Wehr, Gerhard_Heilige Hochzeit

September 3, 2017 | Author: Claudia | Category: Yin And Yang, Symbols, Goddess, Carl Jung, Saint
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Symbol und Erfahrung menschlicher Reifung...

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Dr. h.c. Gerhard Wehr - Heilige Hochzeit. Symbol und Erfahrung menschlicher Reifung

Gerhard Wehr Heilige Hochzeit Symbol und Erfahrung menschlicher Reifung

opus magnum 2002 Alle Rechte bei G. Wehr

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Autor

Dr. theol. h.c. Gerhard Wehr International angesehener geisteswissenschaftlicher Schriftsteller Jahrgang 1931, lebt in Schwarzenbruck bei Nürnberg, Händelstr. 17 (Tel. / Fax 09128 - 4342). Sein beruflicher Werdegang begann in der Sozialarbeit und Erwachsenenenbildung, an die sich ein mehrjähriger Lehrauftrag an einer Fachakademie für Sozialpädagogik in Rummelsberg / Nürnberg anschloß. Seine zahlreichen in europäischen und asiatischen Sprachen verbreiteten Veröffentlichungen erstrecken sich auf Grenzbereiche der Religions- und Geistesgeschichte unter Einschluß der Analytischen Psychologie C.G.Jungs und der Anthroposophie Rudolf Steiners. Dazu gehören Werkeinführungen und Biographien zu Martin Buber, C.G. Jung, Rudolf Steiner, Karlfried Graf Dürckheim, Jean Gebser, Friedrich Rittelmeyer u.a. Ein wichtiger Arbeitszweig ist für ihn die christliche Mystik und Esoterik bzw. die Berücksichtigung der spirituellen Erfahrung, verbunden mit der Edition der Schriften Meister Eckharts, Jakob Böhmes und anderer. Gerhard Wehr legt in seinen Arbeiten großen Wert auf interdisziplinäre bzw. überkonfessionelle Gesichtspunkte. Mitarbeit u.a. in: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts (Zürich); Novalis (Schaffhausen); Transpersonale Psychologie und Psychotherapie,(Petersberg); ARIES, (Paris-Amsterdam); GNOSTKA, (Sinzheim). ANDERE WERKE Neuere Werke (Auswahl): Esoterisches Christentum - Von der Antike bis zur Gegenwart (Klett-Cotta Stuttgart), C.G.Jung und Rudolf Steiner - Konfrontation und Synopse (Klett-Cotta Stuttgart), Europäische Mystik - zur Einführung (Junius Hamburg); Rudolf Steiner - zur Einführung (Junius Hamburg), Mystik im Protestantismus (Claudius München);

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Autor

Spirituelle Meister des Westens (Diederichs München); Jean Gebser - Individuelle Transformation vor dem Horizont eines neuen Bewußtseins (Via Nova Petersberg), Die Schrift aus der Mitte - Produktive Verwandlung einer Existenzkrise (Via Nova Petersberg); Friedrich Rittelmeyer - Religiöse Erneuerung als Brückenschlag (Urachhaus Stuttgart); Giordano Bruno - Porträt (dtv München); Martin Buber - Leben, Werk, Wirkung (Diogenes Zürich); Kabbala (Diederichs Kompakt München); Die Sieben Weltreligionen (Diederichs München); Kontrapunkt Anthroposophie (Claudius München); Der innere Weg - Anthroposophische Erkenntnis und meditative Praxis (Mellinger Stuttgart). Rowohlt-Bildmonographien über C.G.Jung, Martin Buber, Meister Eckhart, Thomas Müntzer, Jakob Böhme (Rowohlt Reinbek); Jakob Böhme - kommentierte Studienausgabe in 5 Bänden (Insel Taschenbuch Frankfurt); Jakob Böhme - Im Zeichen der Lilie (Diederichs München); Meister Eckhart - Mystische Traktate ( Diederichs München); Die Bruderschaft der Rosenkreuzer - Esoterische Texte (Diederichs München). Vergriffene Titel (z.T. noch durch den Autor beziehbar): C.G.Jung - Leben, Werk, Wirkung (Kösel München; TB:Diogenes Zürich); Lebensmitte - Chance des zweiten Aufbruchs (Claudius München); Matthias Claudius - „Ich bin nur ein Bote" (Claudius München); Heilige Hochzeit - Symbol und Erfahrung menschlicher Reifung (Kösel; kt. Diederichs München); Gründergestalten der Psychoanalyse - Profile, Ideen, Schicksale (Artemis Zürich); Karlfried Graf Dürckheim - Leben im Zeichen der Wandlung (Kösel München); Der innere Christus - tiefenpsycholog.-spirituelle Beiträge (Benziger Zürich); Auf den Spuren urchristlicher Ketzer (Novalis Schaffhausen); Martin Luther - Mystische Erfahrung und christliche Freiheit (Novalis Schaffhausen).

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Inhalt

INHALT Angesichts des Themas {1} Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte {10} Heilige Hochzeit im Alten Testament {37} Exkurs: Mandragora, das hochzeitliche Kraut {54} Hochzeitliche Stimmung im Neuen Testament {62} Gnostische Mysterien {89} Kabbalistische Konjunktionsmystik {107} Mystische Hochzeit {134} Jakob Böhme und die Vermählung mit der göttlichen Sophia {173} Exkurs: Der Mythos vom Androgynen {203} Im Umkreis der Alchymie {214} Die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz {232} "Christus und Sophie" - Das Mysterium coniunctionis bei Novalis {265} Mystische Hochzeit heute - Ein Bericht {269} Mit der Tiefenpsychologie als Erkenntnishilfe {288} Hinwege im Zeichen der Coniunctio {315} Epilog-"Im Fall du mehr willst lesen" {322} Anmerkungen ÜBER DEN AUTOREN

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Angesichts des Themas

"Der Archetyp des Hieros Gamos bestimmt die Hochphase der Menschheit und des Menschen als Motiv der schöpferischen Vereinigung der Gegensätze." Erich Neumann "Das Mysterium der Hochzeit ist groß... Der Bestand der Welt sind die Menschen. Ihr Bestand aber ist die Gemeinschaft der Hochzeit. Erkennt die unbefleckte Gemeinschaft, denn sie besitzt eine große Kraft!" Philippus-Evangelium, Spr. 60 "Das Mysterium coniunctionis ist die Angelegenheit des Menschen. Er ist der nymphagogos (Brautführer) der himmlischen Hochzeit. Wie kann sich ein Mensch von diesem Geschehen distanzieren ?" C. G. Jung an Erich Neumann (1952)

Angesichts des Themas {1} Unseren Besorgnissen und Ängsten stehen große Sehnsüchte gegenüber, ausgesprochene und unaussprechliche. Nicht nur was die Zukunft bringen mag, beunruhigt die Menschen auf der Schwelle zum dritten Jahrtausend, sondern was bereits gegenwärtige Tatsache geworden ist. Dafür bedarf es keiner besonderen aktuellen Belege. Sie sind im übrigen der jeweiligen Tageszeitung in vielfältiger Abwandlung zu entnehmen. Was nun das Angstmachende, das Besorgniserregende anlangt, so ist nicht allein auf die äußeren Fakten zu verweisen. Sorge und Sehnsucht wurzeln in der menschlichen Existenz, in der Seele des Menschen. In jedem Einzelnen werden sie erlebt und erlitten. Nehmen wir einen Aspekt heraus, der in diesem Buch von verschiedenen Seiten her betrachtet werden soll: Was schmerzt mehr als das Wissen, vereinsamt und seelisch zerrissen, unvollständig, selbstentfremdet zu sein? Was wird mehr ersehnt als die Überwindung dieses Zwiespalts, nämlich in der Harmonie des Miteinanderseins, im Heilwerden von Ich und Du, in der glückhaften Vereinigung des Getrennten? Diese "selige Sehnsucht" ist Menschheitshoffnung und individueller Traum in einem. Selbst im trivialen Gerede vom "Traummann" bzw. von der "Traumfrau" schwingt noch ein schwacher Nachhall dieses Sehnens mit. Dass die zwei einander "kriegen" mögen, ist Thema und immer wieder abgewandelter Stoff für Sänger und Erzähler, für Dichter und Dramatiker aller Zeiten. Hochzeit bezeichnet das Leit- und Zielbild dieser Überwindung der Vereinsamung, auch der Aufhebung des inneren Zwiespalts. Von der Hochzeit mit der unerreichbar scheinenden, jedoch vom Schicksal vorbestimmten Braut träumt der verwunschene Prinz im Märchen. Und was sind die Märchen anderes als Zauberspiegel, in denen sich unser eigenes Suchen und Sehnen widerspiegelt, erhellt und illustriert durch urtümliche Bilder und Symbole? An keine Zeit oder Region gebunden, vermögen Mythen und Märchen mit erstaunlicher Unmittelbarkeit zu uns zu sprechen. Es ist, als bestehe ein heimlicher Kontakt zwischen den Gestalten und Wesenheiten dieser Mythen und unserer Seelentiefe. Gemeint ist jener Bereich unseres Unbewussten, der über unsere persönlichen Erlebnisse hinausreicht, also auch über das Vergessene oder Verdrängte. Immer wieder stellen sich Träume ein, die dies belegen, indem sie durch die rätselhaften Vorgänge oder Begebenheiten, in die wir dabei verwickelt werden, auf die weitgehend vernachlässigte transpersonale Dimension seelischer Wirklichkeit aufmerksam machen, um sie unserem Bewusstsein anzunähern. {2} Die Tiefenpsychologie ist damit beschäftigt, die Symbolsprache der Träume wie

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Angesichts des Themas

auch der Mythen zu entschlüsseln, um die darin enthaltene Botschaft individuell verständlich und akzeptabel zu machen, sodass eine qualitative Bewusstseinserweiterung entstehen kann. Seelisches Wachstum, Persönlichkeitsreifung und Vervollständigung des Menschen wird dadurch gefördert. So liegt es nahe, das Symbol der Hochzeit als Ausdruck für diese Ganzwerdung zu verstehen. Polar Entgegengesetztes findet zueinander: Männliches und Weibliches, Lichtes und Dunkles, Inneres und Äußeres... {3} Um sich über sinnhaltige, sinnstiftende Zeichen im heutigen Leben klar zu werden, kann es hilfreich sein, die Geschichte zu befragen und in unserer geistig-religiösen Tradition Umschau zu halten. Hier ist der Ort, der die Wahrbilder, Sinnzeichen und Symbole birgt, die zusammen mit den Hervorbringungen des überpersönlichkollektiven Unbewussten des einzelnen immer wieder spontan bedeutsam werden können. Das Symbol der Heiligen Hochzeit stellt eine Chiffre dar, eine Hieroglyphe, die der individuellen Aufschlüsselung bedarf, auch wenn damit ein sehr spezielles, um nicht zu sagen: ein abgelegenes Thema der Religions- und Geistesgeschichte angeschlagen wird. Auf den ersten Blick scheint die Distanz zu heutigen Fragestellungen erheblich zu sein. Gegenwartsbezüge lassen sich zunächst nur schwer herstellen. Auch ist nicht zu leugnen, dass es der Zusammenarbeit verschiedener Forschungsrichtungen bedarf, um die Fülle des vorliegenden Materials an Formen und Motiven überblicken zu können. Und doch beschränkt sich das zentrale Motiv der Heiligen Hochzeit bei weitem nicht allein auf religionshistorische, auf mythenund mysteriengeschichtliche Fakten. Stets ist der erlebende, im Prozess geistigseelischer Reifung befindliche Mensch mit im Spiel. Nicht vergangene Anschauungen sind zu verhandeln, sondern sein eigenes Geschick. Mit bloßer wissensmäßiger Kenntnisnahme ist daher nichts erreicht. Im Kraftfeld des Symbolischen geht es um lebendige Teilhabe, auch wenn ein bestimmtes mythisches Bild vor undenklichen Zeiten erstmals Bedeutung erlangt hat. {4} Als Symbol begriffen weist Heilige Hochzeit über sich hinaus. Echte Symbole verfügen über ein ungeahntes Potenzial an Lebendigkeit und Wirksamkeit. Sie bilden nicht ab; sie vergegenwärtigen vielmehr durch ihre Sinnbildlichkeit Sinn im Bild, eine mehrdimensionale Bedeutsamkeit im sinnenhaften Zeichen. Ohne dass hier Elementares über den in den weiteren Ausführungen verwendeten Symbolbegriff (Anm.1) gesagt werden soll, sei nur erinnert: Ein lebendiges Symbol ist geradezu bedeutungsträchtig. Bedeutungsvoll ist es, insofern es sich nicht auf eine so oder so zu definierende Eindeutigkeit eingrenzen lässt, wie wir sie etwa von einem Zeichen verlangen müssen, das einem alltäglichen Zweck dient (z. B. Verkehrszeichen, technische Markierungen o. Ä..). Statt nur einen Wink zu geben, in eine bestimmte Richtung zu weisen oder eine reflexartige Reaktion zu erzeugen, wie dies z. B. in der modernen Technik und im Nachrichtenwesen erforderlich ist, hat ein echtes Symbol eine qualitativ andere Funktion. Es steht für eine Tiefe, für Mehrdimensionalität und für eine Sinnfülle, die sich einer zureichenden Definition letztlich entzieht. Was zur Wesensbestimmung eines solchen Symbols gesagt werden kann, ist bestenfalls vorläufiger Natur. Wohl lassen sich verschiedene Aspekte oder Bedeutungsschichten benennen. Aber die eigentliche Sinnmitte eines echten Symbols bleibt unanschaulich. Gleichwohl ruft es zu immer neuer Vergegenwärtigung dessen auf, was symbolisch gemeint ist. Man denke nur an die vielen Symbolträger im religiösen Kultus wie Wasser, Brot, Wein usw. In kultischer oder meditativer Vergegenwärtigung erweisen sie Mal um Mal ihre spirituelle Kraft, und zwar unbeeinflusst von rationaler Kritik oder

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Angesichts des Themas

theologischer Exegese. {5} Wohl lassen sich Chiffren beschreiben, die auf ein Mysterium hindeuten, wie es die Heilige Hochzeit darstellt. Aber das Eigentliche - eben das Mysterium coniunctionis, das Geheimnis der Einswerdung - bleibt verborgen, jedenfalls für den um seine "Neutralität" und um Distanz bemühten bloßen Zuschauer. Anders als durch Initiation, (Anm. 2) durch Vollzug und gestaltend empfangende Teilhabe ist kein Zugang möglich. Denn was ist - um einen Vergleich zu ziehen - die Beschreibung der Liebe gegenüber dem Akt des Liebens und des Geliebtwerdens ! Hören wir auf Novalis' "Hymne": {6} Wenige wissen Das Geheimnis der Liebe, Fühlen Unersättlichkeit Und ewigen Durst. Des Abendmahls Göttliche Bedeutung Ist den irdischen Sinnen Rätsel... {7} Das ist die Sprache des "Wissenden", der von sich sagen kann, dass ihm "das Auge aufging / Dass er des Himmels / Unergründliche Tiefe maß". Es ist die Sprache dessen, der den erfüllten Augenblick erlebt hat, in dem ihm die Tiefendimension der Wirklichkeit wahrnehmbar geworden ist, die die Heilige Hochzeit umschließt. Als ein im Innersten Ergriffener, als ein Gewandelter legt der jugendliche Novalis von seinem Erleben Zeugnis ab. {8} Und so viel ist vorweg zu sagen: Von einem Mysterium coniunctionis und von Heiliger Hochzeit darf gesprochen werden, weil die hier gemeinte Vereinigung sich nicht auf der menschlichen Ebene der Ich-Du-Beziehung erschöpft. Immer ist das "ewige Du" (M. Buber) mit im Spiel. Und erst unter dem Ewigkeitsbezug wird die zwischenmenschliche Begegnung in ihrer Fülle erfahren oder doch zumindest geahnt, ersehnt. Zwei Grunderfahrungen sind aufs Engste mit dem Weg und Wesen des Menschen bzw. des Menschseins verknüpft: die eine hat damit zu tun, dass der Mensch weder mit sich noch mit seiner Mitwelt in Einklang lebt. Wir denken an die leidvollen Erfahrungen des Gegensätzlichen, des Widersprüchlichen und der Entfremdung, religiös gesprochen: der menschlichen Heilsbedürftigkeit. Auf der anderen Seite wird die Aufhebung dieses Un-heilszustandes herbeigesehnt. Sie ist seit je Inbegriff der Menschheitshoffnung. Damit hängt das Verlangen nach Identität, nach Ganzheit und Harmonie zusammen. Denn so wie jeder Einzelne seinen Selbstverlust überwinden möchte, so verlangt die Gemeinschaft der Menschen angesichts der tödlichen Bedrohung ihrer Existenz nach Frieden und nach einem Ausgleich der auf Selbstzerstörung ausgerichteten Gegensätze. Damit ist nicht etwa die Aufhebung jeglicher Unterschiede gemeint. Es bedarf der lebenschaffenden Polarität. Gemeint ist das Mysterium coniunctionis als ein Mysterium des Verbundenseins. Es steht unter einem weiten Spannungsbogen. Er reicht vom Geburtsschrei des Neugeborenen, der erst auf diesem Planeten heimisch werden will, bis hin zum Aufschrei des Gekreuzigten: "Es ist vollbracht !" - Ausruf letzter Erfüllung. Dieses Mysterium reicht aber auch von der innigen Umarmung und wechselseitigen geistigseelisch-leiblichen Durchdringung zweier Liebender bis hin zu der sakramentalen oder mystischen Vereinigung, deren "göttliche Bedeutung" - wie Novalis sagt - "den irdischen Sinnen ein Rätsel" bleibt. {9} Das ist alles noch recht vorläufig und andeutend-ungefähr gesagt. Was es mit dem Geheimnis der Heiligen Hochzeit auf sich hat, wird sich erst zeigen, wenn wir dieses

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Angesichts des Themas

Thema unter verschiedenen Gesichtspunkten umkreisen. Und nochmals: mit bloßer Kenntnisnahme von Sachverhalten oder Anschauungen ist noch recht wenig ausgerichtet. Es geht um lebendige Teilhabe an einem Mysterium.

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Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte

Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte {10} Hieros Gamos oder Heilige Hochzeit ist eine im Alten Orient und in der griechischrömischen Antike allgemein bekannte Vorstellung, (Anm. 1) wenngleich die Sache selbst vom Schleier des Mysteriums umgeben ist. Von diesem Geheimnis, dass Gott und Göttin, auch Gott und Mensch Hochzeit feiern, erzählt der Mythos in unzähligen Variationen. Der Tiefenpsychologe Erich Neumann bezeichnet in diesem Zusammenhang den Mythos als die immer "unbewusste Selbstdarstellung derartiger für die Menschheit entscheidender Lebenssituationen, und er ist unter anderem für uns schon deswegen von Bedeutung, weil wir an seinen durch kein Bewusstsein getrübten Selbstaussagen den echten Erfahrungsbestand der Menschheit ablesen können". (Anm. 2) {11} Die menschliche Erfahrung der ehelichen Vereinigung und die über die Einzelperson hinausweisende Erfahrung eines Numinosen, Göttlichen kommunizieren hier miteinander. Und eben dieses konkret-spirituelle Darüber hinaus macht die Heilige Hochzeit zum Mysterienvorgang, zum religiösen Fest, das den Menschen innerhalb seines Kultverbandes im innersten angeht. Denn, so könnte man mit Ulrich Mann die hier gemeinte Wirklichkeit andeuten: "Paarung gibt es auch im Tierreich, Trauung ist meist nur ein standesamtlicher Registrierakt, Hochzeit aber ist etwas im innersten Wesen Mythisches, etwas Heiliges sollte man sagen. Der Begriff des >Hieros Gamos< drückt das aus, er ist der rituelle Nachvollzug des göttlichen Hochzeitsspiels. Kinder spielen Hochzeit, und sie spielen immer die Märchenhochzeit nach, die von Lichtheld und Königstochter. >Und wenn sie nicht gestorben sind... Natur< in Erscheinung traten, walteten sie in der Sphäre des Heiligen, des Kosmischen, des Geistigen, des Übersinnlichen. In der Vielfalt göttlicher, als Götter und Göttinnen differenzierter Gestalten suchte er das Wesen des Ewig-Männlichen und des Ewig-Weiblichen zu erfassen, von dem die gegensätzliche Geschlechtlichkeit der Menschenwesen nur eine Widerspiegelung und nur eine besondere Erscheinungsform ist." (Anm. 5) Und die Widerspiegelungen dieser Art sind Legion! {14} Symbolischer Ausdruck dieser kosmischen Verbundenheit ist vor allen Dingen das altchinesische Tai-Gi-Tu-Zeichen:

{15} Hier ist in geradezu klassischer Weise eine dynamische Einheit zur Anschauung gebracht. Denn hier sind Yang (das Schöpferische, Helle, Männliche usw.) und Yin (das Empfangende, Dunkle, Weibliche usw.) so aneinander geschmiegt, ineinander gefügt, dass beide eine runde Ganzheit ergeben. Der umfassende Kreis steht für Tao, für das Allumfassende, letztlich aber durch kein Wort Benennbare, in dem buchstäblich alle Polarität aufgehoben ist, und zwar ohne neutralisiert zu sein. Und doch oder gerade deshalb wird im Tai-Gi-Tu-Zeichen Heilige Hochzeit gleichsam anschaubar.

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Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte

Dem Menschen, der ein Wissender des Tao werden soll, obliegt es - im Sinne von Laotse - seine Mannheit zu erkennen und sein Weibsein zu wahren, um "Strombett der Welt" sein zu können. Im uralten Orakel- und Weisheitsbuch des I Ging findet die Dynamik, die zwischen Yang und Yin waltet, sowohl ihren grafischen wie auch ihren operativen Niederschlag. Denn einerseits sind die berühmten 64 Hexagramme Abwandlungen von Yang- bzw. von Yin- haltigen Zeichen. Andererseits wird auch noch heute der Benutzer dieses chinesischen Schafgarben- oder Münzorakels Zeuge jener "Wandlung", die ihn selbst und seine augenblickliche Situation betrifft. (Anm. 6) Dass diese Yang-Yin-Symbolik als Weltformel zugleich einen "verborgenen Schlüssel zum Leben" darstellt, wurde -erstaunlicherweise - erst in unseren Tagen ermittelt. Martin Schönberger zeigte die Entsprechung auf, die zwischen dem altchinesischen Weisheitsbuch und dem von der modernen Naturwissenschaft aufgestellten genetischen Code besteht. (Anm. 7) Da wie dort bleiben wir im Bereich der Mysterien des Lebendigen. Dabei sei nicht vergessen, aus welcher unmittelbaren Anschauung und aus welchem Erleben die Angehörigen ackerbauender Völker seit alters schöpfen: Es ist der vom Himmel niederströmende Regen, der die "Mutter Erde" befruchtet v eine selbstredende Gebärde der schaffenden Natur. Erfahrungen dieser Art spiegelt da und dort auch ein gewisser sprachlicher Parallelismus, etwa im Griechischen, wo säen (speirein) und pflügen (aroun) für "zeugen" stehen. Wohl gibt es religiöse Überlieferungen, nach denen Mutter Erde allein und ohne Mithilfe eines zeugenden Partners zu gebären vermag. Nach Hesiod gebar die Erde (Gaia) den Himmel (Uranos), von dem es in der Theogonie heißt, er sei ein Wesen, "ihr (der Erde) gleich, das sie überall umhüllen sollte", also seiner Partnerin ehelich, d. h. auf ewig, zugeordnet. Die Mythen berichten, dass Uranos und Gaia den Hieros Gamos vollziehen, damit Leben gedeihen kann. Die Erdmutter gilt als Allgebärerin und ist zugleich ein kosmisches Modell für die Fruchtbarkeit überhaupt. Der kosmogonische Mythos, wonach Himmelsgott und Göttin der Erde Heilige Hochzeit feiern, ist weit verbreitet. "Man findet ihn vor allem in Ozeanien - von Indonesien bis Mikronesien -, aber auch in Asien, Afrika und in den beiden Amerika", berichtet Mircea Eliade. (Anm. 8) Grundsätzlich ist bei allen Ackerbau treibenden Völkern, Natur- und frühen Kulturvölkern diese kosmische Verbundenheit anzutreffen. Das zeigt die Religionsgeschichte des Alten Orient und der griechisch-römischen Antike. In Mesopotamien geht der König zur Zeit des Neujahrsfestes mit einer Priesterin die heilige Ehe ein. Sie, die gleichsam inkarnierte Muttergöttin Inanna oder Ischtar, soll dafür sorgen, dass sich die Vegetation von neuem belebt und dass die Felder die erwartete Frucht tragen. {16} Der mütterlichen Göttin Ischtar steht Thammuz zur Seite, eine vom Schicksal gezeichnete Gestalt. Denn Jahr für Jahr muss er ins Totenreich hinabsteigen. Sein Tod ist unabwendbar. Ischtar aber folgt dem jugendlichen Gatten und ruft ihn, indem sie ihn mit all seinen Würdenamen benennt, aus dem Tod ins Leben zurück. Mit ihm begeht sie die Heilige Hochzeit. Frucht ihrer Umarmung sind die wieder belebten Kräfte des Euphrattals. Aber auch der Sieg des machtvollen Gottes Marduk über die chaotischen Mächte, die Tiamat verkörpert, ist zu feiern. Zu diesem Neujahrsfest gehört die Heilige Hochzeit, die König und Priesterin stellvertretend für die Götter in einer Kammer eines Ziggurat begehen. Sie erfüllen damit das Gebot, das Wohl des ganzen Landes zu fördern. (Anm. 9) {17} Baal, dem Fruchtbarkeits- und Wettergott aus dem altsyrischen Götterpantheon, ist Anat/Astarte, die Jungfrau, die "Schwester" und Gefährtin, zugeordnet. Auch hier ist

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Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte

der Naturmythos des Zeugens und Wachsens, des Reifens und Vergehens aufs engste mit dem Hieros Gamos verknüpft. {18} Am bekanntesten ist wohl das Götterpaar Isis und Osiris aus dem östlichen Nildelta. Als Verkörperung des fruchtbringenden Nilwassers, aber auch als Herr der Toten und der Wiedererweckung verbindet sich der ermordete Osiris auf geheimnisvolle Weise mit seiner trauernden Schwester-Gattin. Denn als sich Isis über die Osiris-Mumie beugt, empfängt sie Horus, das göttliche Kind, (Anm. 10) dessen Blick Sonne und Mond vereint, eine Heilandsgestalt, die Erde und Menschheit erneuem soll. Die späteren Isis-Osiris-(bzw. Sarapis-)Mysterien, die in der hellenistischen Welt eine so große Bedeutung erlangen sollten, zeigen uns freilich, dass mit dieser Welterneuerung nicht allein Wiederbelebung der Erde, Fruchtbarkeit der Felder oder Kindersegen gemeint sind. Denn wenn es von Osiris heißt, dass er die Ägypter aus dem Zustand der Wildheit herausgeführt, sie dem Kannibalismus entfremdet und in ein durch Gesetze geordnetes Leben versetzt habe, so wird ihm damit der Titel eines Kulturbringers zuerkannt. Warum gerade ihm? Erich Neumann antwortet auf diese Frage: "Weil er nicht nur Fruchtbarkeitsgott im Sinne des Wachstums der Natur ist. Er ist dies auch, aber sein Schöpferischsein umfasst diese Stufe, ohne sich auf sie zu beschränken. Jedem Kulturbringer ist eine Synthese des Bewusstseins mit dem schöpferischen Unbewussten geglückt. Er hat in sich [Hervorhebung G. W.] den schöpferischen Punkt erreicht, den Punkt der Erneuerung und Wiedergeburt, der im Fruchtbarkeitsritual des Neujahrsfestes in der Identifizierung mit der schaffenden Gottheit dargestellt wird, und von dem das Bestehen der Welt abhängt. Dies >meint< der Ritus und die Menschheit in ihm... Nicht der Naturverlauf, sondern die Beherrschung der Natur durch das in der Entsprechung schöpferische Element im Menschen ist der innere Gegenstand des Rituals. Die Findung des Schatzes aber ist unmöglich, ohne dass der Held seine Seele findet und erlöst, sein eigenes Weibliches, das empfängt, austrägt und gebiert..."." Damit ist uns - in der Sprache der modernen Tiefenpsychologie -eine wichtige Verstehenshilfe gegeben, die den urtümlichen Mythos der Heiligen Hochzeit entschlüsselt und den darauf bezogenen Ritus als einen Prozess im Individuum deutet. Namentlich die antiken Mysterien, die eleusinischen und dionysischen, nicht zu vergessen der Adonis- und der Attis-Kult, weisen in diese Richtung. Es ist der Myste, der im Mysteriengeschehen zu Reinigende, der zu Erleuchtende und der mit der Gottheit zu Vereinende, der an sich, in sich erlebt, was der Mythos erzählt. Er selbst geht "bis zur Grenzscheide zwischen Leben und Tod"; er selbst betritt "Proserpinas Schwelle", wie es in dem aufschlussreichen Mysterienroman der "Metamorphosen" (Anm. 11) des Apuleius heißt. Er schaut auch die "Sonne um Mitternacht", die in weiß glühendem Licht erstrahlt, eine Sonne, die dem Einzuweihenden den Weg zu den oberen wie zu den unteren Göttern erleuchtet. (Anm. 12) {19} Wohl hören wir weiter von Götterhochzeiten: von dem indoeuropäischen Himmelsund Wettergott Zeus, der sich mit Göttinnen und mit irdischen Frauen in heiliger Hochzeit verbindet, oder von Dionysos, der sich auf Naxos mit Ariadne vermählt. Hesiod, Homer, Vergil und andere antike Autoren berichten dies von ihren überirdischen Helden und zeigen so, wie der Göttermythos jeweils zum "exemplarischen Modell für die Vereinigung der Menschen" erhoben wird. (Anm. 13) Doch im Gang der menschlichen Bewusstseinsgeschichte entspricht es durchaus einer inneren Konsequenz, dass auf das kosmisch bedeutsame Geschehen, das dem Schoß der Mutter Erde zugute kommen soll, ein mehr und mehr individuelles Erleben folgt.

