8, 500, 504 f, 507⫺9, 512 f, 518, 523, 526, 544, 550, 557, 562, 672, 679, 691, 757, 762 f, 1382, 1411, 1480, 1509, 1574 insulare Minuskel 541, 558 Intelligenz 806, 883, 937, 1077, 1150, 1198, 1205, 1329 f, 1331, 1333, 1351⫺9, 1362, 1637 Intelligenztest 13, 1178, 1330 f, 1335, 1345, 1354⫺6 Interaktion 18, 20⫺2, 24, 32, 39, 59, 426 f, 556, 575, 583 f, 641, 647 f, 745, 903 f, 907, 909 f, 984, 1020, 1023, 1147, 1149 f, 1210, 1293, 1296, 1357, 1498, 1523, 1536, 1556 interaktive Aktivation 914, 934, 1009, 1012, 1033, 1095, 1098, 1160; > Netzwerk Interdental 420, 761, 1433, 1486, 1489 Interferenzeffekte > Stroop-Experiment Interimsprache 1020 Interjektion 21 f, 590, 1419 f interlanguage > Intersprache International Phonetic Association > IPA Interpunktion 7, 57, 223, 278, 289, 319, 513, 540 f, 625 f, 661, 687 f, 690⫺2, 694, 705, 721⫺3, 725, 734, 908, 1060⫺2, 1065, 1067, 1183,

1222, 1289, 1369, 1381, 1391, 1395, 1411, 1422, 1424 f, 1437, 1440, 1445, 1451, 1456, 1457, 1471, 1501, 1511 f, 1591, 1593, 1598, 1617, 1619 Intersprache 746 Intersubjektivität 4 f, 581, 1390, 1519 Intertextualität 67 f, 556, 646, 660, 669, 1020, 1515, 1530 Intonation 24, 27, 280, 605, 725, 820, 1180, 1254, 1440, 1501, 1598; > Betonung; > Prosodie Inuit 702 Ionisch 174, 512, 597 Iota 177 f, 1596 f IPA 673, 857, 904, 1370, 1373 f, 1377, 1580, 1583⫺91, 1599, 1602 Irisch 88, 197 f, 200, 344, 346, 543, 556 f, 594, 600, 1574 irreguläre Wörter 933, 936, 937, 962, 963, 968, 969, 1082, 1083, 1085, 1087, 1088, 1340, 1441 f, 1477, 1479 Islam 27 f, 126, 128, 229, 248⫺50, 303, 309, 312⫺6, 327, 341, 421, 426, 434 f, 459 f, 525⫺36, 565 f, 604, 605⫺9, 677, 698, 701, 743, 754, 755 f, 779, 803 f, 806, 808, 815, 820, 1299, 1301⫺3, 1307, 1484 Islamschule 817, 820 Isländisch 109, 562, 596 f, 761 ISO-Standard 139, 144 f, 1062, 1581, 1592, 1594⫺6, 1602 italics > Kursive Italienisch 12, 29, 73, 95, 111, 128, 190, 202, 217, 240, 565⫺7, 592, 594⫺7, 599 f, 673, 763, 783, 842, 935, 1085, 1096, 1098, 1130 f, 1207, 1303, 1396, 1493, 1507, 1602, 1610, 1612

J Japanisch 229, 252, 254, 263, 324, 341, 348, 355, 366, 373, 383⫺6, 388, 391⫺3, 395⫺9, 401 f, 435, 438, 442, 444, 447, 449 f, 596, 673, 704, 714, 717, 724, 744, 754, 759, 770, 773, 958, 1102, 1105, 1107⫺10, 1209, 1309 f, 1312 f, 1315, 1371, 1372, 1374, 1384, 1386, 1413, 1417⫺22, 1424, 1476⫺82, 1565, 1582, 1602 Jewish > Jüdische Schrift; > Judentum

Jiddisch 598, 702, 756, 804, 1598 f Jodh 337 journal > Zeitschrift Journalismus 9, 13, 97, 450, 456, 468, 640, 873, 895, 1294 f, 1297, 1323 f, 1327 f, 1424, 1464, 1552, 1638 Judenspanisch 598, 1388 Judentum 11, 27 f, 37, 71, 85, 88, 93, 124, 506, 525, 598, 604⫺6, 609, 679, 702, 754 f, 803 f, 896, 1274, 1484, 1577 jüdische Schrift 302 f, 330, 335, 339 Jugendliteratur 1171, 1228, 1233, 1236, 1320, 1324 Jukagirisch 258 Junggrammatiker 6, 29, 117 Junktion 1390, 1401, 1493 Jura 611, 820, 865, 1302; > Recht Jurist 90, 97, 126, 522, 539, 566, 612, 613, 615, 616, 617, 816; > Recht

K Kabbala 530, 536, 679⫺81 Kafa 817, 823 Kaisho > Regelschrift Kalamus 58, 123, 129, 173, 190, 477 Kalender 76, 78, 159, 230, 257 f, 265, 406, 409 f, 412⫺4, 421, 432 f, 484, 504, 539, 866 f, 1062, 1139, 1361, 1422, 1565 f Kalligraphie 58, 60, 184, 188, 193 f, 199, 202, 205, 228⫺50, 252 f, 289, 291, 313⫺5, 328, 355, 357⫺9, 476, 526 f, 530, 532⫺6, 539, 541, 543, 549, 609, 660, 687, 759, 990, 1241, 1301⫺4, 1309, 1311, 1405; > Schönschreiben Kalmykisch 753, 804 Kambata 823 Kambodschanisch 327 Kambun 436 f, 447, 1480⫺2 Kammüang 699 Kana 263, 324, 348, 378, 385 f, 388, 391, 393, 395, 398 f, 447, 449 f, 744, 773, 958, 1102, 1105, 1108⫺10, 1209, 1310, 1313⫺5, 1374, 1386, 1413 f, 1417⫺22, 1424, 1426, 1481 f, 1582; > Hiragana; > Katakana Kanaanäisch 298, 301 f, 310, 331, 420, 422, 505 Kango 1417, 1420, 1479

Kanji ⫺ Kognitionswissenschaften Kanji 252, 349, 395 f, 436, 439, 445, 447, 449 f, 754, 1102, 1104⫺10, 1209, 1313⫺5, 1374, 1413 f, 1416⫺20, 1422, 1424, 1426, 1480⫺2, 1602 Kannada 454 Kanon > Textkanon Kanonisierung 28, 35, 38, 98, 105⫺7, 122, 473, 488 f, 499, 505, 599, 609, 1122, 1491 Kanzlei 61, 124 f, 127 f, 147⫺9, 151⫺4, 188, 230, 234 f, 237⫺40, 252 f, 314 f, 476, 482, 528⫺30, 534, 537, 540, 545 f, 547, 561, 620 f, 725, 863, 1281, 1303, 1547, 1605, 1610⫺4 Kanzleischrift 190, 252, 315, 476, 529, 1407 Kanzleistil 532, 1551 Kapitälchen 1587 Kapitalis 174, 180, 185 f, 188⫺99, 202, 226, 231⫺4, 240, 248, 539, 544, 690 f, 1605, 1617, 1624 Kapitalschrift 1605 Kapitel 7, 23, 92, 114, 139, 144, 159, 223, 225, 480, 540, 663, 1069, 1072, 1228, 1381, 1501, 1577 Kappa 178 f, 517 Karaimisch 756, 804 Kardinalvokal 1437, 1587 Karelisch 753 Karisch 273, 330 karolingische Minuskel 58, 89, 124⫺6, 174, 190, 193, 196⫺202, 216, 235⫺7, 240, 537, 539⫺45, 549, 558, 692, 861, 1510 Kartographie 754, 1592, 1594 Kashmiri 328, 454 f, 467 Kastilisch 111, 566, 599, 1394 f Kasus 316, 1419, 1464, 1486 f, 1489 Katakana 388, 392, 395, 397, 402, 444, 449, 744, 1102, 1313 f, 1317, 1374, 1413, 1418⫺21, 1424, 1481, 1602; > Hiragana; > Kana Katalanisch 565, 594, 1394 f, 1399 Katalog 87, 89, 94, 159, 166, 481, 493, 499 f, 515, 529, 623 f, 626, 770, 899, 1594 f Katapher 997, 1172, 1390 f, 1393, 1517 Kataster 148, 485 Katechismus 9, 75, 488, 864, 880, 1139, 1302 Katholizismus 8, 76, 93 f, 96 f, 109, 328, 438, 608, 698, 703, 743, 755 f, 803 f, 815, 827, 879, 895; > Kirche

1709 Kaufmannsschule 546 Kaufmannssprache 619, 621, 625 kaukasische Sprachen 330, 756, 803, 806 Kazachisch 761, 804 Kehlkopf 399, 1585, 1599 f Keilalphabetschrift 286, 298⫺300, 309, 334 f, 503 f Keilschrift 29 f, 38, 49, 85, 146 f, 205, 228, 257, 274⫺89, 293⫺6, 298, 300, 329 f, 332, 334, 339, 416⫺20, 422, 433, 491⫺504, 507 f, 743, 1277, 1372, 1382, 1386, 1429, 1509, 1573, 1576 Keltisch 338, 556, 600, 1574 Kembata 823 Kenem 1369, 1372, 1435 Kerbschrift 49, 258, 352, 1569 Kernwortschatz 762, 1451⫺3, 1455 Kettenschrift 529 keyboard > Tastatur Kharosthi 322⫺4, 453, 1428 f Khmer 1603 Khmu 702, 714, 717 f Kinästhesie 582, 585, 987, 1031 f, 1089, 1211 f, 1253 Kindergarten 1142, 1148⫺50, 1159, 1163, 1217, 1346 Kinderliteratur 1228, 1236, 1291⫺3, 1425 Kindersprache > Spracherwerb Kinematik 171⫺93, 1028 Kirche 8, 12, 28, 58, 79, 88⫺93, 99, 109, 126, 149, 231, 235, 237, 344, 418, 429, 434, 438, 449, 522, 538 f, 540 f, 546, 548, 556⫺8, 560, 563, 567, 575, 605⫺8, 615, 698, 755 f, 779, 799, 803, 814 f, 817 f, 820 f, 827, 842, 861, 864 f, 870, 877, 879, 880 f, 894 f, 901, 1137, 1233, 1280, 1323, 1326, 1396, 1398; > Katholizismus; > Klerus; > Protestantismus Kirchenschule 814, 817, 820 f, 823 Kirchenslawisch 91, 344, 592, 596 f, 706, 741, 803, 1594 Kirchensprache 438, 597, 814, 820 Klammer 687, 1066 f, 1411 f, 1420, 1422, 1456 f, 1462 f, 1488, 1501, 1594, 1597 Klangbild 927, 988 f Klassenhaupt 365, 445, 1407 Klassensprache 1134 Klassifikator 276, 410, 1456, 1458 f, 1462; > Determinativum

Kleinbuchstabenschrift 236 Klerikerschrift 538 Klerikersprache 555 Klerus 73, 75, 90, 375, 541, 546 f, 558⫺60, 563, 567, 620, 755, 806, 814 f, 861, 877, 1131, 1280 f; > Kirche Kloster 38, 58 f, 73 f, 88⫺90, 94, 97, 128, 150, 206, 216, 235⫺7, 239 f, 375, 388, 393, 397, 415, 443, 498, 523, 537⫺9, 543 f, 547 f, 555, 557, 560, 562, 565, 690, 814 f, 879, 1137 Klosterschule 541, 543, 545 f, 861 f, 1280 Koartikulation 763, 904, 910 Kode 11, 132, 134, 144, 210, 266, 433, 579, 642, 715, 741 f, 772⫺5, 908, 911, 924, 951, 958, 965, 967, 1078, 1082, 1086, 1088⫺90, 1096, 1103, 1108, 1113, 1154, 1180, 1313, 1317, 1337, 1384⫺6, 1389, 1392, 1394, 1398, 1400, 1502, 1513, 1540, 1557, 1561, 1563, 1608 f, 1615, 1617, 1630, 1632⫺6 Kodex 31, 38, 49, 57, 69, 87, 89, 123⫺9, 148, 151, 188, 196, 199, 225, 231⫺4, 314, 422, 483, 497, 512, 522, 526, 539, 544, 548, 551, 558, 661, 756, 1510 Kodierung 39, 62 f, 160, 165, 409, 493, 577, 582, 688, 692 f, 905, 912, 926, 929, 946, 949⫺52, 954, 1358, 1413, 1539, 1581, 1590, 1612, 1629⫺31, 1634 f Kodifikation 87, 266, 437, 456, 458, 460, 472, 483, 522, 590, 598 f, 612, 616, 695, 721⫺3, 725⫺8, 733, 746, 838, 869, 1267, 1378, 1380, 1393, 1399, 1485, 1488, 1490, 1552, 1554 Kodikologie 551, 666 Kognition 6, 12, 115, 221, 222, 424⫺6, 433, 580, 585, 937, 983 f, 1011, 1016, 1029, 1032, 1073, 1082, 1086, 1090, 1110, 1113 f, 1118, 1142 f, 1178⫺80, 1203, 1206, 1211 f, 1263, 1337, 1359, 1362 Kognitionspsychologie 639, 918, 958, 975, 980, 1012, 1103 f, 1113, 1142, 1147, 1155, 1161, 1173, 1180, 1222, 1335⫺7, 1342, 1353⫺5, 1357, 1359, 1536, 1540 f Kognitionswissenschaften 660, 669, 903, 910, 992, 994, 997, 1001, 1103, 1113, 1249, 1527, 1528

kognitive Entwicklung ⫺ Koppa

1710 kognitive Entwicklung 883, 983, 985 f, 1011, 1013, 1102, 1113, 1118, 1143, 1147, 1149, 1154 f, 1160, 1172⫺4, 1179⫺81, 1185, 1187 f, 1213, 1226, 1249, 1333⫺5, 1353, 1355 f kognitive Prozesse beim Lesen 691, 909 f, 913, 925, 936, 943, 945 f, 949 f, 953 f, 962, 972⫺9, 1075, 1104, 1161, 1169, 1172⫺4, 1222, 1528 f, 1536⫺42 kognitive Prozesse beim Schreiben 665, 667, 986, 995, 1007⫺11, 1020 f, 1029, 1032 f, 1057⫺9, 1069 f, 1173⫺8, 1181, 1186 f, 1240, 1246, 1249, 1251, 1254⫺7, 1530 kognitive Repräsentation 1018 f, 1022⫺4, 1070; > mentale Repräsentation Kohärenz 168, 477, 590, 623, 627, 772, 934, 972, 973, 975, 979, 1014, 1017, 1182, 1184⫺8, 1401, 1440, 1450, 1460 f, 1496 f, 1503, 1515 f, 1518 f, 1521 f, 1524, 1540, 1562 Kohäsion 669, 772, 787, 994, 996 f, 1001, 1017 f, 1182, 1184⫺6, 1401, 1496 f, 1515 f Koine´ 556, 565 f, 597, 740 f, 809; > lingua franca Kollektiva 290, 1440 kollektives Gedächtnis 2 f, 9, 86 f, 488, 611, 623, 627 Kolonialsprache 759 f, 1202 Kolophon 31, 34, 225, 480, 494, 499, 526 Kolportagebuchhandel 78, 99, 863 Kolumne 47, 49⫺52, 54, 69, 123, 127, 207, 231, 225, 239, 281, 292, 411, 476, 480, 489, 507, 540, 714, 908, 1304, 1410 Kombinatorik 44, 293, 351, 399, 410, 651, 652, 681 f, 690, 692, 1148, 1172, 1372, 1440, 1451, 1457, 1459, 1464, 1520, 1540 Komma 57, 223, 319, 540, 687, 691 f, 695, 734 f, 957, 1066, 1411, 1422, 1440, 1451, 1456 f, 1459⫺64, 1574 Kommentar 34, 55, 59, 87, 114, 123, 133, 488, 499, 500, 508, 515, 522, 529, 540, 543, 566 f, 590, 608, 618, 625, 658, 667, 679, 818, 820, 1171, 1280, 1302, 1321, 1323, 1328, 1462, 1471, 1523 f

Kommunalschule 546 Kommunikationsproblem 617, 624, 626, 1012, 1181 Kommunikationsprozeß 20, 26, 32 f, 165, 573, 579, 887, 905, 1236, 1262, 1522, 1536, 1555 Kommunikationssituation 21, 24, 32, 35, 513, 588, 624, 1011, 1016, 1210, 1400, 1488, 1503, 1515, 1524 Kommunikationssystem 573, 575, 577 f, 584, 885, 1638 Kommunikationstechnik 130, 585, 885, 1056, 1531 Kommunikationstheorie 660, 1527, 1554 f kommunikative Kompetenz 772, 1169, 1180 kommunikatives Gedächtnis 3 kommunikatives Schreiben 992, 1010, 1031, 1262 Kommunschrift 188⫺99 Komparativ 1396, 1496 Komplement 946, 1473 Konfuzianismus 377, 437 f, 440, 442⫺5, 447, 840, 1469, 1471 Kongruenz 591, 1487 Konjugation 365, 385, 1279 Konjunktion 24, 590⫺2, 734 f, 945, 997, 1183⫺6, 1392, 1395, 1401, 1419, 1439, 1442, 1459, 1463, 1472, 1475, 1487, 1492, 1496, 1508, 1518, 1611 Konjunktiv 1454, 1493 f, 1501 Konkani 328, 457, 460, 462 Konnektionismus 915, 974, 1034, 1182 Konnotation 783, 795, 912 Konsonant 229, 260, 263, 278, 280, 286 f, 289 f, 294 f, 297 f, 300, 302, 307, 312, 315⫺8, 320, 323 f, 326 f, 332, 335, 337, 344, 378, 406, 410, 416, 418, 420, 422, 443, 495, 506, 525, 689, 704, 712 f, 715, 717, 762 f, 818⫺20, 856, 858, 905, 966, 1076, 1088, 1096⫺98, 1102, 1111, 1147, 1164, 1175, 1299, 1312, 1315⫺7, 1344, 1376, 1382⫺6, 1397, 1418, 1429⫺31, 1433⫺40, 1443 f, 1446⫺8, 1450, 1452⫺4, 1467 f, 1486, 1489, 1507, 1579, 1586 f, 1590, 1592, 1594, 1597⫺1602, 1605⫺7, 1624⫺6 Konsonant-Vokal-Verbindung 297, 323, 327, 383, 406, 410, 416, 419 f, 1312 f, 1446 Konsonantenalphabet 34, 179, 229, 261 f, 289, 297, 317, 337, 453, 499 f, 503 f, 511, 689, 1434

Konsonantencluster 289⫺91, 298 f, 326 f, 364, 366, 370, 391, 394, 453, 689, 713, 715, 819, 966, 988, 1078, 1164, 1250, 1341, 1430 f, 1440, 1605, 1607 Konsonantengemination 280, 312, 316, 320, 1341, 1442 f, 1446, 1448, 1450, 1454; > Geminate Konsonantenschrift 261 f Konstituentenstruktur 23, 692, 975, 1458⫺63, 1465, 1541 Kontamination 675, 989, 1458 Kontext 3, 103, 136, 138, 265, 276⫺80, 292, 316, 358, 365, 406, 428, 496, 581, 590 f, 630, 641, 643, 688 f, 704, 713, 722, 771 f, 774 f, 777, 782⫺4, 790, 795, 825, 830 f, 838, 873, 914, 927, 932⫺4, 947 f, 951, 972, 974, 976 f, 1008, 1014, 1018, 1023 f, 1028, 1030, 1033, 1087, 1095 f, 1104, 1142, 1147⫺50, 1155, 1157 f, 1161, 1171, 1179 f, 1228, 1252, 1266, 1291 f, 1296, 1314, 1372, 1375, 1401, 1417⫺9, 1435, 1437 f, 1442 f, 1454, 1473 f, 1477 f, 1503 f, 1508, 1512, 1518 f, 1523 f, 1538, 1561, 1563, 1567, 1607 Kontextualisierung 581, 1012, 1180, 1182 Konvention 10, 58, 112, 175, 223, 248, 362, 414, 427, 476, 492, 517, 640, 642, 692, 695, 698, 701, 705 f, 772 f, 782, 972, 1063, 1081, 1207, 1380 f, 1388, 1395, 1424, 1443, 1523, 1538, 1567, 1609 Konventionalisierung 195, 259, 414, 639 f, 642, 681, 693, 1471, 1504, 1524, 1577 Konversation 68, 428, 594, 641, 1180, 1184, 1186, 1188, 1304, 1477, 1479, 1493, 1530, 1545, 1554; > Dialog; > Gespräch Konversion 556, 1452, 1507 konzeptionelle Schriftlichkeit 4⫺6, 12 f, 29, 74, 83, 103, 117, 587, 593, 665, 1390, 1398, 1400, 1492, 1502 f Konzeptschrift 252, 357 f, 373 f, 386, 388, 397, 445 Konzipieren 49, 63, 86, 564, 648, 903, 1024, 1264, 1503; > Sprachproduktionsplanung Koordination 1395, 1401 Kopieren 61, 135, 141 f, 144, 626 f, 660, 900⫺2, 1040 Koppa 762 f, 1574; > Qoppa

Koptisch ⫺ Lateinschrift Koptisch 289, 296, 334, 418, 755, 761 Kopula 279, 1475, 1478⫺80 Koran 248⫺50, 312⫺6, 359, 426, 434, 525⫺36, 599, 606, 608 f, 672, 719, 755, 757, 820 f, 1299 f, 1302, 1304, 1388, 1434, 1482, 1484, 1488; > heiliger Text Koranschule 779 f, 817, 1302 f Koreanisch 207, 330, 341, 344 f, 348, 366, 397⫺9, 401, 437⫺9, 441⫺3, 447⫺9, 673, 715, 724, 855 f, 1102, 1309, 1315⫺7, 1384 f, 1413, 1421, 1477, 1591, 1602 Korpus 62 f, 285, 322, 406, 408, 505, 522, 544, 558, 612, 676, 682, 1182, 1424, 1497 Korrektor 88, 92 f Korrektur 49, 57, 59, 63, 132, 134 f, 254, 480, 544, 547, 659, 665 f, 975, 1018, 1066, 1069 f, 1072 f, 1165, 1279, 1300, 1391, 1400, 1564; > Revision Korrekturfahne 205, 665 f Korrekturlesen 1295, 1443, 1564 Korrespondenz 79, 147, 295, 310, 339, 494, 495, 498, 499, 500, 621, 622, 624, 626, 718, 719, 1303, 1394, 1469, 1477, 1546, 1610; > Brief; > Geschäftskorrespondenz Korsisch 1394 Kpelle 718 kreatives Schreiben 1325, 1327 Kreativität 245, 248, 252, 590, 660, 1073, 1173, 1262, 1287, 1293, 1295, 1528, 1530 Kreolsprachen 596, 740, 783, 815, 826, 1401; > Pidgin Kretisch 177, 184, 205, 271⫺3, 286, 337, 419⫺22 Kritzelschrift 528, 985 f, 1142 f, 1145 f, 1149 f, 1163, 1242, 1251 Kroatisch 1196, 1595 Kryptographie > Geheimschrift Kufi 249 f, 313⫺5, 526, 528, 530 Kugelkopfschreibmaschine 142, 1059 Kugelschreiber 242, 321, 1029, 1043 Kult 22, 28, 34, 228, 231, 233, 235, 269, 282, 296, 334, 352, 402, 472, 477, 481, 483⫺5, 488 f, 494, 497, 500, 505⫺8, 679 Kultschrift 235, 679 Kultsprache 275, 523 kulturelles Gedächtnis 2 f, 6⫺8, 12, 14, 38, 103, 108, 647, 1491, 1493

1711 Kulturschrift 549 Kun-Lesart 442, 1313⫺5, 1416, 1418 Kunama 823 Kunrei-System 1602 Kunsterziehungsbewegung 1233, 1243, 1270, 1283 künstliche Intelligenz 160, 167, 652, 723, 980, 1033 Kunstschrift 250, 1147, 1604 Kupferstich 69, 92, 219 Kurdisch 753, 1195, 1599 Kurialschrift 355⫺7, 1407 Kurrentschrift 173 f, 176, 188⫺90, 196 f, 201, 357, 1243, 1605 Kursive 57, 59, 134, 136, 144, 171 f, 177, 180, 183 f, 186⫺8, 191, 198, 200 f, 217, 230, 234 f, 238⫺40, 246, 249 f, 252, 273, 283, 289, 292, 294⫺6, 301, 303, 313⫺7, 335, 339, 356 f, 445, 473, 476, 504, 528⫺30, 539, 542, 548 f, 579, 691 f, 861, 865, 1028 f, 1031⫺3, 1066, 1294, 1300, 1313, 1380, 1418, 1422, 1461, 1464, 1501, 1510 f, 1564, 1605⫺7 Kursivschrift 174, 182 f, 239, 248⫺50, 253, 289, 291 f, 295, 301⫺3, 305, 310, 313⫺5, 317, 473, 476, 528 f, 687, 690 f, 1243, 1433, 1509, 1599 Kurzalphabet 298⫺300, 1576 Kurzschrift > Stenographie Kurzvokal 312, 316, 1300, 1433⫺5, 1453, 1486 f, 1489 Kurzzeitgedächtnis 936, 938 f, 965, 967, 976, 1058, 1083, 1181, 1336⫺8, 1345 kuschitische Sprachen 320, 818 f, 823 Kymrisch 556, 597, 600 Kyprisch 196, 273, 286, 329, 330, 337, 341, 419 Kyrillisch 66, 334, 341, 344, 346, 535, 672 f, 698, 700⫺2, 743, 746 f, 751, 753⫺7, 759, 761, 803, 806, 809, 811 f, 856, 858, 964, 1299, 1371, 1373, 1388, 1392, 1584, 1591, 1593⫺6, 1622 Kyrillisierung 341, 809

L L-Varietät > H-Varietät Labial 46, 327, 366, 763, 1148, 1430, 1601 Labialisierung 364, 366, 763 f, 819, 1419, 1602

Labiodental 378, 1587 Labiovelar 763 f Ladhaki Sprachen 454 Ladino 702, 756 Laie 58, 60, 376, 538, 540, 546 f, 555, 557⫺67, 612 f, 616, 620, 754, 815, 818, 861 f, 877, 1130, 1327, 1331 Laiensprache 555 Landessprache 60, 379, 397, 442, 444, 449, 817 f, 879, 1191, 1194⫺6 Langalphabet 286, 298⫺300, 1576 Langkonsonant 1418 Langobardisch 124 language acquisition > Spracherwerb language development > Sprachentwicklung Langvokal 280, 297, 302, 312, 1300, 1370, 1374, 1418, 1422, 1433⫺5, 1453, 1486, 1489 Langzeitgedächtnis 914, 976, 1006⫺8, 1010, 1058, 1162, 1214, 1337 laotische Sprachen 699 f, 705, 714, 1603 Lapidarschrift 184⫺6, 191, 233, 314, 316 Laryngal 319, 1600 Laserdrucker 134 f, 142⫺4, 166, 210, 1068 Latein 6, 8, 10, 12, 27, 35, 56, 58, 60 f, 73⫺5, 90⫺3, 105, 111 f, 124 f, 129, 184, 337, 341, 392, 413, 421, 435, 438, 445, 450, 517⫺21, 523, 529, 536⫺8, 540⫺2, 547, 555⫺62, 564⫺68, 592⫺4, 596 f, 599, 621, 658, 672, 673⫺7, 690, 725, 729, 734, 740 f, 743, 745⫺7, 751⫺7, 759, 761⫺3, 793, 809, 825, 828, 860⫺5, 876, 879, 938, 1066, 1129⫺32, 1137, 1166, 1195, 1245, 1269 f, 1278⫺2, 1299, 1373, 1375, 1392⫺8, 1416, 1437, 1446⫺8, 1470, 1482, 1485, 1491⫺3, 1500, 1502, 1507, 1510, 1512, 1549, 1574 f, 1578⫺80, 1596, 1605, 1610 f Lateinschrift 89, 107, 171 f, 175⫺9, 182⫺7, 189 f, 197, 199, 202, 229, 236 f, 244, 246, 274, 309, 321, 328, 330, 336, 344, 346, 378, 380, 402, 415, 444, 446, 449, 454 f, 457, 518, 535, 538, 543, 549, 661, 698, 700⫺3, 705, 712, 716⫺9, 755 f, 783, 803 f, 806⫺8, 811 f, 818, 823, 845,

Lateinschule ⫺ Lesen Lernen

1712 848, 856 f, 964, 1028, 1213, 1244, 1303, 1310 f, 1313, 1315, 1368, 1371, 1380 f, 1388, 1409, 1413, 1421, 1423, 1435, 1445, 1452, 1463, 1482, 1490, 1584 f, 1587, 1591 f, 1594⫺7, 1599, 1601⫺3, 1617, 1622, 1624, 1626, 1628 Lateinschule 61, 242, 547, 562, 862, 864, 879 f, 1281 Lateralisierung > Hemisphäre Latin > Latein Latinisierung 341, 538, 597, 690, 751, 806⫺9, 811, 845, 1303, 1397, 1595, 1601 f Latinismus 592 Laut-Buchstaben-Beziehung > Graphem-Phonem-Korrespondenz Lautbezug der Schrift 42, 44, 259⫺3, 743, 1580⫺2; > Abhängigkeitshypothese; > Graphem-Phonem-Korrespondenz Lautieren 690, 1158, 1170, 1175, 1392 Lautindikator > Determinativum Lautschrift 55, 230, 260 f, 278, 285, 348, 378, 679, 728, 1581, 1599, 1602, 1622 Lautsegment 910, 986, 1452 Lautwandel 6, 384, 388, 743, 1437 Layout 7, 9⫺11, 52, 63, 134 f, 138, 140, 144 f, 204, 210, 480, 549, 1060, 1065, 1069, 1305, 1410, 1507 learnability > Lernbarkeit learner > Lerner learning by heart > auswendig Lernen learning to read > Lesenlernen learning to write > Schreibenlernen Leerzeichen > Spatium Legasthenie 890, 928, 937 f, 1113, 1219, 1329⫺1, 1335, 1339, 1354, 1356⫺8; > LeseRechtschreib-Schwäche; > Schriftspracherwerbsstörung Legende 314, 351, 443, 451, 519, 534, 559, 673, 814, 1391, 1461 Legendenschrift 213 Lehrbuch 9, 12, 68, 85, 239, 245, 447 f, 456, 462, 492, 522, 542, 544, 629 f, 633, 839, 841, 845 f, 1172, 1236, 1294, 1302⫺4, 1310 f, 1313 f, 1317, 1477, 1484, 1493, 1550, 1612, 1624 Lehrer 7, 71, 75, 426, 428, 432, 434, 437, 452, 476, 480, 482,

485, 499, 519, 565 f, 609, 613, 639, 641, 687, 700, 712, 714, 729, 772, 776, 789, 791, 794, 799⫺2, 818, 822, 825, 828, 830, 839 f, 842, 844, 846, 848⫺50, 864, 868, 870, 873, 880, 1002, 1020, 1076, 1079, 1096, 1121⫺5, 1132 f, 1139 f, 1143 f, 1192, 1195 f, 1198, 1201, 1211, 1217, 1219⫺21, 1226, 1228, 1230, 1234, 1236 f, 1254⫺6, 1264, 1268, 1271, 1274, 1277⫺9, 1282, 1286 f, 1289⫺97, 1301 f, 1308, 1310 f, 1323, 1325, 1327, 1330 f, 1344, 1351, 1355, 1362, 1443, 1469, 1490, 1564 Lehrerausbildung 805, 868, 878, 993, 1140, 1232, 1303, 1307, 1362 Lehrerkorrektur 476, 889, 1020, 1120 f, 1165, 1631, 1636, 1257, 1302, 1328, Lehrplan 9, 817, 820, 880, 1129, 1220, 1222, 1230, 1245, 1255, 1269, 1272, 1275 f, 1282, 1303 Lehrstrategie 1255 f leises Lesen 7, 35, 69, 88, 513, 522, 776, 868, 965, 1315, 1391 Lektüre 36, 72, 75⫺9, 82, 89, 97⫺9, 113, 115, 123, 514, 579, 590, 684, 861 f, 864, 866⫺9, 1129, 1170, 1178, 1230⫺2, 1234, 1268⫺71, 1275, 1280, 1283, 1292, 1307, 1318 f, 1321 f, 1414 Lenkfeld 21 f Lernbehinderung 1338, 1351⫺63; > Lernschwierigkeiten Lerner 7, 426, 429, 435, 451, 464, 466, 607, 644, 713, 717, 719, 745, 767, 771 f, 776, 787, 789⫺91, 795⫺7, 799 f, 825⫺7, 829 f, 837⫺40, 844 f, 847⫺49, 884, 888⫺90, 938, 1033, 1075⫺7, 1079, 1090, 1095, 1101⫺4, 1111, 1113 f, 1157, 1218, 1287, 1290, 1291, 1294, 1296 f, 1311, 1314, 1332, 1352, 1354, 1356, 1361, 1564 Lernprozeß 169, 888, 890, 1011, 1038, 1118, 1121, 1141, 1154, 1160, 1180, 1182, 1219, 1221 f, 1242, 1245, 1252, 1257, 1343 Lernpsychologie 1200, 1245 Lernschwierigkeiten 1122, 1148, 1207, 1222; > Lernbehinderung

Lernstrategie 1255, 1344, 1541 Lerntheorie 1118, 1232, 1235, 1256, 1344 Lernumgebung 889, 1150, 1221, 1291, 1352, 1362 Lernvoraussetzungen 886, 1147 f, 1198, 1226, 1335, 1346, 1360⫺2 Lernziel 1235, 1237, 1254, 1256, 1262, 1307, 1359 Lesbarkeit 11, 46, 117, 144, 194, 200, 220 f, 223, 228, 237, 245 f, 258, 352, 357 f, 473, 679, 688 f, 691, 695, 926, 1050, 1062, 1175, 1243, 1247, 1507, 1572, 1585, 1619, 1623 Lese-Rechtschreib-Schwäche 1081, 1103, 1110, 1123, 1158 f, 1166, 1205, 1323, 1329⫺46, 1353⫺8; > Legasthenie; > Schriftspracherwerbsstörung Lesealter 1333, 1336, 1338, 1340 Leseaussprache 370, 1451, 1455 Lesebuch 821, 1139, 1220, 1231, 1233, 1235⫺7, 1269, 1271, 1275, 1304, 1469 Lesedidaktik 1157, 1217, 1221, 1227, 1378 Leseexperiment 1160, 1172 Lesefähigkeit 28, 73, 75 f, 78, 90, 378, 435, 444, 498, 507, 540, 630, 637, 640, 726, 776, 796, 806 f, 843, 849, 861, 866, 877 f, 879, 885, 937, 984, 1153, 1156, 1161, 1169, 1170⫺6, 1191, 1196⫺1205, 1217, 1220, 1306, 1321, 1330, 1333, 1336, 1344, 1353, 1493, 1546; > Literalität Lesefehler 637, 921, 927 f, 936, 962⫺5, 969, 973, 1110, 1112, 1156 f, 1161, 1219, 1314 f, 1331 f, 1338, 1343 f Leseförderung 1238, 1318⫺24, 1340 Leseforschung 908, 918, 927, 1337, 1338 Lesegerät 131 f, 136⫺8, 1619 Lesegeschwindigkeit 136, 979, 1161, 1226 f, 1321, 1344, 1503, 1619 Lesekultur 69⫺77, 100, 568, 580 f, 1322 Leselehrgang 1159, 1218, 1232, 1244, 1339, 1344 Leseleistung 1331, 1335, 1354 Leselernmethode 1221, 1361 f Lesemodell 1220, 1338, 1342 Lesen Lernen 60, 66, 74, 94, 519, 726, 818, 820, 822 f, 860, 864, 867, 869 f, 884, 886, 919, 950, 1075⫺8,

Leseprozeß ⫺ Literatur 1095 f, 1102 f, 1111 f, 1118, 1121, 1125, 1136, 1145, 1150, 1154, 1157⫺61, 1191, 1217⫺20, 1222 f, 1238, 1244, 1247, 1290, 1321, 1335 f, 1338, 1343, 1353, 1356 f, 1359, 1361⫺3; > Schriftspracherwerb Leseprozeß 22, 36, 106, 171, 258, 660, 664, 909⫺12, 914, 918⫺21, 924 f, 928 f, 1022⫺4, 1155, 1161 f, 1169⫺3, 1217⫺9, 1231, 1237 f, 1330, 1332, 1338, 1342, 1357 f, 1435, 1492 Leser 22 f, 27, 30, 35 f, 52, 61, 63, 68, 72, 74, 76, 78, 81 f, 85, 87⫺9, 96 f, 134, 173, 224 f, 228, 239, 365, 370, 384 f, 388, 395, 397, 401, 414, 473, 507, 513 f, 520, 532, 535, 549, 556, 559 f, 567, 579⫺2, 584, 649, 663 f, 669, 683, 687, 689, 695, 816 f, 822, 860, 865⫺7, 887, 894, 897, 907 f, 910, 923 f, 926, 929, 933⫺9, 941, 945⫺52, 954, 960, 962⫺4, 969, 972 f, 974⫺8, 990, 1075⫺9, 1081, 1094⫺7, 1102⫺5, 1108 f, 1135, 1150, 1154, 1156, 1161, 1170⫺6, 1182, 1184 f, 1188, 1217, 1220, 1225⫺9, 1232 f, 1266, 1319, 1333 f, 1336, 1338⫺40, 1353, 1390, 1434 f, 1463 f, 1466, 1486, 1489, 1492, 1504, 1507, 1510, 1512, 1527, 1536, 1538, 1542, 1549, 1551, 1553, 1555, 1573, 1580, 1591, 1593 f, 1629 Leserichtung > Schriftrichtung Leseschrift 213 Lesestein 90 Lesestörung 919, 925, 927 f, 936, 960, 962, 1082, 1084 f, 1103, 1109⫺11, 1113, 1329, 1331 f, 1352⫺4, 1356 f, 1361; > Alexie Lesestrategie 1014, 1022, 1155 f, 1158, 1160 f, 1176, 1333 f, 1338, 1340, 1343 Lesesucht 77, 81, 548, 868 Lesetechnik 106, 580, 868, 1170, 1176, 1226, 1228 f, 1231, 1321, 1362, 1391 f Lesetechnologie 130⫺146 Leseunterricht 879, 1157 f, 1173, 1192, 1200 f, 1203, 1217⫺20, 1222 f, 1230, 1232, 1278, 1301 f, 1306, 1337, 1361, 1363; > Lesen Lernen Lesezirkel 1322

1713 Lesung 348, 398, 498, 514, 539, 1324 letter > Brief letter > Buchstabe Letter 69, 91, 110, 205⫺10, 238, 356, 374, 676, 815, 821, 1421, 1638 letter sequence > Buchstabenfolge letter shape > Buchstabenform Letzeburgisch 597 Lexem 279, 285, 722, 752, 761, 1249 f, 1254, 1384, 1416, 1420, 1424, 1487, 1517 f lexical access > lexikalischer Zugriff lexicalization > Lexikalisierung Lexik 8, 88, 580, 754, 1194, 1220, 1266, 1338⫺40, 1344, 1394, 1485, 1502 f lexikalischer Zugriff 908, 912, 914, 916, 925, 933, 962, 1058, 1084, 1089, 1095, 1097⫺9, 1103 f, 1113, 1155, 1158, 1160, 1249, 1251, 1321, 1337 f, 1340 Lexikalisierung 997, 1187, 1435, 1444, 1451 Lexikographie 260, 515, 594, 599, 1302, 1394, 1418, 1577, 1578⫺82 Lexikologie 764, 1518 Lexikon 9, 24, 276, 365, 377, 379, 497, 590, 740, 819, 912, 914 f, 1017, 1028, 1033, 1155, 1180, 1210, 1228, 1252, 1409, 1476, 1491⫺3, 1502 f, 1580, 1582 Liaison 1376, 1393, 1397, 1446, 1449 library > Bibliothek Lichjanisch 505 Lichtdruck 210 Lied 56, 78, 86, 397, 399, 480, 497, 509, 533, 547, 562, 564, 867, 897, 1144, 1272, 1412, 1422 Ligatur 110, 183, 188, 190 f, 199, 207, 230 f, 236, 272, 276, 279, 292, 314, 326, 374 f, 395, 453, 530, 533, 692, 1300, 1431 f, 1509, 1512, 1594, 1598, 1601 line > Zeile Linear A 271⫺3, 286, 326, 329, 337, 341, 419, 422, 511 Linear B 272 f, 286, 326, 329, 337, 341, 418⫺20, 511 f Linearisierung 51 f, 696, 1009, 1016 f, 1146, 1528 Linearität 42, 46 f, 52, 63, 112, 159, 173⫺200, 247, 252, 298, 300, 332, 326, 329, 332, 334,

579⫺81, 590, 664, 681 f, 914, 986, 1070, 1088, 1163, 1188, 1369, 1383⫺5, 1391, 1401, 1491, 1502, 1504, 1561, 1576, 1593 Linearschrift 10, 268 f, 271⫺3, 301, 337, 341, 419 f, 422, 504, 506, 511 f, 1383 f lingua franca 499, 605, 607, 782 f, 815, 858, 1198; > Koine´ linguistic change > Sprachwandel Linguistik 7, 21, 25, 29, 42, 117 f, 261, 298, 422, 429, 443, 456, 611, 634, 639, 660, 669, 673, 677, 681 f, 701, 705, 717, 724, 728 f, 733, 735 f, 752, 755, 801 f, 807, 811, 817 f, 821, 845, 904, 912, 980, 989, 993 f, 1001, 1005, 1011, 1016, 1027, 1061, 1171, 1179, 1220 f, 1288 f, 1386 f, 1405, 1483 f, 1495, 1506, 1508, 1515, 1527, 1559; > Sprachwissenschaft Linierung 127, 129, 494 Linksbündigkeit > Bündigkeit Linkshändigkeit > Händigkeit Linotype 97, 209 Liquid 327, 1430, 1433 Liste 26, 36, 52⫺4, 60, 159, 163, 167, 280 f, 283, 432, 480, 483, 487, 492 f, 495, 497, 579 f, 661, 663, 694, 912, 1228, 1249, 1392, 1398, 1492, 1504, 1512, 1568 f, 1576, 1578 f, 1581 f, 1611, 1615 Litauisch 599 literacy > Literalität literacy acquisition > Schriftspracherwerb Literalität 1⫺14, 55, 73, 90, 267, 324, 413, 424⫺9, 432⫺5, 453, 460, 463⫺9, 481, 498, 513, 518, 535, 538, 555⫺7, 559⫺61, 607, 618, 635⫺43, 647, 649 f, 654⫺7, 659, 698⫺701, 706, 710, 712, 714 f, 717, 719, 742, 767⫺77, 779⫺82, 784⫺802, 804, 814, 825 f, 828⫺31, 835⫺37, 839⫺51, 873, 879, 884 f, 890, 1075, 1105, 1108 f, 1111⫺3, 1118 f, 1125, 1140, 1203, 1289⫺92, 1296 f, 1306, 1309 f, 1312, 1317, 1356, 1387, 1389, 1392, 1482, 1502, 1505, 1529, 1568; > funktionale Literalität Literatur 8 f, 14, 28, 35 f, 52 f, 55, 68 f, 71, 73, 75⫺7, 79, 82, 85⫺8, 90, 93, 95⫺100, 108,

Literaturdidaktik ⫺ Memorieren

1714 119, 126, 146, 233, 248, 305, 323⫺26, 334, 344, 362, 386, 402, 429, 446, 450⫺3, 455⫺7, 460, 462, 472, 476, 480⫺2, 484⫺6, 494⫺7, 499 f, 507, 509, 513, 515, 520⫺2, 526, 529, 534 f, 538 f, 541 f, 545⫺8, 555 f, 558⫺60, 562⫺7, 584, 594, 599, 606, 640, 657⫺61, 665, 668 f, 675, 680⫺2, 690, 699, 701, 740, 782, 814⫺7, 835, 837, 841 f, 845, 862, 869, 880, 894, 896 f, 899, 1118⫺20, 1123, 1131⫺3, 1136, 1138, 1140, 1194, 1220, 1230⫺2, 1234⫺6, 1268⫺74, 1276, 1278, 1283, 1287, 1291, 1293 f, 1297, 1301, 1303, 1320⫺4, 1327 f, 1382, 1396, 1398, 1420, 1444, 1469 f, 1477, 1480, 1482, 1484, 1490 f, 1501, 1538, 1550, 1554, 1572, 1592, 1619, 1622 Literaturdidaktik 1231⫺3, 1235⫺6, 1276, 1539 Literatursprache 275, 309, 547, 557, 693, 739, 741, 754, 1130, 1388, 1500, 1556 Literaturunterricht 1127, 1226, 1230 f, 1233⫺8, 1269⫺71, 1273⫺76, 1279, 1539 Literaturwissenschaft 36, 668, 1125, 1232, 1236, 1273 f, 1276, 1327, 1530, 1538, 1553 Lithographie 70, 210, 328, 1638 Liturgie 27, 58, 126, 235, 238, 344, 481, 483 f, 488 f, 538 f, 541 f, 545 f, 606, 754, 820, 1299 loan-word > Entlehnung Logik 140, 144, 168, 428, 640, 648, 651, 654 f, 688, 835, 1137, 1280 f, 1391, 1443, 1549, 1559, 1568 Logiksprache 1368 logographemische Phase 1163, 1209, 1250, 1254 Logographie 83, 110, 118, 259⫺62, 269, 275⫺81, 285⫺7, 290 f, 293, 297, 322, 329, 332, 341, 348, 406, 408, 410 f, 414, 416⫺9, 421 f, 433⫺5, 492 f, 509, 692, 703 f, 710 f, 715, 743, 745, 747, 773, 801, 908 f, 938, 1078⫺80, 1101⫺4, 1106, 1108⫺13, 1155⫺7, 1160 f, 1163, 1165, 1209, 1213 f, 1309, 1312, 1315 f, 1342, 1368, 1371⫺4, 1376, 1383⫺6, 1390, 1405, 1417, 1443⫺5, 1448, 1450 f, 1480, 1509

logosyllabische Schrift 261 f, 405 f, 409 f Logozentrismus 104, 652, 681 Lokativ 285, 397 Loma 718 Lombardisch 1396 long-term memory > Langzeitgedächtnis look-say-method > Ganzheitsmethode lower case > Minuskel Luwisch 287, 499 Lyrik 78, 112, 514, 556, 559, 561 f, 564 f, 567, 594, 597, 642, 673, 681, 1275, 1553 f

M macro- > makromagazine > Zeitschrift Maghribi 250, 532 Magie 33, 481 f, 485, 508, 655, 678 f, 682, 684, 698, 1146, 1610 mail > Post Majang 819 Majuskel 7, 126, 176, 186, 188, 192 f, 195 f, 199, 201, 230 f, 233 f, 241, 539, 544, 661, 687, 690 f, 696, 705, 712, 735, 803, 1028, 1066, 1089 f, 1391, 1421, 1437, 1448, 1564, 1566, 1596, 1599; > Großbuchstabe; > Versalie Majuskelschrift 186, 193, 230 f Makedonisch 1595 Makroproposition 1016, 1520, 1540 Makrostrategie 978 Makrostruktur 5, 168, 580, 590, 975, 999, 1011⫺3, 1020 f, 1185, 1187, 1493, 1497, 1503 f, 1519 f, 1528, 1540 Malaisch 312, 701, 783, 1105⫺7 Malayala 454 f, 461, 466 Maltesisch 752, 1485 mandschu-tungusische Sprachen 855 f Manierismus 593, 681 Manipuri 455, 457, 460, 462 Manuskript 57, 59, 61, 71, 82, 86, 88, 92, 132, 134, 144, 225, 452, 463, 584, 606, 658, 662, 664⫺6, 668, 815, 863, 865, 1069, 1300, 1302, 1328, 1391, 1491; > Handschrift Maori 346 Marathi 326, 454, 467 Markiertheit 174, 179, 193, 595, 597, 600, 624, 626, 691, 819, 978, 1372, 1375, 1439, 1452 f, 1458 f

Maschinenschreiben 62, 136 f, 585, 624 f, 662, 909, 987, 1036, 1056⫺67, 1605 Maschinenschrift 136 f, 987, 1056, 1059⫺61, 1063, 1065, 1067, 1456 Massenliteralität > allgemeine Literalität Massenmedien 9, 600, 456 Mathemathik 10 f, 43, 49, 112, 144, 233, 241, 267, 279, 319, 433, 485, 493, 495 f, 515, 628 f, 651, 655 f, 662, 673, 784, 887, 1207, 1228, 1269, 1362, 1391, 1394, 1411, 1422, 1443, 1559, 1563, 1568, 1571, 1573 f, 1576, 1612, 1622 f, 1626, 1637 matres lectionis > Plene-Schreibung Matrize 207, 209, 356, 374, 1410 Mayaschrift 405, 408⫺10, 412 f, 433, 709, 1386 McCune-Reischauer-Umschrift 1602 meaning > Bedeutung Medien 26, 31, 79, 85, 101, 112, 118 f, 124, 133, 158 f, 169, 483, 574 f, 577, 580, 582, 584, 660, 747, 884, 894, 909, 1021, 1124, 1150, 1201, 1220, 1301, 1304, 1319 f, 1322 f, 1326 f, 1396, 1399, 1488, 1501, 1528, 1530, 1532, 1552, 1603, 1630 Medium 18, 20, 22, 24, 26, 28, 31, 52, 83, 86, 90, 97, 105, 107, 112, 115, 228, 259 f, 578, 587, 589 f, 593, 595, 606, 611, 620, 646, 650, 658, 660, 679, 681, 683, 866, 1142, 1146, 1149, 1180, 1201, 1261, 1390 f, 1395, 1400, 1485, 1502, 1531 Medizin 75, 88, 158, 279, 413, 434, 451, 465, 480⫺2, 485, 497, 500, 514 f, 640, 654 f, 657, 675, 712, 780, 823, 1301, 1330 f, 1484, 1496, 1512 Mehrdeutigkeit > Ambiguität Mehrgraph 1373, 1452 f, 1605 Mehrschriftigkeit 746⫺58 Mehrsilbigkeit 365, 841, 1164, 1337, 1397, 1439, 1468 Mehrsprachigkeit 286, 405, 410, 414, 418, 421, 426, 458⫺60, 462, 469, 492, 559, 561, 565, 596, 633, 701, 740⫺2, 746, 753, 758, 774 f, 782, 803, 811, 860, 1020, 1191⫺4, 1196 f, 1202 f, 1528 Memorieren 2, 27, 34, 37, 56, 60, 71 f, 74, 89, 326, 355,

memory ⫺ mother tongue 362, 451, 463, 549, 605, 607, 703, 715, 719, 880, 985, 990, 1219, 1295, 1301 f, 1304, 1313, 1385, 1507, 1578; > auswendig Lernen memory > Gedächtnis Mende 718 Menomini 741 Mensch-Computer-Interaktion 63, 133, 166, 169, 582⫺4, 1068, 1070, 1637 Menschenrechte 1, 779, 790 f, 796, 898, mentale Repräsentation 908, 911⫺3, 924, 929, 934, 945, 948⫺50, 952, 960, 962⫺5, 968, 972 f, 975⫺9, 986, 1014, 1018 f, 1021⫺3, 1027 f, 1070, 1088 f, 1094⫺6, 1098 f, 1101, 1110, 1112, 1155, 1160, 1171 f; > kognitive Repräsentation mentales Lexikon 911⫺4, 958, 962 f, 965, 968 f, 988, 1082 f, 1086, 1088, 1094, 1096⫺8, 1104, 1157, 1162, 1337 f, 1345 Meroitisch 289, 295, 330, 334, 341, 421 Metakognition 773, 940 f, 979, 1161, 1185, 1188, 1223, 1249, 1251 f, 1255 f, 1357, 1542 metalanguage > Metasprache Metapher 10 f, 497, 591, 650, 655, 657, 876, 947, 1170, 1336 Metasprache 283, 425, 599, 910, 940, 1076, 1111, 1171, 1266, 1336 f, 1399, 1464 Mhedruli-Schrift 344 Miao-Yao-Sprachen 855⫺7, 859 Migration 271, 435, 600, 784, 795, 830, 881, 1191⫺3, 1195 f, 1201; > Immigration Mikrofiche 463 Mikrofilm 463, 660 Mikrostruktur 978, 1011, 1012, 1016, 1503 Mimik 647 f, 679, 1144, 1180, 1626⫺8 Minderheit 328, 426, 435, 460, 699 f, 702, 719, 770, 773⫺5, 799⫺800, 822, 826 f, 835, 855, 858, 878, 881, 883 f, 1191⫺4, 1196 f, 1199⫺1203, 1293, 1352, 1477 Minderheitensprache 798, 822, 858, 1191, 1194⫺7, 1201 f, 1299 Minoisch 271, 272 f, 286, 307, 505, 511 minority > Minderheit Minuskel 58, 171, 176, 184, 189 f, 193⫺200, 228, 234⫺6,

1715 238, 240, 504, 537⫺41, 543, 545, 691, 755, 1218, 1245, 1564, 1566, 1596, 1598, 1617 Minuskelschrift 182 f, 186, 192⫺5, 197, 199, 216, 310 f, 344, 691 Mischschrift 1417 Mischsprache 861 Mishnah 28, 607 Miskito 826 Mission 88, 250, 320, 328, 344, 391, 402, 413, 440, 444 f, 456 f, 538, 557, 607, 698, 700⫺6, 712, 717, 719, 753, 756, 779, 782, 803, 815 f, 821, 840⫺3, 851, 857, 1303, 1421 f, 1500 misspelling > Rechtschreibfehler Mittelalter 3, 6 f, 11, 13, 35, 37 f, 48, 57⫺60, 66, 70, 73 f, 78, 88 f, 91, 105⫺9, 111⫺3, 122 f, 125⫺7, 129, 149, 151, 182, 184, 199 f, 206, 214, 216, 228, 231, 235, 237, 239 f, 245, 305, 330, 341, 359, 392, 438, 523, 526, 528⫺30, 533, 536⫺48, 550, 555 f, 561⫺3, 566⫺8, 590, 593, 596 f, 599, 610, 612, 614, 616⫺8, 620 f, 630, 636, 658, 673 f, 676 f, 683, 691 f, 741, 743, 754, 756, 804, 814 f, 860⫺2, 876, 879, 895, 1129 f, 1137, 1195, 1242, 1280 f, 1301⫺3, 1306, 1395, 1398, 1401, 1416, 1483⫺8, 1491, 1500⫺2, 1507 f, 1510⫺2, 1546, 1574, 1576, 1578⫺80, 1582, 1610, 1638 Mitteldeutsch 95, 597, 600 Mittelenglisch 559 Mittelhochdeutsch 560, 562, 597, 728 Mittellänge 192, 194⫺200, 213 f, 223 Mittellatein 537, 547, 551, 690 Mnemotechnik 20, 24, 108, 258, 264, 298, 432 f, 607, 620, 623, 625, 627, 647, 663, 716, 985, 1392, 1576, 1590 Moabitisch 505 Modalpartikel 1399 Modalverb 412, 1475 Modus 591, 1396, 1486 f, 1489, 1522 Moldauisch 751, 753, 812, 1388, 1595 f Mon-Khmer Sprachen 855 monastery > Kloster Mönchstum > Kloster Mongolisch 330, 345, 747, 753, 755 f, 803 f, 806, 855⫺7, 1102, 1596

Monitor > Bildschirm Monitoring 773, 913, 935, 948, 954, 1006⫺8, 1020, 1031, 1057, 1059, 1083, 1161, 1295 monolingual > Einsprachigkeit monoliteracy > Einschriftigkeit monosyllabic > Einsilbigkeit Monotype 209 Monumentalschrift 173, 175 f, 179, 214, 220, 231, 249 f, 298, 301 f, 307, 310, 317, 339, 473, 504, 756, 1572 More 1313, 1370 f, 1374, 1418 Morenschrift 1371 Morphem 118, 277, 285, 289, 291 f, 294, 316, 406, 410, 690 f, 694, 698, 703 f, 710, 712, 720, 725, 745, 888, 908, 933, 935, 938, 952, 958, 960, 965⫺8, 987, 1028, 1033, 1082 f, 1087, 1094, 1101, 1155 f, 1162, 1165 f, 1171, 1175, 1220, 1225, 1250, 1254, 1290, 1309 f, 1312 f, 1315⫺7, 1339 f, 1344, 1368⫺72, 1374⫺6, 1381, 1386, 1405, 1410, 1416 f, 1434 f, 1438 f, 1442 f, 1445, 1448⫺50, 1454, 1466⫺8, 1474, 1476, 1481, 1485, 1487, 1594, 1606 Morphemkonstanz 1162, 1165, 1254, 1371, 1375 f, 1382, 1437 f, 1451 Morphemmethode 888 Morphemschrift 1371, 1468, 1471 Morphographemik 494, 1173, 1417, 1445, 1448⫺50, 1502 morphological decomposition > morphologische Dekomposition Morphologie 103, 171⫺80, 182⫺5, 188, 190, 193, 196⫺9, 262, 276, 280, 316, 412, 549, 694, 698, 703 f, 764, 801, 811, 869, 914, 932, 934, 938, 951, 958, 966 f, 969, 1080, 1083, 1101, 1112, 1250, 1262, 1339, 1369⫺71, 1374⫺6, 1382, 1384 f, 1388, 1394⫺6, 1405, 1407, 1417, 1419, 1424, 1433⫺5, 1437⫺9, 1442, 1444, 1446, 1448 f, 1451, 1453 f, 1474, 1485, 1487, 1489, 1502 morphologische Dekomposition 933, 966 f, 1176 Morphophonemik 698, 717, 801, 958, 1385, 1437 f, 1442, 1502, Morphosyntaktik 205, 772, 1446 Morsealphabet 62, 905, 1624, 1630, 1637 mother tongue > Muttersprache

Motivation ⫺ Norm

1716 Motivation 795, 818, 822, 825, 827, 859, 888 f, 984, 1008, 1018 f, 1052, 1063, 1073, 1154, 1218, 1220 f, 1223, 1226, 1232, 1237 f, 1251, 1257, 1290, 1319, 1325⫺7, 1345, 1360 f, 1363 Motiviertheit 111, 332, 938, 969, 1098, 1507 Motorik 585, 905, 909 f, 915, 927, 953, 983 f, 987⫺9, 992, 1008, 1049 f, 1052, 1057⫺60, 1067, 1089, 1180 f, 1212, 1241 f, 1245 f, 1251, 1253, 1333; > Schreibmotorik; > Sensomotorik Mozarabisch 538, 541, 565, 1394, 1398 Mü 178 Muhaqqaq 250, 530 multikulturelle Gesellschaft 577, 774, 805, 1124, 1199, 1202 multilingualism > Mehrsprachigkeit Multimedia 132 f, 166 f, 582, 867 f mündliche Kommunikation 22, 24, 34, 37, 426⫺9, 513, 547, 578, 591, 624, 633, 742, 754, 757, 771, 780, 782, 886, 889, 1144, 1304, 1312, 1398, 1488, 1504; > gesprochene Sprache Mündlichkeit 18⫺20, 22, 24⫺9, 31 f, 34, 36⫺9, 52, 56, 61 f, 71, 74, 82, 86, 97, 103⫺6, 108⫺12, 116, 118 f, 148, 150, 260, 483, 492, 494, 497, 512⫺4, 518, 521, 525, 528, 542, 546, 547, 555 f, 558⫺65, 567, 574⫺6, 578, 587 f, 590⫺3, 596, 599⫺601, 614, 617 f, 620, 623 f, 629 f, 633, 646⫺9, 651 f, 658, 663, 690, 739⫺42, 754 f, 757, 823, 862, 867, 886 f, 903 f, 909 f, 989, 1016⫺8, 1021, 1119, 1132, 1145, 1149, 1173, 1176, 1193, 1195 f, 1199, 1261, 1282, 1300 f, 1389 f, 1392 f, 1395⫺1401, 1488, 1490, 1492⫺4, 1500⫺4, 1527, 1529 f, 1545 f, 1549 f, 1552, 1554; > Oralität Mundschrift 990 Münze 90, 305, 307, 314 f, 339, 441, 509, 519, 535 Musnad-Schrift 309, 311 Mustererkennung 911, 959 Muttersprache 272, 336, 339, 348, 435, 456, 458, 493, 499, 529, 540, 621, 702, 742, 754, 782⫺5, 800⫺4, 806, 812,

817 f, 820, 822, 856, 858, 881, 884, 890, 920, 1020, 1106⫺7, 1126, 1131, 1135, 1137⫺9, 1158, 1170, 1174, 1191, 1195 f, 1198⫺1200, 1203, 1254, 1269, 1280⫺2, 1299 f, 1307, 1435, 1443, 1477, 1485⫺7, 1490, 1528, 1549, 1553 f, 1581, 1584 Mykenisch 272 f, 326, 336, 511 f, 646, 763, 1431 Mystik 71, 451, 525, 528, 530, 533, 547, 1273 Mythologie 36, 86, 282, 351, 423, 473, 484, 488, 495, 500, 508, 521, 646 f, 655, 705, 715, 1135, 1145, 1280

