Verdeckter Vermittler - Eine Reise in Die Neue Welt - Dumm
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VERDECKTER VERMITTLER
DumM EINE REISE IN DIE NEUE WELT Godly Glasses Productions Episches Cover von: Ariflorin © 2013 by Verdeckter Vermittler Lektorat: Fabian F. und Yahrey Alle Rechte vorbehalten Zukunftsmusik: Double V 1. Auflage der Online-Version. Diese PDF-Datei darf nicht modifiziert werden, das Verbreiten der Datei ist allerdings ausdrücklich erlaubt.
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VV SENDET UNENDLICHEN DANK AN...
ARIFLORIN, FABIAN F. UND
YAHREY
...IHR
HABT GEZEIGT, WAS
WAHRE
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HILFE
BEDEUTET.
Dieses Buch ist für „Insider“ gedacht, die bereits mit den anderen Werken des Vermittlers vertraut sind. Man kann die ersten drei eBooks umsonst auf der offiziellen Webseite herunterladen:
WWW.DEINEWELTORDNUNG.DE.VU
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KapiteL 1. IN DEN KLAUEN DER KOBOLDE - 7 2. DIE ENDZEIT AUF ERDEN - 14 3. HOLODECK UND MADENSCHRECK - 24 4. VON ZEITMASCHINEN UND CYBERPUNKS - 33 5. AUFSTIEG IN DEN ABGRUND - 43 6. HOMO TRANSMETROPOLITAN - 51 7. YOU ARE MY CANDY GIRL - 59 8. DIE FLUCHT AUS NOVANUT CITY - 69 9. ZOMBIES IM BLUTRAUSCH - 76 10. DER HELD AUS DER VERGANGENHEIT - 86 11. DER THRON VON GUU'N BRAZILL - 96 12. INTO THE LIGHTMARE - 102
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ICH WEIß, DASS IHR IRGENDWO DA DRAUßEN SEID. ICH WEIß, DASS IHR ANGST HABT, ANGST VOR VERÄNDERUNG. ICH BIN NICHT HIER, UM EUCH ZU SAGEN, WIE ALLES ENDET. ICH BIN HIER, UM ZU SAGEN, WIE ALLES BEGINNT. ICH WERDE DEN HÖRER AUFLEGEN UND DEN MENSCHEN DAS ZEIGEN, WAS SIE NICHT SEHEN SOLLEN. WIE ES DANN WEITERGEHT, HÄNGT VON EUCH AB.
- NEO, 'MATRIX' 6
1. KapiteL
E
IN den klauen der koboldE
ine Ära und ihr schmerzhaftes Ende... Im Jahre 2013 beendete ich die epochale VV-Trilogie mit dem herausragenden Werk 'Wir sind die Meister des Universums'. Die drei eBooks, welche den Menschen dort draußen kostenfrei zur Verfügung standen, waren getränkt mit meinem Herzblut und angereichert mit all meinem verfügbaren Wissen. Ich hatte einfach alles gegeben. Ebenso rund 130 Videoclips und mehrere hundert Artikel standen für jeden Erwachenden, der geneigt war, sein Bewusstsein offenlegen zu lassen, im Internet bereit. Am 5. April 2013 saß ich also in meinem Chefsessel und fühlte mich vollkommen leer: Der Verdeckte Vermittler... ja... wie gesagt... er hatte alles gegeben. All seine Lösungen und Informationen wurden erfolgreich verpackt und waren für jeden Normalbürger zugänglich. Die Botschaft war simpel, aufschlussreich und direkt. Jetzt mussten die Leute es nur noch umsetzen und verkörpern. Mein Job war eindeutig erledigt. Man könnte sagen, ich lebte schon immer die Freiheit und als VV animierte ich meine Mitmenschen dazu, es mir gleich zu tun und verriet ihnen die Kniffe zum Ausbruch – den Befreiungsschlag mussten sie allerdings selbst vollführen, was nicht in meinem Einflussbereich lag. Im Film 'Matrix' sagt Morpheus zu Neo: "Ich kann dir nur die Tür zeigen. Hindurchgehen musst du selbst“. Ich war fertig. Ich lebte selbst die Lösung und hatte allen anderen dabei geholfen, es ähnlich anzugehen. Mehr gab es nicht zu vollbringen. Ja... ich konnte es nicht fassen... meine Aufgabe war anscheinend erledigt. Fertig. Aus. Ende. Mehr konnte ich nicht sein und tun.
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An diesem grauen Nachmittag wanderte mein Blick aus dem Fenster, welches direkt vor meinem gemütlichen Schreibtisch einen eleganten Blick auf wippende Tannen, eine grüne Wiese und vereinzelte, schmucke Wohnhäuser offenbarte. Sollte es nun so weit sein? Durfte ich meinen wahren Kindheitswunsch in Erfüllung gehen lassen? Ich schwärmte und meine Innenwelt schweifte in die Ferne. Die Häuser verschwanden plötzlich und dunkle Wolken zogen auf; die Szenerie glich Ausschnitten aus den Verfilmungen der 'Herr der Ringe': Fiese Felsspitzen ragten nun aus dem grünen Gras heraus und ich vernahm aus der Ferne ein barbarisches Gekreische. Da sah man sie! Eine Armee von tollwütigen Kobolden erschien am Horizont, wobei ein spontanes Blitzgewitter ihre abscheulichen und hasserfüllten Mimen beleuchtete. Mit weit aufgerissenen Augen und einem verrückten Grinsen sog ich das Schaubild in mich auf. Der Anführer der Kobold-Armada ritt mit seinem Kampfwildschwein voraus. Beide waren dick gepanzert: Sie trugen an ihren kräftigen Körpern bösartig wirkende und mit Stacheln versehene Rüstungen, sowie Kriegsmalereien, welche mit dem Blut ihrer Feinde gepinselt wurden, was mir vor Schauder den Atem stocken ließ. Diese „Kobolde“ waren mittelgroße, dunkelgrüne Geschöpfe mit spitzen Ohren und langen Beißzähnen, welcher einer bösen Macht dienten und Zerstörung über die Welt bringen wollten – das berichtete mir meine innere Stimme. Dann bemerkte ich, dass ein anderer Reiter sich dem Barbarenvolk näherte: Ein blonder Hüne – klar ersichtlich ein Mensch – galoppierte auf einem weißen Pferd in Richtung Verderben; er wedelte mit einem gigantischen Panzerhandschuh herum, der magisch aufgeladen schien. Wie ich feststellte, folgte ihm auch eine Horde von eigentümlichen Kreaturen: Es waren Goblins! Ähnliche Wesen wie die Kobolde, nur kleiner, jedoch mit größeren Ohren. Der Anblick brachte mich zum Schmunzeln. Die Racker sahen süß aus, doch in ihren Augen loderte eine ernstzunehmende Entschlossenheit und in ihren Händen ruhten edel verzierte Ein-