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Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte

Das heilige Brautlager (Conubium) von König oder Priester und Priesterin bleibt nicht allein auf dieses ausgesonderte Paar begrenzt, denn in den Mysterien ist es immerhin eine, wenngleich zahlenmäßig begrenzte Schar von Einzuweihenden, die die Stufen der Läuterung und der Erleuchtung durchschreitet. Und nicht nur das. Denn die Mysterien lassen den Novizen auch den mystischen Tod erleben. Die große Bedeutung, die die griechisch-orientalischen Mysterien für die Religionsgeschichte haben, erblickt Mircea Eliade darin, dass sie "die Notwendigkeit einer persönlichen religiösen Erfahrung vor Augen führen, die sich auf das ganze Leben des Menschen erstreckt, das heißt, in christlichen Begriffen ausgedrückt, auch auf sein >Heil< in der Ewigkeit. Eine solche persönliche religiöse {20} Erfahrung konnte sich im Rahmen der öffentlichen Kulte nicht entwickeln...". Aber die traditionsgebundenen Initiationsthemen leben fort; sie werden mehr und mehr verinnerlicht; sie erlangen ganz neue Erfahrungsqualitäten, eben die Erfahrung dessen, der das Neuwerden nicht allein am Gang des Jahreslaufs und der äußeren Natur abliest, sondern der selbst in einen Prozess der Erneuerung hineingenommen wird. Eliade fährt fort: "Ein archaisches Szenarium eignet sich dazu, für zahlreiche und verschiedenartige Zwecke wieder aufgenommen und verwendet zu werden, von der unio mystica [mystische Hochzeit] mit der Gottheit bis zur magischen Eroberung der Unsterblichkeit oder der Erlangung der endlichen Befreiung, dem Nirvana. Es ist, als ob die Initiationsszenarien unlöslich mit der innersten Struktur des geistigen Lebens verbunden wären, und als ob die Initiation einen Prozess darstellte, der für jeden Versuch einer totalen Erneuerung, für jede Bemühung, die natürliche Lage des Menschen zu transzendieren, um zu einer geheiligten Seinsweise zu gelangen, unumgänglich notwendig wäre."(Anm. 14) {21} Schlussfolgerungen wie diese bedürfen freilich einer dokumentarischen Stütze. Wie allgemein bekannt, stellte aber eine überaus strenge Arkandisziplin jeglichen Mysterienverrat unter strengste Strafen. Die Frage, was eigentlich in Eleusis oder im Attiskult geschah, was den Mysten, den Einzuweihenden, widerfuhr und welche Mysterienhandlungen vollzogen wurden, wird seit je diskutiert, naturgemäß kontrovers. Immerhin sind uns Bruchstücke aus den geheimen Liturgien überliefert. Doch unsere Gewährsleute, frühchristliche Kirchenschriftsteller, berichten nicht etwa, um sachgemäß zu informieren, sondern um zu diffamieren. Das wirft Probleme auf, umso mehr, als die fraglichen Geheimriten einerseits um mystischen Tod und um Erweckung, andererseits um die Mysterien der Hochzeit und der Zeugung kreisen. {22} Offensichtlich lernte der Einzuweihende nichts Neues, keine Erweiterung seines Wissens. Manches deutet darauf hin, dass der zugrunde liegende Mythos bereits bekannt war. Nicht einmal so genannte Geheimlehren wurden den Neophythen mitgeteilt, geschweige denn "doziert". Es gab aber liturgische Gesten, die das Mysterium vergegenwärtigten, und es gab heilige Gegenstände; man konnte sie sehen, sogar berühren. Durch Clemens von Alexandrien, der auf Grund der zahlreichen Anspielungen, die sich in seinen Schriften finden, über mancherlei Mysterienzusammenhänge Kenntnis gehabt haben muss, (Anm. 15) ist (in: Protreptikos II, 21,2) die liturgische Formel überliefert: {23} "Ich habe gefastet; ich habe den Kykeon getrunken; ich habe aus dem Korb genommen, und nachdem ich es befühlt hatte, legte ich es in das Körbchen, dann nahm ich es wieder aus dem Körbchen und legte es in den Korb zurück." {24} Eine unerheblich scheinende Gebärde, jedoch für den Agierenden eine heilige Handlung, der Umgang mit einem ungenannten Mysteriengegenstand - einem rituellen

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Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte

Phallos, wenn es sich, wie die einen vermuten, um die Heilige Hochzeit mit dem Gott gehandelt hat, oder eine Nachbildung des weiblichen Geschlechtsteils, wenn es nach anderer Annahme im Mysterium nicht um eine Ehestiftung ging, sondern um die Gotteskindschaft, der der Myste teilhaftig werden möchte. (Anm. 16) Aber schließt denn in einem so symbolgeladenen Geschehen die eine Bedeutung die andere aus? Der sich mit Gott verbindende Mensch wird in der heiligen Handlung doch zugleich "Gottes Kind", der Wiedergeborene, der neue Mensch. Heilige Hochzeit und Geburt des neuen Menschen sind zwei Aspekte ein und desselben Mysteriums. Das auch zeitlich nahe Beieinander des Hieros Gamos und der Kunde von dem frohen Ereignis der Wiedergeburt legt eine solche Deutung nahe. Angesichts der schwierigen Quellenlage muss man sich freilich schon für ein recht breites Deutungsspektrum offen halten, nimmt man hinzu, dass die uns überlieferten Fragmente aus relativ später Zeit und aus unterschiedlichen Mysterienbereichen stammen. Das Motiv des Hieros Gamos aber steht immer wieder im Mittelpunkt, wenn nicht ausgesprochenermaßen, so wird es doch vorausgesetzt oder zumindest berührt. Nehmen wir wenigstens noch ein zweites {25} Fragment dazu. Es stammt aus der Feder des Hippolyt von Rom, der an der Wende vom 2. zum 3. Jahrhundert literarisch in die Ketzerbekämpfung durch die Kirche eingreift und in diesem Zusammenhang aus den eleusinischen Mysterien den Ruf des Hierophanten überliefert, der während der nächtlichen Feier laut aufschreit: {26} "Den Heiligen gebar die hehre Brimo, den Knaben Brimos, d. i. die Starke den Starken. Hehr ist die geistige, himmlische Geburt in der Höhe, stark aber ist der so Geborene!" {27} Wieder eine Folge rätselhafter Worte, die wie die Mysterien in ihrer Gesamtheit der Forschung große Probleme aufgeben. Immerhin wissen wir, dass der zweite Grad der Initiation die so genannte "Epopteia" umschloss, in der der Myste ein Epopte, ein "Sehender", wurde. Dieses Sehen ist freilich anderer Art als das des physischen Auges. Es muss seine besondere Schaukraft bewähren, sobald die Fackeln im Telesterion (Heiligtum) ausgelöscht werden und der Hierophant mit einem Kästchen auftritt. Er öffnet es und entnimmt ihm das zentrale Symbol von Eleusis, eine Kornähre. Nach Walter F. Otto "besteht kein Zweifel in Bezug auf die wunderartige Beschaffenheit des Geschehnisses. Die Kornähre, die mit übernatürlicher Schnelligkeit wächst und reift, gehört zu den Mysterien der Demeter, ebenso wie die in einigen Stunden heranwachsende Weinrebe zu den dionysischen Festen gehört... In den Zeremonien der primitiven Völker finden wir die gleichen, eine Pflanze umgebenden Wunder." (Anm. 17) Kurze Zeit nachher findet der Hieros Gamos zwischen dem Hierophanten und der Priesterin der Demeter statt. Der urtümliche Mythos, einst an den Agrarritus gebunden und auf die äußere Fruchtbarkeit bezogen, wird unerhörte Gegenwart, die den Einzelnen ergreift und wandelt. {28} Selbst wenn wir vollständige Mysterienliturgien nach Art heutiger Agenden besäßen, ist aber das Mitteilbare doch nicht das Eigentliche, sondern es ist die zugleich erschreckende wie beglückende Feier, das numinose Erleben des heiligen Dramas. Nur so ist es zu erklären, dass die Wissenden von einst unter dem Eindruck ihrer Erfahrung bezeugen können, was die Hymne an Demeter besagt: {29} "Glücklich, wer von den erdbewohnenden Menschen diese Dinge erschaut hat! Im dunklen Schattenreich ist das Geschick der Geweihten und der Ungeweihten nicht dasselbe." {30} Nicht anders gibt Pindar seiner Zuversicht Ausdruck: "Glücklich, der dies gesehen hat, bevor er unter die Erde hinabsteigt! Er kennt das Ziel des Lebens! Er kennt auch

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Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte

den Anfang." Dass dieses "Sehen" einer inneren Wesenswandlung entspricht, entnehmen wir einem Text, der unter dem Namen "Mithrasliturgie" (Anm. 18) bekannt geworden ist. Darin heißt es u. a.: {31} "... Und nachdem dieser heute von dir (Gott), gezeugt ist, der aus so vielen Tausenden zur Unsterblichkeit berufen ist..." Und: "Durch die Geburt, die das Leben zeugt, geboren, werde ich in den Tod erlöst." (Anm. 19) {32} Andere Zeugnisse sprechen von einem Selbstbewusstsein, das geradezu von einer Gottähnlichkeit des Eingeweihten spricht. Wer der Hochzeit des Gottes und der Göttin an heiliger Stätte beigewohnt und ein neues, ein größeres Leben von jenseits der "Schwelle Proserpinas" mitgebacht hat, der weiß auch den Satz zu würdigen, der sich in den Schriften von Firmicus Maternus findet: {33} Getrost ihr Mysten! Wie der Gott gerettet, so wächst für uns Errettung aus den Leiden. {34} Apuleius schließlich hat uns das Dankgebet eines Mysten aufbewahrt, das Rudolf Bultmann als ein Beispiel für die Isis-Frömmigkeit betrachtet, in dem die ägyptischhellenistische Göttermutter in einer Weise angerufen wird, die in mancher Hinsicht an die frühchristliche Marienverehrung erinnert. (Anm. 20) Und Mircea Eliade resümiert: "Es handelt sich überall um eine geistige Wiedergeburt, eine Palingenesie, die in der grundlegenden Änderung der existenziellen Lebensordnung des Mysten zum Ausdruck kam. Dank der Initiation gelangte der Neophyt zu einer anderen Seinsweise: er wurde den Göttern gleich, identifizierte sich mit den Göttern. Apotheose, Vergottung, Unsterblichkeit (apathanatismos) sind Begriffe, die allen hellenistischen Mysten vertraut waren." (Anm. 21) {35} Von da ist der Schritt nicht mehr weit, die Bilder der Vereinigung mit Gott, die der Ehe und der Hochzeit aus der hellenistischen Mysterienwelt ins antike Christentum hineinzutragen, vor allem wenn sichergestellt ist, dass die Heilige Hochzeit von jeglicher Vermengung mit sexuellen Momenten frei gehalten wird - eine Aufgabe, der sich namentlich die Kirchenschriftsteller der ersten Jahrhunderte mit großem, nicht selten mit allzu großem Eifer hingegeben haben. {36} Aber ein solcher Übergang von den hier ausgewählten religionsgeschichtlichen Ausprägungen des Symbols in der alten Welt zum Gedanken der Heiligen Hochzeit im Christentum ist nicht möglich, ehe wir uns nicht im Alten Testament nach etwaigen Bezügen oder Anklängen umgesehen haben.

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Heilige Hochzeit im Alten Testament

Heilige Hochzeit im Alten Testament {37} Bevor wir nach dem Auftauchen des Symbols der Heiligen Hochzeit im biblischen Bereich, zunächst im Alten Testament, fragen, sei kurz der religionsgeschichtliche Hintergrund beleuchtet: {38} Schon von seiner geografischen Lage und von seinem Zusammenhang mit den Kulturen des Alten Orients her ist es verständlich, dass die kanaanäischen Bewohner Palästinas an den alten religiösen Traditionen von Sterben, Wiederkehr und Hochzeit der Götter teilhaben mussten. Die enge nachbarschaftliche Beziehung zwischen Israel und den bodenständigen, wenngleich anderen Göttern dienenden Kanaanitern erklärt, dass es frühzeitig zu einem lebhaften religiös-kulturellen Austausch gekommen ist. Hinzu treten vielfältige Berührungspunkte mit den Kulturträgern des Niltales, vor allem aber mit denen des Zweistromlandes von Euphrat und Tigris. Namentlich für die bewegten Zeiten, in denen die Propheten Jesaja und Hosea, sodann Jeremia und Hesekiel (Ezechiel) aufgetreten sind (d. h. zwischen dem 8. und 6. vorchristlichen Jahrhundert) werden heftige Auseinandersetzungen zwischen israelitischer JahweFrömmigkeit und kanaanitischer Baals-Verehrung berichtet. Dieses Ringen zwischen Jahwe und Baal findet im Volk Israel selbst statt. Leidenschaftlich kämpfen Israels Propheten als Mahner, Prediger und Seelsorger um die Seele ihres Volkes, das mit dem Verlust seines Glaubens an Jahwe seine religiöse wie politische Identität und Integrität zu verlieren droht. {39} Nun ist Baal, diese kanaanitische Hauptgottheit, immer ein stationärer, also an einen bestimmten Ort gebundener Gott. Er sorgt für dessen Schutz und Wohlergehen.' Es ist derselbe Baal, der in der Verbindung mit Astarte für die Fruchtbarkeit des ganzen Landes und seiner Menschen einstehen soll. Jahwe dagegen ist ein Migrationsgott, d. h. ein mitziehender, das "wandernde Gottesvolk" geleitender Gott. Baals Bodenständigkeit hängt mit der ihm zugesprochenen Zeugungs- und Vegetationskraft zusammen. Ohne ihn können Mensch, Tier und Boden nicht gedeihen. Kehrt er nicht wieder - Jahr für Jahr - so hält die sommerliche Dürre an, statt dass die Natur sich belebt. Die Ortsgebundenheit dieses Gottes ermöglicht daher einen Kult, der durch die betont vegetativ-sexuelle Symbolik gekennzeichnet ist. Die alljährliche Wiederkehr seines Sterbens und Auferstehens findet ihren besonderen Höhepunkt schließlich in der Heiligen Hochzeit, die am Neujahrstag von König und Königin, von Oberpriester und Priesterin vollzogen wird, damit das Leben des betreffenden Ortes und der ganzen Region garantiert ist. Während Baal selbst ein Teil der Naturabläufe im Kosmos ist, wurde Jahwe, der Gott Israels, als der anwesende, als der gegenüberstehende Gott erfahren, (Anm. 2) der sein Volk seit den Erzväter-Tagen, seit dem Auszug aus Ägypten und der großen Wüstenwanderung als der "gute Hirte" (vgl. Psalm 23) geleitet hat. Die Faszinationskraft von Baal und Astarte muss jedoch besonders stark gewesen sein, lässt man die Droh- und Gerichtsworte und andererseits die Verheißungsreden auf sich wirken, in denen die Propheten Jesaja, Jeremia und Hosea das Bild Jahwes in Israel zu beleben suchten. Und das hieß nicht zuletzt, die Aufmerksamkeit der Menschen von Mythos und Ritus der Heiligen Hochzeit des fremden Gottes abzulenken und damit den Treuebruch - als strafwürdigen "Ehebruch" bezeichnen ihn die Propheten - des alten Bundesvolkes rückgängig zu machen. Aber ist es den Boten Jahwes gelungen, die Bild- und Vorstellungsgehalte der Heiligen Hochzeit von ihrem Volk fern zu halten? Erfahrungsgemäß pflegt ein lebendiges, d.h. ein von Leben

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Heilige Hochzeit im Alten Testament

durchpulstes Symbol stärker zu sein als etwaige Vernunftgründe, die man dagegen ins Feld führen möchte. Auf die Dauer lässt es sich nicht unwirksam machen - namentlich wo agrarische Strukturen und bodenständiges Brauchtum dominieren - es sei denn, die "wirksamen Zeichen", eben die jeweiligen Symbole, lassen sich mit einem neuen Sinngehalt erfüllen. In Israel ging es somit um die Frage, ob Vorstellung und Kult der Heiligen Hochzeit mit seinem Gottesglauben in Einklang gebracht werden konnten. Um es vorweg anzudeuten: Vieles spricht dafür, dass das Symbol der Heiligen Hochzeit in Israel Eingang gefunden hat. Das soll freilich nicht heißen, dass nur bei heidnischen, also nichtisraelitischen Vorbildern Anleihen gemacht wurden. Ein solcher Vorgang spielt sich freilich immer wieder ab, wo Religionen aufeinander stoßen oder wo die eine die andere "missioniert". Man sucht nach Anknüpfungspunkten, nach Möglichkeiten der Angleichung und schließlich der Integration. Offensichtlich geht es aber nicht nur um eine gleichsam horizontale Durchdringung bzw. ein Durchdrungenwerden von fremdem Glaubensgut, sondern in erster Linie um einen Durchdringungsvorgang in der Vertikalen. Das will besagen: Echte Symbole müssen nicht ausschließlich auf dem Weg äußerer Weitergabe oder Übernahme an den Menschen herangetragen werden. Sie wurzeln im archetypischen Grund eines überpersönlichen - C. G. Jung sagt: des kollektiven - Unbewussten. Von da können Symbole spontan auftreten und sich wie von selbst manifestieren, so wie etwa Traumbilder mit ganz außergewöhnlichen Motiven, von denen wir zuvor nichts gewusst haben, uns heimsuchen können. Zum anderen bedarf es einer inneren Bereitschaft zur Aufnahme eines (vermeintlich) Neuen, Fremdartigen, ehe etwas von außen Herangetragenes akzeptiert und schließlich integriert werden kann. {40} Auf unseren Zusammenhang übertragen heißt das: Hochzeit und eheliche Verbindung stellen bereits die Manifestation eines solchen Archetypus dar, nämlich den der Gegensatzvereinigung. Und das alte Zwölf-Stämme-Volk ist davon nicht ausgeschlossen. Im Blick auf die orgiastischen Kulte der kanaanitischen Umgebung erfolgte jedoch eine entsprechende Umformung. Zahlreiche alttestamentliche Zeugnisse sprechen dafür, wie hindernisreich und langwierig der Weg war, der dazu zurückgelegt werden musste. Hierfür einige Beispiele: Zunächst ist im Leben des frühen Israel die Ehe schon deshalb tief verankert, weil der Mensch als Mann und Frau erschaffen ist (I. Mose l ,26f), und weil bereits die Erzväter große Sorgfalt auf die Wahl ihrer Frau verwendeten und ebenso auf die Verheiratung ihrer Kinder. So lässt Abraham, als er hochbetagt ist, seinen ältesten Knecht einen feierlichen Eid ablegen, für seinen Sohn Isaak nur ja "kein Weib von den Töchtern der Kanaaniter" zu nehmen (I. Mose 24), sondern um dieser Brautwerbung willen eine lange Reise anzutreten. Heirat und Zeugung (von Söhnen!) sind die bestimmenden Daten der alten Überlieferung (I. Mose 5). Wohl wird die Ehe im Alten Testament vom Mann her bestimmt; es fehlen aber nicht die erotische Liebe und die partnerschaftliche Zuneigung. Dagegen wird Ehebruch streng bestraft; er ist geradezu Kennzeichen des Heidentums. Als Abi-melech, "der König von Gerar", Abrahams Frau Sara begehrt und holen lässt, wird ihm im Traum die Todesstrafe angedroht, "denn sie ist ein Eheweib" (I. Mose 20,3). Wenn bereits der Ehebruch das Gottesgebot verletzt und somit ein schlimmes Vergehen gegen den Bund Gottes mit seinem Volk darstellt, bedeutet die Teilnahme an heidnischen Fruchtbarkeitskulten umso mehr ein todeswürdiges Verbrechen, das nicht nur den Einzelnen, sondern das Volk insgesamt belastet. {41} Und eben diesen Tatbestand des Ehebruchs sehen Israels Propheten überall dort gegeben, wo das alte Bundesvolk treubrüchig und abtrünnig geworden ist, indem es

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anderen Göttern opferte und an den Symbolhandlungen der Heiligen Hochzeit des Baal-Tammuz teilnahm. Der Ehebruch als ein religiöses Geschehen ergibt sich aber daraus, dass Jahwe selbst die Ehe mit seinem Volk Israel eingegangen ist. Er hat also mit ihm einst die Heilige Hochzeit vollzogen, auch wenn der Bundesschluss am Sinai nicht gerade in den Bildern und Gleichnissen der ehelichen Verbindung geschildert wird. Und doch geht es hier um mehr als um eine bloße "Gesetzgebung". Es geht um mehr als um die Übernahme von Pflichten und Rechten im heutigen juristischen Sinn. Denn eben darauf haben die Propheten immer wieder Anlass hinzuweisen, dass in der Tat eine eheliche Liebesgemeinschaft zwischen Gott und seinem Volk, der "Jungfrau Israel", besteht, wie es immer wieder tituliert wird (z. B. Jes. 37,22; Jer. 31,4 und 21; Amos 5,2). Und so kann der Prophet Hosea (2,21 f) von Jahwe sagen: {42} Ich verlobe dich mir auf ewig. Ich verlobe dich mir um Gerechtigkeit und Recht, um Liebe und Erbarmen. Ich verlobe mich dir um Treue, dass du Jahwe erkennst. (Anm. 3) {43} Zuvor aber werden in dieser Rede die Baale als Repräsentanten einer unheiligen Hochzeit entfernt (Hos. 2,18f). Es ist die göttliche Liebe selbst, die eine neue Gemeinschaft stiftet und garantiert. Denn - so heißt es im zweiten Jesaja-Buch (Jes. 54,5 ff): {44} Der dich geschaffen hat, ist dein Gemahl, Herr der Heerscharen ist sein Name, und dein Erlöser der Heilige Israels, Gott der ganzen Erde wird er genannt. Denn wie ein verlassenes Weib, ein bekümmertes, ruft dich der Herr. Das Weib der Jugendjahre, kann man es verstoßen? spricht dein Gott. {45} Die Rede von der Ehe zwischen Jahwe und Israel ist also weder ein beliebiges noch ein zufälliges Bild, sondern vielmehr ein wohlvertrauter Symbolausdruck der Einung zwischen Gott und seinem Volk. Und weil ein Symbol ganz wesentlich davon lebt, dass seine Bedeutungsfülle in einem konkreten Tatbestand oder Vorgang sichtbar wird, wird einem Propheten wie Hosea Außergewöhnliches zugemutet: "Es sprach Jahwe zu Hosea: Geh, und nimm dir ein treuloses Weib [wörtlich: eine Hure] und treulose Kinder [Hurenkinder], denn gar treulos wendet sich ab das Land von Jahwe weg" (Hos. l ,2). Das heißt doch: Der Bote Jahwes hat sich so eng mit der inneren Situation seines Volkes zu verbinden, dass an seiner eigenen Ehe das Unrechtsverhältnis sichtbar wird, das zwischen Jahwe und seiner ehebrüchigen Braut, der Hure Israel, eingetreten ist. Während die prophetische Rede naturgemäß das Handeln Gottes schauend und gleichnishaft vorwegnimmt, deckt die Ehesymbolik, wie wir ihr bei Hosea begegnen, die bestehenden Verhältnisse des Abfalls und der Treulosigkeit Israels auf. Die Botschaft des Propheten zielt aber letztlich dahin, Jahwe als den - trotz Treulosigkeit und Ehebruch - Liebenden auszuweisen, der auch nach dem Abfall sein Volk nicht im Stich lässt, indem er die Liebesgemeinschaft fortsetzt, freilich ganz anders als die kanaanitischen Hochzeiter auf den Höhen Palästinas und unter den belaubten Bäumen. {46} Was wurde nun aber, wenn es den Propheten Mal um Mal geglückt sein mochte, Gesang, Tanz und orgiastisches Treiben zu Ehre der Baalim und der Astaroth zu

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dämpfen? Trat etwa mystisches Schweigen ein? Davon kann nicht gesprochen werden, denn Israels Gottesdienst lebt vom Wort und vom Gesang, etwa der Psalmen. Und eine dieser Psalmdichtungen (Psalm 45) ist als "Lied der Liebe" überschrieben. Besungen wird die Hochzeit des Königs und seiner Braut: Mein Herz wallt auf von anmutiger Rede singen will ich mein Lied dem König... Du bist der Schönste unter den Menschenkindern, Anmut ist ausgegossen über deine Lippen... Königstöchter schreiten einher in deinen Kleinodien, die Braut dir zur Rechten in Gold von Ophir. {47} Sehr viel deutlicher redet ein anderes Buch des Alten Testaments, das ebenfalls eine Liedsammlung umfasst. Jedenfalls wird das Thema der Heiligen Hochzeit nirgends in der Bibel eindrücklicher, sinnenfroher und inbrünstiger zum Klingen gebracht als im Hohenlied Salomos, im "Lied der Lieder". Der Bibelleser wundert sich, nach den Gebeten "aus der Tiefe" und nach den feierlichen Hymnen im "Buch der Preisungen" (Psalter) auf beschwingte, ja feurige Liebeslieder zu stoßen, die - durch Bildwort und Metapher kaum verschleiert - die körperlichen Vorzüge der jungen Liebenden rühmen. Die Väter des alttesta-mentlichen Bibelkanons mögen ihre "Not" gehabt haben, als sie darüber zu befinden hatten, ob diese Texte dem Buch der Bücher so eingegliedert und gedeutet werden konnten, dass das Hohe Lied sich zur Lesung am Passafest eignete. Immerhin sahen die frühen Rabbinen darauf, dass diese Schriftrolle keinem zu Gesicht kam, der die Mannesreife - damals das 30. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte. Eine frühe Maßnahme gegen "jugendgefährdende" Literatur in der Bibel? Unnötig zu sagen, dass spätbürgerliche Moralmaßstäbe nicht ins Judäa der ersten vorchristlichen Jahrtausendhälfte, wenn nicht noch weiter, zurück zu projizieren sind. Was also liegt hier vor? {48} Seit langem wird eine Reihe von Deutungsmöglichkeiten erwogen bzw. in Kirche und Synagoge praktiziert. Vor allem zwei Interpretationsweisen stehen einander gegenüber: Die eine möchte im Hohen Lied einen Zyklus von alten Volksliedern oder auch von dramatischen Wechselgesängen sehen, wie sie etwa anlässlich von ländlichen Festen, z.B. bei israelitischen Dorfhochzeiten gesungen oder aufgeführt worden sein können. Anderen Auslegern lag entscheidend an einer gründlichen Umdeutung dieser Liebes- und erotischen Beschreibungslieder. Danach sollen die oft allzu deutlichen erotischen Anspielungen und Vergleiche die Liebe Jahwes zu seinem Volk, der "Jungfrau Israel", verherrlichen. Und eben diese Interpretation haben sich die Väter des alttestamentlichen Bibelkanons zu Eigen gemacht, als um das Jahr 100 nach Christus auf der Rabbinensynode von Jamnia zu entscheiden war, ob diese Texte als zur Heiligen Schrift gehörig akzeptiert werden können - und sie konnten. Wie die Christenheit verfuhr, ist bekannt. Ebenso wie die Rabbinen das Lied der Lieder einer kurzschlüssigen, eher buchstäblichen Deutung entziehen wollten und es auf Jahwe und Israel deuteten, so erblickte die Christenheit in ihm die Liebe Christi zu seiner Braut, der Gemeinde. Es steht damit letztlich jenes "große Mysterium" im Mittelpunkt des Hohen Liedes, von dem Paulus (Eph. 5,31 f) spricht. Diese symbolische Auslegung