N Nabatäisch 302 f, 305, 313, 315, 505 Nachahmungssprache 555 Nachbild 920, 929 Nachdruck 92⫺7, 101, 446, 1207 Nacherzählung 990, 1020, 1139, 1282, 1304 Nachschlagewerk 1226, 1228, 1602 Nähe-Distanz-Kontinuum 588, 591, 596⫺601 Nahuatl 415 Namen 27, 53, 133, 147, 174, 201, 230, 267, 274, 276, 279, 281, 283, 285, 293, 295, 298, 307, 334, 353, 358 f, 375, 377, 379, 383 f, 391, 393, 395⫺7, 399, 401, 406, 408, 413⫺5, 417⫺22, 434, 441, 443 f, 450, 497, 506, 535, 626, 651, 680⫺2, 691, 695 f, 705, 710, 723, 734 f, 762, 848, 883, 901, 1041, 1082, 1086, 1142 f, 1145, 1156, 1163, 1165, 1213, 1252, 1312 f, 1399 f, 1410, 1412, 1414, 1416 f, 1419⫺22, 1435, 1440, 1442⫺4, 1451, 1465 f, 1508, 1512, 1581, 1591⫺3, 1600 f, 1610, 1617 narrative > Erzählen Nasal 327, 529, 714, 719, 819, 1147, 1373, 1430, 1438, 1447, 1449, 1455, 1583, 1587, 1592, 1601 f Nashi 249 f, 313, 315, 316, 532 Nastaliq 532 Nationalliteratur 96, 1268 f Nationalsozialismus 99 f, 896, 1234, 1244, 1274, 1284 Nationalsprache 547, 563, 577, 677, 754, 816⫺8, 845, 1130, 1193, 1393, 1553 f, 1579

native language > Muttersprache Naturwissenschaften 349, 375 f, 381, 594, 629⫺31, 675, 903, 915, 1124, 1300, 1484 Navajo 700, 1200, 1201 Naxi 855 f Nebensatz 948, 1183, 1226, 1439 f, 1458 f, 1461, 1464, 1496, 1503 Negation 43, 372, 1304, 1460 neogrammarians > Junggrammatiker Neologismus 1417, 1474 Nepali 326, 457, 460⫺2 Nestorianisch 305 Netzwerk 10, 165, 167, 434, 577, 580, 582 f, 849, 929, 974, 1034, 1095, 1099, 1160, 1252, 1541 f; > interaktive Aktivation Neues Testament 71, 87, 319, 605 f, 608, 815, 843 Neuhochdeutsch 597, 693, 860, 1451 Neumen 27 Neurolinguistik 928, 1101, 1106 Neurologie 173, 1060, 1084 f, 1330⫺3, 1352 Neurophysiologie 1052, 1057, 1060, 1211⫺3, 1334 Neuropsychologie 928, 962 f, 968, 1032, 1036, 1075, 1103, 1213 f, 1329, 1360 Neutralisierung 1375, 1438, 1440 Neuverschriftung 756, 761 f, 805⫺7 Neuzeit 31, 60 f, 75, 88, 106 f, 109, 122, 128, 149, 180, 183, 240, 246, 344, 393, 522, 568, 593, 860, 867, 1129, 1136, 1281, 1306, 1393, 1420, 1507, 1511, 1576 newspaper > Zeitung Niederdeutsch 598, 600, 804 Niederländisch 394, 594, 598, 695, 730, 736, 752, 934 f, 940, 1033, 1160, 1372 Nil-Sahara-Sprachen 818 Nominalisierung 1184, 1452, 1465, 1496, 1503 Nominalphrase 975, 978, 1496, 1503 Nominalstil 591 Nominativ 277, 397, 1466 Nonpareille 211, 213 nonword > Pseudowort Nordwestsemitisch 229, 275 f, 298⫺300, 305, 505, 1576 Norm 93, 96, 110, 144 f, 194, 260, 371 f, 396, 428, 436, 438, 449 f, 546, 574, 584, 592, 594, 596, 599, 611⫺3, 615⫺7, 632 f, 639, 643, 661,

Normativität ⫺ Papier 687 f, 692⫺6, 720⫺3, 726 f, 735, 739⫺42, 800, 804, 869, 887, 889, 893 f, 896, 984, 988, 1012, 1020, 1060, 1062 f, 1065⫺7, 1120, 1130 f, 1141 f, 1146, 1148 f, 1162, 1176, 1181, 1198, 1231, 1243, 1245, 1255, 1261⫺3, 1265, 1267, 1277, 1292, 1378, 1393, 1396, 1397, 1440, 1466, 1472, 1484 f, 1488, 1490, 1492 f, 1501, 1504, 1511, 1552, 1554⫺6, 1579 f Normativität 29, 371, 436, 443, 546, 573 f, 576, 599, 615, 619, 703, 721, 1149, 1186 f, 1261, 1265, 1274, 1378, 1392, 1396, 1399, 1452, 1470, 1484, 1523, 1545, 1548, 1551, 1554 f Normierung 29, 61, 106, 110 f, 248, 250, 283, 379, 493, 556, 558, 562, 577, 583, 589, 632⫺4, 693 f, 706, 1062, 1065, 1069, 1327, 1378, 1392, 1394, 1396 f, 1452, 1466, 1493, 1524, 1579, 1592; > Standardisierung Normschrift 356⫺8, 371, 386, 399, 445, 1404 f, 1407 Normverstoß > Norm Norwegisch 730 Notar 153, 238, 542, 546, 566, 614, 876, 1281, 1610 f Notation 10, 43, 45, 258⫺60, 277, 289⫺95, 329, 392, 405, 446, 487, 849, 915, 1173, 1363, 1381, 1388, 1417, 1420, 1443, 1448, 1450, 1481, 1541, 1559⫺68, 1572, 1583⫺7, 1589, 1590 f, 1627⫺9, 1631 Notenschrift 42, 1574, 1622 f Notiz 56, 131, 357, 386, 446, 498, 529, 535, 539, 544, 548, 620, 625 f, 661 f, 665, 865, 885, 1007 f, 1018, 1024, 1063, 1069 f, 1072, 1264, 1278, 1280, 1604, 1607, 1629 Notizschrift 1604, 1607 noun > Substantiv Nü 178 Nuer 819 number > Zahl number > Ziffer numeracy > Rechenfähigkeit Numerale 450, 1411, 1426, 1572

O Oberflächenalexie 928, 936, 962 f, 1358 Oberlänge 182 f, 189, 191⫺200, 213, 223, 230, 235 f, 505, 691, 922, 1373, 1594, 1597

1717 Obstruent 696, 1373, 1454 OCR 132, 134, 136, 141, 167 ODA 139 f, 144 f office document architecture > ODA official language > Amtssprache Offizialschrift 183 Offsetdruck 205, 210, 1639 Ogham-Schrift 344, 557, 1574 f, 1577 Okklusiv 763 f Okzitanisch 109, 600, 676 old > alt Omega 72, 179, 1596 f, 1622 Omikron 175, 178, 182, 1596 f omotische Sprachen 818 f, 821, 823 On-Lesart 1313 f, 1416 f Onomatopoetika 1313, 1420 onset > Silbenanfang Ontogenese 12, 18, 44, 588, 601, 690 f, 984, 1010⫺3, 1021, 1146, 1154, 1181, 1184, 1186, 1206, 1212⫺4, 1266, 1389, 1399, 1530 optical character recognition > OCR Orakel 351 f, 436, 486, 509, 680⫺2 oral communication > mündliche Kommunikation Oralität 1⫺6, 8, 11⫺4, 45, 56, 60, 86, 108, 113, 119, 323 f, 326 f, 424⫺30, 432⫺5, 451 f, 463, 466 f, 469, 556, 558, 560 f, 563 f, 588, 593, 604, 606⫺8, 617, 638, 641, 643, 647⫺9, 655, 673, 690 f, 699, 707, 772 f, 775, 779 f, 782, 784, 791, 797, 823, 861, 1302, 1392, 1398, 1400, 1493, 1546, 1563 f; > Mündlichkeit Originalschrift 1593 Oriya 326, 454, 800 Oromo 320, 817, 823 Orthoepie 381, 399, 599, 723, 1176, 1396 Orthographie 6⫺8, 10, 44, 93, 110⫺1, 113, 115, 117, 198, 223, 242, 277, 280, 286, 291 f, 294 f, 313, 316, 365, 371⫺4, 381, 393, 396 f, 449, 476, 495, 517, 522, 541, 545, 562, 589, 625 f, 640, 661, 676, 687⫺96, 720⫺37, 746, 751, 755, 764, 772, 782, 803, 807, 809, 811, 819, 869, 886 f, 890, 938, 957 f, 964, 966 f, 969, 983⫺5, 987⫺9, 992, 1027 f, 1031, 1061 f, 1065, 1067, 1076 f, 1080 f, 1085, 1094⫺1108, 1112⫺4, 1145, 1147 f, 1155⫺7, 1159 f,

1162, 1165 f, 1171, 1173, 1175 f, 1183, 1241 f, 1247, 1249⫺54, 1257, 1264, 1267, 1290, 1300, 1302, 1321, 1326, 1339⫺42, 1344, 1375, 1377 f, 1380 f, 1384, 1386, 1390, 1392, 1394⫺6, 1399 f, 1418, 1422, 1424, 1429, 1433, 1436, 1442⫺4, 1449, 1452, 1492, 1507, 1579 f, 1584 f, 1591 f, 1600⫺2; > Rechtschreiben Orthographiereform 7, 245, 320, 494, 518, 541, 695, 720⫺37, 747 f, 751, 804⫺6, 808, 811, 887, 1273, 1441⫺2, 1452 orthographische Prinzipien 110 f, 115, 118, 688, 691, 693⫺5, 722⫺6, 734 f, 746, 1147, 1165 f, 1250, 1375 orthographischer Fehler > Rechtschreibfehler Ostrakon 30, 55, 122, 230, 298, 477, 486 f, 504 f, 507, 1278

P paarige Satzzeichen 1440, 1456 f, 1459, 1461, 1463 Pädagogik 88, 99, 449, 630, 634, 644, 729, 736, 772, 799, 801 f, 807, 811, 821, 827, 829, 860, 870, 887, 890, 919, 943, 983 f, 986, 988, 1005, 1010, 1013, 1120 f, 1124⫺6, 1150, 1154, 1167, 1179, 1192, 1194, 1205, 1206⫺8, 1210, 1214, 1217, 1220⫺2, 1231⫺7, 1241, 1255, 1258, 1262, 1265, 1274 f, 1287 f, 1296, 1307, 1319, 1322 f, 1326, 1328, 1330, 1333, 1335, 1342, 1357, 1393, 1434, 1492, 1537, 1546, 1625 page > Seite Paginierung 134, 207, 225, 548, 1066, 1422, 1615 Paläographie 129, 172, 180, 185⫺8, 190 f, 228, 231, 283, 286, 307⫺9, 326, 451, 504, 543, 550, 672, 1506, 1508, 1511, 1594 Palatal 320, 327, 366, 378, 815, 1430, 1486, 1587, 1589 Palatalisierung 364, 366, 763, 818 f, 1592, 1594, 1599, 1601 Pali 324, 451, 454, 463, 755 Palimpsest 87, 125 Pallava Schrift 454 Palmyrenisch 303, 305, 505 Papier 8, 13, 29 f, 51, 58, 62 f, 69, 81, 85, 89 f, 94 f, 97, 122, 124, 127 f, 131⫺5, 141, 144,

Papierformat ⫺ Phonologie

1718 150, 160, 173, 205, 207 f, 210, 224, 235, 239, 252⫺4, 349, 393, 408, 452, 525 f, 528, 533 f, 542, 548, 580, 634, 660 f, 666, 683, 687, 818, 821, 844, 865, 879, 985, 1036 f, 1043 f, 1066, 1068, 1073, 1142, 1146, 1148, 1175, 1477, 1491, 1500, 1579, 1619, 1621 f, 1630, 1638 f Papierformat 141, 204, 224, 633, 1063 Papierherstellung 70, 90, 92, 97, 123, 127⫺9, 315, 562, 865 Papierstil 1551 Papiervorlage 131, 134, 136 Papyrus 30, 53⫺7, 69, 72, 86 f, 122⫺5, 127, 129, 147 f, 173, 180, 187, 190, 229 f, 293, 298, 311, 313⫺6, 339, 476, 477, 482, 487 f, 504 f, 507, 512, 522, 528, 539, 540, 548, 1277, 1278, 1610 Paradigma 290, 692, 735, 1369, 1371, 1373, 1375, 1376 f, 1393, 1433 f, 1438, 1463 paragraph > Absatz Paralexie 928 Paraphrase 940, 1280, 1460, 1520 Parataxe 1503 parchment > Pergament Parenthese 692, 1457 f, 1461, 1463, 1506 Parsing 168, 585, 979, 1033, 1095, 1104, 1112 part-of-speech > Wortart Partikel 385, 397, 1401, 1419, 1422, 1435, 1460, 1470, 1472, 1478 f, 1501 Partizip 277, 398, 591, 735, 958, 997, 1184, 1401, 1459, 1503 Paschto 328, 535, 1299, 1599 Pasigraphie 114 Passiv 740, 1264, 1435, 1475, 1496 Patrize 207, 217 pattern recognition > Mustererkennung Pause 7, 316, 820, 943, 990, 1000, 1062, 1411 f, 1440, 1461, 1527, 1630 PC 161, 166 f, 210, 1068, 1631 Pecienwesen 547 Peking-Umschrift 673 pen > Bleistift pen > Kugelschreiber perception > Wahrnehmung perceptual learning > Wahrnehmungslernen Perfekt 1436, 1474 performatives Schreiben 992 Pergament 30, 33, 57⫺9, 69, 72, 87⫺9, 122⫺8, 147, 173, 187,

190, 231, 234 f, 239 f, 500, 504, 512, 522, 525 f, 530, 539, 544, 548, 815, 818, 861, 1278 f, 1510, 1579 Perlschrift 213 Persisch 249, 275, 287, 295 f, 305, 312, 327 f, 339, 418, 421, 455 f, 458 f, 463, 468, 473, 500, 527⫺9, 532⫺6, 592, 608, 706, 741, 756, 804, 855, 969, 1098 f, 1299, 1303, 1436, 1485, 1599 personal computer > PC Personalpronomen 370, 372, 1474, 1517 Petit 213 Phanemik 171⫺197 Pharyngal 704, 818 f, 1486, 1587, 1600 Phasenmodell des Schriftspracherwerbs 1078, 1155, 1163, 1251, 1254, 1342 Phi 179, 273, 337, 1596 Philologie 9, 30, 34, 36, 86, 88, 105, 125, 129, 172, 257, 320, 393, 399, 420, 500, 515, 521, 537, 579, 646, 659, 668, 672⫺9, 693, 1274, 1321, 1484, 1486 Philosophie 10 f, 37, 56, 71, 73, 82, 87⫺9, 105, 107 f, 119, 126, 240, 254, 377, 437, 451 f, 515, 521, 547, 612, 629, 637, 640, 646⫺52, 656, 657, 675, 682, 694, 696, 787, 840, 895, 994, 1051, 1124, 1133, 1146, 1207, 1221, 1256, 1272, 1301, 1321, 1469, 1491, 1548, 1560, 1610, 1625 Phoenician > phönizisch Phonem 11, 42, 46, 102, 110, 118, 262, 278, 289 f, 297 f, 312, 315 f, 323, 328, 346, 348, 384, 388, 392, 416, 689 f, 698, 704 f, 711, 713⫺5, 722, 763 f, 773, 809, 811, 819, 904 f, 915, 958, 964 f, 985, 1076, 1078, 1081⫺3, 1085, 1087, 1094 f, 1098 f, 1101 f, 1105, 1157, 1159 f, 1164 f, 1171, 1218, 1220, 1225, 1250, 1299, 1315 f, 1336, 1338, 1341⫺3, 1346, 1369⫺72, 1377, 1381 f, 1385 f, 1433⫺40, 1447, 1451 f, 1456, 1486, 1489, 1511, 1564, 1567 f, 1580, 1583 f, 1586, 1590, 1592, 1597, 1601, 1624 Phonemanalyse 102, 117, 1158 f, 1162, 1164 f, 1335⫺7, 1340 f, 1343⫺6 Phonematik 102, 106, 117, 688⫺90, 696, 764, 803, 807,

911, 989, 1159, 1162 f, 1166, 1250, 1253, 1346, 1370, 1422, 1433, 1583, 1586, 1596; > Phonologie Phonemfolge 291, 764, 908, 911, 914, 1341, 1370, 1417, 1419, 1474 phonemic awareness > phonologische Bewußtheit Phoneminventar 277, 307, 319, 348, 384, 391, 1164 f, 1452 Phonemsystem 764, 1370, 1437, 1440, 1486, 1597 Phonetik 43, 171, 324, 327, 334 f, 398 f, 443, 451, 673, 819, 904⫺8, 914 f, 924, 989, 1017, 1076, 1148, 1250, 1315, 1370, 1373, 1375, 1377, 1422, 1429 f, 1433, 1489, 1575, 1583⫺6, 1589⫺91 Phonetikum > Determinativum phonetisches Alphabet > IPA phonetisches Komplement > Determinativum Phonetisierung 259, 263, 409, 415 f phonics 1075, 1159, 1290, 1565 Phönizisch 43, 55, 70, 86, 172⫺9, 185, 229, 248, 261, 263, 273, 298, 301 f, 310, 324, 326, 330, 335⫺9, 341, 418⫺22, 434, 504 f, 511⫺3, 689, 704, 762, 927, 938, 1383 f, 1429 Phonographie 35, 42, 52, 103, 105⫺7, 110 f, 114 f, 118, 171, 259⫺61, 267, 269, 276 f, 289⫺91, 293⫺5, 322 f, 329, 414, 444 f, 678, 681, 683, 693, 695, 713, 724, 728, 733, 736, 801, 803, 1103, 1112, 1162⫺5, 1338, 1375 f, 1381⫺4, 1393, 1400, 1405, 1418, 1444⫺9, 1452⫺4, 1511, 1571 phonological awareness > phonologisches Bewußtsein phonological decoding > phonologisches Rekodieren phonological encoding > phonologisches Rekodieren Phonologie 42, 44, 110 f, 118, 171, 275, 280, 285, 319, 324, 417, 444, 446, 458, 640, 710, 715, 717, 722, 725, 755 f, 761 f, 764, 772, 806, 811, 904 f, 907, 912, 915, 925 f, 939, 958, 987, 989, 1016, 1075, 1077⫺83, 1085⫺8, 1094⫺9, 1102, 1104, 1111 f, 1147 f, 1155⫺8, 1160, 1164 f, 1173, 1194, 1213, 1250 f, 1255, 1258, 1330, 1332, 1334,

phonologische Alexie ⫺ Prüfung 1336 f, 1340, 1341, 1345, 1368⫺73, 1375, 1377, 1384, 1386, 1405, 1414, 1416, 1437 f, 1441⫺7, 1449, 1453 f, 1467, 1468, 1470 f, 1485, 1540, 1564, 1584, 1591, 1593, 1602; > Phonematik phonologische Alexie 936, 962 f phonologisches Bewußtsein 1076⫺8, 1080, 1103, 1111, 1158⫺9, 1336, 1138, 1345 phonologisches Rekodieren 637, 772, 775, 791, 826, 908 f, 911, 915, 924⫺6, 959 f, 962⫺5, 1016 f, 1075, 1078 f, 1082, 1094 f, 1098 f, 1103 f, 1106⫺8, 1110⫺2, 1155, 1218, 1222, 1290 f, 1338, 1345, 1357, 1360, 1383 Phonotaktik 762, 1440, 1601 Phonozentrismus 42, 115⫺7, 119, 650, 695 Phrase 507, 849, 974 f, 985, 1082, 1182, 1184, 1209, 1312, 1314, 1317, 1412, 1446, 1458, 1461, 1464, 1480, 1496 Phraseologie 626, 723, 1485, 1487 Phrygisch 421 Phylogenese 44, 588, 1206, 1212, 1214, 1376, 1389, 1399 Physik 1, 8, 629 f, 904, 1496, 1635 Physiologie 45, 106 f, 399, 904, 909, 919, 923, 929, 944, 994, 1038, 1050, 1052, 1056 f, 1211, 1242 f, 1332, 1376 Pi 178 f, 205, 1574, 1596 Pica 211 f Pidgin 705, 783, 815; > Kreolsprachen Piemontesisch 1396 Piktographie 50, 172, 252, 258⫺60, 264, 266 f, 269, 290, 301, 329, 334, 348, 405, 413 f, 419, 432, 434, 442, 473, 628, 633, 856, 986, 1068, 1310, 1312, 1314, 1317, 1374, 1381, 1390, 1392, 1404, 1445, 1507, 1512, 1638⫺50 Pilotsprache 1165 Pinsel 30, 49, 54 f, 173, 186, 205, 229, 234, 247, 252⫺4, 349, 357⫺9, 392, 402, 477, 504, 687, 1277 Pinyin 330, 347, 380 f, 446, 673, 754, 848 f, 1310⫺2, 1317, 1409, 1469, 1601 f Planung > Sprachproduktionsplanung Plene-Schreibung 294, 297, 316 f, 504, 535 Plerem 1369, 1373, 1376

1719 Plosiv 45, 905, 1419, 1442, 1585⫺7, 1597 f Plural 277, 279, 290 f, 311, 978, 1079, 1376, 1393, 1441 f, 1449, 1487, 1508 pocket book > Taschenbuch poem > Gedicht poetry > Dichtung Polnisch 598, 741, 746, 803 f, 1594 Polygraph > Mehrgraph polysyllabic > Mehrsilbigkeit Portugiesisch 110, 328, 402, 597 f, 676, 760, 763, 783, 827, 1196 Positionssystem 1374 Post 32, 62, 79, 129, 137, 144, 161, 165, 248, 623, 633, 816, 865, 1043, 1046, 1062, 1563 Prädikat 651, 975, 998, 1460 f, 1473 Prädikation 985, 1172 Prädikativkonstruktion 393, 735, 1461, 1475 Präfix 280, 365, 417, 495, 710, 933, 967, 1227, 1435, 1438 f, 1442, 1448 f, 1478, 1487, 1606, 1611 Prager Schule 118, 259, 1390, 1400, 1503, 1519, 1554 Pragmatik 49, 426, 555, 558 f, 562, 566, 587⫺90, 660, 693, 698, 745, 1005, 1019, 1131, 1134, 1149 f, 1171, 1173, 1179 f, 1182, 1185, 1191, 1225, 1389, 1396, 1401, 1464 f, 1515 f, 1519, 1521, 1524, 1537⫺9, 1541, 1555 Prakrit 323 f, 451, 455, 458, 742 Präposition 281, 286, 289, 291, 412, 498, 591f, 945, 975, 1401, 1452, 1459, 1472 Präsens 590, 1261, 1487 Präteritum 1262, 1454 prayer > Gebet Predigt 5, 27, 36, 57 f, 539, 546 f, 559, 562 f, 592, 594, 596, 860, 863, 1300, 1523, 1604 preface > Vorwort prefix > Präfix preschool > Vorschule Presse 85, 97, 155, 396, 600, 737, 895, 898, 1323, 1396, 1471, 1501, 1552, 1554 Priester 56, 271, 344, 385, 481, 484 f, 498, 506⫺8, 518, 556, 607, 629, 706, 815, 820, 856, 861, 879, 952, 1136, 1480, 1482 primary education > Elementarbildung primary school > Grundschule primer > Fibel

priming 933 f, 938, 964, 966 f, 969, 109⫺9, 1339 print > Buchdruck printer > Computerdrucker Printmedien 13, 580⫺2, 584, 825, 830 Priorität der Lautsprache 41⫺5, 103, 106, 112, 116⫺8, 260, 263, 724, 1146, 1207, 1335, 1376 f, 1399, 1501 f, 1530 Privatschule 861, 879, 1142, 1281, 1301, 1317 Privilegiensystem 8, 113, 898 f Problemlösen 19, 22, 37, 39, 159 f, 169, 695 f, 725, 769, 800, 996, 998⫺1000, 1005⫺8, 1014 f, 1021 f, 1070, 1118, 1176, 1179 f, 1219, 1221, 1223, 1241, 1246 f, 1263, 1265, 1276, 1357, 1359⫺61, 1377, 1528, 1530, 1541 f, 1637 Programmiersprache 63, 1368 Pronomen 370, 412 f, 641, 667, 734, 978, 1017, 1185, 1265, 1435, 1439, 1442, 1449, 1472, 1474, 1478, 1487, 1496, 1508, 1517 f, 1520, 1611 pronunciation > Aussprache proofreading > Korrekturlesen Proportionalschrift 136, 207 Proposition 975 f, 979, 998 f, 1001, 1171 f, 1182, 1184, 1503, 1518 f, 1540 Prosa 1, 3, 14, 86, 93, 108, 425, 428, 447, 452, 456, 514, 521 f, 529, 539, 556 f, 559, 562, 564, 566, 594, 641, 646 f, 673, 774, 776, 1014, 1081, 1233, 1281, 1287, 1481, 1492, 1497, 1500, 1548, 1550, 1551⫺3, 1612 Prosodie 105, 542, 772, 1017, 1218, 1225, 1369, 1390, 1440, 1501; > Betonung; > Intonation Protestantismus 8, 76, 93⫺5, 328, 424, 428, 605, 608, 643, 656, 698, 755 f, 779, 803 f, 817, 842, 864, 879 f, 895, 1281, 1614; > Kirche Protokoll 33, 57, 60, 314, 482, 520, 667, 993, 1018, 1053, 1392, 1604 Protokolle lauten Denkens 993⫺5, 999⫺1001, 1007, 1073 Provenzalisch 29, 547, 564⫺6, 741, 1394 proverb > Sprichwort Prozeßmodell 912, 1016 Prüfung 252, 377, 402, 437, 443, 465, 480, 496, 641, 675, 796,

Psalm ⫺ Referenz

1720 1062, 1267, 1269, 1288 f, 1292⫺4, 1323, 1443 Psalm 73⫺5, 509, 538 f, 543, 609, 815, 820, 1578 Pseudohomophoneffekt 926, 963 f Pseudonym 1046, 1052 Pseudowort 923, 926, 961⫺6, 969, 1081, 1085 f, 1087 f, 1097⫺9, 1157, 1160, 1337⫺40, 1344, 1507 Psi 179, 273, 337, 1596 Psychoanalyse 669, 1327, 1528 Psycholinguistik 119, 772, 819, 821, 912, 914, 928, 932, 934 f, 944, 1101, 1124, 1202 f, 1213, 1220 f, 1288, 1527, 1529; > Sprachpsychologie Psychologie 13, 424⫺6, 428, 634, 639, 647, 660, 730, 736, 771, 807, 811, 918 f, 922, 927⫺9, 932, 939, 943, 958, 962, 977, 980, 983⫺90, 993 f, 1005, 1018, 1024, 1036, 1049, 1051 f, 1055 f, 1060, 1072, 1074, 1082⫺4, 1090, 1095, 1102 f, 1106, 1109, 1124 f, 1154, 1160, 1169, 1174, 1179 f, 1183, 1220, 1245, 1251, 1288, 1296, 1319, 1326, 1330, 1332 f, 1335, 1337, 1342, 1353, 1386, 1520, 1536 Psychophysiologie 772, 919, 926, 1036, 1045, 1057, 1060 Psychotherapie 1345 Publikation 8 f, 97⫺100, 126, 134, 154, 419, 421, 447, 457, 462 f, 467, 482 f, 520, 584, 615, 633, 656, 665, 825, 844, 896, 1228, 1297, 1410, 1477, 1482 publisher > Verleger Publizistik 93, 130, 132, 893, 896 f, 1554 punctuation > Interpunktion Punisch 338, 421, 505, 507 Punjabi 326, 454 f, 467 Punkt 142 f, 178, 197, 210 f, 222 f, 248 f, 269, 290, 316, 319, 339, 363, 373 f, 378, 506 f, 525 f, 529 f, 691, 820, 908, 911, 987, 1018, 1020 f, 1023, 1066, 1146, 1156, 1300, 1342, 1391, 1395, 1411 f, 1422, 1433, 1440, 1456⫺8, 1462 f, 1511 f, 1574, 1598⫺1601, 1605, 1607, 1611, 1617, 1619, 1621⫺3 Punktierung 1300, 1434, 1486 Punktschrift 1619, 1622 Punktsystem 211, 213, 315 Purismus 599, 621 Putonghua 848, 851, 1311 f, 1471⫺3, 1601

Q Qahtanisch 308 Qatabanisch 307, 505 Qippus 29, 258, 351, 433 f, 1381 Qoppa 177, 179, 517, 762, 1596; > Koppa Quadratschrift 303, 339, 349, 505, 756, 1404, 1577, 1598 Quechua 783 Querstrich 182 f, 185, 189, 198, 282, 364, 1596 quotation mark > Anführungszeichen Quran > Koran

R Radikal 358, 365 f, 370, 372, 374⫺6, 379 f, 445 f, 1112, 1311, 1407 f, 1474 Radio 13, 79, 81, 155, 435, 458, 600, 757, 762, 780, 817, 822, 826, 848, 898, 1273, 1300, 1320, 1322 f, 1414, 1424, 1486, 1488 f, 1622, 1635 Rama 826 Ratsschule 90 Rauhsatz 223 reading > Lesen reading acquisition > Lesen Lernen reading disorder > Lesestörung reading error > Lesefehler reading skill > Lesefähigkeit reading speed > Lesegeschwindigkeit Reaktionszeit 905, 932 f, 939 f, 966, 1097 f, 1106⫺8, 1112 f Realschule 1061, 1232, 1270, 1550 Rebus 259, 261, 277 f, 285, 289 f, 294 f, 348, 363, 370, 395, 709⫺12, 1372, 1404, 1417 Rechenfähigkeit 257, 267, 769⫺71, 773, 791, 796, 802, 873, 878, 1312 Rechnen 60, 257, 334, 493, 495, 519, 546, 651, 822, 862, 873, 877 f, 880, 927, 1278, 1302, 1374, 1573, 1576 f Recht 6, 14, 31 f, 53, 59 f, 75, 85, 87 f, 90, 97 f, 100, 108 f, 123 f, 126, 146⫺9, 151, 153⫺5, 158 f, 166, 190, 238, 316, 466, 477, 481 f, 492⫺500, 507 f, 518, 520⫺2, 542, 545, 546⫺9, 557, 575 f, 582, 584 f, 592, 594, 610⫺2, 614⫺7, 620, 631, 634, 640, 658 f, 676, 860, 863, 865⫺7, 895 f, 898⫺901, 1036, 1040 f,

1043, 1119, 1130, 1250, 1276, 1281, 1283, 1301, 1321, 1388, 1392, 1394 f, 1398, 1446, 1471, 1510, 1512; > Gericht; > Gesetz; > Jura; > Jurist Rechtsbündigkeit > Bündigkeit Rechtschreibdidaktik 1166, 1250, 1252 Rechtschreiben 60, 63, 449, 687, 692, 721 f, 728, 732, 734, 736, 762, 884, 887, 987 f, 1060 f, 1069, 1074⫺90, 1094, 1096 f, 1118, 1125, 1127, 1156, 1162, 1165, 1166, 1199 f, 1211, 1219, 1246, 1249⫺60, 1323, 1332 f, 1336, 1338, 1340 f, 1343⫺6, 1353, 1356, 1362, 1452 Rechtschreibfehler 374, 687, 721 f, 887, 941, 1076, 1078⫺9, 1162 f, 1166, 1252, 1258, 1288, 1302, 1314 f, 1332, 1341, 1343, 1443; > Schreibfehler Rechtschreibkompetenz 1257 f, 1337, 1344, 1363 Rechtschreibkorrektur 132, 1072 Rechtschreibleistung 1330 f, 1336, 1345, 1354 f Rechtschreibprüfer 63, 584, 1069 Rechtschreibregeln 734, 1378 Rechtschreibsprache 1165 Rechtschreibstrategie 1162, 1341, 1343 Rechtschreibtest 1331, 1345 Rechtschreibung > Orthographie Rechtschreibunterricht 1250⫺58, 1363 Rechtshändigkeit > Händigkeit Rechtsschule 615 f Rechtssprache 616 f, 1392, 1496 Rechtswissenschaft > Jura record-keeping > Buchhaltung Rectoseite 123, 477 Redaktion 132, 505, 509, 666, 1323 Rede 13, 56 f, 61, 72, 103, 106, 111, 116, 521, 599, 647, 649, 652, 655, 690, 696, 868, 903, 977, 983⫺5, 989 f, 1134, 1146, 1149, 1172, 1181, 1192, 1231, 1261, 1278⫺80, 1285, 1289, 1325 f, 1399, 1463, 1488, 1502, 1504, 1546⫺49, 1552, 1554, 1604, 1607 Redeschrift 1604, 1607 Redeschule 1279 Redigieren 506, 903, 1008 Reduktionsvokal 1370, 1453 Reduplikation 279, 414, 1508 Referenz 575, 579 f, 588, 591, 978, 997, 1266, 1390, 1493,

Reflexivität ⫺ Sachunterricht 1503, 1516 f, 1520, 1523, 1538 Reflexivität 4, 37, 1022, 1130 f, 1134 f, 1139 f, 1388, 1433 Reformation 28, 31, 35, 70, 93⫺5, 109 f, 424, 428, 598, 637, 804, 863 f, 879, 1272 f Reformpädagogik 1122, 1233 f, 1243, 1262, 1266 Reformulieren 1400, 1529 Regel 123 f, 140, 148, 167, 171, 197, 225, 291 f, 436, 485, 529 f, 532, 581 f, 593, 610, 615 f, 618, 646, 652, 658 f, 664, 666, 668, 675, 681, 692, 694 f, 721 f, 725, 727 f, 733 f, 755, 772, 782, 860, 878, 887, 889, 911 f, 974⫺6, 988 f, 998, 1007, 1017, 1060, 1062 f, 1065, 1067, 1147, 1154, 1155, 1162, 1166, 1173, 1175 f, 1218, 1221, 1250⫺3, 1256, 1261, 1302, 1304, 1338⫺40, 1375, 1377 f, 1389, 1393, 1406, 1424, 1433 f, 1437 f, 1440, 1442, 1451 f, 1454, 1456 f, 1459⫺61, 1463, 1465 f, 1470, 1490, 1502, 1507, 1512, 1518, 1520, 1523, 1540, 1545, 1547⫺9, 1551 f, 1556, 1578, 1591⫺5, 1604 f, 1607⫺9 Regelschrift 252 f Regelschule 1123, 1363 Regiolekt 600, 739 Register > Index Register > Sprachregister Registratur 149, 153, 155, 159, 1388 Regraphematisierung 756, 762 f Reiberdruck 90, 205 Reim 547, 549, 559, 578, 839, 939, 1076⫺8, 1081, 1099, 1144, 1146, 1148, 1160, 1227, 1409 Reinschrift 49, 57, 59, 63, 544, 659, 665, 668 Rektangularisierung 174, 176 f Rektion 1460, 1487 Relativpronomen 278, 1439 Relativsatz 1226 Religion 6, 8 f, 14, 19, 24, 26⫺8, 34, 52 f, 68, 75⫺9, 88, 89, 93, 95 f, 103⫺5, 108, 114, 129, 147, 214, 235, 237, 267 f, 272, 316, 324, 326, 334, 344, 409 f, 412 f, 419, 421, 434⫺6, 438, 440, 451⫺3, 456 f, 459, 472, 476 f, 480, 486, 495, 498, 504, 508, 518, 521, 529, 534, 537, 547, 557⫺9, 562, 575, 578, 592, 597 f, 604 f, 607 f, 610⫺3, 615, 630 f, 644,

1721 647, 657, 677⫺9, 681, 697⫺703, 712⫺5, 743 f, 755 f, 773 f, 779, 782 f, 787, 796, 814⫺6, 820, 822, 841 f, 856 f, 860, 862, 864, 879 f, 894, 1136 f, 1193, 1230, 1234, 1272, 1301 f, 1388, 1395, 1482, 1484, 1510, 1563, 1566, 1622 Renaissance 35, 61, 66, 105, 108⫺10, 126, 233, 237, 240 f, 244, 417, 560, 563, 592, 656, 658, 673, 678, 1207, 1281, 1393, 1395, 1398, 1492, 1510, 1512, 1610 Reoralisierung 28, 35, 108 restringierter Kode > elaborierter Kode Restrukturierung 715, 1180, 1541 Retrieval 162, 164 f, 167, 1030, 1540 Retrievalsprache 164 Retroflex 324, 327 f, 378, 819, 1587, 1590 review > Rezension Revision 13, 641, 773, 910, 994 f, 1008, 1014, 1020, 1022 f, 1072 f, 1264, 1267, 1296, 1530; > Korrektur Rezension 5, 94, 894, 1524 Rezeption 23, 30, 35 f, 56, 75 f, 78, 86, 98, 100, 164, 166, 168 f, 171, 383, 514, 518, 520, 522, 542, 544, 547, 549, 556, 558 f, 561, 563, 588, 590, 623, 630⫺2, 634, 660, 663, 669, 860, 862, 865 f, 868, 894, 919, 1058, 1169, 1172, 1175, 1225, 1228, 1233, 1235, 1254, 1265, 1307, 1321, 1391, 1399, 1435, 1492, 1503, 1518 f, 1523 f, 1527 f, 1530, 1536, 1538 f, 1540⫺2 Rezitation 2, 106, 326, 432, 457, 463, 480⫺4, 488 f, 506, 522, 525, 608 f, 719, 839 Rhapsode 5, 56, 518, 648 Rhätisch 190 Rhetorik 12, 14, 28, 106, 108, 497, 515, 519, 540, 593, 639, 868, 983, 989, 994, 1005, 1014 f, 1061, 1185, 1260 f, 1279⫺82, 1284, 1302, 1326, 1495, 1497, 1503, 1527⫺9, 1531, 1545⫺6, 1547 f, 1550, 1553⫺5 Rho 179 rhyme > Reim Rhythmus 3, 247, 254, 424, 432, 541, 578, 647 f, 661 f, 683, 987, 1049, 1054, 1062, 1142, 1144⫺6, 1173, 1180, 1225, 1229, 1243 f, 1462, 1496

Rihani 250, 530 rime > Silbenende Riqa 250, 530 Ritus 2, 6, 9, 18, 265, 268 f, 271 f, 293, 334, 353, 362, 406, 410, 413 f, 423, 436, 451, 457, 480 f, 483 f, 488 f, 497, 499 f, 508, 525, 529, 605 f, 609, 611, 647, 654, 681, 702, 856, 1145, 1530, 1566 Roman 77 f, 86, 97, 402, 509, 520, 556, 559, 561, 563⫺5, 567, 662, 667, 674, 677, 816, 903, 1172, 1206, 1273, 1318, 1322, 1424, 1469 f, 1488, 1492 Roman alphabet > Lateinschrift Roman catholic > Katholizismus Roman numerals > römische Zahlen romanische Sprachen 73, 108, 542, 565, 592, 596, 598 f, 672, 674, 1388, 1392 f, 1394⫺8, 1401, 1445, 1485, 1491 f, 1509, 1614 Romanisierung 328, 673, 701⫺4, 756, 838, 842, 845, 848 Romanistik 564, 676, 1400 Romantik 116, 155, 593, 659, 693, 1233, 1271, 1282 römische Zahlen 433, 1422, 1572, 1574 Rosetta Stein 418, 747 Rotationsdruck 70, 98, 1621 rote learning > auswendig Lernen Rotschreibung 480 Rubrizierung 58, 129 f, 540, 1391 Rumänisch 70, 592, 672, 674, 730, 751, 753, 812, 1388, 1393, 1396, 1399 f, 1596 Runenschrift 173, 559, 562, 679 f, 761, 1146, 1575, 1577 Russisch 14, 66, 344, 422, 463, 596 f, 674, 698, 701, 706, 730, 753 f, 757, 762, 783, 803⫺6, 809, 811 f, 856, 1272, 1371, 1376, 1591, 1594, 1595 f, 1622, 1626 Rustica 186, 188, 196

S Sabäisch 307, 309⫺11, 335, 505 Saccade 223, 908 f, 920 f, 935, 943⫺54, 961, 1175, 1219, 1562 Sachbuch 68 f, 76, 85, 93, 98, 1228, 1322 Sachschrift 256 Sachunterricht 1228

sacred text ⫺ Schreibmaschine

1722 sacred text > heiliger Text Safaitisch 505 Saga 3, 562 Sage 452, 506, 593, 631, 1233, 1271 Saho 823 Sakkade > Saccade Samek 178 San 179, 1574 Sandhi 1434, 1442 Sanskrit 322⫺4, 326⫺8, 375, 388, 451, 454⫺7, 459 f, 463, 468, 606, 741 f, 1428, 1431 Santali 752 Sardisch 597, 1398 Satz 1, 23, 49, 52, 54, 57, 59, 63, 88, 223, 236, 358, 388, 397, 412, 578, 580, 585, 590 f, 622, 651, 661, 682, 687 f, 691⫺3, 696, 705, 720, 734, 772, 826, 847, 888, 911⫺3, 922, 926, 934 f, 937⫺40, 946⫺52, 965, 972, 974⫺8, 985 f, 994, 997, 999, 1000 f, 1016⫺9, 1023, 1072 f, 1084, 1086 f, 1104, 1121, 1161, 1171, 1179, 1182⫺5, 1209, 1213, 1219, 1222, 1225⫺7, 1229, 1241 f, 1244, 1250⫺2, 1264⫺6, 1287, 1289⫺91, 1294, 1304, 1307, 1312⫺4, 1317, 1336⫺7, 1381, 1392, 1395, 1399, 1401, 1439 f, 1451, 1457⫺61, 1463, 1472 f, 1475, 1477 f, 1487, 1489, 1496, 1501, 1503, 1515⫺23, 1527, 1529, 1531, 1537, 1539, 1542, 1547, 1549, 1552, 1564, 1615, 1639 Satzanfang 7, 239, 691, 734 f, 1300, 1440, 1451, 1461, 1487, 1593, 1600, 1617 Satzbau 621, 1242, 1282, 1321 Satzende 397, 696, 926, 974, 994, 1422, 1458, 1463, 1596, 1598 Satzintonation 725, 1225, 1229, 1462 Satzschlußzeichen 696, 1458, 1463 Satzspiegel 217, 223 f Satztechnik 135 f, 206, 225 Satzteil 223, 370, 433, 734, 756, 948 f, 1017 f, 1226, 1251, 1304, 1459 f, 1473 Sayaboury Schrift 718 Scanner 134, 136, 141, 1068, 1635 Schema 640, 651, 662, 973 f, 978, 1018, 1021, 1023 f, 1142, 1147 f, 1172, 1174, 1182, 1187, 1249, 1252, 1264, 1267, 1340, 1407, 1451, 1466, 1520, 1528, 1536, 1540⫺2

Schichtzugehörigkeit 78, 1149, 1195, 1352, 1360 Schilderung 1282⫺4 Schlagwort 164, 684 Schlußschrift 129 Schmutztitel 225 f Schnelleseverfahren 1321 Schnellpresse 244 Scholastik 7, 9, 11, 58 f, 74 f, 89, 108 f, 111 f, 126, 549 f, 566, 1129, 1580 Scholien 123, 522 Schönschreiben 60, 242, 246⫺8, 988, 1304; > Kalligraphie school > Schule Schrägschrift 1244 Schrägstrich 1501, 1583, 1596, 1599⫺1601 Schreibalter 1184, 1187 Schreibbewegung 136, 172, 178, 188, 194, 664⫺6, 988, 1027⫺31, 1033, 1037⫺40, 1049⫺54, 1057⫺62, 1242⫺47, 1605, 1627; > Schreibmotorik Schreibbinse 477 Schreibdialekt 555, 1500 Schreibdidaktik 1006, 1020, 1120, 1240, 1282, 1378, 1528 Schreiben Lernen 60, 236, 252, 480, 485, 492, 496, 519, 640, 818, 860 f, 869 f, 884, 886, 890, 983, 987, 989, 992, 1010, 1013 f, 1020, 1048, 1078, 1118, 1121, 1129, 1131, 1139, 1145, 1148 f, 1154, 1161⫺3, 1178⫺81, 1184⫺86, 1188, 1222, 1240, 1242⫺4, 1246 f, 1250 f, 1253, 1263, 1289, 1294, 1324, 1327, 1335, 1378, 1529, 1577; > Schriftspracherwerb Schreiber 23, 27, 31, 33⫺45, 49, 52, 54 f, 57, 59, 63, 71, 87 f, 91, 122 f, 125, 127, 129 f, 153, 172⫺5, 180, 188, 195, 198 f, 202, 224, 228, 230⫺2, 234 f, 237, 239, 244, 246⫺8, 283, 285 f, 290, 311, 358, 364, 372, 388, 409, 413 f, 441, 473, 476 f, 481 f, 485, 487 f, 492 f, 495⫺8, 500, 506, 520, 526, 530, 533, 537, 543, 547⫺9, 561, 584, 647, 659⫺69, 675, 691 f, 742, 753, 755 f, 865, 876, 887, 889, 907, 910, 987, 989, 994, 1036⫺8, 1040, 1044, 1046, 1049, 1051, 1052⫺4, 1056, 1058⫺63, 1065⫺7, 1071 f, 1126, 1149, 1154, 1176, 1178⫺88, 1243, 1250, 1264⫺6, 1278, 1281, 1294,

1303, 1327, 1341, 1390⫺2, 1420, 1452, 1459, 1461, 1463 f, 1485, 1504, 1507, 1509⫺12, 1527, 1548 f, 1552, 1573, 1580, 1591 Schreibfähigkeit 28, 31, 34, 61, 74, 436, 498, 546, 620, 726, 796, 866⫺8, 873, 877⫺9, 885, 994, 1010 f, 1013, 1051, 1061, 1065, 1153, 1161, 1173, 1178⫺85, 1188, 1197⫺1200, 1203, 1257, 1262, 1305, 1323, 1325⫺7, 1510, 1546; > Rechtschreibkompetenz Schreibfeder 58, 62, 129, 173, 186, 193, 200, 232, 239⫺41, 244⫺6, 249, 355, 397, 504, 526, 528, 530, 533 f, 543, 661 f, 865, 870, 990, 1278, 1302, 1547 Schreibfehler 184, 441, 486, 625, 627, 656, 664, 674 f, 989, 1058 f, 1062 f, 1065 f, 1069, 1166, 1070, 1072, 1154, 1343, 1358, 1484, 1489; > Rechtschreibfehler Schreibfläche 49⫺52, 54, 173, 193, 494, 662, 666, 1049, 1061, 1066, 1142 Schreibfluß 661, 664 f, 1243, 1246 f, 1300 Schreibförderung 1323, 1325 f Schreibforschung 910, 927, 983 f, 1016 f, 1022, 1024, 1154, 1161, 1166, 1180, 1187, 1263, 1337, 1528 f, 1531 Schreibgerät > Schreibwerkzeug Schreibgeschwindigkeit 57, 987, 990, 1039, 1058, 1060, 1062, 1507, 1619 Schreibhaltung 58, 349, 1057, 1060 Schreibhilfe 1024, 1045 Schreibkompetenz > Schreibfähigkeit Schreibkonvention 49, 53 f, 57, 88, 274, 291, 339, 488, 691, 725, 763, 1010 Schreibkultur 58, 241, 321, 584 Schreibkunst 85, 228 f, 231, 235, 237, 240, 248, 252 f, 493, 496, 1302, 1547 Schreiblehrbuch 866, 1493 Schreiblehrer 240, 245, 517, 1327, 1510 Schreiblehrgang 1139, 1241, 1244⫺7 Schreibleistung 1036 f, 1040 f, 1043 f, 1047, 1051, 1063, 1126, 1159, 1242, 1330, 1335 Schreiblesemethode 870 Schreiblinie 316, 1142, 1300 Schreibmaschine 30, 62 f, 132, 135, 142, 223, 244, 448⫺50,

Schreibmaschinenschrift ⫺ Schriftlichkeit 626, 660, 703, 717, 900, 987, 1027, 1043, 1059, 1063, 1066, 1068 f, 1073, 1075, 1082, 1084, 1089, 1148, 1617, 1621 Schreibmaschinenschrift 1456 Schreibmaterial 85, 128, 171⫺3, 298, 477, 486, 504, 528, 532, 660, 861, 1036 f, 1043 f, 1066; > Beschreibmaterial; > Schreibwerkzeug Schreibmedien 1024, 1073 Schreibmeister 58, 239⫺42, 244, 246, 248, 252⫺4, 546 Schreibmotivation 985, 1246 Schreibmotorik 58, 171 f, 178, 180, 183, 193, 988, 1005, 1017, 1038, 1045, 1049 f, 1162, 1240, 1242, 1246, 1253, 1373; > Motorik; > Schreibbewegung Schreibnorm 726, 729 f, 733 Schreibökonomie 171, 180, 183, 262, 414 Schreibpinsel 355, 1278 Schreibpraxis 27, 48, 50, 55, 57 f, 61, 310, 321, 664, 693, 1126, 1179 f, 1323, 1325, 1392 Schreibproblem 988, 1024, 1325 Schreibprodukt 1024, 1147, 1163 Schreibprozeß 49, 59, 61 f, 91, 132, 135 f, 171, 248, 543, 548, 578, 584, 658⫺63, 665⫺9, 861, 909 f, 914 f, 983, 986⫺90, 1005 f, 1008, 1010, 1012 f, 1016, 1020, 1022, 1024, 1038 f, 1046, 1049 f, 1052 f, 1057, 1060, 1062, 1067, 1070⫺2, 1126, 1154, 1161 f, 1166, 1179, 1242, 1246 f, 1251, 1263 f, 1266 f, 1296, 1323, 1326, 1332, 1335, 1341 f, 1529 f, 1557, 1605; > Textproduktion Schreibrhythmus 246 Schreibrichtung > Schriftrichtung Schreibrohr 50, 58, 129, 249, 252, 1279, 1302 Schreibroutine 1180, 1325 Schreibschrift 189, 245, 310 f, 356, 530, 692, 987, 1142, 1242⫺7, 1299, 1600, 1631 Schreibschule 60, 86, 89, 125, 240, 523, 562, 1278 f, 1281 Schreibsilbe 290, 1250 Schreibsituation 984, 1006, 1008, 1020, 1045, 1179, 1257, 1262⫺4, 1284, 1363 Schreibsprache 88, 589, 903, 1500, 1552 Schreibspur 663, 1036, 1046, 1049

Schreibstil 241, 250, 252, 339, 359, 370, 526, 1038, 1546 Schreibstörung > Agraphie Schreibstrategie 1007 f, 1011, 1013 f, 1019, 1022, 1024, 1154 f, 1161, 1185, 1343 Schreibstube 72, 235, 240, 560, 562, 620, 658, 725; > Skriptorium Schreibsystem 522, 691, 988, 1067 Schreibtafel 50⫺2, 55, 57, 71, 303, 351, 487, 539, 839 Schreibtechnik 49 f, 53, 86, 88, 106, 130, 132, 135, 281, 283, 341, 504, 585, 659, 667, 1046, 1279, 1326, 1392, 1465, 1593 Schreibtechnologie 130⫺146 Schreibtheorie 1120, 1126, 1255 Schreibtradition 27, 275, 299, 399, 596 f, 693, 721 f, 1393, 1451 f, 1491, 1493 f, 1579 Schreibübung 244, 1010, 1020, 1279, 1304 Schreibunterricht 242, 245, 252, 512 f, 538, 542 f, 546, 1062, 1122, 1126, 1153, 1166, 1174, 1198, 1241⫺7, 1277 f, 1301, 1303, 1306 Schreibvorlage 49, 1049 Schreibwerkzeug 49, 62, 89, 129, 131, 180, 200, 242, 254, 290, 349, 352, 477, 488, 504, 582, 630⫺2, 659, 661, 870, 903, 909, 987, 990, 1008, 1038, 1040, 1043 f, 1046, 1050 f, 1056, 1059 f, 1062 f, 1065 f, 1070, 1150, 1242, 1278, 1619, 1639; > Schreibmaterial Schriftart 136 f, 142, 144, 188, 191, 204, 207, 213 f, 223, 226, 228 f, 273, 292, 305, 344, 358 f, 529, 539, 745⫺8, 752⫺60, 856, 908, 1069, 1228, 1405, 1425, 1510, 1592 f, 1603 Schriftbewußtsein 543, 548, 551, 647, 679 Schriftbild 54, 213, 230 f, 237, 247, 250, 313, 315, 317, 354, 363, 374, 393, 450, 476, 534, 661, 679, 682, 684, 803, 869, 921, 1038, 1044, 1051 f, 1059 f, 1206, 1468, 1489, 1580, 1591, 1599 f Schriftduktus > Duktus Schriftentwicklung > Schriftgeschichte Schriftgemeinschaft 109, 693, 746, 748, 752, 754, 1591 Schriftgeschichte 27, 55, 104, 112, 159, 199, 220, 229 f,

1723 239 f, 256⫺9, 261⫺3, 273, 291, 293, 298, 305, 309, 314 f, 329, 362, 370, 375, 379, 385, 401, 409, 442 f, 445, 473, 491, 493, 495 f, 498⫺500, 537, 539, 541, 545, 549, 551, 578, 691, 745, 1051, 1390, 1603 Schriftgestalt 27, 136, 230, 245, 681, 1045, 1052 Schriftgießer 211, 245 f Schriftgrad 63, 207, 210⫺4, 222 f, 225 f, 528, 540, 1039, 1068 f, 1228, 1242, 1461 Schriftkanon 174, 178⫺80, 184⫺6, 193⫺6, 199, 219, 224, 233, 235, 238, 241, 248⫺250, 274, 285, 357, 415, 437, 544, 1512 Schriftkontakt 745⫺7, 751, 754 f, 757, 760, 762, 764 Schriftkritik 71, 104 f, 116, 119, 514, 649 f Schriftkultur 13, 54⫺6, 60, 85, 88, 104 f, 108⫺10, 113⫺6, 118, 146 f, 228 f, 237, 240, 269, 271⫺3, 275, 329, 344, 425, 427, 445, 473, 482, 488, 504, 509, 512, 515, 519, 522, 525, 536⫺8, 555⫺9, 561⫺8, 573, 575 f, 578 f, 582, 585, 592, 614, 648, 651 f, 681, 683 f, 782, 803 f, 808, 861, 869, 879, 1143, 1149, 1169, 1194 f, 1261, 1265, 1326, 1388, 1490, 1500, 1510, 1546, 1556 f; > Buchkultur Schriftkunst 228⫺30, 233, 235, 238, 240, 242, 244⫺6, 248⫺50, 252⫺4, 682⫺3, 1243 f schriftliche Kommunikation 21, 23 f, 26, 28 f, 32 f, 35, 38, 41, 260, 370, 458, 523, 575, 582, 721, 726, 740, 771, 775, 907, 1118, 1182, 1504 schriftliche Sprache > geschriebene Sprache Schriftlichkeit 24, 26 f, 29, 31, 33⫺8, 55 f, 71, 73 f, 82, 102⫺5, 107⫺9, 117 f, 122, 132 f, 138, 145, 146, 149, 257, 329, 331, 335, 337, 339, 344, 506, 509, 512⫺4, 518, 520 f, 537 f, 540, 542, 545⫺8, 550, 555⫺66, 576, 587, 589⫺91, 594⫺6, 600 f, 610⫺2, 614, 617 f, 620, 623 f, 628⫺30, 632, 634, 646, 648, 652, 658⫺60, 672⫺4, 726, 729, 740, 743, 803⫺6, 809, 811 f, 860⫺9, 983 f, 1118⫺29, 1131 f, 1137, 1139⫺42,

1724 1145 f, 1148⫺50, 1174, 1191, 1194⫺7, 1200, 1282, 1318, 1329, 1331, 1343, 1388⫺1401, 1491⫺4, 1502⫺4, 1527, 1529, 1546⫺8, 1551⫺2, 1637; > konzeptionelle Schriftlichkeit Schriftlichkeitsforschung 102, 109, 412, 983, 1369, 1375, 1377, 1582 Schriftlosigkeit 302, 382, 441, 562, 588, 610⫺2, 617 f, 647, 752, 803, 805, 857, 986, 1131, 1413 Schriftprobe 1040, 1045 f, 1051, 1063, 1596, 1600 f Schriftrecht 610⫺3, 615, 617 Schriftreflexion 102⫺18 Schriftreform 89, 250, 294, 312, 346, 349, 354 f, 358, 373 f, 379, 392, 395, 445 f, 449, 541, 747, 761, 803, 805, 809, 837, 848, 856⫺8, 1410, 1413, 1420, 1490 Schriftrichtung 49, 51, 54, 172⫺85, 185 f, 223, 281, 292, 298⫺301, 307, 312, 317, 322, 335, 338, 349, 415, 453, 504, 532, 803, 908, 944, 950, 1039, 1142, 1200, 1278, 1299, 1373, 1381, 1406, 1410⫺2, 1420, 1423 f, 1433, 1598, 1600, 1633 Schriftrolle 54, 69, 86 f, 123 f, 126, 229 f, 291, 303, 441, 445, 477, 481, 483, 488 f, 500, 504, 506 f, 512, 522, 539 f, 1277 Schriftschöpfung 330, 344 f, 805⫺7 Schriftsetzer 209, 1638 Schriftsprache 28 f, 61, 96, 117 f, 303, 313, 346, 348, 370, 393, 397, 436⫺8, 442⫺4, 510, 538, 555, 565, 567, 580, 587, 594⫺600, 621, 677, 678, 688, 690⫺4, 739⫺43, 746, 752, 754, 756, 758, 803⫺6, 809, 811, 858, 860, 884⫺7, 889 f, 903, 984 f, 1011 f, 1118⫺22, 1129 f, 1133, 1138, 1147 f, 1153, 1156 f, 1160, 1169 f, 1174, 1176, 1178 f, 1187, 1191, 1194⫺6, 1199, 1202, 1205⫺7, 1209⫺11, 1213 f, 1217⫺9, 1222, 1240 f, 1246, 1263⫺5, 1300 f, 1305, 1307, 1320 f, 1326, 1343, 1345 f, 1352, 1354 f, 1357, 1359⫺63, 1388, 1393, 1395, 1398 f, 1401, 1468⫺74, 1476, 1483, 1485, 1487, 1490⫺3, 1500, 1502 f, 1506, 1529 f, 1546 f,

Schriftlichkeitsforschung ⫺ Schullektüre 1549⫺54, 1556 f, 1595 f, 1623, 1626 Schriftspracherwerb 20, 28, 69, 98, 427, 429, 445, 578, 585, 640, 690, 703, 719, 740, 748, 754, 772, 776, 780, 782, 791, 798, 817, 866, 867, 873, 879, 886, 888⫺90, 918, 957, 983⫺6, 988, 1005, 1010⫺3, 1021, 1078, 1081, 1110, 1118⫺23, 1125, 1138, 1145, 1147⫺50, 1153⫺62, 1165 f, 1169, 1173 f, 1191⫺7, 1200⫺3, 1205 f, 1209 f, 1213 f, 1217 f, 1241 f, 1246 f, 1249⫺58, 1263, 1289, 1318, 1326 f, 1329⫺32, 1334, 1336, 1339 f, 1342 f, 1345 f, 1351⫺7, 1359⫺63, 1409, 1485 f, 1490, 1529 f, 1584; > Aneignung der Schrift Schriftspracherwerbsstörung 1206, 1334, 1353⫺58, 1362 f; > Legasthenie; > LeseRechtschreib-Schwäche Schriftsprachkompetenz 884, 1203, 1214, 1323 Schriftsteller 58 f, 61 f, 75, 77, 96, 110, 482, 521, 629, 647, 649, 659, 660⫺8, 732, 896⫺900, 1231, 1236, 1268, 1324 f, 1328, 1470, 1489, 1528, 1547 f, 1607 Schriftstil 231, 250, 254, 313 f, 1549 Schriftstruktur 37, 888, 1173 Schriftsystem 6, 24⫺7, 34, 42, 55, 102 f, 112⫺4, 116 f, 119, 205, 252, 256⫺63, 269, 271⫺5, 277, 279, 285 f, 289, 293, 297 f, 302, 313, 319, 321, 329⫺32, 334 f, 339, 341, 346, 375, 382⫺4, 386, 391, 405, 408, 410, 415, 438, 441 f, 444⫺6, 473, 477, 499, 517, 535, 537, 544, 550, 577, 589, 664, 672 f, 678, 689, 697⫺705, 708⫺10, 713, 725, 743, 745⫺8, 752⫺5, 757, 759 f, 762, 764, 803, 804, 857, 887⫺90, 909, 925, 957, 983⫺8, 1040, 1043, 1059, 1162, 1174, 1196, 1198, 1200, 1203, 1369⫺76, 1378, 1380 f, 1384⫺6, 1388, 1390, 1392, 1404 f, 1417, 1428 f, 1431, 1434⫺7, 1440 f, 1443, 1445, 1451⫺3, 1456, 1482, 1500, 1507, 1568, 1577, 1582, 1591 f, 1603, 1612, 1626 Schriftterminologie 105, 551 Schrifttheorie 103 f, 106⫺19 Schriftträger 24, 30, 51, 53, 62, 122, 239, 281⫺3, 293, 408,

504, 509, 511⫺2, 522, 538, 540, 659; > Beschreibmaterial Schrifttyp 63, 115 f, 210, 214, 303, 305, 309, 313, 315, 329 f, 335, 476, 505, 537, 539, 541, 548 f, 690 f, 745, 747, 752, 1068, 1368 f, 1371⫺3, 1388, 1568 Schrifttypologie 341, 1371 Schriftveränderung 1038, 1045 Schriftzeicheninventar 205, 262, 293, 401, 746, 748, 751, 756, 1200, 1581 Schulanfänger 985, 987, 1145, 1150, 1153, 1159, 1203, 1217, 1226, 1241 f, 1246 f, 1355, 1361 Schulbesuch 519, 859, 867, 870, 879, 1140, 1318 Schulbildung 82, 446, 492, 496, 498, 558, 817, 821, 1121, 1489 Schulbuch 85, 182, 447⫺9, 480, 487, 493, 520, 548, 815, 817, 823, 825 f, 880, 1305, 1323 Schule 28, 60, 79, 81, 89, 98, 118, 315, 396, 426, 427, 429, 435, 437, 447, 452, 457 f, 462, 464⫺6, 480, 482, 492, 494, 496, 499, 506, 538, 542, 545, 547, 562, 566, 575, 607, 635 f, 638⫺44, 700 f, 706, 712, 719, 721 f, 727, 751 f, 769 f, 774, 781 f, 784, 788, 791, 794 f, 797, 800⫺2, 807, 809, 815⫺7, 820 f, 823, 826, 828 f, 836⫺8, 840⫺51, 858⫺60, 862⫺4, 866⫺70, 878⫺81, 884, 886, 888, 901, 937, 984, 987, 997, 1061, 1120⫺2, 1124, 1126, 1129, 1134, 1136, 1138, 1140 f, 1146, 1148⫺50, 1153, 1157, 1165⫺7, 1192⫺8, 1200, 1201, 1203, 1217, 1222 f, 1226, 1228⫺32, 1235 f, 1241, 1243, 1245 f, 1260⫺3, 1268⫺70, 1272⫺4, 1278⫺81, 1286⫺8, 1290 f, 1293, 1295⫺7, 1300, 1303⫺5, 1307, 1311, 1314, 1318⫺20, 1323⫺6, 1330, 1341, 1343, 1345, 1351⫺3, 1355, 1359, 1361 f, 1378, 1393, 1395 f, 1414, 1529, 1532, 1548, 1550⫺2, 1556, 1607 Schulerfolg 1197, 1201, 1203, 1330, 1345, 1352 f, 1355, 1362 Schulgrammatik 105⫺8 Schulhandschrift 543 Schullektüre 496 f, 542, 1231