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und Zweihandschwerter, Dolche sowie Säbel – eindeutig das großartige Schmiedewerk der Elben! Und als ich bis zum Ende der endlosen Reihen von kleinen Kämpfern blickte, fror mein Schmunzeln endgültig ein: Ein kolossaler Oger mit riesigem Zauberhut trug einen flackernden Energieball, welcher immer riesiger und greller wurde, in beiden Schaufelhänden zum Kampf. Zmooch Zwergensohn! - rief jemand in meinem Kopf. Er ist es! Dies ist die Schlacht von Broodlebruch! - das stand nun fest. Der Goblinclan der Roten Sonne und Zmooch Zwergensohn hatten sich von der dunklen Seite separiert, ihnen gelang die Flucht aus den mächtigen Klauen des dunklen Hexenlords Jynn Raddah. Sie fanden Zuflucht bei den Menschen, dessen Feldführer Brodus Steelfist ihnen loyale Unterstützung schwor. Die Streitmacht der Kobolde sollte diesen Verrat vergelten und in dem Geruch von unzähligen Leichen ersticken lassen. Heute war der Tag gekommen, heute kam es zur epischen Schlacht! - all dies sprudelte aus mir heraus und ich konnte die aufkommende Spannung kaum aushalten, besonders, während die beiden Heerführer sich in der Mitte der riesigen Wiese trafen, wobei die Heere auf den zwei Seiten still wie die Felsen standen, und Brodus Steelfist energisch den rechten Arm in den donnernden Himmel hievte. Er brüllte einen verdorbenen Fluch, der in dem Gebrüll der fauchenden Kobolde unterging. Es war wohl eine Kampfansage gewesen, denn mit Schrecken sah ich mit an, wie Brodus seinen Funken sprühenden Handschuh mit nur einem Hieb in die hässliche Visage des anderen Anführers hämmerte, wobei er sich - aufgrund der Größenunterschiede - vom Pferd fallen lassen musste. Der magische Schlag hatte solch eine Wucht, dass der Kopf des Kobolds, trotz dem eindrucksvollen Helm, den die Gestalt getragen hatte, auf der Stelle zerplatzte. Das Kampfwildschwein schrie auf, es war über den Verlust seines Meisters nicht gerade erfreut. Der Mensch lag im schlammigen Gras, das sein glamouröses Outfit braun färbte, als das wütende Tier die tödlichen Hauer in seine Seite rammen woll-
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te, was jedoch gründlich schief ging: Der Mann mit der Stahlfaust streckte bequem und arrogant-grinsend seinen Arm nach vorne, wodurch er regelrecht in das Wildschwein griff. Ja, ich sah richtig... die schwere, exorbitante Hand dürfte in der düsteren Darmregion gelandet sein. Igitt. Und natürlich ahnte ich nichts Gutes: Ein magisch aufgeladener Handschuh im Körper eines Feindes... und schon machte es Platsch! Brodus Steelfist flogen Fetzen des Reittieres entgegen und sein vormals anmutiges Auftreten machte nun endgültig einem schauerlichen Anblick Platz. Schlamm, Blut und Gedärm konnten sein Grienen allerdings nicht verdecken, welches er provokant in die Richtung der Feinde warf. Diese fingen an, höllisch zu toben und stürmten endlich los; die Goblins und ihr riesiger Begleiter taten es ihnen gleich. Mein Bürosessel fing an zu vibrieren, so stark war das Beben, welches durch die unzähligen Stampfer verursacht wurde. Zmooch Zwergensohn wuchtete angestrengt den pulsierenden Energieball über seinen Kopf und stieß ihn mit einem grölendem Stöhnen in das Tal hinunter, wo die ersten Kämpfer gleich aufeinanderprallen würden. Ich konnte mir bereits das grauenvolle Geräusch vorstellen, welches eintrifft, wenn zwei brachiale Massen von Grünhäuten aufeinander krachen – mit gezückten Schwertern und schwingenden Äxten. Gleich sollte es passieren... Brodus würde als erster Feindkontakt haben... mit der Faust voran lief er kreischend in das Gefecht... über seinem Kopf flog der glitzernde Zauber des Ogers... jetzt war es soweit... ich zitterte... der Himmel gab ein letztes Unheil verkündendes Grollen von sich... und dann... »Schnuckelpupsi!«, tönte es, als die Tür schlagartig geöffnet wurde. »Na, was stellst du für einen Unsinn an? Spielst du mal wieder den tapferen Brillenmann?« »Mum...« »Wann hörst du endlich mit diesem Zirkus auf?«, fragte mich meine Mutter in einem säuselnden Ton.