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hat sich weithin und jahrhundertelang in der Kirche durchgesetzt. Sie war bereits im Schwange, als das 2. ökumenische Konzil von Konstantinopel im Jahre 553 feierlichen Einspruch gegen die Auffassung erhob, das Hohe Lied sei lediglich eine Sammlung von volkstümlichen Liebes- und Hochzeitsliedern. Wer dem Konzilbeschluss widersprach - z. B. der griechische Theologe Theodor von Mopsuestia (t 428) - dem drohte der Kirchenausschluss. Und die mittelalterliche Mystik - vorausgreifend sei dies schon hier erwähnt - machte sich diese symbolische Deutung zu Eigen, an ihrer Spitze etwa Bernhard von Clairvaux mit seinen Traktaten und Ansprachen über das Hohe Lied. Aber auch die stark erotisch gefärbte Jesus-Minne der mittelalterlichen Frauenmystik basiert letztlich auf dieser sinnbildlichen Interpretation. Alles in allem ist damit das zentrale Motiv der Heiligen Hochzeit - wenngleich in transformierter Gestalt aufbewahrt und immer von neuem wieder nach erlebbar geworden. {49} Nun ist - abgesehen von den beiden Deutungsversuchen - die moderne HoheliedForschung zu Ergebnissen gelangt, die hier zumindest kurz referiert werden sollen, weil sie ein Licht auf unser Thema werfen.4 Als man prüfte, ob es sich bei den einzelnen Gesängen ursprünglich tatsächlich um volkstümliches Liedgut handelte, kam man zu dem Ergebnis, dass das Hohelied sich größtenteils einer weltlichen Herleitung entziehe. Die offene erotische Ausdrucksweise und die anspielungsreiche Bildwelt, aus der die Lieder, Wechselreden und Schilderungen schöpfen, weisen gerade über sich hinaus. Das entspricht dem Wesen echter Symbolik. Wer symbolisch Gemeintes buchstäblich nimmt, verfehlt dessen Kern. Folgen wir insbesondere den Befunden Hartmut Schmökels,5 dann entspricht die Hohelied-Symbolik - auch wenn Einzelfragen naturgemäß offen bleiben müssen - am ehesten dem Hieros-Gamos-Geschehen zwischen Tammuz und Ischtar bzw. zwischen Baal und Astarte. In der Zusammenfassung der Resultate seiner Einzeluntersuchungen gibt Schmökel u. a. zu bedenken: "Die in den Texten festgestellte offene erotische Sprache im Munde des Mädchens und insbesondere die Bezugnahme auf stattgefundene Liebesvereinigung mit dem Buhlen ist für die dörfliche Geliebte und Braut des israelitischen Palästina undenkbar, stimmt aber mit Art und Auftreten Ischtars, der >Hierodule der GötterBerg< und >Steppe< als Herkunftsort des Bräutigams sind profan unverständlich, im TammuzMysterium aber nachweisbare Bilder der Unterwelt, aus der der Entschwundene wiederkehrt. - Die Prozession von 3,6ff erinnert an Jahwes Gang vom Sinai her und geht letztlich auf die babylonischen Neujahrsfestzüge zurück. - Die Such- und Wächterszene von 3, l ff und der Lobpreis der Liebe von 8,5 ff sind nur von Ischtars Höllenfahrt her verständlich... Die Beschreibung des Geliebten in 5, l Off hat offenbar eine Kultstatue aus Gold, Elfenbein und Marmor vor Augen... Das Preiswort auf den Geliebten: > Darum lieben dich die Mädchen< l ,3b passt ausschließlich auf Tammuz, den >Liebling der Frauen< von Daniel 11,37. - Der offenkundig nackt vorgeführte Tanz der Braut von 7, l ff kommt niemals der dörflichen Hochzeiterin, wohl aber der Liebesgöttin bzw. ihrer Vertreterin am orgiastischen Ischtarfest zu. - Das Beilager unter Zedern und Zypressen von l,16f meint kein Stelldichein im Grünen, sondern die Brautkammer der Heiligen Hochzeit u.a.m.... - Es muss sich danach beim Hohelied in seiner ursprünglichen Form um eine Kultliturgie zur Feier der Heiligen Hochzeit eines palästinischen Götterpaares handeln, das den sumerisch-babylonischen Gottheiten Ischtar und Tammuz entspricht." (Anm. 6)

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Heilige Hochzeit im Alten Testament

{50} Demnach darf das Hohelied in der uns vorliegenden Form als eine Umgestaltung jener Liturgien angesehen werden, die in der Welt des Alten Orients im Zusammenhang der Heiligen Hochzeit zelebriert worden sind. Um bloße Anleihen, etwa bei den babylonisch-arischen Vorbildern, handelt es sich anscheinend nicht. {51} Denn - so betont Hartmut Schmökel: "Es war kein fremder Gott, der da auferstand und mit der Liebesgöttin Hochzeit feierte; es war ein Baal oder gar ein in kanaanäischen Formen verehrter Jahwe der Volksreligion, dessen Frühlingsfest man beging; allenfalls der von Ezechiel bevorzugte Name Tammuz mochte dabei ausländischer Herkunft sein... Es ging um einen israelitischen Tammuz - unter welchem Namen er auch immer gefeiert sein mag -, und es waren die Lilien der Saronebene und die Cyperblumen von Engedi, die ihm dufteten; die Teiche von Hesbon, der Davidsturm und das schwarzglänzende Fell der Gileadziegen boten sich seinen Liedern als vertraute Bilder an..." (Anm. 7) {52} Kurz: im Hohenlied liegt uns ein "durchaus israelitisches Buch" vor, das das Ereignis der Heiligen Hochzeit in schöpfungsbejahender Sinnlichkeit besingt und gleichzeitig die Liebe Jahwes zu seiner Geliebten, der "Jungfrau Israel", poetisch verherrlicht. Aber ist das Hohelied nur dies, ein literarisches Objekt mit zweieinhalbtausendjähriger Traditions- und Interpretationsgeschichte, das die Exegeten zu diesen oder jenen Resultaten führt? Gewiss nicht nur. Aber gerade erst dann, wenn plausible Argumente über Herkunft und Deutungsmöglichkeit bekannt sind, kommt der heutige Leser - Mann oder Frau - als Miterlebender zum Zuge. Statt seinen Blick länger auf literarhistorische Befunde zu richten, lässt er die B ilder auf sich wirken, lauscht er dem Lied und folgt er dem Rhythmus des Preisgesangs. Unmittelbarkeit wird möglich. Dichtung wird Ereignis. Eine Ahnung keimt auf, dass die Dichtung von Heiliger Hochzeit an eigene Innenerfahrung zu rühren vermag: {53} Lege mich wie ein Siegel an dein Herz, wie einen Ring an deinen Arm. Denn stark wie der Tod ist die Liebe.

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Mandragora das hochzeitliche Kraut

Exkurs: Mandragora, das hochzeitliche Kraut {54} Ehe wir das Thema ins Neue Testament hinein verfolgen, sei auf ein Motiv, das im Alten Testament gelegentlich auftaucht und dessen sich die kirchliche Symbolüberlieferung, Kirchenväter und Mystiker, in auffallend starkem Maße angenommen haben,(Anm. 8) gesondert hingewiesen. {55} Im 30. Kapitel des l. Mose-Buches wird von dem Israel-Sohn Rüben erzählt, wie er zur Zeit der Weizenernte aufs Feld ging und dort die so genannten "Dudaim" (Liebesäpfel; bei Buber: Minnebeeren) fand, die er seiner Mutter Lea brachte: {56} "Da sprach Rahel zu Lea: Gib mir von den Liebesäpfeln deines Sohnes! Sie aber antwortete ihr: Ists nicht genug, dass du mir meinen Mann genommen hast? Nun willst du auch noch die Liebesäpfel meines Sohnes haben! Da sprach Rahel: Nun, so mag er heute Nacht bei dir schlafen für die Liebesäpfel deines Sohnes. Als nun Jakob am Abend vom Felde kam, ging Lea ihm entgegen und sprach: Zu mir musst du kommen, denn ich habe dich erkauft um die Liebesäpfel meines Sohnes. Also schlief er die Nacht bei ihr. Und Gott erhörte Lea, und sie ward schwanger und gebar dem Jakob einen fünften Sohn." (I. Mose 30,14-17). {57} Und auch das Hohelied kennt das für den Fruchtbarkeitszauber angewandte Gewächs: "Es duften die Liebesäpfel, vor unsern Türen sind köstliche Früchte" (Hoheslied 7,14). Die griechische Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta) gibt das hebräische Wort mit "Mandragorai" wieder. Gemeint ist eine Pflanze, die im späten Frühling in voller Frucht steht und stark duftet. Auffällig ist die fleischige menschengestaltige Wurzel, der ein Kopf fehlt. Wurzeln und Früchte dienten Jahrhunderte lang zur Herstellung von Arzneien, namentlich von solchen, die aphrodisiatisch, aber auch narkotisch wirken sollen. Zur magisch-pharmazeutischen Bedeutung tritt bald die mystisch-symbolische hinzu. Das Motiv der liebeweckenden Kraft, die die Mandragore spenden soll, konnten sich die Ausleger des Genesis-Buches wie des Hohenliedes daher nicht entgehen lassen. Und so wird die Mandragore bisweilen geradezu zu einer Braut, weiterhin zu einem Sinnbild Heiliger Hochzeit, das das ganze Mittelalter hindurch vielseitig besprochen wird. Daran können auch skeptische Äußerungen eines Augustinus nichts ändern. Alkuin, Hoftheologe Karls des Großen, deutet allegorisch: {58} "Die Mandragore wird wegen ihrer vielfachen medizinischen Brauchbarkeit mit den Tugenden der Heiligen verglichen. Die >PfortenZuführen< ein Bilden, Gestalten, ein Vollkommen-und SchönMachen voraussetzt, wird deutlich etwa in der Art, wie Paulus im Kolosserbrief von seiner apostolischen Arbeit spricht als von einem jedermann vollkommen Hinstellen in Christus< (1,28)".10 Der Epheserbrief nimmt wörtlich die Symbolsprache des Hochzeitlichen auf, wenn Paulus den Bräutigam selbst den Dienst des Brautführers tun sieht, "dass er selbst die Gemeinde sich zuführe" (Eph. 5,27). Das heißt doch: diese Heilige Hochzeit ist nicht beliebig organisierbar. Der entscheidende Impuls geht nicht vom Menschen, sondern von Christus aus. Er ist nicht nur der Bräutigam der Braut; er führt auch in die Gemeinschaft hinein, die er als Heil und Leben anbietet. Er verkörpert nicht nur die Ganzheit des existenziell im Zwiespalt befindlichen Menschen - im Zwiespalt mit Gott, mit dem Mitmenschen und mit sich; als Brautführer ist er auch die anordnende, Ganzheit konstellierende Kraft. Bemerkenswert ist nun, wie der Epheserbrief zwei Tatbestände und Erlebnisbereiche einander gegenüberstellt und sie einander zuordnet: einen betont kreatürlichen und einen betont spirituellen, d. h. die Geschlechtsgemeinschaft zwischen Mann und Frau auf der einen, die Geistesgemeinschaft zwischen Christus und seiner Gemeinde (ekklesia) auf der anderen Seite, bereitet die aus einem betont patriarchalischen

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Hochzeitliche Stimmung im Neuen Testament

Ordnungszusammenhang heraus gesprochenen Sätze vom Mann als "Haupt der Frau" und vom Untertansein der Frau (Eph. 5,22ff) dem heutigen Verständnis erhebliche Schwierigkeiten. Sehr viel näher ist uns das eigentliche Anliegen des Apostels, wenn er dem Mann besonders ans Herz legt, seine Frau zu lieben, "wie auch Christus die Kirche geliebt und sich selbst für sie hingegeben hat" (5,25), nämlich durch "das Wasserbad im Wort". Der katholische Mysterientheologe Odo Casel bezeichnet dieses Wasserbad, die Taufe, geradezu als das "Brautbad der Kirche". Franz Mussner gelangt in seiner Studie über den Epheserbrief daher zu dem Ergebnis: "Nachdem in unserem Abschnitt das Verhältnis Christus-Kirche unter dem Bild der Ehe gesehen wird, lässt es sich nicht so ohne weiteres von der Hand weisen, dass in den Versen Eph. 5,26.27 an die Idee von der Taufe als Brautbad der Kirche gedacht ist; entscheidend ist jedoch das sachliche Verständnis des Bildes; dieses liegt im religiös-sittlichen Bereich." (Anm. 11) {78} Dem Brautbad der Taufe kann nun die Hochzeit nachfolgen. Paulus, der ehelos Lebende, beruft sich auf das Alte Testament: "Darum soll ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und sich mit seiner Frau vereinigen, und die zwei sollen ein einziger Leib sein" (I. Mose 2,24). Und nun die entscheidende Aussage: "Groß ist dieses Geheimnis (mysterion). Ich deute es auf Christus und die Kirche." Von der Verbindung mit Christus her bekommt die Verbindung von Mann und Frau, und zwar bis in die Leiblichkeit hinein, ihre besondere Qualität. Hier ist mehr als eine Paarung, mehr als ein bürgerlicher Rechtsakt, nämlich ein Mysterium, das Mysterium des männlich-weiblichen Menschen, der als Mann oder als Frau so lange nicht "eins" ist, solange er nicht an sich und in sich dieses Eins werden erfährt. {79} Das ist freilich nur ein Aspekt der "selgen Sehnsucht", die den Menschen seit eh und je erfüllt. Neben dem individuellen, dem zwischenmenschlichen und dem kosmischen ist - auf höchster Ebene - der eschatologische Aspekt immer mitzubedenken. Von ihm spricht die Offenbarung des Johannes. Die große apokalyptische Seligpreisung darin lautet: "Selig sind, die zum Hochzeitsmahl des Lammes berufen sind!" (Offb. 19,9). Und dann ist da die schon kurz angesprochene große Vision (Offb. 12,1-6): "Und es erschien ein Zeichen groß am Himmel. Ein Weib, umhüllt von der Sonne und unter ihren Füßen war der Mond." Diese weibliche Gestalt gebiert ein "männliches Kind". Offenbar will der Seher zum Ausdruck bringen, dass mit dieser Geburt ein neuer Aon angebrochen ist, nämlich der der "Herrschaft Gottes", das Reich der Himmel. Ernst Lohmeyer macht darauf aufmerksam, dass dieses, aus der Religionsgeschichte übrigens bekannte, mythische Motiv im Rahmen dieser Schau nicht etwa isoliert bleibt, sondern die weitere Folge der apokalyptischen Schilderungen bis zum Schluss durchwirkt. "Es gehört zu ihm, dass der Knabe, zum Mann gereift, die Herrschaft ergreift und sie durch den Hieros Gamos mit einer Göttin krönt; so bekundet es Vergils 4. Ekloge .. ." (Anm. 12) In diesem großen säkularen Adventsgesang aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert, also rund 150 Jahre älter als die JohannesOffenbarung, finden sich Strophen, die die Geburt eines Knaben ansagen und die am Schluss dessen Hochzeit andeuten: {80} "Jetzt ist die letzte Zeit nach dem Lied der Sibylle gekommen, und es beginnt von neuem der Zeiten geordnete Folge, jetzt kehrt wieder die Jungfrau, es kommt das Reich des Saturnus, jetzt steigt nieder ein neues Geschlecht aus himmlichen Höhen, Du nur blick' auf des Knaben Geburt mit gnädigem Auge, welcher ein Ende der eisernen bringt

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Hochzeitliche Stimmung im Neuen Testament

und den Anfang der goldenen Zeit für die Welt... Knäblein, auf, nun erkenne die Mutter und grüß sie mit Lächeln, schufen ihr doch der Monate zehn langwierige Mühsal, Knäblein, auf und beginne: wem nicht die Eltern gelächelt, dem bot nimmer ein Gott seinen Tisch, eine Göttin ihr Lager." (Anm. 13) {81} Die Christenheit unterscheidet freilich den ersten Advent des Gekommenen von dem zweiten Advent, der eigentlichen Parusie Christi als des Kommenden. {82} Im 19. Kapitel der Johannes-Offenbarung erklingt nun ein ganz neuer Hymnus, und zwar "wie die Stimme vieler Scharen und wie die Stimme vieler Wasser und wie die Stimme starker Donner, und sie riefen: >Halleluja! Denn König wurde unser Herr Gott, der Allbeherrscher. Lasst uns frohlocken und lobsingen, und wir wollen Preis ihm geben; denn gekommen ist des Lammes Hochzeit, und sein Weib hat sich gerüstet, und es wurde ihr gegeben, dass sie in Linnen leuchtend weiß sich hülleWer Gott anhanget, ist eines Geistes mit ihmEs ist vollbracht* ... Christus wandte Adam in seinem Schlaf von der Eitelkeit und vom Manne und Weibe wieder um in das englische Bilde. Groß und wunderlich sind diese Geheimnisse, welche die Welt nicht ergreifen mag. (Anm. 12) {190} Dieser Rückgriff auf den Androgyn-Mythos führt Jakob Böhme zu einem doppelten Resultat: zum einen kann er verstehen bzw. verständlich machen, welches Urbild - der männlich-weibliche Archetypus Anthropos - verloren ging; zum anderen,

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Jakob Böhme und die Vermählung mit der göttlichen Sophia

dass die geschlechtliche Vereinigung ihrerseits nur Bild und Verheißung sein kann auf das "große Geheimnis" hin, das "Christus und die Gemeinde" (gemäß Eph. 5,32) repräsentiert. Vor diesem Hintergrund der Androgyn-Vorstellung wird auch der Weg, ja die Methode sinnvoll, nämlich die Verbindung mit Christus, auf dem Weg einer "Christosophia". Darunter ist keine als theologische Lehre zu traktierende Christusweisheit gemeint, sondern vielmehr eine christliche Initiation, ein Weg innerer Christuserfahrung und praktischer Christusnachfolge, auf dem es die Stationen der Passion, des mystischen Todes und der Erweckung bzw. der Auferstehung zu durchschreiten gilt. Denn, so heißt es in einer seiner christosophischen Traktate: "Willst du ihn (Christus) anziehen, so musst du durch seinen ganzen Prozess, von seiner Menschwerdung bis zu seiner Himmelfahrt gehen... Denn die Jungfrau Sophia vermählt sich anders gar nicht mit der Seelen." (Anm. 13) Mit anderen Worten: Zur Ganzheit des Menschseins gelangen, wie sie urbildlich in jedem veranlagt ist, das heißt: sich auf die Hochzeit mit der göttlichen Sophia vorbereiten. Sie verkörpert (vom Mann her gesehen) jene innere spirituelle Weiblichkeit, die durch den Fall verloren gegangen, durch die Geschlechtlichkeit abgespalten ist. {191} Franz von Baader, der, wie erwähnt, zum Interpreten Jakob Böhmes in seiner Zeit (d. h. für Hegel, Schelling, die Romantiker) geworden ist, deutete das Gemeinte im Rahmen seiner erotischen Philosophie so: {192} Wer mir einen Christen zeigt, der zeigt mir einen wenigstens in seiner Reintegration begriffenen Menschen, und wer mir einen in seiner Reintegration begriffenen Menschen zeigt, der zeigt mir einen Christen. Es ist besonders in unserer Zeit von der größten Wichtigkeit, diesen Begriff des Christentums als integrierten Menschentums in volles Licht zu setzen, und nur jene Theologie wird sich siegreich über alle ihre Gegner erheben, welche die Sünde als Desintegration, die Erlösung und Wiedergeburt als Reintegration des Menschen darstellt." (Anm. 14) {193} Diese Worte des Philosophen greifen bereits voraus, indem sie auf einen Begriff bringen, was der Gnostiker der Antike oder der Mystiker des Mittelalters im Bild und Gleichnis zu fassen suchen oder die mit Teresa von Avila gestehen müssen, mehr als die Bezeugung - es gibt die mystische Hochzeit, ich habe diese innere Vermählung erfahren - lasse sich nicht sagen. Nicht so Jakob Böhme. Der von mancher Seite Angefochtene und zur Rede Gestellte sah sich mehrfach veranlasst, seinen kritischen Herausforderern wie seinen geistesverwandten Freunden und Schülern zu antworten. (Anm. 15) In seiner "Zweiten Schutzschrift wider Balthasar Tilke" (1621) gibt er eine Antwort, die sich auf die Herkunft seines Weisheits-Wissens bezieht. Zum einen: {194} Gott hat mir das Wissen gegeben. Nicht ich, der ich der "Ich" bin. weiß es, sondern Gott weiß es in mir. (Anm. 16) {195} Und da nun die Weisheit Gottes Braut ist und die Kinder Christi in dieser GottesWeisheit leben, so sind auch sie Gottes Braut; nämlich als die Reben, die mit dem Weinstock Christus organisch verbunden sind. Daher Böhmes Rückfrage: "Sollte ich denn nun nicht im Geiste Christi wissen, woraus diese Welt sei geschaffen, so derselbe in mir wohnet, der sie geschaffen hat, sollte ers nicht wissen?" Mit anderen Worten: die Gottes- und Christus-Verbundenheit macht den Menschen zu einem Gefäß der Weisheit und zu einem Träger der spirituellen Erkenntnis. Von daher also kann der im bürgerlichen Leben überaus bescheidene und seiner Grenzen wohl bewusste Görlitzer Handwerker ein erstaunliches Selbstbewusstsein entwickeln, das ihn als den Empfänger eines tiefen spirituellen Wissens um das Mysterium coniunctionis ausweist. Aus diesem Bewusstsein heraus kann er daher seinem Kritiker schreiben:

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Jakob Böhme und die Vermählung mit der göttlichen Sophia

{196} Mein Geist ist sein (d. h. Gottes bzw. Christi) Weib, in der er das Wissen gebieret, nach dem Maß, als er will. Gleichwie die ewige Weisheit Gottes Leib ist, und er gebieret, was er will; so er nun gebieret, so tue nicht ichs, sondern er in mir. Ich bin als [d. h. wie] tot im Gebären der hohen Wissenheit, und er ist mein Leben. Habe ichs doch weder gesuchet noch gelemet. Er neiget sich zu meiner Ichheit und meine Ichheit neiget sich in ihn. (Anm. 17) {197} Das heißt doch: Wer so von der Hochzeit der Sophia spricht, hat selbst einen solchen Mal um Mal sich ereignenden Akt der Vereinigung und des Erkennens erlebt. Sein Wissen um die Heilige Hochzeit entstammt eben diesem Mysterium und nicht der schlussfolgernden Rationalität des alltäglichen Ich-Bewusstseins. Aber die göttliche Sophia oder Weisheit ist somit nicht nur die "ewige Mutter" und "Gebärerin aller Dinge", in der sich die Gottheit wie in einem Spiegel betrachtet und betrachten lässt. Sie ist auch nicht nur die Braut des göttlichen Logos als "die ewige Bildlichkeit göttlichen Wortes und Willens", sondern sie ist jener urbildliche Wesensteil des Menschen selbst. Denn "die Weisheit Gottes der holdseligen Jungfrauen erblickte sich in ihm (Adam [d. h. in dem Urmenschen]) und eröffnete mit dem Blick Adams Centrum ... und ward ihm die edle Jungfrau der Weisheit und Kraft Gottes vermählet". (Anm. 18) {198} Dieser Verbundenheit mit seiner himmlischen Sophia entspricht die volle Identität. Hingegen bedeutet der tragische Fall Adams den Beginn einer Selbst- und Gottesentfremdung, die erst durch Christi Kreuzestod rückgängig gemacht worden ist. Und eben deshalb bedarf es einer neuen Vermählung. Böhme schreibt nicht nur als ein spirituell Erfahrener, sondern - was davon nicht zu trennen ist - als ein Leid-Erfahrener. Deshalb weist er in seinen christosophischen Traktaten ausdrücklich darauf hin, dass sich auf dem einzuschlagenden "Weg zu Christo" und zur Jungfrau Sophia Hindernisse und Rückschläge einzustellen pflegen. Da gelte es nun, im Zeichen einer entschlossenen Ritterschaft zu streiten "um das edle Ritterkränzlein ... Und solltest du irdischer böser [d.h. seines Urbildes verlustig gegangener] Leib darum zu Trümmern gehen und verschmachten.. ." (Anm. 19) Diese Entschlossenheit zum Letzten ist durch die Faszination der Jungfrau und Braut allein gerechtfertigt. Mindestens zwei Aspekte sind für ihn hier von Bedeutung: Da ist einmal die Jungfrau Sophia, die nur den "küsst", der als Ritter den spirituellen Kampfeiner inneren Erneuerung auf dem Weg der Nachfolge Christi bestanden hat. Der andere Aspekt ergibt sich, wenn man mit der Johannes-Offenbarung auf die "Hochzeit des Larnmes" und auf das große Hochzeitsmahl als auf das letzte Ziel der Menschheit hinblickt. Böhmes Schilderung in den christosophischen Schriften entspricht einer Initiation, einem christlichen Einweihungsweg, der - wie schon angedeutet - mit der Menschwerdung beginnt und mit der Himmelfahrt endet. Wohl kennt auch Böhme die Stimme freudiger Erwartung und den Jubel angesichts der herannahenden Hochzeit, denn "die Morgenröte im Aufgang" ist ihm längst innere Gewissheit. Aber der "Weg zu Christo", der in der Vereinigung mit der himmlischen Jungfrau gipfeln soll, ist zunächst ein Weg der Prüfung und der Bewährung. Darum: {199} Liebe Seele, zu diesem gehöret Ernst. Es muss nicht nur eine Erzählung solcher Worte sein. Der ernste fürgesetzte Wille muss das treiben oder wird nicht erlanget werden. Denn, will die Seele Christi Ritter-Kränz-lein von der edlen Jungfrau Sophia erlangen, so muss sie in großer Liebesbegierde mit ihr darum buhlen... Denn das ist die Blume zu Saron (im Hohenlied), die Rose im Tal, davon Salomon spielet und seinen lieben Buhlen, seine züchtige Jungfrau nennet, welche er also liebele, sowohl alle Heiligen vor und nach ihm je geliebet haben. Welcher sie hat erlanget, der hat sie

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Jakob Böhme und die Vermählung mit der göttlichen Sophia

seine Perle geheißen. (Anm. 20) {200} Das Evangelien-Gleichnis von der köstlichen Perle, aber auch das Lied von der Perle, wie es uns in den gnostischen Thomas-Akten überliefert ist, gehören in den großen Kontext dieser Schilderungen des Görlitzer Meisters. {201} So zeigt Jakob Böhme an zentraler Stelle seines Werks, welch hohen Stellenwert er der Heiligen Hochzeit einräumt, und zwar auf dem Weg des Menschen zu seinem wahren Selbst. Es ist Christus, der Garant und Repräsentant dieses Selbst, der der entarteten Menschheit in der Sophia die Gottebenbildlichkeit zurückbringt. Die Braut des Adam (vor dem Fall) und die Braut Christi, das ist im Grunde der wieder geborene Mensch selbst. Oder, um es mit Ernst Benz zu sagen: "In jeder Seele wird Christus wie in der Maria dadurch eingeboren, dass die himmlische Weisheit in sie einzieht, sich mit der Seele vermählt und in ihr der Bräutigam Christus mit seiner unvergänglichen Herrlichkeit fruchtbar wird. - Diese letzte androgyne Einheit Christi, die in seinem ewigen Zusammensein mit der Sophia besteht, ist der Grund für die eigentümliche Vielgestaltigkeit des Ausdrucks in der religiösen Erfahrung der unio: die Einigung mit ihm kann jeweils so beschrieben werden, dass Christus als der Bräutigam oder als die Braut erscheint. Bräutigam ist er als der Gemahl der Sophia, des himmlischen Gottebenbildes; Braut ist er als das himmlische Bild selbst, das sich mit der Seele vermählt. Bräutigam ist er als der Mann, der sich mit dem Lichtprinzip der Seele, Braut als die himmlische Jungfrau, die sich mit dem feurigen Prinzip der Seele vermählt. In einem ist das andere verborgen, im einen ist das andere gegenwärtig. Entscheidend aber ist, dass sich diese Ehe zwischen Christus und Sophia nicht in einem menschenfemen Aeon vollzieht, sondern im Menschen." (Anm. 21) Diesem Votum des Kirchenhistorikers und Geistesgeschichtlers, der sich im besonderen um die Interpretation Jakob Böhmes verdient gemacht hat, ist voll zuzustimmen. Aber was heißt es eigentlich, die Verbindung zwischen Christus und der Sophia vollziehe sich "im Menschen"? Mit dem bloßen Hinweis auf den Tatbestand ist es wohl nicht getan. Auch wird es nicht genügen, lediglich einschlägige Bilder und Texte zusammenzutragen, solange es nicht gelingt, zu der spirituellen Realität, die mit der Heiligen Hochzeit gemeint ist, und zu der archetypischen Wirklichkeit vorzudringen, auf die das Verlangen des Menschen nach Selbstverwirklichung und Ganzheit letztlich beruht. Einen Appell und einen geistesgeschichtlich weithin wirksamen Impuls hat Jakob Böhme immerhin gegeben: {202} Liebe Seele, es muss Ernst sein, ohne Nachlass! Die Liebe eines Kusses der edlen Sophia in dem heiligen Namen Jesu erlangst du wohl, denn sie stehet ohne das (ohnedies) vor der Seelen Tür und klopfet an und warnet den Sünder des gottlosen Weges. So er nun einmal also ihrer Liebe begehret, so ist sie ihm zu Willen und küsset ihn mit den Strahlen ihrer süßen Liebe, davon das Herz Freude empfähet. Aber in das Ehebette leget sie sich nicht balde zur Seelen, das ist: sie wecket nicht balde das verblichene Himmelsbilde, welches im Paradies verblich, in sich auf. (Anm. 22)