Schulmeisterschrift ⫺ Silbenstruktur Schulmeisterschrift 244 Schulorthographie 751 Schulpflicht 242, 395, 435, 768, 769, 770, 796, 836, 837, 846, 850, 851, 868, 869, 870, 877, 878, 879, 880, 881, 883, 1119, 1302, 1303, 1312, 1317 Schulschrift 1243, 1607 Schulsprache 242, 1193, 1201 Schulsystem 520, 805, 814, 817, 820, 828, 880, 888, 1140, 1197, 1281 Schultext 190, 493, 495, 498⫺500 Schulwesen 90, 513, 523, 864, 868 f, 880, 1119, 1125, 1232, 1324, 1488, 1493, 1622 Schutzschrift 1546 Schwa 320, 819, 1158, 1370, 1453, 1599 Schwabacher 214, 246 Schwedisch 762, 1192, 1200 f, 1622 Schweizerdeutsch 620, 740, 742, 752, 1195 science > Wissenschaft script > Schrift scriptio continua 7, 55, 57, 106, 109, 480, 513, 540, 1395 scriptio discontinua 22, 50, 55, 57 f, 63, 106, 108, 111 f, 117, 223, 231, 278, 286 f, 319, 480, 507, 513, 1395, 1512 Sechsliniensystem 213 second language > Zweitsprache second language acquisition > Fremdspracherwerb Segmentalschrift 329 Segmentierung 138, 261, 591, 715, 904 f, 915, 939, 966, 997, 1029, 1033, 1081, 1111, 1148, 1158, 1222, 1227, 1339, 1369, 1376, 1390 f, 1397, 1411, 1456, 1461 f, 1522 Sehschärfe 945, 952, 1334 Seite 7, 10, 23, 47, 54, 58, 72, 74, 79, 81, 85, 89, 97, 106, 122, 125, 127, 129, 133⫺5, 137, 139, 141, 144 f, 206⫺8, 210, 214, 221, 224⫺6, 231, 237 f, 295, 319, 477, 539 f, 566, 568, 642, 660⫺2, 693, 757, 940, 1029, 1032, 1069, 1089, 1279, 1321, 1391, 1617 Seitenformat 59, 134, 144, 160, 223, 224, 633, 1062 Sekretär 27, 49, 57, 59, 153, 241, 351, 482, 529, 534 f, 695, 1280, 1303 Sekundarschule > höhere Schulbildung Selbstkorrektur > Monitoring Semantik 3, 67, 108, 138, 168, 228, 266, 276 f, 282, 290 f,

1725 294, 362, 372, 375, 379, 385, 397, 406, 417 f, 422, 444, 448 f, 589⫺91, 622, 647 f, 652, 664 f, 683, 691, 693 f, 710, 725, 909, 911⫺3, 924, 928, 933 f, 936, 938 f, 946 f, 949, 952, 964, 966, 972, 974⫺6, 978 f, 986, 1005, 1012, 1017, 1019, 1028, 1069, 1086⫺8, 1094, 1096⫺9, 1104, 1112, 1156, 1164, 1171⫺3, 1181 f, 1184, 1211, 1218 f, 1225 f, 1252, 1254, 1321, 1337 f, 1358, 1360 f, 1382, 1385, 1393, 1395, 1401, 1405, 1413, 1416, 1428, 1435, 1438, 1440, 1442 f, 1444, 1465, 1474, 1497, 1515⫺21, 1536 f, 1539, 1541, 1560 f, 1627 semantisches Komplement > Determinativum Semasiographie 258 f, 289⫺94, 1381, 1385, 1456, 1571 Semikolon 223, 319, 691 f, 1411, 1422, 1440, 1456 f, 1459 Semiliteralität 79, 519, 829 Semiologie 43, 650, 660, 684, 1559, 1563⫺7 Semiotik 18⫺20, 22, 24, 26 f, 30, 41⫺8, 75, 106 f, 112 f, 115, 661 f, 669, 673, 680, 985, 1012, 1146, 1169, 1171, 1173, 1178, 1210, 1369, 1372, 1399, 1401, 1511, 1527, 1559 semitische Sprachen 7, 172, 174, 248, 262 f, 273, 275⫺7, 285 f, 289, 294 f, 297 f, 300, 307, 309 f, 317, 320, 323 f, 330⫺2, 334 f, 338, 416, 418, 420, 422, 453, 503 f, 512, 525, 529, 534, 689, 704, 818, 820, 1278, 1380, 1429, 1435 f, 1486, 1507, 1577 Seneca 605 Sensomotorik 661, 924, 986⫺8, 1057, 1212, 1225, 1360 f sentence > Satz Septuaginta 506, 608 f Serbisch 597, 755, 1595 Serbokroatisch 743, 747, 753, 958, 964, 967, 1095⫺9 Serife 177, 180, 185 f, 191, 219 f sermon > Predigt Serto 305 Setzerei 204⫺10, 213, 692, 1069, 1392, 1586 f, 1638 Setzmaschine 70, 97, 207⫺10 Sharada Schrift 454 f short-term memory > Kurzzeitgedächtnis shorthand > Stenographie Shuowen-jiezı´ 348, 362, 371, 379, 1409

Siamesisch 1603 Sibilant 327, 366, 1430, 1433, 1486, 1489, 1598, 1601 Sidamasprachen 320, 815, 817, 823 Siegel 51, 257, 269, 271, 281, 286, 307, 322, 354, 355, 362, 383, 441 f, 480, 492, 498 f, 507, 509, 526, 535, 614 Siegelschrift 252⫺5, 357, 362, 371, 445 Sigle 1508 f, 1511 Sigma 178 f, 1596 Signatur 150, 209 signature > Unterschrift SIL 449, 756, 798⫺800, 802 Silbe 42, 262, 276⫺81, 285⫺7, 290, 294, 297, 323 f, 326 f, 329 f, 337, 348, 366, 374⫺6, 378, 381, 383⫺6, 388, 391⫺3, 399, 406, 409⫺11, 416⫺22, 500, 511, 651, 689, 698, 703, 710⫺7, 719, 745, 763, 820 f, 826, 906, 925, 952, 958, 960, 965 f, 986 f, 1030, 1058, 1076 f, 1085, 1087 f, 1095, 1110 f, 1143, 1148, 1156, 1158⫺60, 1279, 1290, 1310, 1312 f, 1315⫺7, 1339, 1344, 1368⫺71, 1374, 1381⫺6, 1405, 1418, 1430 f, 1433, 1436, 1439, 1442 f, 1446, 1451, 1453 f, 1467 f, 1474, 1480, 1482, 1486, 1507, 1509⫺12, 1564, 1598, 1601 f, 1610 f, 1615 Silbenalphabet 324, 385, 395, 449, 453, 1315, 1413, 1432, 1579 Silbenanfang 294, 1147, 1160, 1164, 1452⫺4, 1508, 1602 Silbenende 278, 316, 495, 696, 1164, 1422, 1438, 1440, 1454, 1602 Silbenfolge 383, 821 Silbengelenk 1370, 1453 Silbengrenze 696, 1159, 1466, 1508 Silbenkern 696, 1344, 1454 Silbenrand 1454 Silbenschrift 14, 110, 205, 252, 262 f, 269, 272, 275, 277⫺81, 286 f, 289, 293⫺7, 318, 330, 335, 341, 375, 386, 391, 393, 409, 413, 426, 443 f, 449 f, 495, 511, 689, 704, 743, 773, 745, 801, 818, 823, 856, 908, 986, 1101 f, 1105, 1371⫺4, 1383, 1390, 1393, 1418, 1420, 1468, 1585, 1593, 1600, 1602 Silbenstruktur 277, 294, 329, 366, 383, 689, 1160, 1199, 1339, 1375, 1434 f, 1451, 1453, 1467, 1486, 1489

1726 Silbentrennung 721, 725, 734, 1066, 1069, 1451, 1466, 1501, 1599, 1601 Silbenzeichen 272 f, 290, 294, 297, 330, 337, 406, 409⫺12, 417, 819⫺21, 823, 1418 f, 1600, 1602 Silti 818, 823 sinaitische Schrift 298, 310 Sindhi 328, 454 f, 460, 467, 529, 743 Singhalesisch 326, 454, 740, 743, 1603 single case study > Einzelfallstudie Singular 277, 291, 316, 1449, 1466 Sinismus 443, 448 Sinmun 443 Sinologie 260, 1386 Situationsentbindung 20, 28, 590, 640, 648, 771, 1012, 1390 f Skriptismus 600 Skriptorium 58 f, 125, 127, 199 f, 236, 481, 543 f, 550 f, 566, 630, 674 f; > Schreibstube slawische Sprachen 344, 535, 538, 706, 755 f, 762, 764, 803, 855, 1594 slips of the pen > Verschreiben slips of the tongue > Versprecher Slowakisch 730, 1595 Software 134 f, 144, 161, 165 f, 169, 450, 583 f, 1029, 1072 f, 1296, 1320 Soldatensprache 621 Somali 817, 819, 823 Sonagramm 45, 904 f Sonderpädagogik 1353, 1356, 1363 Sonderschrift 1629 Sonderschule 1356 f, 1362 Sondersprache 754, 1552 Sonderzeichen 136, 273, 365, 380, 450, 691, 1062 f, 1065, 1067, 1585⫺7, 1590 Sonntagsschule 879 Sonorant 327, 1453, 1598, 1601 Sorbisch 594 soziales Gedächtnis 169, 476, 647 Soziolekt 98, 742, 1017, 1464, 1555 Soziolinguistik 424⫺7, 594, 604, 607, 639 f, 642, 644, 699, 705 f, 745, 752, 772⫺4, 1199, 1284, 1290, 1295, 1396, 1555 Soziologie 30, 33, 35, 81, 575, 742, 757, 984, 1276 space > Spatium Spalte 23, 51, 123, 133 f, 224, 480, 662, 1227, 1423 f, 1602, 1609, 1617

Silbentrennung ⫺ Sprachproduktionsplanung Spanisch 9, 88, 95, 128, 341, 413, 415, 422, 427, 530, 535, 565 f, 592, 596⫺600, 607, 673, 680, 701 f, 743, 756, 763, 783, 800, 826, 958, 966, 1096, 1098, 1194, 1196, 1198 f, 1201 f, 1207, 1373, 1375 f, 1388, 1394⫺1400, 1437⫺42, 1493 Spatium 7, 22, 46 f, 83, 88, 209, 223, 507, 691, 908, 920, 1066 f, 1371, 1391, 1395, 1426, 1433, 1450, 1456, 1501, 1611 speaker > Sprecher speech recognition > Spracherkennung Speicher 33, 37⫺9, 60, 133 f, 144, 146, 158⫺61, 164, 166 f, 210, 262, 264 f, 267, 282 f, 480, 482, 521 f, 582, 590, 615, 821, 862, 912, 927, 974, 977, 1021, 1059, 1068, 1162 f, 1212 f, 1219, 1249, 1252, 1278, 1336 f, 1340 f, 1351, 1528, 1619, 1630, 1634, 1639 Speichermedien 24, 133, 144, 160 f, 167, 584, 1635 Spektrogramm > Sonagramm spelling > Buchstabieren spelling > Rechtschreiben spelling checker > Rechtschreibprüfer spelling mistake > Rechtschreibfehler spelling pronunciation 1397, 1400 Spiegelschrift 990, 1619 Spiegelstrich 1066 Spielschrift 1150 Spiraltext 272 Spirant 1486, 1598 Spiritus 28, 513, 1596 f Spontanschreiben 1148, 1242, 1251 Spontansprache 1211 Sprachakademie 817⫺9, 1486 Sprachanalyse 1149, 1322 Sprachaufbau 1207, 1209⫺11, 1624 Sprachausbau 456, 1394 Sprachbarriere 1637 Sprachbehindertenpädagogik 1214 Sprachbehinderung 937, 1085, 1087 f Sprachbewußtsein 83, 676, 859, 986, 1142, 1147, 1149, 1170, 1392 f, 1467, 1491, 1493, 1556 Sprachdidaktik 594, 695, 1138 Sprachentwicklung 114⫺6, 725⫺7, 798, 1011, 1013, 1143, 1153⫺5, 1160, 1162,

1166, 1169, 1184, 1206, 1208⫺11, 1213 f, 1255, 1287 f, 1296, 1333, 1400, 1494, 1603 Sprachentwicklungsstörung 1206, 1332, 1336 Sprachentwicklungsverzögerung 1148, 1201, 1343, 1356 Spracherfahrungsansatz 888, 1246, 1359, 1362 Spracherhaltungsprogramm 1191⫺3, 1198⫺1202 Spracherkennung 133, 915, 1335 Spracherwerb 427, 641, 889 f, 980, 1021, 1129, 1148, 1154, 1202, 1205⫺7, 1210 f, 1266, 1337, 1378, 1390, 1504, 1508 Spracherwerbstörung 1205 f Sprachgeschichte 93, 117, 260, 587, 594, 597, 601, 673, 676, 860, 1388 f, 1395, 1401, 1416, 1501 Sprachkontakt 339, 592, 745 f, 1193, 1494 Sprachkritik 594, 1394, 1462, 1552, 1557 Sprachkultur 537, 729, 736, 740 f, 1173, 1556 Sprachlaut 259, 903⫺5, 916, 1585 sprachliche Handlung 18⫺20, 25, 28, 30, 33, 1516 sprachliche Varietät 29, 119, 190, 193, 194, 198 f, 454 f, 457 f, 464, 587, 589⫺92, 594⫺6, 598⫺600, 605, 607, 639, 642, 699, 707, 739⫺44, 752, 754, 791, 1130, 1194, 1201, 1389⫺91, 1393, 1396, 1428 f, 1441, 1446, 1478, 1481, 1491, 1495 f, 1556 Sprachmischung 592, 1557 Sprachnorm > Norm Sprachpflege 734, 763, 1195, 1378, 1396, 1484, 1551 Sprachphilosophie 106 f, 688, 1521, 1551 Sprachplanung 330, 341, 346, 462, 589, 599, 730, 740, 748, 775, 783, 827, 857, 1494 Sprachpolitik 330, 341, 346, 589, 599, 736, 740, 748, 758, 805, 809, 811, 817, 823, 857 f, 1192, 1201, 1396, 1398, 1494 Sprachproduktion 20 f, 903 f, 910, 912 f, 915, 1000, 1005, 1010, 1016⫺8, 1021⫺3, 1262, 1336, 1529, 1531 Sprachproduktionsplanung 4 f, 13 f, 49, 74, 580, 584, 590, 663, 668, 772 f, 869, 903, 913, 915, 985, 992, 995, 999⫺1001, 1005⫺8, 1011 f,

Sprachpsychologie ⫺ Suffix 1014, 1016⫺20, 1024, 1070⫺3, 1181, 1399, 1401, 1504, 1529⫺31 Sprachpsychologie 980, 983, 1170, 1529⫺31; > Psycholinguistik Sprachreflexion 116, 1173, 1262, 1266 Sprachreform 836, 837, 838, 848, 851 Sprachregister 592, 595, 1393, 1476, 1501, 1502 Sprachreinigung 621, 1546 Sprachsignal 904⫺7, 913 f, 1206, 1635 Sprachspiel 652, 690, 1171, 1420 Sprachstil 1553, 1555 Sprachstruktur 21 f, 857, 1436 Sprachstudium 1129, 1131, 1134, 1136, 1138 Sprachsystem 592, 672, 720, 722 f, 727, 745, 888, 983, 986, 1368⫺72, 1388 f, 1485, 1506, 1511, 1515 Sprachtheorie 103, 105⫺8, 117 f, 515, 589, 595 f, 598, 600, 1138, 1262, 1376, 1399, 1493, 1515, 1516, 1519, 1523 Sprachunterricht 1279, 1303 f, 1592 Sprachverarbeitung 905 f, 910, 912, 924 f, 980, 1332, 1335, 1528, 1536, 1542, 1581 Sprachverlust 1195, 1200, 1202 Sprachverstehen 168, 914, 1170, 1206, 1211, 1242, 1340, 1536; > Textverstehen; > Verstehen Sprachwandel 2, 6, 468, 560, 1388⫺1404, 1452 Sprachwerk 4 f, 118, 1504 Sprachwissenschaft 116⫺9, 259, 393, 439, 589, 634, 676, 724 f, 728, 730, 734, 736, 745, 758, 807, 989, 1125, 1245, 1327, 1376, 1378, 1388, 1399, 1417, 1484, 1527 f, 1546, 1553 f, 1585, 1589, 1591 f, 1594; > Linguistik Sprechakt 4, 168, 593, 622, 624, 627, 910, 1019, 1513, 1516, 1554 f Sprechakttheorie 1516, 1521, 1523 f Sprechbewegung 46, 915, 988, 1211; > Artikulation Sprecher 18, 21 f, 24 f, 31, 33, 423, 588, 590, 595, 604, 606, 639, 650, 663, 699 f, 702⫺5, 709, 718, 741, 752⫺4, 759, 769, 771, 775, 800, 803, 835, 845, 904, 913, 985, 1097, 1099, 1131, 1136, 1147, 1172,

1727 1192, 1265, 1288, 1294, 1312, 1381, 1388, 1391, 1396, 1444, 1477⫺9, 1486, 1488, 1522, 1527, 1564, 1584 Sprecherziehung 1214, 1624 Sprechgeschwindigkeit 1180, 1607 Sprechhandlung 4 f, 18, 25, 31 f, 34, 118 Sprechorgane 45 f, 69, 1016 Sprechsituation 18⫺26, 31⫺8, 589, 910, 1434 Sprichwort 3, 494, 497, 527, 1473 Sproßvokal 394 Staatsschrift 186, 233 Staatsschule 1301 Staatssprache 805, 1193, 1299 Stahlfeder 244 Stammauslaut 1454 Stammform 1251, 1370 Stammorphem 1254, 1417, 1606 standard language > Hochsprache Standardisierung 8, 29, 50, 53, 164, 167 f, 292, 326, 414, 449, 455 f, 460, 467, 556⫺8, 584, 598 f, 621⫺4, 627, 636, 673, 676 f, 692, 694, 707, 741, 743, 794, 803, 838, 848, 851, 1057, 1060, 1067, 1288 f, 1295, 1316, 1394, 1396, 1444, 1500, 1590, 1592, 1594, 1627, 1631; > Normierung Standardschrift 356, 377 Standardsprache 98, 346, 377, 437, 445, 598 f, 707, 724, 728, 739, 752, 800, 857, 859, 1194 f, 1201, 1396, 1399, 1418, 1456, 1466, 1471, 1490, 1501, 1556, 1557; > Hochsprache stem > Stamm Stempel 90, 92, 205, 207, 281, 314, 355, 504, 1037, 1043 Stenographie 27, 45, 57, 61 f, 522, 910, 987, 1280, 1300, 1388, 1443, 1507, 1604⫺7, 1618 f, 1623, 1629, 1631 Stil 62 f, 98, 111 f, 229, 245, 250, 253, 310, 315, 359, 436, 437, 457, 514, 526, 580, 589, 593, 595, 622, 742, 987, 1014, 1061, 1069, 1072, 1122, 1229, 1231, 1261, 1280, 1282⫺4, 1291, 1303 f, 1322, 1324, 1327, 1443, 1469⫺71, 1478⫺83, 1491, 1493, 1501⫺3, 1505, 1542, 1545⫺57, 1563, 1612 Stilanalyse 1061, 1555 f Stilistik 61, 63, 132, 494, 721, 989, 1005, 1016, 1023, 1264,

1267, 1282, 1302, 1325 f, 1399, 1485, 1500⫺4, 1506, 1529, 1545⫺8, 1550⫺7 Stilunterricht 1550 Stimmhaftigkeit 278, 326 f, 384, 391 f, 713, 858, 905 f, 1076, 1386, 1418 f, 1430, 1442, 1448, 1454, 1583, 1585, 1589, 1597⫺9, 1601 f, 1607 Stimmlosigkeit 278, 280, 327, 713, 858, 905 f, 1386, 1430, 1442, 1448, 1585 f, 1597 f, 1600 f, 1607 storage > Speicher story grammar > Geschichtengrammatik stress pattern > Betonung Strich 49 f, 129, 176, 178 f, 184⫺6, 197, 200, 214, 219 f, 238, 244 f, 247, 254, 264, 269, 282, 290, 310 f, 315 f, 319, 339, 344 f, 351, 355⫺9, 362⫺4, 366, 372⫺4, 376 f, 379, 385 f, 388, 391, 393 f, 396, 399, 416, 507, 517, 529, 540, 661 f, 691, 819, 848, 908, 987 f, 1028⫺31, 1033, 1037, 1039, 1044, 1049 f, 1082, 1089, 1146, 1171, 1242 f, 1279, 1311 f, 1314 f, 1372 f, 1382, 1406 f, 1429 f, 1509, 1511, 1573 f, 1596, 1599, 1600 f, 1605, 1607 Strichkode 1633 Strichschrift 286, 492, 496 stroke > Strich Stroop-Experiment 939, 1104⫺8, 1160 Strukturalismus 104, 117 f, 659, 1286 f, 1289, 1292, 1295, 1297, 1388, 1389, 1400, 1515, 1527, 1554 Studentensprache 621 Stundenbücher 214, 239, 547 f Stützschrift 309 style > Stil Suaheli 312, 535, 782, 783, 1299 Subjekt 1, 651, 997, 1183, 1264, 1460, 1461, 1473, 1487, 1542 Submersionsprogramm 776, 1196, 1198, 1200 f Subordination 591, 1182⫺4, 1395, 1401, 1492 Substantiv 277, 348, 385, 397, 410, 694⫺6, 945, 947, 997, 1376, 1393, 1435, 1440, 1442 f, 1446, 1448⫺53, 1472, 1474, 1478, 1486, 1496, 1508, 1517, 1553, 1600, 1617 Subvokalisation 69, 925 f, 1173 Suffix 291, 365, 397, 414, 549, 1227, 1419, 1434 f, 1449, 1455, 1466, 1474, 1486, 1606

Sumerisch ⫺ Textsorte

1728 Sumerisch 52, 86, 256⫺9, 261, 263, 266, 269, 275⫺9, 283, 285, 293, 298, 348, 416, 419, 492, 494⫺8, 500, 709, 1372, 1386, 1509, 1559, 1572 f summary > Zusammenfassung Summer Institute of Linguistics > SIL Sumo 826 Suppletion 1396 Suprasegmentalia 802, 819, 1095, 1159, 1166, 1370, 1409, 1587, 1590 surface dyslexia > Oberflächenalexie Suri 819 Suspension 1508, 1510 f Sütterlinschrift 752, 1244 Sutton-Schrift 1628 Syllabar 267, 278, 280, 285 f, 319, 323, 330, 332, 337, 341, 348, 378, 384, 386, 388, 392 f, 398 f, 419, 495⫺8, 702, 712 f, 715, 718 f, 753 f, 1102, 1106, 1108, 1279, 1310, 1313, 1315 f, 1371, 1374, 1386, 1413 f, 1418⫺20, 1511 Syllabieren 1121, 1290, 1466 syllable > Silbe Syllabographie > Silbenschrift Syllogismus 651, 654 Symbolfeld 21, 24, 118, 168 Symbolschrift 1394 Symbolsystem 281, 1173, 1212, 1346, 1624 Symmetrisierung 174 f, 185 Synchronie 20, 38 f, 102, 171, 261, 660, 680, 1372, 1444 f, 1450 Syngraphem 1456⫺65 Synonym 106, 379, 411, 414, 591, 632 f, 939, 978, 1069, 1097, 1292, 1488, 1496, 1512, 1518, 1547 Syntagmatik 443, 692, 694, 696, 1368 f, 1473, 1512, 1517 f, 1566 Syntax 88, 108, 168, 267, 276, 283, 285, 348, 401, 406, 412, 436, 458, 563, 566, 578, 580, 589⫺92, 619, 640, 647, 652, 664, 667, 683, 688, 691, 694⫺6, 725, 740, 772, 908 f, 911 f, 914, 934, 937, 948⫺50, 974 f, 978 f, 985, 994, 997, 1005, 1009, 1011, 1017 f, 1028, 1033, 1061, 1070, 1086 f, 1094 f, 1102, 1104, 1112, 1161, 1173, 1176, 1178⫺81, 1183 f, 1194, 1209, 1225, 1254, 1262, 1264, 1266, 1291, 1305, 1313, 1336, 1360 f, 1371, 1389, 1391⫺6,

1401, 1434 f, 1440, 1442 f, 1446, 1451, 1456, 1458⫺60, 1462⫺65, 1470, 1473, 1475, 1484 f, 1487, 1489, 1493, 1496, 1498, 1501⫺3, 1515 f, 1518, 1522, 1527, 1529, 1538, 1545, 1550 f, 1560, 1561, 1566 f Syrisch 275, 302 f, 305, 314 f, 472, 493, 505, 755, 1193, 1384 Syrjänisch 334 f

T T-unit 994, 1183, 1496 Tabellenschrift 213 table of contents > Inhaltsverzeichnis Tabu 484, 893 Tachistoskop 921⫺3, 927, 967, 969, 1099, 1109, 1172, 1175 Tachygraphie 27, 57 f, 544, 1507, 1509 f, 1604 f, 1610 f Tadzikisch 753 Tafel > Schreibtafel Tagebuch 14, 60, 483, 621, 719, 1180, 1293, 1323, 1481, 1523 Taliq 250, 532 tally > Zählstein Talmud 37, 88, 607 Tamil 326 f, 454 f, 460 f, 464, 467, 742, 783, 1105⫺7 tamudische Schrift 317, 505 Taoismus 680 Taschenbuch 101, 223, 226, 381, 533, 548, 902 Tastatur 62, 132⫺5, 209 f, 1033, 1062 f, 1065 f, 1068, 1590, 1639 Tatisch 756 Tau 179, 1596 Tawqi 250, 529 f teacher > Lehrer technical language > Fachsprache Tegre 320 Tegrenna 320 Teilsatz 935, 938, 957, 998, 1001, 1018, 1084, 1183 f, 1458, 1496 f Telefon 39, 44, 79, 244, 593, 624, 625 f, 885, 1504, 1531, 1582 Telegraf 39, 62 f, 744, 816, 1420, 1615, 1637 Telegrammstil 626 Telekommunikation 165, 577, 583, 584 television > Fernsehen Telugu 454, 460 f, 742, 743 Tempelschule 480 Tempus 23, 591, 1460, 1501, 1518

Terminologie 111, 188, 201, 457, 462, 508, 621, 632 f, 673, 678, 723, 745, 796, 1133, 1299, 1301, 1369, 1485, 1508 Testament 5, 12, 508, 876, 1043⫺5, 1047 Testamentsschrift 1045 text comprehension > Textverstehen text processing > Textverarbeitung Textanalyse 994, 1059, 1232, 1234 Textanfang 540, 667, 910, 1325, 1517 Textaufbau 869, 1187, 1267, 1519, 1521 Textbasis 62 f, 505, 579, 975, 1520 Textbaustein 580, 584, 1069 Textblock 58, 138 f, 224, 1456, 1458, 1461, 1465 textbook > Lehrbuch Textgrammatik 1394 f Textkanon 2, 6, 9, 27 f, 38, 98, 241, 445, 452, 481, 486⫺9, 496, 499, 505 f, 522, 545, 547, 573, 575, 577, 606, 609, 615, 636, 675, 1230, 1261, 1269, 1272⫺5, 1277, 1292⫺4, 1300, 1388, 1396, 1568, 1569 Textkonstitution 1515⫺1527, 1529 Textkritik 30, 91, 506, 674⫺6, 1511 Textlinguistik 989, 1185, 1265, 1503, 1515⫺9, 1522, 1528⫺31, 1540, 1554 f Textproduktion 8, 35, 49, 56, 62, 580, 584, 590, 627, 663, 773, 775, 861, 866, 909, 989 f, 992⫺1003, 1005, 1010, 1012, 1016, 1018⫺22, 1072, 1118, 1121, 1126, 1178, 1180 f, 1261⫺65, 1308, 1389, 1504, 1515, 1518, 1522 f, 1527⫺31; > Schreibprozeß Textrezeption 580, 861, 1021, 1118, 1121, 1504, 1515, 1536, 1538, 1542 Textschrift 235, 539, 541 Textsorte 5 f, 8 f, 12, 25⫺8, 52, 67, 159, 168, 188, 214, 217, 276, 279, 281, 283, 310, 488, 493, 504 f, 578, 581, 589, 593, 620, 632, 864⫺8, 972, 998, 1001, 1014, 1182, 1185⫺8, 1261, 1263, 1265, 1282, 1323, 1325 f, 1389, 1391, 1394 f, 1399, 1401, 1420, 1424, 1462, 1464, 1485, 1492 f, 1500, 1504, 1515,

Textstruktur ⫺ Umgangssprache 1521, 1524, 1530, 1536⫺42, 1555 f Textstruktur 539, 549, 578⫺80, 590, 1017, 1021, 1179, 1184 f, 1187 f, 1228 f, 1263, 1266, 1391, 1492, 1503 f, 1519⫺21, 1524, 1537, 1540 f, 1555 Texttheorie 119, 660, 1012, 1180, 1261, 1265, 1520 f Textualität 5, 1504, 1515 f Textura 200, 214, 216, 238 Textverarbeitung 135, 144, 349, 449, 580, 584, 660, 703, 717, 900, 974, 979, 999, 1001, 1062, 1065, 1068⫺73, 1536, 1538 f, 1581, 1593, 1635, 1637 Textverstehen 90, 168, 773, 972 f, 975⫺9, 998, 1021, 1161, 1185, 1187, 1199, 1225, 1340, 1518, 1520, 1536⫺8, 1540 Thai-Sprachen 327, 454, 699 f, 702, 705, 718, 855, 1603 Theater 96, 520, 594, 815, 898, 901, 1319, 1396, 1399, 1489 Thema/Rhema > funktionale Satzperspektive Theologie 27, 36, 59, 76, 90, 93, 97, 113, 125, 126, 235 f, 429, 473, 483⫺5, 487, 506, 508, 534 f, 537, 546 f, 549, 560, 607⫺9, 818, 827, 866 f, 894, 1137, 1302, 1321 Theräisch 176 f Thesaurus 38, 164, 584, 1069 Theta 177, 1596 thinking > Denkprozeß Thora 28, 609, 679, 755 Thuluth 250, 530 Tibetisch 327, 453 f, 456 f, 463, 755 f, 855⫺7 Tiefdruck 205, 209 f, 219 Tiefe eines Schriftsystems 958, 964, 1095⫺8, 1375, 1433, 1436 f, 1442 Tiefenalexie 928, 936, 1358 Tiefenpsychologie 927 Tiefenstruktur 1017, 1021, 1520 Tiegeldruck 1621 Tigre 817, 823 Tigrinja 817 f, 823 Tilde 1437, 1501, 1601, 1622 Times 135 Tinte 30, 47, 54, 89, 125, 127, 129, 134, 142, 173, 231, 250, 253, 485, 504, 526, 530, 533 f, 536, 539, 666, 1104, 1107 f, 1277 f Tintenschrift 1043 Tintenstrahldrucker 142, 1068 Tippfehler 661, 1059, 1065 tironische Noten > Tachygraphie

1729 Titel 76, 85, 92, 95, 110, 123, 150, 220, 225 f, 480, 513, 540, 662, 1391, 1412, 1422, 1434 Titelei 225 f, 860 Titelschrift 129, 213 Titelseite 168, 225 f Tod-Schrift 856 Tok Pisin 705 Tonhöhe 348, 366, 444, 858, 1409, 1461, 1586 f, 1589 f, 1601 Tonsprache 347, 673, 712 f, 715⫺7, 719, 802, 819, 857, 1312, 1409 Tontafel 29, 33, 51, 85 f, 122, 124, 147, 205 f, 257, 264, 266, 272, 281⫺3, 300, 309, 311, 419, 492⫺4, 496, 500, 504, 511 f, 1277 Töpfermarke 271, 282, 293 topic/comment > funktionale Satzperspektive Transkription 14, 117, 292, 295 f, 298, 323, 396, 401, 444, 473, 535, 659, 666⫺8, 745, 1101 f, 1373, 1377, 1388, 1390, 1409, 1421, 1428, 1434, 1437, 1446⫺8, 1563, 1583⫺6, 1589⫺92, 1594, 1597, 1603, 1605, 1627 translation > Übersetzung Transliteration 276, 278⫺80, 286 f, 299, 318, 320, 330, 380 f, 388, 392, 402, 454, 498, 500, 522, 535, 673, 1422, 1469, 1581, 1584, 1591⫺1603 Trema 320, 1437, 1596, 1601 f Trennzeichen 319, 480, 1422, 1465, 1602, 1630, 1634 Trigramm 351, 680, 1442, 1446 f, 1582, 1614 f Trilingue 313 Tschechisch 1373 Türkisch 312, 529, 532, 535, 592, 703, 705, 729, 756, 762, 803, 806, 855 f, 1094 f, 1102, 1191, 1195 f, 1202, 1299, 1303, 1373, 1485, 1487, 1599 Turksprachen 752, 756, 803, 809, 811, 1595 Tusche 30, 55, 252⫺4, 349, 687 type > Letter type-token-Relation 591, 997, 1496 Typengießmaschine 97, 209 Typenrad 142, 1059 Typensetzmaschine 209 typewriter > Schreibmaschine Typographie 24, 39, 134, 144, 202, 204⫺7, 210⫺26, 238, 247, 658, 663, 693, 745 f,

1228, 1391 f, 1484 f, 1501, 1587 Typologie 25, 263, 305, 323, 555, 668, 677, 746, 764, 1380⫺7, 1389, 1398, 1401, 1404, 1484, 1486, 1552, 1605

U Überarbeitung 108, 132, 506, 915, 999, 1001, 1005⫺8, 1014, 1020, 1072, 1126, 1179, 1181, 1264, 1326, 1503 Überdachung 596⫺600 Überlieferung 18, 20, 25⫺7, 31, 33, 36, 55, 58, 85⫺8, 91, 109, 116, 122, 124 f, 129, 151, 276, 309, 339, 344, 438, 451, 476, 483, 485⫺8, 495, 497, 499, 506, 508 f, 513, 518, 522, 528, 537, 542, 544 f, 547, 551, 556, 559, 562, 564, 567, 574, 613, 673⫺7, 679 f, 741, 860 f, 863, 865, 867, 1231, 1301 f, 1396, 1469 Übernahme eines Schriftsystems 273, 324, 327 f, 330, 332, 334⫺6, 341, 346, 421, 511 f, 697⫺707, 715, 717, 725, 747, 754, 761, 1102, 1416, 1577 Überschrift 7, 53, 75, 92, 129, 139, 207, 223, 225, 250, 349, 359, 378, 528, 540, 555, 628, 735, 908, 1021, 1066, 1161, 1229, 1289, 1321, 1325, 1391, 1411, 1424, 1458, 1461, 1464, 1521, 1597, 1609 Übersetzung 82, 93, 95, 100, 105, 110, 113, 344, 375, 388, 391 f, 401 f, 413, 418, 420, 456 f, 462 f, 506, 520, 523, 529, 547, 555, 559⫺62, 564, 566, 597, 605, 607⫺9, 631, 674, 676, 700, 706 f, 814⫺7, 823, 826, 842, 861, 864, 900, 975, 992, 1006, 1015, 1017 f, 1069 f, 1072, 1219, 1270, 1280 f, 1291, 1393 f, 1469, 1473⫺5, 1480⫺2, 1489, 1528 f, 1562, 1564, 1622, 1637 Ugaritisch 22, 147, 273, 275, 286 f, 298⫺300, 330, 332, 334 f, 418⫺20, 492, 499, 503 f, 506⫺8, 1576 f Uighurisch 747, 761, 856 Ukrainisch 1197, 1594 f Umbruch 134, 204 Umgangssprache 328, 370, 460, 468, 585, 587, 600, 605, 642, 651, 707, 739, 1198, 1322 f, 1396, 1421, 1468⫺73,

Umlaut ⫺ Versprecher

1730 1478⫺80, 1484 f, 1490, 1503, 1506, 1600, 1637 Umlaut 1065, 1067, 1344, 1370, 1373, 1453 f, 1577, 1581, 1623 Umschrift > Transliteration UNESCO 635 f, 767, 770 f, 780⫺7, 790 f, 793 f, 796 f, 799 f, 822, 825, 827⫺9, 831, 836, 849⫺51, 873, 883, 885, 1622 Ungarisch 12, 128, 594, 597 UNICODE 144, 1581, 1593 unifiziertes Schreiben 992, 1010 Univerbierung 283, 1451 Universalschrift 104, 260 Universalsprache 10, 43, 104, 112, 114 Universität 9, 36 f, 58 f, 75, 92, 153, 249, 452, 457 f, 462⫺5, 538, 546 f, 565, 596, 616, 638⫺41, 643 f, 782, 802, 818, 825, 846, 859 f, 865, 895, 1279, 1294, 1297, 1300, 1303, 1321, 1327 f, 1396, 1477, 1504, 1510, 1532 UNO 898, 1513 Unterhaltungsliteratur 446, 521, 1236 Unterlänge 182 f, 191, 193⫺200, 213, 223, 230, 236, 505, 530, 691, 922, 1373, 1597 Unterricht 12, 34, 75, 79, 245, 346, 445, 447 f, 477, 480, 486, 492, 494, 515, 520, 538, 542, 556, 723, 726, 729, 736, 743, 808, 816 f, 820⫺3, 858, 870, 879 f, 884, 886, 888, 901, 1120⫺7, 1136⫺40, 1146, 1153, 1157 f, 1162, 1165 f, 1169 f, 1175, 1196, 1198⫺1203, 1208, 1218⫺23, 1231⫺4, 1236⫺8, 1241, 1243 f, 1246, 1254 f, 1258, 1260⫺76, 1278, 1280⫺4, 1286, 1288⫺97, 1300 f, 1303 f, 1307, 1309⫺13, 1316⫺9, 1323, 1325, 1329, 1346, 1351⫺5, 1359, 1361 f, 1469, 1537, 1549 f, 1578 Unterrichtsplanung 1123 f, 1220⫺2, 1256 Unterrichtssprache 817, 859, 881, 1195⫺8, 1201 f, 1301, 1303, 1307 Unterschicht 99, 595, 1143, 1352, 1360 f Unterschrift 27, 79, 311, 354, 540, 614, 626, 823, 831, 860, 868, 876, 1040 f, 1043 f, 1121, 1610 Unterstreichung 129, 385, 1066, 1464, 1541, 1597, 1599

unvoiced > Stimmlosigkeit Unziale 186, 188 f, 193 f, 196, 199, 228, 231, 234 f, 248, 538 f, 544, 549, 756 Unzialschrift 188, 193 f, 196, 199 upper case > Großbuchstabe Urdu 312, 328, 454 f, 461, 535, 701, 1299, 1599 Urheber 34, 663, 898⫺901, 1038, 1041, 1046 f, 1049, 1056, 1059⫺67, 1176; > Verfasser Urheberrecht 8, 85, 94, 97 f, 109, 113, 166, 658, 898⫺902, 1444 Urkunde 52, 54, 60 f, 123⫺6, 128, 149, 151⫺4, 183, 228, 230, 235, 239, 307, 311, 314, 442, 480, 482, 492 f, 495⫺500, 507 f, 528, 537 f, 540, 546, 558, 592⫺4, 599, 614, 621, 676, 1036 f, 1041, 1043 f, 1046, 1230, 1281, 1492, 1500, 1512, 1607 Urkundenschrift 190, 228, 230, 240, 545, 1512 Urkundensprache 547, 555, 1281 Uvular 1583, 1587

V Vai 13 f, 426, 432, 718 f Veden 2, 322 f, 451⫺3, 463, 605 f, 608, 741; > heiliger Text Velar 318 f, 327, 378, 392, 763, 818 f, 1430, 1486, 1585, 1587, 1601 f Verb 279, 283, 285, 290, 348, 364, 385, 393, 397 f, 401 f, 406, 410, 412, 414, 419, 493, 496, 740, 945 f, 975, 997, 1086, 1183 f, 1227, 1251 f, 1304, 1313, 1315, 1376, 1433⫺40, 1442, 1448⫺50, 1452 f, 1459 f, 1462, 1466, 1472, 1475, 1478, 1480, 1486 f, 1493, 1503, 1517, 1542, 1552 f Verbalisierung 22 f, 26, 43, 259, 622, 641, 999⫺1001, 1005, 1009, 1016⫺18, 1021, 1053, 1520, 1528, 1530 Verbmorphologie 412, 740 Verdauerung 18 f, 25, 29, 33 Verdinglichung > Vergegenständlichung Verfasser 34, 96⫺8, 104, 110, 482, 485, 514, 559, 563, 565, 631, 667, 1059 f, 1063, 1229, 1484, 1553, 1612; > Autor; > Urheber Vergegenständlichung 20, 88, 610 f, 986, 1147, 1264

Vergleichsschrift 1040, 1045⫺7, 1060 Verkehrsschrift 250, 1241, 1244, 1607 Verkehrssprache 302, 754, 1195, 1501 Verlag 85, 90, 92, 94 f, 98⫺101, 113, 132⫺4, 144, 226, 449, 520, 543, 560, 584, 808, 863, 894, 896, 898, 902, 1319, 1323 f, 1328, 1396 Verleger 87, 90, 92, 94⫺7, 99, 100, 104, 217, 219, 224, 463, 548, 584, 659, 901, 1293, 1443 f Verlesung 28, 526, 862, 922, 1343 Vernakularsprache 8, 11, 427, 455, 457, 464, 466, 468, 607, 609, 701, 740, 742 f, 756, 799, 801, 837⫺9, 851, 1130 f, 1136 Veröffentlichung 49, 56 f, 91, 134, 246, 483, 575, 584, 631, 661⫺3, 665, 668⫺9, 894⫺8, 901, 1062, 1069, 1324, 1326, 1328, 1409 Verrechtlichung 546, 1119 Vers 108, 428, 480, 497, 514, 521, 532 f, 565, 814, 1144, 1278, 1281 Versalien 171, 173 f, 180, 183, 206, 221, 223, 226, 1597; > Großbuchstabe; > Majuskel Versalienschrift 186 Versandhandel 620⫺6 Verschlüsselung 534, 673, 1575, 1608⫺16, 1631 Verschlußlaut 277, 299, 905, 1486, 1489, 1585, 1598, 1600 Verschreiben 665, 989, 1083, 1410 Verschriftlichung 20⫺2, 24, 27 f, 33 f, 56, 74, 107, 111, 150, 293, 303, 346, 396, 410, 412, 439, 444, 447⫺9, 489, 498, 507, 509, 518, 546 f, 558, 561⫺3, 567, 587, 589, 591, 594, 596⫺8, 601, 610 f, 613, 615⫺7, 646 f, 672 f, 679, 689 f, 693, 725, 742 f, 745 f, 752⫺7, 759, 761, 805 f, 809, 811, 818, 861, 863, 916, 1119, 1164 f, 1200, 1252, 1300, 1344, 1368, 1388, 1393, 1399, 1401, 1406, 1413 f, 1417⫺21, 1423 f, 1436, 1500, 1626 Versoseite 123, 477 Versprachlichung 103, 110, 589, 667 f, 681, 1012, 1016, 1018, 1175, 1266, 1399⫺1401, 1491 Versprecher 385, 989, 1016, 1527

Verständlichkeit ⫺ will Verständlichkeit 22, 88, 111, 384, 618, 634, 752, 1390, 1504, 1531, 1551, 1552 Verstehen 13, 20, 22, 35 f, 65⫺7, 110, 169, 320, 775, 842, 936, 938, 940, 960, 972⫺9, 984⫺6, 1001, 1087, 1095, 1101, 1112, 1135 f, 1146, 1160 f, 1169⫺73, 1176, 1219, 1225 f, 1228, 1232⫺4, 1270, 1287, 1290, 1292 f, 1317, 1321, 1332, 1336, 1356 f, 1360, 1523, 1536⫺9; > Sprachverstehen; > Textverstehen Verstehensproblem 976, 979, 1176 Verstehensprozeß 22, 36, 913, 1021, 1172, 1225, 1536, 1542 Vertextung 18 f, 22, 26, 29⫺31, 33 f, 39, 662, 668, 1265, 1518 Vertikalschreibung 1423 f Vertrag 25, 31, 60, 96, 165, 307, 311, 353, 495, 497 f, 507, 525, 546, 615, 625, 899, 901 f, 1046, 1392, 1523 Vervielfältigung 32, 61, 69, 87 f, 90⫺2, 99, 144, 240, 244, 536, 543, 547, 599, 656, 660, 899⫺901, 1508 Verwaltung 12, 29, 34, 51⫺6, 59 f, 76, 90 f, 103, 107, 109, 127, 132, 136, 146⫺50, 152, 154 f, 159, 228, 235, 239, 250, 252, 272, 283, 291, 315, 334, 355, 363, 383, 396 f, 399, 401, 412, 429, 432, 434, 437, 440⫺5, 447, 456⫺61, 464 f, 472, 480⫺2, 485, 488, 493⫺8, 505, 507, 511 f, 518, 520, 535, 538, 540, 545 f, 561, 566, 581, 613 f, 617, 620, 626, 629⫺31, 637, 706, 710, 787, 800, 803⫺6, 822, 831, 860 f, 863⫺9, 1062, 1119, 1140, 1149, 1278, 1280, 1283, 1288, 1301⫺3, 1395 f, 1398, 1471, 1480, 1482, 1484 f, 1500 f, 1507, 1509, 1546, 1572 Verwaltungssprache 302, 505, 529, 538, 1484 f Verweis 22 f, 63, 97, 114, 580, 582, 624, 662, 1043, 1399, 1492, 1517 Video 79, 81, 134, 141, 166, 582, 660, 666, 994, 1000, 1037 Videotext 581, 584 Vierlinienschema 174, 192⫺4, 196⫺8, 213, 230, 236, 539 Vietnamesisch 341, 346, 348, 366, 399, 401 f, 443 f, 702⫺4, 714, 717 f, 747, 1102

1731 Visarga 1430, 1601 voiced > Stimmhaftigkeit Vokal 45, 229, 250, 260, 263, 278, 280 f, 289, 294 f, 297⫺9, 302, 316⫺8, 320, 323, 326 f, 329, 332, 335, 337, 339, 344, 366, 378, 384, 393 f, 397, 399, 406, 410, 416, 420, 443, 452 f, 504, 511, 526, 529, 689, 696, 703 f, 711⫺5, 717 f, 735, 761 f, 818 f, 821, 856, 905, 958, 966, 969, 1078, 1088, 1096⫺8, 1102, 1158, 1160, 1164, 1175, 1278, 1312 f, 1315 f, 1344, 1370, 1374⫺6, 1383, 1385, 1418, 1429⫺31, 1434⫺9, 1442⫺4, 1446⫺9, 1452⫺4, 1486 f, 1490, 1507, 1575, 1579, 1583⫺7, 1589, 1592, 1596, 1598⫺1602, 1605⫺7, 1610 f, 1622, 1624⫺6 Vokalbuchstabe 1437, 1439, 1452 f, 1595, 1597⫺1602 Vokalcluster 714, 718 Vokalisation 67, 316⫺8, 320, 339, 526, 742, 1300, 1303 f, 1434, 1600 Vokallänge 278, 734, 819, 1373 Vokallosigkeit 280, 287, 297, 312, 318, 320, 1300, 1434, 1600 Vokalqualität 262, 278, 716 f, 906 Vokalschreibung 263, 280, 286 f, 289, 295, 297, 299, 321, 345, 399, 506, 511, 525, 1300, 1418, 1434, 1452, 1590, 1599, 1607 Vokalsystem 717, 818, 1437, 1587 Vokativ 21 f Volksschrift 444, 1244 Volksschule 245, 386, 388, 396, 864, 870, 1120, 1125, 1134, 1139, 1232⫺4, 1237, 1244, 1271, 1283, 1351, 1355 f Volkssprache 73 f, 89, 92 f, 95, 107⫺11, 152, 305, 402, 537, 547, 555 f, 558⫺63, 565⫺8, 596, 599 f, 754, 1129⫺33, 1135⫺9, 1392, 1394 f, 1491 f, 1510, 1580 Vorbildschrift 538 Vorbildsprache 538, 555 Vorläufer der Schrift 118, 122, 256, 258, 264⫺9, 405, 432, 472, 491, 567 Vorlesen 35, 51 f, 54, 57, 72, 75, 133, 385, 481, 489, 542, 547, 563 f, 587, 590, 690, 693, 762, 862, 866, 887, 1149, 1161, 1218, 1229, 1270,

1319 f, 1335, 1398, 1489, 1492 Vorlesung 5, 548, 596, 1300, 1399, 1478, 1548 Vorschule 641, 985 f, 1142, 1144, 1146 f, 1149 f, 1153 f, 1156 f, 1159 f, 1162 f, 1198, 1207, 1210, 1212, 1214, 1217, 1242, 1246 f, 1311, 1317, 1335, 1345 f, 1355 Vortrag 27, 56 f, 61, 71, 75, 79, 514, 587, 590, 647, 1261, 1271, 1302, 1322, 1399, 1492 Vorzeichnung 49, 58, 184, 1037, 1041 Votivschrift 307 vowel > Vokal Vulgärlatein 593 Vulgärsprache 446, 449, 555, 557⫺9, 565⫺7, 673, 676 f, 1401

W Wachstafel 55, 57⫺9, 72, 87, 122, 126, 148, 173, 281, 477, 496, 1278 f Wahrnehmung 1, 10, 19 f, 22 f, 145, 171⫺3, 183, 221, 237, 549, 614, 624, 657, 667, 689, 903⫺6, 908⫺10, 914 f, 919 f, 922⫺4, 926, 929, 943 f, 949, 951, 953 f, 959 f, 967, 973, 984, 986 f, 1031 f, 1052, 1089, 1102, 1106, 1118, 1154, 1165, 1170 f, 1173, 1175, 1187, 1206 f, 1211⫺4, 1218 f, 1226, 1228, 1242, 1244 f, 1254, 1266, 1334⫺7, 1373, 1390, 1444, 1468, 1473 Wahrnehmungslernen 1113, 1342 Walisisch 1197 Wanderschule 808 Wasserzeichen 127, 129, 666 Weißrussisch 741, 1595 Weiterbildung > Fortbildung Welthilfssprache 672 Weltlautschrift 1585, 1591, 1602 Weltschrift 537 Weltsprache 754, 783, 809, 1591 Weltwissen 973, 1011 f, 1182⫺4, 1188 Wenyan 370, 741, 743, 1468⫺74 Werbung 85, 221, 226, 245, 447, 622, 624, 633, 673, 721, 747, 757⫺9, 782, 808, 871, 889, 900, 1149, 1228, 1275, 1281, 1294, 1303, 1319 f, 1421, 1434, 1444, 1496, 1501, 1504, 1523 f, 1557, 1644, 1646; > Anzeige will > Testament

Winkelschule ⫺ Zeicheninventar

1732 Winkelschule 864 Winterschule 868 Wissen 18 f, 32⫺8, 48, 52, 56, 63, 68, 71, 75, 83, 94, 103, 108 f, 112, 136, 138, 140, 161, 165, 167⫺9, 480⫺5, 488 f, 492, 514, 521, 561, 577, 579, 581 f, 585, 590 f, 615, 623, 625, 629 f, 634, 636, 646⫺50, 652, 654, 658, 665, 679, 815, 861, 863, 880 f, 886, 910, 912, 972 f, 976, 978 f, 984 f, 986, 994 f, 997⫺1001, 1003, 1006, 1010⫺23, 1070, 1073, 1076, 1118, 1120, 1122, 1131, 1134 f, 1160, 1162, 1170, 1172 f, 1175 f, 1181, 1187, 1212, 1218 f, 1222, 1231 f, 1235, 1242, 1249, 1251⫺56, 1265, 1273 f, 1276, 1301 f, 1358⫺60, 1390, 1398, 1469, 1484, 1518, 1521, 1528, 1530 f, 1536 f, 1539, 1541, 1580, 1638 Wissenschaft 36⫺8, 52 f, 56, 92, 94, 103 f, 109, 112, 114, 116, 119, 124, 130, 132, 155, 159, 166, 249, 279, 371, 396, 437⫺9, 440, 443, 448, 465, 497, 499 f, 514, 521, 537, 545, 547⫺50, 575 f, 578, 585, 594, 615, 618, 631, 633 f, 636, 651, 654⫺7, 659 f, 665, 673 f, 754, 806, 815, 865, 873, 893, 898 f, 901, 1017, 1036, 1062, 1124⫺6, 1130, 1132 f, 1149, 1231, 1236, 1273, 1299, 1301 f, 1327, 1378, 1391 f, 1394, 1398, 1464, 1469, 1501, 1504, 1527 f, 1554, 1577 f, 1596 Wissenschaftsgeschichte 38, 104, 551, 619, 674, 1515, 1527, 1531 Wissenschaftssprache 100, 112, 114, 1132, 1492⫺4, 1500, 1557 Wolajta 817, 823 word formation > Wortbildung word frequency > Worthäufigkeit word shape > Wortform working memory > Arbeitsgedächtnis Wortanfang 57, 294, 383, 388, 393, 920, 945, 1343, 1433, 1507 f, 1596 f, 1600 f, 1606 Wortart 105, 108, 932, 959 f, 997, 1086, 1171, 1251 f, 1417, 1449, 1453, 1508, 1517 Wortbild 294, 696, 889, 946 f, 952, 974, 986, 988, 1163,

1175, 1249 f, 1254, 1358, 1605 Wortbildschrift 1404, 1601 Wortbildung 366, 591, 661, 664, 869, 1175, 1227, 1252, 1321, 1438, 1451 f, 1474, 1507 Wortende 260, 280, 316, 319, 339, 397, 507, 763, 945 f, 1343, 1433 f, 1436, 1440 f, 1510, 1596, 1598⫺1601 Wörterbuch 63, 89, 348, 372, 377 f, 392, 394, 402, 444, 448, 462, 468, 631, 633, 692, 703, 706, 722, 727, 730, 733, 762, 799, 838, 841, 848, 941, 1069, 1228, 1251, 1295, 1313, 1316, 1378, 1393, 1405, 1407⫺10, 1422, 1443 f, 1473, 1484, 1502, 1504, 1546, 1569, 1580 f, 1589, 1609, 1615 Worterkennung 133, 906, 912, 914, 921 f, 924, 933⫺5, 939, 945⫺7, 950⫺72, 1082, 1094⫺6, 1098⫺1100, 1103, 1109, 1113, 1155⫺7, 1159⫺61, 1176, 1227, 1290, 1317, 1337⫺40, 1342, 1358; > Zwei-Wege-Theorie der Worterkennung Wortfamilie 1252, 1397 Wortform 223, 289, 291 f, 294, 310, 913, 928, 932, 1368, 1369⫺72, 1375⫺7, 1439, 1453, 1456 f, 1465 f, 1507, 1579 Wortformtheorie 960 f, 968 Wortgrenze 106, 691, 1376, 1439, 1465 f, 1595 Worthäufigkeit 923, 932 f, 946, 948, 969, 1086, 1097 f, 1441 Wortlänge 922, 932, 934, 945 f, 948, 967, 1088 f, 1175, 1636 Wortschatz 24, 412, 448, 591, 619, 673, 762, 821, 857, 1061, 1069, 1157, 1160, 1163, 1199, 1208⫺11, 1214, 1226 f, 1242, 1257, 1266, 1333, 1388 f, 1394, 1401, 1416 f, 1420, 1424, 1470, 1485, 1492, 1494, 1503, 1530 Wortschrift 262, 275, 287, 1371, 1417, 1591, 1602 wortsilbische Schrift > logosyllabische Schrift Wortspiel 533, 680, 682 Wortstellung 1017, 1470, 1480, 1549 Wortstruktur 320, 1160, 1254, 1370, 1436, 1451, 1454 Worttrennung > scriptio discontinua Worttrennung am Zeilenende > Silbentrennung

Wortüberlegenheitseffekt 919, 921⫺4, 928, 932, 961 f, 1175, 1507 writing error > Schreibfehler writing material > Beschreibmaterial writing material > Schreibwerkzeug writing skill > Schreibfähigkeit writing speed > Schreibgeschwindigkeit writing system > Schriftsystem written language > geschriebene Sprache Wurzel 1434 f Wurzelsatz 1458 f, 1462, 1464

X Xi 1596 f Xibe-Schrift 855⫺7 Xylograph 1638

Y Yi-Schrift 856, 859 Yoruba 783 Ypsilon 179, 1596 f Yukatekisch 412

Z Zabur-Schrift 311, 344; > Altsüdarabisch Zahlenschreibung 49, 177, 257, 1374, 1411, 1456, 1571⫺6, 1636 Zahlensystem 257, 409, 1374, 1569, 1571⫺4, 1576, 1579 Zahlschrift 1572 f, 1576⫺8 Zählstein 50, 159, 257 f, 264⫺7, 269, 282, 432⫺4, 492 Zahlwort > Numerale Zahlzeichen 257, 273, 277⫺9, 282, 309, 319, 492, 763, 1413, 1421 f, 1512, 1571⫺7, 1585, 1596, 1617 Zapotekisch 405 f Zayse 819 Zeichenfolge 281, 285, 292, 504, 1635 Zeichenform 283, 286, 292 f, 295 f, 298, 301 f, 305, 334, 355, 371, 396, 445 f, 492, 693, 1213, 1410, 1413, 1417, 1474, 1627 Zeicheninventar 136, 263, 271⫺3, 276, 282 f, 289, 293, 298, 300, 330⫺2, 334 f, 344, 346, 366, 379, 408, 415,

Zeichenlexikon ⫺ Zyprisch > Kyprisch 511 f, 743, 1392, 1408⫺10, 1413, 1433, 1439, 1512, 1587, 1605 f, 1617, 1622, 1637 Zeichenlexikon 362, 365, 371⫺3, 378⫺80, 393 f, 1413 Zeichensatz 134, 137, 273, 450 Zeichenschrift 1467 Zeichensystem 114, 259, 266, 289, 344, 582, 678, 1142, 1144, 1213, 1369, 1390, 1622, 1626 Zeichnen 50, 53, 58, 60, 135, 141, 242, 986, 1073, 1145 f, 1163, 1182, 1242, 1244, 1301, 1605, Zeigfeld 21 f, 24, 118, 168 Zeile 23, 47, 49, 51 f, 54, 58, 63, 65, 72, 97, 123, 137, 139, 141, 172, 179, 184, 204, 206 f, 209, 213, 221, 223⫺6, 228, 230 f, 235, 239, 247, 249, 281, 292, 307, 335, 349, 358, 412, 476 f, 480, 507, 548 f, 664, 721, 734, 908, 920, 926, 942, 952, 987, 1039 f, 1044, 1063, 1065 f, 1068, 1142, 1144, 1146, 1171, 1219, 1227 f, 1280, 1321, 1391, 1410 f, 1420, 1423, 1440, 1464 f, 1501, 1508, 1597, 1599, 1602, 1605, 1609, 1611, 1617, 1619, 1623 Zeitschrift 14, 78 f, 94, 96⫺8, 100, 134 f, 141, 164, 224, 349, 446⫺9, 463, 584, 631 f,

683, 701, 837, 858, 867, 895 f, 1236, 1297, 1313 f, 1318⫺20, 1323, 1392, 1413 f, 1421, 1424, 1434, 1471, 1477, 1479, 1481, 1511, 1621 f Zeitung 47, 76, 78, 94, 96⫺8, 131, 134⫺7, 209, 244, 319, 328, 349, 373, 376, 378, 435, 446, 447⫺9, 463, 467, 520, 596, 632, 635, 684, 712, 733, 753, 756 f, 770, 782, 816 f, 822 f, 830, 835, 838 f, 841, 843 f, 849, 851, 858, 866⫺8, 873, 876, 887, 895, 1228, 1289, 1297, 1314, 1318, 1322⫺4, 1361, 1391, 1410, 1413 f, 1417, 1420, 1422, 1424, 1444, 1471, 1473, 1477, 1479, 1481, 1512, 1523 f, 1540, 1549, 1551, 1554 Zeitungsschrift 213 Zensur 8 f, 32, 87 f, 92⫺4, 96⫺100, 109, 113, 148, 392, 668, 822, 893⫺7, 1293 Zeremonialschrift 272 Zeta 177, 184 Zielsprache 1591 f, 1603 Zierschrift 130, 231, 245, 250, 321, 355, 359, 362, 413, 1596 Ziffer 49, 136, 138, 177, 279, 319, 676, 683, 1062, 1065 f, 1374, 1411, 1413, 1422 f, 1425, 1456 f, 1465, 1509, 1572⫺4, 1576, 1580, 1597,

1733 1602, 1611, 1615, 1617, 1623, 1630, 1634 Zirkumflex 733, 1448, 1450, 1596 f Zusammenfassung 94, 1020 f, 1321, 1391, 1520, 1531, 1540 f Zusammensetzung 277, 374, 664, 733, 841, 951, 958, 966, 1314, 1317, 1374, 1407, 1416, 1428, 1436, 1449, 1465, 1507, 1512 Zusatzsprache 555 Zusatzzeichen 175, 178 f, 273, 296, 299, 337, 529, 761, 807, 809, 815, 1300 Zweckschrift 54 Zwei-Wege-Theorie der Worterkennung 908, 938, 962, 965, 968, 1082, 1085 f, 1094 f, 1096, 1098, 1155, 1250, 1338, 1342 Zweilinienschema 174, 180, 182, 186, 191⫺5, 197, 231 Zweischriftigkeit 473, 743 f, 746 f, 750, 752 f, 756 f Zweisilbigkeit 285, 364, 374, 1279, 1453 f, 1470, 1473 Zweisprachigkeit 52, 279, 285 f, 443, 492, 495, 497, 520, 746 f, 754, 757, 1191⫺1203, 1214, 1589 Zweitsprache 1191, 1193, 1196⫺99, 1201⫺3, 1299 Zyprisch > Kyprisch

Namenverzeichnis / Index of names Die Namen werden in der im Deutschen üblichen Form gegeben, im Zweifel in der Form, wie sie im Artikel selbst geschrieben werden. In der Regel steht der Nachname voran. Adelsprädikate u.ä. werden dem Vornamen nachgestellt (z. B. Brücke, Ernst von) außer in Fällen, in denen sie mit dem Namen verwachsen sind (z. B. DeFrancis, John). In der alphabetischen Reihenfolge werden die deutschen Umlaute als Grundbuchstabe mit Diakritikon angesehen. Names are given in the German form; in doubtful cases the form presented in the handbook article is chosen. Generally, the family name comes first. Predicates like German von, French de etc. follow the first name (eg. Brücke, Ernst von) except in cases where they are incorporated in the familiy name (eg. DeFrancis, John). In the alphabetic order, German „Umlaut“ is treated as the basic character with a diacritic.