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»Aber...« »Wie auch immer. Was ist mit dem Wassergeld vom letzten Monat? Bekommst du es hin, es zu zahlen, oder ist das zu viel verlangt?« »MUM!« »Du solltest dein Geld nicht in diese dämlichen Wrestling-Artikel investieren und in all diese merkwürdigen Bücher. Wie wäre es, wenn du deinen Eltern...« »Ich gebe euch nächste Woche das Geld. Klar? Und nun lass mich bitte in Ruhe – ich gehe Ideen nach«, keifte ich gereizt und machte eine abweisende Bewegung mit der Hand. »Ideen? IDEEN?« »Äh... ja... Ideen!« »Vielleicht bringen sie dir ja mal einen Lebensunterhalt ein, diese sogenannten Ideen. Das wäre praktisch. Du könntest dir eine eigene Wohnung besorgen – wie wäre das? Übrigens: Da war ein schlimmer Rennstreifen in deiner letzten Unterho...« »ES IST GUT, MUM. OKAY? GEH BITTE!«, schrie ich und bebte vor Wut. Die Tür knallte wieder zu und durch sie hindurch hörte ich gedämpft ein zorniges „Womit habe ich dieses Kind verdient“, welches sich immer weiter entfernte, bis endlich wieder Ruhe einkehrte. Da fiel mir noch etwas ein, warum ich das Heldenkostüm des Vermittlers an den Nagel hängen musste: Verdammte Scheiße, das Ganze brachte mir einfach nicht genügend Moneten ein! Ich hatte es satt, mir von meiner Mutter meine dreckige Unterwäsche unter die Nase reiben zu lassen. Ich brauchte wirklich Geld für eine eigene Wohnung. Mein Selbstwertgefühl war im Keller und Ratten nagten meine Seele an. Wieder wurde mir klar, dass ich alles gegeben hatte. Was sollte ich denn noch tun, verflucht!? VV war das beste Pferdchen im Aufklärungs-Stall Deutschlands – niemand schaffte es, diesem gra-
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natenstarken Typen das Wasser zu reichen. Und trotzdem konnte er sich mit seinen Leistungen nicht über diesem Wasser halten. Das brachte mich in Rage. Ich hatte mehr verdient – viel mehr! Der Ausweg... wo ist der Ausweg?, fragte ich mich aufgebracht. Als die Entrüstung ihren Höhepunkt erreichte, tauchte vor meinem Fenster wieder die Kulisse meiner lebhaften Fantasie auf: Eine regelrechte Explosion entstand, als die Kobolde und die Goblins in einem mörderischen Tempo aufeinanderstießen. Die Energiekugel des Ogers landete mit einem bombastischen Knall auf dem Erdboden und sogar mein Zimmer wurde von diesem lichterlohen Spektakel erleuchtet. Auch in meinem Schädel kam es zu einer Ejakulation. Mit einer vom Wahnsinn eroberten Mine flüsterte ich sanft: »Ich werde Fantasy-Autor.« Ich klappte begeistert meinen Laptop auf, welcher schon die ganze Zeit vor mir lag. Mein Kindheitstraum! Endlich sollte er wahr werden...
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ES GIBT MENSCHEN, DIE KÖNNEN NIE NACH PHANTÁSIEN KOMMEN. UND ES GIBT MENSCHEN, DIE KÖNNEN ES, ABER SIE BLEIBEN FÜR IMMER DORT.
- MICHAEL ENDE 13
2. KapiteL
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Die endzeit auf erdeN
äre ich doch niemals Fantasy-Autor geworden. Ich habe sie alle im Stich gelassen. Ich habe die Menschen sitzen gelassen. Ich hätte weiter als VV arbeiten sollen... rotieren die Vorwürfe und Schuldgefühle durch mein Bewusstsein. Erlöse mich... erlöse mich...
Ich schütte einen weiteren Likör hinunter. Das Teufelszeug, welches wir aus verschimmelten Pilzen gewinnen, ist mein Heilsbringer und mein Retter, die Medizin, die meinen Verstand zur Ruhe zwingt und meine Vergangenheit und Gegenwart betäubt. Das Glas, aus dem ich nun schon seit Monaten trinke, ekelt mich kaum noch an, es ist bereits grünlich verfärbt und stinkt nach Fäule. Hier gibt es nur vergiftetes Wasser, was von oben heruntersickert – wir danken den Göttern, wenn dies passiert. Es reicht gerade mal so, damit wir nicht gänzlich austrocknen und unseren Alkohol brennen können. Wir bereiten auch unseren eigenen Urin auf, um das gereinigte Pisswasser zu trinken; wir können gerade mal so unseren Organismus am Laufen halten. Einen Abwasch zu machen oder unsere eigenen gebrochenen Körper zu reinigen... ist allerdings reine Utopie. Man gewöhnt sich an den beißenden Gestank, auch an die ekelhaften Hautkrankheiten, die uns befallen wie eine moosige Landschaft. Der Mensch kann sich an alles gewöhnen; es ist faszinierend, wie anpassbar er doch ist. Ich bin oberflächlich glücklich, hier an der Bar sitzen zu dürfen, einen 'Fresh Funghi' zu kippen und Pilzkraut zu paffen. Wir verarbeiten die feinen Wurzelhärchen von Champignons zu Tabak und rauchen das Zeug, wobei wir Papier von Kindermalblöcken als Blättchen nehmen. Ich fürchte den Tag, an dem uns dieses wertvolle Material ausgeht. Warum? Da-
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mals habe ich des Genuss wegen geraucht, nun muss ich es tun, um zu überleben. Weiß der verpestete Himmel, was die verdammten Champignons hier unten zu suchen haben – vielleicht wurden sie auch von der toxischen Oberwelt nach unten gedrängt, genau wie wir – doch sie sichern uns unser Überleben. Die Tyrannen von oben vergasen jeden Hohlraum, der sich jemals unter der Erde gebildet hat, damit niemand es vermag, sich zu verkriechen, weswegen wir anfangs viele Männer und Frauen verloren haben. Ihr müsst wissen, dass wir uns verdammt weit „unten“ befinden 1, wir wurden ganz langsam ausgelöscht, bis der alte Smitty, unser Biologe, dahinter kam, dass man uns regelrecht wie Ungeziefer ausräuchert. Auch hatte er damals, in der guten, alten Zeit, davon gehört, dass mäßiges Rauchen vor Lungenkrebs schützt – ganz entgegen aller Lehrmeinungen. Es hieß, dass sich dabei eine Schleimschicht auf der Lunge bildet, welche dann als Schutz vor schädlichen Stoffen der Umwelt agiert. Die letzten Überlebenden versorgte Smitty mit Pilzkraut-Zigaretten und betete, dass seine irre Idee Wirkung zeigen würde. Und, ja... hier sitzen wir, vollkommen der Knechtschaft dieser Gewächse unterworfen: Wir essen sie, um nicht zu verhungern. Wir saufen sie, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen. Und wir rauchen sie, damit wir nicht vergiftet werden. Es handelt sich freilich nicht um handelsübliche Champignons, es sind mutierte Versionen ihrer Vorfahren. Ansonsten würde ich nicht schon wieder diese Farben sehen, die mich betören und zum Lachen bringen. Smitty behauptet, die Pilze hätten starke Abwehrstoffe gegenüber der Neuen Welt entwickelt, und genau diese Stoffe legen bestimmte Bereiche des Gehirns lahm. Ich schmunzle, während bunte Schleier vor meinen Augen entlanggleiten und kribbelnd meinen verkrusteten Körper berühren. Tief in mir könnte ich vor Verzweiflung brüllen und weinen. Ihr müsst noch so vieles über meine Zeit lernen, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll. 1