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Der Mythos vom Androgynen

Exkurs: Der Mythos vom Androgynen {203} "Der Mythos vorn Androgynen ist der einzige große anthropologische Mythos, auf dem die anthropologische Metaphysik aufgebaut werden kann." (Anm. 1) Dieser Ausspruch Nikolaj Berdjajews lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Bild- und Ideenzusammenhang, dessen Betrachtung in einem wichtigen Punkt die Frage nach dem Wesen der Heiligen Hochzeit zu beleuchten verspricht. Und zwar macht die Androgyn-Idee Aussagen über die Ursprungsgestalt des Menschen. Zum anderen fällt Licht auf den Zustand der menschlich-menschheitlichen Vollendung. So sagt Androgynität (von griechisch: aner, Mann und gyne, Frau) etwas aus über das Urbild und das geistige Zukunftsbild des Menschen. Der Heiligen Hochzeit wäre demnach die Aufgabe zugewiesen, die - verlorene - Urbildlichkeit zu vergegenwärtigen bzw. sie in Erinnerung zu halten und sie wiederherzustellen. Bei der Androgynität haben wir es mit der Vorstellung eines Menschenbildes zu tun, das aus der Rückschau auf jene mythische Überlieferung gewonnen werden kann, nach der der Mensch von Anfang an nicht in die beiden Geschlechter männlich und weiblich aufgeteilt war, sondern eine vor- oder übergeschlechtliche Ganzheit dargestellt hat. Er war solchen Vorstellungen zufolge androgyn, also männlich-weiblich. Eine geschlechtliche Differenzierung gab es nicht. Sie soll - so sagt der Mythos - erst infolge besonderer Umstände, etwa im Verlauf eines tragischen Bruchs oder Falls eingetreten sein und die Geschlechter-Problematik mit all ihren Begleiterscheinungen verursacht haben. Von daher sei schließlich auch die Sehnsucht zu verstehen, in der geschlechtlichen Vereinigung von Mann und Frau die Spaltung in die Zweiheit zu überwinden und die ursprüngliche Einheit -und sei es für einen Moment - wiederherzustellen. Manchmal wird diesem Mythos sogar der Wert eines Schlüssels zuerkannt, mit der ein elementares Rätsel der menschlichen Existenz aufgeschlossen werden könne. (Anm. 2) {204} So ist Androgynie "eine besondere Art und Weise, die männlichen und weiblichen Aspekte in einem Menschen zu verbinden". (Anm. 3) Und weil die griechische Mythologie in Hermaphroditus, dem Sohn des Hermes und der Aphrodite, ein Wesen erblickt, das mit beiden Geschlechtsmerkmalen ausgestattet ist, also einen Zwitter, werden Androgynität und Hermaphroditismus manchmal auch synonym gebraucht. Das mag angehen, solange man es mit einem mythischen Bildausdruck für männlich-weibliche Ganzheit zu tun hat bzw. diese Ganzheit meint. Andernfalls aber stellt der Hermaphrodit eine physiologische Abnormalität dar. Und als solche hat sie mit der Idee der hier gemeinten Verbindung des Männlich-Weiblichen nichts zu tun; jedenfalls kann das Thema einer solchen Abnormität hier völlig außer Betracht bleiben. (Anm. 4) Mircea Eliade weist daraufhin, "dass der

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Der Mythos vom Androgynen

Hermaphrodit in der Antike eine ideale Bedingung darstellte und dass die Menschen mit Hilfe von imitativen Riten versuchten, diesen Zustand in einer vergeistigten Form zu erreichen; wenn ein Kind jedoch bei Geburt irgendwelche Zeichen von Hermaphroditismus (also Missbildungen) zeigte, wurde es von seinen Eltern getötet. Mit anderen Worten, der tatsächliche anatomische Hermaphrodit wurde als eine Aberration der Natur oder als ein Hinweis auf den Zorn der Götter angesehen und demzufolge kurzerhand zerstört. Nur das rituelle Androgyn stellte ein Modell dar, da es nicht eine Vermehrung anatomischer Organe mit sich brachte, sondern symbolisch gesehen für die Vereinigung der magisch-religiösen Kräfte, die beide Geschlechter in sich haben, bedeutete." (Anm. 5) Von diesem symbolischen Gesichtspunkt aus stellt der Hermaphroditus ein, wenn nicht das vereinigende Symbol par excellence dar. Denn, so erläutert C. G. Jung, "unbekümmert um seine Monstrosität ist der Hermaphroditus allmählich zu einem konfliktüberwindenden Heilbringer geworden, welche Bedeutung er übrigens schon auf relativ frühen Kulturstufen erreichte. Diese vitale Bedeutung erklärt, warum das Bild des Hermaphroditen nicht schon in der Vorzeit erloschen ist, sondern sich im Gegenteil mit zunehmender Vertiefung des Symbolgehaltes, durch die Jahrtausende behaupten konnte. Die Tatsache, dass eine so überaus archaische Vorstellung zu solcher Bedeutungshöhe emporwuchs, weist nicht nur auf die Lebenskraft archetypischer Ideen überhaupt hin, sondern demonstriert auch die Richtigkeit des Grundsatzes, dass der Archetypus zwischen den unbewussten Grundlagen und dem Bewusstsein gegensatzvereinend vermittelt. Er schlägt eine Brücke zwischen dem von Entwurzelung bedrohten Gegenwartsbewusstsein und der naturhaften, unbewusst-instinktiven Ganzheit der Vorzeit." (Anm. 6) {205} Ohne hier jedoch auf die weitere psychologische Deutung einzugehen, wollen wir den Blick auf eine Reihe von Manifestationsweisen richten, durch die das hermaphroditisch-androgyne Symbol in Erscheinung getreten ist. Die Parallelität, zumindest aber die Nähe zum Symbol der Heiligen Hochzeit liegt auf der Hand. Denn so wie im Mythos bzw. Ritus Gott und Göttin (oder deren menschliche Repräsentanten) den Hieros Gamos vollziehen, um die Natur zu befruchten, treten viele kosmogonischen Götter in androgyner Gestalt auf. Diese ihre Teilhabe am männlichen wie am weiblichen Prinzip erhebt sie zu Weltschöpfem. Und denkt man an die ewige Kohabitation des Shiva mit seiner weiblichen Wesensseite, der Shakti, so ist damit eine universelle, heilstiftende Ganzheit ausgedrückt, nach der die östlichen Gläubigen zuversichtlich blicken. (Es ist das Problem des westlichen Menschen, wenn er die zahllosen Darstellungen erotisch-sakraler Akte, etwa an indischen Tempelfassaden, als "ungehörig" oder als "obszön" findet.) Aus der Fülle der Beispiele, die den spirituellen Gehalt dieser Gegensatz-Vereinigung in sinnfälliger Weise ausdrücken sei hier das klassisch-indische Shriyantra

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Der Mythos vom Androgynen

angeführt. Es handelt sich um die harmonische Anordnung von aufgerichteten und abwärts gerichteten Dreiecken, die einander durchdringen bzw. überdecken. Der Meditierende, der sich auf ein solches Yantra konzentriert, fügt sich damit in die universale Ganzheit ein, von der die Rede ist, bzw. er strebt durch seine Meditation danach, diese Ganzheit in sich herzustellen - eine innere Konjunktion also. Es handelt sich somit nicht etwa um eine Neutralisierung der beiden Pole (Jakob Böhme sagt: der beiden "Tinkturen"), sondern eher um deren Aktivierung in der hochzeitlichen Vereinigung.

Abb. 5 Das klassische indische Shriyantra - Ausdruck spiritueller Gegensatzvereinigung. {206} Die Erinnerung an einen androgynen Urzustand bei Göttern und Menschen ist nicht nur im Raum der asiatischen Religionen, im alten Ägypten und Germanien anzutreffen, sondern auch im Griechentum. Hier ist im besonderen an den platonischen Symposion-Dialog zu denken, der auf den urtümlich-ganzheitlichen Menschen anspielt (Kap. 14). Auch der Schöpfungsbericht der Genesis (I. Mose 1,27) rührt an dieses Geheimnis, wenn dies auch von der Theologie, verständlicherweise vor allem von der theologischen Anthropologie, energisch bestritten wird. Nicht zu bestreiten ist hingegen, dass die fragliche Genesis-Stelle -"Männlich-weiblich schuf er (Gott) sie (die Menschen)" - im vor- und außerrabbinischen Spätjudentum, bei den Rabbinern selbst, bei Philo von Alexandrien, im Talmud, in der Kabbala und selbstverständlich in der Gnosis eine androgynische Ausdeutung erfahren hat. (Anm. 7) Von Platon und von der mehr esoterischen Auslegung von 1. Mose I lässt sich die weitere Pflege der

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Der Mythos vom Androgynen

Androgyn-Vorstellung bis in die Gegenwart verfolgen. Und so gut die Gründe sein mögen, die für die klare geschlechtliche Differenzierung des Menschen in Mann und Frau sprechen, um die personale Ich-Du-Beziehung deutlich zu machen, (Anm. 8) so ist doch die Fortdauer des Androgyn-Gedankens innerhalb des neuzeitlichen Christentums nicht zu leugnen. {207} In diesem Zusammenhang spricht Ernst Benz von einer "offiziellen Verdrängung". Sie habe aber eben nicht verhindern können, dass die Idee vom androgynen Menschenbild zahlreiche Vertreter und Interpreten gefunden hat. Zu den einflussreichsten gehört - wie bereits dargestellt Jakob Böhme, der seiner Theo-, Kosmo- und Christosophie eine "Anthroposophie" (Weisheit vom Menschen) eingefügt hat, die die männlichweibliche Urbildlichkeit des Menschen in Erinnerung bringt und die Möglichkeit einer spirituellen Wiederherstellung dieses Urbildes in der Christus-Zukunft in den Blick fasst, nämlich auf dem Weg zu Christus und in der "Vermählung mit der Jungfrau Sophia" als der verloren gegangenen Wesensseite Adams. Gerade bei und durch Böhme kann deutlich werden, dass das große Thema der Heiligen Hochzeit mit dem Ideenbild des Androgynen korrespondiert. Das eine muss nicht das andere ausschließen. Einerseits bedurfte es der Aufspaltung des (platonischen) kugelgestaltigen UrAndrogyns, dass der Mensch sein individuelles Ich finden konnte, seine "IchEinsamkeit", aber auch seine Liebesfähigkeit. Andererseits stellt die Androgynität jenes Zielbild dar, das das von seiner Wesenstiefe getrennte Ich auf seine mögliche und notwendige Ganzwerdung im Selbst hinlenkt. Urbild und Zielbild stellen ihrerseits die beiden Pole dar, zwischen denen sich unser Menschsein ereignet. {208} Nun ist Jakob Böhme nicht der einzige geblieben, der den Menschen bzw. dessen Androgynität in diesem Bezugsrahmen betrachtet hat. Zu nennen sind die englischen Böhmeaner des 17. Jahrhunderts, die so genannten Philadelphen, die ihrerseits wiederum auf das Festland herübergewirkt haben. Böhme-Schüler in diesem Sinne sind die beiden schwäbischen Theosophen Friedrich Christoph Oetinger und Michael Hahn (Anm. 9), der zum geistlichen Haupt einer nach ihm benannten, noch heute in Württemberg existierenden Gemeinschaft wurde. Dank der u. a. von Matthias Claudius übersetzten Schriften des französischen Theosophen und Mystikers Louis Claude de Saint-Martin (Anm. 10) wurde Böhme in der Ära der deutschen Romantik aufs neue "entdeckt" und der Androgyn-Gedanke abermals aufgenommen. Hier kann der Name des vielseitigen katholischen Philosophen Franz von Baaders (Anm. 11) für viele andere stehen. Ihm wie den ihm Geistesverwandten geht es um die "Reintegration" des Menschen. Durch die beiden russischen Denker Wladimir Solowjow und Nikolaj Berdjajew wurde dieses uralte Wissen bis in die Gegenwart hineingetragen. (Anm. 12) Die ostkirchlich-orthodoxe Sophiologie (Lehre von der göttlichen Sophia), das Ideengut Jakob Böhmes, das seit dem frühen 19. Jahrhundert

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Der Mythos vom Androgynen

u. a. in freimaurerischen Kreisen (z.T. vermittelt durch Saint-Martin und Franz von Baader) in Russland Eingang fand, verschmolz mit eigenen spirituellen Erfahrungen, namentlich bei Solowjow. Nicht zu vergessen sind die rosenkreuzerisch-alchymistischen Zusammenhänge, von denen gesondert zu sprechen ist. Sie sind ohne Zugrundelegung eines androgynen, ganzheitlichen Menschenbildes nicht recht zu verstehen. Vor allem in den Darstellungen C. G. Jungs wirkt dieses Urwissen bis in unsere Tage hinein, wenn auch nicht im Sinne einer bloßen Weiterführung alter Überlieferung, sondern eher als eine Verständnishilfe bei der Realisierung seelischer Reifeprozesse. Es gilt in diesem alchymistisch-symbolischen bzw. tiefenpsychologischen Sinne "eines zu werden" und auf diese Weise der Selbstwerdung näher zu kommen. {209} Schließlich ist der Androgyn-Gedanke in der Anthroposophie Rudolf Steiners in den großen menschheitlichen Prozess der Menschwerdung eingebettet. An sehr vielen Stellen - jedoch nirgends systematisch darstellend - hat Steiner zum Androgyn-Problem Stellung bezogen. (Anm. 13) {210} Will man mit wenigen Strichen Steiners Anschauungen skizzieren, dann ergibt sich folgendes Bild: Auf einer bestimmten Stufe - Steiner rechnet sogar mit Planeten-Verkörperungen, ehe der Mensch diese Erde betritt erfolgt die Aufspaltung der menschlichen Ganzheit in die Zweiheit der Geschlechter. Was einst auf früher Stufe in einer Person beschlossen lag, hat sich von da an auf zwei Individuen verteilt. Diese "Individualisierung" geschah letztlich im Dienste der voranschreitenden Bewusstwerdung und der Herausbildung des selbstständigen menschlichen Ich. Da Steiner in größten bewusstseinsgeschichtlichen Zusammenhängen denkt, nimmt die heutige Geschlechtertrennung den Charakter des Episodischen an, denn Steiners Blick ist ebenfalls nicht nur zurückgewandt auf das mythische Bild des androgynen Urmenschen, sondern gleichzeitig auch in die fernste Zukunft der Menschheit gerichtet. {211} Im Grund trägt schon das menschliche Ich den Siegelabdruck eines Übergeschlechtlich-Ganzheitlichen und damit des Eigentlich-Menschlichen im Menschen. Die Fortentwicklung der zum Ich-Bewusstsein erwachten Menschheit führt dann zu einem androgynischen Zukunftsbild des Menschen. Es handelt sich um eine Entwicklung, die sich freilich ganz langsam vollzieht. Das Resultat, für das es vielfältige, auch biblische Hinweise gibt, beschreibt Steiner so: {212} Die männliche Seele im weiblichen Leibe und die weibliche Seele im männlichen Leibe werden beide wieder zweigeschlechtlich durch die Befruchtung mit dem Geist. So sind Mann und Weib in der äußeren Gestalt verschieden; im Innern schließt sich bei beiden die seelische Einseitigkeit zu einer harmonischen Ganzheit zusammen. (Anm. 14) {213} Zweifellos handelt es sich hier, wie auch bei den anderen einschlägigen Belegstellen aus dem Steinerschen Vortragswerk um eine recht schwierige

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Der Mythos vom Androgynen

Materie, deren Interpretation noch mancherlei Fragen offen lässt. So mag an dieser Stelle der Hinweis genügen, dass es sich - ähnlich wie bei Jung, jedoch nicht völlig identisch infolge unterschiedlicher Sichtweisen und Terminologien - um einen geistig-seelischen Vorgang der Ganzwerdung handelt. Dieses Zielbild ist bei Steiner jedoch nicht nur in einem engeren Sinne anthropologisch gefasst, also nicht nur im Hinblick auf die in einem Menschenleben sich vollziehende Individuation. Steiner rechnet mit dem Karma-Gedanken und mit der Idee wiederholter Erdenleben (Reinkarnation). Des weiteren richtet er seinen Blick auf fernste Horizonte der Menschheit, sodass eine Zusammenschau mit endzeitlich-apokalyptischen Aussagen der Bibel nahe liegt.

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Im Umkreis der Alchymie

Im Umkreis der Alchymie {214} Das Motiv der Heiligen Hochzeit hat, wie wir anhand mehrerer Beispiele gesehen haben, im Laufe der Zeit vielfältige Stadien des Gestaltwandels durchlaufen. Und dieser Prozess dauert bis heute an. Wenn auch die Bezeichnungen und Beschreibungen naturgemäß wechseln - die diesem Symbol innewohnende Wirksamkeit dauert fort. Dabei ist jedoch eines von Belang, nämlich die Tatsache, dass der Mensch im Zuge der Entfaltung seines Bewusstseins mehr und mehr zu der Einsicht durchdringt, dass die scheinbar fern liegenden Mythen vom Hieros Gamos und die weitgehend fremd gewordenen, nicht mehr verstandenen religiösen Riten, die noch Anklänge an die Heilige Hochzeit enthalten, letztlich doch auf eine Coniunctio, eine Gegensatzvereinigung verweisen, die im Menschen selbst als ein Reifungsgeschehen in Gang zu bringen ist. Davon später. {215} Gerade wenn man die Religions- und Kulturgeschichte als Bewusstseinsgeschichte betrachtet (Anm. 1), erscheint es bemerkenswert, dass es zwischen den Mythen bzw. den gnostischen Mysterien der Frühzeit und heutigen Möglichkeiten einer Bewusstseinserweiterung so etwas wie geistesgeschichtliche Brückenpfeiler gibt. Einen solchen stellt die Bild- und Praxiswelt der Alchymie dar. Während der Angehörige früher Ackerbaukulturen darauf bedacht ist, die Fruchtbarkeit seiner Felder durch die befruchtende, lebenemeuernde Mitwirkung der Vegetationsgötter zu sichern, motiviert den Alchymisten eine andere Gesinnung. Er erblickt seinen Kulturauftrag darin, die Erde selbst zu verwandeln, indem er experimentierend, handelnd in das materielle Geschehen eingreift. Es gilt, die unedlen Stoffe der Ausgangssubstanz (prima materia) in eine neue Qualität zu überführen. Das höchste Ziel der zu leistenden Arbeit stellt die Bereitung des "Steins der Weisen" (lapis philosophorum) dar. Es gilt, das minderwertige Metall in das wertvollste, nämlich in Gold, zu transmutieren. Dabei ist sich der alchymistische Adept der Gefahr der Pervertierung seines Unternehmens bewusst. Deshalb die ausdrückliche Erklärung: "Aurum nostrum non est aurum vulgi - Unser Gold ist nicht das gemeine, nicht das materielle Gold." Dass aber das Goldmachen und die damit verbundene Erforschung der stofflichen Welt ein großes Anliegen der Alchymisten aller Zeiten ist, bleibt unbestritten. G. G. Jung, der sich jahrzehntelang mit der Aufhellung der Wechselbezüge beschäftigt hat, die sich aus dem Gegenüber von Alchymie und der Tiefenpsychologie ergeben, hat insbesondere darauf aufmerksam gemacht, dass es jenen vorwissenschaftlichen Naturforschern und Laboranten in hohem Maße um das "Erlebnis des Unbewussten", man könnte auch sagen: des Geistes in der Materie, gegangen sei. Und er fügt hinzu:"Dass man diese Seite der Alchemie - die mystikä - so lange nicht verstanden hat, liegt einzig und allein an dem Umstand, dass man nichts von Psychologie, und zwar insbesondere nichts vom überpersönlichen und

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kollektiven Unbewussten gewusst hat. Solange man von einer psychischen Existenz nichts weiß, ist sie, wenn sie überhaupt erscheint, projiziert. So fand sich das erste Wissen um seelische Gesetz- oder Regelmäßigkeit ausgerechnet in den Sternen, und ein weiteres im unbekannten Stoff. Von beiden Erfahrungsgebieten haben sich Wissenschaften abgetrennt, von der Astrologie die Astronomie und von der Alchemie die Chemie." (Anm. 2) {216} Die Praktiken, die im alchymistischen Labor betrieben werden,. haben mit der Lösung des Gegensatzproblems zu tun, wie es sich aus dem Gegenüber von Materie und Geist ergibt. Damit kommt die Heilige Hochzeit in modifizierter Form ins Spiel, nun "Chymische Hochzeit" genannt. Mit ihr stellt sich eine Aufgabe, deren Bewältigung den Einsatz der ganzen Person erfordert, also nicht nur technisches Wissen und handwerkliches Geschick. Es ist daher nicht gleichgültig, in welcher seelischen Verfassung der Laborant ans Werk geht. Von ihr hängt das Gelingen des Opus alchymicum ebenso ab wie von seiner sittlich-moralischen Integrität. Die Lektüre alchymistischer Traktate und die Betrachtung l der einschlägigen Abbildungen hebt ausdrücklich die Zusammengehörigkeit von Oratorium und Laboratorium hervor; gemeint ist das Bete und das Arbeite! So gesehen experimentiert der Adept nicht allein mit Stoffen, sondern immer auch mit sich selbst. Er selber ist das hermetische Gefäß. Selbstverwirklichung bekommt von daher einen tieferen Sinn. Die hochzeitliche Vereinigung der Gegensätze ereignet sich innen wie außen, sie erfolgt auf der physischen wie auf der psychischen Ebene. Die Wirklichkeit ist noch erlebbar als der Unus mundus, als die eine Welt. {217} Und was die chemotechnischen Vorgänge anlangt, so tragen sie für den Alchymisten als Menschen, der noch diesen Unus mundus erfährt, menschliche, aus dem Lebensablauf genommene Züge. Nicht mit "toter" Materie hantiert der Alchymist, sondern mit Wesenheiten. Sie unterstehen der Sonne (sol) oder dem Mond (luna) und sind insofern männlich oder weiblich tingiert. Der Religionswissenschaftler Mircea Eliade spricht - dieses Wirklichkeitsverständnis früherer Bewusstseinsstufen charakterisierend geradezu von einer "sexualisierten Welt", eben weil sich das Männliche und das Weibliche bis in die Stoffeswelt hinein manifestiert: "Es handelt sich also um eine allgemeine Vorstellung von der kosmischen Wirklichkeit, gemäß der sie als Leben wahrgenommen und infolgedessen sexualisiert wird, da die Sexualität das besondere Merkmal jeder lebenden Wirklichkeit ist. Von einer gewissen Kulturstufe an stellt sich die ganze Welt, sowohl die Welt der >NaturHochzeit der Metalle< an, durch die allein eine >Geburt< möglich wurde. Ähnliche Vorstellungen sind aus dem alten China bezeugt: Yu, der große, der urzeitliche Metallgießer, wusse die

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männlichen Metalle von den weiblichen zu unterscheiden. Deshalb verglich er seine Kessel mit den beiden kosmologischen Prinzipien Yang und Yin." (Anm. 3) Daher ist es nur folgerichtig, wenn das Opus alchymicum, "das Werk" also, Stadien durchläuft, in denen die Tinktur reift und durch die der philosophische Stein seiner Vollendung entgegengefahrt wird, und zwar gemäß dem hermetischen Grundsatz: "Solve et coagula - löse auf und vereinige!" {218} Ein zentrales Sinnbild des gesamten Vorgangs ist dabei die Verbindung von Schwefel und Quecksilber. Beide "Stoffe" bzw. Wesenheiten oder spirituell-materiellen Arkansubstanzen, sind jedoch nicht mit chemischen Elementen im heutigen Sinne zu verwechseln. Sie müssen eher als Symbolträger und als Sinnbilder der schöpferisch-zeugenden Urkräfte verstanden werden. Denn Schwefel entspricht der Sonne (lat. sol ist männlich!) und wird durch die Gestalt des "Königs" personifiziert. Dagegen entspricht das Quecksilber (Mercurius) dem Mond bzw. der "Königin", die sich mit ihrem Gatten vereint. Dass das astrolo-gisch-alchymistische Merkurzeichen bereits durch das Signum der Vereinigung geprägt ist - eine Mondsichel tangiert die Sonnenscheibe über einem Kreuz - sei eigens angemerkt. In den reichlich überlieferten Bilddarstellungen, die den Prozess in seinen einzelnen Graden veranschaulichen wollen, begegnet man in unzähligen Abwandlungen dem Konjunktionsphänomen, etwa: Der König, der auf einer Sonnenscheibe steht, reicht der auf einer Mondsichel stehenden Königin die Hand zum Bunde; das geschieht unter der Obhut des geflügelten Mercurius. Oder: Man sieht zwei Berittene gegeneinander reiten, eine männliche Gestalt auf dem Sonnentier des Löwen, den Schwefel darstellend, und eine weiblich-mondenhafte Gestalt, die auf einem Greif reitet. Dass zu dem Gegensatzmotiv das Motiv der Vereinigung hinzutritt, sieht man den Schildzeichnungen an. Die weibliche Gestalt führt eine Sonne, die männliche einen Mond im Schilde. Auf diese Weise ist zumindest der dynamische Aspekt der Wandlung angedeutet. Der Kampf der beiden Polaritäten geschieht um der Vereinigung willen - in der "Chymischen Hochzeit".