A Aaron, P. G. 1357, 1360, 1364 Abaelard, Peter 109 Abbott, Frank 202 Abbott, Nabia 316 Abbott, Valerie 1541 f Abdallah, Yusuf M. 312 Abdalmalik 314 f Abdur Rahim Khankhanan 535 Abe, Munemitsu 846, 849, 852 Abels, Kurt 1238 Abelson, Robert P. 973, 982, 1542 Abercrombie, David 119, 765 Abinneus, F. 188 Aboitiz, F. 1347 Abraham, Werner 6, 1402 Abu Rihan 1429 Abusch, Tzvı´ 499, 501 Ackermann, David 1073 Ackermann, John 1532, 1533 Acosta 112, 114 Adams, Marilyn J. 773, 777, 1096, 1100, 1103, 1109, 1111 f, 1114 Addis, Stephen 255 Adelard von Bath 566 Adelung, Johann Christoph 113, 688, 693⫺6, 766, 1546⫺50, 1557 Adiseshiah, Malcolm S. 782, 789 Adl-Amini, Bijan 1127 Adler, Jeremy 682 f, 685 Adolphs, Heike 1215 Adrion, Dieter 1254 f, 1258 Aebli, Hans 1122, 1127, 1182, 1188 Aelfric 559 Aemilius Paullus, Lucius 520

Aesop 1317, 1586 Affolter, Felice 1211, 1214 Aggarwal, Yash 465, 471 Agrawala, V. S. 453, 469 Agrell, Sigurd 679, 685 Agricola, Erhard 631, 1520, 1524 Agricola, Georgius 631 Ahlberg, Allan 1292, 1297 Ahmad Granj 815 Ahmad, Aijazuddin 471 Ahola, Hannele 1160, 1168, 1339, 1349 Ahrens, Hans-Joachim 1362, 1366 Aicher, Otl 213, 219⫺24, 226 Aischylos 229 Aitani, N. 1105, 1115 Aitchison, Jean 912, 916 Akinnaso, F. Niyi 593, 599, 601 Akiyama, M. 1104, 1115 Aklilu, Melaku 814⫺7, 823 Al Batal, Mahmoud 1307 f Al Biruni 1300, 1308, 1429 Al Hamdani 309, 311 Al Mamun 249 Al Samman, Tarif 341, 346 Al Suhda 530 Al Toma, Salih J. 1303, 1308 al-Hakim, Tawfiq 1489 Alanne, Eero 627 Alaqa Tayya 319 Alarcos Llorach, Emilio 83, 1396, 1400 f, 1437, 1441 Alaverdov, K. 807, 812 Alberti, Leon Battista 631, 1612 Albertus Magnus 59, 108 Albrecht, Jörn 595, 601, 603, 1391, 1396, 1401

Albright, William F. 298, 305, 331, 346, 422, 510, 1382, 1387 Albrow, Kenneth H. 1442⫺4 Alcott, D. 1114 Ale´gria, Jesus 1076, 1090, 1096, 1100, 1111, 1116, 1159, 1167 f, 1337, 1349 Aleman, Mateo 111 Alembert, Jean Le Rond de 1138, 1140 Alexander der Große 324 Alexander, J. J. G. 16 Alexander, R. P. 404, 1413, 1426 Alfons X. der Weise 1393 f Alford, Thomas Wildcat 704 Alfred der Große 558 Ali 311, 532, 534 Ali Harawi 532 Ali Maschhadi 532 Ali von Täbriz 532 Alihsjahbana, S. Takdir 765 Alisch, Alfred 1603 Alkimadas 14, 104 Alkuin 543 Allemann, Beda 659,1528, 1532 Allen, David 1286, 1297 Allen, James P. 477, 484, 489, 763 Allen, Robert B. 1073 Allen, W. S. 763, 765 Allport, Alan 941 Allworth, Eward 812 Alpers, Klaus 515, 1577 f, 1580, 1582 f Alsleben, Kurt 728, 737 Alsop, John 337, 346 Alster, Bendt 495, 501 Althaus, Hans Peter 83, 602, 722, 737, 1505, 1525 f

Altheim ⫺ Baker

1652 Altheim, Franz 306, 765 Althoff, Jochen 16 f, 647, 653 Altoma, Salih J. 1300 f, 1308 Alva, E. 1105, 1114 Ambrosius 72, 82, 106 Amda Seyon 814 Ameling, Walter 1638 Amenemhet I. 485⫺7 Amenemope 485 Amenophis I. 484 Ammon, Ulrich 737, 744, 752, 765 f, 1402 Ananthanarayana, H. S. 451, 469 Anaxagoras 10, 895 Anaximander 647 f Anchscheschonqi 477 Anders, Conrad 346 Andersch, Alfred 668 Andersch, Martin 1151 Anderson, John 972⫺4, 980, 1007, 1013, 1025, 1182, 1188, 1257 f, 1527, 1532 Anderson, R. C. 645, 795, 798, 878 Anderson, Richard 980, 982, 1541, 1543 Andersson, Theodore M. 562, 568, 1328 Andrae, Friedrich 1323, 1328 Andrea, Johannes 200 Andres, Franz 829, 1195, 1203 Andresen, Helga 986, 990, 1147, 1151, 1177 f, 1188, 1249 f, 1254, 1258 Andresen, Oivind 56, 64, 513, 515 Andrews, Carol 747, 765 Andrews, Sally 963, 969 Andringa, Els 1177 Andrzejewski, B. W. 747, 765 Angelergues, R. 1032, 1034 Angermaier, Michael 1335, 1346 Anis, Jacques 660, 669, 1400 f, 1530, 1532 Annamalai, E. 460, 469⫺71, 744 Ansari, Iqbal A. 458 f, 469 Ansion, Juan 834 Anson, Chris M. 1185, 1190 Antonsen, Elmer 202 Antos, Gerd 669, 989, 991, 1003, 1005, 1024⫺7, 1070, 1073, 1118, 1127 f, 1167, 1180, 1188⫺90, 1263, 1265, 1267, 1503, 1505, 1528⫺35 Aphthonius 1280 Apollinaire, Guilleaume 660 f Apollonios von Perge 515 Apollonios von Rhodos 515 Appius Claudius Caesar 184 Applebee, Arthur N. 1122, 1126 f, 1179, 1180, 1185 f, 1188

Applebee, R. K. 1287, 1298 Aqulilina, Joseph 765 Aragon, Louis 663 Arakawa, H. 145 Archer, David 787, 789 Archimedes 515, 629, 631 Ari Thorgilsson 562 Aristarch von Samos 515 Aristophanes von Byzanz 515 Aristoteles 2, 10, 14, 42 f, 103, 105, 107⫺9, 111, 120, 148, 260, 433, 514 f, 517 f, 566, 615, 629 f, 649⫺51, 653 f, 678, 1377, 1393 Arkel, Andrea van 1510, 1515 Armbruster, Bonnie 979 f, 1542 f Arndt, Erwin 693 f, 696 Arnold, D. 1568 Arnold, Heinz Ludwig 677 Arnold, Roland 732, 737 Arnold, Werner 101 f Arnove, Robert F. 787, 789, 802, 827, 831, 883 Arns, Evaristo 57, 64 Aronowitz, Stanley 644 Arp, Hans 684 Artemov, V. A. 807, 812 Arthur, S. A. 1085, 1093 Arvizu, Steven 429, 431 Asbach-Schnitker, Brigitte 112, 119 Aschoff, Eva 246 Asher, R. E. 737, 765 Asinius Pollio 520 Askov, Eunice 1028, 1034 Askov, Warren 1028, 1034 Asmuth, Bernhard 1280, 1282⫺5 Asoka Maurya 322 f, 1428 Asosis 485 Assal, G. 1086, 1090 Assmann, Aleida 2, 9, 14⫺7, 20, 31, 53⫺5, 64, 83, 104, 119 f, 297, 473, 477, 480, 484⫺6, 488 f, 491, 570, 573 f, 583, 585 f, 652 f, 669, 867, 871, 1491, 1494, 1506 Assmann, Jan 2, 9, 11, 14⫺7, 20, 30 f, 34, 37⫺41, 53⫺5, 64, 83, 104, 119 f, 297, 473, 477, 480, 484⫺6, 488 f, 491, 570, 573 f, 583, 585 f, 652 f, 669, 867, 871, 1491, 1494, 1506 Assunto, Rosario 237, 254 Assurbanipal 500 Atatürk, Kemal 673 Atkinson, Dwight 1496, 1498 Atsuji, Tetsuji 450 Atticus, Titus Pomponius 520 Attieh, Aman M. 1307 f Au, Kathryn H. 430 Aub, Max 1440 f Auer, Erltraud 678

Auer, Peter 117, 119, 1370, 1378 Auerbach, Elsa 772, 777 Auerbach, Erich 558, 560, 568, 1178 Augst, Gerhard 40 f, 728, 737 f, 991, 1011 f, 1025, 1101, 1151, 1161, 1167, 1179⫺85, 1187⫺9, 1209, 1214, 1249 f, 1254 f, 1258 f, 1267, 1326, 1328, 1375, 1378 f, 1450, 1453, 1455, 1467, 1503, 1505 f, 1528⫺33, 1608 Augustinus 72, 81 f, 106 f, 113 Augustus 231, 233, 520 f, 1508 Aulo Gellio 1609 Auroux, Sylvain 115, 119 Aust, Hugo 83, 1172, 1176⫺8, 1506 Austin, A. 1258, 1387 Austin, John L. 1516, 1521, 1524, 1527 Autenrieth, Johanne 203 Averroes 566 Avery, Oswald T. 11 Avi-Yonah, M. 1506⫺9, 1512 f Avicenna 566 Ax, Wolfram 105 f, 119 Axel, Erwin 1051 Aymro, Wondmagegnehu 817, 823 Azrael, Jeremy R. 812

B Bach, Heinrich 598, 601 Bach, Johann Sebastian 244 Bachman, R. 773, 777 Bachmann, Ingeborg 661 Back, Otto 81, 1297, 1603 Backman, J. E. 963, 969, 1350 Bacon, Francis 43, 68, 112, 656 Bacon, Robert 1610 f Baddeley, Alan D. 937, 939, 941, 1030, 1035, 1084, 1088, 1094, 1110, 1114, 1338, 1346 Bader, Eugen 14 f, 625, 1493 f Baer, Jörg R. 1219, 1223 Baghban, Marcia 1148, 1151 Bahmer, Lonnie 1126 f, 1279, 1285 Bahner, W. 1189, 1404, 1476 Baier, Herwig 1364 f Baier, Peter E. 1057, 1067 Bailey, Peter J. 907, 916 Baines, John 53, 64, 434 f, 481, 489 Baird, H. S. 131, 138, 145 Bakalla, M. H. 1308 Baker, Charlotte 1627 f Baker, Colin 1192, 1627 f Baker, Linda 979 f Baker, Robert G. 938, 942

Bakir ⫺ Benedikt Bakir, A. el M. 484, 487, 489 Balbus, Johannes 214 Baldauf, Ingeborg 747, 755, 757, 765 Balhorn, Heiko 892, 1127⫺9, 1151⫺3, 1165, 1167⫺9, 1223 f, 1230, 1241, 1246 f, 1251, 1254, 1258 f, 1349 Ball, E. W. 1346 Ball, Stephen J. 1244 Ballmer, Heinrich 1127 f Ballstaedt, Steffen-Peter 998, 1003, 1021, 1025, 1027, 1536, 1543 Bally, Charles 591, 601, 989, 1554 f, 1557 Balogh, Josef 83, 106, 119, 513, 515, 522 f, 590, 601, 1141 Balota, David R. 944, 947, 949⫺52, 954, 956 Balow, B. 1333, 1346 Balsamo, Luigi 219, 226 Baluch, Bahman 969, 1094, 1098, 1100 Balzac, Honore´ de 662 Balzert, Helmut 1068, 1073 Bamberg, Michael 765 f, 1267 Bamberger, Richard 1221, 1223 Bandera, Armando 828, 831 Bandle, Oskar 555, 563, 568, 572 Banniard, Michel 523, 568 Barfaut, Wilhelm 1247 Barguet, Paul 488 f Bärmann, Fritz 1142, 1146, 1150 f, 1246 f Barnard, Noel 450 Barner, Wilfried 1281 f, 1285 Barnes, M. A. 962, 971 Barnett-Mizrahi, Carol 1203 f Barnsley, Gillian 1191 Baron, Jonathan 927, 929, 938, 941, 961, 963, 969, 1076, 1078, 1090, 1094 Barr, Rebecca 881⫺3 Barrett, Edward 580, 585 Barron, R. 1078, 1090 Barry, C. 1090 f Barry, William 1505, 1591 Bartels, P. H. 1334, 1347 Bartha, Magdolna 1525 Barthelemy, Jean-Jacques 418 Barthes, Roland 659, 665, 670, 1237 f Bartholomae, David 640, 644 Bartlett, Brendan J. 980 Bartlett, Frederic 972, 979 f, 1536, 1543 Bartnicki, Andrzej 814⫺6, 823 Barton, David 772, 777, 882, 890, 892, 1187 f Bäse, Hans-Jürgen 1608 Basedow 1282

1653 Basili, A. G. 1086, 1091 Baskakov, Nikolaj A. 807, 811 f Bass, K. 1089 f Basse, Michael 1326, 1328 Basso, A. 1084, 1086, 1090 Basso, Keith 427, 430 Bastiani, P. de 1089, 1091, 1093 Bataille, Leon 661 f, 786 f, 890 Bates, Elizabeth 1177 Baudot, Marcel 155 Baudrillard, Jean 682, 685 Baudusch, Renate 737, 1451, 1455⫺7, 1466 Bauer, D. W. 963, 971 Bauer, Edith 1250, 1258 Bauer, Johann 1235, 1238 Bauer, Otakar 152 f, 156 Bauer, Thomas 1436, 1490 Baum, Richard 117, 119, 739, 744, 1391, 1399, 1402 Bauman, Richard 430 Baumann, Hans D. 226, 426, 1517, 1524 Baumann, Hans-Heinrich 226, 426, 1517, 1524 Baumgärtner, Alfred Clemens 83 f, 897, 1237 f, 1328 Baumgartner, G. 1215 Bäuml, Franz H. 83, 556, 561, 568 Baurenfeind, Michael 244, 254 Baurmann, Jürgen 41, 255, 670, 765 f, 871 f, 994, 1003, 1022, 1025, 1122 f, 1126 f, 1129, 1186⫺8, 1221, 1223, 1226, 1229, 1258 f, 1264, 1267, 1379, 1455, 1528, 1531 f, 1650 Bausani, Alessandro 672, 677 Bausch, Karl-Heinz 128, 634 Bautier, Robert-Henri 871 f Baxter, D. M. 1085⫺90 Bayer, Thomas 136, 145 Baysonghur 534 Baze´ries 1615 f Bazerman, Charles 644, 1498 Bazin, L. 747, 765 Beach, Richard 1003, 1024 f, 1093, 1402, 1629 Bear, Donald 268, 1162, 1166 f, 1169 Beard, Roger 1289, 1292, 1298 Beaufort, Francis 1616 Beaugrande, Robert-Alain de 590, 601, 1005, 1007⫺10, 1018, 1024 f, 1515⫺7, 1524, 1528⫺32, 1538, 1543 Beauvois, M.-F. 1085, 1090 Bec, Christian 60, 64 Beca, Carlos 831 Bech, Gunnar 1460, 1466 Becher, Johannes R. 896 Bechmann, Gotthard 1073

Beck, J. 897 Beck, L. B. 585, 604, 1161, 1169, 1267 Beck, Oswald 1284 f Beck, Rudolf Zacharias 872 Beck, Thomas Emil 818, 823 Beck, Ulrich 576 Becker, Dieter 1322, 1328 Becker, Karl Ferdinand 1250, 1548, 1550, 1557 Becker, Minna 1146, 1151 Becker, Ruth 1213 f, 1336, 1346, 1358, 1364, 1366 Becker, Thomas 1369, 1378, 1529, 1532, 1534 Becker, W. 954 Becker-Mrotzek, Michael 1188, 1529, 1531 f Becker-Soares, Magda 777, 828, 831 Beckmann, H. 1178, 1188 Beda Venerabilis 543 Bedier, Joseph 675 Beebe, V. N. 1198, 1204 Beech, J. R. 1034, 1091 Beeston, Alfred F. L. 311 f Beetz, Manfred 1528, 1532 Begemann, Ernst 1351, 1361, 1364 Behaghel, Otto 587, 601, 1400, 1402 Behne, Axel 149, 151⫺5, 158 Behrends, Okko 616, 618 f Behrens, Ulrike 245, 1451, 1455 Behrmann, M. 1089 f Beinlich, Alexander 83, 1230 f, 1238 Beinlich, Horst 489 Beisbart, Ortwin 1239, 1267, 1277 Beißner, Friedrich 659, 670 Beker, Henri 1616 Belkin, Vladimir M. 1490 Bell, Alexander Graham 577, 631, 1208, 1215 Bell, Alexander M. 1584, 1590 Bell, Daniel 585 Bell, Laura 1099 f Bellavic, Hanns 1046 f Bellemin-Noel, Jean 665, 670 Bellenger, Lionel 1493 f Bellert, Irina 1516, 1524 Bellmann, Günter 1308, 1506⫺9, 1513 Bellugi, U. 1109, 1115 Bembo, Pietro 110, 217, 226 Benda, Julius 73 Bender, Marvin L. 814 f, 823 f Bendor-Samuel, David H. 800, 802 Bendor-Samuel, Margaret M. 800, 802 Benedikt, Heinrich E. 679, 685, 1402

Benichou ⫺ Boetius

1654 Benichou, Jean-Pierre 798, 885, 891 Beniger, James 60, 62, 64 Benjamin, Carmen 599, 601 Benjamin, Walther 574, 585, 599, 601, 658, 662, 670, 679, 685 Benn, Gottfried 78, 1552 Bennet, Jo Anne 423 Bennet, John 15 Bennewitz, Ingrid 569 Benson, D. Frank 1032, 1034, 1108, 1114 Benson, James D. 1003 Benson, Ken 935, 941 Bentin, Shlomo 934, 941, 1095, 1097, 1100 Benton, A. L. 1116 Benveniste, E´mile 664 Bereiter, Carl 12, 17, 671, 992, 994 f, 1000, 1002⫺4, 1010⫺3, 1016, 1023⫺5, 1027, 1179⫺82, 1184⫺90, 1497 f, 1503, 1505, 1528, 1530⫺2 Berg, Christa 1152 Berg, Dieter 861, 871 Bergk, Marion 1220, 1222 f, 1248, 1250, 1258 Berkey, Jonathan 1306, 1308 Berlin, Brent 266, 268 Berlin, Heinrich 410, 415 Berliner, David 1220, 1224 Bernal, Martin 202, 337, 346, 415 Berndt, R. S. 1086, 1091 Bernhard von Chartres 1281 Bernhard, L. 138, 145 Bernhard, Michael 552 Bernhardi, August Ferdinand 116 Bernstein, Basil 591, 601, 644, 742 Bernstein, Nikolai 988, 991, 1029, 1034 Bernstein, S. 1337, 1349 Berruto, Gaetano 744 Berry, Jack 14, 15, 703, 707, 737 Berschin, Helmut 1437, 1439, 1441, 1491, 1494 Berschin, Walter 539, 542, 544, 551, 554, 1491, 1494 Bert, Eva-Maria 1223 Bertelson, Paul 1076, 1090, 1096, 1100, 1111, 1116, 1159, 1168, 1337, 1349 Berte´ra, J. 945, 950, 956 f Berthier, Ferdinand 1207, 1215 Berthold, Hermann 204, 211, 288, 423, 1222 Bertholet, Alfred 681, 685 Bertinetti, P. M. 1380 Berwick, R. 979 f

Besch, Werner 601⫺3, 627, 737, 739, 871 f, 1402 f Beschel, Gertrud 1146, 1151 Bese, Lajos 747, 765 Besner, Derek 916 f, 939, 941 f, 957, 963, 969⫺71, 1078, 1090, 1094, 1098, 1100, 1104, 1114 Besnier, Niko 427, 429⫺31, 700, 707 Best, Edward E. 520, 523 Best, Jan 272, 274, 287 Beth, Daniell 645 Beth, Thomas 1616 Bettelheim, Bruno 1220, 1223 Betten, Anne 23 f, 39, 1501, 1505 f, 1513 Betz, D. 1345 f Bevan, D. G. 670 Bevan, John 827, 831 Bever, Thomas G. 948, 956, 1018, 1026 Beverstock, Caroline 892 Beyer, Klaus 295 f, 505, 510 Beyer, Reinhard 1540, 1543 Beyer, Ursula 1328 Bhattacharya, S. S. 456, 458, 469 Bhola, Harbans S. 769, 777, 779, 785⫺7, 789, 797 f, 826 f, 831 Bhudeva Chandra Mukhopadhyay 1428 Bias, R. G. 40, 924 f, 931, 1103, 1116, 1365 Biber, Douglas 6, 15, 641, 644, 1496⫺9 Bichler, Jakob 1539, 1543 Biederman, I. 959, 969, 1104⫺6, 1114 Biedermann, Heiner 1069 f, 1073 Bieler, Dieter 136, 145 Bieler, Ludwig 200, 202, 553 Bienek, Horst 662, 670 Bieri, Peter 1170, 1177 Bierwisch, Manfred 171, 202, 1219, 1223, 1249 f, 1258, 1377 f Biggs, John R. 226 Biggs, Robert D. 494, 501, 503 Bilabel, Friedrich 1508, 1510, 1513 Bilinsky, Yaroslav 808, 812 Billanovich, Giuseppe 674, 677 Billington, M. J. 973, 982 Billmann, Michael 671 Binder, L. 1090, 1092 Binet, Alfred 988 Bing, Peter 515 Birnbaum, Salomon A. 755 f, 765 Birnkott-Rixius, Karin 1204 Birt, Theodor 54, 64 Bisanz, G. L. 1340, 1349 Bischoff, Bernhard 57 f, 64, 130, 202, 228, 254, 538 f, 541,

543 f, 546, 548, 550⫺2, 673, 677, 1508⫺10, 1512 f Bishop, D. 1334, 1346 Bissex, Glenda L. 936, 941, 1075, 1090 Bisticci, Vespasiano da 90 Biswas, Arun Kumar 469⫺71 Bizzell, Patricia 639, 644 Blachmann, B. A. 1346 Black, George 827, 831 Black, John B. 936, 941, 974, 980, 1073 f, 1541 f Black, L. T. 706 f Black, Max 688, 695 f Black, S. E. 1089 f Blakely, Robert 829, 831 Blanc, Michel H. A. 1198, 1202, 1204 Blanchard, H. E. 951, 954 Blanck, Horst 520, 523 Blank, Andreas 1494 Blanken, Gerhard 930, 1168, 1250, 1258, 1349 f, 1531 f Blänsdorf, Jürgen 518, 523 Blau, Joshua 1484, 1490 Blegen, C. W. 420 Bleich, D. 774, 777 Bleidick, Ulrich 1352, 1364 f Bless, Gerard 1362, 1365 Blickle, Peter 865, 871 Bloch, Ernst 427, 896 Bloomfield, Leonard 118, 259, 263, 739, 741, 744, 1399, 1402 Bloomfield, R. 946, 957 Blount, Ben G. 610 Blühdorn, Hardarik 1504 f Blum, Rudolf 515, 1578, 1582 Blumenberg, Hans 10⫺1, 15, 83, 1170, 1177 Blumenstock, Leonhard 1241 f, 1246 f Blumenthal, Peter 486 f, 489, 1493 f Blüml, Karl 728, 734, 737 Bluth, G. J. 972, 979, 982 Bobor, James F. 789 Bobrow, Daniel 982, 1535, 1544 Boccaccio, Giovanni 200, 567, 676, 895 Bochenski, Joseph M. 651 f Bock, Friedrich 110, 149, 151, 155 Bock, Michael 695 f, 1536, 1539 f, 1543 Boder, E. M. 1332, 1347 Bodoni, Giambattista 219, 225 Boeder, Winfried 1507, 1510, 1513 Boehm, Laetitia 861, 871 Boehncke, Heiner 1151, 1327 f Boethius 73, 105, 107 f Boetius, Henning 675, 677

Boettcher ⫺ Bruggen Boettcher, Wolfgang 1262, 1267 Bogatyrev, Petr 8, 15 Bogdan, Deanne 274, 1294, 1298 Boge, Herbert 27, 39, 1604, 1608 Boggs, Stephen 427, 430 Böhle, Knud 170, 584 f Böhm, Dorothea 1361 Böhm, Otto 1353, 1355 f, 1359, 1361⫺4 Bohn, Volker 1152 Bokarev, Alexander K. 812 Bolinger, Dwight D. 118 Böll, Heinrich 662, 668, 896 Bölling, Rainer 870 f Bollnow, Otto F. 1223 Bolozky, S. 950, 956 Boltz, William G. 256, 263, 1384, 1387, 1404, 1412 Bompiani, Valentino 9 Bonet, Juan Pablo 1207, 1215, 1624, 1626, 1628 Bonfante, Larissa 337, 346 Bonifatius 541 Bonioli, M. 763, 765 Bonk, Curtis J. 1179, 1185, 1189 Boomershine, Thomas E. 606, 610 Booms, Hans 155 Bordia, Anil 786, 789, 831, 854 Bordier, Henri 155 Börge, Vagn A. 737 Borger, Rykle 283, 287 Borghouts, J. F. 485, 489 Boring, Terrence A. 513, 515 Bormann, Karl 1258 Born, Lothar 838, 1339, 1347, 1361, 1364 f Börne, Ludwig 895 Börner, H. 887, 890 Börner, Wolfgang 1020, 1025, 1437, 1441, 1528, 1532 Borsche, Tilman 104, 119 Borst, Arno 630, 634, 754, 765 Bortz, Jürgen 993, 996, 1003 Bos, C. S. 1110, 1114 Bosch, Bernhard 1147, 1151, 1218, 1221, 1223, 1241, 1247, 1336, 1344, 1347 Bosch, Karel van den 1160, 1169, 1350 Boscolo, Pietro 1025 f, 1071, 1073, 1189 Böseke, Harry 1325 Bosse, Heinrich 1285 Bossert, Helmuth 419 Bossong, Georg 591, 601 Botstein, Leon 881 Botta, E. 275 Boueke, Dietrich 670, 765 f, 1025, 1127, 1232⫺4, 1238, 1267 f, 1284 f Bouhuis, D. 917 Bouma, Hermann 917, 930, 942, 955, 1114, 1318, 1347

1655 Bourdieu, Pierre 644, 660 Boussard, Jacques 199 f, 202 Bove, T. 136, 145 Bowen, Harold 1302, 1308 Bowen, J. Donald 814⫺8, 820, 823 f Bower, Gordon H. 936, 941, 972, 974, 980 Bower, T. G. R. 1212, 1215 Bown, Lalage 786, 788 f Boyer, Re´gis 554, 569 Boyes Braem, Penny 1626, 1628 Boyle, Leonard E. 202, 631 Boyle, Robert 656 f Bozzolo, Carla 1507 f, 1513 Bracewell, Robert J. 993, 997, 1004, 1182, 1189 Bradley, Diane C. 966, 971 Bradley, L. 966, 971, 1075⫺9, 1091 f, 1336, 1344, 1347 f Brady, Susan A. 1109⫺11, 1114, 1337, 1347 Brahmagupta 10 Braille, Louis 1617, 1619, 1622 Bramanti, Kathleen L. 1511⫺3 Brandenstein, Altheim, 763, 765 Brandt, D. M. 972, 979, 982 Brandt, Deborah 643 f Brandt, Gisela 693 f, 696 Brandt, Margareta 1522, 1524 Brandt, Volkmar 1046 f Braque, Georges 683 Brasch, T. 897 Bratt-Paulston, Christina 1196, 1203 Bräuer, Helmut 155 Braun, Peter 897, 1227, 1229 Braunmüller, Kurt 1517, 1525 Brecht, Bert 78, 671, 896 Brechtel, Christoph Fabius 244 Bredenkamp, Jürgen 1540, 1543 Brednich, Wolf Wilhelm 867, 871 Breil, Maria 1049, 1055 Brekle, Herbert E. 111, 119, 171⫺3, 175, 202, 204, 206, 217, 223, 226 f Bremer, Ernst 245, 863, 865, 871, 1229 f, 1236⫺8, 1276 Bremerich-Vos, Albert 1240 Brenneke, Adolf 146 f, 154 f Brenner, Gerd 670, 1319, 1323 f, 1326, 1328 Bresslau, Harry 149, 154, 156, 542, 552 Breton, A. 247, 660, 667 Breu, Josef 571, 1592, 1603 Breuer, Dieter 101, 867, 871, 896 f, 1548, 1557 Breuer, E. 1347 Breuer, Helmut 1217, 1223 Breuleux, Alain 997, 1000, 1003 f Breuninger, Helga 1345 f

Brewer, Derek, 559, 568 f Brewer, William 973, 980 Breznev, Leonid 811 Brice, William C. 272, 274 Brichford, Maynard 153, 156 Bricker, Victoria R. 412, 415 Bridwell, Lillian S. 1003, 1024 f Briesemeister, Dietrich 1393, 1402 Bright, William 322, 326, 328 Briihl, D. 952, 955 Brincken, Anna-Dorothea van den 1579 f, 1582 Brinker, Klaus 1265 f, 1515⫺27, 1530, 1532 Brinkmann, Erika 1163, 1167, 1253, 1258 Brinkmann, Henning 36, 39 Briquel, Dominique 517, 523 Briquet, Charles-Moise 130 Britto, Francis 739 f, 742, 744 Britton, Bruce 974, 980 Britton, James 992, 1003, 1015, 1025, 1179 f, 1185⫺7, 1189, 1286, 1295, 1298 Brodkey, Linda 640, 644 Broeck, J. van den 738 Broek, Paul van den 1544 Broesterhuizen, Marcel 1211, 1215 Bromiley, Geoffrey W. 423 Bron, M. 770, 777 Brosses, Charles de 115 Browman, Catherine 907, 916 Brown, Ann L. 976, 979 f, 1161, 1167, 1354, 1358, 1364 Brown, John 980 Brown, Schuyler 1443, 1510, 1513 Brown, William A. 843, 852 Brownell, Hiram 1004 Browning, Robert 741, 744 Bruce, Bertram 980 Bruce, D. 1076, 1091 Bruck, Margaret 963, 969, 971, 1080⫺2, 1091, 1094, 1198, 1203 f, 1331, 1350 Brücke, Ernst von 904, 916, 1584, 1590 Brückl, Hans 1240, 1244, 1247 Bruckner, Albert 150 f, 156, 550, 552 Brückner, Wolfgang 867, 871 Brugaillere, B. 945, 956 Brügelmann, Hans 892, 1127⫺9, 1142, 1148⫺54, 1156, 1163 f, 1167⫺9, 1215, 1217, 1222⫺4, 1230, 1241, 1246 f, 1254, 1258 f, 1332, 1342 f, 1346 f, 1349 f, 1355, 1363⫺5 Brüggemann, Theodor 1238 Bruggen, J. A. van 990 f

Bruner ⫺ Catach

1656 Bruner, Jerome S. 4, 15, 774, 777, 983, 985 f, 991, 1181 f, 1185, 1189, 1255, 1258 Brunet, A. 1280, 1285 Brunfels 110 Brunhölzl, Franz 541, 552 Brunner, Hellmut 480, 482, 485, 487, 489, 515 Brunner, Karl 558 f, 568 Brunner-Traut, Emma 487, 489 Bruns, Gerald 36, 39 Brunschwig, Hieronymus 631 Bruyn, G. W. 1114 Bryan, Tanis 1357, 1364 Bryant, Peter E. 937, 941, 1075⫺9, 1081, 1091 f, 1157, 1160, 1167, 1329, 1336, 1343, 1347 Bryson, A. G. 842, 852 Bub, D. 1085⫺7, 1091 Buba, Eike-Manfred 583, 586 Buben, Vladimir 1396, 1400, 1402 Buchholz, Hans-Günther 273 f, 697 Buchmann, Wolf 155 f Büchner, Arthur 671, 1513 Büchner, Georg 1552 Buck, Pearl 48, 841, 852 Buckalt, Joseph A. 1357, 1367 Buddha, Siddharta Gautama 374, 451 Buder, Marianne 159, 167, 170, 585 Buffon, George Louis Leclerc de 1547, 1549, 1557 Bühler, Georg 324, 328, 1432 Bühler, Karl 4, 6, 15, 118, 588, 591, 601, 972, 980, 986, 990 f, 1012, 1186, 1390, 1402 f, 1432, 1523, 1525 Bühler-Biederberger, D. 1364 Buhtz, Gerhard 1043, 1045, 1047 Bukele, Momolu Duwalu 432 f, 719 Bulwer, John 1625 Bumke, Joachim 83, 556, 561 f, 570 Bunke, H. 145 Bünning, Gertrud 1221, 1223, 1328 Buntaishi, Gengoseikatsushi 1483 Buntaishi, I. 1483 Buonmattei, Benedetto 111 Burdach, Konrad 1271 Bürger, Christa 56, 61, 75, 83, 101, 155, 170, 239 f, 249, 617, 823, 864, 880, 886, 1236⫺8 Burger, Heinz Otto 1274 Burgert, Hans-Joachim 248, 254

Burgert, Martin 1539, 1543 Burgess, Tony 992, 1003, 1189 Burke, C. 1114 Burke, Deborah M. 938, 940⫺2 Burke, Gerald 890 Burkert, Walter 55, 64, 106, 119, 511 f, 515 Burkhard, Günter 738, 1455, 1557 f Burkhardt, Armin 590, 601 Burkhart, Walter 502 Burnett, Andrew 519, 523 Burns, Alfred 670 Burris, Nancy A. 1144, 1147 f, 1153 Bury, Richard de 75 Busby, Keith 568 Buscha, Joachim 1518, 1525 Busemann, Adolf 1356, 1364 Busse, Wilhelm G. 447, 558, 568 Busse, Winfried 119 f Buswell, G. 926, 929 Bütow, Wilfried 1236, 1238 Butt, John 599, 601 Butt, Matthias 696, 1373, 1378 Butterworth, Brian 936, 941, 1527, 1532 Buttet, J. 1086, 1090 Bybee, Joan L. 1369, 1378 Byng, S. 962, 970, 1329, 1347 Byrne, Brian 938, 941

C Caecus, A. C. 184 Caedmon 558 Cahn, Walter 539, 552 Ca´i Yong 360 Cai Yuanpei 845 Cairns, John C. 800, 802, 828, 831 Calamai, Peter 873, 881 Caldwell, R. 741, 744 Calkins, Lucy 1296, 1298 Callery, J. M. 365, 381 Calvanio, R. 1092 Calvet, Louis-Jean 1508, 1513 Camara, Sory 34, 39 Camassa, Giorgio 516 Cambiano, Giuseppe 516 Caminos, Ricardo 487, 489 Campbell, Lyle 408, 415, 600, 603 Campbell, Ruth 936, 941, 1080, 1082, 1085, 1091 Campe, J. H. 1141 Campione, Jospeh C. 1354, 1358, 1364 Campos Carr, Irene 829, 831 Campos, Sueli 828 f, 831 Camus, Albert 248 Canale, Michael 772, 777

Cancik, Hubert 508, 510, 513, 515 Canfora, Luciano 56, 64, 87 f, 101, 513, 515, 519 f, 523 Cang Jie 351 Cannon, Garland 1509, 1511, 1513 Cantineau, Jean 303, 305 Cantor, J. H. 1077, 1092 Cantwell, A. 1337, 1347 Caramazza, Alfonso 936, 941, 1082, 1085 f, 1088 f, 1091⫺3 Card, Stuart K. 1073 Cardano, Geronimo 1207 Cardenal, Fernando 827, 831 Cardini, Franco 567, 568 Carello, Claudia 964 f, 970, 1098⫺100 Carey, L. 1026 Carey, P. 948, 956 Carlo, Augustin M. 202 Carlson, M. 949, 956 Carney, Edward 1443, 1444 Carossa, Hans 1273 Carpenter, Patricia A. 938, 941, 944⫺8, 953⫺5, 974, 980⫺2, 1026 f, 1348 Carpenter, Rhys 647, 652, 696 Carpenter, Tracy 890 Carr, Robert 134, 145 Carr, Thomas H. 965, 969 Carron, Gabriel 786, 789, 831, 854 Carruthers, Mary 108, 119 Carter, B. 1076, 1092 Carter, Michael 1179 f, 1189 Carter, Ronald 1289, 1298 Cartledge, Paul 513, 516 Carucci, Paola 151, 156 Carus, Karl-Gustav 1051, 1055 Carvilius, Sp. 519 Cary, Luz 1096, 1100, 1116, 1159, 1168, 1337, 1349 Casamassima, Emanuele 226, 550, 552 Casanova, Eugenio 149, 153, 156 Casey, R. G. 146 Cassidy, Jack 881 Cassiodor 235, 537 Cassirer, Ernst 6, 15 Castell, Suzanne de 430, 636, 638, 880 f, 1025 Castellan, N. J. 917, 970, 1115 Castellani, Arrigo 677 Casterline, Dorothy 1628 f Castiello, Umberto 1032, 1035 Castiglione, Baldassare 1493 Castorp, Hans 1274 Castrup, Karl Heinz 1148, 1151 Catach, Nina 8, 15, 119, 171, 202, 670, 733, 737, 1376, 1400, 1402, 1446⫺50

Cataldo ⫺ Conquergood Cataldo, S. 1079, 1091 Catich, Edward M. 186, 202 Cato, V. 1292, 1297 f Cattaneo, Claudia 1146, 1151 Cattell, James McK. 918 f, 921, 929, 961, 969, 1175, 1177 Catts, Hugh 1337, 1346 f, 1349 Cavalli, Alessandro 583, 586 Cavallo, Guglielmo 519, 523 Cavigneaux, Antoine 275, 281, 287, 492, 499, 501 Cayley, George 631 Cazden, Courtney B. 430, 639, 643 f Cazden, John 426 Cazelles, H. 422 Ceci, Stephen 1365 f Ceiller, Remi 1616 Celan, Paul 659, 671, 1235 Celine, Louis Ferdinand 1494 Cencetti, Giorgio 148, 156, 202 Cermak, L. S. 974, 980 Cerquiglini, Bernard 658, 670 Cerulli, Enrico 814, 823 Chadwick, John 274, 420, 423, 511 Chafe, Wallace L. 587, 589, 593, 601, 605, 610, 975, 977, 980, 998, 1003, 1017 f, 1025, 1496⫺8, 1503⫺5, 1528, 1530, 1533 Chall, Jeanne 881 Chamberlain, Basic Hall 1274, 1416, 1426 Chamberlain, Houston Stewart 1274 Chamoiseau, Patrick 1494 Champollion, Jean Franc¸ois 290, 418 Chang, Howard S. 836⫺8, 852 Chang, J. M. 1103, 1110⫺2, 1114 f Chang, Shao-wei 1117 Chao, Chen Ren 1589 Chao, Yuen Ren 235, 375, 486, 855, 1382, 1384, 1387, 1475 f, 1556, 1589 Chapman, L. John 881 Chargaff, Erwin 11 Charpin, Dominique 495, 498, 501 Chartier, Roger 65, 83 f, 113, 119 Chassant, Alph 1511, 1513 Chatterjee, Sipra 460, 469 Chatterji, Suniti Kumar 451, 453⫺5, 469 Chaubet, Daniel 153, 156 Chaucer, Geoffrey 559, 568 Chaudhuri, Bhudeb 455, 459, 469 Chaudhuri, Nirad C. 455, 458 f, 469

1657 Chedru, F. 1083 f, 1091 Chen, Carol 843, 847, 852, 855 Chen, H. C. 1117 Chen, M. J. 1117, 1412 Chen, Sing-ren 1206, 1216 Cheng, L. L. 1110, 1114, 1115 Cheng, Miao 355 f Cheng, Ying 1473, 1476 Cheng-si, Zheng 902 Cherry, Roger D. 993, 1003 Chervel, Andre´ 1395, 1402 Cheti 485, 487 Chi, M. F. H. 734, 855, 1022, 1025, 1596, 1597 Chiera, Edward 51, 64 Chino, Eiichi 403, 1427 Chiroque, Sigfredo 832 Chiss, Jean-Louis 1401, 1528, 1533 Chlebowska, Krystyna 788 f Chomsky, Carol 981, 1011, 1079, 1091, 1147, 1178, 1189 Chomsky, Noam 1288, 1298, 1370, 1377, 1378, 1442, 1445, 1527, 1533 Chotlos, J. W. 1189 Chourin, Michel 891 Chre´tien de Troyes 556, 564, 1492 Christ, Karl 544, 552 Christie, James F. 1142, 1150, 1151 f Christin, A.-M. 670 Christmann, Hans Helmut 563, 568 Christmann, Ursula 1531, 1533 f, 1536 f, 1540⫺5 Chroust, Anton 550, 552 Chu Si-kyong 399 Chu Tu’nan 847 Chu, Don-Chean 399, 404, 450, 840, 852 Chuang, Chai H. 836, 837, 842, 852 Chunqiu 1411 Cicero, Marcus Tullius 14, 27, 106, 125 f, 148, 211, 212, 213, 520, 521, 593, 1268, 1279, 1285 Cifuentes Navarro, Hector Eliu 832 Cio, L. D. 842, 852 Cioranescu, E´mile 8 Cipolla, Carlo M. 638, 878 f, 881 Civil, Miguel 494, 496 f, 501 Cixous, He´le`ne 644 Clairmont, Heinrich 40 Clanchy, Michael T. 12, 15, 58⫺60, 64, 108, 119, 555, 559, 568, 876, 881 Clark, Anne B. 848, 853 Clark, Herbert H. 932, 941

Clarysse, Willy 295 f Classen, Peter 540, 552, 612, 618, 693, 1134 Claußen, W. H. 1215 Clay, Marie M. 501, 773, 777, 1143, 1151 Clemen, Otto 1141 Clements, Paul 998, 1003 Clews, S. 946, 957 Clifton, Charles 949, 955 Clyne, Michael 1532 f Cobarrubias, Juan 602 Cobden-Sanderson, Thomas James 244 Coe, Michael D. 409, 415, 1381, 1386 f Coe, R. M. 1005, 1025 Coellen, Ludwig 202 Cohen, Andrew D. 1199, 1202 f Cohen, Keith 645 Cohen, Leslie 1215 Cohen, Marcel 119, 259, 263, 747, 765 Cohen, Paula 645 Cokely, Dennis R. 1628 Cole, Michael 13 f, 17, 426, 431, 433, 436, 719 f, 831, 834, 1181, 1185, 1191, 1535 Cole, Peter 1499 Coleman, Janet 559, 568 Coleridge 665 Coles, Townsend 789 Colley, A. M. 1034, 1091 Collier, G. A. 436 Collinge, N. E. 1445 Collins, Allan 976, 980, 982, 1535, 1541, 1543 Collins, Karen W. 1544 Collins, R. G. 568 Colom, Isaac de 1547, 1557 Colpe, Carsten 488 f Coltheart, Max 908, 916, 928 f, 931, 936, 941 f, 954⫺7, 960, 962 f, 968⫺71, 1085, 1091⫺5, 1100, 1104, 1114, 1116, 1154 f, 1167, 1169, 1329, 1338, 1347 Coltheart, Veronika 1100 Columnis, Guido de 674 Comenius, Johann Amos 112 Compton, Boyd 843, 852 Comrie, Bernard 596, 600 f, 812 Conacher, J. R. H. 815, 823 Condillac, Etienne B. de 114 f Condorcet, Antoine 114, 116 Conger, John Janewy 1216 Conklin, Harold C. 700, 707 Conklin, Jeff 580, 586 Conners, F. 1334, 1349 Connor, Ulla M. 508, 510, 1497, 1499, 1505 Conon de Bethune 1492 Conquergood, Dwight 556, 558, 568, 571

Conrad ⫺ Delgado-Gaitan

1658 Conrad, J. 1273 Conrad, R. 1205, 1215 Conrad, Wolfgang 1048, 1067 Conrady, Peter 1220, 1223, 1230 Contat, Michel 670 Conte, Marie-Elisabeth 1516, 1525 Content, A. 1076, 1090, 1349 Contini, Gianfranco 675 Cook, Linda 972, 980 Cook, Michael 156 Cook-Gumpertz, Jenny 427, 430, 639, 641, 645 Coombs, Philip H. 795, 797 f, 832 Cooper, C. 992, 999, 1003 Cooper, Charles R. 992, 999, 1003 f, 1499 Cooper, Franklin 917 Cooper, Jerrold S. 494, 497, 501 Cooper, Robert L. 824 Cooper, William E. 905 f, 916 Copeland, Lorraine 264, 268 Coq, Dominique 1507, 1513 Corcoran, Bill 1294, 1298 Corcoran, William 1293, 1298 Corneille, Pierre 1231 Correa 111 Corsten, Severin 101 Coseriu, Eugenio 589, 592, 594, 601, 1131, 1141, 1258, 1393, 1402 Cosky, M. J. 970, 1103, 1115 Cossu, Guiseppe 1096, 1100 Costadau 113 Costamagna, Giorgio 1616 Costello, Patrick 787, 789 Cotton, B. 1109, 1117 Coueignoux, Philippe 194, 202 Cough, P. 1092 Coulmas, Florian 25, 37, 39, 119, 170 f, 202 f, 262⫺4, 346 f, 423, 451, 453 f, 467, 469, 580, 586, 703, 707 f, 741, 743⫺7, 752, 754, 765, 770 f, 773, 777, 1177, 1190, 1218, 1224, 1371⫺3, 1378⫺80, 1387, 1416, 1426, 1435 f, 1528, 1530, 1533, 1581 f Courtenay, B. de 118, 381 Courtivon, Isabelle de 644 Coutinho, Ana Marı´a 828, 832 Couturat, L. 103, 112, 119 Couture, Barbara 997, 1003 Cowan, Ronayne J. 1199, 1203 Cowie, Helen 1185, 1189⫺91 Cowley, E. A. 420 Cox, Beverly E. 1496, 1499 Cox, Brian 1289, 1293, 1298 Cox, John 166, 170 Coy, Wolfgang 63 f, 580, 586, 1069, 1073

Craik, Fergus 974, 980, 1537, 1542 f Crain, Stephen 1109 f, 1116 Cramer, Barbara B. 570, 1159, 1168, 1336, 1347, 1350 Crary, Michael A. 1032, 1034 Creamer, Thomas B. 835, 838, 848, 852, 855 Creel, Heerlee G. 260, 1384, 1387 Cressy, David 876, 881 Cristofani, Mauro 518, 523 f Critchley, M. 1333, 1347 Croneberg, Carl G. 1628 f Cronnell, B. 960, 971 Cross, Frank M. 301, 303, 305 Crossland, J. 1077, 1091 Crothers, Edward 975, 980 Crous, Ernst 1510, 1513 Crowhurst, Michael 1182, 1189, 1496, 1499 Crowley, Aleister 680, 685 Crowley, Ellen 1509, 1513 Cubelli, R. 1088, 1091 Cueva, Luis 834 Cugusi, Paolo 520, 523 Cui, Lili 850, 852 Culioli, Antoine 670, 1528, 1533 Cummings, Jeffrey 1032, 1034 Cummins, Jim 771, 777, 1196 f, 1203, 1205 Cunha da Costa, Roberto Mario 828, 832 Cunningham, Anne E. 1159, 1168, 1336, 1350 Curry, T. 974, 980 Curschmann, Michael 555, 560 f, 568, 571 Curtius, Mechthild 1528, 1533 Cussianovich, Alejandro 832 Cutler, Anne 932, 941 Cvetkova, Ljubov 1225, 1230 Cynewulf 559 Czucka, Eckehard 872

D Dacus, Johannes 108 Dahl, Svend 101 Dahrendorf, Malte 1235⫺8 Daiches, David 571 Dain, Alphonse 675, 677 Dair, Carlo 226 Daiute, Colette 1016, 1025 Dalby, David 708, 718, 720 Dale, I. R. H. 605, 610, 743 f, 1308 Dalgarno, George 112 f, 1207, 1215, 1625 f, 1628 Dallapiazza, Michael 569 Daly, Lloyd 1578 f, 1582

Damerow, Peter 19, 41, 51, 65, 257, 263 f, 279, 286⫺8, 433, 436 Damme, D. van 770, 777 Daneman, Meredith 938, 941, 948, 954 Dani, Ahmad Hasan 322 f, 328, 453, 469, 1432 Daniel, Harvey 645 Daniell, Beth 643, 645 Danks, Josef H. 1531, 1533 Dansereau, Donald F. 1541, 1543 f Dante Alighieri 77, 677, 739, 1129⫺32, 1141, 1393 Danzel, Theodor 984, 991 Darius I. 483, 741 Dark, Veronica J. 935, 941 Darnton, Robert 8, 15, 119 Darroch, Eleonor 843, 852 Daswani, Chander J. 455, 458⫺60, 468 f, 471 Daubert, Hannelore 1539, 1543 Daumenlang, K. 1247 Dausendschön-Gay, Ulrich 1530, 1533 Dave, Ravindra H, 832, 883, 890 Davelaar, Elaine 963, 970, 1114 David 507, 509, 609, 820 David, Madeleine 103, 112, 119, 423 Davidson, B. J. 945, 955 Davidson, Cathy N. 881 Davies, W. V. 329, 346 Davis, Ethel L. 843, 852 Davis, Frederick B. 1203, 1537, 1543 Davis, Whitney 476, 490 Davydov, Wassili W. 1255 f, 1258 Davys 1614, 1615 Dearborn, W. F. 920, 929 Dechert, Hans 1528, 1533 Defoe, Daniel 1626 DeFrancis, John 226, 258⫺60, 262 f, 698, 703, 707 f, 710, 720, 743 f, 747, 753, 765, 847, 849, 852, 1101, 1103, 1114, 1384 f, 1387, 1405, 1407⫺9, 1412, 1476 Dehn, Mechthild 887, 890, 1142⫺4, 1147⫺51, 1153, 1217, 1219, 1222, 1224, 1240 f, 1246 f, 1250, 1258 Deimel, Anton 283, 287 Deitigsmann, Otto 1046 f Dekkers, E. 56, 64 Delaney, S. M. 1099 f Delattre, Pierre 905, 917 Delaunay, Albert 1607 Delbouille, Maurice 1492, 1494 Delgado-Gaitan, Concha 426, 430

Delic ⫺ Dupont-Sommer Delic, Dragica 1205 Delisle, Le´opold 550, 552 Delitsch, Hermann 195, 203 Della Porta, G. B. 1612, 1616 Dellarosa, D. 977, 980 Dellow, Donald A. 1073 Delmas, Bruno 154⫺6 Delpech, Catherine 1495 Deltheil, W. 1616 Demandt, Alexander 522 f Demetrio, Duccio 891 Demetrios von Phaleron 515 Demosthenes 1280 Dempf, Alois 549, 552 DenBuurman, R. 950, 954 Dencker, Klaus-Peter 682, 685 Denckla, M. B. 1334, 1337, 1347 Deng Hsiao-ping 450 Deng Zhongxia 843 Dengel, Andreas 138, 140, 145 Denhiere, Guy 1003 f Derbolav, Josef 104, 119, 649, 652 Derchain, Philippe 484, 490 Derolez, Albert 544, 552 Derolez, Rene´ 203 Derouesne´, J. 1085, 1090 Derrida, Jacques 104, 114⫺6, 119, 121, 600 f, 650⫺2, 660, 670, 678, 685 Desberg, P. 1080, 1092, 1155, 1168, 1348 Desbordes, Franc¸oise 518, 523, 1391, 1402, 1579, 1582 Descartes, Rene´ 10, 66, 68, 82, 650, 1491, 1493 Deseriev, Junus D. 812 f Deshpande, M. M. 742, 744 Despois, Henri 902 Destrez, Jean 548, 552 De´tienne, Marcel 64, 513, 516 Dewdney, S. 432, 435 Dewey, John 840, 853 Deyermond, Alan 565 f, 569, 603 Dhorme´, P. 420, 422 Diakonoff, Igor M. 266, 268, 275, 287 Diaz, Rafael M. 1196, 1204 Diaz, Stephen 427, 431 Dibble, Charles E. 413, 415 Didot, Firmin 211, 219, 225 Diem, Werner 316, 757, 765, 1300, 1308, 1434, 1436, 1484, 1486⫺90 Diesterweg, Friedrich A. W. 1232, 1238, 1271 Dietlein, Hermann Rudolf 1243, 1247 Dietrich, Manfried 286 f, 299 f, 305 Dietz, Adolf 287, 501 f, 872, 902 Dihle, Albrecht 519, 523 Dijk, Jan van 1208, 1215

1659 Dijk, Johannes J. A. van der 275, 288, 495, 497 f, 501 f Dijk, Teun van 772, 972, 975 f, 978, 981 f, 998 f, 1004, 1018, 1020 f, 1026 f, 1104, 1115, 1179, 1185, 1187, 1191, 1208, 1215, 1497, 1499, 1503, 1505, 1516, 1518, 1520 f, 1525, 1528, 1530, 1533, 1540, 1543, 1545 Dil, Afia 742, 744, 1387 Dilke, O. A. 523 Diller, A. L. 1116 Dillmann, August 319, 321 Dillon, R. F. 1027 Dilthey, Wilhelm 146, 156, 1233, 1238, 1270, 1283 Dimock, Edward C. 469, 470 Ding Fuzhi 356 Ding Shanzhi 356 Ding, B. Q. 1111, 1116 Diodorus Siculus 43, 488 Diogenes von Babylon 106 Diokletian 149 Dionysos Thrax 106, 230, 255, 515 Dionysos von Halikarnass 106 Diophant 10, 1576 Dioskorides 629 Diringer, David 119, 203, 256, 263, 423, 707 f, 720, 744, 747, 765, 1381, 1387, 1429, 1433 Disch, Robert 83 Dittmann, Jürgen 927, 930, 1168, 1349, 1350, 1531 f Dittmar, Norbert 737, 744, 1402 Dittrich, W. 101 Dixon, John 1287, 1298 Djung, Lu-Dzai 836 f, 852 Döbert-Nauert, Marion 887, 891 Doblhofer, Ernst 423 Döblin, Alfred 1273 Dobson, W. A. C H. 1476 Doderer, Klaus 1220, 1224, 1236 Dodge, Raymond 918⫺22, 924 f, 928⫺30 Dodwell, Peter C. 1212, 1215 Doede, Werner 241 f, 244, 247, 254 Dolch, Josef 1127 Dold, Alban 64, 130 Dombey, Henrietta 1297 f Domergue 114, 1397 Domhardt, Yvonne 3, 15 Domin, Hilde 1321, 1328 Dominic, Joseph F. 1027, 1177, 1189 f, 1506 Donaldson, Margaret 1179, 1185, 1189 Donat 107⫺10, 111, 522, 542, 1575 Donat 1575

Dong Jing’an 842 Dong Mingchuan 850⫺2, 855 f Donin, Janet 993, 1001, 1004 Dooling, D. J. 972, 982 Döpp, Siegmar 521, 523 Dorandi, Tiziano 522 f Dorfmüller-Karpusa, Käthi 1525 Dörner, Dietrich 1000, 1003, 1219, 1359, 1360, 1364 Dornseiff, Franz 33, 39, 681, 685, 1141, 1574, 1582 Dos Passos, John R. 1273 Dossin, Georges 498, 502 Doughty, Peter 1286, 1289, 1298 Douzenis, J. A. 1032, 1034 Downing, John 426, 772, 777, 1147, 1151, 1173, 1177, 1201, 1203, 1387 Doyle, Anne 641, 645 Dräger, Monika 1222, 1224 Dragunov, A. A. 845 Drecoll, Frank 884, 891 f, 1351, 1364 Dreher, J. 1115 Drekhoff, George 1543 Drerup, E. 764 f Dressler, Fridolin 543, 552 Dressler, Wolfgang 590, 601, 1515⫺18, 1520, 1524 f, 1528, 1530, 1532, 1538, 1543 Drewitz, I. 896 f Dreyer, J. T. 491, 859 Drijvers, Hendrik J. W. 305 Driver, Godfrey R. 301, 305, 1576, 1582 Driver, J. 1107, 1116 Drunkemühle, Ludger 1220, 1224 Dubin, Fraida 425, 430 Dubois, Jacques 539, 552 Dubois, Jean 1448, 1450 Dubos, Charles 115 Dubuffet, Jean 255 Duchamps, M. 248 Duchastel, Phillip 973, 980 Duchesne´, A. 670 Duden, Konrad 693 f, 723 Duffy, F. H. 1334, 1347 Duffy, S. A. 946, 954, 956 Dugast, Idelette 720 Duggan, Joseph J. 569, 593, 601, 1492, 1494 Duhoux, Yves 337, 346, 423 Duke, Benjamin 1313, 1318 Dummer, Lisa 1160, 1167, 1339, 1343 f, 1347 Dunand, Maurice 287, 422 Duncan-Rose, Caroline 328 Dunn, Bruce R. 1249, 1258 Dunn, Denise A. 1249, 1258 Dunsmore, Hubert 1069, 1074 Dupont-Sommer, Andre´ 275, 287

Durand ⫺ Everatt

1660 Durand, Jean-Marie 498, 502, 510 Dürer, Albrecht 234, 239, 241, 244, 254, 631, 1242, 1247, 1275 Durkin, Dolores 1141, 1149, 1151 Durst, R. K. 1022, 1025 Dußler, Sepp 208 f, 224, 227 Düwel, Klaus 679, 685 Dvorak, Johann 883 Dworatschek, Sebastian 1638

E Eanatum 494 Easterling, Patricia E. 514, 516 Ebbinghaus, Hermann 1125 Ebbinghaus, Horst 1628 Ebeling, Erich 501 Ebeling, G. 72 Eberle, Gerhard 1223 f, 1347, 1350, 1363 f, 1366 f Ebert, Agnes 891 Eberwein, Hans 1143, 1145, 1148, 1151, 1242, 1247 Echtermeyer, Ernst Theodor 1269 Eckbert 861 Eckermann, Johann Peter 1217 Ede, Lisa 641, 645 Edel, Doris 557, 569, 572 Edel, Elmar 276, 287 Edelmann, Walter 1118, 1127 Edossa, Rumicho 818, 823 Edwards, Henry P. 1199, 1204 Edwards, J. H. 637 f Edzard, Dietz Otto 274, 287 f, 493⫺5, 498, 501 f Egan, Kieran 430, 638, 881, 1025 Eggers, Hans 597 f, 601, 1396, 1402 Egli, Mirjam 1582 Ehlers, Joachim 560, 569 Ehlert, Klaus 1229 Ehlich, Konrad 19⫺21, 39, 41, 104, 119, 159, 168, 170, 202 f, 257, 263, 423, 708, 737, 864, 871, 1190, 1267 f, 1372, 1379, 1387, 1528⫺30, 1533 f Ehling, Bettina 884, 891 Ehmcke, Fritz Helmut 245 Ehrenreich, Barbara 644 f Ehri, Linnea C. 1076, 1080, 1091, 1096, 1100, 1155, 1157, 1159 f, 1163, 1165, 1167, 1337, 1342, 1347 f Ehrismann, Otfrid 561, 569 Ehrle, Franciscus 203 Ehrle, Franz 149, 156

Ehrlich, M.-F. 1338, 1347 Ehrlich, Susan F. 947, 951, 954, 971 Eichler, Wolfgang 1142, 1148, 1151⫺3, 1156, 1163, 1164⫺8, 1225 f, 1229, 1249⫺51, 1253, 1257 f, 1378 f Eichner, Heiner 518, 523, 676 f Eickelman, Dale F. 1301, 1303, 1308 Eigler, Gunther 13, 15, 79, 590, 601, 989, 991, 997⫺9, 1001, 1003⫺5, 1008, 1010, 1022, 1025, 1127, 1181, 1189, 1268, 1528, 1529⫺31, 1533 Eigler, Ulrich 203 Eilers, W. 896 f Eisenberg, Peter 696 f, 737 f, 764, 765, 869, 871, 1171, 1173, 1177, 1250, 1258, 1373, 1375, 1377⫺80, 1403, 1441, 1451 f, 1454, 1455, 1466, 1534 Eisenhardt, Ulrich 93, 101 Eisenman, Robert H. 423 Eisenstein, Elizabeth L. 7, 8, 15, 109, 119, 428, 430, 656 f Eisirios 419 Ekka, Francis 460, 469 Eliot, T. S. 78 Elkonin, D. B. 84, 985, 1212, 1215 Eller, William 881 f Elley, Warwick B. 776 f Elliott, Ralph 203 Ellis, Andrew W. 970, 1028, 1032, 1034, 1084, 1088, 1091 Ellis, Maria 287, 501 Ellis, N. C. 1074 f, 1079, 1082, 1083 f, 1086 f, 1089⫺91 Ellis, R. 1586 Elman, Jeffrey L. 914, 916 f Elschenbroich, Adalbert 1238 Elsey, Barry 891 Elwert, Georg 1149, 1151 Embley, Donald W. 1073 Emilio, Anna Lucia de 832 Emmorey, Karen D. 821, 823 Empedokles 629 Emrich, W. 894, 897 Enders, Gerhart 146, 156 Endres, Rudolf 863 f, 871 Endres-Niggemeyer, Brigitte 1020, 1024 f, 1531, 1533 Endress, Gerhard 316 Eng, Helga 1146, 1151 Engel, Eduard 1551 f, 1555, 1557 Engel, Johann Jakob 1051 f, 1055 Engel, Ulrich 1067 Engelbrecht, Guillermina 1194, 1201, 1204 Engelbrecht, Helmut 861, 863⫺6, 871