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Wer sind „wir“, werdet ihr euch fragen. Wir sind die Überbleibsel einer ehemals legendären Rebellen-Truppe, die sich seit dem radikalen Aufbäumen der Neuen Weltordnung (NWO) gezwungen sah, sich in den Untergrund zurückzuziehen. Wir sind womöglich die letzten Überlebenden der alten Menschheit. Die letzte Hoffnung. Der letzte Widerstand. Der letzte Funken Licht – zugebuddelt mit Tonnen von verseuchter und stinkender Erde. Und wenn ich Untergrund sage, dann meine ich Untergrund. Damals übernahmen wir alte Höhlensysteme und bauten diese immer weiter aus; damals, als die Lage langsam eskalierte und die NWO die Menschen immer mehr versklavte und zu lebendigen Robotern aus Fleisch und Blut verwandelte. Die Verschwörungstheorie hinsichtlich der sogenannten „Illuminati“ erwies sich als wahr: Einer verhältnismäßig kleinen Gruppe von Dämonen besessenen Individuen gelang es tatsächlich, die Weltgeschehnisse zu beherrschen, indem sie sämtliche Führungspositionen der Erde infiltrierte, sei es in der Politik, in der Wirtschaft, in den Medien oder sonst einem Gebiet, welches Macht ausüben konnte und großen Einfluss auf die Menschen hatte. Sie zettelten künstliche Kriege an, die sie selbst untereinander planten, um globale Schrecken und Kontrolle zu installieren. Sie entfachten Flammenherde von Verbrechen, von Kriminalität, von Arbeitslosigkeit und Armut – mit steinernem Herzen und eiserner Hand zwangen sie die Menschen auf die Knie. Namen wie Merkel, Obama, Putin, Berlusconi, Jong und Zuma waren trügerische Masken von ein und der selben Hintergrundmacht, die versteckten Faschismus und heimliche Sklaverei vorantrieb. Mit Gewalt wurde 2017 der berüchtigte Mikrochip eingeführt, welcher allen Europäern und Amerikanern unter die Haut der rechten Hand implantiert wurde. Den inszenierten Terror-Wahn pushten die Illuminati so sehr, dass jeder Mensch ohne Chip angeblich eine Gefahr darstelle. Außerdem war das Implantat dafür zuständig, die
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bargeldlose Währung endgültig abzusichern. Man zahlte mit seinem Chip und auch die Krankenversicherungskarte wurde durch ihn abgelöst. Ohne diesen Fremdkörper in dir, warst du sozusagen dazu verdammt, zu verrecken. Es sei denn, du hattest Kontakte. Und die hatten wir: Matt Bauer war ein junger Zögling der Rothschild-“Dynastie“, welcher es geschafft hatte, aus seiner Illuminati-Programmierung auszubrechen. Vorher nahm er alle Informationen mit, die man sich nur erträumen kann: Spots der geheimsten Untergrundbasen. Zukunftspläne. Grauzonen der Überwachung. Medizinische Technologien. Funktionsweisen von Erfindungen. Was auch immer: „Bauer“, so wie wir ihn einfach nannten, hatte überall seine Finger im Spiel gehabt und seine Spionage-Tentakel griffen nach den tiefsten Geheimnissen der Agenda, in die er eigentlich fest eingeplant gewesen war. Er war in die höchsten Gefilde der Verschwörung eingeweiht worden und sprang dann schließlich gekonnt ab. Er tauchte unter, und zwar genau dort, wo er wusste, dass er sicher sein würde. Im tiefsten kanadischen Wald gab es einen Punkt, an dem langfristig keine Planungen der Tyrannen eine Gefahr bedeuten würden – der perfekte Platz, um einen „Stützpunkt“ zu errichten. Es ist kaum zu glauben, durch was für einen glücklichen Zufall ich den Segen erlangte, ebenso in diesem Quartier unterzukommen. Eine Hochburg des Widerstandes war geboren, und ich durfte ein Teil davon sein. Ich saß damals im Büro, als die Polizei der Neuen Welt in mein Haus eindrang und unangemeldet die Tür des Zimmers auftrat. Mein Hund, schlichtweg 'Bello' genannt, sprang schockiert unter dem Tisch hervor und wollte mich verteidigen, als einer der „Rambos“ mit seinen Stahlkappen-Tretern meinem besten Freund einen Stoß verpasste. Er flog regelrecht gegen die Wand und war sofort tot; ich sah nur noch, wie sein lebloser Körper auf den Boden aufprallte und liegen blieb – genau
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so, dass seine leblosen Augen mich anvisierten. Ich werde diesen Anblick nie wieder vergessen. Nie wieder. »Weine nicht schon wieder, Lou. Das ist es doch nicht wert«, sagt Matt zu mir rüber und legt seine schäbige Hand auf meine Schulter. »Wie viele Jahre ist es her, Kamerad? Fünf? Acht?« »Zwanzig«, korrigiere ich ihn trocken. »Sein totes Gesicht...«, möchte ich erzählen, doch der Schmerz durchdringt das narkotisiertes Gehirn und schießt durch mein gebrochenes Herz. Der Barmann unserer Basis stellt mir zwei 'Fresh Funghi' auf den zerschrammten Titan-Tresen: Er kennt das alte Spiel. Im Jenseits werde ich ihm für seine Unterstützung danken. Barney, der Barmann, ist der Seelendoktor unserer Truppe – ohne ihn wären wir alle schon längst ausgerastet. Ich kippe beide Liköre auf einmal und sie brennen die Schwere aus meiner Brust, schalten all meine Gedanken ab. Matt spricht wieder zu mir, doch ich höre ihm nur halb zu: »Ich weiß noch, wie zerprügelt du in das FEMA 2-Camp eingeliefert wurdest. Meine Güte, Lou! Du warst halbtot.