Abb. 6 Das Aufeinanderprallen der Gegensaätze im alchemistischen Prozess: Männlich und Weiblich, Schwefel und Mercurius im ritterlichen

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Kampf. In dern Schildzeichnungen trägt jeder sein Gegensatzmotiv. {219} Für unsere Frage ist es allerdings von geringerer Bedeutung, dass die zahlreichen Darstellungen des chymischen Werkes in ihren einzelnen Abschnitten durchaus differieren. Dennoch gibt es gewisse Gemeinsamkeiten, z. B. drei (manchmal auch vier) Phasen des Prozesses. Sie zeigen in farbigen Imaginationen das materiell-geistige Wandlungsgeschehen an: Am Anfang steht der Zustand der Schwärzung (nigredo). In ihm ist es bereits zu einem ersten Konjunktionsvorgang der zuvor zerteilten Elemente gekommen. Aber alsbald tritt der Tod (mortificatio, putrefactio, calcinatio) der Vereinigungsprodukte ein. Dadurch wird die Schwärzung verursacht. Darauf deutet in den Darstellungen des Werks z. B. das Bild eines schwarzen Raben. Die mystische Erfahrung kennt die Durchgangsphase des mystischen Todes, in dem der "alte Adam mit allen Sünden und bösen Lüsten" - wie es in Martin Luthers Kleinem Katechismus heißt -stirbt. Eine solche Durchgangsphase stellt die Nigredo dar. Den weiteren Fortgang des Prozesses schildert C. G. Jung in "Psychologie und Alchemie" wie folgt: "Aus der >nigredo< führt die Abwaschung (ablutio, baptisma) entweder direkt zur Weißung, oder die beim Tod entwichene Seele (anima) wird dem toten Körper wieder vereinigt, zur Belebung desselben, oder es leiten die vielen Farben (omnes colores, cauda pavonis) zur einen, weißen Farbe, die alle Farben enthält, über. Damit ist das erste Hauptziel des Prozesses, nämlich die >albedotinctura albaterra alba foliatalapis albus< usw. erreicht, welche von vielen schon so hoch gepriesen wird, als ob das Ziel überhaupt erreicht wäre. Es ist der Silber- oder Mondzustand, welcher aber noch bis zum Sonnenzustand gesteigert werden soll. Die >albedo< ist gewissermaßen die Dämmerung; aber erst die >rubedo< ist der Sonnenaufgang. Den Übergang zur >rubedo< bildet die Gelbung (citrinitas), welche ... später in Wegfall kommt. Dann geht die >rubedo< direkt aus der >albedo< hervor durch Steigerung des Feuers auf den höchsten Grad. Das Weiße und das Rote sind Königin und König, die auch in dieser Phase ihre >nuptiae chymicae< [chymische Hochzeit] feiern können." (Anm. 4) Dass symbolische Entsprechungen dieser Art jahrhundertelang als zu einer tieferen Naturerkenntnis gehörig durchaus bekannt waren, auch wenn wohl die wenigsten konkrete Vorstellungen damit verknüpfen konnten, geht u. a. aus Goethes "Faust" erster Teil hervor. Bereits der junge Dichter hatte reichlich Gelegenheit, mit Dokumenten, Vertretern und Inhalten solchen Einweihungswissens vertraut zu werden und in seinen Werken davon mitzuteilen. (Anm. 5) Mit deutlicher Anspielung auf die alchymistische Gegensatzvereinigung berichtet Faust bei seinem Osterspaziergang mit Wagner - "vor dem Tor" - wie der eigene Vater, "ein dunkler Ehrenmann", in der Gesellschaft von Adepten in schwarzer Küche "nach unendlichen Rezepten/Das Widrige [d. h. das Gegensätzliche] zusammengoss". Und dann

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heißt es an dieser Stelle weiter: {220} Da ward ein Roter Leu, ein kühner Freier, Im lauen Bad der Lilie vermählt Und beide dann mit offnem Flammenfeuer Aus einem Brautgemach ins andere gequält. Erschien darauf mit bunten Farben Die junge Königin im Glas, Hier war die Arzenei, die Patienten starben, Und niemand fragte, wer genas. So haben wir mit höllischen Latwergen In diesen Tälern, diesen Bergen Weit schlimmer als die Pest getobt... {221} Gewiss, alles andere als eine glorifizierende Erinnerung an kaum mehr durchschaute Praktiken! Allein die Symbolik von Löwe und Lilie, von Flamme und Brautgemach ist noch präsent. Auf einem anderen Blatt steht, inwieweit man fähig war und ist, die Mysteriensprache von einst zu entschlüsseln. Jedenfalls bedurfte es lange vor C. G. Jung, Herbert Silberer (Anm. 6) und anderen immer wieder des Hinweises, dass die wahre Alchymie nicht allein auf der materiellen Ebene stattfinde. Paracelsus hebt hervor, dass zum lumen naturae (Licht der Natur) das lumen gratiae (Licht der Gnade) hinzutreten müsse. Nur eine eindimensionale, mit bloßen Objekten hantierende Naturforschung und Heilweise meint, mit dem "Licht der Natur" allein auskommen zu können. Ausgesprochen christologische Bezüge stellen Jakob Böhme und Angelus Silesius her. Der Philosophus teuto-nicus, der sich neben der mystisch-theosophischen Terminologie oftmals des alchymistischen Wortschatzes bedient, rät einmal: {222} Und lasset euch das, ihr Sucher der metallischen Tinktur, offenbar sein: Wollt ihr den Lapidem philosophorum (Stein der Weisen) finden, so schicket euch zur neuen Wiedergeburt in Christo. (Anm. 7) {223} Mit anderen Worten: Die in der Alchymie viel besprochene Chymische Hochzeit entspricht einer Neugeburt, dem Werden des neuen Menschen. Daher der Rat des Angelus Silesius (Johann Scheffler): {224} Dein Stein, Chymist, ist nichts; der Eckstein, den ich mein, Ist meine Goldtinktur, ist aller Weisen Stein. (Anm. 8) {225} Nicht zufällig spielen die christlichen Alchymisten auf das biblische Bild vom "Stein" an. Für sie ist der Stein der Weisen (lapis philosophorum) Christus selbst. In der Tat begegnet uns die Lapis-Christus-Parallele in zahlreichen Zusammenhängen. Und Jakob Böhme ist keinesfalls der letzte, dessen anschauendes Denken sich um das "Mysterium magnum" bewegt und für den das ganze Werk letztlich in zwei Momenten besteht, in einem himmlischen und in einem irdischen; wir könnten auch sagen: in einem mystischen und in einem chymisch-kosmischen. Denn, so sagt er einmal: "Das Himmlische soll das Irdische in sich zu einem Himmlischen machen, die

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Ewigkeit soll die Zeit in sich zur Ewigkeit machen." Und dann fährt Jakob Böhme bedeutsam fort: {226} Wunderlich ist vor Augen der Vernunft, dass Gott einen solchen Prozess mit der Wiederbringung des Menschen in Christo gehalten, dass er sich in solcher armseligen und verachteten Gestalt hat in menschlicher Eigenschaft offenbaret... Wie die ewige Geburt in sich selber ist, also ist auch der Prozess mit der Wiederbringung nach dem (Sünden-)Falle, und also ist auch der Prozess der Weisen mit ihrem Lapide philosophorum; es ist kein Punkt im Unterschied dazwischen, denn es ist alles aus der ewigen Geburt geurständet und muss alles eine Wiederbringung auf einerlei Weise haben." (Anm. 9) {227} C. G. Jung folgert auf Grund des von ihm zusammengetragenen umfangreichen Belegmaterials in Wort und Bild: "Aus diesem Material geht nun auch mit aller Deutlichkeit hervor, was die Alchemie im letzten Grunde suchte: Sie wollte ein >corpus subtileopus alterum per alterumDurch das Männliche und das Weibliche wird das Werk vollzogen" (Anm. 12) Denn: "Ars totum requirit hominem" - alles alchymistische Tun zielt auf den homo totus, den ganzen Menschen.

Abb. 7: Coniunctio im alchymistischen Gefäß {231} Vor diesem traditionellen Hintergrund soll im folgenden Kapitel die so genannte Chymische Hochzeit behandelt werden, wie sie sich Johann Valentin Andreae zu Beginn des 17. Jahrhunderts dargestellt hat.

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Die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz

Die Chymische Hochzeit Christian Rosenkreutz

{232} Das Doppelsymbol von Kreuz und Rose birgt ein Mysterium. Es weist über das sich so nennende heutige Rosenkreuzertum samt dessen miteinander konkurrierende Bünde und Bruderschaften, die sich dieses Doppelsymbol erwählt haben, weit hinaus, insofern es den Tod des "alten Menschen" und das "neue Leben" vergegenwärtigt. Der junge schwäbische Theologe und Pansoph des frühen 17. Jahrhunderts Johann Valentin Andreae (Anm. 1) hat das Gemeinte in einem dreigegliederten Mantram zusammengefasst: {233} Ex deo nascimur, In Jesu morimur, Per spiritum reviviscimus. Aus Gott sind wir geboren, In Christus sterben wir, Durch den Heiligen Geist werden wir wieder geboren. {234} Diese Sätze finden sich im Schlussteil seiner geheimnisvollen "Fama Fratemitatis", mit der Andreae im Jahre 1614 das "Gerücht" vom Bestehen einer Rosenkreuzer-Bruderschaft in Umlauf gesetzt hat. Nach einer zweiten Publikation, betitelt "Confessio Fratemitatis" (1615), machte seine schon zuvor abgefasste, aber erst im Jahre 1616 in Straßburg gedruckte "Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz anno 1459" die Runde. Es ist jene von vielen Rätseln durchwobene Veröffentlichung, die das Thema der Heiligen Hochzeit aufgreift und in einer an Symbolen und Metaphern reichen Darstellung behandelt. Und so beginnt das Andreaesche Früh werk: {235} An einem Abend vor dem Ostertag saß ich an einem Tisch. Ich hatte mich meiner Gewohnheit nach mit meinem Schöpfer in meinem demütigen Gebet genugsam ausgesprochen und vielen großen Geheimnissen, deren mich der Vater des Lichts, seine Majestät, nicht wenige hat sehen lassen, nachgedacht. Als ich mir nun meinem lieben Osterlämmlein ein ungesäuertes, unbeflecktes Küchlein in meinem Herzen zubereiten wollte, kommt mit einem Mal ein so grausamer Wind daher, dass ich nicht anders meinte, als dass der Berg, darein mein Häuslein gegraben ist, vor der großen Gewalt zerspringen müsste. Weil mir aber solches der Teufel, der mir manches Leid getan, nichts antat, fasste ich einen Mut und blieb in meiner Meditation, bis mich wider meine Gewohnheit - jemand am Rücken berührte, davon ich dermaßen erschrocken, dass ich mich kaum umzusehen traute; ... Da war ein herrlich schönes Weibsbild, deren Kleid ganz blau und mit goldenen Sternen, wie der Himmel, zierlich besetzt gewesen. (Anm. 2)

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Die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz

{236} Mit dieser Schilderung leitet der Autor seine "Chymische Hochzeit" ein und stellt Christian Rosenkreuz als einen Geistsucher dar, (Anm. 3) der, vorgerückten Alters, als Einsiedler lebt. Der Bericht verweist auf die nach innen gekehrte, meditative Haltung des Mannes "an einem Abend vor dem Ostertag". Durch diese Zeitangabe ist bereits auf das zentrale christliche Heilsgeschehen von Passion und Auferstehung hingedeutet. Und auch das "ungesäuerte Osterlämmlein" will als eine Zubereitung "in meinem Herzen" verstanden werden. Hier also ereignet sich das, wovon im Folgenden die Rede ist. {237} Die Ebene des Alltagsbewusstseins ist verlassen; ein Tableau von inneren Bildern (Imaginationen) und auch von inneren Gehörwahrnehmungen (Inspirationen) breitet sich vor dem Meditierenden aus. Zugleich handelt es sich um die Einleitung zu einem auf "sieben Tage" verteilten Erleben. Es liegt nahe, von einem Mysteriendrama in sieben Akten zu sprechen. Der Hauptdarsteller berichtet von dem, was ihm widerfahren ist. Hier ist Alfons Rosenbergs Deutung zuzustimmen: "Ein tief Ergriffener, ein unter der Gewalt der Vision Seufzender hat diesen >großen Traum< seiner Sehnsucht und Begierde, seines Strebens und seiner Unreinheit erschüttert niedergeschrieben... Höhere Geistkräfte im Menschen hervorzulocken und zu erkräftigen, das war gewiss eines der Anliegen, das hinter der Abfassung dieser Mysteriendichtung stand." (Anm. 4) In der Folge seiner Schilderungen berichtet nun der Icherzähler als Christian Rosenkreuz von seinen Erfahrungen auf dem Weg zur Chymischen Hochzeit von König und Königin. Da gibt es Gefahren, Fragen und Zweifel, Versuchungen, Ängste und Beglückungen. Und so wie jenes blau gewandete "herrlich schöne Weibsbild" das Drama eröffnet, indem es den Einsiedler besucht, um ihm eine besondere Botschaft zu überbringen, so taucht in den einzelnen Szenen des weiteren immer wieder eine ähnliche Anima-Gestalt auf, deren Aufgabe es ist, durch einen Wink oder eine Nachricht den Fortgang des Dramas zu lenken und den Erzähler zu begleiten. Wie einer "soror mystica" (mystische Schwester), der wir auch bei den Alchymisten begegnen können, obliegt es ihr, dem Erkenntnissucher auf seinem Weg, der zugleich ein Werk ist, beizustehen. Denn er, der aus der Hand dieser Frau einen ganz persönlichen Brief erhält, ist gemeint! Er ist eingeladen, Zeuge und Mitakteur bei der Hochzeit zu sein. "Sponsus und Sponsa" (Braut und Bräutigam) sind es, die diese Einladung unterzeichnet haben und die da lautet: {238} Heut, heut, heut Ist des Königs Hochzeit. Bist du hierzu geboren, Von Gott zu Freud erkoren, Magst auf den Berg du gehen, Darauf drei Tempel stehen, Du selbst die G'Schicht besehen... {239} Dieses dreimalige, beinahe beschwörende "Heut!" macht deutlich, dass die Entscheidung dessen, der sich auf den spirituellen Weg begeben will, um dem Ziel seines Lebens, dem Mysterium coniunctionis, näher zu kommen, keinen Aufschub duldet. Jetzt fällt die Entscheidung, du selbst bist dazu bestimmt! Es gilt, einen inneren Aufstieg zu den "drei Tempeln" zu wagen. Ist nicht der Berg seit alters der Ort der Gottesbegegnung, der Ort des Hieros Gamos? Dort ist "die G'schicht" zu besehen, d. h. die innere Erfahrung zu machen. Damit kommt auch die Meditation als eine Möglichkeit innerer Vergegenwärtigung ins Spiel, die bei den Chymikern kaum eine geringere Bedeutung hat als bei den Mystikern. Jedenfalls schärfen die Adepten der

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alchymistischen Kunst ihren Schülern ein, ein-, zwei- oder dreimal gelesene Bücher nicht etwa beiseite zu legen, sondern sie immer wieder zu lesen, um sich so stark von den Bildern des Prozesses imprägnieren und tingieren zu lassen, dass es zu einem Spontanerlebnis kommt. Die Verse der Einladung gehen nun weiter: {240} Halte Wacht? Dich selbst betracht! Wirst dich nicht fleißig baden, Die Hochzeit kann dir schaden. Schad hat, wer hier verzeucht, Hut sich, wer ist zu leicht! {241} Das wussten die Pilger zum Heiligtum ebenfalls, dass nur derjenige es wagen kann, den heiligen Berg emporzusteigen, der sich gereinigt hat. Daher ist die Grundbedingung und erste Phase auf dem spirituellen Innenweg der Prozess der Katharsis (Reinigung). Die Hochzeit würde dem schaden, der "ungebadet", ungereinigt, unvorbereitet den Weg antreten wollte. Wachsamkeit, meditative Selbstbetrachtung, Selbsterkenntnis gehören zu den unabdingbaren Voraussetzungen der echten Mystik wie der Chymik. So steht auch über dem Eingang zur "Chymischen Hochzeit" das "Gnothi seauton" (Erkenne dich selbst!), das die alten Griechen über die Eingangspforte zu ihren Tempelbezirken geschrieben haben. "Fleißig baden", heißt hier, keine Mühe sparen bei der Vorbereitung. Dazu gehört die Mahnung, dass man bei der großen Wägung, von der der Autor im Laufe der Sieben-Tage-Schilderung berichtet, als "zu leicht" befunden werden könnte. Und nochmals spielt das Zeitmoment eine entscheidende Rolle: "Schad hat, wer hier verzeucht" (verzieht), und damit den nie wiederkehrenden Moment der Entscheidung versäumt. Im geistlichen Leben herrscht nicht Chronos, sondern Kairos, also nicht allein die messbare, quantitative Zeit, sondern die Zeitqualität des erfüllten Augenblicks. Und in jeder ernst genommenen spirituellen Übung, in Gebet und Meditation, in einer sakramentalen Handlung geschieht das Entscheidende "jetzt und hier", in der Gegenwart des göttlichen Geistes. Daraus ergibt sich wie von selbst die entsprechende Seelenhaltung der Konzentration, vor allem der empfangenden Hingabe und des Inneseins. Jedes aktivistische Tun- oder Machenwollen ist fehl am Platz. {242} Was nun die Vorbereitung betrifft, so ist es bemerkenswert, dass der zur Hochzeit von König und Königin Geladene ein besonderes Kleid anzieht. Wir denken an das neutestamentliche Motiv des unerlässlichen "hochzeitlichen Kleides". Christian Rosenkreuz zieht einen weißen Leinenrock an, und er umgürtet seine Lenden mit einem blutroten Band, das er kreuzweise über seine Schulter bindet. Dadurch entsteht das Andreaskreuz. Hinzu kommt, dass er vier rote Rosen auf seinen Hut steckt, ehe er sich als Pilger auf den Weg macht. Dass der Autor von sich selbst und von seinem eigenen Prozess spricht, liegt auf der Hand, denn die Andreae führen in ihrem Familienwappen ein solches Andreaskreuz mit vier Rosen! Aber nicht genug mit einer solchen "Erklärung", denn gleichzeitig spricht das symbolisch-archetypische Element für sich: die Polarität von Weiß und Rot, die Vereinigung von Kreuz und Rose als Ausdruck von Sterben und neuem Leben; in Person und Namen des Christian Rosenkreuz sind eben diese Elemente symbolisch vereinigt. Ein solcher Name verpflichtet; er stellt geradezu das Lebensprogramm des Christen dar, der erlebendnachfolgend an dem Archetypus Christus, nämlich an dem Gekreuzigten und Auferstandenen, teilhat. Dass zur Osterzeit keine Rosen blühen, darf daher ebenso wenig irritieren wie eine Fülle anderer "Unstimmigkeiten", die im Text der "Chymischen

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Hochzeit" auffallen. Der Leser muss sich eben klarmachen, dass er keine Schilderung äußerer Vorgänge oder Begebenheiten vor sich hat, sondern dass die Wirklichkeitsgrenze - ähnlich wie im Traum oder im Märchen - überschritten ist. Das scheinbar äußerlich Reale verweist auf geistig-seelische Tatbestände oder Vorgänge. Der Autor der "Chymischen Hochzeit" ist jedenfalls nicht einfach der fiktive und zugleich archetypische Christian Rosenkreuz. Er ist es ebenso wenig, wie die ganze Schrift - nach Meinung einiger Kritiker - lediglich eine Satire auf die zeitgenössische, bereits dekadent gewordene Alchymie ist. Viel eher haben wir es mit dem "typus, dem Urbild einer Wanderschaft zum Geist zu tun. Freilich ist es eine Wanderschaft besonderer Art, denn sie ist eben nicht einfach der Weg der Mystik, also nicht der klassische Innenweg. Warum? Alchymie lebt gerade davon, dass die "Kräfte in der Natur", von denen Jakob Böhme in seiner "Aurora" sagt, sie seien "fleißig zu erwägen", mit einbezogen sind in den Erkenntnis- und Reifungsprozess, den der "Sucher" zu durchlaufen hat. Hier wird jedenfalls keine isolierte Seeleninnerlichkeit auf Kosten der Schöpfung gepflegt! Das ist ja gerade das Streben der Pansophen des 16. und 17. Jahrhunderts, die in der Nachfolge des großen Paracelsus auf die Signaturen achten, die als Merkzeichen und als "Behälter des Geistes" (J. Böhme) zu allen Sinnen sprechen und die als solche als eine lebendige Anrede des göttlichen Wortes begriffen werden können. Oder um es mit Rudolf Steiner zu sagen, der in seinem grundlegenden Aufsatz zu Andreaes Buch zum Gegenüber von Mystik und Alchymie ausführt: "Die Forschungswege des Mystikers und des Alchymisten liegen nach entgegengesetzten Richtungen. Der Mystiker geht unmittelbar in das eigene Geistwesen des Menschen hinein. Sein Ziel ist, was die Mystische Hochzeit genannt werden kann, die Vereinigung der bewussten Seele mit der eigenen geistigen Wesenheit. Der Alchymist will das Geistgebiet der Natur durchwandeln, um nach der erfolgten Wanderung mit den in diesem Gebiet erworbenen Erkenntniskräften das Geistwesen des Menschen zu schauen. Sein Ziel ist die Chymische Hochzeit, die Vereinigung mit dem Geistgebiet der Natur. Nach dieser Vereinigung erst will er die Anschauung der Menschenwesenheit erleben." (Anm. 5) {243} Damit sind zwei Grundhaltungen deutlich charakterisiert, selbst wenn einzuräumen wäre, dass - wie wir gesehen haben - auch das mystisch-meditative Element in der christlich-rosenkreuzerischen Alchymie sehr wohl seinen Platz hat. Die Wendung nach innen (Introversion) und die nach außen (Extraversion) sind eben - trotz der bekannten psychologischen Typisierung (gemäß der Analytischen Psychologie) nicht immer in Reinform anzutreffen. Wer beispielsweise eine qualitative Naturforschung treibt und nach W?//erkenntnis strebt, wie es der Alchymist seiner ursprünglichen Intention nach tut, der kommt ohne Selbst-Erkenntnis nicht aus. Dies geht schon aus der Einleitung zur "Chymischen Hochzeit" Andreaes deutlich hervor. Mit anderen Worten: Beide Grundhaltungen sind aufeinander bezogen oder als Aufgabe gefasst: beide Haltungen sind aufeinander zu beziehen; es ist überall dort eine Coniunctio einzuleiten, wo bald die eine, bald die andere ins Extrem zu geraten droht. Wir denken sodann auch an die Beziehung, die zwischen dem Makrokosmos Welt und dem Mikrokosmos Mensch besteht und wie sich zwischen "Oben" und "Unten" ein schier unendliches Feld der Entsprechungen erstreckt. Hier können die Naturphilosophen der Antike wie des Mittelalters beredte Lehrmeister sein. Und in diesem Spannungsfeld wird "Ereignis", "was die Welt im Innersten zusammenhält". {244} In die Geheimnisgründe von Mensch und Welt einzudringen, die Stoffe zu wandeln und sich zuvor, wenn nicht gleichzeitig, selbst einer Wandlung zu unterziehen,

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Die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz

das gehört zu den Aufgaben des rosenkreuzerisch gesinnten Alchymisten. Daher die schon erwähnte eindringliche Mahnung des paracelsistischen Arztes Gerhard Dorn (Dorneus): {245} Transmutemini in vivos lapides philosophicos - Verwandelt euch selbst in lebendige philosophische Steine! {246} Auch die "Chymische Hochzeit Christian! Rosenkreutz", Zielbild echter Alchymie, die eben nicht mit gewinnsüchtiger Gold-kocherei zu verwechseln ist, schließt die zu transmutierende Natur, deren Glied der Mensch ist, in den geistig-seelischen Prozess mit ein: Selbsterkenntnis wird durch Welterkenntnis erweitert; Welterkenntnis wird durch Selbsterkenntnis vertieft. Verfolgen wir aber nun den Weg unseres Wanderers weiter: Begonnen hat dieser Weg in der Klause des Einsiedlers. Es ist die Zelle des Meditierenden. Diese Zelle ist zugleich Bildausdruck einer introversiven Seelenhaltung. Doch nun bin eine Wendung ein, denn der Weg führt jetzt in einen "Wald". Er führt damit durch die an Abwegen und Irrungen reiche Welt. Diese Weltzugewandtheit ist übrigens ein wichtiges Charakteristikum der rosenkreuzerischen Einstellung, kommt es doch für den Rosenkreuzer wie für jeden Christen darauf an, nicht etwa einsiedlerisch die Welt zu fliehen, sondern sie zu gestalten, ja sie zu verwandeln. {247} Ein biografisches Moment spielt mit herein. Es sei an dieser Stelle nur beiläufig erwähnt, dass Johann Valentin Andreae selbst auf langen Reisen in der Welt herumgekommen ist. Weil er jedoch nicht in dem landläufigen Sinn des Wortes eine Art Biografie zu schreiben hat, dürfen wir kaum erwarten, dass nennenswerte realistische Schilderungen in seinem Mysteriendrama enthalten sind. Vieles Berichtete trägt vielmehr typische Züge und ist bald symbolisch, bald allegorisch befrachtet. Das imaginative Element, wie wir es vom Traumerleben her kennen, überwiegt bei weitem. {248} Kurz zu den weiteren Stationen der "sieben Tage": Christian Rosenkreuz gelangt zu dem gesuchten Schloss. Dort findet er Einlass. Zusammen mit zahlreichen anderen, meist fragwürdigen "Suchern" hat er eine Reihe von Prüfungen zu bestehen. Immer näher rückt das Ereignis der mit vielen Rätseln und Geheimnissen umgebenen Hochzeit des Königspaares. Trotz der umständlichen barocken Sprache der "Chymischen Hochzeit" ist der Wortlaut transparent genug für das, was in den Bildern und auch zwischen den Zeilen gesagt werden soll. Auch andere Zeitgenossen des Christian Rosenkreuz sind auf dem Weg zur besagten Hochzeit, das heißt zu dem Ziel des mystisch-chymischen Weges; doch deren Erkenntnismethodik scheint unbrauchbar oder unzeitgemäß zu sein. Wir hören von Beispielen menschlicher Verblendung, die in den Schilderungen unseres Autors in drastischer Weise verurteilt und bestraft werden muss. Zu denken ist beispielsweise auch an eine ihren Geistesursprung und ihr spirituelles Ziel verfehlende Pseudo-Alchymie eben der so genannten Goldmacher und "Sudelköche". Der Schreiber der "Hochzeit" bekennt sich durch seine ganze Darstellung hindurch zu jenen, die dem erwähnten Leitmotiv folgen: "Aurum nostrum non est aurum vulgi - unser Gold oder das Gold, das wir meinen, ist nicht das gewöhnliche Gold!" {249} Insofern bekennt J. V. Andreae deutlich Farbe, indem er sich von den mancherlei zwielichtigen Zeitgenossen distanziert, die durch ihr Gebahren die rechtmäßige Esoterik als solche in Misskredit bringen - einst wie heute. {250} In den von Traumbildern und Allegorien durchsetzten Schilderungen der "Chymischen Hochzeit" tauchen Imaginationen mannigfacher Art auf. Da ist beispielsweise die Szene mit einem "schönen schneeweißen Einhorn". Von ihm heißt es: "Es lief zum Brunnen, neigte sich daselbst auf seine Vorderfuße, um dem Löwen,

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der auf dem Brunnen so unbeweglich stand, als sei er aus Stein oder aus Erz, seine Ehrerbietung zu erweisen." Einhorn und Löwe aber verhalten sich zueinander wie Kopf und Herz. Beide sollen in diesem bewusstseinsgeschichtlich wichtigen Augenblick, in dem sich die menschliche Ratio entfaltet -bald als Äußerung des analysierenden, kritischen Verstandes, bald als Methode der messenden, experimentierenden Naturwissenschaft - in Einklang gebracht werden. Die Kräfte des Kopfes und die des Herzens, die des Denkens und die des Fühlens gilt es in diesem Augenblick zu harmonisieren, soll ein selbstgenügsamer Rationalismus oder eine amoralische, auf bloße Machbarkeit und Zweckhaftigkeit zielende Naturforschung vermieden werden. In einer Zeit, in der die Wissenschaft des frühen 17. Jahrhunderts und die sich emanzipierenden Gedankenkräfte zu einem einseitigen Rationalismus tendieren, kann das Gegenüber von Einhorn und Löwe als allegorische Einkleidung dieser Art gedeutet werden. Unschwer lässt sich von daher auch sagen, in welchem Dilemma wir heute stehen, nachdem es offensichtlich nicht gelungen ist, jene Coniunctio zwischen Kopf und Herz herzustellen... {251} Alle diese als persönliche Erlebnisse des Christian Rosenkreuz aufgezeichneten Bildfolgen nehmen im weiteren Verlauf immer mehr den Charakter eines alchymistischen Transmutationsvorganges an. Ein eigenartiges Schauspiel wird aufgeführt, das in sieben Akten sieben Werdestufen des herzustellenden Arkanums beschreibt. Doch ehe die königliche Hochzeit zu ihrem Höhepunkt emporgeführt werden kann, muss ihr Zeuge Christian Rosenkreuz eine letzte harte Prüfung bestehen. Er muss erleben, wie die ganze Königsfamilie enthauptet wird. Das Entsetzen und die Trauer sind groß. Eine nochmalige Anstrengung wird von Rosenkreuz verlangt, nämlich "keine Mühe zu sparen, um den eben begrabenen Königen wieder zum Leben zu verhelfen". Alchymistisch betrachtet handelt es sich um den Übergang von der Nigredo (Schwärzung) zur Albedo (Weißung). Das Auferstehungsmotiv klingt an. {252} Das Resultat gemeinsamen Laborierens ist eine Erscheinung besonderer Art. Der wundersame Vogel Phönix taucht auf, seinerseits ein Symbol der Wandlung, der Auferstehung und der Erneuerung des Lebens aus der Asche, also aufgrund eines zu durchstehenden Verbrennungsprozesses. Das Ei dieses "Phönix" wird mit einem Diamanten durchschnitten. Das Blut des geheimnisvollen Vogels bewirkt schließlich die Erweckung der Getöteten. {253} Ohne Opfer, ohne den Verzicht auf Herzblut kein neues Leben! Erstaunlicherweise nehmen die Erweckten zuerst die Gestalt von vier Zoll großen Homunculi an; sie gleichen einem kleinen Mann bzw. einer kleinen Frau. Diese beiden gilt es zu vermählen. Die Hochzeit wird alsbald hinter einem Vorhang vollzogen, von Cupido, dem Begleiter der Venus, sorgsam bewacht. Das Werk der Vermählung, von dem auch hier deutlich wird, dass es im Menschen als Mysterium coniunctionis zu vollziehen ist, macht die erfolgreichen, in ihrem Selbst geläuterten Alchymisten als Mitakteure und Zeugen dieser Hochzeit zu "Rittern vom Goldenen Stein". Ihnen obliegt fortan die Verpflichtung, die wahre Kunst der Transmutation - der Stoffeswandlung, verbunden mit der Selbstvollendung! - als Dienerin der Natur (ars naturae ministra) zu hüten. Als ein solcher Ritter vom Goldenen Stein ist auch Christian Rosenkreuz in dieselbe Pflicht genommen. Er hat somit das Ziel seiner Pilgerschaft am siebenten Tag erreicht. {254} Und doch fällt ein herber Wermutstropfen in die Glücksstimmung der neu Initiieriten. Er, Rosenkreuz, soll "draußen" Torhüter sein, und zwar deshalb, weil er sich