Engelkamp, Johannes 1177, 1540, 1543 Engelmann, Susanne 1122, 1284 Engels, Friedrich 879 Engelsing, Rolf 60, 64, 83, 101, 113, 115, 860, 863⫺8, 870, 871 f Englund, Robert K. 19, 41, 51, 65, 257, 263 f, 279, 286⫺8, 433, 436 Enmerkar 494 Enmetena 494 Enskat, Alice 1056 Enzensberger, Hans M. 670 Epstein, William 979, 981 Erasistratos 515 Erasmie, Thord 788, 789 Eratosthenes 515 Erbach, Karl 1608 Erben, Wilhelm 540, 552 Erbse, Hartmut 87, 130, 516, 523 Erdmann, Benno 102, 918, 919⫺22, 924 f, 928⫺30, 1547, 1558 Erfen, Irene 561 f, 569 Erfurt, Jürgen 117, 119, 1395, 1396, 1402⫺04 Erickson, D. 1104, 1114 Ericsson, Karl A. 1003 Erler, A. 619 Erler, Luis 1217, 1224 Erler, Michael 104, 119, 513 f, 516 Ernst, Max 247 Ernst, P. 554 Ernst, Paul 1273 Ernst, Ulrich 682 f, 685 Eroms, Hans-Werner 1519, 1525 Errico, F. de 265, 268 Erzgräber, Willi 568 Esch, Arnold 151, 156 Eschenbach, Carola 978, 981 Eschenbach, Wolfram von 569, 861 Esling, John 1590 Espagne, Michel 662, 670 Esperandieu, Veronique 795, 798, 885, 891 Essen, E. 1275, 1284 Essen, J. 1190 Essing, W. 1245, 1247 f Esther 509, 1204 Estienne, Henri 110, 1393 Euander 517 Euklid 249, 515 Eurich, Nell P. 876, 882 Eusebios von Caesarea 126, 508, 539 Euw, A. van 1514 Evans, Arthur 419 f Evans, Selby H. 1543 Everatt, J. 946, 957

Evett ⫺ Foreman Evett, Lindsay J. 908, 916, 925, 930, 934, 941, 962, 968, 970, 1095, 1100 Eyraud, Charles 1616 Eyre, Christopher J. 486, 490 Ezana 317 Ezzaki, Abdelkader 1309

F Faber, Alice 261, 264, 1381, 1383⫺5, 1387 Fabra, Pompeu 1395 Fackler, Hans-Georg 1037, 1044, 1048 Faensen, Johannes 812 Faigel, Peter 1012, 1025, 1179, 1180⫺5, 1187 f, 1267, 1326, 1328, 1503, 1505, 1529 f, 1532 Faigley, Lester 993⫺5, 997, 1003 f, 1022, 1025 Fairchild, Steven M. 1028, 1034 Fairservice, William A. 435 Falk, Harry 3, 15, 599, 601 Falkenstein, Adam 492, 494, 496, 501 f Falmagne, Jean-Claude 940 f Fals Borda, Orlando 827, 830, 832, 879 Fa´n Ye´ 382 Fang, S. P. 836, 852, 1104⫺07, 1114 Fant, Gunnar 903, 904, 916 Fantz, Robert L. 1212, 1215 Farr, Marcia 642, 645, 672, 883 Farreira, John V. 464, 469 Fase, Willem 885, 891⫺3 Fasold, Ralph 740, 744 Fassbinder, Reiner W. 896 Fatima 534 Faulkner, Raymond O. 477, 488, 490 Faulmann, Carl 1513, 1607 Faundez, Antonio 832 Faure, Claudie 1029, 1034 Faust, Lloyd 395, 404, 1426 Faust, Wolfgang Ernst 682, 685 Faust, Wolfgang Max 248, 254 Fecht, Gerhard 480, 484, 486, 490 f Federighi, Paolo 891 Feeley, J. T. 585 f Feeman, Dorothy J. 934, 942 Feilke, Helmuth 1011 f, 1025, 1161, 1167, 1179, 1180⫺3, 1185⫺9, 1191, 1250, 1259, 1529, 1530⫺3 Feitelson, Dina 426, 1096, 1100 Feith, J. A. 155, 157 Feldbusch, Elisabeth 29, 40, 103, 104, 117, 119, 259, 264, 560,

1661 569, 628 f, 634, 670, 1177, 1399, 1402, 1466, 1500, 1505, 1527, 1530, 1533, 1546, 1557 Feldman, Carol F. 3, 15 Feldman, Laurie B. 934, 941, 964, 965, 967, 970, 1096⫺8, 1100 f, 1108, 1114 Feliciano, Felice 234, 254 Felix, Sascha 980 f Felixberger, 0. 1437, 1441, 1491, 1494 Fenn, Courtenay H. 365, 381 Ferdinand III. 1393, 1394 Ferdinand von Braunschweig 1614 Ferdinand, Willi 1347 Ferdman, Bernardo M. 429 f Ferguson, Charles A. 455⫺7, 459, 470, 596, 602, 607, 610, 701, 707, 708, 720, 740, 744, 824, 1193, 1195, 1203, 1483, 1490 f, 1494 Ferrara, Roberta A. 226, 1354, 1358, 1364 Ferreira, Feranda 949, 950, 955 Ferreiro, Emilia 12, 15, 829, 832, 1142⫺4, 1147, 1149, 1151, 1154, 1167, 1213, 1215, 1342, 1347 Ferrer, Daniel 662, 670 f Ferry, Jules 1493 Fertig, Ludwig 1127 Fichte, Johann Gottlob 1551 Fichte, Jörg O. 559, 569 f, 871 f Fichtenau, Heinrich 149, 156, 233, 235, 238 f, 254, 537, 543, 549, 552 Fichtner, Bernd 984, 991 Ficker, Julius 150, 156 Fiedeler, Frank 680, 685 Fiedorowicz, C. A. M. 1347 Fiehler, Reinhard 169 f Fijalkow, Eliane 1123, 1127 Finegan, Edward 1498 Fingeret, A. 772, 777 Fingerhut, Karlheinz 1237 f Fink, Karl August 154, 156 Finke, Peter 1532 Finkelstein, Jakob 287, 498, 501 f Fischer, Ernst Peter 1367 Fischer, F. William 1076, 1092, 1096, 1100 Fischer, George Henry 476 f,490 Fischer, Henry 292, 296 Fischer, Michael 1122, 1128 Fischer, Wolfdietrich 316, 757, 765, 1308 f, 1436, 1484, 1490 Fischer-Elfert, Hans Werner 490, 480 Fish, Stanley 640, 645 Fisher, Charles W. 427, 430 Fisher, Dennis F. 893, 956 f

Fisher, Howard 884, 891 Fishman, Joshua A. 425, 430, 602, 607, 610, 705, 707 f, 737⫺40, 744 f, 765, 766, 774, 777, 813, 1192, 1197, 1200, 1204 Fitzgerald, Dale K. 605, 610 Fitzgerald, Jill 1022, 1025, 1179, 1181, 1184 f, 1189, 1340, 1347, 1496, 1499 Fix, Ulla 1557 Flader, Dieter 39 Flämig, Walter 1467 Flammer, August 981 f, 1017, 1025 Flasche, Hans 565 f, 569 Flaubert, Gustave 661, 664 f, 667 f, 670, 1360, 1365, 1391 Flavell, John 979, 981, 1251, 1259 Fleckenstein, Josef 541, 551 f, 1129, 1141 Flegg, Graham 268 Fleischer, Wolfgang 1557 Fleming, Illah 720 Fletcher, Charles 977 f, 981 Fletcher, Jack M. 1352, 1365 Fletcher, Paul 942 Fletcher, Philip R. 832 Flitner, Wilhelm 1120, 1127, 1275 Flood, J. 1336, 1347 Flores, Fernando 1074 Flower, Linda S. 660, 666, 670, 671, 773, 778, 992, 994⫺6, 999⫺1001, 1003⫺10, 1013, 1017 f, 1020, 1024⫺26, 1180, 1189, 1528, 1530⫺34 Flowers, Stephen E. 679, 685, 847, 1007 Fluck, Hans-Rüdiger 621, 627, 634 Flude, B. M. 1089, 1091 Flury, Samuel 536 Flusser, Villem 119, 652, 1073 Flydal, Leif 1389, 1402 Fodor, Istva´n 589, 599, 602, 765 Fodor, Jerry A. 947, 955, 981, 1018, 1026 Foerster, Hans 1513 Fohrer, Georg 24, 40 Fokkema, Sipke D. 1543 Földes-Papp, Karoly 203, 689, 691, 696 Folena, Gianfranco 566 f, 569, 674, 677 Fontane, Theodor 79, 1273 Fontius, Martin 8, 15 Foote, W. E. 923, 930 Forchhammer, Georg 1215, 1624 Fordham, Paul E. 780⫺82, 786 f, 789 f Foreman, Grant 712, 720

Forester ⫺ Garcia-Albea

1662 Forester, Tom 584, 586 Fornarolo, G. 1331, 1350 Forrest-Pressley, D. L. 979, 981 Forster, Kenneth I. 951, 957, 965⫺7, 971, 1095, 1100 Forster, Leonard 570 Fortune, Dion 680, 685 Foster, Doug J. 1037, 1047 Foucault, Michel 77, 644, 646, 652, 1277 Fourcin, Adrian 1591 Fournier, P. 211 Fourrier, Anthime 677 Fowden, Garth 481, 490 Fowler, Carol A. 907, 916, 1076, 1092 Fowler, S. 1334, 1350 Fox, B. J. 1115 Fox, James 411, 415 Fox, John 782, 789 Fox, Michael V. 486 f, 490 Franck, Dorothea 1515, 1525 Franck, Paul 244 Frangk, Fabian 110, 866 Frank, Barbara 7, 15, 603, 678 Frank, Gerd 1238 Frank, Horst Joachim 1277, 1281⫺5 Frank, Manfred 1178 Frank, Walter 1353, 1365 Franke, Wilhelm 1524 f Fränkel, Hermann 646, 652 Franks, Jefferey J. 1537, 1543 Franz von Assisi 567 Franz, Eckart G. 146, 155 f Frauenfelder, Uli 916 Frazier, Lyn 946, 948, 949, 955, 956 Frederiks, J. A. M. 1034 Frederiksen, Carl 975, 981, 993, 996, 997, 998, 1000, 1001, 1003, 1004, 1017, 1018, 1026, 1027, 1189, 1190, 1506, 1536 f, 1543 Freedle, Roy O. 981 f, 1003 f, 1025, 1533, 1543 Freedman, Alan 673, 677 Freedman, Aviva 1185⫺89 Freedman, S. W. 1027 Freeman, R. 960, 970 Frege, Gottlob 651 f Freidel, David 409 f, 415 Freiligrath, G. 895 Freinet, Celestin 1122, 1148, 1151, 1237 Freire, Paulo 430, 786⫺9, 826 f, 830⫺33 Frenz, Thomas 151, 156, 540, 552 Freret, J. 114 Freud, Siegmund 69, 74, 1153 Freynet, Pierre 769 f, 777, 885, 891

Friberg, Jöran 279, 287 Fried, Johannes 553, 570, 619, 872 Friederici, Angela 928, 930 Friedhoff, Günter 1070, 1073 Friedman, M. P. 1080, 1092, 1155, 1348 Friedmann, M. 1168 Friedrich der Große 1614 Friedrich II. 124, 250, 542, 566 Friedrich, Beate 1179, 1189 Friedrich, Bodo 1179, 1189, 1254, 1259, 1260 Friedrich, Felix 1540, 1543 Friedrich, Helmut 1544 Friedrich, Joachim 1379 Friedrich, Johannes 274 f, 287, 423, 747, 765 Friemann, Sylvia 14 f Fries, J. C. de 157 Frinta 118 Frisch, Max 662, 668 Frith, Uta 938, 941, 986, 991, 1078⫺81, 1091⫺94, 1100, 1113 f, 1148, 1151, 1155⫺57, 1160, 1163, 1165, 1167⫺69, 1250, 1254, 1259, 1340, 1342, 1347 f, 1350, 1582 Fritsch, Ahasver 154 Fritz, Adolf 83 Fritz, Angela 1172, 1177 Fritz, Gerd 590, 602, 1516, 1525 Fritzsche, Joachim 1262, 1268, 1325, 1327⫺29 Fröbel, Friedrich 870 Fröchling, Jürgen 670 Fromkin, Victoria A. 821, 823, 1028, 1034, 1527, 1533 Fronto 520 Fronzaroli, Pelio 275, 287 Frost, J. 1077, 1092, 1159, 1168 Frost, Ram 1095, 1097, 1099, 1100 Frostig, W. 1242 Fruchtermann, James R. 138, 145 Frühwald, Wolfgang 169, 170 Fruin, R. 155, 157 Frutiger, Adrian 220, 227, 1650 Fthenakis, Wassilios E. 1192, 1201, 1204 Fu Xi 351 Fu, Maoji 859 Fu, Yonghe 1409, 1412 Fu-hsi 680 Fuchs, Catherine 110, 662, 667, 670 Fuchs-Bruninghoff, E. 770, 777, 884, 886, 891 Fügen, H. N. 897 Fugger, Wolfgang 234 Fuhrmann, Manfred 521, 522, 523

Fujimura, Osamu 916, 1108, 1116 Fulker, D. 1334, 1349 Fuller, B. 637 f Fuller, John 1347 Funke, Edmund H. 1352, 1367 Funke, Fritz 101 Füssenich, Iris 891, 1167 Fust, Johannes 91

G Gabay, Michele 1493 f Gabelentz, Georg von der 117, 362⫺64, 366, 369, 370, 379, 381, 752, 766 Gabelsberger, Franz Xaver 1605 Gaber, Holle-Katrin 1143, 1145, 1148, 1151, 1242, 1247 Gabler, Birgit 619, 627, 721, 723, 737 Gabriele da Parma 1611 Gadamer, Hans-Georg 104, 119, 647, 649 f, 653, 1177 Gaechter, Paul 556, 569 Gagarin, Michael 513, 516 Gage, Nathaniel 1220, 1224 Gagne´, Gilles 1255, 1259 Gaimar 564 Gaiser, Konrad 649, 653 Gajardo, Marcela 830, 832 Gak, Vladimir 1450 Galaburda, A. 1058, 1067, 1333, 1347 Galambos, James A. 1542 Galanter, E. 1026 Galen, Gerard P. van 1029⫺31, 1034 f, 1075, 1094 Galenos 124, 515, 1578, 1580 Galilei, Galileo 11, 170, 586, 631 Galinsky, John 1308 Galland, Joseph 1616 Gallmann, Peter 908, 916, 1250, 1259, 1451, 1455⫺58, 1461 f, 1464⫺67 Galperin, Georgi 817 f, 822 f Galperin, P. J. 84, 985 Galvao, Vilma 828, 832 Gamble, Sidney D. 841, 852 Gan, Gu 252, 255 Gandhi, K. L. 457, 459, 462, 465, 470 Gansberg, F. 1122, 1243, 1283 Gansberg, Marie Luise 1236, 1238 Gappmayr, Heinz 683, 685 Garamond, Claude 211 Garand, Monique-Ce´cile 543, 552 Garbe, Burckhard 737 Garcia, Arvello 827, 832 Garcia-Albea, J. E. 966, 971

Gardiner ⫺ Goodman-Schulman Gardiner, Alan H. 294, 296, 481, 484 f, 490 Garfinkel, Harold 1556 Garin, Eugenio 628 Garland, John 1513, 1543 Garman, Michael 942 Garnham, Alan 938, 940, 942 Garret, Merrit F. 982 Garrido Gallardo, Miguel A. 16 Garrod, Simon 947, 955, 976, 978, 982 Gascoigne, Bamber 676 f Gasparri, Franc¸ois 543, 552 Gasteiger-Klicpera, B. 1332, 1346, 1348 Gataker, Thomas 763 Gathercole, Susan E. 937, 941 Gauger, Hans-Martin 84, 110, 120, 593, 594, 602, 1403, 1437, 1441, 1529, 1531, 1533 Gaur, Albertine 254, 882 Gebelin, Comte de 115 Gebhard, Werner 1206, 1215 Geckeler, Horst 1393, 1402, 1441 Gee, James Paul 429 f, 774, 777 Geerds, Friedrich 1036, 1047 f Geerts, G. 736, 738 Gehenot, Daniel 1508, 1513 Gehrke, Rudolf 1328 Geier, Manfred 652⫺54, 670, 681⫺86 Geiling, H. 1229 Geißler, Harald 1128 Geissler, Rolf 1238 Geitner, Ursula 61, 64 Gelb, Ignaz J. 119, 174, 203, 256 f, 259, 261⫺64, 275, 286 f, 290, 294, 296, 416, 419, 423, 493⫺95, 502, 696, 698, 707 f, 720, 747, 765, 1372, 1379, 1382⫺84, 1386 f, 1432 f, 1463 Geller, Markham J. 497, 500, 502 Gellert, Christian Fürchtegott 593, 1546, 1549, 1557 Gellner, E. 636, 638 Genenz, Kay 1418, 1426 Genette, Gerard 101, 665, 670 Gentili, Bruno 514, 516 Gentry, Francis G. 560, 569 f Geppert, Klaus 1220, 1224 Gerrisen, J. F. 954 Gerschel, Lucien 1572, 1574, 1582 Gerson, J. 537 Gerstenberg 1274 Gertner, Michael H. 1204 Geschwind, N. 1058, 1067, 1083 f, 1091, 1108, 1114, 1347 Gesenius, Wilhelm 309, 311, 421

1663 Gessinger, Joachim 41, 114, 120, 1119, 1128, 1377, 1379, 1402, 1403 Geuenich, Dieter 602 Geyer, Angelika 522, 523 Gfroerer, Stefan 695 f, 922 f, 925 f, 930, 1507, 1515 Ghadessy, Mohsen 1499 Ghalioungui, Paul 490 Gibbon, Dafydd 1591 Gibbs, Margaret 891 Gibson, Eleanor 908, 916, 918, 927, 930, 1151, 1171, 1173, 1177, 1212, 1215, 1250, 1259, 1342, 1347 Gibson, James Jerome 907, 916 Gibson, M. T. 16 Gibson, McGuire 503 Gide, Andre´ 895 Giegerich, Heinz 1370, 1379 Giehrl, Hans E. 1238 Gier, Albert 565, 569 Giere, Ursula 770, 777, 883, 885, 891 Giese, Heinz W. 885, 890⫺93, 1124, 1128, 1240, 1247 Giesecke, Michael 19, 28, 39 f, 61 f, 64, 91, 101, 103, 109 f, 120, 206, 225, 227, 599, 602, 623, 627, 653, 692, 696, 1149, 1151, 1391, 1392, 1396, 1402, 1500, 1505, 1529, 1533 Gigon, Olaf 646, 653 Gikatilla, Josef 680 Giles, Herbert A. 380, 835, 852 Gill, E. 220 Gillette, Arthur 781, 789, 802 Gillin, Donald G. 835, 837, 852 Gillings, Richard 485, 490 Gilmore, Perry 638, 645, 834 Gilmore, William J. 882 Gimbutas, Marija 268, 274 Giove-Marchioli, Nicoletta 1513 Gippert, Jost 1574, 1582 f Girke, Wolfgang 805, 813 Girodan, H. 744 Giroux, Henry 644, 772, 777, 1294, 1298 Glaser, Hermann 32, 40 Glaser, Horst Albert 569 Glaser, Robert 1003, 1022, 1025, 1532, 1543 Glasersfeld, Ernst von 1177 Gläß, Bernhard 885, 891⫺3 Gläßer, Ulrike 1220, 1224 Glauche, Günter 545, 552 Glauser, Jörg 563, 569 Glavanov, Doris 977, 982 Gleitman, Lila R. 1102, 1114 Glenberg, Arthur 979, 981 Glenisson, Jean 569 Glenn, C. G. 972, 982 Glinz, Elly 1250, 1255, 1259, 1458, 1467

Glinz, Hans 728, 737, 1250, 1255, 1259, 1458, 1467 Gloor, Peter 1531, 1533 Glück, Helmut 33, 39 f, 104, 117, 119, 120, 670, 678, 685, 738, 745, 747, 751⫺53, 755 f, 765 f, 803, 805, 808 f, 813, 866, 869, 871, 984, 991, 1118, 1128, 1372, 1374, 1379, 1505⫺8, 1513 f, 1527, 1533, 1603 Glushko, Robert 1104, 1114, 1338 Gneuss, Helmut 557⫺9, 569 Godart, Louis 274 Goebel, Jürgen 166, 170 Goebl, Hans 1491 f, 1494 Goeller, Emil 156 Goelman, Hillel 638, 645, 671 Goepper, Roger 253, 255 Goethe, Johann Wolfgang von 66, 82, 96, 98, 584, 659, 762, 895, 1217, 1231, 1269, 1272⫺74, 1391, 1551 Goetsch, Paul 2, 9, 15 Goetz, Ernest 972, 980 Goetze, Albrecht 275, 288, 498, 501, 502 Goffinet, S. 770, 777 Gogolin, Ingrid 1202, 1204 Göhler, Helmut 84 Gokak, V. K. 459, 470 Gold, C. 1161, 1169 Golddiamond, I. 923, 930 Golden, Gerald G. 1216 Golden, Joanne M. 1185⫺87, 1189 Golding, William 1294 Goldinger, Stephen P. 916 Goldinger, Walter 149, 152, 154, 156 Goldman-Eisler, Frida 1527, 1533 Goldscheider, Alfred 918, 922, 924, 930, 1051, 1053, 1055 Goldsmith, John A. 1369, 1379 Goldstein, K. 928, 930 Goldstein, Louis M. 907, 916 Göller, Karl-Heinz 570, 871 Golli, Danica 1123, 1128 Gomringer, Eugen 683, 685 Gönner, E. 157 Gonzales-Rothi, L. 1087, 1093 Goodman, Kenneth S. 824, 1142, 1144, 1151, 1161, 1167, 1218, 1224 f, 1230, 1287, 1298 Goodman, Nelson 1560⫺63, 1566⫺68 Goodman, R. A. 1082, 1085, 1089, 1090, 1092 Goodman, Y. 1109, 1111, 1114 Goodman-Schulman, R. 1089, 1090, 1092

Goodnow ⫺ Gümbel

1664 Goodnow, J. J. 1258 Goodwin, Marjorie Harness 427, 430 Goody, Jack 2, 3, 15, 36, 40, 119, 424, 427, 430, 435 f, 467, 470, 518, 523, 578, 586, 613⫺16, 618, 643, 645⫺47, 649, 653, 655, 657, 681, 685, 698, 707, 882, 1140 f Goossens, Godefroy 147, 156 Gopal, Lallanji 324, 328 Göpfert, G. 101 f Göpfert, Herbert 84 Gopnik, Myrna 203 Gorbatschew 1594 Gordon, Arthur E. 203, 1514 Gordon, Christine 882 Gordon, Cyrus 423, 876, 882 Gordon, Hopeton 828, 832 Gordon, Joyce S. 203 Görgens, Alfred 136, 145 Gorman, K. 131, 138, 145, 637, 638, 827 f, 833 Görner, Franz 1596, 1603 Gossen, Karl Theodor 596, 602, 676 f, 1492, 1494 Gössmann, Wilhelm 1268, 1284 Goswami, Dixie 1532, 1535 Goswami, Usha 937, 941, 1076⫺81, 1091, 1092, 1157, 1160, 1167 Gottlieb, Theodor 544, 552 Gottschall, Edward 220, 227 Gottsched, Johann Christoph 113, 1547, 1549, 1557 Götze, C. 1243 Götze, Heinz 255 Gougenheim, Georges 1397, 1402 Gough, Kathleen 466, 470 Gough, Philip B. 910⫺14, 916, 960 f, 963, 970, 1081, 1103, 1114 f, 1171, 1177 Goulandris, N. K. 1081, 1092 Gould, John D. 1001, 1004 Gouldner, Alvin W. 644 f Govindasamy, M. 470 Gower, John 559 Goyon, Jean Claude 484, 489 f Grabe, William 1497, 1499 Grabolle, Almut 1217, 1220 f, 1222, 1224 Gracian, Balthasar 11 Graf, Klaus 155 f Graff, Harvey J. 430, 1017 Gragg, Gene B. 495, 502 Graham, A. 970 Graham, P. 1331, 1349 Graham, Steve 1357, 1365 Graham, William A. 28, 40, 606, 609 f Gramsci, Antonio 1396 Granet, Marcel 680, 685

Grant, B. K. 347, 720, 1316, 1318 Grapow, Hermann 480, 490 Grashey, H. 919, 924, 930 Grass, Günther 662, 896 Gratian 615 Graumann, Carl-Friedrich 588, 602 Graves, Donald H. 1180, 1186, 1189, 1296, 1298 Gray, Mary Ann 881 Gray, Nicolete 246, 254 Gray, W. S. 771, 777, 785, 788 f Grayson, A. Kirk 499 f, 502, 508, 510 Greaves, William S. 1003 Green, Dennis Howard 556, 560⫺62, 569 Green, Harriet 45, 48, 904, 917 Green, John N. 1437, 1443 Green, Margret W. 50, 52 f, 64, 279, 283, 287 f Green, Reginald H. 780, 789 Greenbaum, Sidney 1004, 1444, 1445, 1499 Greenberg, Seth N. 934, 941 Greene, Edith 559, 972, 981, 998, 1004 Greenfield, Paul 84 Greenspan, Steven 976, 981 Gregersen, Edgar A. 756, 760, 765 Gregg, John Robert 1605⫺7 Gregg, Lee W. 670 f, 778 Gregolin, Jürgen 671 Gregor I. 149 Gregor, Bernd 121, 125, 157, 524, 536, 872, 1070, 1072 f Greimas, Algirdas J. 1518, 1525 Gresillon, Almuth 12, 15, 661 f, 664, 667, 668, 670, 1002 Grether, Karola 1353, 1362, 1364 Greven, Jochen 84 Grey, Viscount of Fallodon 79, 81, 84 Greyerz, Otto von 1234 Grice, H. P. 904, 916, 1173 Grice, M. P. 978, 981 Grice, Martine 1527, 1591 Grierson, George A. 456, 470 Griffith, P. 421, 1081, 1092 Griffo, F. 217, 227 Grillot-Susini, Franc¸ois 275, 288 Grimal, Nicolas-Christophe 481, 490 Grimes, Barbara F. 756, 765, 798, 802 Grimes, E. F. 1388, 1402 Grimes, Joseph E. 998, 1004 Grimm, Gunter 571 Grimm, Hannelore 930, 1168, 1349, 1350 f

Grimm, Hans 1273 Grimm, Jacob 116 Grimmelshausen, Christoffel von 681 Grimminger, Rolf 872 Gris, H. 683 Grivnin, V. S. 812, 1593, 1603 Groat, Anne 938, 940, 942 Grob, A. 884, 1025, 1242 Groce, Nora Ellen 1352, 1365 Groddeck, Wolfram 670 Groeben, Norbert 1177, 1225, 1230, 1238, 1528, 1531, 1533 f, 1536⫺39, 1541⫺45 Grohmann, Adolf 313 f, 316 f, 320 f, 536 Groner, Rudolf F. 1365 Groothoff, Hans-Hermann 1361, 1365 Grosjean, Franc¸ois 1200, 1202, 1204 Gross, Carl 1052, 1055 Groß, Hans 1036, 1047 Große, Ernst U. 1522, 1523, 1525 Grosse, Siegfried 159, 170, 634, 670, 890, 1026, 1535, 1557 Großfeld, Bernhard 617 f Grossi, Francisco Vio 832 Grossmann, Hermann 622, 627 Grossmann, W. 1543 Grosz, B. J. 977, 981 Grotefend, G. F. 114, 275, 418 Grotzfeld, Heinz 1300, 1308, 1485, 1490 Grube, Nikolai 409 f, 415 Gruber, Jörn 564, 569 Grubmüller, Klaus 554⫺56, 561, 569 f, 675, 678 Grudin, J. 1063, 1066 f Gründgens, Gustav 896 Grundmann, Herbert 6, 15, 540, 552, 555, 570 Grunert, Stefan 483, 490 Grünewald, Heinrich 1240, 1245⫺48 Grunwald, Arnold 1361, 1365 Grünwald, Fritz 1214 Grünwaldt, Joachim 1229 f, 1236, 1238 Grzesik, Jürgen 1122, 1128 Gstettner, Peter 1196, 1204 Guangwu 383 Guarducci, M. 518, 523 Guarino Veronese 108 Gudschinsky, Sarah C. 773, 778, 821 Guespin, Louis 1396, 1403 Guhlke, Jochen 1223 Gülich, Elisabeth 1516, 1519⫺21, 1525, 1530, 1533, 1534 Gümbel, Ruth 1145, 1152, 1224

Gumbert ⫺ Hartmann Gumbert, J. P. 200 f, 203 Gumbrecht, Hans Ulrich 39 f, 84, 121, 563, 566 f, 570 f, 670, 1393, 1402, 1505 Gumperz, John J. 427, 430, 639, 641, 645, 1503, 1505 Gundersen, Dag 738 Gundlach, Franz 150, 153 f, 156 Gundlach, Robert A. 1184, 1189 Gunn, Battiscombe 295 f Günther, Hartmut 10, 15, 28 f, 40 f, 84, 105, 109, 117, 120, 255, 560, 570, 618, 670, 685, 695⫺97, 737 f, 765 f, 871, 903, 907 f, 910, 915, 916, 917, 920, 923⫺26, 928, 930 f, 1123, 1128, 1163, 1175, 1177 f, 1204, 1258 f,1369, 1373, 1376, 1378⫺80, 1399, 1402, 1403, 1441, 1451, 1455, 1466 f, 1507, 1508, 1512, 1514 f, 1527 f, 1531, 1533⫺35, 1569, 1579, 1581, 1582, 1583, 1650 Günther, Klaus B. 40, 117, 120, 618, 670, 685, 737, 764 f, 871, 916 f, 930 f, 1123, 1128, 1163, 1167, 1178, 1204, 1205, 1207, 1208, 1212⫺16, 1224, 1247 f, 1251, 1258 f, 1342, 1347, 1355, 1364 f, 1379 f, 1399, 1402, 1527, 1528, 1534 f Günther, Udo 920, 930, 1177 Guo Moruo 845 Gupta, R. K. 455, 470 Gupta, S. P. 322, 328 Guszak, Frank J. 1537, 1544 Gutbub, Adolphe 490 Gutenberg, Johannes 8, 16, 61, 64, 69, 90 f, 98, 101, 130, 134, 202, 207, 210, 214, 223, 226 f, 238 f, 424, 431, 586, 671, 831, 1073, 1396, 1513 Güthling, Wilhelm 151, 156 Guthrie, Grace P. 430 Guthrie, J. 771, 778 Gutschera, K. 962, 968, 970 Gutzkow, H. 895 Guzzo, M. G. A. 203

H Haab, Armin 227 Haarmann, Dieter 1248, 1366, 1367 Haarmann, Harald 29 f, 40, 119, 203, 205, 227, 258, 264, 269, 271⫺74, 330, 335, 337, 339, 341, 344, 346 f, 590, 594, 596, 598⫺600, 602, 689, 696, 738, 766, 1192, 1204, 1388, 1402, 1420, 1426

1665 Haarmann, Pirkko-Liisa 902 Haas, Gerhard 1236⫺40 Haas, Mary R. 327 f Haas, Otto 203 Haas, Willy 48, 744, 1372, 1377, 1379, 1381, 1387 Haase, Carl 552 Habein, Yaeko Sato 1483 Habel, Christopher 978, 981 Haber, Lyn 1177 Haber, Ralph Norman 1177 Haberlandt, Karl 972, 981 Habermas, Jürgen 576, 586 Habrich, Leonhard 1351, 1365 Hacker, Hartmut 1122, 1127 Hacker, P. 1089 f Hackethal, Renate 1160, 1167, 1339, 1343 f, 1347 Häcki Buhofer, Annelies 27, 40, 621, 623, 627 f, 890, 1149, 1152, 1502, 1505, 1529, 1532, 1534 Hacking, I. 657 Hadiga 535 Hadot, Pierre 521, 523 Haeberlin, Urs 1362, 1365 Haeger, Fritz 1608 Hagen, Waltraud 666, 671 Hagendahl, Harald 522 f Hager, Fritz-Peter 653 f Hägg, Robin 516 Hagiwara, H. 1106, 1109, 1116 Hahn, A. 489 Hahn, Walter von 489, 591, 602, 622, 627 Hähnel, E. 1255, 1259 Haile Sellase 816 Haile, Gabriel Dagne 814⫺17, 820 f, 823 f Haile, Mariam Goshu 818 Hailu, Fulass 818 f, 824 Hajdu, Helga 84, 552 Hajnal, Stefan 203 Hakuta, Kenji 1196 f, 1204 Halbwachs, Maurice 2, 15 Hale, B. L. 964, 971 Hall, H. 829, 831 Hall, Heinrich 1048 Hall, R. 966, 971 Hall, Tamra J. 1507, 1514 Halle, Morris 707, 904, 916, 1370, 1377 f, 1442, 1445 Haller, Hans-Dieter 1127 Halliday, Michael A. K. 640, 645, 977, 981, 994, 997, 1004, 1288, 1290, 1295, 1298, 1443, 1496, 1497, 1499, 1503, 1505, 1516, 1525 Halsey, A. H. 832 Hälvä-Nyberg, Ulla 1508⫺12, 1514 Halverson, John 425, 428, 430 Hamaide, Amelie 1363, 1365

Hamann, Bruno 864, 871 Hamdullah 533 Hamel, Christopher de 548, 552 Hamers, Josiane 1198, 1202, 1204 Hamilton, Mary 770 f, 778, 892 Hamlin, Valerie J. 1544 Hammarström, Göran 1377, 1379 Hammer, Michael 1348 Hammerschmidt, Ernst 321 Hammink, Kees 884, 892 Hammurabi 31, 147, 497 f, 501 Han Yu 1469 Han, Yu-shan 842, 852 Händler, R. 1243 Hanf, Theodor 1301, 1304 f, 1308 Hanks, William F. 423 Hanna, J. S. 1082, 1092 Hanna, P. R. 1082, 1092 Hanna, Peter 1191 Hannig, Christel 1180, 1189 Hansen, Duncan 821, 824 Hansen, Klaus 732, 737 Hansen, Richard 408, 415 Harary, Frank 171, 203 Harcum, E. Rae 173, 203 Harder, Richard 1285 Hardmeier, Christoph 15, 31, 39, 83, 119, 297, 570, 652, 1506 Hardyck, C. D. 926, 930, 1109, 1115 Harrell, Lester E. 1178 f, 1182, 1189 Harris, John 631 Harris, Karin R. 1357, 1365 Harris, Paul L. 940 f Harris, Roy 41⫺3, 45 f, 48, 257, 259, 262⫺64, 600, 602, 771, 778, 1560, 1562⫺68 Harris, Violet J. 882 Harris, William V. 336, 346, 483, 513, 516, 519⫺21, 523, 638, 655, 657 Harris, Zellig S. 1370, 1379 Harrison, Wilson P. 1036, 1047 Harsdörffer, Georg Phillipp 1546 f, 1557 Harste, Jerome 830, 832 Hart, Horace 1511, 1514, 1621 Hartge, Margret 1049, 1055 Harth, Dietrich 64, 574, 585 f, 669 Harting, Ulla 237, 255, 884, 891⫺93 Hartl, M. 1157, 1169, 1343, 1351 Hartmann von Aue 73, 561 Hartmann, Christine 203, 248, 254 Hartmann, Jörg 8, 15, 603, 678, 1403, 1491 f, 1494

Hartmann ⫺ Hess-Lüttich

1666 Hartmann, Josef 319⫺21 Hartmann, Wilfried 1126, 1128 Hartung, Ulla 892 Hartung, Wolfdietrich 1378 f Hartwieg, Oskar 616, 618 Harvey, David 56, 64, 430, 638, 645, 656, 777, 789, 802, 831, 882 f Harweg, Roland 1516⫺18, 1525 Hasan 534 Hasan, Ruqaia 994, 997, 1004, 1496, 1499, 1503, 1505, 1516, 1525 Hasenclever, Walter 896 Hashimoto, Mantaro 439, 450 Hasler, Herbert 1221, 1224, 1360, 1365 Hasselblatt, Gunnar 820, 824 Hasselhorn, Marcus 1356, 1365 Hasuike, R. 1108 f, 1115 Hatano, G. 1104, 1115 Hatfield, F. M. 1085, 1092 Hatschepsut 87 Hatta, T. 1105, 1108, 1115 Haubrichs, Wolfgang 560, 570 Haueis, Eduard 1261, 1268 Hauer, Erich 377, 381 Haug, Walter 34, 40, 555, 560⫺62, 564, 570 Haugen, Einar 589, 599, 602 Hauke, R. N. 1161, 1169 Haupenthal, Reinhard 1239 Haupt, Georg 254 Haupt, Heinz 1073 Hauptmann, Gerhard 98, 896 Hauschild, O. 627 Hauschka, Ernst R. 1170, 1177 Hausendorf, H. 1530, 1534 Hauser, Arnold 593, 602 Hausmann, Franz-Josef 111, 120, 1404, 1495, 1514 Hausmann, Ulrich 423 Hautecoeur, Jean-Paul 770, 778, 891 f Havelock, Eric A. 2, 14 f, 36, 40, 54 f, 64, 104, 120, 424, 430, 513, 516 f, 646 f, 649, 653, 655, 657 Havemann, Robert 897 Havens, L. L. 923, 930 Havenstein, Martin 1234, 1272 Havers, Wilhelm 591, 602 Hawkins, H. L. 961, 969 f Hawkins, J. A. 287, 435 Hawkins, W. F. 923, 930 Hay, Louis 12, 15, 661, 665, 668, 670 f, 1528, 1534 Hayashi, Kunio 1413, 1424, 1426 Hayashi, Olacki 1413, 1426 Hayes, John R. 660, 666, 670, 671, 773, 778, 992, 994⫺6, 999⫺1001, 1003, 1004⫺10,

1017 f, 1020, 1022, 1024, 1025, 1026, 1180, 1189, 1365, 1528, 1530, 1533 f Hayhoe, Michael 1286, 1294, 1298 f Haymes, Edward R. 561, 570 Head, Sydney 822, 824 Healey, John F. 335, 346 Healy, Alice 940 f Heap, J. 637 f Heath, Shirley Brice 425⫺30, 641, 643⫺45, 708, 720, 832, 882 Hebel, Johann Peter 98 Heberer, Thomas 859 Hebert, M. 963, 969 Hecae´n, Henri 1032, 1034, 1108, 1115 Hecht, Hans 25, 41 Heckhausen, Heinz 1345, 1348, 1361, 1365 Heckmann, Herbert 84, 1403 Heese, Gerhard 1365 Heess, Wilhelm 1048 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 18, 40, 104, 116, 650⫺52, 762, 1548 Heger, Klaus 15, 673, 677 Hegyi, Othmar 536 Heidegger, Martin 428, 650⫺52 Heider, F. K. 1178, 1189 Heider, G. M. 1178, 1189 Heidermann, Frank 1583 Heidolph, Karl Erich 1467 Heike, Georg 1370, 1379 Heilman, Kenneth M. 1032, 1034 f, 1085, 1087, 1093 Heilmann 1234 Heimann, Paul 1123, 1128 f Heimes, Ernst 1351, 1365 Heimpel, Hermann 1582 Heine, Bernd 346 Heine, Heinrich 78, 248, 590, 662, 664 f, 667 f, 670, 672, 762, 895, 1004, 1391 Heinemann, Wolfgang 1516, 1518, 1525 Heinemeyer, Walter 546, 552 Heinen, Hubert 562, 570 Heinrich II. 564 Heinrich IV. 1614 Heinrich VII. 150 Heinrichs, H. M. 570 Heinze, Detlev 584, 586 Heinze, Helmut 1502 f, 1505 Heinzle, Joachim 570, 572 Heitsch, Ernst 514, 516 Helander, Martin 1068, 1074 Helck, Wolfgang 293 f, 296, 297, 480, 490 Hell, Rudolf 210 Heller, Klaus 738, 762, 765, 1377, 1379

Heller, L. G. 1508 f, 1514 Heller, Michael 813 Helmers, Hermann 1220, 1224, 1235, 1239, 1275, 1554 Helmholtz, Karl 919 Hemmer, Klaus Peter 1151 Hempel, C. G. 1521 Henderson, E. 765, 1079, 1167, 1169 Henderson, Edmund H. 1166 f Henderson, J. M. 950, 954 f Henderson, Leslie 908, 916, 1114 f, 1339, 1347, 1378, 1445 Henkel, Nikolaus 556, 561, 570, 861, 863, 871 Henne, Helmut 602, 1505, 1525 f Henningsen, Jürgen 1128 Henze, Paul B. 701, 707, 756, 766, 811, 813 Henzler, Rolf 159 f, 164, 166, 170 Hepburn, James Curtis 1422 Heraklit 647 f Herbart, Johann Friedrich 1233, 1270 Herberg, Dieter 738 Herberger, Maximilian 617 f Herbert, Michael 1217, 1220, 1223 f Herder, Johann Gottfried 62, 64, 77, 115 f, 1231, 1268 Herdina, P. 1128 Heredia Herrera, Antonio 156 Herff, Eduard 1217, 1224 Herholz, Gerd 1326, 1328 Herlemann, Monika 1222, 1224 Hermann, Alfred 487, 490 Hermann, Hartmut 1259 Hermogenes 126, 1280 Hernon, W. P. 966, 971 Hero von Alexandria 629 Herodot 418, 488, 512, 514, 629, 1278, 1609 Heron 515 Herophilos 515 Herrick, Virgil E. 1028, 1034 Herrlitz, Hans-Georg 1277 Herrlitz, Wolfgang 1128, 1298 Herrmann, Theo 977, 981, 1016, 1017, 1018, 1026, 1528, 1530, 1534 Herrmann, Ulrich 1124, 1128 Herrmann, Wolfgang 1254, 1268 Herweg, Manfred 978, 981 Herwegh, G. 895 Herzberg, Bruce 639, 644 Herzke, Herbert 1531, 1534 Herzog, Reinhart 522⫺24 Hesiod 1280 Hess, Günther 867, 871 Hess, Peter 1616 Hess-Lüttich, Ernest W. B. 1268, 1529, 1534

Hesse ⫺ Huber Hesse, Hans Albrecht 616, 618 Hesse, Harlinde 1254, 1259 Hesse, Hermann 662 Heßmann, Jens 1626, 1628 Hetzer, Hildegard 1146, 1152, 1364 Heubeck, Alfred 55, 64, 511⫺13, 516, 646, 653, 689, 697 Heuß, Gertraud 1220, 1224 Hewton, E. 794, 798 Hey, C. 1121, 1128, 1443 Heyd, Uriel 703, 707, 747, 766 Heydrich, Wolfgang 1516, 1525 Heyen, Franz-Josef 157 Heyer, Friedrich 818, 824 Heyer, Peter 1353, 1365 Heym, Stefan 897 Hida, Yoshifumi 1413f ,1426 f Hiebert, Elfrieda H. 427, 430 Hiebsch, Hans 991 Hiecke, Robert Heinrich 1231 f, 1239, 1269, 1270, 1283, 1548 Hier, D. B. 1086, 1092 Hieronymus 124, 523, 539 Hiersche, Rolf 597, 602 Higounet, Charles 203 Hildebrand, Rudolf 1283 Hildebrandt, Nancy 1106 f, 1109, 1115, 1116 Hildebrandt, Rainer 871 Hildyard, Angela 16, 601, 833, 882, 1004, 1091 Hilkija 71 Hill, Archibald 1381 f, 1384, 1387 Hillers, D. R. 31, 40 Hillinger, Michael L. 924 f, 931, 1099 f, 1103, 1116 Hillis, A. E. 1088, 1091 f Hillocks, George 1496, 1499 Hilton, Ordway 1036, 1048 Hiltunen, Risto 1498 f Hilty, Gerold, 1491, 1495 Himley, Margaret 641, 645 Hincks, E. 275 Hinrichs, Ernst 860, 868 f, 871 Hinshelwood, James 1108, 1115, 1329 f, 1347 Hintze, Fritz 296, 487, 490 Hinz, Walther 286, 288, 330, 346, 421, 496, 502 Hinzen, Heribert 775, 778, 782, 789 Hipp, Helga 516, 730, 738 Hipparchos 515 Hippokrates 124, 1578 Hirata, K. 1108, 1115 Hirsch, Eric Donald 774, 778, 1503, 1505 Hirsch, Hans Erich 501, 547, 552 Hirt, Eduard 991 Hirt, Hermann 763, 766

1667 Hirth, Raimund 1344, 1348 Hitler, Adolf 241 Hjelmslev, Louis 118 Hladcuk, John 882 Hoberg, Rudolf 627 Hochhuth, Rolf 896 Hochuli, Jost 227 Hock, Hans Henrich 458, 470 Hocke, Gustav Rene´ 682, 685 Hodges, R. E. 1082, 1092 Hodson, J. H. 156 Hoesen, Henry B. van 204 Hofen, Nikolaus 1267 Hofer, Adolf 1151, 1152, 1153, 1167, 1168, 1223⫺25, 1230, 1248 Hoffacker, Helmut 1229 Hoffmann, A. 347 Hoffmann, Dirk 671 Hoffmann, Elisabeth 1045, 1048 Hoffmann, Hartmut 550, 552 Hoffmann, Jakob 918, 922, 925, 926, 930 Hoffmann, Johannes 1254, 1259 Hoffmann, Walter 1531, 1534 Hoffmann, Werner 561, 570 Hofmann, Johann Baptist 591, 602 Hofmann, Werner 1215 Hofmannsthal, Hugo von 659 Hofrichter, Werner 738 Hofstaetter, Walter 1272 Hoggart, Richard 882 Hohn, H. W. 1159, 1167, 1337, 1348 Holbein, Hans 1281 Holbrook, David 1287, 1298 Holdaway, Don 1150, 1152 Hölderlin, Friedrich 659, 662, 670 f, 1391 Holdredge, T. S. 974, 980 Holdstein, Deborah H. 645, 1069, 1071⫺74 Holender, Daniel 935, 941 Holenstein, Elmar 1173, 1177, 1369, 1372, 1379 Hollerbach, John M. 1030, 1032, 1034 Hollerith, Herman 160, 1630 Holley, Charles D. 1541, 1543 f Holligan, C. 1081, 1092 Holm, John A. 596, 602 Holm, W. 1200 f, 1204 Hölscher, Uvo 646, 653 Holtus, Günter, 595, 601 f, 1396, 1401 f, 1404, 1495 Holtz, Karl-Ludwig 1358, 1365 Holtzmann, Walther 152, 156 Holzschuch, Hieronymus 110 Homer 43, 56, 120, 126, 184, 229, 428, 520, 597, 647, 653, 882, 898, 1578 Honegger-Kaufmann, Ada 1246, 1248

Hong, Gabriel 1602, 1603 Hong, Hi-Ju 206, 227 Hong, Ki-hun 403 Hooke, Robert 631 Hoosain, Rumjahn 1029, 1034, 1114 f Hoppe, Heinz U. 1068, 1073 Hoppe, Otfried 1123, 1127, 1239, 1258 Hoppe-Graff, Siegfried 1016⫺18, 1026, 1534, 1541, 1544 Hopper, Chris 882 Hopster, Norbert 670, 752, 765, 766, 1025, 1127, 1239, 1240, 1267, 1285 Horaz 488, 520 Hörisch, Jochen 650, 653 Hörmann, Hans 972, 981, 1021, 1026, 1536, 1540, 1544 Horn, C. C. 1339, 1340, 1348 Horn, Nancy 814⫺18, 820, 823 Horn, Ralf 1367 Horn, Wolfgang 884, 892 Hornberger, Nancy 429⫺31 Hornby, Peter A. 1204 Horng, R. Y. 1104, 1114 Hornsby, B. 1344, 1348 Hornstein, N. 979, 981 Hornung, Erik 488⫺90, 592 Horowitz, Rosalind 645 Hotopf, W. H. N. 1016, 1026, 1083, 1084, 1088, 1092 Hou, Ruili 850, 853 Hours, Francis 264, 268 Hourwitz 114 Householder, Fred W. 1377, 1379 Houston, Robert Allan 882 Houston, Stephen D. 410 f, 415 Howard, Darlene V. 569, 852, 882, 891, 892, 934, 936, 941, 1100 Howard, David 936, 941 Howard, Ursula 882, 892 Hrabanus Maurus 237, 1610 Hron, Amelie 1544 Hrouda, Barthel 65, 503 Hrozny, B. 419 f Hsu, C. C. 1116 Hsu, Hsi-ling 846, 853 Hu Shi 837, 839 f, 851, 853, 855, 1470 Hu Yaobang 847 Huai Shu 358 Huang, C. Y. 351, 1115 Huart, Cle´ment 536 Hubbard, Hugh W. 842, 853 Hubel, David H. 1212, 1215 Huber, Franz 1215 Huber, Günther L. 1000, 1004 Huber, Walter 927, 930 Huber, Wolfgang 1059, 1063, 1066 f

Hubertus ⫺ Jenson

1668 Hubertus, Peter 885, 892 Hubmann, Heinrich 902 Huchel, Peter 896 Huehnergard, John 275, 288 Huey, Edmund B. 918, 920, 922, 930, 942 f, 949, 955 Hughes, C. H. 970 Hughes, Ted 1292 f, 1298 Hugo von St. Victor 73, 108 Hugo, Victor 659, 662 Hull, Glynda 878, 882 Hulme, C. 1081, 1093, 1344, 1348 Hulstijn, Wouter 1031, 1034 Humboldt, Wilhelm von 4, 104, 116, 120 f, 690, 697, 983, 1036, 1129, 1131⫺33, 1135 f, 1141, 1269, 1549 Humburg, Johannes 1327 f Humburg, Jürgen 1151 Hummer, Peter 1354, 1357, 1367 Humphrey, G. Keith 1215 Humphreys, Glyn W. 908, 916, 925, 930, 934, 941, 962, 968, 970, 1095, 1100, 1338, 1348 Hundt, Eckhardt 131, 138, 145, 146 Hung, Daisy L. 1101, 1103 f, 1105⫺10, 1112⫺15, 1117 Hunger, Herbert 27, 40, 58, 64, 87, 101, 120, 130, 512, 515 f, 522 f Hunnius, Klaus 595, 602 Hunt, Kellog W. 994, 997, 1004, 1178 f, 1181⫺84, 1189, 1503, 1505 Hunter, C. 795 f, 798 Huot, Sylvia 565, 567, 570 Hurlebusch, Klaus 671 Hurm, Otto 203 Hurrelmann, Bettina 1150, 1152, 1177, 1262, 1268, 1335, 1348 Hurtado Bolivar, Lino 832 Husain 534 Husserl, Edmund 650 f Hussey, Mary I. 275, 288, 498, 502 Huth, A. 85, 986 Huttar, Geroge L. 708, 720 Hutten, Ulrich von 1274 Huxford, L. 1079, 1092 Huyghebaert, Nicolas 539, 553 Hwang, I.-C. 1317 f Hyman, Larry 1370, 1379 Hymes, Dell H. 425 f, 429 f, 639 f, 644, 645, 772, 778 Hyona, J. 945, 955

I Ibel, Rudolf 1274 Ibn al-Bawwab 250, 315, 530 Ibn an-Nadim 314 f, 529

Ibn Badis 534 Ibn Chaldun 530, 1301 f Ibn Muqla 249 f, 315, 529 f, 532 Ibrahim 534 Ibrahim, Mohammed 642, 645 Ibsch, Elrud 1539, 1544 Ichiko, Teiji 385, 403 Ickelsamer, Valentin 110, 1122, 1393 Ide, Heinz 1229, 1230, 1236, 1239, 1402, 1582 Ifrah, Georges 1571⫺74, 1577, 1582 Ihwe, Jens 1534 Ikeda, M. 950, 955 Illich, Ivan 3, 13, 15, 40, 58 f, 64, 66, 72⫺4, 76, 79, 82, 84, 88 f, 101, 104, 108, 119, 120, 556, 568, 570, 1136 f, 1141, 1146, 1152, 1510, 1514 Illmer, Detlef 538, 553, 862, 871 Imhotep 53 Immerwahr, Henry R. 512 f, 516 Impey, L. 1329, 1343, 1347 Imraalquais 311 Imuthes 485 Ineichen, Gustav 569, 672⫺5, 677 f Infante, Isabel 832 Ingendahl, Werner 1262, 1268 Ingenkamp, Heinz 1122, 1126, 1128, 1348, 1367 Ingold, T. 431 Ingram, Diana 1031, 1034 Inhoff, Albrecht W. 944⫺47, 950⫺52, 954⫺57 Innozenz VIII. 895 Ion Heliade Raadulescu 1393 Irvine, Arthur 312 Isaev, Magomet Izmajlovic 341, 347, 813 Ischreyt, Heinz 633 f Isenberg, Horst 1516, 1518, 1525 Iser, Wolfgang 22, 40, 84, 1293 Ishii, Isao 1311, 1318 Ishiwata, Toshio 1414, 1426 Isidor von Sevilla 107 Ising, Erika 41, 1404 Isokrates 17, 104, 1280 Istrin, V. A. 747, 766, 813, 1603 Ito, J. 1370, 1379 Itoh, M. 1108, 1116 Iusen, H. de 153 Ivanic, Roz 772, 777, 882 Ivo, Hubert 1121, 1126, 1128, 1141, 1235, 1239, 1267 f Iwaki 145 Iwan der Schreckliche 803 Iwasaki, Chihiro 1426 Iyasu I. 815 Iyasu II. 815 Izquierdo 113, 833

J Jachnow, Helmut 765, 805, 813 Jachontov, S. J. 1476 Jackson, Donald 254, 1277 f, 1285 Jackson, Peter 167, 170, 581, 586 Jaeger, C. Stephen 561, 570 Jaeger, Werner 646, 653 Jäger, Georg 101, 1277 Jäger, Ludwig 1528, 1532, 1534 Jäger, Reinhold S. 1367 Jahani, Carina 700, 704, 706 f Jakob II. 1614 Jakob von Rammingen 154 Jakobs, Eva-Maria 915, 917, 1024, 1026, 1532, 1534 Jakobson, Roman 8, 15, 118, 904, 916, 1555 Jakovlev, N. F. 807, 813 James, David 255 James, E. P.Skone 902 James, J. H. 1161, 1169 James, T. G. H. 64 Jamison, Dean T. 834 Jandl, Ernst 1227 Janke, O. 983, 991 Janks, Hilary 1294, 1298 Jann, M. 1025 Jansen, Heiner 733, 738, 1157, 1168, 1345, 1348 Jansen-Tang, Doris 733, 738 Janson, H. 1322, 1328 Janssen, Horst 248, 491 Jantzen, Hans 58, 64, 237, 254 Jared, D. 964, 970 Jaroschka, W. 157 Jarvella, Robert J. 935, 941, 981 Jastrow, Otto 757, 765, 1490 Jauß, Hans Robert 84, 660 Javal, E´mile 920, 930, 942 Jechle, Thomas 12, 15, 16, 601, 991, 997, 1003, 1025, 1127, 1179, 1180, 1181, 1185, 1189, 1529, 1531, 1533 f Jeffery, Lillian H. 56, 64, 175, 203, 347, 512, 516, 704, 707 Jeffreys, M. D. W. 710, 720 Jellinek, Max 764, 766 Jeng, A. G. 1109, 1115 Jenkinson, Hilary 154, 156 Jennings, James 788 f Jensen, Arthur R. 1122, 1243, 1283, 1355, 1360, 1365 Jensen, Cary R. 1099 f Jensen, Hans 184, 203, 260, 264, 326, 328, 330, 347, 697, 708, 720, 747, 763, 766, 1384, 1387, 1433, 1574, 1576, 1582, 1603 Jensen, Kristian 120 Jenson, Nicolas 217

Jeremia ⫺ Kelber Jeremia 35, 1578 Jernudd, Björn 707, 1495 Jesaja 66, 506 Jeserich, Kurt G. A. 872 Jespersen, Otto 739, 744, 1585, 1586, 1590 Jeßing, Benedikt 1402 Jesus 605, 609 f, 1510 Joachim du Bellay 1492 Joanette, Yves 1004 Joas, Hans 575, 586 Job, Remo 935, 941, 1085, 1091 f Jochems, Helmut 987, 1608 Jochum, Manfred 883 Johann, Georg 503 Johanna von Orleans 6 Johannes von Gorze 74 Johanson, Lars 1396, 1402 John, Vera 430, 470, 644 Johne, Birgit 926, 930 Johnen, Christian 1604, 1608 Johnson, A. F. 216, 225, 227 Johnson, Doris J. 1207, 1212, 1215, 1499 Johnson, Leslie Peter 569 Johnson, Nancy 1541, 1544 Johnson, Uwe 668 Johnson-Laird, Phillip 975⫺77, 981 Johnston, Alan W. 512, 516 Johnston, Anton 779 f, 784, 788⫺90 Johnston, Edward 220, 245⫺47, 254 Johnston, James C. 932, 942, 961, 964, 970 f Johnston, R. S. 1081, 1092 Jolivet, R. 1086, 1090 Jolles, Andre´ 3, 16 Jomier, Jacques O. P. 1301, 1308 Jonasson, D. H. 582, 584, 586 Jonasson, Jan T. 963, 970 Jones, Daniel 1586 Jones, J. A. 160, 170 Jones, William 1584, 1590 Jongen, R. 1514 Jöns, Dietrich 1061, 1067 Jordan, Cathie 427, 430 Jordan, Timothy R. 935, 942 Jorm, A. F. 1331, 1348 Joschija 71 Joseph II. 895 Joseph, John Earl 592, 596, 598, 601 f Jouguet, Pierre 203 Joyce, James 78, 661 f, 668, 671, 895, 1391 Judge, William Q. 452, 470 Juel, C. 1081, 1092 Juergens, R. 953 f Juhl, Dietrich 1531, 1534 Jules, Didacus 828, 832

1669 Jung, Carl Gustav 680, 685 Jung, Richard 1212, 1215 Jung, Udo 1168, 1349 f, 1367 JungAndreas, W. 679, 685 Junge, Friedrich 473, 490 Jungebluth, A. 771, 773, 778 Jünger, Ernst 896 Jussen, Heribert 1215, 1626, 1628 Just, Marcel 944⫺47, 953 f, 955, 974, 980⫺82, 1026 f, 1348 Justeson, John 406, 408, 411 f, 415 Justinian 149, 515, 522, 1510

K Kabatchenko, M. V. 770, 778 Kachru, Braj B. 469 Kaestle, Carl F. 428, 430, 873, 880, 882 Kaestner, Erich 1245, 1248 Kafka, Franz 78, 248, 661, 1552 Kagan, Jerome 1216 Kahan, S. 138, 145 Kahl, Jochem 293, 296 Kahlenberg, Friedrich 156 Kahrstedt, Ulrich 156 Kaiho, Hiroyuki 1424, 1426 Kainz, Friedrich 918, 920, 923, 925, 927, 930, 983 f, 987, 989, 991, 1148, 1152, 1240, 1248 f, 1251, 1259, 1357, 1361, 1365 Kaiser, Hans 156 Kaiser, Otto 501 Kaiser, Werner 292, 296 Kalim 533 Kallimachos 515, 1578 Kallmeyer, Werner 1517 f, 1524⫺26 Kaltman, Hannah 1505 Kamata, Tadashi 1413, 1427 Kamei, Takashi 402 f, 1427 Kamhi, Alan 1346 f, 1349 Kammenhuber, Annelies 275, 288 Kammer, Manfred 1068, 1074 Kammil, Michael 881 Kamper, Gertrud 892 Kampman, A. A. 156 Kan, To-ko 384, 403 Kanegae, Nobumitsu 378, 381 Kaneko, Tsuguo 1608 Känel, Friederike 485, 490 Kangxi, Xuanye´ 371, 377 Kaninisut 1278 Kanngießer, Siegfried 980 f Kannicht, Richard 515 Kant, Immanuel 116, 868 Kanter, Gustav O. 1367 Kany, Werner 1359, 1366

Kanzog, Klaus 659, 666, 671 Kao, Henry S. R. 1029, 1034, 1114 f Kaplan, Robert B. 1497, 1499 Kapp, Ernst 651, 653 Kapp, U. 489 Kapr, Albert 91, 101, 228, 240, 254 Karabel, Jerome 832 Karajoli, Edeltraud 1196, 1204 f Karan, Singh 451 f, 470 Karl I. 1614 Karl V. 93, 895 Karl der Große 89, 199, 236 f, 540 f, 552, 554, 559 f, 612, 740, 1280, 1500 Karl der Kahle 545 Karlgren, Bernhard 1468, 1476 Karmiloff-Smith, A. 978, 981 Karnein, Alfred 563, 570 Karpenstein, Hans 1608 Karpova, S. N. 986, 991 Karpp, Heinrich 28, 40 Karskij, E. F. 755 f, 766 Kartschoke, Dieter 555, 560, 570 Kasiski, F. W. 1614 Kassam, Yusuf 788 f Kästner, Hannes 866, 872 Kasturi, R. 145 Katicic, Radoslav 272, 274 Kato, Akihiko 1414, 1427 Katoh, H. 1105, 1115 Katterbach, Bruno 540, 553 Katz, Jerry 979, 981 Katz, Leonard 964 f, 970, 10951101, 1339, 1349 Katz, Michael 644 f Katz, R. 1337, 1349 Kaufer, D. S. 1016, 1018, 1026 Kaufmann, E. 619 Kaufmann, Terrence 1246, 1248 Kautzsch, Rudolf 101 Kavanagh, James K. 772, 778, 916, 970, 1092, 1114, 1177 Kavanaugh, James L. 1101 Kavsek, Michael 1543 Kay, Janice 927, 930, 1094, 1104, 1115 Kayser, Wolfgang 1546, 1554, 1557 Keel, O. 489 Keenan, Barry 840, 853 Keenan, J. M. 1544 Kees, Hermann 296, 778, 892 Kegel, Gerd 225, 281, 1206, 1215 Kehr, Carl 1121, 1128 Kehr, Paul 545, 553 Keichu Shimokawa 393 Keightley, David N. 271, 274, 352, 382 Keiler, Peter 1118, 1128 Kelber, Werner H. 606, 610