« Er soll aufhören, mich Lou zu nennen, bevor ich den Laden hier auseinandernehme, denke ich mir, und schaue ohne mit der Wimper zu zucken in die Leere. Das ist das Brillante an diesem speziellen Alkohol: Er schießt alle Gedanken sofort wieder in das Niemandsland, dorthin, wo die Mistviecher hingehören. Sie bleiben nicht lange, all diese lästigen Kopfspielchen zerplatzen wie eine jämmerliche Seifenblase. FEMA = Federal Emergency Management Agency. Bei den Camps handelte es sich offiziell um Lager, die vom Katastrophenschutz erbaut wurden, damit in Notsituationen Unterschlupf und Versorgung für Betroffene gewährleistet werden konnten. In Wirklichkeit entpuppten sich diese Einrichtungen allerdings als wahrhaftige Konzentrationslager, in denen bei der großen Rebellion von 2021 unzählige „gefährliche Menschen“ ihr Ende fanden, oder zumindest eingesperrt und gequält wurden. 2
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»Der Verdeckte Vermittler war ein dicker Fisch. Ich weiß, dass du das nie geahnt hast, aber in deinem Heimatland hast du große feinstoffliche Wellen geschlagen, Kamerad. „Sie“ haben dich nie aus den Augen gelassen... selbst, als du...« »Das ist die Vergangenheit, Bauer. Die Vergangenheit«, presse ich ruhig aus mir heraus und wünsche mir, dass er aufhört, in meinen klaffenden Wunden zu buhlen. »Kannst du dir vorstellen, dass du mit ganz oben auf der roten Liste standest, trotz all den Jahren deiner VV-Abstinenz? Grundgütiger! Meine Sippe hat dich gehasst wie die Pest, Lou. Du hast die Menschen bewegt.« Ich habe sie alle im Stich gelassen. Ich habe die Menschen sitzen gelassen. Ich hätte weiter als VV arbeiten sollen. Neue Bücher. Mehr Artikel. Mehr Videos. Mehr Hilfe per E-Mail. Mehr Organisation. Mehr Inspiration. Mehr alles. Ich habe versagt. Ich habe meine Mission nicht erfüllt. Ich bin ein Versager, ein Schwanzeinzieher. Ich Scheißkerl, ich hätte weitermachen sollen. Ich habe versagt. Ich hätte weiter als VV arbeiten sollen. Neue Bücher. Mehr Artikel. Mehr Videos. Schwanzeinzieher. Mehr Hilfe per E-Mail. Mehr Organisation. Mehr Inspiration. Versager. Mehr alles. Ich wollte es verhindern. Ich wollte es aufhalten. Ich habe den Menschen das Paradies versprochen, habe ihnen gesagt, „alles wird gut“. Ich Schandmaul. Ich bin ein niederträchtiger Bastard. Ein Scheinheiliger. Schwanzeinzieher. Schwanzeinzieher. DU SCHWANZEINZIEHER! Du bist ein Narr, VV. Ein Versager. Ein Schwanzeinzieher. Schandmaul. Scheißkerl. Scheinheiliger. Du bist ein Niemand. Mein bester Freund ist gestorben. Es ist meine Schuld. Alles ist meine Schuld. Ich hätte weiter als VV arbeiten sollen. Mehr Bücher. Mehr Artikel. Mehr Videos. Mehr Hilfe per E-Mail. Mehr Organisation. Mehr Inspiration... ...mal wieder erdrosselt mich mein endloser Mindworm. Seit den zähen Jahren spukt er in meinem Kopf herum, und ich
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füttere ihn täglich. Wie benommen hockte ich neben Bauer, während er mich fortlaufend mit alten Geschichten bombardiert. »Damals las ich dein 2. eBook, welches Aktivisten ins Englische übersetzt hatten... und ich dachte mir... Grundgütiger... dieser Mann ist eine brandheiße Bedrohung! Ich dachte mir... würde mein Vater dich in die Finger bekommen...«, quasselt er voller Begeisterung, sodass sogar seinen knallroten, kaputten Augen ein Funkeln entlockt wird. Bauer liebt mich. Er liebt mich wirklich. Er hat seinen eigenen Hals riskiert, um mich aus dem Camp zu retten und er nahm mich mit nach Kanada, wo wir eine Resistenz gegen das monströse System aufbauten. Am Anfang sah alles vielversprechend aus: Wir hatten einen geschützten Platz, um zu planen und zu agieren und eine riesige Mannschaft der qualifiziertesten Pioniere aller Gebiete. Wir gaben nicht auf und arbeiteten motiviert daran, das Erwachen wieder aufblühen zu lassen. Dann passierten jedoch Dinge, die nicht ganz einkalkuliert waren. Abrupt erreichte uns die Nachricht, dass alle Wälder der Erde durch bewaffnete Flugdrohnen abgescannt werden sollten, was später auch eintraf. Dieses Unterfangen schien global nicht durchsetzbar zu sein, doch die enorme Maschinerie der Weltregierung, die nun entstanden war, sorgte für eine unberechenbare Waffenindustrie und für genügend willenlose Sklaven, die bei dem Wahnsinn gezwungen waren, mitzuwirken. Dies ging als die sogenannten Woodland Wars in die Geschichte ein: 2023 bekriegten sich Rebellen und Abtrünnige mit den Drohnen. Der Wald war für viele das letzte Rückzugsgebiet und ihre einzige Chance, zu überleben. Es hatten sich relativ mächtige Kommunen gebildet, die nun, eine nach der anderen, eiskalt abgeschlachtet wurden. Wenn die Drohnen nicht reichten, um den Widerstand zu brechen, schickte man die neusten Roboter in den Krieg, welche von der Elite offiziell als Peace-Mechs betitelt wurden. Zweibeinige Killermaschinen mit außerirdisch-anmutender Frequenz-Technologie, welche Aufständische mit modifizierten Mikrowellen das Fürchten