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eines unverzeihlichen Vergehens schuldig gemacht hat. Beim Gang durch das Mysterienschloss war er in Begleitung seines Dieners bis in den innersten Bereich, ins Allerheiligste, vorgestoßen. Da machte er auch vor dem Schlafgemach der Frau Venus nicht halt. Er enthüllte die nackte Schönheit ihres Leibes - ein verbotener Anblick! Der Biograf J. V. Andreaes vermerkt, der junge Student sei einst eines diesbezüglichen Vorkommnisses wegen von der hohen Schule in Tübingen gewiesen worden. Um was für einen jugendlichen Fehltritt es sich gehandelt hat, wird nicht gesagt. Man wird jedoch nicht fehlgehen, wenn man diese nie ganz aufgeklärte Episode einer nur biografischen Deutung entzieht und in dem Motiv ein grundsätzliches Existenz- und Initiationsbzw. Reifungsproblem erblickt. Zu denken wäre hier vor allem an die Auseinandersetzung mit dem Seelenbild (Anima bzw. Animus), die auf dem Initiationsbzw. Individuationsweg im Sinne C. G. Jungs eine entscheidende Rolle spielt. Kurz vor dem Ende bricht unser Rosenkreuzerroman mitten im Satz plötzlich ab. Es folgt die rätselhafte Notiz, wonach "zwei Quart-Blättchen" fehlen. Der fragmentarische Charakter der "Chymischen Hochzeit Christiani Rosenkreutz" ist aber gewiss mehr als nur ein schriftstellerischer Kunstgriff, dessen sich Andreae hier bedient haben mag. Denn was in aller Dramatik im weitschweifigen Bericht von Christian Rosenkreuz erzählt wird, soll ja einen Impuls zu eigenem Erleben vermitteln. Darin liegt das wesentlich Esoterische dieser Schrift überhaupt. Und ihre Unabgeschlossenheit unterstreicht, wie sehr die Dinge "offen" sind, offen für den Leser und Betrachter, der die einzelnen Bilder und Szenen zu sich sprechen lassen will. Dabei ist es ja nicht die einzige esoterische Schrift, die in diesem Sinne Fragment geblieben ist, Fragment bleiben musste. Knapp vier Jahre vor der Veröffentlichung von Andreaes "Chymischer Hochzeit" war es Jakob Böhme beschieden, sein berühmtes Erstlingswerk, die "Aurora oder Morgenröte im Aufgang" (1612), wie "im Sturm abgebrochen", unvollendet zu lassen. Oder nehmen wir noch die nicht minder berühmten Fragmente des auf seine Weise in die Mysterien Heiliger Hochzeit eingeweihten Novalis. Da wie dort wirken Fragmente dieser Art als geistiges Saatgut. Der geistesverwandte Münchner Romantiker Franz von Baader spricht geradezu von "fermenta cognitionis", d. h. von Antriebskräften für den individuellen Erkenntnis- und Reifungsweg. (Anm. 6) Genug, dass die Richtung und die einzelnen Stationen eines Wegs aufgezeigt sind. Mehr kann eine Mysterienschrift nicht leisten. Der freien Entscheidung jedes einzelnen ist es anheim gestellt, das Eigentliche selbst zu tun, sich auf den Weg zu machen und - wie die abschließende Bemerkung in der "Chymischen Hochzeit" es nennt - schließlich "heimzukommen". So gesehen ist Christian Rosenkreuz Prototyp, Urbild des Menschen, das immer neuer Verwirklichung fähig ist. Es duldet keine Imitation. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass das Mysterium der Chymisehen Hochzeit und damit das der geheimnisvollen Coniunctio auch Goethes "Faust" durchzieht. Im Brief vom Juni 1787 an Charlotte von Stein teilt der Dichter mit, er habe "ein schön Mährgen" - eben Andreaes "Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz" - "hinaus gelesen". C. G. Jung, den "Faust II" sein ganzes Leben begleitet hat, gesteht jedoch von sich, dass ihm erst über der Lektüre des Andreaeschen Werkes "darüber einige Lichter aufgegangen" seien; "und es ist erst das Studium der antiken und frühen mittelalterlichen Werke gewesen, welche mich überzeugt haben, dass der >FaustImagines Vater< usw. als Typus eine seelische Potenz des betreffenden Menschen selbst zu bedeuten vermag. Freilich eine seelische Potenz, die der Betreffende ähnlich empfindet wie einen Vater; denn senst würde sich die Vater-Figur nicht als Symbol dafür eignen. Und man kann sogar so weit gehen, diese seelische Potenz >Vater-Imago< zu nennen; das darf aber niemals dazu verleiten, jene äußere Person, die im Einzelfall zumeist (nicht immer!) den Typus abgegeben hat, für das Eigentliche, das Tiefste zu nehmen. Das Tiefste liegt nämlich in uns selbst und wird an den Personen der Außenwelt gebildet und geübt." (Anm. 2)

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{290} Berücksichtigt man den frühen Zeitpunkt (1914) der Veröffentlichung dieser Äußerung, dann ist Silberers Votum insofern von Belang, als er bereits in die Richtung weist, in der C. G. Jung der Dimension des Archetypischen begegnet ist. Silberer spricht behelfsweise noch von "Elementartypen" und von "Urmotiven". Von einem solchen Ansatz her lässt sich ein psychologisches Verständnis für das gewinnen, was mit Heiliger Hochzeit, Hieros Gamos, Unio mystica usw. strukturell gemeint ist. Denn alle diese und ähnliche Symbolbegriffe transzendieren den Bereich bzw. die Fassungskraft des menschlichen Alltagsbewusstseins, das an das Ich (im Sinne der Analytischen Psychologie) gebunden ist. {291} Zwar knüpfen Begriffe wie Hochzeit, Unio bzw. Kommunion, Vereinigung, Begegnung u. Ä.. an zentrale menschliche Erfahrungen an, die menschliches Leben erst konstituieren und als solches qualifizieren. Und doch ist dieses Konstituierende, Qualifizierende "nicht von dieser Welt". Denn mitten in die vielfältige Gespaltenheit des einzelnen wie der Gesellschaft(en) hinein tut sich - von woher wohl? - eine Möglichkeit des Ganzwerdens und damit des Heilwerdens auf. Konkret reicht diese Urchance zum vollen Menschsein von der bergenden Gebärde, mit der eine Mutter ihr Kind umfängt, bis hin zur Liebesumarmung, ja bis zum Beieinandersein im Todesaugenblick. Und diese Chance ist unabdingbar, d. h. durch kein Ding zu ersetzen. Davon spricht der große Dialogiker Martin Buber, wenn er sich als Greis (1947) zwar mehr und mehr zu seinen Büchern zurückgezogen hat, sogleich aber korrigierend hinzufügt: »Wohl höre ich manchen seine Einsamkeit preisen; aber das bringt er nur fertig, weil es eben doch die Menschen auf der Welt gibt, wenn auch in räumlicher Ferne. Ich habe nichts von Büchern gewusst, als ich dem Schoß meiner Mutter entsprang, und ich will ohne Bücher sterben, - eine Menschenhand in der Meinen ... « (Anm. 3) {292} Mit anderen Worten: In, mit und unter diesen Erfahrungen manifestiert sich für den religiösen Menschen jenes Andere - der Andere, das »ewige du« - der bzw. das die Begegnung zur Gottesbegegnung und die erotischsexuelle Liebesumarmung zur Heiligen Hochzeit werden lässt. Mircea Eliade geht so weit zu sagen: »Erst die göttliche Hierogamie, die in illo tempore [in jener Zeit] stattfand, hat die sexuelle Vereinigung der Menschen möglich gemacht. Die Vereinigung des Gottes mit der Göttin vollzieht sich in einem außerzeitlichen Augenblick, einer ewigen Gegenwart; die Vereinigungen der Menschen - so weit sie nicht rituelle Vereinigungen sind - vollziehen sich in der profanen Zeit. Die heilige, mythische Zeit begründet auch die existenzielle, historische Zeit, denn sie ist ihr Modell. Alles verdankt seine Existenz einem göttlichen oder halbgöttlichen Wesen... « (Anm. 4) {293} Es sind demnach also nicht die konkreten irdischen Erfahrungen oder Vorstellungen, die im Sinne Ludwig Feuerbachs an eine imaginäre überirdische Projektionswand geworfen werden, sondern umgekehrt: Erst das archetypische Bild, das Urbild, gibt die ideelle Form ab für die

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Verwirklichung. Damit kommt Eliade dem sehr nahe, was C. G. Jung als den Archetypus versteht, der als solcher unanschaulich bleibt, in seinen Wirkungen jedoch als der zugrunde liegende »Anordner« postuliert werden muss. In unserem Fall ist es der Archetypus der Vereinigung von Gegensätzen, die in einem Verhältnis der Beziehung zueinander stehen, also nach der Überwindung der Distanz und nach Ganzwerdung drängen. Darin spricht sich eine Tendenz aus, die offensichtlich »in der Struktur der menschlichen Psyche angelegt ist. Diese Tendenz ist einem Instinkt verwandt, und wie die Instinkte ist sie in der Lage, die Richtung anzugeben, die der sich entwickelnde Organismus verfolgen soll. Der Instinkt führt zu einem Ziel, obgleich das Individuum, in dem er wirksam ist, vielleicht gar nicht weiß, welches dieses Ziel ist.« (Anm. 5) {294} Nun besteht eine menschliche Grunderfahrung darin, dass unser Leben und die uns begegnende Wirklichkeit unter einem Doppelaspekt zu sehen ist. Da ist zunächst der Mensch selbst. Im Grunde ist er noch nicht diese konkrete Ganzheit. Wir erleben uns vielmehr als Mann oder als Frau. Das Männliche und das Weibliche weisen aber über die jeweilige Verkörperung hinaus, nämlich auf die Konjunktion, in der diese polaren Potenzen ihre Er-Füllung finden, und zwar ohne dass Mann und Frau an polarer Spannung einbüßen, wie das beim hermaphroditischen Zwitter der Fall zu sein scheint. Erst kraft der geschlechtlichen Gegensatzspannung kann menschliches Leben Ereignis werden. Erst durch Mann und Frau wird der Mensch konstituiert. Ein Wort Martin Bubers variierend lässt sich sagen: Am (gegengeschlechtlichen) du findet der Mensch sein Ich, und: »Ich werdend spreche ich du«. Die Gegensatzspannung bleibt, um die Chance der Menschwerdung, die wir Leben nennen, Mal und Mal zu eröffnen; denn: »Gewaltiger, heiliger als alle Schrift ist die Gegenwart eines Menschen, der nicht anders als unmittelbar da ist ... in der Zauberfülle des Miteinanderseins. «6 {295} Zum Gegenüber des Männlichen und Weiblichen tritt ein weiterer Aspekt hinzu, etwa jener, wie sich die menschliche Psyche zur Wirklichkeit verhält. Gemeint ist die Wendung nach der (psychischen) Innen- oder der (materiellen) Außenwelt. Es ergeben sich die einander entgegengesetzten Einstellungen der Introversion, wenn der Schwerpunkt der Aufmerksamkeit mehr auf die inneren, der Extraversion, wenn der Schwerpunkt mehr auf die äußeren Objekte gelegt wird. Zu welchen Disharmonien es kommt, die bis tief ins gesellschaftliche Leben hinein Wellen schlagen, zeigen im Besonderen die Erfahrungen der letzten Jahrzehnte: Eine Generation, die sich in der Sorge um die Sicherung des wirtschaftlich-materiellen Lebens nahezu erschöpft, vernachlässigt naturgemäß die spezifisch menschlichen Werte und zieht demzufolge die Kritik der folgenden Generation auf sich. Mit anderen Worten: Der Welt-Gewinn einer überbetont extravertierten Grundhaltung wird im Allgemeinen wie im individuellen Leben durch Seelen-

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Verlust erkauft (Anm.7) Statt freilich andererseits eine weltflüchtige Innerlichkeit zu pflegen, käme es darauf an, jene Introversion in angemessener Weise mit einer extraversiven Weltzuwendung zu "vermählen". Die Parole des Priors der Kommunität von Taize, Roger Schutz, "Kampf und Kontemplation", kommt in Erinnerung. Sie verweist ihrerseits auf die Maxime benediktinischer Lebenseinstellung. Sie besteht darin, die vita activa des tätigen Lebens mit der vita contemplativa geistlicher Sammlung zu harmonisieren: Bete und arbeite! Ein anderer zweipoliger Erfahrungswert, dessen Fixierung ebenfalls sehr viel älter ist als die moderne Tiefenpsychologie, drückt sich in der Tatsache aus, dass nur ein Teil der menschlichen Psyche vom Licht des Bewusstseins erhellt ist. Ihr steht die "Nachtseite der Seele", das Unbewusste gegenüber. Wenn auch der alte heraklitische Satz von der Nichtabsehbarkeit der Grenzen der Seele an Gültigkeit nicht eingebüßt hat, (Anm. 8) weil das Unbewusste in seinem Gesamtumfang per definitionem unbewusst bleibt, so gehört es doch wesentlich zur Aufgabe menschlicher Reifung, zwischen Bewusstem und Unbewussten eine Korrespondenz herzustellen. Das im Mittelpunkt des Bewusstseinsfeldes stehende Ich als die "Nummer eins der Persönlichkeit" ist demnach nicht der ganze Mensch. Der Prozess der Selbstwerdung - von C. G. Jung Individuation genannt - lässt es zu einer schöpferischen Begegnung zwischen Ich und Unbewusstem kommen. Dieses "Zwischen" bezeichnet den Ereignisraum, in dem sich der Prozess der Ganzwerdung abspielt: Heilige Hochzeit nicht als ein äußeres Symbolgeschehen, sondern als eine Synthese im Menschen verstanden. {296} In der Psychologie C. G. Jungs ist daher dem Thema der Heiligen Hochzeit - hier meist "Mysterium coniunctionis" genannt - eine zentrale Bedeutung zugewiesen. (Anm. 9) Anders als dem Religions- und Geistesgeschichtler, dem Symbol- und Mythenforscher ist es dem Psychologen nicht - primär- darum zu tun, die verfügbaren Erscheinungsweisen eines Motivs zusammenzutragen, zu systematisieren und zu interpretieren. Ihm geht es um den konkreten Menschen selbst, der die Zeichen und Symbole hervorbringt und dem sie als Medium dienen, sein eigenes Erleben zu artikulieren und in diesem Erleben - hier: im Erleben der Vereinigung des Gegensätzlichen- zu reifen. So ist diese Coniunctio, die Vereinigung mit dem polar Entgegengesetzten, Ergänzungsbedürftigen darauf gerichtet, den Menschen zu dem werden zu lassen, der er ist und zu dem er gemäß seines schicksalhaften Veranlagtseins werden kann und werden soll. Und erst aus dieser Erkenntnis heraus ist es möglich, das Ziel ins Auge zu fassen, eben die Ganzheit oder die wahre Menschwerdung des Menschen, und auf eine Methode zu sinnen, diesem Ziel menschlicher Verwirklichung näher zu kommen. {297} Es liegt zweifellos in der Natur der Sache, dass dem psychologisch Fragenden die historischen Vorbilder und Zielvorstellungen der Heiligen

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Hochzeit nicht gleichgültig sind. Sie sind es umso weniger, als wir wissen, welche Erkenntnishilfe darin liegen mag, dass man seine konkrete Lebensproblematik und die dazugehörigen Hervorbringungen seines eigenen Unbewussten mit solchen, d. h. vergleichbaren historischen Materialien "simplifiziert". Gemeint ist die von Jung entwickelte Methode, rätselhaft erscheinende Hervorbringungen des Unbewussten durch ähnlich motivierte Texte oder Bilder aus Mythos, Religion oder sonstiger Überlieferung "anzureichern", sodass etwa ein Traumelement (z. B. eine bestimmte Situation, Figur oder Zahl im Traum) mit einem vergleichbaren Element der Überlieferung konfrontiert wird. Es ist die innere Parallelität oder Kongruenz, deren man dabei inne werden kann und die existenzielle Betroffenheit erzeugt. Das zuvor unverständliche Motiv, das sich in einer Produktion des Unbewussten fand, beginnt im historischen Kontext auf einmal zu sprechen. Letztlich geht es um die Herstellung und Bewussmachung einer psychischspirituellen Kontinuität, in der wir uns bereits vorfinden, ganz gleich ob wir sie als Tatsache akzeptieren oder ob wir sie aus irgendwelchen Gründen nicht wahrhaben wollen. Das starre Festhalten an dem auf die äußere Welt begrenzten Alltags-Ich-Bewusstsein liefert nur allzu oft solche "Gründe" der Ablehnung. Dieses Alltags-Ich, das im Zentrum unseres Tagesbewusstseins steht, dessen rationale und analysierende, beurteilende Funktion durch keine andere zu ersetzen ist, ist wohl das Subjekt dieses Bewusstseins. Auch müssen alle unsere Erfahrungen und Wahrnehmungen der äußeren wie der inneren Welt durch dieses Ich hindurch, sie müssen gleichsam der Kontrollinstanz dieses Ich standhalten, um für uns existent zu sein. Aber die Reichweite und der Tiefgang dieser Ich-Kontrolle sind begrenzt. Wohl beherrscht es die messbare, zählbare, wägbare und manipulierbare Welt. Dagegen ist ihm das weite und - seit Heraklit per definitionem - grenzenlose Feld des Unbewussten so lange verschlossen, als es nicht gelingt, die bildund zeichenhaften (auch die psychosomatischen) Manifestationen des Unbewussten zu entschlüsseln. Und eben diese Aufgabe ist unerlässlich, geht es doch hierbei um "kompensierende Vorgänge ..., die zur Selbstregulierung der Gesamtpsyche nötig sind... Je mehr man sich aber durch Selbsterkenntnis und dementsprechendes Handeln seiner selbst bewusst wird, desto mehr verschwindet jene dem kollektiven Unbewussten aufgelagerte Schicht des persönlichen Unbewussten. Dadurch entsteht ein Bewusstsein, das nicht mehr in einer kleinlichen und persönlich empfindlichen Ich-Welt befangen ist, sondern an einer weiteren Welt, am Objekte, teilnimmt." (Anm. 10) {298} Neue Horizonte tauchen auf. Es sind die Horizonte jener Wirklichkeit, die über das Ich hinausreicht. Man erschließt sich diese Dimension der Wirklichkeit nicht etwa dadurch, dass man die Technik des Beobachtens im mikrophysikalischen oder im Makrobereich verfeinert, sondern indem man sich zu einer völlig neuen Sichtweise bequemt, eben zu jener, die das

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Unbewusste - das persönliche wie das überpersönlich-kollektive einschließt, und sei es zunächst nur im Sinne einer hypothetischen Annahme, der die Verifikation durch Erfahrung folgen muss. Und diese Sichtweise, der sich der Tiefenpsychologe bedient, entspricht einem kompensatorischen Verfahren, weil das Bewusste durch das Unbewusste ergänzt und somit vervollständigt wird. Ohne in seiner Zuständigkeit in Frage gestellt zu sein, dominiert nun nicht mehr länger das Ich, sondern das Selbst als "eine dem bewussten Ich übergeordnete Größe. Es umfasst nicht nur die bewusste, sondern auch die unbewusste Psyche und ist daher sozusagen eine Persönlichkeit, die wir auch sind." (Anm. 11) Aber sind wir denn bereits dieses Selbst - nämlich in dem Sinn, dass sich unser Menschsein nicht allein darin erschöpft, dass wir gewisse gesellschaftliche Rollen "spielen" und unser Tun an bestimmten mehr oder weniger vordergründigen Zwecken ausrichten? {299} Jenes Alltags-Ich (das nicht mit der "ewigen Individualität" zu verwechseln ist) wird auch ohne besonderes Zutun durch die Normen und Wertmaßstäbe des jeweiligen Kulturzusammenhangs "sozialisiert"; es wird angepasst. Auch trägt dieses Ich (z.B. als Eltern-Ich, Lehrer, Vorgesetzter, Politiker, Manager, Funktionär usw.) seinerseits dazu bei, dass ungezählte andere in die jeweilige Gesellschaft eingepasst werden. Die Frage nach der Bedeutung oder nach der Sinnhaltigkeit dieses Lebens wird jedoch auf diese Weise nicht beantwortet. Die Masse der namenlosen Iche, in der jedes einzelne mitenthalten ist, kennt nur Funktionen und Zwecke; sie sorgt sich um und garantiert bestenfalls das private materielle "Glück" des einzelnen; mehr nicht. Und doch taucht die Frage auf nach dem Wohin und Wozu. Sie meldet sich nicht selten in einer peinigenden Form, beispielsweise als Sinnkrise mit all den bekannten Begleiterscheinungen: der Leere trotz materieller Absicherung; der inneren Disharmonie, obwohl wichtige zwischenmenschliche Kontakte "klappen"; der Einsamkeit trotz angeblicher Beziehungsvielfalt im gesellschaftlichen Pluralismus... {300} Was sind die Gefühle des Ungenügens und des Zwiespalts anderes als Signale jenes noch kaum wahrgenommenen Selbst, das über die Zweckhaftigkeit des Alltags hinweg seinen Existenzwillen anzeigt und das gebieterisch nach Selbst-Verwirklichung drängt? Ist es nicht dieses Selbst, das nach Vorstellungen und Überzeugungen verlangt, mit deren Hilfe der Mensch - anders als durch das Alltags-Ich - seinen Platz in dieser Weltwirklichkeit finden kann, ohne den Eindruck zu haben, in der Namenlosigkeit eines herzlosen, leeren Universums verloren zu sein? Derartige Signale kommen nicht von ungefähr. Krisenhafte Situationen stellen sich in jedem Lebensaugenblick ein. Und doch gibt es eine Zeit, in der die Problematik der Selbstwerdung in eine entscheidende Phase eintritt, nämlich um die Lebensmitte, also dann, wenn sich das Ich in diesem Leben

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bereits etabliert hat: beruflich, im Blick auf die mitmenschliche Partnerschaft und hinsichtlich einer gewissen wirtschaftlichen Absicherung, und sei es, dass die Voraussetzungen für die Altersversorgung geschaffen sind, kurz: wenn eine gründliche Welterfahrung erlangt ist. Und eben da, in einem Moment, in dem diese elementaren Fragen beantwortet zu sein scheinen, artikuliert sich, gleichsam von irgendwoher, jenes Warum und Wozu, jenes Was dann? Alles unbequeme Fragen, die man am liebsten überhören, verdrängen oder "ertränken" möchte. Wenn es aber zutrifft, dass die Situation der Lebensmitte Signale setzt, die von jener "übergeordneten Instanz" des Selbst kommen, das bis dahin kaum wahrgenommen wurde, dann ist offensichtlich der Lebensaugenblick bezeichnet, an dem sich das Ich dem Selbst stellen muss, ein bedeutsamer Augenblick. {301} Das Leben wird, auch wenn es so nicht eigens ausgesprochen wird als dreigegliedert empfunden. Die Lebensmitte wird als ein Wendepunkt erlebt. Er steht unter dem Rilkeschen Motto: "Du musst dein Leben ändern!" (Ist es nicht das biblische Motto der Metanoia, der Umkehr?) Und erst von dieser Lebensmitte her wird das Lehrbuchwissen von der eventuellen Dreigeteiltheit des Lebenslaufs zur Lebenserfahrung. Vor der Mitte liegt das Feld, das seit der Geburt der Ich-Entfaltung dient. In der besagten mittleren Phase ist der Schritt vom Ich zum Selbst zu tun, um schließlich für die dritte Lebenszeit, die durch den Tod ihren Abschluss findet, reif zu werden. {302} Die Analytische Psychologie unterscheidet diese drei großen Abschnitte der Persönlichkeitsentwicklung. Und eben dieser kritischen mittleren Phase mit ihrem Lebenswendepunkt weist sie die Aufgabe der Selbst-Findung zu. Hier erweist das Symbol der Heiligen Hochzeit seine besondere anthropologisch-existentielle Bedeutsamkeit, nämlich als ein Mysterium coniunctionis, das einen Wandlungsvorgang und eine Wiedergeburt umschließt. Die bisherigen Werte, Normen und Strebungen werden in ihrer Relativität durchschaubar; sie verblassen. Ein neues Erleben bietet sich als Möglichkeit an. Das Ich begegnet stärker als bisher der archetypischen Wirklichkeit. Es ist jener Bereich der Psyche, der über das einzelne menschliche Ich hinausweist. Es ist jenes kollektive Unbewusste man könnte auch sagen: jenes Menschheitsbewusstsein - aus dem die einzelnen Kulturepochen ihre leitenden, normen- und wertesetzenden Zielbilder und Impulse empfangen haben, wie wir sie aus der Religions- und Geistesgeschichte kennen. Letztlich wurzelt in diesem kollektiven Unbewussten auch die Metapher der Heiligen Hochzeit als ein allgemeinmenschliches Symbol und als eine elementare Erlebnismöglichkeit. Aber inwiefern ist das der Fall? Zwei Faktoren seien herausgestellt, einmal der des Gegensatzes von gut und böse bzw. Licht und Dunkel, auf der anderen Seite der von Männlich und Weiblich. Diese beiden Gegensatzpaare sind es, die im Prozess der Selbst-Werdung (Individuation) eine bedeutsame Rolle spielen. Mit anderen Worten: es geht darum, einerseits den so genannten

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"Schatten" als den Dunkelbereich in der eigenen Psyche so zu erleben, dass er nicht länger auf äußere Objekte (schwierige Menschen, ungute Verhältnisse, die Gesellschaft usw.) projiziert wird, sondern als zur eigenen Psyche gehörig. Den Schatten anzunehmen, ihn zu integrieren, so zu sein, wie man mit seinen Schattenseiten ist - lautet die Devise. Zum anderen soll der Individuierende mit dem konfrontiert werden, was Jung das "Seelenbild" genannt hat und das ebenfalls eher außen wahrgenommen wird als im eigenen Innern. Denn der Mann ist nicht nur männlich, die Frau nicht nur weiblich. Das will besagen, dass in der Individuation der Mann seine eigene, freilich unbewusste Weiblichkeit kennen- und akzeptieren lernt: die "Anima". Entsprechendes hat bei der Frau zu geschehen; ihrem bewussten (weiblichen) Ich ist der "Animus" als gegengeschlechtliches Seelenbild zugeordnet. Beide Male handelt es sich also um Personifikationen, die so etwas wie eine psychische Doppelgeschlechtlichkeit bedeuten. (Anm. 12)

{303} Nun ist dem Seelenbild jeweils eine wichtige Aufgabe zuerteilt. Von ihr schreibt Jung: "Die natürliche Funktion des Animus (sowie auch der Anima) liegt darin, eine Verbindung zwischen dem individuellen Bewusstsein und dem kollektiven Unbewussten herzustellen... Animus und Anima sollten als eine Brücke oder als Tor zu den Bildern des kollektiven Unbewussten funktionieren, wie die Persona [d. h. die nach außen gerichtete, das Rollenverhalten bestimmende Funktion] zur Welt eine Art Brücke darstellt." (Anm. 13) {304} Ohne nun auf die speziellen Zusammenhänge näher einzugehen, die in der Literatur in ihren positiven wie negativen Aspekten erschöpfend dargestellt sind und zu denen es einen erfahrungsmäßigen Zugang gibt, wird doch eines deutlich: Dem Tatbestand, dem wir in dem religionsgeschichtlichen Phänomen der Heiligen Hochzeit begegnet sind, entspricht eine psychische Wirklichkeit, die - das sei gleich hinzugefügt - für das zwischenmenschliche Leben von nicht minder großer Bedeutung ist. Es gibt eben nicht nur die Beziehung zwischen den Geschlechtem, als Ich-DuBeziehung, als Erfüllung im Bereich von Eros und Sexus, sondern es gibt auch eine Beziehung zu sich selbst. Ihr kommt in der zweiten Lebenshälfte, in der elementare Ich-Du-Beziehungen im zwischenmenschlichen Bereich bereits gestiftet und gefestigt sind, entscheidende Bedeutung zu. "Gemeinschaft besteht nicht nur aus Kommunikation. Die innere Beziehung