Kellenbenz ⫺ Koller

1670 Kellenbenz, Hermann 861, 863, 872 Keller, Eric 203 Keller, Hagen 8, 16, 546, 553⫺55, 569, 570 Keller, Helen 1208 Keller, Monika 733, 738 Kelley, Donald 154, 156 Kellman, Philip 938, 941 Kellog, Ronald T. 1004, 1189 Kelly, Susan 558, 570 Kelso, J. A. S. 907, 916 Kemmler, Lili 1345, 1348, 1353, 1365 Kemper, Susan 1179, 1180, 1185, 1190 Kennedy, Bruce P. 430 f Kennedy, Jon 1035 Kent, Roland 287 f,763, 766 Kenyon, Frederic G. 648, 653 Ker, Neil Ripley 541, 553 f, 1464 Kerckhove, Derrick de 173, 202, 203 f Kerlinger, Fred N. 993, 996, 1004 Kern, Arthur 1125, 1128, 1156, 1168, 1240, 1244, 1248, 1359, 1363, 1365 Kern, Erwin 1125, 1128, 1156, 1168, 1240, 1244, 1248, 1359, 1363, 1365 Kerr, P. W. 945, 947, 955 Kershner, J. R. 1109, 1115 Kertesz, A. 1085⫺87, 1091 Keseling, Gisbert 915 f, 1181, 1187, 1190, 1327 f, 1528, 1530, 1534 Khan, S. A. 328 Khatibi, Abdelkebir 248 f, 252, 255 Khubchandani, Lachmann M. 460, 470, 740, 744 Kidd, Ross 829, 831 f Kiefer, Ferenc 202 Kienast, Burkhart 51, 64, 495, 502 Kienzle, M. 893 f, 897 Kiesel, Helmuth 101 Killy, Walter 84, 1235, 1239 Kim, B.-W. 1317 f Kimura, Doreen 906, 916 King, Martha L. 1179 f, 1190 King, T. 836, 853 Kinsbourne, M. 1089, 1092, 1331, 1348 Kintgen, Eugene R. 831 f, 883 Kintsch, Walter 972, 975- 81, 982, 998 f, 1004, 1018, 1020, 1021, 1026 f, 1104, 1115, 1179, 1180, 1187, 1191, 1259, 1497, 1499, 1503, 1505, 1528, 1530, 1533, 1540, 1543⫺45 Kiparsky, Paul 326, 328

Kippenberg, Hans 681, 685 Kirchho f, Paul 614, 618 Kirchhoff, Albrecht 548, 553 Kirchhoff, Hans Georg 547, 553 Kirchner, Athenasius 111 f, 260 Kirk, Samuel 1352, 1365 Kirn, Paul 540, 553 Kirsch, I. 771, 773, 778 Kirsch, Sarah 897 Kirtley, C. 1076, 1092 Kist, Joost 584, 586 Kitamura, S. 1116 Kittler, Friedrich A. 38⫺40, 170, 660 f, 671, 1177 Kjolseth, Rolf 1202, 1204 Klafki, Wolfgang 1122, 1275 Klages, Ludwig 988, 990 f, 1051⫺55 Klaghofer, Richard 1365 Klampfer, Barbara 1157, 1169 Klasen, Edith 1333, 1348 Klatt, Denis H. 916, 917 Klaudios Ptolemaios 515 Klauer, Karl Josef 1352, 1359, 1365 Kleberg, Tönnes 56 f, 64, 101, 520, 523 Klee, Paul 247 Kleiber, Wolfgang 627 Kleiman, Glenn M. 939, 942, 1161, 1169 Klein, Donald W. 848, 853 Klein, Jacob 502 Klein, Manfred 226 Klein, Thomas 866, 872 Klein, Wolfgang 29, 40, 611, 615, 616, 618, 981, 1525, 1528, 1534 Kleinhans, Walter H. 1242, 1245, 1248 Kleinschmidt, Gerd 702, 1229 f, 1239, 1321, 1328 Kleist, Heinrich von 1274, 1531, 1552 Klemenz-Belgardt, E. 1177 Klewitz, Hans-Walther 542, 552 Klicpera, Christian 1332, 1346, 1348 Kliegl, R. 945 f Klima, E. S. 1109, 1115 Kliment von Ohrid 344 Klingspor, Karl 245 f, 254 f Klix, Friedhart 1074, 1358 f, 1365, 1367 Klockow, Reinhard 1464, 1467 Klopstock, Friedrich Gottlieb 764, 1274 Kloss, Heinz 346, 347, 589, 594, 596, 598, 602, 738, 740, 744 Kloss, Helmut 824 Klotz, Peter 1534 Kluge, Barbara 1259 f Kluge, Wolfhard 1259 f

Knafle, J. D. 1077, 1092 Knapp, Fritz Peter 561, 570, 1546 Knauf, Ernst Axel 312 Kneale, Martha 651, 653 Kneepkens, C. H. 542, 553 Kniffka, Hannes 1061, 1067 Knight, D. 1339, 1347 Knobloch, Clemens 983, 991 f Knobloch, Hans 1049, 1055 Knobloch, Johann 738 Knoll, Ronald L. 1030, 1035 Knoop, Ulrich 29, 40 f, 104, 116, 120, 255, 610, 618, 670, 765 f, 865⫺69, 871 f, 1259, 1455, 1650 Knop, S. de 1514 Knorozov, Yuriy Valentinovic 328, 410, 415, 422 f Knorr, Dagmar 1026, 1532, 1534 Knox, Bernhard M. W. 513, 516, 522, 524 Knudsen, Ebbe E. 276, 288 Knuth, Donald E. 144 f Kobayashi, Y. 1108, 1116 Kober, A. 420, 1269 Koberstein, Karl August 1269 Kobler-Trill, Dorothea 1514 Koblischke, Heinz 1507, 1514 Koch, Hans-Albrecht 515, 1582 Koch, Peter 4⫺6, 16, 29, 40, 74, 83 f, 103, 108, 119, 120, 587, 588, 590⫺94, 596, 599, 600, 602, 604, 1398, 1400, 1403, 1491, 1495, 1502, 1505 Koch, Rudolf 246, 254 Koch, Walter 1508, 1514 Koch, Wolfgang 1524, 1528, 1534, Kochan, Barbara 1153, 1248, 1255 Kochan, Detlef 1128 Köck, Wolfram K. 1177 Koebner, Thomas 84 Koeppel, E. 1400, 1403 Kohl, Eva Maria 1324, 1328 Kohler, Klaus 1591 Kohlmann, Ute 1528 f, 1534 Köhn, Rolf 547, 553, 556, 561, 570, 572, 862, 872 Kohrt, Manfred, 104, 118, 120, 693 f, 697, 721 f, 738, 1142, 1147, 1152, 1250, 1259, 1375, 1377⫺79, 1451, 1455, 1467 Kolb, Monika 1003 Kolb, Stefan 627 Kolbe, Jürgen 1239 Koldewey, Friedrich 242, 254 Kolers, Paul A. 173, 203, 264, 918, 930, 942, 955, 1114, 1318 Koller, Lukas 1037, 1048

Kolligian ⫺ Lammerink Kolligian, John 1357, 1365 Kolling, Fritz 208 f, 224, 227 Kolokolov, V. S. 845 Kolumbus, Christoph 1136 Kolvenbach, Hans Jürgen 1319, 1328 Konfuzius 377, 437⫺8, 839 Köngäs Maranda, Elli 2, 16 König, Friedrich 98 König, Rene´ 869, 872 König, Ulrich 1160, 1168, 1338, 1339, 1349 Konno, K. 1108, 1116 Kono, Rokuro 403, 450 Konsalik, R. 78 Konstantin der Große 88, 126 Koopmann, Ute 891 Köpf, Gerhard 1543 Kopp, George A. 45, 48, 904, 917 Korff, H. A. 1273 Körner, J. 1272 Kornmann, Reiner 1361, 1364 Koselleck, Reinhard 574, 653, 1533 Koss, Rudolf 152 f, 156 Kossack, Sharon 1361, 1365 Kossakowski, Adolf 1336 f, 1348 Kossow, Hans-Joachim 1160, 1168, 1343, 1348 Köstner, Hans 1043, 1047 Kotten, Anneliese 1528, 1534 Kottje, Raymund 545, 553 Kotzebue, August von 97 Koubek, Richard J. 1069, 1074 Kowal, Sabine 990 f Kozminsky, E. 1544 Kozol, Jonathan 826, 832, 873, 882 Kraepelin, Emil 991, 1053 Krafft, Ulrich 1530, 1533 Kraft, Herbert 659, 666, 671 Kramarczyk, Annemarie 1255 f, 1259 Krämer, Hans-Joachim 649, 653 Kramer, Samuel Noah 501 Krämer, Sigrid 552 Krämer, Sybille 1576, 1582 Krampen, Martin 1650 Krasner, Leonard 1330, 1350 Kraus, Fritz Rudolf 52, 64, 495, 498, 502 Krause, Wolfgang 679, 685 Krausen, Edgar 150, 156 Krauss, Michael E. 701, 702, 707 Krebernik, Manfred 280, 288, 494, 502 Krecher, Joachim 280, 288, 494, 495, 502 Krefeld, Thomas 12, 16, 594, 602 Kreft, Jürgen 1239

1671 Kreft, Lothar 1638 Kreft, Wolfgang 770, 777, 884, 888, 891, 892 Kreibich, Rolf 160, 170, 577, 586 Kreich, Joachim 138, 140, 145 Kreiman, J. 981 Kreindler, Isabelle 805, 813 Kremin, H. 1108, 1115 Kremnitz, Georg 600, 602, 739, 742, 744 Krenkow, Fritz 536 Kress, Gunter 774, 778, 1180, 1190, 1295, 1298, 1498 f Kresten, Otto 540, 553 Kretschmann, Rudolf 884, 886, 892, 1148, 1153 f, 1156, 1163, 1168, 1343, 1350 Kreuzer, Bernd 1543 Kreuzer, Helmut 84, 622, 627, 628, 671 Krichbaum, Gabriele 1241, 1246, 1248 Krings, Hans P. 669, 989, 991, 1003, 1005, 1024⫺26, 1027, 1070, 1073, 1128, 1167, 1188⫺90, 1267, 1528⫺35, 1543 Krishna, Kumar 452, 832 Krishnamurti, Bh. 460, 468⫺70, 742⫺44 Krisner, K. 1116 Kriss-Rettenbeck, Lenz 516, 871, 872 Kristeva, I. 67, 659 Kroeber, A. L. 1050, 1102, 1115 Krohn, Rüdiger 571 Krohn, Wolfgang 1531, 1534 Kroll, Barry M. 831 f, 883, 1185, 1190, 1503, 1505 Kröner, Adolf 99 Kroon, Sjaak 892, 1298 Kropfitsch, Lorenz 1490 Kropp, U. 770, 777, 884, 891 Krötzsch, Walther 1146, 1152 Kruchten, J. M. 483, 490 Krüger, Ernst 1150, 1152 Krüger, F. 991 Krüger, Michael 1626, 1628 Kruitho f, Arne 940 f Krumbacher, K. 739, 744 Krylova, N. V. 1603 Ku, Yu-hsiu 529, 836, 853 Kubat, Leyla 1204 Kubicek, Herbert 577, 586 Kübler, Hans-Dieter 627 Kubota, K. 140, 145 Kuckenburg, Martin 255 Küenburg, Max 1414, 1426 Kügler, Hans 1239 Kuhara, K. 1104, 1115 Kuhlemann, Frank-Michael 868, 870, 872

Kuhlen, Rainer 167, 170, 580, 586 Kuhlmann, Fritz 1240, 1243, 1248 Kühlwein, Wolfgang 1525 Kühn, Georg 1284 f, 1552, 1554, 1557 Kuhn, Hugo 675, 678 Kühn, Peter 1254 f, 1259 Kühnel, Ernst 250, 255 Kulenkampff, Jens 586, 1347 Kullmann, Wolfgang 14⫺17, 514, 516, 646, 647, 653 Kulundzic, Zvonimir 747, 766 Kumanev, Viktor A. 808, 813 Kumarajiva 842 Kunkel, Roland 1324, 1328 Kunkel, Wolfgang 522, 524 Kunze, Reinhard 237 f, 255 Küppers, Günter 1531, 1534 Küppers, Hans-Georg 736⫺38 Kurotaki, Chiraka 1416, 1426 Kurz-Costes, B. 1347 Kußmaul, A. 928, 930 Kutscher, Raphael 496, 502 Küttel, Hartmut 1249, 1253, 1256, 1259 Kuwayama, J. 1650 Kyrill 344, 706, 803 Kyros 500 Kyunyo 397

L La Berge, Daniel L. 1544 Laas, E. 1232, 1283, 1548 Labarre, E´mile Joseph 130 Labat, Rene´ 283, 288 LaBelle, Thomas J. 833 Labov, William 426, 430, 1528, 1530, 1534 LaBrant, Lou L. 1178 f, 1181, 1183, 1190 LaBuda, B. C. 1334, 1347 Lacerda, Antonio de 904, 917 Lachenal 660 Lachmann, Karl 659, 674 f, 677 Lackenbacher, Sylvie 499, 502 Lacy, Carleton 842, 853 Ladefoged, Peter 1586 Lado, Robert 1196, 1204 Lafont, Robert 203 Laistner, Max Ludwig Wolfram 553 Lalibela 814 Lamare 920, 930, 943 Lambert, Hester M. 326, 328 Lambert, L. 1190 Lambert, Wallace E. 1106, 1116, 1197⫺1120, 1203 f Lambert, Wilfried G. 281, 288 Lammerink, Marc P. 827, 833

Lämmert ⫺ Lieb

1672 Lämmert, Eberhard 1236, 1239 Lamson, Herbert Day 835, 853 Lamszus 1122, 1243, 1283 Landa, D. de 422 Landau, Jacob 1302, 1308 Landmann, Salcia 1599, 1603 Landsberger, B. 432, 435 Landwehr, Jürgen 1536, 1539, 1543 Lane, Harlan 1207, 1214 f Lane, Ortha May 842, 853 Lange, Bernhard 1539, 1545 Lange, Günter 1238 f, 1260 Lange, Regina 1047 f Lange, Wilhelm 184, 203 Langen, Ernst G. de 928, 930 Langer, Inghard 634 Langer, Judith A. 1180, 1182, 1185⫺88, 1190 Langer, Susanne K. 1142, 1144 f, 1152 Langfeldt, Hans-Peter 1364 Langland, William 559 Lanston, Tolbert 209 Laosa, Luis M. 1199, 1202 f Lapacherie, Jean Gerard 1142, 1146, 1152 Laqueur, Thomas W. 882 Larcher, Dietmar 1196, 1204 Larfeld, Wilhelm 177, 179, 203 Large, Andrew 43, 48 Large, B. 1079, 1091 Larisch, Rudolf von 245 f, 1243 Larkin, Kathy 976, 980 Lasius, Otto Benjamin 1207, 1216 Lasnik, Howard 1100 Lass, Norman 916 f Lass, Roger 1370, 1379 Latacz, Joachim 647, 653 Latapi, Paulo 828, 833 Latman, Alan 902 Latourette, Kenneth Scott 842, 853 Laubach, Frank C. 701, 707, 779, 789, 831 Laube, H. 895 Lauber, Diebold 90 Laufer, Christel 671 Laurent, Jean-Paul 708, 1533 Lausberg, Heinrich 28, 40, 593, 602, 1545, 1557 Lauttamatti, L. 1497, 1499 Lavater, Johannes 1051, 1207, 1216 Lavine, Linda 1147, 1149, 1152 Lavrentiev, Alexander 247, 255 Lay, Wilhelm 1125, 1128 Le Tha`nh Khoi 402, 403 Le Xuan-Thuy 404 Le-Van-Huu 401 Leberecht, F. 1248 LeBold, William K. 1069, 1074

Lebrave, Jean-Louis 659, 660⫺62, 664 f, 667, 669⫺71, 1528, 1533 Lebrun, Nathalie 1196, 1204 Lebrun, Yvan 1032, 1034 Lebsanft, Franz 84, 571 Lechner, Herbert 227 Leclant, Jean 423 Leclerc, Jacques 758, 766, 1557 Leclercq, Jean 58, 64 Lee, Ki-Moon 397, 399, 403, 450 Lee, S. Y. 1116 Lee, W. L. 1101, 1103, 1105⫺07, 1110 f, 1114 f, 1117 Leech, Geoffrey N. 1496, 1499 Leedham, Graham 1029, 1034 Leesch, Wolfgang 154⫺57 Legge, M. Dominica 564, 571 Legien, Marek 1063, 1067 Legrün, Alois 1065, 1067, 1142, 1152 Leguay, Th. 670 Lehmann, Paul 544, 553, 1511, 1514 Lehmann, Ruth P. M. 203 Lehmann, Winfried 395, 404, 1426 Leibert, R. E. 1544 Leibniz, Gottfried Wilhelm 112 f, 115, 120, 260, 651, 680, 1103, 1137, 1141 Leidel, Gerhard 146, 157 Leidinger, Paul 553, 570 Leif, I. 130 Leiris, Michel 662 Leischner, Anton 927 f, 930 Leisi, Ernst 600, 602 Leitzmann, Albert 697 Lella, Cayetano de 832 Lemaire, Jacques 130, 504, 507, 510 Lenders, Winfried 1068, 1074 Lendle, O. C. 738 Lenel, J. C. 1077, 1092 Lenin, Vladimir I. 805, 808, 822, 844 Lenneberg, Eric H. 1206, 1216 Leo X. 895 Leonardo von Pisa 10 Leong, C. K. 1110, 1112, 1115 Leonhard, Walter 347, 1404, 1412 Leontjew, Alexander A. 1011, 1026 Leontjew, Alexejew Nikolajew 18, 40 Lepenies, Wolf 9, 16 Lepsius, Richard 1590 f Leroi-Gourhan, Andre´ 119, 629, 635, 683, 685, 1146, 1152, 1212, 1216 Lesch, Mary 952, 956, 961, 964, 970 f

Leschinsky, Achim 1121, 1128 Lesgold, Alan 980, 1168, 1543 Leska, Christel 1503, 1505 Leslau, Wolf 288, 321, 1490 Lesne, E´mile 543, 553 Lessing, Gotthold Ephraim 79, 96, 115, 593, 659, 1268, 1274, 1505 Leukipp 10 Levelt, Willem J. M. 904, 912⫺14, 916, 1016⫺18, 1026, 1527, 1534 Leven, Regina 1629 Le´vi-Strauss, Claude 424, 430, 636, 638, 654, 657, 681, 685, Levin, Harry 908, 916, 918, 927, 930, 1117, 1151, 1156, 1168, 1171, 1173, 1177 Levin, Joel 978, 981 Levine, Donald N. 818, 824, 1086, 1092 Levine, Kenneth 771, 778, 787, 789, 833, 873, 877, 881 f Levitt, J. 1397, 1400, 1403 Le´vy, E. 978, 981 Le´vy, Jerre 1032, 1034 Le´vy-Bruhl, Henri 611 f, 618 Le´vy-Bruhl, Lucien 643, 645 Le´vy-Schoen, Ariane 920, 930, 945, 956 Lewandowski, Theodor 603, 1173, 1177, 1506 Lewin, Bruno 403 f, 450, 1413, 1416 f, 1426 f, 1483 Lewin, Keith 793, 798 Lewinski, Ludwig 150, 157 Lewis, David 175, 203, 513, 516, 1173 Lewis, Glyn E. 695, 805, 813, 1193 f, 1198, 1204 Lewis, S. S. 963, 971 Lewis, Vivien J. 1030, 1035, 1103, 1116, 1346 Lewkowisz, N. K. 1348 Li Hui 849, 853 Li Si 355 Li Tieying 850 Li Xue´qı´n 382 Li, Charles N. 980, 1476, 1498 Liang Donghan 441, 1408, 1412 Liberman, Alvin M. 905, 907, 917, 1092 Liberman, Isabelle Y. 773, 778, 1076, 1092, 1096, 1100, 1110, 1114⫺16 Lichtenstein-Rother, Ilse 1222, 1224 Lichter, Eduard 151, 157 Lichtheim, Miriam 484⫺86, 488⫺90 Lichtwark, A. 1271 Lidzbarski, Mark 309, 312 Lieb, Hans Heinrich 1370, 1379

Liebaert ⫺ MacKinnon Liebaert, Paulus 203 Lieber, Maria 758, 766, 1327 f Liebig, Hans 1638 Liedl, Marianne 1152 Liedtke, Max 503, 516, 871, 872 Lien, Y. W. 1104, 1115 Lienert, Gustav 1055 Light, Leah L. 841, 938, 940⫺42 Lille, A. de 66 Lima, Susan D. 603, 832, 833, 944, 947, 951, 955, 966 f, 970 Limage, Leslie 770, 778, 795, 796, 798 Lin, Hanta 764, 836, 847, 850, 853, 855 Lincoln, Abraham 6, 204 Lind, Agneta 772, 778⫺80, 784, 788⫺90, 1119 Linde, Charlotte 1528, 1534 Lindemann, Erika 639, 645 Linder, Maria 1330 f, 1348 Lindner, Bernd 84 Lindquist, Cecilia 255, 373, 382 Lindsay, Michael 845 f, 853 Lindsay, W. M. 1510, 1514 Linell, Per 20, 29, 40, 261, 264 Lings, Martin 255, 526, 536 Link-Heer, Ursula 571 Linke, Angelika 1518, 1526 Linn, Marie-Luise 1548, 1550, 1557 Lion, Antoine 798, 885, 891 Lippert, Wolfgang 1476 Lipps, Theodor 1052, 1055 List, Gudula 1204 List, Günther 1204 Litt, Theodor 77, 1273 Liu, Gongquan 359 Livinston, C. 1116 Livius Andronicus 520 Livius, Titus 125 f, 148, 520 Lloyd, Barbara 941, 982 Lloyd, Geoffrey E. R. 515 f, 655, 656 f Loban, Walther 1178 f, 1182, 1183, 1190 Lockhart, Robert S. 974, 980, 1537, 1542 f Lockowandt, Oskar 1055 f, 1246, 1248 Lockridge, Kenneth A. 882 Lodolini, Elio 156 f Lodwick, F. 43 Löffler, Dietrich 84, 1178 Löfstedt, Einar 537, 553 Logan, Robert K. 36 f, 40, 835, 853 Loh, L. S. 820, 836 f, 853 Lombardo, Mario 155, 512, 516 Lompscher, Joachim 1255 f, 1259, 1359, 1365 Londono 831 Longley, Chris 892

1673 Loo, S. 1110, 1114 Loprieno, Antonio 485, 486, 490 Loraux, Nicole 513, 516 Lorca, Federico G. 78, 248 Lord, Albert B. 119, 647, 653 Lorenz, Konrad 1, 16 Lorette, Guy 1029, 1034 Loretz, Oswald 286 f, 299 f, 305 Loridant, C. 1338, 1347 Lörscher, Wolfgang 1528, 1535 Loser, Fritz 1221, 1224 Lotfi, Abdelhamid 1303, 1309 Lötscher, Andreas 1519, 1526 Lott, D. 960, 971 Loundine, Abram G. 300, 305, 312 Lounsbury, Floyd 412, 415 Louvois, Franc¸ois Michel Le Tellier 1615 Lovegrave, W. 1334, 1348 Lovisolo, Hugo Rudolfo 828, 833 Lowe, Elias Avery 130, 200, 203, 538, 540, 544, 551⫺53 Löwenstern, I. 275 Lowy, Esther G. 1204 Lu Xu´n 446, 845, 1470 Lucariello, Joan 4, 15 Lucas, Gernot 547, 553 Luce, Paul A. 916 Luchesi, Brigitte 681, 685 Lucker, G. W. 1116 Luckhardt, H.-D. 1025 Luckmann, Thomas 588, 603, 1134, 1141 Lucullus 520 Lüdi, Georges 1582 Lüdtke, Helmut 102, 106, 120, 261, 264, 1377, 1379, 1398, 1403 Lüdtke, Jens 261 Ludwig XIV. 1614 f Ludwig der Baier 613 Ludwig der Deutsche 545, 560 Ludwig der Fromme 237 Ludwig, Otto 40, 61, 64 f, 69, 589, 595, 603, 678, 685, 989, 991, 1005, 1008, 1009, 1022, 1025, 1026, 1119 f, 1126⫺28, 1149, 1152, 1186⫺88, 1190, 1261 f, 1264, 1267 f, 1280⫺85, 1462, 1467, 1500⫺02, 1505, 1528, 1534, 1535, 1546, 1548, 1557, 1582 f Ludwig, Ralph 1400 f, 1403, 1491, 1492, 1494 f, 1505 Lugal-zage-si 494 Luhmann, Niklas 575, 586, 612, 618 Luhn, Achim 145 Luidl, Philipp 225, 227, 1650 Lukasiewicz, Jan 651, 653

Lukatela, Grigorije 964, 970, 1095, 1098 f, 1100 Luke, Alan 430, 636, 638, 772, 778, 880 f, 1025 Lukrez 674 Lull, H. C. 1179, 1190 Lumsden, Charles J. 202⫺04 Lunacarskij, A. 806 Lundberg, Ingvar 1119, 1123, 1128, 1159, 1168, 1334, 1336, 1348 Lundberg, L. 1077, 1092 Lundell, J. A. 1585 Lundgreen, Peter 864, 868⫺70, 872 Lundt, B. 84 Lunsford, Andrea 641, 645 Luo Zhanglong 843 Luo, Changpei 853 Luo, Runcang 859 Luria, Alexandr Romanovich 1, 13, 16, 984⫺86, 991, 1081 f, 1092, 1108, 1115, 1128, 1225, 1230 Lurker, M. 260, 264 Luther, Martin 66, 93, 696, 845, 1137, 1141, 1272, 1551 Lüttge, Ernst 1250, 1254 f, 1259 Lutz, Burkart 1151 Lutz, Hans-Rudolf 1650 Lutz, Luise 1519, 1526 Lux, Paul 1497, 1499 Lyon, G. Reid 1357, 1365 Lyon, O. 1271 Lyons, John 44, 48, 587, 603, 981 Lyotard, Jean-Franc¸ois 1277

M Maarse, Frans J. 1028⫺30, 1034 f Maas, Paul 674, 678 Maas, Utz 7, 16, 34, 40, 103, 105, 106, 108⫺11, 113, 116, 117, 120, 620 f, 627, 685, 689, 694, 697, 725, 738, 908, 917, 1249 f, 1259, 1390⫺93, 1399, 1401, 1403, 1451, 1455 Maass, E. 896 Mabillon, J. 550 f Macdonald, Michael C. A. 312 Macdonell, Arthur A. 1432 f Macedo, Donalod 832 Machado, Antonio 78 Machemer, Peter 1344, 1348 Machinist, Peter 499, 502 Mackay, David 1290, 1298 Mackey, William F. 740 f, 744, 752, 766, 1194, 1198, 1204 MacKinnon, G. E. 916, 942, 957, 969, 979, 981, 1094, 1318

MacLean ⫺ McClelland

1674 MacLean, Margaret 882 MacLennan, D. 636, 638 MacLuhan, Marshall 658, 671 Macris, James 1508 f, 1514 Macuch, Rudolf 305 f Maday, Wilhelm 1255, 1260 Maderlechner, Gerd 140, 145 f Maennel, Bruno 1356, 1365 Maffei, Scipione 537 Mager, Robert F. 1237, 1239 Magnus, Karl 621 Mahapatra, B. P. 456, 458⫺60, 462, 467, 470 Mähler, Claudia 1356, 1365 Mahlow, Dieter 247 Mahn, Anneliese 1146, 1152 Maiakovski 665 Maimieux 114 Maimonides 566 Maingueneau, Dominique 37, 41 Mainusch, Herbert 1239 Majidi, Mohammad-Reza 756, 766 Majoribanks, K. 1352, 1365 Makarova, R. V. 806, 811, 813 Malatesha, R. 1092, 1348 Malhotra, P. L. 470 f Mallarme´, P. 78 Mallery, G. 432, 436 Mallikarjun, B. 460, 470 Mallon, Jean 185⫺91, 193 f, 196, 203 Malmquist, Eve 786, 788, 790, 892 Malpeines, Leonard de 113 Mandelstam, Ossip 662 Mandl, Heinz 981, 982, 9981000, 1003 f, 1021, 1025, 1027, 1074, 1541, 1543 f Mandl, Hubert 582, 584, 586 Mandler, George 1540 f, 1544 Mandler, Jean M. 972, 974, 981 Mani, K. 193, 977, 981, 1597 Manis, R. F. 1160, 1168, 1339, 1340, 1348 Mann, Christine 1219, 1224 Mann, Heinrich 661, 77, 896 Mann, Horace 877 Mann, Klaus 896 Mann, Thomas 78, 661 Mann, V. A. 1110, 1115 f, 1337, 1347 Mann, William C. 1497, 1499 Mannhaupt, Gerd 1148 f, 1151 f, 1156, 1167 f, 1344 f, 1348 Mannheim, Karl 1272, 1558 Mansell, Phil 917 Mansion, Augustin 651, 653 f Mantaro, Hashimoto 439 Mantel-Niecko, Joana 814, 820 Manutius, Aldo 201, 211, 217, 219 Manz, Hans 1227

Mao Dun 845 Mao Zedong 445 f, 843, 849, 1312, 1410, 1470, 1472 Marazzi, Massimiliano 287 f Marcais, William 739, 744 Marcel, Antony 1104, 1115 Marcellesi, Jean-Baptiste 1396, 1403 Marchbanks, G. 1156, 1168 Marcie, Pierre 1032, 1034 Marco Polo 381, 676 Marcus, Joyce 405, 415, 433, 436 Marcus, M. 979, 981 Marcuse, Ludwig 897 Mardersteig, Giovanni 227 Margolin, David I. 1032, 1034, 1082, 1087⫺90, 1092 f Maria Theresia 895 Maria von Burgund 239 Marichal, Robert 203, 549, 553 Marigo, Aristide 1141 Marin, O. S. M. 1087, 1093, 1103, 1116 Markgra f, Hermann 150, 152, 153, 157 Marks, Elaine 123, 644 Marrou, Henri Ire´ne´e 515 f, 518 f, 524, 1278⫺80, 1285 Marsh, Georges 1080, 1092, 1155, 1157, 1160, 1168, 1342, 1348 Marshack, Alexander 265, 268 Marshall, John C. 171, 203, 928, 930, 936, 941 f, 962, 970 f, 1091, 1093, 1114, 1116, 1167 f, 1347, 1349, 1350, 1412 Marslen-Wilson, William D. 914, 917, 978 f, 981 f Martens, Gunter 659, 671 Martens, Wolfgang 867, 872 Martial 126 Martin, Charles T. 1514 Martin, F. 1334, 1348 Martin, Helmut 370, 382, 450 Martin, Henri-Jean 84, 539, 553 Martin, J. 65 Martin, Nancy 992, 1003 Martin, Randi 1099 f, 1189, 1298 Martin, Samuel 1483 Martindale, Colin 1544 Martinet, Andre´ 83, 595, 603, 1391, 1403 Martino, Alberto 866 f, 872 Martlew, Margaret 991 f, 1003, 1024, 1026, 1035, 1091, 1183, 1190 f, 1505 Marton, Ferenc 973, 981 Marx, Harald , 1159, 1236, 1336, 1345, 1348, 1350 Marx, Helmut 1345, 1348 Marx, Karl 895, 1236, 1391

Maschetto, Ne´lida A. 833 Maschke, Erich 620, 627 Mason, M. J. 1167, 1339, 1349 Massaro, Dominic W. 1177 Masson, Emilia 258, 264, 269, 273 f, 422, 510 Masson, Olivier 423 Massoudy, Hassan 255 Masterson, J. 962, 970, 1085, 1092, 1329, 1347 Mastromarco, Giuseppe 514, 516 Masuch, Sigrid 1204 Matejka, Ladislav 706 f Mathieson, Margaret 1286, 1298 Mathieu, G. 248 Mathyer, Jacques 1044, 1048 Matsuhashi, Ann 989, 991 f, 994 f, 999, 1001, 1003 f, 1530 Mattenklott, Gundel 1324, 1328 Mattheier, Klaus J. 600, 603, 737, 744, 1389, 1402 f Matthew, R. 604, 1331, 1348 Matthias, Adolf 1268, 1277, 1282, 1285, 1550 Matthiessen, C. 1499 Mattingly, Ignatius 907, 916 f, 970, 1104, 1114, 1177 Matula, Milos 1608 Matz, Friedrich 697 Matzat, Heinz 1322, 1328 Mauer, Gerlinde 159, 170 Maul, Stefan 287 f Maurach, Gregor 518, 524 Maurer, Friedemann 1365 Mauro, Tullio de 120, 601, 1387, 1403 Maximilian I. 93, 239, 677 May, Ekkehard 1420, 1426 May, Peter 1148, 1152, 1156, 1166, 1168, 1219, 1224, 1255, 1259, 1332, 1343, 1349, 1358, 1360, 1365 Mayer, Georg 1046, 1048 Mayer, H. 896 Mayer, Richard 972, 980 Mayer, Werner 499, 502 Mayntz, Renate 575, 586 Mayr-Harting, Henry 237, 255 Mayrhofer, Manfred 287 f Mazal, Otto 130, 227, 346 Mazzie, Claudia A. 1184, 1190 Mazzucchi, A. 1088, 1093 McAnany, E´mile G. 834 McCabe, Allyssa 645 McCarter, Peter Kyle 175 f, 203 McCarthy, John 1370, 1379 McCarthy, R. 962, 971 McClelland, James L. 171, 203, 914, 916 f, 923 f, 930 f, 949, 952, 955, 957, 960 f, 965, 968, 970 f, 1095, 1100 f, 1160, 1168

McCloskey ⫺ Mirabeau McCloskey, M. 936, 941 McConkie, George W. 945, 947, 949⫺51, 953, 955⫺57, 961, 970, 971, 973, 981 f McConnell, Grant D. 346 f, 456, 470 McCusker, Leo X. 924 f, 931, 1103, 1116 McCutchen, Deborah 993, 997⫺99, 1001, 1004, 1179, 1181, 1184 f, 1187, 1190, 1530, 1535 McDonald, Barbara A. 1543 McDonald, J. E. 960, 970 McDougall, A. 1203 f McGee, R. 1331, 1350 McGinnes, Mildred A. 1206, 1215 f McGregor, C. J. 1340, 1350 McIntosh, A. 1298 McKenna, Frank P. 939, 942 McKitterick, Rosamond 58 f, 64, 108, 120, 543, 553, 560, 570 f McLean, R. 1348 McLeod, Alex 992, 1003 McLuhan, Herbert Mashall 2, 7, 14⫺16, 160, 170, 424, 431 McMillen, Georgia 427, 430 McNamee, Kathleen 1509 Mead, M. 1103, 1116 Mechler, Wolfgang, 1344, 1348 Meckling, Ingeborg 1239 Mediavilla, Claude 255 Medynskij, E. N. 813 Meeks, Dimitri 481, 490 Meenakshisundaran 470 Meer, Elke van den 1358 f, 1364⫺66 Megasthenes 324 Mehler, Jacques 948, 956, 982 Mehrotra, R. N. 464, 470 Mei Yingzuo´ 379 Meichsner, Helias 1393 Meier, Christel 551, 553 Meier, M. J. 1116 Meierotto 1120 Meiers, Kurt 1217, 1220⫺26, 1230, 1248, 1256, 1259 Meiggs, Russell 513, 516 Meigret, Louis 111, 120 Meinhof, Carl 760 Meinhold, Gottfried 738, 1452, 1455 Meis, Rudolf 1247 f Meiseles, Gustav 1485, 1487, 1490 Meisenburg, Trudel 7, 16, 1375, 1390, 1401, 1403, 1437, 1440, 1441 Meiser, Gerhard 518, 524 Meisner, Heinrich Otto 152, 156 f Meißer, R. 1364

1675 Meissner, Bruno 501 Melanchthon, Phillip 864 Mell, Alexander 1623 Mellinkoff, David 1496, 1499 Melville, Gert 546, 553, 571, 1584 Mende, D. 718, 720, 893 f, 897 Mendenhall, George E. 422 f Meng, C. Y. W. 835, 853 Mengaldo, Pier Vincenzo 569 Menilek II. 816 Menne-Haritz, Angelika 155, 157 Menninger, Kurt 265, 268, 363, 382, 1582 Menocal, Maria Rosa 567, 571 Mensching, Günther 1140 Mentrup, Wolfgang 159, 170, 601, 634, 695, 697, 728, 737 f, 1451, 1455, 1467 Mentz, Arthur 1514, 1608 Menyuk, P. 1336, 1347 Menzel, Hans-Bernd 1506, 1508, 1509, 1511, 1514 Menzel, Wolfgang 1150, 1152, 1220 f, 1224, 1226 f, 1230, 1239, 1240, 1245, 1247 f, 1250, 1255, 1260 Menzerath, Paul 904, 917 Mercer, A. A. B. 31, 41 Mercier, L. 115 Meredith, T. 1445 Mergenthaler, Otmar 209 Meriggi, Piero 286, 288 Merikare 485 f Meringer, Rudolf 989, 991 Merkel, Felix 547, 553 Merkelbach, Valentin 1236, 1239 Merklin, Harald 1285 Merziger, Gabriele 15, 991, 997, 1003, 1025, 1127, 1181, 1189, 1533 Mes-Prat, Margaret 1199, 1204 Mesrop 344, 804 Messer, Thomas M. 248, 255 Messerschmidt, L. 50, 64 Messmer, Oskar 918, 922, 925, 927, 929, 931 Methodios 344, 706, 803, 847, 849, 1290 Metternich 895 Metzeltin, Michael 602, 1404, 1495 Metzler, Dieter 39, 553, 570, 746, 766, 1514, 1557 Meulenbroek, Ruud G. J. 1028, 1030, 1032, 1034 Meumann, Ernst 919, 931, 983, 986⫺91, 1126, 1128, 1250 f, 1260 Meutsch, Dieter 1538, 1544 Meyer, Bonnie 972⫺75, 979⫺82, 1540, 1544

Meyer, Conrad Ferdinand 659, 672 Meyer, David E. 962, 968, 970, 1051, 1099 f Meyer, Eduard 483, 490 Meyer, Ernst 1508, 1514 Meyer, Heinrich 659, 671 Meyer, Hermann 1525 Meyer, Hilbert L. 1127, 1237, 1239 Meyer, Horst 100 f Meyer, Jean-Claude 1533 Meyer, Otto 861, 872 Meyer, Richard M. 1550, 1557 Meyer-Hermann, Reinhard 1525 Meynet, Roland 755, 766, 1490 Mezger, Otto 1043, 1048 Miceli, G. 1088, 1091 f Micha, Alexandr 563, 571 Michaeli, Walter 1532 Michaels, Sarah 639, 641, 643⫺45 Michel, F. 1086, 1093 Michel, Georg 1545, 1557 Michel, Lothar 1038⫺40, 1043, 1045⫺48, 1061, 1066 f Miescher, Friedrich 11 Mieses, Moses 747, 766 Miethaner-Vent, Karin 1579 f, 1582 Miethke, Jürgen 37, 41 Migliazza, Ernest 600, 603 Mikulecky, L. 635, 637 f, 769, 778 Miles, T. R. 1338, 1344, 1346, 1348, 1358, 1364 Milgram, N. A. 1356, 1366 Milik, Jo´zef Tadeusz 421, 423 Millard, A. R. 203 Millares Carlo, Agustı´n 542, 553 Miller, D. 1086, 1091 Miller, George 635, 638, 1018, 1023, 1026, 1058, 1067, 1539, 1544 Miller, Larry 882 Miller, Roy Andrew 450, 704, 707, 1102, 1116, 1416, 1417, 1426, 1483 Miller, Valerie 787, 790, 826 f, 831, 833 Mills, Harriet c. 848, 853 Milroy, R. 970 Minami, Masahiko 430 f Minamoto no Akikane 348 Minder, Robert 1235, 1239 Minegishi, Akira 393, 404 Minnis, Alastair, J. 3, 16 Minorsky, Vladimir 536 Minsky, Marvin 982, 1018, 1026 Mir Ali Harawi 532 Mir Imad 532 Mirabeau, Honore´ Gabriel du Riqueti 1615

Mirsky ⫺ Natalicio

1676 Mirsky, Jonathan 835, 853 Misra, Bal G. 460, 470 Misra, C. H. K. 470 Mitchell, T. F. 740, 744 Mitchell, William J. 1146, 1152 Mittau, M. 945, 957 Mittwoch, Eugen 319⫺21 Miyaji, Yutaka 1483 Miyajima, Tatsuo 1414, 1424, 1426, 1427, 1483 Miyazawa, Toshimasa 393, 404 Mizuno, Yu 404 Möckel, Andreas 1362, 1366 Mocker, Helmut 1069, 1072, 1074 Möcker, Hermann 1581 f Mocker, Ute 1069, 1072, 1074 Modiano, Nancy 1196, 1200, 1204 Modley, R. 1103, 1116 Moglen, Helene 645 Mohammed 248 f, 525, 533 f, 604, 609, 755, 1484 Möhle, Dorothea 1528, 1533 Möhn, Dieter 1523, 1526 Mohr, J. P. 1086, 1092 Molitor-Lübbert, Sylvie 915, 917, 1005, 1008, 1022⫺24, 1026 f, 1070 f, 1074, 1118, 1128, 1179, 1190, 1528⫺32, 1534 f Moll, Luis C. 427, 431 Möller, Georg 489 f, 1552 Monsell, Stephen 942, 969 f, 1030, 1035 Montada, Leo 1224, 1366 Montague, W. E. 645 Montaigne, M. 3, 82 Montgomery, Thomas 593, 603 Monty, R. A. 956 f Moog, Willy 864, 872 Mookerji, Radha Kumud 451, 464, 466, 470 Moon, Clifford 1290, 1298 Mooney, Dennis 1037, 1048 Mooney, James 712, 720 Moorehead, Alan 816, 824 Moos, Peter von 556, 571 Morais, Jose´ 1076, 1090, 1096, 1100, 1111, 1116, 1159, 1167, 1168, 1337, 1349 Moran, Thomas P. 1073 Moran, William L. 499, 502 Morantz, Donald J. 1037, 1047 Morasso, Pietro 1029, 1033⫺35 Moret, Alexandre 484, 490 Morgan, Ronald R. 876, 882 Morgan, W. P. 1329 f, 1349 Morgenstern, Christian 1227 Mori, K. 450, 1108, 1116 Morison, Stanley 203, 217, 227, 553 Morita, Shiryu 254 f

Moritz, Karl Philipp 1268, 1283, 1548, 1557 Morohashi, Tetsuji 362, 365, 382, 392, 394, 404, 1413, 1427 Moroni, Federico 884, 891 f Morra, L. 1499 Morris, D. 1081, 1093 Morris, Joyce M. 1290, 1298 Morris, R. K. 946 f, 952, 954⫺57, 961, 970 Morris, Robin 1352, 1365 Morris, William 225, 244 f Morrison, F. J. 1160, 1168, 1339, 1348 Morrison, Gayle 718, 720 Morrison, R. E. 944 f, 950, 953, 956 Morrison, Robert 842 Morrow, Leslie M. 1150, 1152 Morse, Samuel 1630 Morton, John 967, 970, 1082, 1083, 1087, 1093 Mosenthal, Peter 881, 1004, 1024, 1026 Moser, Dietz-Rüdiger 867, 872 Moser, E. 1157, 1169, 1343, 1351 Moser, Franz 1608 Moser, Urs 1362, 1365 Moses 330, 604, 609, 679, 766 Mosin, Vladimir 130 Motovu, Joachim 823 Mötsch, Johannes 152, 157 Motsch, Wolfgang 1467, 1516, 1522, 1524, 1526 Motschmann, Uta 671 Mountford, John D. 1445 Mpogolo 781, 790 Muess, Johannes 227, 234, 255 Muir, Darwin W. 227, 1215 Mulder, G. 1034, 1035 Muljacic, Zarko 589, 598 f, 603 Müller, Alois 29, 39 Müller, Bodo 600, 603 Müller, Conrad 1281, 1285 Müller, Erhard Peter 1230 Müller, Frank M. 117, 120 Müller, Horst-Manfred 884, 891, 892 Müller, Jan-Dirk 75, 84, 561 f, 571, 1535 Müller, Johannes 1195, 1204, 1510, 1514 Müller, Josef 1307 f Müller, Karin 41, 103⫺06, 111, 113, 116, 120, 764, 766, 1181, 1188, 1190, 1504, 1506, 1531 f Müller, Klaus 1025, 1047 f Müller, L. 1122 Müller, L. 1122 Müller, Robert F. 918, 922, 924, 930

Muller, S. 155, 157 Müller, Ulrich 569, 884, 891⫺93, 1331, 1345, 1351, 1364 Müller, Ursula 1355, 1363 f Müller, Walter 1221 Müller, Walter W. 312 Müller, Wilhelm 1056 Müller, Wolfgang 62, 65 Müller-Michaels, Harro 1026, 1237, 1239, 1240, 1277 Müller-Yokota, Wolfram 382, 385, 388, 391, 394, 404, 450, 1414, 1418 f, 1427, 1582 Mummery, John F. 902 Münch, P. G. 1243 Münch, Paul 101, 1243 Münch, Richard 578, 586 Mundt, Theodor 895, 1548, 1558 Munk Olsen, Birger 545, 553 Munoz Izquierdo, Carlos 833 Murakami, Haruki 1420, 1424, 1427 Murasaki, Shikibu 388, 404, 1481 Murphy, James J. 542, 553 Murphy, Joseph 680, 685 Murray, De´nise E. 425, 431, 645 Murrell, G. A. 967, 970 Musaev, Kenesbaj M. 761, 766, 807, 809, 811, 813, 1603 Musil, Robert 1552 Müsseler, Jochen 1215 Mussen, Paul Henry 1212, 1216 Mustafa, Kemal 789 Muthmann, Gustav 1580, 1582 f Muzerelle, Denis 1507, 1513 Muzika, Frantisek 229, 255 Myers, J. L. 947, 956 Myklebust, Helmer R. 1207, 1212, 1215

N Nachmanson, Ernst 1509, 1514 Naegele, Ingrid 1153, 1168, 1248, 1257 f, 1260, 1349, 1354, 1356, 1362, 1366 Nagao, M. 981 Nagel, Manfred 1320, 1329 Nagy, George 136, 138, 145, 1073 Nagy, Gregory 3, 16 Nair, A. Sukumaran 465, 470 Nakahara, Naomichi 1413, 1427 Nakamura, Glenn 973, 980 Nakata, Yujiro 255 Nake, Frieder 584, 586 Nanninga-Boon, A. 1207, 1216 Nascimento, G. 768, 774, 778 Nassen, U. 1239 Natalicio, Diana S. 1194, 1204

Nathan ⫺ Onesimus Nesib Nathan, Ruth G. 1144, 1147 f, 1153 Nattkemper, D. 953, 956 Naumann, B. 1543 Naumann, Carl Ludwig 696 f, 1250, 1260 Naveh, Joseph 203, 301 f, 305 f, 505, 510, 1507, 1514 Nayak, G. H. 455, 470 Nearchos 324 Nebrija, Antonio de 111, 120 f, 1136, 1141, 1393 Needham, J. 17, 656 f Nehr, Monika 1196, 1202, 1204 f Neidhart von Reuental 1272 Neill, W. T. 1107, 1116, 1294, 1299 Neiser, J. J. 966, 971 Neisser, Ulric 923, 931, 1142, 1147, 1152, 1175, 1177, 1335, 1349 Nekrich, Alexander 813 Nelde, P. 1514 Nelles-Bächler, Maria 1351, 1366 Nelson, Katharine 3, 15 f Nelson, Keith E. 1204 Nenniger, Peter 999, 1003 Nentwig, Paul 1234, 1239 Nepos 1282 Neratius Priscus 126 Nerdinger, Eugen 220, 227 Nerius, Dieter 40 f, 688, 692, 697, 722, 724, 728, 733, 737⫺39, 766, 1378 f, 1380, 1451, 1455, 1466 f, 1503, 1506 Nerva 233 Nestle, Wilhelm 646, 653 f, 1135, 1141 Nettesheim, Agrippa von 680, 685 Netzer, Klaus 1525 Neu, Erich 283, 288 Neudörffer, Anton 244 Neudörffer, Johann 240⫺42, 254 Neugebauer, Otto 484, 490 Neuhaus-Siemon, Elisabeth 1141, 1149 f, 1152, 1217, 1224, 1242 f, 1248 Neumann, Gerhard 671 Neumann, Karl 1239, 1260 Neustupny, Jiri 1483 Nevins, Allan 574, 586 Newcombe, Freda 928, 930, 962, 970, 1116 Newell, Allan 999, 1004, 1022, 1026, 1073 Newkirk, Don 1628 f Newkirk, Thomas 1187, 1190 Newman, Anabel Powell 892 Newton, Isaac 8, 631, 1531 Nguyen Dinh Hoa` 444, 450

1677 Nguyen Thuyen 402 Ni Haishu 842, 845, 853 Niccoli, Niccolo 201 Nickel, Horst 1242, 1245, 1248 Nickerson, R. S. 1026 Nie, H. Y. 1111, 1116 Nieddu, Gian Franco 513 f, 516 Niedermann, Max 763, 766 Niemann, Henrich 138, 145 Niemeyer, Wilhelm 1282, 1335, 1349 Niemi, P. 945, 955 Nieß, Ferdinand 1348 Niethammer, Friedrich Immanuel 1231 Nietzsche, Friedrich 82, 1270, 1272, 1549, 1552, 1558 Nieuwenhuyse, B. 931 Niklas von Wyle 1281 Nikolaus III. 151 Nilsson, L.-G. 1334, 1348 Nilsson, Martin P. 646 f, 653 Nisbett, Richard E. 999, 1004 Nissen, Hans-Jürgen 19, 41, 51 f, 65, 257, 263 f, 279, 283, 288, 433, 436 Nitsch-Berg, Helga 1141, 1152 Niwinski, Andrzej 489 f Njoja 710⫺12 Noel, R. W. 450, 665, 670, 961, 969 f Noh, M.-W. 1317 f Nolan, Christopher 1206, 1216 Nolan, K. E. 1088, 1093 Nolda, Sigrid 1322, 1329 Nomoto, Kiuko 1483 Nomura, Massaki 1413, 1416, 1424, 1427 Norden, Eduard 56, 65, 1281, 1285 Nordman, Marianne 635 Norman, Donald A. 994, 1004, 1541, 1544 Norman, Jerry 1410, 1412 Norman, Ralph 1177 Norman, William 408, 415 Norris, S. 638 Northcutt, N. 770, 778 Nossack, Hans Erich 668 Nöth, Winfried 1509, 1511, 1514 Notker von St. Gallen 560 Notoya, Masako 1208 f, 1216 Notz, Irmgard 1217 Novalis 662, 665 Novikov, N. 811, 813 Nowak, Bernhard 84 Noyce, Ruth M. 1150, 1152 Nuna, Sheel 464, 471 Nussbaumer, Markus 1185, 1190, 1518, 1526 Nusser, Peter 1236, 1239 Nyberg, Ulla 1508 f, 1511, 1514 Nyerere, Julius 781

Nystrand, Martin 641, 645, 671, 1004, 1016, 1024⫺27, 1179, 1188, 1190, 1528, 1535

O O’Brien, E. J. 947, 955 f O’Coileain, Sean 557, 571 O’Connor, Mary Catherine 508, 510, 1505 O’Donnell, R. C. 1182 f, 1190 O’Flavahan, J. F. 1027 O’Neill, Marnie 1294, 1299 O’Regan, Kevin 920, 930, 944 f, 947, 951 f, 954⫺57 O’Shea, M. V. 1178, 1191 Oakhill, Jane 938, 940, 942 Obata-Reiman, Etsuko 1413, 1427 Oberg, Antoinette 638, 645 Oberliesen, Rolf 160, 170 Ochs, Elinor 427, 431, 588, 603, 641, 645, 772, 778 Odell, Lee 1532, 1535 Oellers, Norbert 671, 1152, 1177, 1285 Oelsner, Joachim 500, 502 Oeltjen, Wiebke 584, 586 Oerter, Rolf 1220, 1224, 1254, 1260 Oesterreicher, Wulf 4⫺6, 16, 29, 40, 74, 83 f, 103, 119 f, 587, 588, 590⫺92, 596, 599 f, 602 f, 1398, 1400, 1403, 1491, 1495, 1502, 1505 Oestreich, Gerhard 869, 872, 1236 Ogan, B. 894, 897 Ogbu, John U. 881 f Öhlschläger, Günther 738 Ohm, Georg Simon 631 Öhman, Sven E. G. 904, 917 Ohmann, Richard 644 f Oikonomides, Al.N. 1513 f Ojeda, A. E. 981 Okazaki, Kei 351, 382, 404 Oliveira, Fernao de 110 f, 120, 1393, 1402 Olivier, Jean-Pierre 274 Ollone, Henri Mari Gustave de 720 Olson, David R. 1, 15⫺17, 424 f, 428, 430 f, 601, 638, 641, 645, 655⫺57, 771, 778, 833, 882, 985 f, 991, 1004, 1091, 1181 f, 1184 f, 1189 f, 1318, 1503, 1506 Olson, R. K. 945, 955, 1334, 1338, 1349 Omar 525 Omstein, P. A. 1366 Onesimus Nesib 819

Ong ⫺ Peters

1678 Ong, Walter J. 1, 2, 15 f, 20, 36, 41, 61 f, 65, 84, 101, 119, 424, 431, 588, 593, 599, 603, 605 f, 607, 610, 613, 614, 618, 641, 645⫺47, 653, 671, 1068, 1074, 1392, 1398, 1403, 1531, 1535 Önnerfors, Alf 538, 553 Ooijens, Johannes L. P. 833 Oomen, Ursula 1516, 1526 Opaschowski, Hans Wilhelm 84 Opitz 1272 Opitz, M. 1272 Opland, Jeff 559, 571 Oppenheim, P. 1521 Oppermann, Reinhard 1068, 1073 Oppert, J. 275 Orasanu, Judith 980 Orden, Guy C. van 964 f, 971, 1095, 1101 Oresme, Nicole 1492 Origenes 126 Orlovic, Marija 1205 Ormrod, J. E. 1081, 1093 Ornato, Ezio 1513 Orth, Ilse 1327, 1329 Ortiz, Leroy I. 1194, 1201, 1204 Ortner, Hanspeter 1126, 1128 Orton, S. 1092, 1115 Osaka, R. 1108, 1115 Osherson, Daniel N. 1100 Osing, Jürgen 296, 491 Osley, A. S. 219, 227 Osorio, Jorge 829 f, 833 f Ossner, Jakob 697, 916, 1268 Ostwald, Wilhelm 632, 635 Oswald, Marie-Luise 884, 891 f Otfried von Weissenburg 109, 560, 1137, 1500 Ott, Ulrich 671 Ott, Wilhelm 671 Otten, Heinrich 500, 502 Ottnad, Bernd 149, 151, 153 f, 157 Otto, Eberhard 483, 486, 489, 490 f Otto, Gunther 1123, 1128, 1146, 1152 Otto, U. 897 Otto, Wayne 1028 Otto-Fölsing, U. 893 f, 897 Ouane, Adama 832, 883, 890 f Ovink, G. W. 227 Owen, David I. 498, 502, 795, 798

P Paap, Kenneth R. 960 f, 969 f Pacioli, Luca 10, 241 Pacolt, E. 737

Paden, William D. 556, 571 Padilla, Raymond V. 431 Padmanabha, P. 456, 470 Paige, John 209 Painton, S. 966, 971 Paiva, Vanilda 833 Palaima, Thomas G. 423 Palmer, Leonhard R. 599, 603 Palmer, Nigel F. 549, 553, 861, 863, 871 Palmer, Stephen 977, 982 Pamphilos 126 Panconcelli-Calzia, Giulio 903, 904, 917 Pandey, Raj Bali 323, 328 Panini 2 f, 324, 326, 451 f, 469 Pankhurst, Richard K. 818, 824 Pantelidis, Veronica S. 1308 Paoli, Caesare 1514 Papaspyrou, Chrissostomas 1628 f Papert, Seymour 982 Papritz, Johannes 157 Paradis, M. 1106, 1109, 1116 Parakh, B. S. 470 Parangeli, Oronzo 673, 678 Parchani, S. 455, 469 Pare, G. 1280, 1285 Paris, P. 1018, 1027 Paris, S. G. 1360, 1366 Park, Kwonsaeng 1317 f Park, Takoma 855 Park, Y.-S. 1317 f Parker, Richard A. 484, 490 Parker, Roger W. 227 Parker, Stephen 1286, 1290, 1296, 1298 f Parkes, Malcolm Beckwith 7, 16, 543, 553 f, 558⫺60, 564, 571 Parkinson, R. B. 476, 491 Parmenides 514, 648 Parpola, Asko 269, 274 Parpola, Simo 500, 502 Parrot, Andre´ 498, 502 Parry, Milman 646 f, 653 Parry, P. 119, 1114 Parsonson, G. S. 701, 707 Pasch, Renate 1522, 1526 Pascual-Leone, J. 1010 f, 1026 Pasquali, Giorgio 678 Passeroni, Gian Carlo 660 Passy, Paul 1585 Pastior, Oskar 682, 685 Pastrana 108 Pate, D. S. 1088, 1093 Paterson, Katharine 1292 Paton, Jimenez 111 Pattanayak, D. P. 453⫺55, 457, 459, 460, 470 Patterson, Karalyn 928 f, 931, 936, 941 f, 963, 970 f, 1085⫺87, 1089⫺93, 1095, 1100, 1114, 1116, 1167, 1347

Pattison, Helen M. 1445 Pattison, Robert 880, 882 Patze, Hans 60, 65, 546, 554 Patzig, Günther 651, 653 Patzig, R. 1255, 1259 Paukens, Hans 884, 892 Paul III. 895 Paul IV. 895 Paul, Hermann 739, 744, 1403 Paul, Manfred 145 Paul, R. 1075, 1093 Paul-Mengelberg, Maria 1048, 1056 Paulhan, Jean 3, 16 Paulsen, Friedrich 1269, 1277 Paulston, Rolland G. 826, 833, 1196, 1203 Paulus 650 Pavlenko, Nikolaj 813 Pavlidis, G. Th. 1334, 1349 Pawis, Reinhard 678 Pawley, Andrew 591, 603 Payrhuber, Franz-Josef 1284 f Peake, Cyrus H. 840, 853 Pearson, P. David 881, 973, 980, 1167, 1308 Pechmann, Thomas 1527, 1529, 1531, 1535 Peck, E. J. 702 Peck, Michaeleen 1028, 1034 Peer, Willie van 36, 41, 1122, 1128 Peiper, Albrecht 1212, 1216 Peirce, Charles 1559 f, 1562 Peitz, Wilhelm M. 540, 553 Pellegrino, James W. 1543 Pellegrino, M. 1496, 1499 Pen’kov, Ivan 706 Pennington, Bruce 1095, 1101 Perec, George 662 Perera, D. A. 832, 883, 890 Perera, Katharine 1288, 1299 Perfetti, Charles A. 641, 645, 773, 778, 980, 1099 f, 1168 Perikles 86, 104 Perin, D. 1081, 1093 Perkell, John S. 916 f Perkins, David N. 173, 203 Perl, Matthias 1402 Perney, J. 1081, 1093 Perotti, N. 108 Perrat, Charles 203 Perrig, Walter 977, 982 Perry, M. C. 391 Peruzzi, Sonia 833 Peschke, Helmut 1068, 1073 Pestalozzi, Johann Heinrich 85, 986, 1120 Pestman, P. W. 481, 491 Peter der Große 674, 803 Peters, A. M. 1108, 1117 Peters, Karl 1047 f Peters, Robert 598, 603

Peters ⫺ Proust Peters, U. 1234, 1274 Peters, Ulrich 1234 Petersen, Julius 1553 Petersen, O. 1077, 1092, 1553 Petersmann, Hubert 519, 524 Peterson, Carole 645 Peterson, L. 961, 970 Peterson, O. 1159, 1168 Peterson, W. Wesley 1638 Petöfi, Janos S. 975, 982, 1516, 1525 f Petrarca, Francesco 200, 567, 674 Petrinovich, L. F. 926, 930 Petronius 520 Petrucci, A. 519, 524 Petrus Venerabilis 566 Petschow, Herbert 499, 502 Petz, Johann 150, 152, 157 Petzold, Hilarion 1327, 1329 Peuser, Günter 1528, 1535 Pfanne, Heinrich 1040, 1046⫺48 Pfefferli, Peter W. 1037, 1041, 1048 Pfeiffer, Eckart 1328 Pfeiffer, Gerhard 1331, 1349 Pfeiffer, Johannes 1235, 1239, 1326 Pfeiffer, K. Ludwig 39, 40, 84, 121 Pfeiffer, Michael 1146, 1152 Pfeiffer, Oskar E. 1392, 1403 Pfeiffer, Rudolf 515 f Pfister, Max 1492, 1495 Pfizmaier 359 Pflugradt, Nina 1542, 1544 Pfohl, Gerhard 204, 697 Phadke, Y. D. 460, 470 Philipp, Manfred 1037, 1048 Philippart, Guy 544, 554 Philippe de Thaon 564 Philips, Susan U. 426 f, 431 Phillips, L. 638 Philo von Byblos 508, 510 Philocalus, Furius Dionysius 232 Pi Sheng 205 Piaget, Jean 13, 991, 1010, 1128, 1141 f, 1145, 1152 f, 1179, 1181, 1185, 1189, 1212, 1216, 1220, 1224 Picasso, Pablo 248, 255, 683 Piccard, Gerhard 130 Piche´, Gene L. 1182, 1188⫺90 Pichert, James 973, 980, 982 Picht, Oskar 1619 Pick, A. 928, 931 Picon Espinoza, Ce´sar 829, 831, 833 Pielow, Winfried 1327 f Piepenburg, Ulrich 1070, 1074 Pigeaud, Jackie 514, 516 Pignot, E. 1159, 1167 Piirainen, Ilpo Tapani 631, 635, 676, 678, 738