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lehren konnten, überrannten selbst die hartnäckigsten Gruppierungen. Wer einmal die hochmodernen Waffen der Weltpolizei oder der Weltarmee gekostet hatte... der traute sich nie wieder ein aufständisches Tönchen von sich zu geben. Ja, sogar seine Gedanken hielt er vorsichtshalber „rein“. Ihr könnt euch nicht den höllischen Schmerz vorstellen, den diese Kriegswerkzeuge anrichteten. Smitty hatten sie einmal erwischt und seitdem war er nie wieder der Alte; in ihm wurde etwas ausgelöscht, ein Teil von ihm war gestorben. Aufgrund dieser Umstände, sahen wir uns gezwungen, unsere Untergrundbasis Tag und Nacht zu bevölkern, wir konnten keinen Fuß mehr vor die Tür setzen. Und da die Drohnen auch Eingänge von Höhlen, Bunkern und allem Möglichen absuchten, sahen wir uns gezwungen, komplett „dicht“ zu machen. Mit solch einer schnellen Entwicklung hatten wir nicht gerechnet und man tat sein Bestes, sich tief in die Erde zu begeben und hinter sich aufzuräumen. Wir waren nun endgültig auf der Flucht. Viele bekundeten, dass die andere Richtung, der Himmel, doch besser gewesen wäre, aber dieser Bereich wurde schon seit Jahren per „Star Wars“-Technologie abgesichert: Wenn etwas ohne Erlaubnis in den Luftraum eintrat, wurde es per Satelliten-Laser zu Staub verarbeitet. Viele unserer Forscher wären gerne mit ihren Freie-Energie-Flugscheiben davongedüst, doch es wäre ihr sicherer Tod gewesen. Also gruben wir tiefer, und tiefer, und tiefer. Wir waren Hunderte Menschen, welche fest organisiert arbeiteten – auch für Materialien und Maschinen war gesorgt. Prophylaktisch wurden nun „Schwingungsdämmer“ in die Erdschicht über uns integriert, was ein Gewaltakt darstellte. Das Dämm-Material war gerade von einem Professoren-Team neu entwickelt worden, und sie lagen mit ihrer Erfindung genau richtig. Wir erhielten kurze Zeit später die Botschaft einer befreundeten Kolonie: Die Illuminati hatten Methoden entwickelt, um sogenannte „Körperfrequenzpakete“ zu orten. Erst recht jene, die keinen aktiven Mikrochip im Schwingungsfeld aufweisen konnten. Unsere ge-
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samte Truppe hatte sich zu Anfang als Vorsorge in einem gefährlichen Verfahren selbst bestrahlt. Ich bin kein Wissenschaftler, und kann die genauen Vorgänge nicht näher beschreiben, doch diese besondere Strahlung war die uns einzig bekannte Möglichkeit gewesen, die Module unter der Haut zu deaktivieren; durch eine Operation wäre ein Mechanismus aktiviert worden, welcher den Betroffenen ein tödliches Gift injiziert hätte. Vielen fielen die Haare oder die Zähne aus. Manche entwickelten geistige Krankheiten. Aber es war nötig gewesen, es war der einzige Weg, der uns in den Sinn kam, um das Auffliegen durch die Ortung der Chips zu verhindern. Dann fing als letzte Maßnahme die Phase der Vergasung an. Wir hatten ein Röhrensystem eingerichtet, welches uns mit Sauerstoff versorgte und durch diese notwendigen Öffnungen wurden wir beinahe komplett ausgerottet. Bauers Einschätzung nach, wird es kaum eine andere so fortgeschrittene Station wie unsere geben. Er nahm die großartigsten Forscher dieser Welt mit ins U-Boot und hatte Einsicht in die großen Pläne. Viele solcher Rebellen-Stämme wie uns dürften nicht mehr existieren. Die Meisten wurden aufgespürt und ermordet – mit den diabolischen Methoden der Neuen Welt.
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SIE KÖNNEN NICHT EINFACH IHR GEHIRN AN DIE MASCHINE ANSCHLIEßEN, OHNE DASS ES GRAVIERENDE AUSWIRKUNGEN AUF SIE HAT.
- '13TH FLOOR'
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3. KapiteL
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Holodeck und madenschrecK
chlendernd schreite ich durch die Gänge der Basis, bloß weg von unserem Bar-Bereich, denn Bauer hat meine schlimme Laune in eine schreckliche Stimmung verwandelt und ich weiche ihm besser aus. Mein ehemals „positives Denken“ habe ich schon lange aufgegeben. Aus „bunt ist das Dasein und granatenstark“ wurde „grau und staubig ist mein Leben und es besitzt die Schubkraft einer Wasserpistole“. Ich lebe nun, so glaube ich, zehn Jahre unter der Erde und es besteht kaum eine Hoffnung, dass sich dies jemals wieder ändern wird. Wenn das Wörtchen „kaum“ nicht wäre... etwas in mir drängt mich... ich möchte Parah aufsuchen, sie ist ein Medium, welches ehemals aus Haiti zu uns kam. Wir nennen sie meistens das „Orakel“ und sie hat uns oftmals mit ihren außersinnlichen Fähigkeiten und ihren merkwürdigen Voodoo-Künsten das klägliche Wurm-Leben gerettet. Man muss ihr nur etwas geben, was sie zerfleischen kann, etwas mit glibberigen Eingeweiden, in denen sie wühlen darf, und dann erhält man mit etwas Glück überlebenswichtige Informationen... oder obskure Visionen. Seit drei Jahren redet sie davon, dass wir bald auf eine Rettung hoffen können, auf einen „Helden der Vergangenheit“. Bauer, welcher so etwas wie unser Anführer geblieben ist, schwört auf diese Prophezeiung und hängt der Voodoo-Priesterin an den Lippen. Allen Fokus und alle Hoffnungen setzt unser „Volk“ momentan in eine Maschine, welche Smittys Bruder, Smiffy, eifrig am Bauen ist. Sie... Ich erstarre vor Schreck, wobei mir fast meine sogenannte Pilzigarre hinfällt, die ich gerade noch beim Laufen gebastelt hatte. Das ist eine besonders große „Zigarette“, welche ich
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manchmal auch Blue Pill-Zigarre nenne, da sie die ungemütliche Wahrheit über die Realität auflöst. Auf den spiegelnden Titan-Platten an den Wänden sehe ich einen zusammengekauerten Primaten in den Seilen hängen, wobei es sich hier wohl eher um Kabel handelt. Die kümmerliche Kreatur sitzt vornübergebeugt in einer düsteren Ecke. Wenn all die blinkenden Anzeigen nicht wären, dann hätte ich ihn gar nicht erst entdeckt. Er macht uns schon seit einigen Monaten gewaltige Sorgen, doch so schlimm habe ich ihn noch nie erlebt. Getrocknete, leimartige Spucke verklebt den Mund, die Affenhaare voller Spinnenweben und am Nacken, dort wo der Stecker des Hologram-Head-Hubble seinen Eingang in den Schädel findet, sind fiese Brandspuren zu sehen. Das kommt davon, wenn man zu viel „steckert“; bei den alten Modellen des Triple H schädigten die hohen Datenmengen der interaktiven KopfHologramme langsam das Gewebe. Damalige Holo-Junkies, die sich zu oft und zu lange den Stecker in den Hinterkopf stießen, um sich in virtuelle Realitäten zu flüchten, hatten meistens komplett zerfressene Köpfe mit hässlichen, eiternden Wunden und verkohltem Haar. Neben dem Primaten liegen zwei solcher Kandidaten, sie sehen aus wie zerfallene Zombies. Nach dem 3D-Kino und den 3D-Flachbildfernsehern kamen schnell Produkte, die Hologramme erzeugen konnten. Im rasenden Tempo wurden immer neuere, intensivere Medien auf den Markt geworfen, Technologien, welche die Weltherrscher schon lange in den Schubladen liegen hatten – sie warteten nur darauf, sie Schritt für Schritt an den Mann zu bringen. Die armen Menschen ahnten nicht das Unheil und bekamen gar nicht genug von der Technik, sie nahmen alles mit offenen Armen an. Als dann die direkte Verbindung zwischen Organismus und Gerätschaft erfolgte, wurde die Gesellschaft zwar skeptisch, doch das Erlebnis erwies sich als so berauschend und grenzenlos, dass sie es dankbar annahm. Die Welt dort draußen wurde immer unerträglicher und der Drang nach virtuellen Sphären wuchs – in ihnen war einfach