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Mit der Tiefenpsychologie als Erkenntnishilfe

ist der Kontakt, den zwei Menschen von innen her, aus der Tiefe, miteinander haben können." (Anm. 14) {305} Machen wir uns klar, von welchem Tatbestand wir bei tiefenpsychologischer Betrachtung auszugehen haben, wenn wir uns das Gegenüber zweier Menschen ansehen, dann ergibt sich folgendes Bild, das C. G. Jung in seinem schon klassisch gewordenen "Heiratsquaternio" grafisch dargestellt hat: Da ist einmal das Gegenüber, nehmen wir an, einer Frau und eines Mannes. Jede Person steht mit ihrer eigenen (unbewussten) Gegengeschlechtlichkeit, mit Animus bzw. Anima, in Beziehung. Ein drittes Beziehungsfeld ergibt sich dadurch, dass nicht nur zwischen dem bewussten Ich und du eine Kommunikation (Blick, Wort, Handlung) zu Stande kommt, sondern auch auf der Ebene des Unbewussten des Mannes (Anima) und dem der Frau (Animus). Schließlich ist damit zu rechnen, dass vom Unbewussten des einen zum Bewusstsein des anderen Wirkungen ausgehen, etwa in der Gestalt, dass Signale gegeben werden, die der Betreffende nicht wahrnimmt oder kontrollieren kann, weil sie ihm unbewusst bleiben; die aber z. B. in Gestik oder Physiognomik vom Gegenüber durchaus zu registrieren sind. {306} Bewusstseinsebene: Mann {307} Unbewusstes: Anima < {308} Frau {309} Animus {310} In dem psychotherapeutisch begleiteten Prozess der Individuation kommt es nun darauf an, nicht nur die Schattenproblematik im angedeuteten Sinn zu lösen, sondern auch die unbewussten Anima- bzw. AnimusProjektionen auf das gegengeschlechtliche Gegenüber zu durchschauen und zurückzunehmen, und zwar um jener "geistlichen Hochzeit" willen, die die innere Verbindung der Persönlichkeitskomponenten herstellt, um "ein unprojiziertes inneres Erlebnis" zu ermöglichen. {311} Es ist eine Einswerdung der inneren Gegensätze im Selbst gemeint. Die alten Alchemisten hatten es da noch leichter als wir, denn für sie lag das Problem gleichsam im Stoff, in der Retorte, wo sie durch die "chymische Hochzeit" den philosophischen Stein zu erzeugen suchten. Wir aber müssen dies in uns selber vollziehen, und das geht einem ganz wesentlich tiefer unter die Haut. (Anm. 15) {312} Auf die numinose Nachbarschaft von Hochzeit und Tod wurde wiederholt Bezug genommen. Und offenbar gibt es nicht nur den "mystischen Tod", dem die Unio mystica als eine "mystische Hochzeit" gegenübersteht, wie wir am Beispiel von Irmengard Bardo gesehen haben. Der leibliche Tod ist mitgemeint. Als C. G. Jungs Lebensende herannahte, er starb am 6. Juni 1961, da kehrten jene Bilder einer "seligen Hochzeit" vor seinem inneren Auge zurück, die er früher schon einmal in einem Augenblick der Todesnähe geschaut hatte. Und es war im Mai 1959, als er den

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Mit der Tiefenpsychologie als Erkenntnishilfe

chilenischen Diplomaten Miguel Serrano bei sich zu Gast hatte, da vergaß der Vierundachtzigjährige für einen Moment, dass er als Tiefenpsychologe zum Thema der Coniunctio sprach, als er ins Sinnieren kam: {313} "Es gab einmal eine Blume, einen Stein, einen Kristall, eine Königin und einen König, ein Schloss, einen Liebenden und seine Geliebte, irgendwo, vor langer, langer Zeit, auf einer Insel mitten im Meer, vor fünftausend Jahren... Solcher Art ist die Liebe, die mystische Blume der Seele. Das ist das Zentrum des Selbst..." Jung murmelte wie im Traum: "Niemand versteht, was ich meine. Nur ein Dichter könnte es erahnen.. ." (Anm. 16) {314} Im großen biografischen Kontext von Leben und Werk C. G. Jungs wird schließlich deutlich, welche individuelle und zugleich für das Archetypische transparent werdende Gestalt das Symbol der Heiligen Hochzeit bei einem heutigen Menschen annehmen kann. (Anm. 17)

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Hinwege im Zeichen der Coniunctio

Hinwege im Zeichen der Coniunctio {315} Führt man sich vor Augen, welchen Gewinn eine psychotherapeutisch begleitete Individuation bringen kann, in der einerseits die Schatten-, andererseits die Animus-Anima-Problematik bearbeitet wird, dann wäre es gut, wenn möglichst viele Menschen sich einer "Analyse" unterziehen und diesen Weg der Selbstwerdung einschlagen könnten. Gemeint sind damit alle jene, die sich nicht mit einer bloßen "Meisterung des Lebens", mit der Fähigkeit der Anpassung oder der Erlangung eines gewissen Durchsetzungsvermögens zufrieden geben. Doch diese Möglichkeiten sind erheblich begrenzt. Zu selten meldet sich - wie das Beispiel von Irmengard Bardo gezeigt hat - ein innerer Führer, der die Initiation ins Mysterium coniunctionis in derart bestimmter Weise anstößt und leitet. {316} Nun ist es aber auch klar, dass eine tiefenpsychologische Analyse (genauer: eine Psycho-Synthese) eher die Ausnahme darstellt. Und jene "Schulen für Vierzigjährige", die Jung einmal erwähnte, gibt es bekanntlich nicht; es kann sie auch gar nicht geben, weil Reifung zur Ganzheit nicht lehrbar ist. Und die viel besprochenen gruppentherapeutischen Aktionen zur Selbsterfahrung stoßen schon vom Ansatz her an enge Grenzen. Die individuelle Seelenaktivität des einzelnen können solche - an sich hilfreiche Gruppentherapien - nicht ersetzen, wie die Erfahrung zeigt. Was also tun? {317} Viel ist schon gewonnen, wenn man spätestens von der Lebensmitte an die Äußerungen seines eigenen Unbewussten ernst nimmt, das heißt wenn man beispielsweise auf seine Träume achtet. Damit ist nicht der Rat verbunden, in einem Do-it-yourself-Verfahren eine Art von Psychotherapie auf eigene Faust zu betreiben. Dergleichen ist nicht ungefährlich. Aber Bilder, zumal diejenigen, die aus der eigenen Seelentiefe kommen, haben eine Botschaft, die entziffert und nach Möglichkeit realisiert werden will. Dafür spricht schon die Tatsache, dass wir gerade diese Träume erinnern, während ein großer Teil der allnächtlichen Traumphasen überhaupt nicht erinnerungsfähig ist. {318} Aber ehe Bilder zu sprechen beginnen, ist es nötig, sie aufmerksam und gleichsam ich-frei anzuschauen, d. h. vorbehaltlos und ohne sofort vom intellektuellen Ich her deutend einzugreifen, als wüsste man sogleich, in welche Richtung ein Traumbild weist. Dabei spielt die Beachtung der Stimmungs- und der Gefühlsnote, die einem Traum anhaftet, eine wesentliche Rolle. Diese von jedem Einzelnen selbst zu gewinnende Grundeinstellung der Offenheit ist eine wichtige Voraussetzung für das Ernstnehmen der Hervorbringungen des Unbewussten. Dann erst mag man unterstützende psychologische Literatur hinzunehmen, um den Traum als "Gottes vergessene Sprache" (Anm. 1) zu erlernen. Aber geht es eigentlich um ein schulmäßiges Erlernen? Sehr viel wichtiger ist der nicht-deutende

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Hinwege im Zeichen der Coniunctio

Umgang mit den Bildern und Stimmen aus dem eigenen Innern. Deshalb spricht der amerikanische Jungianer James Hillman davon, man solle sich geradezu "mit einem Traum befreunden". "Die innere Beziehung zum Unbewussten führt ... zum Erlebnis eines inneren Lebens, eines Ortes, wo Bedeutungen ihr Heim haben." (Anm. 2) Dass eine derartige Kontaktaufnahme mit dem eigenen Innen auch in den zwischenmenschlichen und in den sozialen Raum ausstrahlt, ist eine unbestreitbare Tatsache; denn "die menschliche Begegnung hängt von einer inneren Beziehung ab. Um mit dem ändern in Fühlung zu treten, muss ich innerlich in Fühlung sein mit mir." (Anm. 3) Viel ist schon erreicht, wenn ich anfange, auf diese Bilder und Figuren meiner Träume hinzuschauen, wie ich einen unbekannten, unerwarteten Besucher anschaue, der an meine Tür klopft, und dem ich in die Augen blicke. Das Sich-Befreunden setzt freilich einen längeren, geduldigen Umgang voraus. Eines Tages wird es mir vielleicht auch gelingen, den "Wolf zu umarmen" (Luise Rinser) und damit die Negativfiguren meiner Träume als zu mir gehörig zu akzeptieren. Diesem Zeitpunkt pflegt ein Wandlungsgeschehen vorauszugehen, das mit der neuen Einstellung zu meinem Unbewussten eng zusammenhängt. Es liegt wohl auf der Hand, dass in der Konfrontation mit der unbekannten und daher unbewussten Wesenstiefe eine Annäherung erreicht wird, die man zuvor nicht für möglich gehalten hat. Zu den inneren Bildern des SichNäherkornmens und des Sich-Befreundens mit der eigenen Weiblichkeit (beim Mann) oder der eigenen Männlichkeit (bei der Frau) treten äußere Bildträger hinzu: die Mythen und Märchen. Da sollte übrigens die Bibel mit der Fülle ihrer Bilder Heiliger Hochzeit und spiritueller Brautschaft nicht ausgeschlossen sein. Und es ist in der Tat merkwürdig, dass diese Erzählungen von Weg und Wandlung, von Auszug, Gefährdung und Heimkehr, nicht in einem viel stärkeren Maße als es geschieht betrachtet werden. (Anm. 4) Doch zum Märchen: Der Traumfantasie in mancher Hinsicht vergleichbar, erzählt das Märchen in unerschöpflicher Abwandlung vom Schicksal der Menschenseele, die aus der Unscheinbarkeit und Bedeutungslosigkeit, aus Dumpfheit und Gefangenschaft oder Verzauberung herausführt und die in der Vereinigung derer ihre Krönung findet, die einander bewusst oder unbewusst suchen, weil sie "für einander bestimmt" sind. Und die allein auf ihr Können, Wissen oder Ansehen pochenden, d. h. die Ich-verhafteten Figuren, zeigen sich im Grunde ihrer Aufgabe nicht gewachsen, während der Jüngste, der Kleinste, der Dummling oder das sprichwörtliche Aschenputtel sicher zum Ziel finden. In dem vielgesungenen Kinderreim, in dem dieses Ziel auf den schlichten, zugleich beglückenden Nenner gebracht ist, heißt es: "Da feiern sie das Hochzeitsfest, Hochzeitsfest, Hochzeitsfest!" Und weil sich das Märchen in seinen wesentlichen Erzählphasen jenseits der Wirklichkeitsgrenzen abspielt (im Märchen "Frau Holle" durch den Brunnen bzw. durch das goldene Tor

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Hinwege im Zeichen der Coniunctio

symbolisiert), ist auch das Unmögliche möglich, eben die Lösung des Zaubers durch die verwandelnde und vereinigende Kraft der Liebe. Daher bemerkt der tiefsinnige Novalis einmal: "Vielleicht geschähe eine ähnliche Verwandlung, wenn der Mensch das Übel in der Welt liebgewönne." {319} Die Hochzeit von König und Königin, die, vielfältig variiert, in zahlreichen Märchen den Ziel- und Höhepunkt des gesamten Geschehens darstellt, symbolisiert eine fruchtbare Verbindung der naturhaft- (auch gefühlsbezogen-) weiblichen Seite mit der männlich-geistigen. In dieser Verbindung zwischen Eros und Logos ist die Konjunktion der Gegensätze ins Bildhafte übertragen. Von daher vermag das Märchen, frei von jeglicher psychologischer oder geisteswissenschaftlicher Theorie, also unmittelbar rezipiert zu werden. Und auch ohne besondere Schulung werden die Bildfolgen transparent für die Hindernisse, die Prüfungen und Ausblicke auf dem eigenen Weg. Sicher ist es kein Zufall, dass das Märchen nach einer Zeit der Missachtung oder Verkennung sich heute immer größerer Beliebtheit erfreut. Denn was an Trost und Ermutigung, an heilender Kraft vom Märchen ausgeht, trägt dazu bei, den Gesundungs- und Ganzwerdungsprozess des dissoziierten Gegenwartsmenschen zu unterstützen. {320} Von der Bildsprache des Mythos zu der durch Erfahrung gesättigten Sprache der Religiosität und Spiritualität: Das Thema der mystischen Hochzeit wurde bereits angeschlagen. Gnosis und Mystik, kurz alle Bezirke der Esoterik in Geschichte und Gegenwart, bergen in ihrer Mitte das Mysterium der Heiligen Hochzeit, in West und in Ost. So wie der bewusste Umgang mit Träumen und das Hinhören auf das Märchen Möglichkeiten der Annäherung an das große Thema der Coniunctio darstellen, hält der religiöse Vollzug die transpersonale Wirklichkeit offen. Es ist jene Einheitswirklichkeit, in der Geist und Materie, Himmel und Erde, Gott und Mensch aneinander gewiesen bzw. miteinander verbunden sind. Die Religion, namentlich die religiöse Mystik als unmittelbare Gotteserfahrung, entspricht einer Begegnung und einem Umgang mit den Archetypen des Wegs und des Hieros Gamos. Gewiss kann man sich die Dimension der Heiligen Hochzeit nicht "anlesen". Und doch drückt sich mehr als bloße Neugierde in der Tatsache aus, dass das Interesse an Mystik und Esoterik in der letzten Zeit gewachsen ist. (Anm. 5) Die Zeugnisse all derer, die die "Gottesgeburt im Seelengrund" (Meister Eckhart) aus eigenem Erleben und Erbeben kennen oder die die göttliche Sapientia, die Weisheit Gottes, besingen (Heinrich Seuse), sprechen unmittelbar an und wirken nicht allein von Intellekt zu Intellekt, sondern auch von Anima (bzw. Animus) zu Anima, also auf der Ebene der Seelentiefe. Nicht umsonst nennt Martin Luther die anonyme "Theologia Deutsch" (Der Frankfurter) eine mystische Schrift, die "vom Grund des Jordan kommt". (Anm. 6) Wer daher selbst jene Kehrtwendung zu vollziehen im Begriffe ist, die der Umgang mit dem Unbewussten mit sich bringt, dem ist die metaphernreiche Sprache der christlichen Mystiker nicht

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Hinwege im Zeichen der Coniunctio

fremd, obgleich der Bewusstseinswandel nicht zu unterschätzen ist, der sich etwa seit den Tagen Meister Eckharts oder der Mechthild von Magdeburg vollzogen hat. Ein Buch wie Jakob Böhmes "Christosophia" oder Weg zu Christo darf daher mit Recht als ein christlicher Einweihungsweg genannt werden, der zur Vermählung mit der Jungfrau Sophia führen möchte. (Anm. 7) Die individuelle Auswahl spiritueller Literatur wird jedem Einzelnen zugemutet werden müssen, der sich auf diesem weiten Feld der Textzeugnisse umsieht. Angemerkt sei auch, dass das Gelesene erst ins Eigene transformiert werden muss, bedenkt man, vor welchem zeitlichen und geistigen Horizont die einzelnen Dokumente geistig-religiöser Erfahrung entstanden sind. Das gilt nicht zuletzt für die östlich-fernöstliche Spiritualität, etwa die Hieros-Gamos-Mystik und -Praxis im Tantrismus. Die Gefahren einer kurzschlüssigen Rezeption, namentlich der Praktiken, dürfen nicht unterschätzt werden. Behutsamkeit ist in gleichem Maße bei der Wahl der meditativen Methode geboten. Dabei stellt die Meditation, die nicht bei den Worten oder Bildern bzw. Symbolen stehen bleibt, einen Hinweg zur Coniunctio dar, der durch keine andere Übung zu ersetzen ist. Diese "Innerung", wie Friso Melzer den lateinischen Begriff verdeutscht hat, verweist das in der Regel dominante Ich-Bewusstsein in die Schranken, freilich ohne es herab zu dämpfen oder auszulöschen. Selbst das Feld des Imaginativ-Bildhaften kann durchschritten werden, damit der "innere Ton", der Ton der Stille, vernommen werden kann, nämlich auf der Bewusstseinsstufe der Inspiration. Und in der Phase der Intuition, der Berührung bzw. des Berührtwerdens durch das Wesenhafte, ist die Ebene erreicht, von der wir sprechen. (Anm. 8) Das meditative Geschehen als solches aber drückt ein Wort aus, das das Lukasevangelium 2,19 auf Maria, die Mutter Jesu, bezieht. Von ihr ist im Blick auf die Geschehnisse und Botschaft der Weihnacht die Rede: "Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen." {321} Im Herzen geschieht Meditation, also in der Wesenstiefe, denn es handelt sich nicht um eine bloße gedankliche Reflexion, sondern um ein inneres Empfangen, nicht um ein zweckhaftes oder gezieltes Agieren. Das "Bewegen" im Herzen ist daher auch nicht ein linear zielendes, logisches Folgern, sondern ein Umkreisen der Mitte. Bezeichnend ist, dass der griechische Urtext für "bewegen" (symballousa) ein Wort verwendet, das seine Verwandtschaft mit "Symbol" deutlich verrät. Um ein seelenaktives Symbolisieren, d. h. um ein inneres Zusammenfügen, geht es also. Ein solches symbolisierendes, zusammenfügendes Geschehen wird zum Hinweg, nämlich zu jenem Mysterium, das "in tausend Bildern" als Heilige Hochzeit gefeiert und gerühmt wird.

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Epilog "Im Fall du mehr willst lesen"

{322} Epilog: "Im Fall du mehr willst lesen ..." {323} An dieser Stelle der Betrachtung des Hieros-Gamos-Motivs könnte nicht ohne skeptischen Unterton - die Frage gestellt werden: Lässt sich denn nicht noch Genaueres über Heilige Hochzeit und über das Mysterium coniunctionis sagen als wir es hier in einigen Anläufen versucht haben? Es läge wohl nahe, auf den Angelus Silesius (Johann Scheffler) zu verweisen. Er mag ähnliche Fragen empfunden haben, als er seinen an Paradoxien und ketzerisch klingenden Behauptungen überreichen "Cherubinischen Wandersmann" mit dem Vers abschloss: {324} Freund, es ist auch genug. Im Fall du mehr willst lesen, So geh und werde selbst die Schrift und selbst das Wesen. (Anm. 1) {325} Eine Antwort, die nicht nur für den "Cherubinischen Wandersmann" Gültigkeit beanspruchen kann! Und doch ist die Frage nach präziseren Auskünften berechtigt, vor allem wenn der Eindruck entstanden sein sollte, dass uns die Begegnung mit einer Auswahl von Texten und Metaphern wie das Umkreisen eines teilweise verdeckten Gegenstandes anmutete. Dem kann schwerlich widersprochen werden. Die Analytische Psychologie kennt übrigens sehr wohl diesen "Ritus" der circumambulatio, d. h. die Umkreisung der Mitte. (Anm. 2) In unserem Zusammenhang soll das besagen: Geistigseelische Realitäten lassen sich nicht frontal angehen. Man kann ihrer nicht durch Anwendung eines bestimmten technischen Tricks habhaft werden, geht es doch letztlich gar nicht um ein irgendwo draußen liegendes Objekt. Vielmehr ist der Fragesteller, der sein Thema umschreitende Mensch, jeweils immer in diese seine "Sache" involviert. Hier liegt ohnehin ein zentrales Problem tiefenpsychologischer Forschung. Der Forschende ist sein eigener "Gegenstand". So gibt es letztlich keine ein für alle Mal gültige Methode, mit der man das Mysterienbild der Göttin zu Sais - das der Mensch immer auch ist - entschleiern kann, denn so Novalis: {326} Einem gelang es, er hob den Schleier der Göttin von Sais, Aber, was sah er? Er sah - Wunder des Wunders - sich selbst! {327} Und was die Psychologie vermag; C. G. Jung geht bei der Erörterung dieses unseres Themenkreises so weit, unverblümt zu sagen: {328} Der Leser darf sich nicht vorstellen, dass die Psychologie irgendwie in der Lage wäre, zu erklären, was "höhere Begattung", mithin was coniunctio und was psychische Schwangerschaft und gar, was das Seelenkind ist... Die wissenschaftliche, d.h. unvoreingenommene Beobachtung, die nichts als die Wahrheit sucht, muss sich vor vorschneller Bewertung und Deutung hüten, denn sie steht hier vor seelischen Tatsachen, die das intellektuelle Urteil nicht unterschlagen und betrügerisch aus der Welt schaffen kann. (Anm. 3) {329} Und was die erwähnte circumambulatio, die Umkreisung der Mitte,

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Epilog "Im Fall du mehr willst lesen"

betrifft, so ist ihr Sinn vertrauter, als es auf den ersten Blick der Fall zu sein scheint. Wohl gibt es den spontanen "ersten Blick" und das Ein-für-alle-Mal, etwa einer Liebesbegegnung. Es gibt aber eben auch das Mal-um-Mal der Wiederholung einer Handlung, sei es, dass man einem Brauch folgt "alle Jahre wieder" oder dass man wiederholend einen Ritus vollzieht. Dabei ist es letztlich gleichgültig, ob man im Stande ist, die etwaige theologische Bedeutsamkeit exakt zu definieren. Religiöse Erfahrung ist nicht an die Formulierbarkeit theologischer "dass"-Sätze gebunden. Vor allem der Meditierende "weiß", welche Kraft von jener Umkreisung der Mitte ausgeht. Sie veranlasst ihn, immer wieder von neuem den Zustand geistig-seelischer Sammlung herzustellen, den inneren Blick auf die Mitte des Meditationsgegenstandes gerichtet, ein symbolisches, d.h. gegensatzvereinendes Geschehen par excellence. Und schließlich darf der meditative Prozess in ein inneres Kontemplieren übergehen, das ganz ohne Gegenstand, ohne Bild oder Begriff auskommt. Der Bannkreis des Mysterium coniunctionis ist betreten; es ist erfahrbar, aber nicht aufweisbar. Und was aufweisbar, abbildbar, sagbar wäre, müsste als das Uneigentliche "genichtet" werden, damit das Wesenhafte aufleuchten kann. Aber warum nicht allgemeiner werden: Ist nicht die Eurythmie -das heißt der wohltuende Rhythmus von Schlafen und Wachen ein einziges Umkreisen jener geheimnisreichen Mitte, die wir Leben nennen? Bewusstes verebbt ins Unbewusste hinüber, Unbewusstes brandet mit seinem Treibgut an das Festland des taghellen Bewusstseins, von unnennbaren Konjunktionen "seliger Sehnsucht" begleitet, vor allem durch sie motiviert, impulsiert: {330} Nicht mehr bleibest du umfangen In der Finsternis Beschattung, Und dich reißet neu Verlangen Auf zu höherer Begattung. {331} Und solang du das nicht hast, Dieses: Stirb und Werde! Bist du nur ein trüber Gast Auf der dunklen Erde.

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Anmerkungen

Anmerkungen Angesichts des Themas 1 Vgl. Jolande Jacobi: Komplex, Archetypus, Symbol in der Psychologie C. G. Jungs. Zürich 1957. Ulrich Mann: Die Religion in den Religionen. Stuttgart 1975, besonders S. 60ff. Über das Symbol als Wegweiser in das Unerforschliche vor allem: Herbert Kessler: Das Offenbare Geheimnis. Freiburg 1977; ders.: Wissendes Nichtwissen (TelosStudien I). Mannheim 1977; ders.: Wegweiser zur Freiheit (Telos-Studien II). Mannheim 1977; ders.: Bauformen der Esoterik, Freiburg 1983. 2 Karlfried Graf Dürckheim: Überweltliches Leben in der Welt. Der Sinn der Mündigkeit. Weilheim 1968, S. 69ff. - Ders.: Auf der Suche nach dem inneren Meister. München 1996. Die Vielfalt religionsgeschichtlicher Aspekte 1 Über mythische Götterehen vor allem A. Klinz: Hieros Gamos. Diss. Halle 1933. 2 Erich Neumann: Amor und Psyche. Deutung eines Märchens. Ein Beitrag zur seelischen Entwicklung des Weiblichen (1971). Olten-Freiburg 1979, S. 72. - Vgl. MarieLouise von Franz: Die Erlösung des Weiblichen im Manne. Frankfurt 1980. 3 Ulrich Mann: Die Religion in den Religionen. Stuttgart 1975, S. 220. 4 Walter F. Otto: Theophania. Der Geist der altgriechischen Religion. Hamburg 1956, S. 24. 5 Julius Evola: Geistige Männlichkeit und erotische Symbolik, in: Antaios III, S. 283. Vgl. ders.: Metaphysik des Sexus. Stuttgart 1962. 6 Unter den verschiedenen deutschsprachigen Ausgaben hat nach wie vor die Verdeutschung des I Ging, Das Buch der Wandlungen, von Richard Wilhelm ihre Meriten. Vgl. auch das tiefenpsychologisch interpretierende Vorwort von C. G. Jung im 11. Band seiner Gesammelten Werke. Zürich 1963, S. 633ff. 7 Martin Schönberger: Verborgener Schlüssel zum Leben. München-Bern 1973. 8 Mircea Eliade: Das Heilige und das Profane. Hamburg 1957, S. 85. 9 Julius Schwabe: Archetyp und Tierkreis. Basel 1951, S. 386 weist darauf hin, dass das Conubium im obersten Stockwerk an die Vereinigung von Sonne und Mond erinnere, "wobei der Gott die Sonne, das irdische Weib den als stofflich, weiblich und irdisch gedachten Mond vertreten würde. Allein, die Vereinigung von Sonne und Mond findet bei Neumond statt. Und der dunkle Neumond hat, nach einer weltweit verbreiteten Fiktion, seinen Stand im zodiakalen Tiefpunkt. Daraus folgt, dass der Hieros Gamos, die Heilige Hochzeit des Götterpaares, nach der alten stierzeitlichen Anschauung eine unterirdische Angelegenheit ist, dass also das Conubium auf dem babylonischen Türm bereits den kopfgestellten Kosmos zur Voraussetzung hat..." - Vgl. femer Esther Harding: Frauenmysterien einst und jetzt. Zürich 1959. 10 Eduard Norden: Das göttliche Kind (1924). Darmstadt 1958; zuletzt Paul Schwarzenau: Das göttliche Kind. Stuttgart 1983. 11 Erich Neumann: Ursprungsgeschichte des Bewusstseins. Zürich 1949, S. 233. 12 Th. Immoos: Die Sonne leuchtet um Mitternacht, in: Aspekte analytischer Psychologie. Zum 100. Geburtstag von C. G. Jung herausgegeben von Hans Dieckmann, C. A. Meier und H. J. Wilke. Basel 1975, S. 290ff. 13 Mircea Eliade: Das Heilige und das Profane, a.a.O. S. 86. 14 Mircea Eliade: Das Mysterium der Wiedergeburt. Initiationsriten, ihre kulturelle und

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Anmerkungen

religiöse Bedeutung. Zürich 1961, S. 196f. 15 Gerhard Wehr: Esoterisches Christentum. Von der Antike bis zur Gegenwart. 2., erw. Aufl. Stuttgart 1995, 98ff. 16 Vgl. Albrecht Dieterich: Eine Mithrasliturgie (1923). Darmstadt 1966, S. 125ff. Julius Schwabe: Archetyp und Tierkreis a.a.O. 498ff. 17 Zitiert bei M. Eliade: Das Mysterium der Wiedergeburt, a.a.O. S. 192. 18 Vgl. Albrecht Dieterich, Anmerkung 16. 19 Belege u. a. bei M. Eliade: Das Mysterium der Wiedergeburt, S. 194f. 20 Rudolf Bultmann: Das Urchristentum im Rahmen der antiken Religionen. Reinbek 1962, S. 149f. 21 M. Eliade: Das Mysterium der Wiedergeburt, S. 194f. Heilige Hochzeit im Alten Testament 1 Vgl. Martin Buber: Königtum Gottes. Der Glaube der Propheten; in: Werke Band II, Schriften zur Bibel. München-Heidelberg 1964. 2 Heinrich Groß: Zur Polarität der Gotteserfahrung in der Prophetie Israels, in: Drei Wege zu dem einen Gott. Glaubenserfahrung in den monotheistischen Religionen. Hrg. von A. Falature; J. J. Petuchowski, W. Strolz. Freiburg 1976, 11 ff. 3 Zur Auslegung vgl. Artur Weiser: Das Buch der zwölf kleinen Propheten, in: Das Alte Testament Deutsch, Band 24, Göttingen 1967, 22ff. - Vgl. auch Georg von GynzRekowski: Symbole des Weiblichen in Gottesbild und Kult des Alten Testaments, Zürich 1963. 4 Helmer Ringgren: Das Hohelied, in: Das Alte Testament Deutsch, Band 16,2. Göttingen 1981. 5 Hartmut Schmökel: Heilige Hochzeit und Hoheslied. Wiesbaden 1956. 6 A.a.O. 119f. 7 A.a.O. 120. 8 Hugo Rahner: Griechische Mythen in christlicher Deutung (1957). Darmstadt 1966, 234. 9 Honorius Augustodunensis, zit. bei Rahner a.a.O. 235f. 10 Hildegard von Bingen: Naturkunde. Nach den Quellen übersetzt und erläutert von Peter Riethe. Salzburg 1974, 28. Hochzeitliche Stimmung im Neuen Testament 1 Walter Schubart: Religion und Eros (1941). Hrg. von Friedrich Seifert. München 1966, 134 und 137f. 2 Walter Grundmann: Das Evangelium nach Markus. Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band 2. Berlin-Ost 1968,66. 3 Ernst Benz: Ecclesia Spiritualis (1934); Darmstadt 1964; Joachim von Fiore: Das Reich des Heiligen Geistes. Hrg. von Alfons Rosenberg. Bietigheim 1977. - Gerhard Wehr: Esoterisches Christentum. Stuttgart 1975, 160ff. 4 Zur Auslegung besonders Rudolf Schnackenburg: Das Johannesevangelium. Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament, Band IV,1. Freiburg 1967, 328ff. 5 Wilhelm Fraenger: Die Hochzeit zu Kana. Ein Dokument semitischer Gnosis bei Hieronymus Bosch. Berlin 1950. - Ders.: Hieronymus Bosch. Dresden-Gütersloh 1975, 145ff. - Gerhard Wehr: Esoterisches Christentum. 2., erw. Aufl. Stuttgart 1995,177ff. 6 Emil Bock: Die Drei Jahre (Beiträge zur Geistesgeschichte der Menschheit, 2. Reihe