1679 Pilatus, Pontius 681 Pillsbury, W. B. 921, 929, 931 Pimiko 442 Pindar 5 Piotrowski, Raimund G. 1074 Piper, Fred 1616 Pippin der Kurze 199, 237, 540, 541 Pirenne, Henri 546, 554, 620, 627 Pirenne, Jacqueline 305, 306, 309, 312 Pirozzolo, Francis J. 1177 f Pisoni, David B. 906, 916 f, 970, 1115 Pistolese, Serafino 157 Pitman, Isaac 1607 Pitman, Sir James 45, 938, 942, 1584, 1586 Pitz, Ernst 60, 65, 546, 554 Plamondon, Rejean 1029, 1034 f Plank, Frans 1369, 1379 Plato 2, 11, 14, 31, 52, 64, 71, 75, 83, 104 f, 110, 115, 120 f, 424, 429 f, 514, 516, 646, 648 f, 652, 653, 682, 689, 984, 1230, 1278 f, Plenzdor f, H. 897 Pleticha, Heinrich 1329 Plett, Heinrich F. 1285, 1546, 1558 Plinius 79, 123, 148, 507, 521, 629, 1578, Plutarch 1282, 1609 Pogarell, Reiner 635 Pöggeler, Otto 40 Poggio, Giovanni Francesco 199, 201, 216 Pogner, Karl-Heinz 1530, 1532 Pohl, Alfred 498, 502 Pohl, Hans 872 Pohl, Klaus Dieter 1036, 1048 Pöhlmann, Egert 512⫺14, 516 Pokorny, Julius 3, 16 Polenz, Peter von 591, 603, 1518, 1526 Polivanov, Evgenij D. 806, 813 Pollack, J. B. 974, 982 Pollard, Graham 548, 554 Pollatsek, Alexander 918, 931, 935, 940, 944⫺46, 950⫺57, 960 f, 964⫺66, 969⫺71, 1175, 1177, 1497, 1499 Polley, Rainer 146, 157 Polo, Jose´ 1439, 1441 Pompino-Marschall, Bernd 907, 915, 917, 1377, 1379, 1591 Ponce de Leon, Pedro 1207, 1624 Ponceau, Peter S. du 1417, 1427 Ponert, Dietmar Jürgen 558, 571 Ponge, Francis 661 Poole, Lawrence H. 1073, 1178, 1190

Pope, Maurice 274, 416, 423 Pophal, Rudolf 1049, 1052 f, 1056 Popovics, A. 1086, 1092 Poppendieker, Renate 1214, 1216 Popper, Karl 657 Portmann, Paul R. 1185, 1189, 1190, 1531, 1533, 1535 Portnoy, S. 1503, 1506 Poseidonios 515 Posener, Georges 480, 482, 491 Posener-Krieger, Paul 296, 480, 481, 491 Posner, Ernst 146⫺49, 151, 155, 157 Posner, Michael I. 934, 942, 945, 950, 955, 1107, 1116, 1358 Posner, Roland 574, 586 Pospeschill, Markus 1074 Posset, Jürgen 758, 766, 1327 f Posteraro, L. 1088, 1093 Postman, Leo X. 923, 931 Postman, Neil 582, 586 Potemkin 1594 Potkens, Johannes 319 Potter, Ralph K. 45, 48, 904, 917 Potts, G. R. 970, 1115 Pound, Ezra 78 Powell, Marvin A. 279, 281, 288, 492, 495, 503, 892 Pozzi-Escot, Ines 600, 603 Pratt, Fletcher 1616 Pregel, Dietrich 1180, 1190, 1221, 1224, 1230 Prem, Hanns J. 413, 415, 423, 465, 466, 470 Prestel, Josef 1233 f, 1239 Preston, M. S. 1106, 1116 Preston, Rosemary A. 788, 790 Prevost, Hippolyte 1607 Preyer, Wilhelm 983, 990 f, 1050 f, 1056 Priese, Karl-Heinz 296 Prieto Morales, Abel 826, 833 Prillwitz, Siegmund 1214, 1216, 1626⫺29 Primus, Beatrice 1451, 1455 Prince, Ellen F. 1497, 1499 Prinsep, J. 421 Prinz, Wolfgang 942, 953, 956 Prior, M. 962, 970, 1082, 1347 Priscian 107, 108, 111, 200, 522, 542, 1280 Pritchard, James B. 501 Probst, Holger 1362, 1366 Proskouriakoff, Tatiana 410, 415 Protagoras 649, 895, 1279 Prou, Maurice 193, 204 Proust, Marcel 78, 660 f, 663, 667 f, 670, 1391

Prunner ⫺ Reymond

1680 Prunner, G. 859 Psichari, Jean 739, 744 Ptahhotep 485 Ptolemaios I. 515, 655 Puchner, Laurel D. 426, 431 Puech, E´mile 300, 306, 1401 Pugh, A. K. 891 f Pulgram, Ernst 118, 599, 603, 1371, 1379, 1386 f Pulleyblank, Edmund G. 1476 Purnell, Herbert C. 702, 707, 859 Purves, A. 1497, 1499 Püschel, Ulrich 1558 Puschkin, Alexander 662 Pylyshyn, Zenon 981 Pynte, J. 945, 956

Q Qi Jianhua 847 Qin Shi-Huangdı´ 355 Qu Qiubai 844 f Quaegebeur, Jan 482 f, 491 Quaglio, Antonio Enzo 569 Quantz, J. O. 926 f, 931 Quasthoff, Uta 1520 f, 1526, 1530, 1534 Queller, D. 60, 65 Queneau, Raymond 1494 Quentin, H. 674, 678 Qui, Xigui 1409, 1412 Quillian, M. Rose 1541, 1543 Quinn, Karen 995, 1004 Quintilian 14, 106, 111, 521, 690, 693, 763, 1242, 1279, 1285, 1564 Quix, M.-P. 1514 Qurra Ibn Sarik 314

R Raabe, Wilhelm 1176 Raaflaub, Kurt A. 521, 524 Raasch, Albert 1525 Rabin, Chaim 598, 603 Racine, Jean 1231 Rack, J. P. 1081, 1093, 1334, 1338, 1349 Rada, Juan 577, 586 Rademacher, Gerhard 1223 Radhakrishna, B. 742, 744 Radke, Gerhard 519, 524, 763, 766 Rädle, Fidel 690, 697 Radtke, Edgar 601 f, 1396, 1401 f Radtke, I. 619 Raeuber, Alexandra 255 Rafal, D. 1107, 1116 Rafoth, Bennett 1531, 1535

Rahden, Wolfert van 114, 120 Rahman, T. 1340, 1349 Rahn, Fritz 1284 f Rahn, Helmut 1284 f Rahnenführer, Ilse 1375, 1379 Raible, Wolfgang 3⫺7, 10⫺17, 36, 39, 41, 57, 65, 75, 84, 104, 106, 108, 112, 118, 120, 513, 516, 522, 524, 568, 590⫺92, 601, 603, 617⫺19, 871, 908, 917, 1119, 1390⫺92, 1401, 1403, 1491 f, 1494 f, 1516, 1519⫺21, 1525, 1580, 1583 Raison, Jacques 272, 274 Rajagopalachari, C. 464, 470 Ramers, Karl Heinz 1379 Ramisch, Brigitte 1361, 1364 Rammert, Werner 1073 Ramming, Martin 450 Ramses II. 418, 487 Ramses III. 483 Ramus, Petrus 763 Ranaweera, A. Mahinda 883, 891 Rand, Muriel 1150, 1152 Randall, Janet 65, 955 Ranke, Hermann 276, 288 Ranker, A. 130 Ranschburg, Paul 1330, 1332, 1335, 1349 Ransom, J. E. 698, 700, 706, 708 Rao, K. V. 454, 470 Rao, Shikapur Ranganath 322, 328, 453 Rao, Thammavarapu R. N. 1638 Rapcsak, S. L. 927, 1085, 1087, 1093 Rapin, Isabelle 1206, 1216 Rappsilber-Kurth, Dora 1230 Rastogi, Naresh Prasad 453, 470 Rath, Rainer 590, 603 Ratke, Wolfgang 1281 Rau, Cornelia 1530, 1534 Rau, Hans Arnold 1327⫺29 Raumer, Karl von 1141, 1232, 1239 Raumer, Rudolf von 1138 f, 1141, 1270 Raupach, Manfred 1528, 1533 Rausch, Karin 1205 Rautenberg, Ursula 597, 603 Rawlinson, F. 842, 853 Rawlinson, H. 275, 418 Rawski, E. 637 f, 835, 853 Ray, John D. 262, 264, 330, 347 Ray, P. B. 453, 462 f, 467, 470 Ray, Punya Sloka 455 Rayner, James J. E. 902 Rayner, Keith 918, 931, 935, 940, 944⫺57, 960 f, 970 f, 973, 982, 1161, 1168, 1175, 1177, 1334, 1349, 1497, 1499

Raza, Moonis 464 f, 471 Read, Charles 837, 847, 849, 1075⫺79, 1088, 1093, 1111, 1116, 1142, 1147, 1148, 1152, 1165, 1168 Reber, A. S. 1092, 1114 Reckermann, Ullrich 1160, 1168, 1338 f, 1349 Redder, Angelika 23 f, 41 Reddix, Mike D. 945, 1249, 1258 Reddy, Kethu Viswanatha 455, 471 Redford, Donald B. 483, 491 Reed, R. 130 Rees, E. 1022, 1025 Regardie, Israel 680, 685 Rehbein, Jochen 23 f, 41, 577, 586, 1556 Rehfeld, Werner 159, 167, 170, 585 Rehkämper, Klaus 978, 981 Reich, Phillipp Erasmus 95 Reichardt, Dagmar 733, 738 Reichel, Michael 5, 15⫺17, 516, 646, 653 Reicher, Gary M. 923 f, 931, 961, 970 f Reichert, Hermann 572 Reichmann, Oskar 601, 627, 739, 871, 1402, 1514, 1583 Reid, Ian 1295, 1299 Reid, Jessie 1147, 1152 Reid, MaryLou 1032, 1034 Reijnders, H. F. 542, 553 Reimöller, H. 84 Rein, W. 991, 1233 Reinau, H. 524 Reiners, Ludwig 1551 f, 1558 Reinert, Günther 1124, 1128, 1241 Reinhard, Ludwig 1244, 1248 Reisbeck, C. 1025 Reiß, Günter 1224, 1347, 1350, 1363 f, 1366 Remarque, Rainer Maria 896 Rembrandt, Harmensz von Rijn 1271, 1562 Renaud, Andre´ 997, 1004 Renfrew, Colin 271, 274 Renner, Erich 1241, 1246 f Renner, Paul 220, 224 f, 227, 246, 255 Rentel, V. 1179 f, 1190 Repp, Bruno H. 905, 917 Requin, Jacques 1035 Resnick, Daniel P. 769, 778, 880⫺2, 1100 Resnick, Lauren B. 769, 778, 880⫺2, 1100 Restle, F. 916 f Reuchlin, Johannes 93 Reymond, E. A. E. 481, 491

Reynolds ⫺ Rusby Reynolds, Leighton D. 514, 516, 522, 524 Reynolds, Ralph 972, 980 Rhodes, C. 145, 444 Rhodes, P. Alexandre de 402, 444 Rhosos, Johannes 184 Ricard, A. 744 Ricci, Matteo 842, 845 Rice, Don S. 423 Richard, Jean 1616 Richards, George B. 1037, 1048 Richardson, K. 1178, 1182, 1190 Richaudeau, Franc¸ois 10, 17 Richert, Hans 1272 f Richter, Gregor 157, 865 f, 872 Richter, Gunnar 1476 Richter, Helmut 1373, 1380 Richter, Kurt 1260 Richter, Sigrun 1332, 1346, 1349 Ricken, Ulrich 1491, 1493, 1495 Rickheit, Gert 972, 980⫺82, 1012, 1021, 1024, 1026 f, 1180, 1187, 1190, 1503, 1506, 1530, 1535 Riddoch, J. 962, 970, 1347 Ried, Hans 239, 677 Riedel, Manfred 647, 652 f Riedl, Rupert 1, 17 Riegel, Hermann 621 Rieger, Burghard 580, 586 Rieger, Dietmar 564, 571 Riehm, Ulrich 170 Riehme, Joachim 1250 f, 1260, 1378, 1380 Riese, Berthold 423 Riesel, Elise 1554, 1558 Rieß, Michael 1047, 1048 Riffaterre, Michael 1555, 1558 Riggs, L. A. 944, 957 Rigol, Rosemarie 1258, 1260 Rilke, Rainer Maria 78 Rimskij, L. 813 Rinden, Arthur O. 842 f, 853 Riquer, Martin de 556, 571 Ritz-Fröhlich, Gertrud 1221, 1225, 1230 Rivarol, Antoine de 1493 Rivero Herrera, Jose´ 829, 833 Rix, Helmut 517 f, 524, 676, 677, 1583 Robb, Kevin 512, 516 Röbe, Edeltraud 1218, 1222, 1224 f Röber-Siekmeyer, Christa 1166, 1168 Roberts, Colin H. 512, 517, 522, 524 Robertson, Merle 415 Robinson, Helen M. 1537, 1544 Robinson, Saul B. 1239 Rochow, Eberhard von 1232 Rock, Irvin 1212, 1216

1681 Rockhill, Kate 426, 429, 431, 772, 778 Rodgers, Theodore 821, 824 Rödiger, Emil 309, 312, 421 Rödinger, Karl-Heinz 1070, 1074 Rodinson, Maxime 312, 317, 321 Rodrigo, Gonzales 833 Rodriguez de Serrano, Mercedes 833 Rodriguez, Joao 386, 404, 678, 833 Roeder, Peter M. 1121, 1128 Roelens, Maurice 1495 Roeltgen, David P. 927, 1032, 1035, 1081, 1085, 1087, 1093 Roemer, Hans Robert 1303, 1308 Roen, Duane 1188, 1190, 1499 Roenker, Daniel L. 1544 Rogers, D. R. 1093 Rogers, M. 961, 970 Rohl, M. 1081, 1093 Rohman, D. G. 1005, 1027 Rohr, Barbara 1353, 1366 Rohr, Gabriele 1073 Röhr, Horst 1355, 1366 Rohr, R. 120 Röhrs, Hermann 1128 Rojo, Emilia 827, 828, 833 Roland 6 Rolf, Arno 577, 586 Rolf, Eckard 1522, 1526 Rolle, Richard 559 Röllig, Wolfgang 204, 280, 288, 501, 510 Roloff, Hans-Gert 570 Romain, Helene 1533 Romaine, Suzanne 523, 596, 603, 1192, 1204 Romani, C. 1088, 1091 Römer, Jürgen 1507 f, 1510⫺12, 1514 Ronan, C. A. 14, 17 Rörig, Fritz 554, 614, 619 f, 628 Rorty, Richard 640, 645 Rosaldo, Michelle Z. 605, 610 Rosaldo, R. L. 436 Rosat, Marie-Claude 1187 f, 1191 Rosati, G. 1089, 1093 Rosch, Eleanor 982 Rose, Kurt 1159, 1249, 1260 Rose, Mike 640, 644 f, 831, 832, 883, 1543 Rosebrock, Cornelia 1544 Rosen, G. D. 1347 Rosen, Harold 992, 1003 Rosen, M. J. 1333, 1346 Rosenberg, Sheldon 1026f ,1529, 1533, 1535 Rosenblat, Angel 1438 f, 1441 Rosengren, Inger 1190, 1516, 1522, 1524, 1526, 1534

Rosenthal, Franz 536, 1301 f, 1308 f Rosenwasser, Marie 892 Rosier, P. 1200 f, 1204 Rösler, Wolfgang 3, 17, 86, 101, 105, 108, 120, 513 f, 517, 647, 653 Rossi, Jean-Pierre 1003 f Rossignol 1614 Rößler-Köhler, Ursula 488, 491 Rost, D. H. 1290, 1299 Rotermund, E. 897 Roth, Erwin 1365 Roth, F. P. 1336, 1349 Roth, Heinrich 1220, 1225, 1365 Rothe, Arnold 101 Rothkegel, Annelie 1528, 1535 Rothkopf, Ernest 973, 982 Rott, Christoph 1344, 1348 Rousseau, Jean-Jacques 77, 84, 104, 114 f, 119, 650 f, 653, 1360, 1366 Routh, D. K. 1167, 1366 Rowan, A. James 1216 Roy, David 450 Rozin, P. 1102 f, 1114 Rubens, A. B. 1085, 1087, 1093 Rubenstein, Herbert 963, 971, 1103, 1116 Rubenstein, Milly H. 963, 971, 1103, 1116 Ruberg, Uwe 551, 553 Rubin, David C. 932, 942 Rubin, Donald L. 1531, 1535 Rubin, H. 1182⫺84, 1190, 1337, 1347 Rubin, Joan 533, 707 Rubin, R. 1333, 1346 Rubinstein, Sergeij L. 1257, 1260 Rück, Peter 58, 65, 149⫺53, 157, 240, 255, 752, 766, 1512, 1514 Rudberg, Gunnar 1511, 1514 Ruddy, Margaret G. 1099 f Rudel, R. G. 1337, 1347 Rudert, J. 987, 991 Rudloff, Holger 1239 Rudolph, Elisabeth 1518, 1526 Rudorf, E. H. 1082, 1092 Rueda, R. S. 1110, 1114 Ruiz de Lira, Rafael 833 Rumberger, Russell 890 Rumelhart, David E. 171, 203, 914, 917, 924, 931, 960 f, 970 f, 1095, 1100, 1160, 1168, 1535, 1540, 1541, 1544 Rumpf, Horst 1141, 1152, 1548 Rupp, Gerhard 1026, 1237, 1239 Rupp, H. 742, 744 Ruppel, A. 1513 Rupprecht, Werner 1638 Rusby, S. 1080, 1093

Rusch ⫺ Schikorski

1682 Rusch, Adolf 216 Russell, David R. 516, 640, 645, 890 Russo, J. E. 953, 957 Rüster, Christel 283, 288 Rütgers, Severin 1240 Rüthers, Bernd 616, 619 Rütimann, Hansheinrich 1150, 1153 Rutkowski, Bogdan 271, 274 Rutschky, Michael 1239 Rutter, M. 1331, 1333, 1349 Rüttgers, Severin 1234 Ryan, Bob 131, 145 Ryan, John 781, 789 Ryckmans, Jacques 310, 312, 317 Ryerson, Egerton 880 Ryle, Gilbert 688, 697

S Sabbe, E. 130 Sacco, Luigi 1616 Sachs, Hans 1272 Sadek, Abdel-Aziz Fahmy 489, 491 Sadi 533 Saenger, Paul 7, 17, 58, 59, 65, 84, 106, 108, 120, 547, 554, 590, 603, 862, 872, 1579, 1583 Safadi, Yasin Hamid 255 Saffran, E. M. 1087, 1093, 1103, 1116 Sager, Sven F. 1515, 1525 Saida, S. 950, 955 Saito, Hidenori 1413, 1427 Salapatek, Philip 1215 Salgado, M. Julio 833 Salomo 507, 509, 765 Saltzman, E. L. 907, 916 Salutati, Coluccio 199 Salvendy, Gavriel 1069, 1074 Salzman, B. 1115 Samaran, Charles 548, 554 Sampson, Geoffrey 204, 708, 766, 773, 778, 1371, 1380 f, 1385, 1387, 1405, 1412, 1437, 1441, 1444 f, 1450 Samuel, Arthur G. 932, 942 Samuels, S. Jay 645, 1171, 1173, 1177, 1544 Samulski, Peter 1511, 1514 Sanches, Mary 610 Sanchez-Casas, R. M. 966, 971 Sanchuniathon 508 Sander-Jaenicke, Beate 1608 Sanders, Barry 3, 15, 40 Sanders, R. J. 1085, 1093 Sanders, Thomas C. 833 Sanders, Willy 1545, 1551, 1555 f, 1558

Sanderson, Anne 244, 1144, 1153 Sandhaas, Bernd 892 f, 1349 Sandig, Barbara 1516, 1524, 1526, 1556, 1558 Sandkühler, Hans-Jörg 991, 1128 f Sandoz, Claude 517, 524 Sandra, Dominiek 934, 942 Sandri, Leopoldo 157 Sandström, Görel 935, 941 Sanford, Anthony 976, 978, 982 Sanneh, Lamin 701, 708 Sansom, George 1483 Santen, Jan P. H. van 932, 942 Santifaller, Leo 130, 540, 548, 554 Sapir, Edward 169, 1101 Saravia-Shore, Marietta 429, 431 Sarmad, Zoreh 1199, 1203 Sartori, Guiseppe 1085, 1091⫺93 Sartre, Jean-Paul 81, 1174, 1178, 1218, 1360 f, 1366, 1391 Sasanuma, S. 1108, 1116 Sass, Benjamin 295 f, 298, 300, 306, 330, 347, 509 f Sasse, Werner 397⫺99, 404 Sassenroth, Martin 1363, 1366 Satake, Hideo 1421, 1424, 1427 Sato, Kiyoji 1414, 1427, 1483 Sattler, Dietrich E. 659, 666, 670, 671 Saudek, Robert 991, 1046, 1048 Sauer, Karl 1217, 1225 Sauer, Wolfgang W. 752, 765, 1506⫺08, 1513, 1650 Sauneron, Serge 294, 296, 477, 484, 491 Sauren, Herbert 498, 503 Sausner, Edeltraud 1205 Saussure, Ferdinand de 4, 42⫺44, 46, 48, 117, 651, 677, 682, 686, 688, 692, 983, 1381, 1387, 1399, 1403, 1445, 1527, 1530, 1559, 1563 f, 1566 Savigny, Eike von 695, 697 Sawyer, D. J. 1115 Sawyer, Wayne 1286, 1296, 1299 Sbacchi, Alberto 817, 824 Scaglione, Aldo 596, 598, 603 Scaliger, Johann C. 111 Scantius 111 Scarborough, D. L. 1092, 1114 Schaarschmidt-Richter, Irmtraud 255 Schadeberg, Thilo 346 Schadewaldt, Wolfgang 646, 653 Schadler, Margaret 939, 942 Schaeder, Burkhard 738, 1451, 1455 Schaefer, Ursula 555⫺57, 559, 571, 593, 603

Schaeffer, Claude F.-A. 419 Schafan 71 Schäfer, M. 131, 145 Schäfer, W. 1273 Schäfer, Wilhelm 1273 Schäffler, August 157 Schallert, Diane 972, 980 Schank, Roger 973, 982 Schanze, Heinz 675, 678 Schanze, Helmut 1068, 1074 Scharnhorst, Jürgen 41, 728, 738, 766, 1379 f, 1404, 1466, 1467 Scharrelmann 1122, 1243, 1283 Schatz, Johann Jacob 1282 Schau, Albrecht 1268 Schaub, Pamela 1298 Schauwecker, F. 896 Schecker, Michael 1526 Scheerer, Eckart 36, 41, 917 f, 929, 931, 942, 983, 984, 991, 1095, 1101, 1125, 1128, 1178, 1335 Scheerer-Neumann, Gerheid 1148, 1153, 1154, 1156 f, 1160 f, 1163⫺5, 1168 f, 1257, 1260, 1331f, 1338⫺40, 1342⫺44, 1349⫺51, 1362, 1366 f Scheffel, Viktor von 66 Scheffler, Christian 203, 255 Scheibe, Siegfried 666, 671 Scheidt, Jürgen vom 1327, 1329, 1532 Schele, Linda 409 f, 412, 415 Schellenberg, Theodor 157 Scheller, Angela 144, 146 Scheller, Ingo 1240 Schenda, Rudolf 78, 84, 866, 872, 895, 898 Schendels, E. 1554, 1558 Schengde, M. J. 436 Schenk, Christa 1217, 1225, 1339, 1350 Schenk-Danzinger, Lotte 1350, 1339 Schenkel, Wolfgang 34, 41, 293 f, 296 f, 1583 Scherer, Günther 739, 1550 Scherf, Eva Maria 1178 Scherl, Wolfgang 140, 146 Scherr, Ignanz Thomas 1207, 1216 Scherzer, Walter 157, 865, 872 Schewe, Wolfgang 634 Schiaparelli, Luigi 1514 Schieckel, Harald 150⫺52, 157 Schiefelbein, Ernesto 832 f Schiefer, Lieselotte 253, 1591 Schieffelin, Barbara 638, 645, 772, 778, 834, 882 Schießl, Max 1550, 1558 Schikorski, Isa 65

Schildt ⫺ Scinto Schildt, Joachim 1189, 1404 Schiller, Friedrich 96, 503, 668, 1231, 1268 f, 1274, 1551 Schilling, Friedhelm 1242, 1246, 1248 Schima, Konrad 1045, 1048 Schimmel, Annemarie 316, 536 Schirmer, Alfred 621, 628 Schlaffer, Heinz 84 Schlee, Jörg 1331, 1350, 1356, 1366 Schleiermacher, Friedrich 649 f, 653, 1178 Schlesinger, J. M. 1017, 1027 Schlieben-Lange, Brigitte 19, 41, 84, 104, 108, 110, 115, 120 f, 564, 571, 589, 593, 596, 603, 622 f, 628, 670, 1178, 1391, 1395, 1398, 1401, 1403, 1493, 1495, 1503, 1506, 1528, 1534 Schlögl, Waldemar 540, 554 Schlosser, Horst Dieter 1506 Schlösser, Monika 887, 893, 1172 Schlott, Adelheid 54, 65, 476, 481, 487, 491 Schlüchter, Ellen 1048 Schlummer, Werner 1531, 1534 Schmalenbach, Werner 684, 686 Schmalhofer, Franz 977, 982 Schmalohr, Emil 1150, 1153, 1217, 1225, 1358, 1366 Schmalzriedt, Egidius 403, 513, 517, 646, 653 Schmandt-Besserat, Denise 237, 255 f, 264⫺66, 268, 282, 288, 432, 436 Schmauder, R. 946, 957 Schmid, Carlo 66 Schmid-Cadalbert, Christian 561, 571 Schmidt, Alfred M. 1271 Schmidt, Claudia Maria 1467 Schmidt, Elisabeth 1214 Schmidt, Gerhard 547, 554 Schmidt, Karl Horst 338, 347 Schmidt, Moriz 419 Schmidt, Peter Lebrecht 520, 522⫺24 Schmidt, Robert F. 1057, 1058, 1067 Schmidt, Rudolf T. 515, 517 Schmidt, Siegfried J. 1172, 1178, 1515 f, 1526, 1532, 1538, 1544 Schmidt, Wieland 61, 65 Schmidt-Ewald, Walter 151 f, 154, 157 Schmidt-Wiegand, Ruth 616, 618 f Schmidtke, Hans-Peter 893 Schmitt, Alfred 710, 720, 1400, 1404

1683 Schmitt, Christian 602, 1396, 1494 f Schmitt, Lothar 1339, 1350, 1361, 1364⫺66 Schmitt, Ludwig Erich 860, 872 Schmitt, O. C. 730, 739 Schmitt, Rüdiger 287 f Schmitz, Ulrich 1506⫺08, 1511 f, 1514 Schmitz, Wolfgang 89, 94, 97, 101 Schmolke-Hasselmann, Beate 564, 571 Schnapp-Gourbeillon, Annie 512, 517 Schneck, Peter 892 f, 1349 Schneider, Imre 247 Schneider, Nikolaus 283, 288 Schneider, Thomas 294, 297 Schneider, Wilhelm 1283, 1553, 1558 Schneider, Wolf 1551 f Schneider, Wolfgang 1148, 1153, 1255, 1260, 1341, 1350, 1355, 1357, 1366 f, 1545 Schneidler, Ernst 246 f Schnell, Bernhard 675, 678 Schnell, Rüdiger 562, 567, 571 Schnelling, Ingeborg 155, 157 Schneuwly, Bernard 1182⫺85, 1187 f, 1191, 1533 Schnitzler, Arthur 896 Schnotz, Wolfgang 982, 998, 1003, 1021, 1025⫺27, 1543 Schoebel, Martin 152, 157 Schoeler, Gregor 536 Schoff, U. 153 Schöffer, Peter 91 Schofield, Roger S. 876, 878 f, 882 Scholem, Gershom 679, 686 Schöler, Hermann 1359, 1366 Scholler, H. 1623 Scholz, Manfred Günter 555 f, 561 f, 564, 571 f Schomaker, Lambert R. B. 1028⫺30, 1033⫺35 Schön, Erich 36, 41, 69 f, 72 f, 75⫺77, 81, 84, 866, 868, 872 Schönberger, Martin 680, 686 Schönbrunn, Walter 1273 Schöneberg, Hans 864, 866, 872 Schönherr, Andreas 150, 157 Schönsperger, J. 239 Schönstedt, Eduard 101 Schopenhauer, Artur 1549, 1552, 1558 Schorch, Günther 1247 Schott, Clausdieter 611, 616, 619 Schott, Hannelore 1531, 1533 Schott, Siegfried 491 Schottel, Justus Georg 111, 693, 1546, 1547, 1558

Schramm, Percy Ernst 541, 554 Schreier, Margrit 1539, 1543 Schreiner, Klaus 546, 554, 571 Schreiner, P. 1514 Schreinert, Gerhard 1250, 1260 Schreuder, Robert 935, 941 Schricker, Gerhard 902 Schrimp f, Hans Joachim 1558 Schriver, K. A. 1026 Schröck, R. 1329, 1350 Schröder, Hartmut 1532 f, 1535 Schröder, Jan 618 f Schrödinger, Ernst 11 Schroeder-Nae f, Regula D. 1541, 1544 Schröter, Chrysostomus Erdmann 1547, 1558 Schubart, C. 896 Schubart, Wilhelm 101 Schubeius, Monika 1121, 1124, 1125, 1128 Schubenz, Siegfried 1335, 1350 Schülein, Frieder 1260, 1267, 1284 f Schüler, P. 166, 170 Schulte, Klaus 170, 1205, 1215, 1624, 1629 Schulz von Thun, Friedemann 634 Schulz, A. 1025 Schulz, Wolfgang 1123, 1128 f Schulze, Bernd 144, 146, 170, 569 Schumann, F. 925, 927, 931 Schumann, John H. 1193, 1204 Schürmann, Jürgen 131, 138, 146 Schuster, Martin 1146, 1153 Schütt, Bernd 1070, 1074 Schütz, Alfred 588, 603, 1134, 1141, 1556 Schütz, Eva 872 Schütz, H. J. 894 f, 898 Schvaneveldt, Roger W. 960, 970, 1099 f Schwab, I. 772, 778 Schwager, Klaus 515 Schwartz, Erwin 1230 Schwartz, M. F. 1087, 1093 Schwartze, Moritz G. 295, 297 Schwarz, H. G. 859 Schwarze, Christoph 227, 881, 931, 1534 Schweikle, Günther 562, 571 Schweizer, Harald 509 f Schweizer, Harro 1534 Schwerhoff, U. 166, 170 Schwitalla, Johannes 872 Schwitters, Kurt 684, 686 Schwob, Anton 671 Scinto, Leonard F. M. 12, 17, 771, 778, 1179 f, 1182, 1185, 1191

Scollon ⫺ Smith

1684 Scollon, Ron 640, 645 Scollon, Suzanne B. K. 640, 645 Scopesi, A. 1499 Scragg, D. G. 1444 f Scribner, Sylvia 13 f, 17, 426, 431, 433, 436⫺38, 719, 720, 834, 1181, 1185, 1191, 1535 Searle, John R. 21, 41, 651, 1516, 1521, 1523, 1526 f Sebastian-Galles, Nuria 1098, 1101 Sebeok, Thomas A. 707 f Sebrechts, Marc M. 1073 f Secco, Tom 1544 Seeberg, Vilma 835, 847, 854 Seebold, Elmar 1575, 1583 Seeger, Thomas 159, 167, 170, 585 Seeley, Christopher 450, 1414, 1418, 1427 Seelmann 763, 766 Segalowitz, Norman 1199, 1204 Segarra, Mila 1395, 1404 Segelken, Sabine 61 f, 65 Segert, Stanislav 423 Seibicke, Wilfried 1552, 1558 Seidel, Gerhard 659, 671 Seidel, Rositta 1185, 1187, 1191 Seidemann, Walther 1234, 1240, 1284 Seidenberg, Mark 909, 917, 933, 942, 962⫺65, 968⫺71, 1080, 1082, 1094 f, 1097, 1101, 1103, 1104, 1116, 1331, 1350 Seider, Richard 229 f, 232, 255 Seidler, Herbert 1550, 1553, 1558 Seifert, Julius 989, 991 Seifert, Marlies 1249, 1260 Seiffge-Krenke, Inge 1180, 1191 Sejong 345, 398 f, 443, 1315 Selden, Mark 845, 854 Selenus 1614 Selfe, Cynthia L. 1069, 1071, 1074 Selig, Maria von 602⫺04, 678, 1403 f, 1494 Sellheim, Rudolf 536 Selz, Otto 1359, 1366 Semmelmann, Oskar 149, 151, 157 Senders, J. W. 955⫺57 Seneca 520, 605, 1279 Senner, Wayne W. 202⫺04 Sennlaub, Gerhard 1255, 1260 Sequeda Osorio, Mario 834 Sequoyah 324, 712⫺14, 720 Sergent, J. 1109, 1116 Serruys, Paul L.-M. 848, 854 Sethnacht 483 Settekorn, Wolfgang 104, 110, 120, 599, 603, 1493, 1495 Seubert, Elga 1210 f, 1216

Sevush, S. 1085, 1087, 1093 Sextus Empiricus 106 f Seybolt, Peter J. 835, 845, 854 Seymour, P. H. 982, 1082, 1155, 1168, 1340, 1342, 1350 Sgarro, Andrea 1616 Shafer, Robert 859, 1298 Shah, A. B. 464, 469⫺71 Shakespeare, William 82, 1231, 1274, 1293 f Shallice, Tim 962, 971, 1084⫺88, 1093 Shanahan, Timothy 1081, 1093, 1499 Shank, D. M. 947, 956 Shankweiler, Donald 773, 778, 905, 917, 1076, 1092, 1096, 1100, 1109⫺11, 1114⫺16, 1337, 1347 Shannon, Claude 1616, 1631, 1634 Shannon, P. 772, 778 Shannon, R. S. 328 Shapin, S. 656 f Shapiro, Michael C. 456, 471 Shapiro, Michael J. 1495 Share, D. L. 1331, 1348, 1350 Sharrock, Robert 939, 942 Shaughnessy, Mina 640, 645 Shaw, George Bernhard 732 Sherman, G. F. 1333, 1347 Sherzer, Joel 425 f, 430 f Shewell, C. 1086, 1093 Shi Huangdı´ 437 Shibata, Takeshi 1424, 1426 Shichiji, Yoshinori 570 Shiffrin, R. M. 917 Shima, Kunio 352, 366, 382 Shimokawa 393 Shirakawa, Shizuka 353, 382 Shneiderman, Ben 1074 Shong Lue Yang 714 f, 717 Sicgal, A. G. 804, 813 Sidner, C. L. 977, 981 Siebenschein, Hugo 621 f, 628 Sieber, Marc 156 f Sieber, Peter 628, 1195, 1205, 1504, 1506 Siebert, Hans-Jürgen 893, 1525 Siebert-Ott, Gesa 893 Sieferle, Rolf Peter 573, 586 Siegel, Linda S. 1168, 1348, 1354, 1356 f, 1366 Siegert, Reinhart 866, 872 Siemens, Werner von 631 Siemoneit, Manfred 225, 227 Sigrist, Marcel 498, 503 Sijelmassi, Mohammed 248 f, 255 Silamn, Stephen 902 Silva, M. W. S. de 740, 743 f Silva, P. A. 1331, 1350 Silveri, M. 1088, 1092

Simmel, Edward C. 1347 Simmel, Mario 78 Simmons, J. J. 834 Simmons, John 1293, 1299 Simner, Marvin L. 1029, 1034 Simon, Brian 882 Simon, D. P. 1162, 1168, 1340, 1350 Simon, Erika 513, 517 Simon, Herbert A. 640, 999 f, 1003 f, 1162, 1168, 1340, 1350 Simon, Josef 686 Simon, Oliver 227 Simonetta, Cicco 1612 Simons, Anna 245 Simons, Heribert 1245, 1247 f, 1362, 1366 Simpson, R. 119, 974, 980 Sin Sukchu 399 Sin, G. 1086, 1091 Sin-leqe-unnini 499 Sinaiko, Hermann L. 104, 120 Sinemus, Volker 677 Singer, Harry 1102, 1109, 1113, 1116 f Singh, U. H. 451 f, 470, 742, 745 Sinibaldi, Antonio 201, 216 Sirat, Colette 204 Siro, R. J. 645 Sitta, Horst 728, 737, 1195, 1205, 1525 f Sivan, Daniel 276, 288 Sixtus IV. 154 Sjöberg, Ake W. 496, 502 f Sjölin, Amelie 1142, 1149 f, 1153 Skeat, Theodore C. 55, 57, 65, 512, 517, 522, 524 Skibu, Ernst-Günther 1364 Skinner, Ann M. 993, 1003 Skowronek, Helmut 1148, 1152, 1345, 1348, 1350 f Skrzypczak, Henryk 547, 554, 562, 572 Skutnabb-Kangas, Tove 1205 Slaghuis, W. 1334, 1348 Slavenburg, Jan H. 885, 893 Slevin, James 645 Sloboda, A. J. 1093 Sloboda, John S. 1341, 1350 Slowiaczek, Marie Louise 945, 950, 954, 956 Smalley, William A. 699 f, 703⫺05, 708, 714, 720, 818, 824 Smend, R. 72, 506, 510 Smiley, S. 1205 Smith, David M. 881 f Smith, Frank 638, 645, 671, 960, 971, 1296, 1299 Smith, George 419 Smith, J. 1011, 1026 Smith, M. C. 1105, 1107, 1116

Smith ⫺ Stetter Smith, Mark 476, 489, 491 Smith, Philip T. 932, 934, 938⫺40, 942, 1080, 1093, 1444, 1445 Smuskova, M. 808, 813 Snell, Bruno 646, 653 Snow, Charles P. 574, 586 Snow, Edgar 844 f, 854 Snowling, Margaret 1080 f, 1092, 1093, 1336, 1338, 1349 f Snyder, Charles R. R. 934, 942 Snyder, M. 973, 982 Soden, Wolfram von 275 f, 280, 288, 492, 501, 503, 1507, 1514 Sodmann, Timothy 598, 603 Söffker, Rainer 805, 813 Sohn, Pokee 206, 227 Sokrates 71, 514, 648⫺51, 682 Sol Ch’ong 443 Sola, Ralph de 1508, 1513 Solbrigs, Johann David 1207, 1216 Söll, Ludwig 83, 103, 119, 587, 591, 595, 603, 1389, 1397 f, 1400, 1404, 1494 f Sollberger, Edmond 494⫺96, 503 Solomon, R. L. 923, 931 Solso, Robert 942 Sommer, Dieter 1178 Sommers, Peter van 1032, 1035 Sonderegger, Stefan 555, 560, 562 f, 572, 601, 627, 739, 871, 1402 Sonino, Elizabeth 1299 Sonner, Adelheid 1204 Sophokles 229 Sörensen, Christian 209 Sorgenfrei, Günter 1283, 1285 Sorie, J. M. 789 Sornicola, Rosanna 591, 603 Soter, A. 1027, 1509 Sotiropoulos, D. 742, 745 Soucek, V. 280, 288 Soupault 660, 667 Southworth, Franklin C. 471 Sowinski, Bernhard 1526, 1545, 1556, 1558 Sözer, Emel 1516, 1526 Spada, Hans 982 Spain, Peter L. 834 Spalinger, Anthony J. 487, 491 Spangenberg, Peter Michael 571 Spear, Louise C. 1353 f, 1366 Spearritt, Donald 1537, 1544 Specht, Franz Anton 1280 f, 1285 Speck, Otto 1367 Speigel, D. 1496, 1499 Spekman, N. J. 1336, 1349 Spemann, Rudolf 246, 255 Spence, Kenneth W. 1544

1685 Spencer, Andrew 1370, 1380 Sperling, G. 291, 921, 931 Sperry, Linda L. 1541, 1545 Spiegel, Dixie Lee 1184 f, 1189 Spiegel, Heinz-Rudi 634 Spilich, George J. 999, 1004 Spilka, Rachel 1532, 1535 Spillner, Paul 1511, 1514 Spinnen, Burkhard 1557 f Spinner, Kaspar 1237, 1239 f Spira, Johannes de 216 Spiro, Rand 973, 980, 982 Spitta, Gudrun 1156, 1168, 1218, 1220⫺23, 1225, 1246⫺48, 1258, 1260, 1331, 1343, 1350, 1352, 1361, 1366 Spitzer, Leo 1545⫺55, 1558 Spitzweg, W. 239 Spolsky, Bernhard 1200, 1204 f Spratt, Jennifer E. 1309 Spuler, Berthold 287 f, 480, 486, 488, 491 Spyri, Johanna 1360, 1366 Squire, James 1293, 1299 Sri Ganesha 452 Sri Krishna 452 Srihari, Sargur N. 1033, 1035 Srinivasan, R. 464, 471 Srivastava, R. N. 346 f, 460, 471 Srull, T. K. 980 St. John, J. 938, 942 Stackhouse, J. 1081, 1093 Stackmann, Carl 678 Staeck, Klaus 896 Staerkle, Paul 151, 157 Stagl, Gitta 882 f Stahl, Hans-Jürgen 675, 678 Staiger, Emil 1554, 1558 Stains 209 Stalin, Josef B. 808, 811, 1236 Stalph, Jürgen 395, 404, 450, 1413⫺17, 1421, 1424, 1426 f Standard, Paul 246, 255 Stanners, R. F. 966 f, 971 Stanovich, Keith E. 934, 942, 963, 971, 1109, 1116, 1159, 1168, 1332, 1336, 1350, 1354, 1356 f, 1360, 1366 Starcky, Jean 303, 306 Stärk, Ekkehard 521, 524 Starke, Uwe 1254, 1259, 1557 Starobinski, Jean 682, 686 Starostin, S. A. 275, 287 Stary, Giovanni 359, 382 Staubach, Nikolaus 554, 569 Stauff, P. M. 896 Stechow, Arnim von 1460, 1467 Stedman, Lawrence 430 Stefan von Perm 344 f Steffens, Franz 185, 204 Steffens, Wilhelm 1284 f Steger, Hugo 588, 595, 603, 1501, 1506

Stegmüller, Otto 101, 130, 516, 523 Steguweit, H. 896 Stehr, Hermann 1273 Steible, Horst 494, 496, 503 Steiger, Arnald 565 f, 572 Stein, Dieter 170 Stein, Elisabeth 3, 17, 149 Stein, Freiherr vom 1269 Stein, J. F. 1334, 1350 Stein, Nancy 972, 981 f, 1468, 1544 Stein, Peter 1237, 1240 Steinberg, Danny D. 1206, 1208, 1209, 1216, 1311, 1318 Steinberg, Erwin R. 1004, 1024⫺26, 1189, 1268, 1505, 1528, 1532⫺34 Steinberg, R. S. 670 f Steinberg, S. H. 91, 102, 211, 225, 227 Steinborn, Peter 1318, 1329 Steinbrink, Bernd 593, 604, 1005, 1027 Steinbuch, Karl 1638 Steinecke, Hartmut 671 Steinen, Wolfram von den 256, 537, 554, 1569 Steiner, G. 1189 Steiner, George 79, 82 Steiner, R. C. 505, 510 Steinitz, Renate 1516 f, 1526 Steinkeller, Piotr 493, 502 Steinmetz, Horst 1538, 1544 Steinthal, Heymann 117, 984, 991 Stelmach, George E. 1029, 1032, 1035 Stempel, Wolf Dieter 594, 604, 1492, 1495 Stendhal, Marie Henry Beyle 662 Stengel, Edmund 149⫺52, 157 Stepanova, Varvara 247, 255 Stephan, Joachim 1238 Stephani, Heinrich 1243, 1248 Sterling, Christopher 1080, 1093, 1445 Stern, Clara 1359, 1366 Stern, Daniel N. 1144, 1153 Stern, Theodore 699, 703, 708 Stern, William 1208, 1216, 1325, 1359, 1366 Sternberg, Robert J. 638, 1025, 1027, 1353 f, 1357 f, 1364, 1365⫺67 Sternberg, Saul 1030, 1035 Sternberger, J. 524 Sternfeld, Eva 678, 1460 Sternheim, Carl 896 Stetter, Christian 104, 116, 120, 692, 695⫺97, 728, 738 f, 1378, 1451, 1455

Stevens ⫺ Thompson

1686 Stevens, Edward 877, 880, 883 Stevenson, H. W. 1103, 1116 Stevenson, Jane 557, 572 Stewart, Herbert M. 476, 491, 1274 Sthamer, Eduard 151, 158 Sticht, T. G. 1161, 1169 Stickel, Gerhard 738 Stiebner, Erhardt 347, 1404, 1412 Stiehl, Ruth 306 Stiennon, Jacques 130, 188, 199, 200 f, 204 Stier, Brigitte 1047 f, 1067 Stierle, Karlheinz 660, 1495 Stigler, J. W. 1116 Stiller, K. 896 Stitz, Volker 818, 824 Stock, Brian 84, 108, 120, 556, 572 Stock, Eberhard 738, 1452, 1455 Stocker, Alex 227 Stokoe, William C. 1628 f Stölting, Wilfried 1193 f, 1205 Stolz, Benjamin A. 328 Stolz, Otto 150, 152, 158 Stolze, Wilhelm 1607 Stone, Gregory O. 1095, 1101 Stone, Lawrence 879, 883 Storm, Theodor 1274 Stormzand, M. J. 1178, 1191 Strabo, Walahfrid 324 Straka, Georges 1396, 1404 Stratman, J. F. 1026 Stratos von Lampsakos 515 Strauß, Emil 1273 Strawson, Carol 963, 969 Streby, W. J. 1544 Street, Brian 14, 17, 425⫺27, 429⫺31, 698, 708, 771, 777 f, 780, 782, 790, 826, 831, 834 Strehle, Heinrich 1256, 1260 Streich, Brigitte 151, 158 Streitz, Norbert A. 1068, 1073, 1531, 1533, 1535 Strevens, P. 1298 Strickland, D. S. 585 f Strobel-Köhl, Michaela 7 Strohner, Hans 972, 982, 1021, 1024, 1026 f, 1187, 1190, 1530, 1535 Stroop, J. Ridley 939, 942, 1104⫺07, 1108, 1114⫺16, 1160 Strosetzki, Christoph 569 Strouhal, Ernst 1392, 1403 Strunk, Hiltraud 737, 739 Stuart, David 410, 415 Stuart, M. 1154, 1169 Stubbs, Michael 771, 778, 1443, 1445 Stübe, Richard 227 Stuckey, E. 772, 778

Sturm, Heribert 202, 204 Sturm, Jan 1298 Sturtevant, E. H. 763, 766 Stutterheim, Christine von 1528, 1529, 1534 f Suen, Ching Y. 1029, 1034 Suess, Alexandra 1172, 1177 Sueton 124, 148, 1609 Sugawara, Yoshizo 1413, 1426 Sühnel, Rudolf 1177 Suhrkamp, Peter 100 Sulin, R. A. 972, 982 Sulzby, Elizabeth 426, 1178, 1335, 1350, 1499 Sulzer, Johann Georg 1120, 1231 Summerfield, Qentin 907, 916 Sun Junxi 1410, 1412 Sun Yat-sen 845 Sun Zhixiu` 362, 382 Suntinger, Diethard 671 Surany, Marguerite de 680, 686 Sütterlin, Ludwig 244, 1240, 1243, 1248 Sutton, Valery 1628 f Süvern, Johann Wilhelm 1269 Suzuki, Shigetada 1208 f, 1216 Suzuki, Takao 1427 Suzuki, Toshio 362, 382 Svartvik, Jan 1498 Swain, Merill 772, 777, 1198 f, 1205 Swales, John M. 1496, 1499 Swan, Margaret 1191 Swann, Brian 431, 1443 Sweet, Henry 1585 Syder, Frances H. 591, 603 Szondi, Peter 659, 671 Szwed, John F. 425, 431, 883

T Taborelli, A. 1090 Tacitus 148 Taft, Marcus 933, 942, 951, 957, 965⫺67, 971, 1339, 1350 Tagliasco, V. 1034 Tahar Ben Jelloun 1494 Tait, W. J. 481, 491 Takeuchi, Yonosuke 401, 404 Tamburrini, Joan 1185, 1191 Tamez, Carlos 827, 833 Tamor, Lynne 1004, 1024, 1026 Tamu, Sheikh A. T. 789 Tanakadate Aikitsu 1422 Tanenhaus, Michael K. 962, 971 Tang, Jian 1411 f Tannen, Deborah 601, 610, 641, 643, 645, 771, 778, 1476, 1496, 1498 f, 1505 Tao Xingzhi 840 f, 845 Tappert, C. C. 136, 146 Taraban, R. 949, 957

Tatsumi, I. F. 1108, 1116 Tauli, Valter 739 Tausch, Reinhard 634 Taylor, Insup 1315, 1317 f Taylor, Issac 1381, 1387 Taylor, M. Martin 1318 Tchitchi, Toussaint 701, 708 Teale, William H. 426, 1178, 1335, 1350 Teberosky, Ana 1142⫺44, 1147, 1149, 1151, 1154, 1167, 1213, 1215, 1342, 1347 Tedesco, Juan Carlos 829, 833 f Tekavcic, Pavao 593, 604 Tell, Wilhelm 6, 1274 Temple, Charles A. 1081, 1093, 1144, 1147 f, 1153 Templeton, Shane 1162, 1166, 1167, 1169 Tenenti, Alberto 620, 628 Tergan, Sigmar-Olaf 998, 1003, 1025, 1541, 1543 f Terhart, Ewald 1221, 1224 Terrell, C. 1079, 1092 Terwogt, Mark 940 f Tesak, Jürgen 927, 930 Tetens, Johann Nicolaus 114 Teulings, Hans-Leo 1029⫺35 Tewodros II. 816 Texier, J. 268 Thai Tzong 206 Thales von Milet 647 Thamus 104, 601 Thapar, Romila 471 Theoderich 233 Theodosius 1510 Theon 1280 Theuth 104, 601 Thews, Gerhard 1057 f, 1067 Thibadeau, Robert 974, 982 Thiel, Viktor 154, 158 Thiersch, Friedrich 1548 Thimm, Walter 1352, 1367 Thissen, David 296, 939, 942 Thoma, Werner 1558 Thomas de Bretagne 564 Thomas von Aquin 59, 108 Thomas, Ivor 43, 48 Thomas, Robert 1509, 1513 Thomas, Rosalind 6, 17, 56, 65, 513, 517 Thomas, W. 145 Thomassen, Arnold W. 1028⫺31, 1033⫺35 Thomkins, Andre´ 682, 686 Thompson, Brian 1298 Thompson, Charles P. 1540, 1544 Thompson, E. P. 883 Thompson, Edward M. 182⫺84, 204 Thompson, James Westfall 540, 544, 554, 883

Thompson ⫺ Valtin Thompson, John Eric S. 410, 415 Thompson, S. 1476, 1497, 1499 Thomsen, Marie-Louise 275, 288, 421 Thomsen, W. 275, 288, 421 Thomson, Michael 1344, 1350 Thomson, Rodney M. 541, 554, 559, 564, 572 Thorlby, Anthony 571 Thorndyke, Perry W. 972, 982, 1541, 1544 Thränhardt, Anna Maria 450 Thrul, Rosemarie 1204 Thukydides 514 Thümmel, Wolf 752, 766 Thun, Harald 601, 634 Thurston, Ian 961, 969 Thutmosis III. 87 Tibawi, A. L. 1309 Tiberius 148 Tiemann, Walter 255 Tierney, R. J. 1022, 1027 Tietgens, Hans 1322, 1326, 1329 Tillmann, Hans G. 903, 907, 917, 1377, 1380 Ting, Pang-hsin 404 Tinker, M. A. 908, 917, 1334, 1350 Tinsley, Katherine 430 Tinto, Alberto 219, 226 Tipper, S. P. 1107, 1116 Tiro, M. Tullius 27 Tischler, Mathias 554 Tittel, Käthe 1053, 1056 Tizard, J. 1331, 1333, 1349 Tjäder, Jan-Olof 188 f, 196, 204 Tola, Guiseppe 1096, 1100 Tollefson, J. 739, 745 Tollis, F. 111, 121 Tomlin, Judy G. 1357, 1367 Toporov, Vladimir N. 682, 686 Topsch, Wilhelm 1218, 1225 Torgesen, Joseph K. 1109 f, 1116 f, 1336, 1357, 1367 Torr, Cecil 42, 48 Torrance, Nancy 15 f, 428, 430 f, 601, 771, 778, 833, 882, 1004, 1091, 1181, 1184, 1190 Torres, Carlos Alberto 786, 790, 827, 834 Torres, Rosa Maria 787, 790, 834 Tort, Patrick 114, 121 Tory, Geoffroy 104, 110, 1393 Tost, R. 1245, 1248 Toulmin, Stephen 1521, 1526 Touraine, Alain 577, 586 Tousman, S. 945, 952, 955 Towner, J. 1205 Trabant, Jürgen 104 f, 115 f, 118⫺21 Trabasso, Tom 981, 1541, 1544 f

1687 Tracy, Destutt de 104, 114, 121 Trajan 148, 186, 233, 524 Traljic, S. M. 130 Trambacz, Ulrich 134, 146 Tramitz, Christiane 1206, 1215 Tranter, Stephen 3, 17, 569 Trapp, Ernst Christian 1125, 1138, 1141 Trappmann, Jörg 397, 404 Traube, Ludwig 537, 554, 1509, 1514 f Treiman, Rebecca 938, 941, 1076, 1078 f, 1093 f, 1160, 1169 Tremblay, P. 1280, 1285 Trezise, Lorna 939, 942 Triebel, Heinz 1255, 1260 Tristram, Hildegard L. C. 3, 16, 556, 569, 572, 593, 604 Tritenheim, G. von 1610, 1612, 1614 Troeltsch 1272 Trollinger, William Vance 430 Tropfke, Johannes 10, 17 Tropper, Josef 306, 510, 1577, 1583 Trost, Vera 58, 65 Trubeckoj, Nikolaj 117, 755 f, 766, 904, 917 Trueba, Henry T. 430, 1203 f Tsao, Y. C. 1104⫺06, 1114 Tschichold, Jan 220, 224, 227 f, 255 Tsien, Tsuen-hsuin 349, 382, 450 Tsuru, Hisashi 404 Tucholsky, Kurt 896 Tucker, A. N. 705, 708 Tucker, D. M. 1081, 1093 Tucker, Richard G. 1199, 1203, 1204 f Tuller, B. 907, 916 Tulving, E. 1161, 1169 Tung, Tung-ho 859 Tunmer, W. E. 1081, 1093 Turner, Althea 998, 1004 Turner, Eric G. 513, 517 Turner, Martin 1291, 1299 Turner, Ralph V. 572 Turner, Terence J. 936, 941, 974, 980 Turvey, Michael T. 964, 970, 1095, 1098⫺00, 1104, 1108, 1113 f, 1117 Tusratta von Mitanni 499 Tutte, W. T. 203 Twellmann, Walter 1128 Twiehaus, Ilse 1142, 1153 Tyler, Lorraine K. 914, 916 f, 978 f, 981 f Tzeng, Ovid J. L. 938, 942, 1101⫺05, 1107⫺15, 1117

U Uden, Antonius van 1210f 1214, 1216 Ueding, Gert 593, 604, 671, 1005, 1027, 1545, 1558 Uhl, Bodo 155, 158 Uhlig, Siegbert 320 f Uhlirz, Karl 1508, 1515 Uitti, Karl D. 556, 564, 572 Uldall, H. 118, 1400, 1404 Ulfila 672 Ullendorff, Edward 317, 319⫺21, 814⫺16, 820, 824 Ullman, B. L. 201, 204, 1510, 1515 Ullman, D. 953, 956 Ullmann, Leonard 1330, 1350 Ulrich von Lichtenstein 570 Ulrich, Adolf 158 Ulshöfer, Andrea 52, 65, 1275, 1284, 1554 Ulshöfer, Robert 1554 Ünal, Ahmet 496, 503 Underwood, Geoffrey 945 f, 955 Underwood, N. R. 946, 953, 956 Unger, J. Marshall 1405, 1412 Unger, Ulrich 1476 Ungern-Sternberg, Jürgen von 518, 524, 867, 872 Uno, Yoshikata 1483 Unruh, Georg-Christoph von 872 Unseld, Siegfried 685 Untermann, Jürgen 337, 347, 1583 Upasak, C. S. 323, 328 Ur-Nanse 494 Uranowitz, S. W. 973, 982 Usener, Sylbia 14, 17 Usher, Robin 782, 789 Usteri, Emil 150, 158 Uthman 525

V Vaccan, Liliana 834 Vachek, Josef 6, 17, 29, 41, 117, 118, 121, 260, 264, 672, 991, 1378, 1380, 1400, 1404 Vaid, Jyotsna 1115, 1204 Valbuena, Antonio 829, 834 Valdarfer, C. 217 Valdes 110 Valenstein, E. 1035 Vale´ry, Paul 78, 662, 665, 1391 Vallen, Ton 892 Valsiner, Jan 1543 Valtin, Renate 1096, 1101, 1147, 1151, 1153, 1168, 1173, 1177, 1247, 1248, 1253, 1257, 1258, 1260, 1333⫺35, 1337, 1349 f, 1354⫺56, 1359, 1361 f, 1366 f

Valturius ⫺ Warrington

1688 Valturius, Robertus 630 Vanacek, E. 947, 957 Vande Kopple, W. 1497, 1499 Vandier, Jacques 484, 491 Vang, Chia Koua 705, 708, 714, 720 Varese, Stefano 831 Varius Rufus, Lucius 521 Vater, Heinz 1379, 1516 f, 1526 Vaugelas, Claude 1493 Vedovelli, Massimo 893 Veer, G. C. van der 1034 f Vegetti, Mario 523 Veith, Werner Heinrich 739, 1456, 1467 Veken, G. van der 295 f Velickovskij, B. M. 1252, 1260 Vellutino, Frank R. 934, 941, 1336 f, 1351, 1362, 1367 Velthaus, Gerhard 1146, 1153 Venezky, Richard L. 703, 708, 771 f, 778, 835, 854, 883, 1101, 1117, 1445 Veniaminov, Ioann 706 Vennemann, Theo 328, 1369, 1380 Ventris, Michael 420, 511 Verbourg, Pieter 1402 Verdoodt, A. 738 Vergil 126, 148, 188, 231⫺33, 521, 539 Verhoeven, Ludo 490, 772 f, 775, 777⫺79, 1203, 1205 Verma, Thakur Prasad 323, 328 Verma, V. S. 456, 470 Vernus, Pascal 473, 476, 491 Verschoor, Wil 834 Vesonder, Gregg T. 1004 Vestner, Hans 1221, 1225 Vezin, Jean 57, 65, 491, 539, 553 Vicentino, Ludovico 246 Vico, Giambattista 115, 121, 1176, 1178 Victoria II. 816 Vidanovic, S. 1097, 1101 Viehoff, Reinhold 1178, 1538, 1543, 1545 Viehweger, Dieter 1189, 1404, 1516, 1519, 1522, 1524⫺26 Vie`te, Franc¸ois 1614 Vietor, Wilhelm 1585 Vieweg, Renate 1150, 1152 Vige`nre 1612, 1614 f Vignolo, L. A. 1090 Villa, G. 1088, 1091 Villa-Dei, Alexander de 108 Villalon 111 Villaume, Peter 1120 Vinaver, Euge`ne 556, 572 Vinci, Leonardo da 631, 674, 1085, 1093 Vinkel, P. U. 1114 Vinne, Theodore Low de 225, 227

Vinogradov, Viktor V. 803, 805, 811, 813 Vinter, Annie 1029, 1034 Viollet, Catherine 661, 667 f, 670, 672, 1528, 1535 Virolleaud, Charles 419 f Visser, Ton 940 f Vitale, Maurizio 599, 604 Vitruvius Pollio, Marcus 630 Vitu, F. 945, 957 Vodosek, Peter 101 Voegelin, C. F. 763, 766, 1383 f, 1387 Voegelin, F. M. 763, 766, 1383 f, 1387 Voetz, Lothar 1507, 1510, 1515 Vogel, Martin 102 Vogler, G. P. 1334, 1347 Vogt, Jochen 1236, 1240, 1366 Vogt-Spira, Gregor 103, 105⫺08, 111, 118, 121, 518 f, 521⫺24 Volk, Sabine 568 Völker, Paul Gerhard 1236, 1238 Volkmar, Claudia 891, 892 Vollmann-Profe, Gisela 560 f, 572 Vollmer, Gerhard 1356, 1367 Vollrath, Hanna 558, 572, 613, 616 f, 619 Volney 116 Volosinov, Valentin 989⫺91 Volta, Alexander 631 Voltaire 8, 15, 895 Vonhoff, Gert 671 Vorderer, Peter 1225, 1230, 1542 f Vos, Frits 391, 393, 404, 1240 Voss, Hans-Georg 1543 Voss, James F. 999, 1004 Vossler, Karl 67, 989, 1554 Vries, P. de 788 f Vyasa 452

W Wachter, Rudolf 176, 178 f, 184 f, 204, 512, 517 f, 524 Wacker, Gerhard 1362, 1366 Wackernagel, Philipp 677, 1231, 1232, 1240, 1269, 1466 Waetzold, Hartmut 503 Waffender, Manfred 582, 586 Wagenschein, Martin 1153 Wagner, Daniel A. 426, 431, 638, 774, 778 f, 788, 790, 834, 1303, 1309 Wagner, F. 154, 158 Wagner, J. 922, 927, 931 Wagner, Klaus R. 1254, 1259, 1268 Wagner, Richard K. 638, 1073 f, 1110, 1117, 1336, 1351