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alles möglich. Auch ungezügelte Perversion. Wieder erschrecke ich mich, als ich gerade meinem armseligen Freund den geschundenen Kopf streichle, welchen ich nun zu mir gerichtet habe. Mein Partner zuckt unverhofft und quiekt wie ein Schweinchen. Sein Becken macht anstößige Bewegungen. Frischer Sabber rinnt das Kinn herunter. Ich schaue auf den Bildschirm und bringe in Erfahrung: „Scharfe Schimpansenfrauen wollen DEINE Banane!“. So heißt das Programm, welches gerade durch den Triple H vibriert. Sehr einfallsreich. Schlagartig gehen die Augen des Süchtigen auf und mir gefriert das Mark in den Knochen: Sie leuchten blau, so als wären sie elektronisch geladen. »Grnarrak...«, flüstere ich bestürzt und mir kommen wieder Tränen vor Verzweiflung und Wut den Körper hochgekrochen. Der primatenartige Humanoide stammt ursprünglich aus einer anderen Dimension, zwischen der er damals nach eigenem Belieben wechseln konnte. Er war ein tapferer Botschafter und ein wahrer Bringer des Lichts. Bis eines Tages die Illuminati etwas Unfassbares vollbrachten. Im Jahre 2016 kam es zu einer weltweiten Revolte gegenüber dem NWO-System, bei der die Straßen Europas gestürmt wurden und Menschen ihre Freiheit einforderten. Leider folgten brutale Aufstände, was den trickreichen Tyrannen den Freischein gab, einen skrupellosen Polizeistaat zu errichten. Kurz gesagt: Nachdem diese Revolution im Keim erstickt wurde, verpasste man der Menschheit schnell den besagten Mikrochip, welcher nicht nur ein Sender war, sondern auch ein Empfänger: Man konnte nun die „Körpercomputer“ der Menschen in einem großen Rahmen beeinflussen, indem man ihnen bestimmte Informationen zusendete – regelrechte Programmierungen. So konnte sogar heimlich in Gedanken eingegriffen werden – und vieles mehr. Mit der Zeit speiste die Elite immer wieder die Botschaft in die Schaltkreise der Menschen, dass wohlwollende Aliens uns bald besuchen werden und unser Leben gewaltig verbes-
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sern würden. 2024 offenbarten die Illuminati dann die Hälfte von ihrem wahren Gesicht und gaben zu, dass sie mit „Außerirdischen“ in Kontakt standen, welche uns angeblich friedlich gesinnt seien. In Wahrheit waren die Illuminati seit jeher „Teufelsanbeter“ und okkulte Diener von Dämonen, von negativen interdimensionalen Kräften, welche danach trachteten, den Planeten zu versklaven und ihn als Super-Batterie zu missbrauchen. Matt Bauer erzählte einmal davon, dass er mit anschauen musste, wie sein Vater von solch einem Geschöpf besetzt wurde – die Augen verwandelten sich zu denen einer Schlange und die Haut wurde schuppig. Durch Rituale kann man Dämonen in die hiesige Frequenz-Dichte ziehen. Und genau das wurde im großen Stil im Jahre 2024 vollbracht. Bei einem Mega-Ritual saugte man die hochrangigen Reptiloiden in unsere 3D-Welt und bindete sie durch eine irre, magische Vorrichtung auf unseren Planeten. Leuchtende Echsenwesen spielten sich seit jeher als Götter und Erlöser von einem anderen Stern auf. Alle Kritiker, Freigeister und Rebellen waren eingestampft. Es funktionierte, und ein regelrechter Kult entstand, so wie man es damals aus Großbritannien und dem Königshaus kannte. Reptos waren nun „in“. Dummerweise befand sich Grnarrak zum Zeitpunkt der Bindung auch in unserer Dimension und wir fanden nie ein Mittel, um den Bann zu brechen. Es schien eine Art Schild errichtet worden zu sein, welches nichts rein und nichts raus ließ. Parah meint, es sei ein Energiegitter, das um die Erde gespannt wurde, wodurch wir vom Kosmos abgeschottet sind. Grnarrak fehlte die feinstoffliche Nahrung aus seiner Heimat-Welt und er ging immer mehr ein. Das einzige, was ihm blieb, waren die Hologramm-Illusionen, mit denen er sein Inneres nährte. Aus einem mächtigen Geist wurde ein abgeschotteter Schatten. »Komm, ich nehme dich mit«, sage ich zu ihm, doch er hört mich nicht. Seine zerfledderte rot-schwarze Kluft plustert sich ein letztes Mal auf, und dann hat er wohl den Höhepunkt er-
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reicht. Er sackt zusammen und schläft erschöpft ein. Das Programm ist beendet und ich darf ihm den Stecker ziehen. Ich lasse ihn lieber hier liegen und schicke Hilfe her. Er scheint ziemlich schwach zu sein, denke ich mir und führe meinen Weg mit schwerem Herzen fort. Jetzt benötige ich dringend meine Pilzigarre, bevor ich komplett den Verstand verliere. Unsere Untergrund-Basis würde euch wie reine Science-Fiction vorkommen, wenn ihr einen Blick in sie hineinwerfen könntet. Alles besteht aus Stahl und überall flackern Leuchtdioden, exotische Geräte brummen, sogar kleine Hilfsroboter durchkreuzen die Ebenen. Wir haben hier unten einen Freie-Energie-Generator, welcher uns unendliche Mengen an Strom aus dem Null-Feld schenkt. Das Dumme ist, dass nahezu alle Geräte, die wir ehemals besaßen, nach und nach beim Transport kaputt gingen oder durch die staubige Luft verschlissen. Deswegen nennen wir teilweise schwebende Tische unser luxuriöses Eigen, aber