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Anmerkungen

Band III). Stuttgart 1949, 60ff. 7 Arthur Schult: Das Johannes-Evangelium als Offenbarung des kosmischen Christus. Remagen 1965, 92. 8 Rudolf Schnackenburg, a.a.O. 455. 9 Wilhelm Stählin: Predigthilfen. Band I: Evangelien. Kassel 1967, 376. 10 Max Zerwick: Der Brief an die Epheser. Geistliche Schriftlesung Band 10. Düsseldorf 1963, 168. 11 Franz Mussner: Christus, das All und die Kirche. Studien zur Theologie des Epheserbriefs. Trier 1968, 150. 12 Ernst Lohmeyer: Die Offenbarung des Johannes. Handbuch zum Neuen Testament Band 16. Tübingen 1953, 98. 13 Vergil, Vierte Ekloge, übersetzt von Hans Lietzmann, zit. nach Johannes Leipoldt / Walter Grundmann (Hrg.): Umwelt des Urchristentums, II. Texte zum neutestamentlichen Zeitalter. Berlin-Ost 1967, 108. 14 Zur Auslegung vgl. Eduard Lohse: Die Offenbarung des Johannes.Das Neue Testament Deutsch Band 11. Göttingen 1966. - Ernst Lohmeyer op. cit. - Emil Bock: Apokalypse. Betrachtungen über die Offenbarung des Johannes. Stuttgart 1952. 15 Rudolf Schnackenburg: Die Kirche im Neuen Testament. (Quaestiones Disputatae 14). Freiburg 1961, 105. 16 Emil Bock: Apokalypse. Stuttgart 1952, 260. 17 A.a.O. 233. Gnostische Mysterien 1 Clemens von Alexandrien: Excerpta ex Theodoto 78, zit. bei Werner Foerster in: Die Gnosis I. (Bibliothek der Alten Welt). Zürich 1969, 17f. 2 Werner Foerster a.a.O. 8. 3 Vgl. Gilles Quispel: Gnosis als Weltreligion (1951). Zürich 1972. 4 Hans Leisegang: Der Heilige Geist. Das Wesen und Werden der mystisch-intuitiven Erkenntnis in der Philosophie und Religion der Griechen 1,1 (1919). Darmstadt 1967, 234. 5 Philon: De somniis I, 200, zit. bei Hans Leisegang: Die Gnosis (1921). Stuttgart 1941, 32. 6 Irenäus: Adv. haer. I, 21, 3, zit. nach Robert Haardt: Die Gnosis. Wesen und Zeugnisse. Salzburg 1967, 134. 7 Kurt Rudolph: Die Gnosis. Wesen und Geschichte einer spätantiken Religion. Leipzig 1977 und Göttingen 1978, 251. 8 Zit. nach Hans Leisegang: Die Gnosis. Stuttgart 1941,30f; vgl. Die Gnosis I (Anmerkung 1) 441 f. 9 Wilhelm Bousset: Kyrios Christos. Geschichte des Christusglaubens von den Anfängen des Christentums bis Irenäus (1913). Göttingen 1965, 205. - Vgl. ders.: Hautprobleme der Gnosis. Göttingen 1907, 267 ff. 10 Kurt Rudolph: Die Gnosis, S. 252. 11 Das Evangelium nach Philippus, Spruch 67 f. zit nach Leipoldt-Schenke: Koptischgnostische Schriften aus den Papyrus-Codices von Nag Hammadi. Hamburg-Bergstedt 1960, 50. 12 Die Exegese über die Seele, in: Gnosis II, hrg. von Carl Andresen. Zürich 1971, 131. 13 Hans Jonas: Gnosis und spätantiker Geist I, 3. verbesserte und vermehrte Auflage.

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Anmerkungen

Göttingen 1964, 192f. 14 Vgl. u. a. Walter Bauer: Rechtgläubigkeit und Ketzerei im ältesten Christentum (1934). Tübingen 1963. - Gerhard Wehr: Esoterisches Christentum. 2., erw. Aufl. Stuttgart 1995. - Ders.: Auf den Spuren urchristlicher Ketzer. Cristliche Gnosis und heutiges Bewusstsein, Schaffhausen 1983. Kabbalistische Konjunktionsmystik 1 SoharIII,296a;vgl. Siegfried Hurwitz: Archetypische Motive in der chassidischen Mystik, in: Zeitlose Dokumente der Seele. Hrg. von C. A. Meier, (Studien aus dem C. G. Jung-Institut III). Zürich 1952, 175. 2 Sohar III, 296 a-b; vgl. Der Sohar. Nach dem Urtext herausgegeben von Ernst Müller. Wien 1932, 390. 3 Zur Einführung: Ernst Müller: Der Sohar und seine Lehre. 3. erw. Auflage Zürich 1959. - Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Frankfurt 1957 (Neuauflagen). 4 Gershom Scholem: Von der mystischen Gestalt der Gottheit. Studien zu Grundbegriffen der Kabbala. Zürich 1962, 178. 5 Gerhard Wehr: Baal-Schem-Tow, in: Die Großen der Weltgeschichte, hrg. von Kurt Fassmann. Zürich 1975, Band VI, 456-465. - Ders: Der Chassidismus. Mysterium und spirituelle Lebenspraxis. Freiburg 1978. 6 Alexandre Safran: Die Kabbala. Bern-München 1966, 182. 7 Sohar III, 29 a; vgl. Hurwitz a.a.O. 173. 8 Sohar III, 93 a; vgl. Hurwitz a.a.O. 174. 9 Gershom Scholem: Von der mystischen Gestalt der Gottheit, 180. 10 Ders.: Zur Kabbala und ihrer Symbolik. Zürich 1960, 177. 11 Ders. a.a.O. 185. 12 Ders. a.a.O. 185f. 13 Ders. a.a.O. 188f. 14 Ders. a.a.O. 190ff; femer in: H. J. Schoeps (Hrg.): Jüdische Geisteswelt. Zeugnisse aus zwei Jahrtausenden. Darmstadt 1953, 125 ff. 15 Sohar 1,49 b-50 a; zit. nach Der Sohar, hrg. von Ernst Müller a.a.O. 123. 16 Sohar II 81 a, b; zit. a.a.O. 125. - Vgl. ferner Georg Langer: Liebesmystik der Kabbala. München-Planegg 1956. - Friedrich Weinreb: Der göttliche Bauplan der Welt. Zürich 1971, 112f., 118f. Mystische Hochzeit 1 Theologia Deutsch. Eine Grundschrift deutscher Mystik. Hrg. und eingeleitet von Gerhard Wehr. Andechs 1989, 41. 2 A.a.O. 26 3 Vgl. Gerhard Wehr: Deutsche Mystik. Gestalten und Zeugnisse religiöser Erfahrung von Meister Eckhart bis zur Reformationszeit. Gütersloh 1980 (GTB 365), 80ff. 4 Theologia Deutsch, 69. 5 Vgl. Gerhard Wehr: Esoterisches Christentum. Stuttgart 1975, 176-191. -Vgl. 2. Aufl. Stuttgart 1995,184ff. 6 Symeon, der neue Theologe: Aus den Liebesgesängen an Gott, in: Ekstatische Konfessionen, gesammelt von Martin Buber. Leipzig 1921, 55. 7 Evelyn Underhill: Mystik. Eine Studie über die Natur und Entwicklung des religiösen Bewusstseins im Menschen (1928). Bietigheim o. J., 180.

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Anmerkungen

8 Friedrich Heiler: Das Gebet. Eine religionsgeschichtliche und religionspsychologische Untersuchung (1918). München 1923, 331 ff. 9 Friedrich Heiler a.a.O. 243. 10 Bernhard von Clairvaux: Sermones in Cantica Canticonim, VII, zit. nach E. Underhill, a.a.O. 181 f. " Bernhard von Clairvaux: Sermones 83, in: Bernhard: Die Botschaft der Freude. Ausgewählt und eingeleitet von Jean Leclercq. Zürich 1977, 153 (Klassiker der Meditation). 12 Bernhard von Clairvaux, in: Christliche Geisteswelt. Die Welt der Mystik. Hrg. von Walther Tritsch. Baden-Baden 1957, 99f. 13 Mechthild von Magdeburg, in: Christliche Geisteswelt a.a.O. 142f. 14 Christina Ebner, in: Christliche Geisteswelt a.a.O. 144. 15 Jan van Ruysbroeck: Die Zierde der geistlichen Hochzeit. Hrg. und übertragen von Friedrich Markus Huebner. Leipzig 1924, 339. 16 A.a.O 341. - Vgl. Bernhard Fraling: Der Mensch vor dem Geheimnis Gottes. Untersuchungen zur geistlichen Lehre Jan van Ruus-broec. Würzburg 1967. 17 Reinhard Schwarz: Die Brautmystik Martin Luthers, in: Zeitwende 52. Jahrgang Nr. 4/1981, S. 193ff. - Femer Gerhard Wehr: Martin Luther - Mystische Erfahrung und christliche Freiheit. Schaffhausen 1982; 1996. 18 Martin Luther: Predigt am 14. Oktober 1537 (WA 22,335,23 ff) zit. bei R. Schwarz, S. 196. 19 Martin Luther, zit. bei R. Schwarz, S. 203. 20 Alois Haas: Serrno mysticus. Studien zu Theologie und Sprache der deutschen Mystik. Freiburg/Schweiz 1979, 112. - Ferner Louis Cognet: Gottes Geburt in der Seele. Einführung in die deutsche Mystik. Freiburg 1980. 21 Teresa von Avila: Seelenburg, zit. bei Heinrich Dumoulin: Östliche Meditation und christliche Mystik. Freiburg 1966, 56. - Deutsche Textausgabe: Teresa von AvÜa: Die innere Burg. Stuttgart 1966; Zürich 1979. - Teresa von Avila: Gotteserfahrung und Weg in die Welt. Hrg., eingeleitet und übersetzt von Ulrich Dobhan. Olten-Freiburg 1979. Ferner Josef Sudbrack: Erfahrung einer Liebe. Teresa von Avilas Mystik als Begegnung mit Gott. Freiburg 1979. Jakob Böhme und die Vermählung... 1 Walter Delius: Geschichte der Marienfrömmigkeit. München-Basel 1963. - Gerhard Wehr: Martin Luther - Mystische Erfahrung und christliche Freiheit. Schaffhausen 1982; 1996. 2 Walter Delius. a.a.O. 218. 3 Zur Einführung Gerhard Wehr: Jakob Böhme in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Reinbek 1971 (Lit.). - Jakob Böhme: Im Zeichen der Lilie. München 1998 (Diederichs Gelbe Reihe 144). -Einführenden Charakter hat auch die kommentierte Studienausgabe der Werke Jakob Böhmes. Frankfurt a. M. 1992. - Ders.: Vom übersinnlichen Leben. Stuttgart 1986. 4 Jakob Böhme: Zweite Schutzschrift wider Balthasar Tilke 296f, in: Jakob Böhme Geistige Schau und Christuserkenntnis, 76. 5 Jakob Böhme: Aurora, Kap. 19, 8-15, zit. a.a.O. 63. 6 Ernst Benz: Sophia. Visionen des Westens, in: The Ecumenical World of Orthodox Civilisation, ed. Andrew Blane. Mouton 1973, 121 ff. - Walter Nigg: Drei große Zeichen. Elias, Hiob, Sophia. Ölten 1972. 7 Augustinus bzw. Basilius d. Gr., zit. in: Gottfried Arnold: Das Geheimnis der

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Anmerkungen

göttlichen Sophia (Leipzig 1700). Stuttgart 1963, 119. 8 Vgl. den Exkurs: Der Mythos vom Androgynen, S. 102-110. 9 Jakob Böhme: Mysterium Magnum (1623). 18,2. 10 Jakob Böhme: A.a.O. 18,6f. 11 Jakob Böhme: Vom dreifachen Leben des Menschen (1620). 9,109. 12 Jakob Böhme: Mysterium Magnum. 19,7. 13 Jakob Böhme: Von wahrer Buße. 1,34. 14 Franz von Baader, in: Bayerische Annalen 1834, zit. nach Gerhard Wehr: Franz von Baader. Zur Reintegration des Menschen in Religion, Natur und Erotik. Freiburg 1980,78. - Bernhard Sill: Androgy-nie und Geschlechtsdifferenz nach F. von Baader. Regensburg 1986. 15 Hierfür sind Böhmers "Theosophische Sendbriefe" aufschlussreich. Erste vollständige Neuausgabe. Frankfurt a. M. 1996. 16 Jakob Böhme: Zweite Schutzschrift wider Balthasar Tilke (1621), 72. 17 A.a.O. 74f. 18 Jakob Böhme: Von den drei Prinzipien göttlichen Wesens (1619), 15, 15. 19 Jakob Böhme: Von wahrer Buße I, 25, in: Christosophia. Frankfurt a.M. 1992. 20 A.a.O. I, 29. 21 Ernst Benz: Der vollkommene Mensch nach Jakob Böhme. Stuttgart 1937, 120. Vgl. ferner besonders Eberhard Pältz: Jakob Böhmes Hermeneutik, Geschichtsverständnis und Sozialethik (Habilitationsschrift). Jena 1961. - Arthur Schult: Maria-Sophia. Das Ewig-Weibliche in Gott, Mensch und Kosmos. Bietigheim 1960, S. 58 ff. 22 Jakob Böhme: Von wahrer Buße I, 32. Exkurs: Der Mythos vom Androgynen 1 Nikolaj Berdjajew: Die Bestimmung des Menschen, zit. nach Ernst Benz: Adam. Der Mythus vom Urmenschen. München-Planegg 1955, 7. 2 Julius Evola: Metaphysik des Sexus. Stuttgart 1962, 83. 3 June Singer: Nur Frau - nur Mann? Wir sind auf beides angelegt. München 1981, 18. 4 June Singer hat a.a.O. die Begriffe des Hermaphroditen, des Bisexuellen und des Androgynen zu klären versucht. - Vgl. auch Sukie Colegrave: Yin und Yang. Die Kräfte des Weiblichen und des Männlichen - Spannung und Ausgleich zwischen den beiden Polen des Seins. Bern-München 1979. - Gerhard Wehr: Der Urmensch und der Mensch der Zukunft. Das Androgynproblem männlichweiblicher Ganzheit im Lichte der Anthroposophie Rudolf Steiners. Freiburg 1964; 1980. 5 Mircea Eliade: Mephistopheles and the Androgyne, zit. bei June Singer a.a.O. 31 f. Vgl. ferner Mircea Eliade: Das Mysterium der Wiedergeburt. Zürich 1961. 6 C. G. Jung: Der Hermaphroditismus des Kindes, in: Gesammelte Werke 9, Teil I, 188. 7 Vgl. J. Jervell: Imago dei. Genesis l,26f. im Spätjudentum, in der Gnosis und in den paulinischen Briefen. Göttingen 1960. - Hans Martin Schenke: Der Gott "Mensch" in der Gnosis. Ein religionsgeschichtlicher Beitrag zur Diskussion über die paulinische Anschauung von der Kirche als Leib Christi. Göttingen 1962. 8 Vgl. Ernst Michel: Ehe. Eine Anthropologie der Geschlechtsgemeinschaft. Stuttgart 1948; 1950. 9 Zur Einführung Gerhard Wehr: Friedrich Christoph Oetinger. Theo-soph, Alchymist, Kabbaiist. Freiburg 1978 (Fermenta cognitionis 3). - Ders.: Alle Weisheit ist von Gott.

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Anmerkungen

Gestalten und Wirkungen christlicher Theosophie (u. a. über Oetinger und Hahn). Gütersloh 1980 (Gütersloher Taschenbuch 1016). 10 Gerhard Wehr: Saint-Martin. Der "Unbekannte Philosoph". Berlin 1995. 11 Willi Lambert: Franz von Baaders Philosophie des Gebets. Ein Grundriss seines Denkens. Innsbruck 1978. - Gerhard Wehr: Franz von Baader. Zur Reintegration des Menschen in Religion, Natur und Erotik. Freiburg 1980 (Fermenta cognitionis 11) 12 Belege in Ernst Benz: Adam. Der Mythus vom Urmenschen. München-Planegg 1955. 13 Gerhard Wehr: Der Urmensch und der Mensch der Zukunft. Das Androgyn-Problem männlich-weiblicher Ganzheit in der Anthroposophie Rudolf Steiners. Freiburg 1964; 2. ergänzte Auflage 1980. 14 Rudolf Steiner: Aus der Akasha-Chronik (1904). Gesamtausgabe Dornach 1955, 78. Im Umkreis der Alchymie 1 Vgl. Erich Neumann: Ursprungsgeschichte des Bewusstseins. Zürich 1949. Jean Gebser: Ursprung und Gegenwart I/JJ. Stuttgart 1949 und 1953. - Hans Erhard Lauer: Geschichte als Stufengang der Menschheit I/in. Freiburg 1956-61. - Franz Zwilgmeyer: Stufen des Ich. Bewusstseinsentwicklung der Menschheit in Gesellschaft und Kultur. Fellbach 1981. Gerhard Wehr: Jean Gebser. Individuelle Transformation vor dem Horizont eines neuen Bewusstseins. Petersberg 1996. 2 C. G. Jung: Der Geist Mercurius, in: Gesammelte Werke 13,255. 3 Mircea Eliade: Schmiede und Alchemisten. Stuttgart o. J. (1960), 43. 4 C. G. Jung: Psychologie und Alchemie. Zürich 1952, 320 (jetzt in: Gesammelte Werke 12). 5 Vgl. Rolf Christian Zimmermann: Das Weltbild des jungen Goethe. Studien zur hermetischen Tradition des deutschen 18. Jahrhunderts. Band I München 1969; Band U München 1979. 6 Herbert Silberer: Probleme der Mystik und ihrer Symbolik. Wien 1914; Darmstadt 1961. Jakob Böhme: Von der Menschwerdung Jesu Christi I, 4, 10; kommentierte Neuausgabe Frankfurt a. M. 1995. 8 Angelus Silesius: Der Cherubinische Wandersmann. Schaffhausen 1977. - Ders.: Der Himmel ist in dir. Köln 1982 (Klassiker der Meditation). 9 Jakob Böhme: De signatura rerum 7, 73; 77 f. 10 C. G. Jung: Psychologie und Alchemie a.a.O. 575. 11 Gerhard Dom (Domeus), zit. bei C. G. Jung: Psychologie und Alchemie a.a.O. 351; vgl. G. Goldschmidt: Von der Polarität in der antiken Alchemie, in: Antaios VC, 149155. 12 Heinrich Schipperges: Strukturen und Prozesse alchimistischer Überlieferungen, in: Emil Ploss u.a.: Alchimia. Ideologie und Technologie. München 1970, 91 f. Die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz 1 Richard van Dülmen: Die Utopie einer christlichen Gesellschaft. Johann Valentin Andreae, Teil I. Stuttgart 1978. Zur Einführung: Gerhard Wehr: Alle Weisheit ist von Gott. Gestalten und Wirkungen christlicher Theosophie. Gütersloh 1980 (Gütersloher Taschenbuch 1016). 2 Die vollständigen normalisierten Texte der Rosenkreuzer-Schriften finden sich in: Die Bruderschaft der Rosenkreuzer, hrg. und eingeleitet von Gerhard Wehr. Köln 1984

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Anmerkungen

(Diederichs Gelbe Reihe 53). 3 Gerhard Wehr: Christian Rosenkreuz. Freiburg 1980 (Fermenta cognitionis 10). 4 Alfons Rosenberg: Der Rosenkreuzer J. V. Andreae, in: Die Chymische Hochzeit Christiani Rosenkreutz. München-Planegg 1957, 44. 5 Rudolf Steiner: Die Chymische Hochzeit des Christian Rosenkreuz, in: R. Steiner: Philosophie und Anthroposophie. Gesammelte Aufsätze 1904-1918. Dornach 1965, 341. 6 Die Kleinbuchreihe des Autors "Fermenta cognitionis" (u. a. über Paracelsus, Valentin Weigel, Jakob Böhme, F. Chr. Oetinger, Christian Rosenkreuz, Saint-Martin, Franz von Baader, Novalis, Rudolf Steiner), begonnen im Aurum Verlag Freiburg (l978ff) -jetzt beim Autor -, sucht diesem Impuls zu entsprechen. 7 C. G. Jungs Brief vom 25. 4. 1955, in: Briefe U, 481 f. "Christus und Sophie": Das Mysterium coniunctionis bei Novalis 1 Vgl. die eingehendere Darstellung mit dazugehöriger Textauswahl aus dem poetischen und philosophischen Werk, Novalis: Der Dichter und Denker als Christuszeuge, hrg. von Gerhard Wehr. Schaffhausen 1976 (Zeugnisse christlicher Esoterik 1) 2 Gerhard Wehr: Novalis. Ein Meister christlicher Einweihung. Freiburg 1980 (Fermenta cognitionis 8). 3 Martin Beheim-Schwarzbach: Novalis - Friedrich von Hardenberg. Hamburg 1948, 65.. 4 Friedrich Hiebel: Novalis. 2. überarbeitete Auflage Bern-München 1972, 360. Mystische Hochzeit heute: Ein Bericht 1 Abgesehen von einer kurzen Erwähnung in einer Rundfunksendung, berichtete der Autor erstmals in der Freiburger Monatszeitschrift Esotera, 31. Jahrgang 1980, Heft 4,311-317. Jetzt ausführlich: Gerhard Wehr: Die Schrift aus der Mitte. Produktive Verwandlung einer Existenzkrise. Petersberg 1995. 2 Es ist dafür Sorge getragen, dass das seit 1946 zusammengetragene Material archiviert wird, um der Forschung zugänglich zu sein. Dabei handelt es sich um die medialen Schriften im Original, sodann um die von der Schreiberin selbst besorgten maschinenschriftlichen Übertragungen, um zahlreiche Manuskripte mit Darstellungen und Interpretationen, sodann um zahlreiche Tonbandkassetten, auf denen Aussprachen festgehalten sind. Schließlich ist die Korrespondenz mit einem kleinen Kreis von Ärzten, Tiefenpsychologen und Parapsychologen zu nennen. 3 Die Zitate aus den (automatischen) Schriften und Berichten der Autorin erfolgen mit ihrer freundlichen Genehmigung. Abgesehen von dem unter Anmerkung l genannten kurzen Aufsatz liegen sie nur im Manu- bzw. Typoskript vor. 4 Dem mystischen Tod ist I. Bardos Erleben insofern unähnlich, als zwar die innere Bereitschaft zum Loslassen realisiert wird; jedoch wird keine innere Erschütterung, kein "Sterben des alten Adam" in irgendeiner Form berichtet. 5 Irmengard Bardo: Erfahrungen..., Esotera 1980, Heft 4, 317. Mit der Tiefenpsychologie als Erkenntnishilfe 1 Über Herbert Silberer vgl. Paul Roazen: Sigmund Freud und sein Kreis. Eine biografische Geschichte der Psychoanalyse. Bergisch-Gladbach 1976, 331 ff. 2 Herbert Silberer: Probleme der Mystik und ihrer Symbolik. Wien 1914; Darmstadt 1961, 160.

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Anmerkungen

3 Martin Buber: Bücher und Menschen (1947), in: Buber: Hinweise. Zürich 1953, 9. 4 Mircea Eliade: Das Heilige und das Profane. Vom Wesen des Religiösen. Hamburg 1957, 52 (rde 31). 5 Esther Harding: Das Geheimnis der Seele. Ursprung und Ziel der psychischen Energie (1948), Zürich o. J., 4. Aufl. S. 352. 6 MartinBuber:Leistung und Dasein(1914),in:Hinweise,a.a.O. 12f. 7 Wilhelm Bitter: Der Verlust der Seele. Ein Psychotherapeut analysiert die moderne Gesellschaft. Freiburg 1969 (Herderbücherei 333). 8 Heraklit: "Der Seele Grenzen kannst du im Gehen nicht ausfindig machen, ob du jegliche Straße abschrittest; so tiefen Sinn (logos) hat sie." (Fragment 45). 9 Verwiesen sei im Besonderen auf das Spätwerk Jungs, z. B. Psychologie und Alchemie (1944); Psychologie der Übertragung (1946; 1963); Mysterium Coniunctionis I/II (1954; 1968). 10 G.G. Jung: Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewussten, in: Gesammelte Werke 7, 196. " C. G. Jung a.a.O. 195. 12 Vgl. u. a. Emma Jung: Animus und Anima. Zürich 1967. 13 C. G. Jung in einem unveröffentlichten Seminarbericht (1925), zit. nach C. G. Jung: Erinnerungen, Träume, Gedanken. Zürich 1962, 409. 14 James Hillman: Die Begegnung mit sich selbst. Psychologie und Religion. Stuttgart 1969, 38. 15 Marie-Louise von Franz: C. G. Jung. Sein Mythos in unserer Zeit. Frauenfeld 1972, 278f. 16 Miguel Serrano: Meine Begegnungen mit C. G. Jung und Hermann Hesse in visionärer Schau. Zürich 1968, 81. 17 Ausführlich dargestellt in der Biografie von Gerhard Wehr: C. G. Jung. Leben, Werk, Wirkung. München 1985. Hinwege im Zeichen der Coniunctio 1 Helmut Hark: Der Traum als Gottes vergessene Sprache. Symbolpsychologische Deutung biblischer und heutiger Träume. Ölten 1982. - Ders.: Träume als Ratgeber. Reinbek 1986. 2 James Hillman: Die Begegnung mit sich selbst. Stuttgart 1969, 62. 3 Ders.: a.a.O. 37. 4 Hildegunde Wöller: Selbstverwirklichung - Thema der Bibel? in: P. M. Pflüger (Hrg.): Grenzen in Seelsorge und Psychotherapie. Fellbach 1982, 90f. . 5 Ingrid Riedel (Hrg.): Der unverbrauchte Gott. Neue Wege der Religiosität. Bern 1976. - Gerd-Klaus Kaltenbrunner (Hrg.): Die Suche nach dem anderen Zustand. Wiederkehr der Mystik? Freiburg 1975 (Herderbücherei Initiative 15). - Ders.: Wissende, Verschwiegene, Eingeweihte. Hinführung zur Esoterik. Freiburg 1981 (Herderbücherei Initiative 42). - Hans Jürgen Baden: Das Erlebnis Gottes. Was bedeutet uns die Erfahrung der Mystik? Freiburg 1981. 6 Theologia Deutsch. Hrg. und eingeleitet von Gerhard Wehr. Andechs 1989. 7 JakobBöhme: Christosophie. Frankfurt a.M. 1992. - Ders.: Vom übersinnlichen Leben. (Ogham-Bücherei-28) Stuttgart 1986. 8 Ausführlicher in: Gerhard Wehr: Der innere Weg. Anthroposophi-sche Erkenntnis und meditative Praxis. Stuttgart 1994. Epilog - "Im Fall du mehr willst lesen"

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Anmerkungen

1 Angelus Silesius: Der Cherubinische Wandersmann. Schafhausen 1977 (vollständige Ausgabe). - Angelus Silesius: Der Himmel ist in dir. Zürich-Köln 1982 (Klassiker der Meditation). 2 Vgl. Erich Neumann: Umkreisung der Mitte. Aufsätze zur Tiefenpsychologie der Kultur. Zürich 1953. 3 C. G. Jung: Die Psychologie der Übertragung, in: Gesammelte Werke 16, 271.

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