Wahl, F. M. 140, 146 Wahrig, Gerhard 372 Wakankar, L. S. 452, 471 Walbiner, Waltraud 1204 Waldmann, Doris 884, 891 Waldmann, Günter 1236 f, 1240 Waldmann, Michael 974, 979, 982 Waletzky, Joshua 1528, 1530, 1534 Walk, Richard G. 1212, 1215 Walker, Carol 976, 982 Walker, E. C. T. 982 Walker, Willard 704, 706, 708, 713, 720 Wall, S. 90, 1159, 1168, 1336, 1348 Wallace, Catherine 601, 610, 816, 821, 824, 980, 1003, 1025, 1203 f, 1498, 1505 Walle, Baudouin van de 491, 930, 1168, 1349, 1350, 1531 f Waller, T. G. 916, 942, 957, 969, 979, 981, 1094, 1168, 1318 Wallesch, Claus-W. 930, 1168, 1349 f, 1531 f Wallis, J. 1339, 1347, 1626, 1629 Wallmann, Alfred 739 Wallner, Teut 1044, 1048, 1055 f Walmsley, Sean A. 1004, 1024, 1026 Walne, Peter 151, 158 Walser, Martin 668, 1552 Walser, Robert 661, 1552 Walsh, Margret 852, 893 Walter, Achim 1178 Walter, Günter 1224 Walter, Stephen L. 802 Walters, Keith 642 f, 645 Walther von der Vogelweide 1272 Walther, Hannelore 1255, 1259 Walther, Iohannes L. 1511, 1515 Waltz, D. L. 974, 982 Walzel, Oskar 1553 Wang Cı´zho´ng 356 Wang Yangming 840 Wang Zhao 842 Wang, Fengyang 1406, 1410, 1412, Wang, G. 351, 356, 358, 382 Wang, Li 1476 Wang, Maorong 843, 854 Wang, William S.-J. 938, 942, 1101 f, 1104, 1109, 1113, 1115, 1117 Wang, Yanwei 849, 854 Wann, John P. 1028, 1035 Warburg, L. 1329, 1351 Warburton, W. 114 f, 121 Wardhaugh, Ronald 605, 610 Wardrop, James 201, 204 Warrington, Elizabeth K. 1084⫺90, 1092 f, 1331, 1348

Wartburg ⫺ Wilkinson Wartburg, Walter von 678, 1493, 1495 Wäschle, Peter A. 1037, 1048 Watanabe, Minoru 1483 Waterland, Liz 1291, 1299 Waters, Gloria 933, 942, 962, 963, 971, 1080⫺82, 1091, 1094 Watson, C. 1182, 1191 Watson, D. J. 1111, 1114 Watson, George 1074 Watson, J. 11 Watson, Ken 1296, 1298 f Watson-Gegeo, Karen 427, 430 Watt, Ian 2, 3, 15, 36, 40, 424, 427, 430, 467, 470, 643, 645⫺47, 649, 653, 1140 f Watt, William C. 173, 202, 204, 1115, 1577, 1583 Wattenbach, Wilhelm 150, 158, 554 Watts, G. H. 939, 942, 973, 982 Way, Thomas van der 487, 491 Weaver III, Charles 982 Weaver, Patricia 977, 982, 1021, 1027, 1100 Weber, E. 1270 Weber, Gerd Wolfgang 570 Weber, H. 1271 Weber, Hartmut 146, 158 Weber, Heinrich 634 Weber, Heinz-Dieter 1240 Weber, Hugo 1271 Weber, Manfred 53, 65, 477, 491 Weber, Samuel M. 991 Webster, Noah 732 Wedekind, Frank 896 Wedekind, Klaus 818, 824 Wedel-Wolff, Annagret von 1227, 1228, 1230 Wee, C. 1105, 1110, 1115 Wegener, Hermann 1365 Weggayyehu Niggatu 823 Wehler, Hans Ulrich 575, 578, 586, 863, 865, 867⫺69, 872, 1140, 1141 Wehmer, Carl 240, 255 Wehrli, Fritz 514, 515, 517 Wehrli, Max 556, 561, 572 Wehrmann, Carl Friedrich 150, 158 Wei, Liming 849 f, 855 Weidner, Ernst 288, 501 Weigl, Egon 1153, 1219, 1225, 1240, 1248, 1253, 1260 Weijers, Olga 552, 572 Weimer, H. 989 Weinberg, A. 979 f Weinert, Ferdinand E. 1245, 1247 f, 1351 Weinert, Franz 974, 979, 982, 1331, 1350, 1362, 1366

1689 Weingarten, Rüdiger 39, 41, 166, 168 f, 170, 581, 583, 586, 1531 f, 1535, 1581, 1583 Weinmann, Marianne 1322, 1329 Weinreb, Friedrich 680, 686 Weinrich, Harald 24, 41, 68, 84, 594, 602, 755, 766, 1491, 1495, 1517, 1526, 1556, 1558 Weinstein, Brian 1494 f Weinstein-Shr, Gail 426, 431 Weise, Christian 1282 Weisgerber, Leo 739, 1553 Weismer, Susan 1332, 1336, 1351 Weiss, Christina 682, 686 Weiss, Karl Theodor 922 f, 930 Weiss, Leonhard 1507, 1515 Weisser, Susan 4, 15 Weißkop f, Ralf 1441 Weisweiler, Max 1302, 1309 Weitemeyer, Mogens 158 Weitershaus, Friedrich Wilhelm 1604 Weitzel, Jürgen 611⫺13, 617⫺19 Weitzmann, Kurt 522, 524 Welch, V. 1080, 1092 Welke, Martin 76, 84 Well, A. D. 950, 956 f Wellisch, Hans W. 1604 Wells, Alan 893 Wells, John 1590 f Welsh, V 1155, 1168, 1348 Wenck, Günther 384, 404 Wendehorst, Alfred 556, 572, 861⫺63, 872 Wendell, Margaret M. 801 f Wendelmuth, Edmund 1254, 1260 Wendelstein, Ludwig 620 f, 628 Weniger, Erich 1129 Wente, Edward F. 487, 491 Wenzel, Hartmut 1223, 1225 Wenzel, Horst 561, 572 Wenzel, Rudolf 1229 f Wepner, S. B. 585 f Werder, Lutz von 1327, 1329, 1532, 1535 Werfelman, M. 1110, 1115 Werner, Hans 1207, 1216 Werner, Harald 1129 Werner, Matthias 1069, 1072, 1073 f Werner, Michael 662, 668, 670, 672 Werner, Rudolf 987 f, 990 f Werner, Thomas 32, 40 Wernicke, Carl 919, 924, 928, 931, 1058, 1082, 1091, 1094 Wersig, Gernot 577, 586 Wertheimer, Max 1256, 1260 Wescher, Herta 684, 686 Wessels, Hans Friedrich 40

West, Richard F. 934, 942 Westberry, R. L. 1107, 1116 Westendorf, Wolfhart 296 f, 490 Westenholz, Aage 278, 288, 495, 503 Wethekam 1172 Wetherill, P. M. 670 Wetzel, M. 672 Weuffen, Maria 1217, 1223 Wexler, Paul 742, 745 Weyrauch, Erdmann 93, 102 Wheeler, David D. 923, 931, 961, 971 Wheeler, Geoffrey 1299, 1309 Whitaker, Harry A. 1034, 1092, 1115, 1348 White, E. B. 1292, 1299 White, John K. 713, 720 White, Randall 49, 65 White, Robert 834 Whiteman, Marcia Farr 431, 672, 883, 1024, 1027, 1074, 1191 Whiting, Robert M. 493, 502 Whitney, William Dwight 117, 451 f, 457, 471, 490 Whittaker, Gordon 405, 415 Widmann, Hans 91, 95, 102, 548, 554 Widmer, Marcel 1037, 1048 Wieacker, Franz 519, 524 Wiegand, Albert 922, 931, 1352, 1367 Wiegand, Herbert Ernst 602, 1505, 1514, 1525 f, 1569, 1581, 1583 Wiegelmann, Günter 871 Wieland, C. M. 96, 649, 659 Wieland, Wolfgang 104, 121 Wienbarg, L. 895 Wiese, Richard 724, 739, 1016, 1027, 1377, 1380, 1527, 1535 Wieser, Roda 1049, 1056 Wilbert, Rüdiger 167, 170 Wilce, L. S. 1157, 1167 Wilcke, Claus 65, 494⫺97, 501, 503 Wild, Edeltraud 1268 Wild, Stefan 1300, 1309, 1485, 1490 Wildt, Marzella 1045, 1048, 1057, 1067 Wilf, Jennifer F. 938, 941 Wilhelm II. 1272, 1283 Wilhelm, Friedrich 572 Wilhelm, Gernot 275 f, 288, 503 Wilhelm, Hellmut 680 Wilhelm, Richard 351, 382, 680 Wilhelmer, Bernhard 1129 Wilkending, Gisela 1240 Wilkins, John 43, 112, 119, 1585, 1591 Wilkinson, Alex 979, 981

Wilkinson ⫺ Zechel

1690 Wilkinson, Andrew 1179 f, 1185 f, 1191, 1288, 1298 f Willenberg, Heiner 1538 f, 1545 Williams, N. 584, 586 Williams, Raymond 883, 881 Williams, S. 1331, 1350 Wilpert, Paul 627 Wilsdorf, Helmut 630, 635 Wilson, Barbara C. 1206, 1216 Wilson, Colin 680, 686 Wilson, Nigel G. 514, 516, 522, 524 Wilson, Timothy D. 999 f, 1004 Wimmer, Heinz 1157, 1169, 1343, 1351, 1354, 1357, 1366 f Wimuttikosol, Nina 708, 720 Windisch, Rudolf 592, 604 Wing, Alan M. 1028⫺30, 1032, 1034 f, 1084, 1088, 1089, 1090, 1093 f Wingert, Bernd 170 Winkelmann, Otto 598 f, 604 Winn, Milton M. 269, 274 Winner, T. W. 806, 813 Winograd, P. 1022, 1026 Winograd, Terry 1074 Winston, P. 1026 Winter, Alexander 15, 601, 991, 997, 1003, 1025, 1127, 1181, 1189, 1251, 1260, 1533 Winter, Erich 297 Wintermantel, F. 990 f Winternitz, Maurice 451⫺53, 471 Wippern, Jürgen 649, 654 Wippich, Werner 1540, 1543 Wirl, Klaus 1616 Wirth, J. D. 436 Wise, B. 1334, 1349 Wise, Michael 421, 423 Wiserus, Johann Balthasar 1207, 1216 Wissmann, Hermann 312 Wissowa, Georg 519, 524 Witte, Hartmut 1323, 1329 Witte, S. 1497, 1499 Witte, Stephen P. 994, 997, 1003, 1004, 1022, 1025, 1027 Witteveen, Han 893 Wittgenstein, Ludwig 679, 686, 1171, 1172, 1178, 1527 Wittlich, Bernhard 1046, 1048 Wittmann, Johannes 1244, 1248 Wittmann, Reinhard 88, 90, 92, 93, 96 f, 99, 102 Wittrock, Merlin C. 1004, 1177, 1178 Wodak, Ruth 1392, 1403 Woesler, W. 659, 671 f Wölbert, Gisela 1322, 1329 Wolf, Alois 561⫺63, 572, 593, 604

Wolf, Christa 665, 667, 897 Wolf, Hans-Jürgen 206, 209, 227 Wolf, Christian 113, 115 Wolff, Ekkehard 346 Wolff, Gerhard 1558 Wolff, Johann 1365 Wölfflin, Heinrich 1554 Wolfram von Eschenbach 569, 675, 861, 1272 Wolgast, Heinrich 1233, 1240 Wolverton, G. S. 953, 956 Wonderly, William L. 701, 708 Wong, B. 1116 Wong, E. 1110, 1115 Wong, K. Y. 146 Wonneberger, Reinhard 25, 41 Wood, Charles C. 906, 917 Wood, Thomas A. 1357, 1367 Woods, William 975, 982 Woodworth, Richard S. 918, 920⫺6, 931 Wordsworth, William 1294 Wormald, C. P. 558, 572 Worstbrock, Franz Josef 556, 566, 570, 572 Wortley, John 568 Woudhuizen, Fred 274, 287 Wright, Charles E. 1030, 1035 Wright, Roger 741, 745 Wright, Sarah 1365 Wrobel, Arne 1530, 1534 Wrolstad, Merald M. 893, 930, 942, 955, 1114 Wu Dı´ 437 Wu Yuzhang 845 Wu Ze´tian 373, 1411 Wudtke, Hubert 1151, 1214, 1216, 1627, 1629 Wulf, Christoph 4, 16, 40, 84, 120, 602 f, 1364, 1403, 1495, 1505 Wulff, Hans J. 1142, 1145, 1153 Wülfing, Inge-Maren 872 Wunder, Heide 866, 872, 1360 Wunderli, Peter 682, 686, 1398, 1404, 1526 Wunderlich, Dieter 931 Wunderlich, Hermann 1400, 1404 Wundt, Wilhelm 921 f, 925, 928 f, 931, 983 f, 988⫺92, 1125 Wünsche, Konrad 1364 Wurm, Stephen 705, 708 Wurzel, Wolfgang U. 1370, 1376, 1380 Wustmann, Gustav 1558 Wuttke, Dieter 678 Wuttke, Heinrich 204, 984, 986, 992 Wyer, R. S. 980 Wygotski, Lew Semjonowitsch 4, 18, 41, 427, 431, 672,

983⫺86, 992, 1002, 1129, 1142, 1145, 1150, 1153, 1173 f, 1178, 1185, 1212 f, 1216 Wyke, Maria A. 1216 Wyle, N. v. 1281 Wyller, Egil A. 104, 121

X Xenophanes 648 Xerxes 1609 Xi, J. 1311, 1318 Xi, Mi 851, 854 Xin-Hua 382 Xu Shen 362, 379, 1407, 1409 Xu Teli 844 Xu, Changan 1410, 1412 Xuan Zhou 354, 404 Xue Ya´o (Xue Jı´) 359

Y Yabrough, J. Craig 1540, 1544 Yamada, Bimyo 393, 404 Yamada, Jun 1314, 1318 Yamamoto, K. 145 Yan Xishan 837 Yang Gnia Yee 705, 708, 714, 720 Yang Zongkuı´ 362, 382 Yang, Paul 854 Yasnikova, L. D. 778 Yasqut al-Mustasimi 315 Yates, Frances Amalia 10, 17, 84, 108, 121 Yekovich, Frank 972, 976, 982 Yen, Y. C. James 835, 838⫺41, 849, 851 f, 854 Yletyinen, Riita 1200, 1205 Young, Andrew W. 1032, 1034, 1089, 1091, 1359, 1364 Young, Michael 834 Young, Robert W. 700, 708 Yuen, R. Chao 855, 1387, 1476 Yule, W. 1331, 1333, 1349, 1351

Z Zabel, Hermann 737, 739 Zahn, Joseph von 151, 153, 158 Zaidel, E. 1108, 1117 Zainer, Günther 214 Zajonc, Richard B. 923, 931 Zak, L. M. 813 Zanotti, Marco 1616 Zapata, Vladimir 834 Zapf, Hermann 227 Zartman, I. William 1301, 1309 Zechel, Artur 155, 158

Zeidler ⫺ Zvelebil Zeidler, Jürgen 294, 297 Zein, Ahmed Zein 823, 824 Zeitler, Julius 918, 922, 928 f, 931 Zeller, B. 101 Zeller, Eduard 646, 654 Zeller, Hans 659, 666, 671 f Zemanek, Heinz 1638 Zenn, Susanne 1123, 1129 Zenodot 515, 1578 Zerbst, Dieter 1529, 1531, 1535 Zgusta, Ladislaus 852, 1514, 1583 Zhang Zhi 358 Zhang, Guotao 854 Zhang, Lin 850, 855 Zhang, Shaowen 849, 850, 855 Zhang, Y. F. 1111, 1116 Zha´o Me´ngfu Songxue 356 Zhao Yuanren 837, 839, 851, 855

1691 Zheng Linxi 835, 855, 902 Zhou Jie 850, 855 Zhou Y. G. 1104, 1117 Zhu Jingnong 840 Zhu Yuan 851, 855 Zide, Arlene 322, 328 Ziegler, E. 898 Zielinski, Werner 1331, 1344, 1348 f, 1352, 1354 f, 1358, 1367 Zielke, W. 1321, 1329 Zienert, Heiko 1629 Ziesenis, Werner 1239, 1260 Ziessow, Karl-Heinz 1403 Zikmund, Hans 1604 Zimmer, Hubert D. 924, 931 Zimmermann, Fritz 152 f, 158 Zimmermann, Günter 572 Zimmermann, H. H. 1025 Zimmermann, Hans-Joachim 1177

Zimmermann, Harald 1456 f, 1466, 1467 Zimmermann, Jeannie 1048 Zinelli, P. 1088, 1093 Zinsser, William K. 1073 f Zintzen, Clemens 521, 524 Zittel, B. 156 Zlinszky, Ja´nos 519, 524 Zola, David 945, 947, 951, 953, 956 f, 961, 970 f Zola, E´mile 662, 668, 1391 Zschuckelt, Lothar 1328 Zuber, Claude-Anne 1582 Zuber, Ryszard 634 Zuidema, T. 436 Zumthor, Paul 3, 17, 556, 572, 593, 599, 604, 647, 654 Zuniga, Madeleine 834 Zürn, Unica 682, 686 Zvelebil, Kamil 322, 328

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B Linear B Verb Adverb

Modalverb proverb Hilfsverb Spracherwerb Fremdspracherwerb Schriftspracherwerb Buchklub

C monosyllabic polysyllabic Cyrillic Roman catholic iconic Coptic PC GPC compact disc

D learning to read Alphabetisierungsgrad Schriftgrad Typenrad CD voiced unvoiced reading speed writing speed Lied Liquid Zeigfeld Lenkfeld Symbolfeld Klangbild Nachbild Schriftbild Wortbild bold Einband shorthand Silbenrand compound look-say-method Hypercard ISO-Standard keyboard

loan-word ⫺ Umgangssprache

1736 loan-word nonword Talmud

E Gesamtausgabe Buchstabe Endbuchstabe Grundbuchstabe Blockbuchstabe Druckbuchstabe Vokalbuchstabe Anfangsbuchstabe Großbuchstabe Silbe Schreibsilbe Schriftprobe Druckfarbe Schreibstube preface space Renaissance correspondence artificial intelligence science coherence sentence letter sequence Saccade Sakkade book trade Rede indirekte Rede Anrede Tilde Legende Mende Silbenende Worttrennung am Zeilenende Wortende Satzende Deutschkunde Urkunde code UNICODE analytisch-synthetische Methode Schreiblesemethode Morphemmethode Leselernmethode Ganzheitsmethode Kode genetischer Kode restringierter Kode elaborierter Kode BCD-Kode Hamming-Kode EBCDI-Kode ASCII-Kode Gruppen-Kode Fano-Kode

Bar-Kode Strichkode Rhapsode Cherokee Cree Serife Schreibhilfe Sehschärfe Auflage Schreibvorlage Papiervorlage page storage Gurage Sage second language standard language creole language technical language official language colloquial language written language foreign language native-language metalanguage interlanguage Sprachpflege College Anzeige Graphemfolge Phonemfolge Buchstabenfolge Silbenfolge Zeichenfolge Alphabetfolge linguistic change Vokallänge Mittellänge Oberlänge Unterlänge Wortlänge Schreibfläche agglutinierende Sprache schriftliche Sprache altaische Sprache dravidische Sprache romanische Sprache kaukasische Sprache austronesische Sprache mandschu-tungusische Sprache austroasiatische Sprache kuschitische Sprache semitische Sprache laotische Sprache omotische Sprache slawische Sprache geschriebene Sprache gesprochene Sprache innere Sprache Ladhaki Sprache Flüchtigkeit der gesprochenen Sprache Darstellungsfunktion der Sprache

Mon-Khmer Sprache Nil-Sahara-Sprache Thai-Sprache Miao-Yao-Sprache Sidamasprache Metasprache Schreibsprache Rechtschreibsprache Vorbildsprache Fremdsprache Standardsprache Fachsprache Hochsprache Mischsprache Buchsprache Logiksprache Turksprache Kolonialsprache Nationalsprache Universalsprache Retrievalsprache Zielsprache Kreolsprache Cholsprache Schulsprache Geheimsprache Interimsprache Spontansprache Urkundensprache Gebärdensprache Behördensprache Kirchensprache Laiensprache Klassensprache Glossensprache Soldatensprache Minderheitensprache Immigrantensprache Studentensprache Gemeinsprache Allgemeinsprache Tonsprache Eskimosprache Vulgärsprache Vernakularsprache Formularsprache Berbersprache Kindersprache Sondersprache Programmiersprache Klerikersprache Indianersprache Dichtersprache Intersprache Muttersprache Computersprache Literatursprache Landessprache Gesetzessprache Hilfssprache Welthilfssprache Alltagssprache Umgangssprache

Ausgangssprache ⫺ Redeschule Ausgangssprache Bildungssprache Nachahmungssprache Verwaltungssprache Ausgleichssprache Volkssprache Handelssprache Kaufmannssprache Verkehrssprache Staatssprache Geschäftssprache Wissenschaftssprache Rechtssprache Unterrichtssprache Amtssprache Aussprache Leseaussprache Schriftsprache Zweitsprache Weltsprache Kultsprache Pilotsprache Erstsprache Priorität der Lautsprache Bantusprache Agawsprache Dominanzsprache Distanzsprache Zusatzsprache Lese-Rechtschreib-Schwäche Mikrofiche Kirche Tusche Alphabetreihe Tonhöhe Laie Enzyklopädie Prosodie Einzelfallstudie Fotografie Magie Buchstabenmagie Schreibstrategie Rechtschreibstrategie Lesestrategie Lernstrategie Makrostrategie Lehrstrategie Genealogie Analogie Ethnomethodologie Theologie Phraseologie Psychologie Sprachpsychologie Tiefenpsychologie Lernpsychologie Neuropsychologie Entwicklungspsychologie Kognitionspsychologie Gestaltpsychologie Graphologie Morphologie

1737 Verbmorphologie Mythologie Biologie Semiologie Physiologie Psychophysiologie Neurophysiologie Soziologie Kodikologie Lexikologie Philologie Epistemologie Etymologie Schreibtechnologie Lesetechnologie Terminologie Schriftterminologie Sinologie Phonologie Anthropologie Typologie Schrifttypologie Astrologie Neurologie Grammatologie Liturgie Graphie Agraphie Digraphie Kalligraphie Pasigraphie Paläographie Syllabographie Ideographie Logographie Lithographie Orthographie Schulorthographie Biographie Autobiographie Hagiographie Bibliographie Historiographie Semasiographie Lexikographie Allographie Epistolographie Haplographie Homographie Stenographie Ethnographie Phonographie Ikonographie Typographie Piktographie Kryptographie Kartographie Tachygraphie Philosophie Sprachphilosophie Allomorphie Versalie Bibliophilie

Wortfamilie Scholie Akademie Sprachakademie Schreibökonomie Astronomie Homonymie Legasthenie Schreiblinie Allophonie Homophonie Diachronie Synchronie Psychotherapie Orthoepie Fotokopie Schreibtheorie Frametheorie Sprachtheorie Gesamtformtheorie Wortformtheorie Lerntheorie Handlungstheorie Kommunikationstheorie Informationstheorie Schrifttheorie Sprechakttheorie Texttheorie Geometrie Aphasie Dysphasie Kinästhesie Diglossie Binnendiglossie Außendiglossie Demokratie Empraxie Dyspraxie Alexie phonologische Alexie Tiefenalexie Oberflächenalexie Paralexie spelling mistake Antike stroke Töpfermarke Eigentumsmarke Initiale Unziale Numerale syllable Sigle Zeile Kpelle Cedille Nonpareille Schriftrolle Schule Prager Schule Schreibschule Grundschule Redeschule

Gemeindeschule ⫺ meaning

1738 Gemeindeschule Grammatikschule Realschule Kommunalschule Regelschule Winkelschule Tempelschule Islamschule Domschule Koranschule Kirchenschule Armenschule Gelehrtenschule Frauenschule Lateinschule Sekundarschule Elementarschule Wanderschule Sonderschule Winterschule Klosterschule Vorschule Hilfsschule Sonntagsschule Volksschule Kaufmannsschule Staatsschule Ratsschule Rechtsschule Privatschule style rime rhyme Sprechorgane Alphabetisierungskampagne Korrekturfahne Schreibmaschine Kugelkopfschreibmaschine Typengießmaschine Setzmaschine Typensetzmaschine line headline Koine´ Schreibroutine magazine Kolumne Egyptienne Ikone word shape letter shape Apokope type Drucktype Linotype Monotype Hemisphäre Hardware Software Sprachbarriere Tegre Tigre More

signature office document architecture Lektüre Schullektüre database upper case lower case logographemische Phase Emphase Phrase Paraphrase Nominalphrase Epenthese Parenthese Autonomiehypothese Abhängigkeitshypothese Phylogenese Ontogenese Aphärese Enklise Schreibbinse Ellipse Adresse Presse Handpresse Schnellpresse Druckerpresse Druckerzeugnisse Buchstabengröße clause Pause Zayse Sprachanalyse Stilanalyse Phonemanalyse Psychoanalyse Fehleranalyse Inhaltsanalyse forensische Schriftanalyse Dokumentanalyse Textanalyse Affrikate calculate Geminate Alphabetisierungsrate Bete Menschenrechte Sprachgeschichte Buchgeschichte Wissenschaftsgeschichte Schriftgeschichte Seite Titelseite Versoseite Rectoseite Haarseite learning to write Hittite Dickte Interferenzeffekte Dopplungspunkte Spalte Leseexperimente

Tinte footnote Fußnote Textsorte Geste Liste Bilingue Trilingue slips of the tongue mother tongue Kursive Humanistenkursive narrative funktionale Satzperspektive Parataxe Hypotaxe Matrize Patrize Silbengrenze Wortgrenze Münze

F Telegraf Brief lexikalischer Zugriff Beschreibstoff Alif Kehlkopf

G Verlag Vertrag Vortrag Schulerfolg Silbenanfang Wortanfang Textanfang Satzanfang Schreiblehrgang Leselehrgang Majang Kammüang reading beginning reading proofreading decoding phonological decoding phonological encoding I Ging Desktop-Publishing thinking chunking spelling fingerspelling misspelling compulsory schooling Priming meaning

rote learning ⫺ Schreibleistung rote learning perceptual learning record-keeping book-keeping deciphering clustering Monitoring advertising Parsing text processing information-processing cursive writing forerunners of writing beginning writing cuneiform writing handwriting problem-solving Diphthong Hmong Lernumgebung Gesetzgebung Hervorhebung Plene-Schreibung Vertikalschreibung Vokalschreibung Einzelfallschreibung Zahlenschreibung Getrennt/Zusammenschreibung Groß- und Kleinschreibung Geschichtsschreibung Rechtschreibung Rotschreibung Defektivschreibung Werbung Schreibübung Bildung Schulbildung höhere Schulbildung Erwachsenenbildung Allgemeinbildung Elementarbildung Ausbildung Lehrerausbildung Weiterbildung Fortbildung Wortbildung Endung Konsonant-Vokal-Verbindung Situationsentbindung Schriftschöpfung Prüfung Datenübertragung Schreibbewegung Handbewegung Sprechbewegung Arbeitsschulbewegung Augenbewegung Kunsterziehungsbewegung Gesamtunterrichtsbewegung Beglaubigung Sprachreinigung Vervielfältigung Überdachung

1739 Gleichung Unterstreichung Vergegenständlichung Verdinglichung Versprachlichung Verschriftlichung Verrechtlichung Veröffentlichung Sprachmischung Fälschung Schreibforschung Leseforschung Schriftlichkeitsforschung Laut-Buchstaben-Beziehung Erziehung Sprecherziehung sprachliche Handlung Sprechhandlung Verschlüsselung Entschlüsselung Nacherzählung kognitive Entwicklung Sprachentwicklung Papierherstellung Wortstellung Wahrnehmung Hemmung Adverbialbestimmung Planung Sprachplanung Sprachproduktionsplanung Unterrichtsplanung Vorzeichnung Felszeichnung Dehnung Entlehnung Spracherkennung Buchstabenerkennung Mustererkennung Handschrifterkennung Worterkennung Zwei-Wege-Theorie der Worterkennung Bücherverbrennung Silbentrennung Worttrennung Betonung Gliederung Schilderung Schriftveränderung Sprachbehinderung Lernbehinderung Schreibförderung Leseförderung Überlieferung Entzifferung Sprachentwicklungsverzögerung Univerbierung Kodierung Normierung Paginierung Linierung Blindlinierung

Restrukturierung Arabisierung Standardisierung Verbalisierung Labialisierung Grammatikalisierung Lexikalisierung Nominalisierung Konventionalisierung Lateralisierung Reoralisierung Neutralisierung Palatalisierung Digitalisierung Glottalisierung Kontextualisierung Kyrillisierung Christianisierung Romanisierung Latinisierung Kanonisierung Linearisierung Rektangularisierung Symmetrisierung Regraphematisierung Automatisierung Alphabetisierung Initialalphabetisierung Phonetisierung Punktierung Segmentierung Rubrizierung Homonymendifferenzierung Erörterung Verdauerung Buchführung Schreibstörung Spracherwerbstörung Lesestörung Schriftspracherwerbsstörung Sprachentwicklungsstörung Lesung Verlesung Vorlesung Zusammenfassung Heftung Neuverschriftung Dichtung Schreibrichtung Leserichtung Schriftrichtung Überarbeitung Sprachverarbeitung Datenverarbeitung Informationsverarbeitung Textverarbeitung Ableitung Zeitung Schreibhaltung Buchhaltung Verwaltung Benotung Schreibleistung

Rechtschreibleistung ⫺ Ugaritisch

1740 Rechtschreibleistung Leseleistung Bedeutung Vertextung Falzung Abkürzung Zusammensetzung Übersetzung Bibelübersetzung Lernvoraussetzung Dialog catalog Katalog Schreibwerkzeug Adressatenbezug

H Mishnah Gespräch part-of-speech Strich Grundstrich Bindestrich Schrägstrich Spiegelstrich Gedankenstrich Haarstrich Querstrich Ergänzungsstrich Geminationsstrich Hauptstrich Kupferstich French church Sabäisch Malaisch Aramäisch Elymäisch Kanaanäisch Indoeuropäisch Alteuropäisch Hebräisch Theräisch Nabatäisch Arabisch Altsüdarabisch Hocharabisch Mozarabisch Serbisch Sorbisch Akkadisch Jiddisch Schwedisch Niederländisch Isländisch Lombardisch Langobardisch Sardisch Altnordisch Kurdisch Jüdisch

Buchara-jüdisch Galegisch Norwegisch Georgisch Letzeburgisch Phrygisch Kazachisch Tschechisch Griechisch Altgriechisch Slowakisch Epiolmekisch Yukatekisch Zapotekisch Aztekisch Tadzikisch Fränkisch Türkisch Baskisch Etruskisch Kalmykisch Provenzalisch Gälisch Karelisch Englisch Mittelenglisch Altenglisch Kastilisch Kyrillisch Äolisch Mongolisch Elamisch Karaimisch Qatabanisch Dänisch Koreanisch Kambodschanisch Nestorianisch Haitianisch Lichjanisch Syrjänisch Katalanisch Germanisch Rumänisch Japanisch Spanisch Judenspanisch Ausanisch Qahtanisch Okzitanisch Azerbajdzanisch Italienisch Mykenisch Armenisch Palmyrenisch Ukrainisch Grusinisch Polnisch Alemannisch Finnisch Makedonisch Ionisch ikonisch

Babylonisch Punisch Minoisch Färöisch Äthiopisch Bulgarisch Altbulgarisch Ungarisch Amharisch Karisch Chazarisch Iberisch Sumerisch Irisch Bairisch Jukagirisch Baskirisch Kymrisch Dorisch Kyprisch Eteokyprisch Zyprisch Uighurisch Syrisch Assyrisch Portugiesisch Singhalesisch Siamesisch Vietnamesisch Assamesisch Burmesisch Chinesisch Indonesisch Maltesisch Piemontesisch Angelsächsisch Walisisch Französisch Altfranzösisch Persisch Altpersisch Korsisch Elsässisch Russisch Weißrussisch Rhätisch Burjatisch Kroatisch Serbokroatisch Tatisch Tibetisch Kretisch Eteokretisch Safaitisch Moabitisch Hethitisch Glagolitisch Hadramitisch Nordwestsemitisch Edomitisch Ammonitisch Meroitisch Ugaritisch

Hurritisch ⫺ Sprachdidaktik

1741

Hurritisch Keltisch Gotisch Koptisch Ägyptisch Attisch Aleutisch Moldauisch Litauisch Kirchenslawisch Altkirchenslawisch Luwisch Galizisch Phönizisch Deutsch Hochdeutsch Mittelhochdeutsch Althochdeutsch Neuhochdeutsch Frühneuhochdeutsch Mitteldeutsch Niederdeutsch Schweizerdeutsch Dutch Buch Tagebuch Lesebuch Fachbuch Sachbuch Blockbuch Schulbuch Stundenbuch Taschenbuch Elementarbuch Bilderbuch Wörterbuch Lehrbuch Schreiblehrbuch Umbruch Schulbesuch Jodh Graph paragraph Digraph Xylograph Mehrgraph Polygraph Aleph Apostroph Jewish beth Daleth Anakoluth Thuluth

I Hattai Vai Punjabi Maghribi Hindi

Titelei Kanzlei Druckerei Buchmalerei Höhlenmalerei Setzerei Kufi Chi Balochi Sandhi Sindhi Gurmukhi Phi Nashi Marathi Kharosthi Kanji Far Soomaali Bengali Somali Pali Nepali Santali Suaheli Brahmi Rihani Konkani Menomini Bodoni Pi Tawqi Devanagari Bihari Harari Kashmiri Maori Manipuri Suri Psi Gujarati Graffiti Silti Xi Naxi Shuowen-jiezı´ Hanzi

K Anuak Textblock Buchschmuck Tiefdruck Flachdruck Nachdruck Hochdruck Buchdruck Frühdruck Tiegeldruck Holzplattendruck Reiberdruck Rotationsdruck

Offsetdruck Lichtdruck Fettdruck Greek Bibliothek Samek Pädagogik Reformpädagogik Gehörlosenpädagogik Sprachbehindertenpädagogik Sonderpädagogik Logik Graphik Epigraphik Mathemathik Morphographemik Phanemik Morphophonemik Mimik Schreibtechnik Lesetechnik Drucktechnik Mnemotechnik Kommunikationstechnik Satztechnik Chronik Epik Diatopik Kombinatorik Rhetorik Motorik Schreibmotorik Graphomotorik Sensomotorik Lyrik Diaphasik Physik Graphematik Kinematik Phonematik Glossematik Pragmatik Syntagmatik Grammatik generative Grammatik Schulgrammatik Geschichtengrammatik Textgrammatik Diastratik Graphetik Ästhetik Arithmetik Phonetik Sprachpolitik Sprachkritik Schriftkritik Textkritik Didaktik Schreibdidaktik Rechtschreibdidaktik Lesedidaktik Fachdidaktik Sprachdidaktik

Deutschdidaktik ⫺ Kommunikationssystem

1742 Deutschdidaktik Literaturdidaktik Erlebnisdidaktik Aufsatzdidaktik Graphotaktik Phonotaktik Semantik Romantik Semiotik Haptik Scholastik Stilistik Funktionalstilistik Romanistik Germanistik Linguistik Psycholinguistik Soziolinguistik Neurolinguistik Textlinguistik Publizistik Akustik Mystik Hermeneutik Lexik Datenbank blank Silbengelenk ink book pocket book textbook GPK Futhark exclamation mark quotation mark clerk Nachschlagewerk Sprachwerk Netzwerk network Grotesk

L Pharyngal Laryngal Labial Bilabial writing material Schreibmaterial Beschreibmaterial Radikal Apikal Vokal Halbvokal Langvokal Kardinalvokal Reduktionsvokal Sproßvokal Kurzvokal Sprachsignal

Gliederungssignal Grenzsignal journal Plural Guttural Nasal Palatal Dental Labiodental Interdental monolingual Retrieval Fabel Inkunabel Bibel Fibel Versandhandel Buchhandel Kolportagebuchhandel Handschriftenhandel Sprachwandel Lautwandel Tafel Schreibtafel Tontafel Wachstafel Griffel Satzspiegel Siegel Regel Rechtschreibregel Sprachspiel Wortspiel Lernziel Orakel Artikel Partikel Modalpartikel Lesezirkel Majuskel Minuskel karolingische Minuskel diplomatische Minuskel gotische Minuskel humanistische Minuskel insulare Minuskel Gimel Stempel Pinsel Schreibpinsel Bilderrätsel Kapitel Titel Schmutztitel vowel Wurzel Zahl mail e-mail Glossenkeil Satzteil Tamil SIL

Stil Schreibstil Sprachstil Kanzleistil Nominalstil Telegrammstil Gelehrtenstil Papierstil Schriftstil Lesemodell Grammatikmodell Computermodell Erziehungsmodell Prozeßmodell reading skill writing skill will Protokoll school primary school preschool Nahuatl

M Islam Graphem Fremdgraphem Doppelgraphem Syngraphem Morphem Stammorphem Emblem Schreibproblem Verstehensproblem Kommunikationsproblem Kenem Phonem poem Plerem stem writing system acceptance of a writing system alpha-syllabic writing system alphabetic writing system Kunrei-System Hypermediasystem Schreibsystem Sprachsystem Vokalsystem Dezimalsystem Hexadezimalsystem Symbolsystem Schulsystem Phonemsystem Zeichensystem Privilegiensystem Sechsliniensystem Zahlensystem Expertensystem adoption of a foreign system Kommunikationssystem

Additionssystem ⫺ Lesestein

1743

Additionssystem Positionssystem Schriftsystem alphabetisches Schriftsystem Punktsystem Lexem Reim Psalm Film Mikrofilm Anagramm Sonagramm Hexagramm Bigramm Digramm Trigramm Engramm Spracherhaltungsprogramm Submersionsprogramm Immersionsprogramm Assimilationsprogramm Spektrogramm Stamm Bildschirm Orthographiereform Sprachreform Schriftreform Stammform Buchstabenform Zeichenform Explizitform Wortform Norm Deutsche Industrie Norm Schreibnorm Sprachnorm catechism multilingualism connectionism Medium Sprachstudium Skriptorium Gymnasium Spatium Phonetikum Curriculum Präteritum Judentum Christentum Mönchstum Nähe-Distanz-Kontinuum Determinativum Pseudonym Synonym

N Corean Phoenician Ethiopian Hungarian Cyprian

Egyptian Lehrplan Roman Roman Fortsetzungsroman German Koran Quran San Cretan Wenyan kognitive Prozesse beim Schreiben epistemisches Schreiben unifiziertes Schreiben kreatives Schreiben assoziatives Schreiben kommunikatives Schreiben performatives Schreiben Abschreiben Handschreiben Spontanschreiben Maschinenschreiben Schönschreiben Verschreiben Rechtschreiben Erstschreiben Veden Duden Bilderbogen Durchstreichen diakritisches Zeichen Grundzeichen Ausrufezeichen Fragezeichen Zahlzeichen Silbenzeichen Trennzeichen Sonderzeichen Leerzeichen Wasserzeichen Hilfszeichen Anführungszeichen Auslassungszeichen Satzschlußzeichen Schriftzeichen chinesisches Schriftzeichen paariges Satzzeichen Zusatzzeichen Kapitälchen Fernsehen Verstehen Sprachverstehen Textverstehen hyphen Hieroglyphen Medien Schreibmedien Massenmedien Speichermedien Printmedien Annalen arabische Zahlen

römische Zahlen Erzählen Namen Buchstabennamen Pronomen Personalpronomen Relativpronomen Demonstrativpronomen Neumen Rechnen Zeichnen auswendig Lernen Schreiben Lernen Lesen Lernen Wahrnehmungslernen pen slips of the pen Syllabieren Buchstabieren Dekodieren phonologisches Rekodieren Redigieren Reformulieren Konzipieren Kopieren Exzerpieren Chiffrieren Memorieren Formatieren alphabetisches Sortieren Lautieren Schnelleseverfahren Lesen kognitive Prozesse beim Lesen leises Lesen Frühlesen Erlesen Vorlesen Korrekturlesen Erstlesen Buchwesen Schulwesen Pecienwesen Erziehungswesen Problemlösen Wissen Weltwissen Glossen Akten tironische Noten Kindergarten Guwen brain DIN Bewußtsein phonologisches Bewußtsein Sprachbewußtsein Schriftbewußtsein Latein Mittellatein Vulgärlatein Rosetta Stein Lesestein

Zählstein ⫺ Gedeo

1744 Zählstein Textbaustein Pidgin Ajin Tok Pisin Latin Pinyin Medizin column Boustrophedon Telefon Akrostichon Kolophon Religion Buchreligion Kohäsion cohesion television Revision comprehension text comprehension Suspension Rezension Konversion Mission codification oral communication education formal education higher education adult education primary education elementary education Negation Konjugation pronunciation spelling pronunciation International Phonetic Association abbreviation Assoziation Prädikation Kodifikation doppelte Kodifikation Publikation Reduplikation mündliche Kommunikation schriftliche Kommunikation Telekommunikation type-token Relation Assimilation translation Artikulation doppelte Artikulation Koartikulation word formation Reformation Gegenreformation hyphenation Subordination Koordination Deklination Kontamination

examination Konsonantengemination Intonation Satzintonation Emanzipation Alliteration Transliteration Migration Immigration Aspiration administration Illustration Akkulturation Vokalisation Subvokalisation alphabetisation conversation Konversation dictation Imitation Rezitation mentale Repräsentation kognitive Repräsentation Notation connotation Konnotation punctuation Schreibsituation Sprechsituation Kommunikationssituation derivation activation Aktivation interaktive Aktivation Motivation Schreibmotivation Fixation arabization lexicalization nominalization decontextualization canonization Conscientization inflection correction Suppletion inhibition Schreibtradition Diskurstradition Addition Edition cognition speech recognition pattern recognition character recognition optical character recognition Kognition Metakognition language acquisition second language acquisition reading acquisition literacy acquisition Präposition

composition morphological decomposition morphologische Dekomposition Proposition Makroproposition Apposition Redaktion Interaktion Mensch-Computer-Interaktion Interjektion Rektion Junktion Konjunktion Interpunktion Sprachproduktion Buchproduktion Textproduktion Dekonstruktion Prädikativkonstruktion attention convention Konvention Berner Konvention Schreibkonvention Emotion perception Rezeption Textrezeption Apperzeption Transkription Attribution Illokution Textkonstitution Flexion Sprachreflexion Schriftreflexion Ostrakon Lexikon mentales Lexikon Zeichenlexikon Epsilon Ypsilon colon Semikolon sermon Schriftkanon Textkanon Omikron Liaison Chanson anglosaxon Silbenkern stress pattern Gehirn Kambun Hanmun Sinmun noun

O Igbo UNESCO Gedeo

Video ⫺ Silbenstruktur

1745

Video Kango Saho Rho Kaisho Radio Elocutio Navajo Estrangelo Oromo Sumo Ladino UNO Cicero Paschto Miskito Esperanto Serto

P censorship Partizip orthographisches Prinzip akrophonisches Prinzip Hasta⫹Coda-Prinzip Tachistoskop articulatory loop Schrifttyp

Q Muhaqqaq Taliq Nastaliq

R Syllabar Abecedar calendar Afar Evangeliar Homiliar Velar Labiovelar Alveolar Singular Formular Uvular grammar story grammar Glossar Sekretär Kommentar Grapheminventar Phoneminventar Zeicheninventar Schriftzeicheninventar Notar

OCR Herausgeber Urheber Schreiber Kugelschreiber Fernschreiber Gelegenheitsschreiber number Schreibfeder Stahlfeder gender Kalender Buchbinder hyperlektische Kinder alphabetic order reading disorder Ziffer Rechtschreibprüfer Schriftträger Verleger Schulanfänger Schwabacher teacher Sprecher Versprecher Speicher Gautscher Anapher Katapher Metapher publisher Papier elektronisches Papier Courier speaker spelling checker Drucker Tintenstrahldrucker Laserdrucker Computerdrucker Junggrammatiker orthographischer Fehler Schreibfehler Rechtschreibfehler Lesefehler Druckfehler Tippfehler Briefsteller Schriftsteller Khmer primer Klammer determiner Benediktiner Scanner learner Lerner newspaper hearer Lehrer Schreiblehrer Hörer Leser

Verfasser Schriftgießer Theater character Hexameter typewriter Schreibalter Lesealter Mittelalter printer chapter irreguläre Wörter Kataster Priester Schreibmeister Register Sprachregister Kloster Vokalcluster Konsonantencluster letter Letter capital letter Computer personal computer Nuer cover prayer Schriftsetzer Schreibrohr reading error writing error Lautindikator Klassifikator Illuminator Editor Monitor Korrektor Autor Schreibspur Zensur Ligatur Abbreviatur Imprimatur Signatur Literatur Jugendliteratur Nationalliteratur Frauenliteratur Kinderliteratur Unterhaltungsliteratur Erbauungsliteratur Gebrauchsliteratur Registratur Tastatur Fraktur Korrektur Rechtschreibkorrektur Lehrerkorrektur Selbstkorrektur Architektur Sprachstruktur Silbenstruktur

Tiefenstruktur ⫺ Schriftgemeinschaft

1746 Tiefenstruktur Konstituentenstruktur Makrostruktur Mikrostruktur Schriftstruktur Wortstruktur Textstruktur Schreibkultur Lesekultur Sprachkultur Buchkultur Gedächtniskultur Schriftkultur

S Phasenmodell des Schriftspracherwerbs italics Comics phonics Summer Institute of Linguistics Times Artes Verweis Kapitalis Corpus Iuris Civilis Inhaltsverzeichnis matres lectionis Gedächtnis soziales Gedächtnis kulturelles Gedächtnis kommunikatives Gedächtnis kollektives Gedächtnis Arbeitsgedächtnis Langzeitgedächtnis Kurzzeitgedächtnis Textbasis emphasis dual route hypothesis optical document analysis error analysis Gravis Schreibpraxis Deixis Arabic numerals Roman numerals Tiefe eines Schriftsystems Übernahme eines Schriftsystems neogrammarians Arbitrarität des sprachlichen Zeichens Protokolle lauten Denkens Präsens Gilgames-Epos Diskus von Phaistos Chinese characters Vers lexical access handedness phonemic awareness deafness

consciousness Schreibprozeß Leseprozeß Denkprozeß Lernprozeß Formulierungsprozeß Verstehensprozeß Kommunikationsprozeß Normverstoß Durchschuß Schreibfluß Glottisverschluß Human Rights table of contents Rebus Modus calamus Kalamus Rhythmus Schreibrhythmus Dadaismus Syllogismus Neologismus Katechismus Buddhismus Graphismus Nationalsozialismus Journalismus Strukturalismus Bilingualismus Holismus Konfuzianismus Germanismus Humanismus Sinismus Latinismus Konnektionismus Taoismus Manierismus Logozentrismus Phonozentrismus Behaviourismus Purismus Analphabetismus Protestantismus Skriptismus Hinduismus Gräzismus Gallizismus Katholizismus Genus Tempus Qippus corpus Korpus Klerus Thesaurus Papyrus Kasus Ritus Spiritus Duktus Schriftduktus

T Prädikat Buchformat Seitenformat Papierformat Schreibgerät Lesegerät sprachliche Varietät H-Varietät L-Varietät Grammatikalität Literalität funktionale Literalität allgemeine Literalität Demographie der Literalität Biliteralität Semiliteralität Massenliteralität Frauenliteralität Oralität Druckqualität Vokalqualität Textualität Intertextualität Linearität Binarität Universität Ambiguität Kreativität Normativität Intersubjektivität Reflexivität Ikonizität Diktat frequency effect Alphabet initial teaching alphabet Roman alphabet phonetisches Alphabet Deseret-Alphabet Handalphabet Morsealphabet Langalphabet Silbenalphabet Flaggenalphabet Konsonantenalphabet Fingeralphabet Hilariusalphabet Kurzalphabet Gebet bracket onset multikulturelle Gesellschaft Informationsgesellschaft Wissenschaft Sprachwissenschaft Naturwissenschaft Literaturwissenschaft Erziehungswissenschaft Kognitionswissenschaft Rechtswissenschaft Schriftgemeinschaft

Schrift ⫺ Stützschrift Schrift Sharada Schrift Grantha Schrift Pallava Schrift ägäische Schrift logosyllabische Schrift wortsilbische Schrift jüdische Schrift tamudische Schrift beneventanische Schrift hieratische Schrift sinaitische Schrift gotische Schrift demotische Schrift butische Schrift Aneignung der Schrift Demotisierung der Schrift Lautbezug der Schrift dekorative Funktion der Schrift Abbildungsfunktion der Schrift Aufzeichnungsfunktion der Schrift Erfassungsfunktion der Schrift Vorläufer der Schrift Akzeptanz einer Schrift Sayaboury Schrift Geba-Schrift Dongba-Schrift Musnad-Schrift Tod-Schrift Xibe-Schrift Braille-Schrift Dai-Schrift Mhedruli-Schrift Hutsuri-Schrift Yi-Schrift Hangul-Schrift Ogham-Schrift Bamum-Schrift Harappan-Schrift Clarendon-Schrift Sutton-Schrift Abur-Schrift Zabur-Schrift Byblos-Schrift Mayaschrift Abschrift Schreibschrift Kerbschrift Vorbildschrift Wortbildschrift Handschrift Hadit-Handschrift Schulhandschrift Frauenhandschrift Gebrauchshandschrift Mundschrift Grundschrift Standardschrift Redeschrift Leseschrift Schrägschrift Sachschrift

1747 Strichschrift Durchschrift Mischschrift Buchschrift Kanzleischrift Zweckschrift Druckschrift Groteskschrift Zeremonialschrift Kurialschrift Offizialschrift Unzialschrift Originalschrift Proportionalschrift Universalschrift Kapitalschrift Segmentalschrift Monumentalschrift Spiegelschrift Siegelschrift Regelschrift Spielschrift Majuskelschrift Minuskelschrift Titelschrift Kritzelschrift Zahlschrift Eilschrift Keilschrift Symbolschrift Perlschrift Schulschrift Morphemschrift Geheimschrift Normschrift Umschrift Peking-Umschrift Hepburn-Umschrift McCune-Reischauer-Umschrift Buchstabenschrift Kleinbuchstabenschrift Silbenschrift Druidenschrift Legendenschrift Blindenschrift Urkundenschrift Gebärdenschrift Behördenschrift Zeichenschrift Versalienschrift Tabellenschrift Maschinenschrift Schreibmaschinenschrift Runenschrift Morenschrift Glossenschrift Beamtenschrift Foliantenschrift Konsonantenschrift Tintenschrift Notenschrift Kettenschrift Frauenschrift

Inschrift Gemeinschrift Reinschrift Lateinschrift Sütterlinschrift Gehirnschrift Kommunschrift Lapidarschrift Linearschrift Überschrift Bilderschrift Sonderschrift Zierschrift Klerikerschrift Unterschrift Schulmeisterschrift Computerschrift Kulturschrift Grasschrift Begriffsschrift Hilfsschrift Bedarfsschrift Alltagsschrift Ausgangsschrift Auszeichnungsschrift Zeitungsschrift Vergleichsschrift Gebrauchsschrift Basisschrift Volksschrift Dekorationsschrift Dokumentationsschrift Verkehrsschrift Fußschrift Schlußschrift Staatsschrift Geschäftsschrift Amtsschrift Testamentsschrift Duktusschrift Quadratschrift Diktatschrift Alphabetschrift Keilalphabetschrift Zeitschrift Punktschrift Weltschrift Kultschrift Kurrentschrift Brotschrift Konzeptschrift Konzeptschrift Wortschrift Kunstschrift Lautschrift Weltlautschrift Textschrift Kursivschrift Votivschrift Notizschrift Kurzschrift Schutzschrift Stützschrift

Bleistift ⫺ Satzbau

1748 Bleistift Predigt Geschlecht Recht Urheberrecht Schriftrecht Gedicht Unterschicht Schulpflicht Gericht Unterricht Schreibunterricht Rechtschreibunterricht Leseunterricht Sprachunterricht Sachunterricht Deutschunterricht Grammatikunterricht Stilunterricht Förderunterricht Literaturunterricht Anfangsunterricht Lesesucht copyright Explicit Minderheit Markiertheit Elaboriertheit Motiviertheit phonologische Bewußtheit Zweisilbigkeit Einsilbigkeit Mehrsilbigkeit Händigkeit Linkshändigkeit Rechtshändigkeit Schreibgeschwindigkeit Lesegeschwindigkeit Sprechgeschwindigkeit Bündigkeit Linksbündigkeit Rechtsbündigkeit Buchstabenhäufigkeit Worthäufigkeit Schreibfähigkeit Lesefähigkeit Rechenfähigkeit Diskriminationsfähigkeit Halbsprachigkeit Zweisprachigkeit Einsprachigkeit Mehrsprachigkeit Lernschwierigkeit Schichtzugehörigkeit Vokallosigkeit Stimmlosigkeit Gehörlosigkeit Schriftlosigkeit Stimmhaftigkeit Zweischriftigkeit Einschriftigkeit Mehrschriftigkeit Mehrdeutigkeit

Verständlichkeit Mündlichkeit Schriftlichkeit konzeptionelle Schriftlichkeit Aufmerksamkeit Lernbarkeit Lesbarkeit Reaktionszeit Neuzeit Graphit T-unit Incipit Prakrit Sanskrit Petit Inuit Sprechakt Sprachkontakt Schriftkontakt Affekt Pseudohomophoneffekt Wortüberlegenheitseffekt Häufigkeitseffekt Perfekt Imperfekt Subjekt Dialekt Schreibdialekt Idiolekt Regiolekt Soziolekt Punkt Doppelpunkt Schreibprodukt Schriftgestalt Gesamtgestalt Kult Sibilant consonant Konsonant Langkonsonant Spirant Sonorant Pergament Testament Altes Testament Neues Testament Komplement phonetisches Komplement semantisches Komplement hand movement eye movement Lautsegment parchment Experiment Stroop-Experiment topic/comment language development cognitive development Handgießinstrument Obstruent Akzent print

Font script creation of a script common script Manuskript Klassenhaupt learning by heart On-Lesart Kun-Lesart Schriftart Wortart Druckort Fremdwort Schlagwort Sprichwort Zahlwort Pseudowort Vorwort Funktionswort broadcast Palimpsest Rechtschreibtest Intelligenztest Jurist Schreibkunst Schriftkunst Post Sprachverlust Flugblatt Doppelblatt Holzschnitt Endlaut Sprachlaut Einzellaut Umlaut Anlaut Inlaut Anfangslaut Verschlußlaut Auslaut Stammauslaut Akut Layout sacred text canonical text heiliger Text Spiraltext Schultext context Kontext Videotext Hypertext Fließtext

U Sprachaufbau Textaufbau Ausbau Sprachausbau Satzbau

Tau ⫺ Datenschutz

1749 Tau Tabu Urdu Telugu Caoshu Mü Khmu Nü Ainu

Retroflex Cortex Präfix prefix Affix Suffix Infix Btx

Y V CV Archiv Plosiv Implosiv Passiv Okklusiv Frikativ Lokativ Vokativ Nominativ Komparativ Imperativ Genitiv Infinitiv Adjektiv Ejektiv Konjunktiv Substantiv

W review Hebrew

X FAX Syntax Morphosyntax Index codex Kodex Zirkumflex

essay Essay bureaucracy numeracy literacy acquisition of literacy assessment of literacy illiteracy monoliteracy word frequency case study single case study developmental psychology calligraphy cryptography tally copy fair copy diary auxiliary summary dictionary library commentary imagery forgery monastery action theory memory working memory long-term memory short-term memory poetry high-variety imageability learnability christianity dexterity

minority antiquity creativity

Z Ge’ez Notiz Morphemkonstanz Korrespondenz Graphem-PhonemKorrespondenz Geschäftskorrespondenz Intelligenz künstliche Intelligenz Kohärenz Referenz Inferenz kommunikative Kompetenz Schreibkompetenz Rechtschreibkompetenz Schriftsprachkompetenz Kongruenz Wortschatz Grundwortschatz Kernwortschatz Satz Absatz Handsatz Fragesatz Aufsatz Besinnungsaufsatz Durchsatz Rauhsatz Bleisatz Blocksatz Wurzelsatz Teilsatz Spracherfahrungsansatz Nebensatz Zeichensatz Fotosatz Hauptsatz Relativsatz Ganzsatz Gesetz Datenschutz

Verzeichnis der erwähnten Sprachen und Schriften / Index of languages and scripts A Abur-Schrift Afar ägäische Schrift Agawsprachen Ägyptisch Ainu Akkadisch Alemannisch Aleutisch altaische Sprachen Altbulgarisch Altenglisch Alteuropäisch Altfranzösisch Altgriechisch Althochdeutsch Altkirchenslawisch Altnordisch Altpersisch Altsüdarabisch Amharisch Ammonitisch Angelsächsisch Anuak Äolisch Arabisch Aramäisch Armenisch Assamesisch Assyrisch Äthiopisch Attisch Ausanisch austroasiatische Sprachen austronesische Sprachen Azerbajdzanisch Aztekisch

B Babylonisch Bahasa Baihua Bairisch Balochi Bamum-Schrift Bantusprachen Baskirisch Baskisch

Bassa Bastarda beneventanische Schrift Bengali Berbersprachen Bete Bihari Bodoni Brahmi Braille-Schrift Buchara-jüdisch Bulgarisch Burjatisch Burmesisch butische Schrift Byblos-Schrift

C Caoshu Chaha Chazarisch Cherokee Chinesisch Cholsprachen Clarendon-Schrift Courier Cree

D Dai-Schrift Dänisch demotische Schrift Deseret-Alphabet Deutsch Devanagari diplomatische Minuskel Dongba-Schrift Dorisch dravidische Sprachen

E Edomitisch Egyptienne Elamisch Elsässisch Elymäisch

Englisch Epiolmekisch Eskimosprachen Esperanto Estrangelo Eteokretisch Eteokyprisch Etruskisch

F Far Soomaali Färöisch Finnisch Fränkisch Französisch Frühneuhochdeutsch Futura

G Galegisch Gälisch Galizisch Galla Ge’ez Geba-Schrift Gedeo Georgisch Germanisch Gimira Glagolitisch Gotisch gotische Minuskel gotische Schrift Grantha Schrift Grasschrift Griechisch Grotesk Grusinisch Gujarati Gurage Gurmukhi Guwen

H Hadramitisch Haitianisch Hangul-Schrift

Hanja ⫺ Persisch

1752 Hanja Hanmun Hanzi Harappan-Schrift Harari Hattai Haussa Hebräisch Helvetica Hethitisch hieratische Schrift Hieroglyphen Hilariusalphabet Hindi Hiragana Hmong Hocharabisch Hochdeutsch Humanistenkursive humanistische Minuskel Hurritisch Hutsuri-Schrift

I Iberisch Igbo Indianersprachen Indoeuropäisch Indonesisch insulare Minuskel Inuit Ionisch Irisch Isländisch Italienisch

Kapitalis Karaimisch Karelisch Karisch karolingische Minuskel Kashmiri Kastilisch Katakana Katalanisch kaukasische Sprachen Kazachisch Keilalphabetschrift Keilschrift Keltisch Kembata Kharosthi Khmer Khmu Kirchenslawisch Konkani Konzeptschrift Koptisch Koreanisch Korsisch Kpelle Kretisch Kroatisch Kufi Kunama Kurdisch Kurialschrift Kursivschrift kuschitische Sprachen Kymrisch Kyprisch Kyrillisch

L J Japanisch Jiddisch Judenspanisch Jüdisch jüdische Schrift Jukagirisch

K Kafa Kaisho Kalmykisch Kambata Kambodschanisch Kambun Kammüang Kana Kanaanäisch Kango Kanji Kannada

Ladhaki Sprachen Ladino Langobardisch laotische Sprachen Latein Lateinschrift Letzeburgisch Lichjanisch Linear A Linear B Litauisch Loma Lombardisch Luwisch

M Maghribi Majang Makedonisch Malaisch Malayala

Maltesisch mandschu-tungusische Sprachen Manipuri Maori Marathi Mayaschrift Mende Menomini Meroitisch Mhedruli-Schrift Miao-Yao-Sprachen Minoisch Miskito Mitteldeutsch Mittelenglisch Mittelhochdeutsch Mittellatein Moabitisch Moldauisch Mon-Khmer Sprachen Mongolisch Mozarabisch Muhaqqaq Musnad-Schrift Mykenisch

N Nabatäisch Nahuatl Nashi Nastaliq Navajo Naxi Nepali Nestorianisch Neuhochdeutsch Niederdeutsch Niederländisch Nil-Sahara-Sprachen Nordwestsemitisch Norwegisch Nuer

O Ogham-Schrift Okzitanisch omotische Sprachen Oriya Oromo

P Pali Pallava Schrift Palmyrenisch Paschto Perlschrift Persisch

Phönizisch ⫺ Zyprisch Phönizisch Phrygisch Pica Piemontesisch Pinyin Polnisch Portugiesisch Prakrit Provenzalisch Punisch Punjabi Putonghua

Q Qahtanisch Qatabanisch Quechua

R Rama Rhätisch Rihani Riqa romanische Sprachen Rumänisch Runenschrift Russisch Rustica

S Sabäisch Safaitisch Saga Saho Sanskrit Santali Sardisch Sayaboury Schrift Schwedisch Schweizerdeutsch semitische Sprachen Seneca

1753 Serbisch Serbokroatisch Serto Sharada Schrift Siamesisch Sidamasprachen Siegelschrift Silti sinaitische Schrift Sindhi Singhalesisch slawische Sprachen Slowakisch Somali Sorbisch Spanisch Suaheli Sumerisch Sumo Suri Sütterlinschrift Sutton-Schrift Syrisch Syrjänisch

U Ugaritisch Uighurisch Ukrainisch Ungarisch Unzialschrift Urdu

V Vai Vietnamesisch Vulgärlatein

W Walisisch Weißrussisch Weltlautschrift Wenyan Wolajta

T Tadzikisch Taliq Tamil tamudische Schrift Tatisch Tawqi Tegre Tegrenna Telugu Textura Thai-Sprachen Theräisch Thuluth Tibetisch Tigre Tigrinja Times Tod-Schrift Tok Pisin Tschechisch Türkisch

X Xibe-Schrift

Y Yi-Schrift Yoruba Yukatekisch

Z Zabur-Schrift Zapotekisch Zayse Zeremonialschrift Zyprisch

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