alle unsere elektronischen Zahnbürsten sind hinüber. Praktisch, oder? Halb so wild - wir alle tragen GebissKonstruktionen, weil uns wegen Vitaminmangel und Verstrahlung eh keine Beißer mehr übrig geblieben sind. Parah trägt keine künstlichen Zähne; ihr alter, brauner Mund hat sich zusammengeschrumpelt wie ein alter Apfel und sich ein Stück weit in den Rachen verkrochen. Auch macht sie keinen Nutzen von unserer freien Elektrizität – sie schwört auf tropfende Kerzen, welche sie aus den Fettrückständen unseres Urins herstellt. Bauer sorgte dafür, dass das Orakel ihre eigene Kammer erhielt, in der es in Ruhe meditieren konnte. Wenn man eintritt, ist es einem, als hätten Urmenschen ein Raumschiff erbaut: Überall türmen sich Artefakte der terranischen Flora und Fauna, Steine, Wurzeln, Äste, Felle, Schädel und Knochen. Parah behauptet, das würde sie „erden“ und mit den heilenden Schwingungen der damaligen Wildnis verbinden. Zwischen all diesen primitiv-wirkenden Dingen funkeln die erwähnten Leuchtdioden, levitieren Weihrauch-Roboter und an
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einer Wand ist sogar ein Bildschirm angebracht, auf denen irgendwelche glühenden Runen den Raum beleuchten. Oben an der Decke ist ein Holo-Projektor installiert, der die Milchstraße in die Mitte des Raumes zaubert, was mich immer wieder begeistert und erstaunt. Enttäuscht stelle ich fest, dass das Orakel nicht anwesend ist; in dem kleinen Zelt, wo es sonst immer hockt, herrscht gähnende Leere. Ich nutze die Gunst der Stunde und trete an die Miniatur-Milchstraße heran. Wie kann ein solch wunderschönes Gebilde nur so viel Elend enthalten? »Das Elend ist in dir, VV«, erklärt Parah, und schon wieder muss ich hochschrecken. Sie kramt in einer alten Holzkiste herum, was mir vollkommen entgangen sein muss. Ich schweige und warte, bis sie fertig ist. »Nimm das, du wirst es bald gebrauchen«, fordert sie. Es scheint ein Buch aus dem letzten Jahrzehnt zu sein. Und bevor ich den Titel überhaupt lesen kann, klatscht die schwarze Dame mit den grauen Dreadlocks noch eine futuristische Brille oben drauf. »Für die Vergangenheit und für das Jetzt.« »Orakel. Ich danke dir«, entgegne ich voller Ehrfurcht, wobei ich mich verbeuge. »Doch was hat das alles zu bedeuten?« Sie kommt nahe an mich heran, sodass ich direkt vor ihrem künstlichen Gesicht stehe und das alte, rostige Metall rieche. Bei einem Erdbeben in ihrer Heimat, welches per HAARP 3 ausgelöst wurde, verlor sie die vordere Front ihres Kopfes, welche später durch ein künstliches Bauteil ersetzt wurde. In der letzten Zeit hatte sich die synthetische Haut abgeblättert und sich eine schauerliche Stahlschicht hervorgetan. Sie kann wieder sprechen und riechen, doch die Sehnerven sind zerstört. Dort wo ihre Augen waren, sind jetzt zwei leere Löcher, zwei Portale in das Endlose. Das hindert sie nicht daran, sich räumlich zurecht zu finden, da sie Energien in ihrem Geiste 3
High Frequency Active Auroral Research Program – eine Sendeanlage, welche den Illuminati im Geheimen Gedankenkontrolle und eigens kreierte Naturkatastrophen ermöglichte.
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wahrnehmen kann. Die meisten Wände sehen aus wie grüne, herumwirbelnde Schnüre, beschrieb sie mir eines Abends, und böse Menschen seien rot, gute Menschen blau. Laut ihrer Ansicht bin ich ein Indigo. »Hole mir eine Raupe«, sagt sie bestimmend, wodurch ihr mechanischer Kiefer wegen all dem Erdstaub knirscht. »Eine Raupe? Du meinst doch nicht etwa...« »Doch.« Oh nein. Hier gibt es nur eine Art von diesen Missgeburten, und ich brauche Außenstehenden davon nicht zu berichten, denn es glaubt mir sowieso niemand. Aber... nun gut. Gleich in der Nähe befindet sich eine Pilzfarm und jeden Tag kreuzen dort diese ekelhaften Fress-Säcke auf. Ohne Wiederworte mache ich mich auf den Weg und als ob es Bestimmung wäre, begegnet mir sofort eine Raupe im Gang! »Was für eine Überraschung! Hallo, mein Freund. Ich muss dich kurz mitnehmen, ist das in Ordnung?«, grüße und frage ich freundlich die kleine, grüne Wurst auf dem Boden. Sie sieht aus wie eine haarige Riesen-Made mit einem Hasen-Gesicht. Einem verdammt hässlichen Hasen-Gesicht. Auch hierbei muss es sich um eine Mutation handeln. »Fick dich ins Knie«, sagt die Made in einer überheblichen Tonlage zu mir, weswegen ich kontere und meinen schweren Stiefel vor sie setze. Die schrullige Raupe schüttelt den Kopf mit den riesigen Zähnen und quiekt: »Hey, Alter! Ich scheiß dir gleich die Schnürsenkel zu. Zisch ab, Riesenbaby!« ...was mich dazu zwingt, sie einfach zu packen. Sie will beißen, doch ich habe schon genügend dieser Biester von den Plantagen geworfen, weswegen ich sie handle wie ein Profi. Bis heute bin ich mir nicht sicher, ob sie wirklich sprechen können, oder ob die Champignons mein Gehirn in einen Schwamm transformiert haben. Schnell renne ich zu dem Raum zurück.
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»Hier, Orakel«, flüstere ich vorsichtig, als ich mich vor das Zelt knie und Parah die ersehnte Made hinhalte. Sie zögert nicht lange und zieht aus ihrer langen, silberfarbenen Robe einen Faustkeil, den sie kichernd in das arme Tier rammt, wobei ihre Metall-Zunge unheilig in der Dunkelheit glänzt. Es kommt mir kurz in den Sinn, dass ich womöglich den falschen Freundeskreis habe. Daraufhin steckt sie ihre Hand in die tödliche Wunde des Opfers. Durch das Blut werden die nackten TotenkopfÄffchen angezogen, welche Parah nun schon seit Jahren begleiten – sie springen auf ihre Schultern und fangen laut an zu kreischen. »Warm. Sehr warm«, grinst sie immer breiter und es sieht so aus, als würde ihr ein Engel erscheinen, so sehr leuchtet ihre Cyborg-Visage. »Warrrrmmm.« Ich komme mir ein wenig verloren vor. »Jetzt ist es soweit«, prophezeit die Voodoo-Priesterin freudig, doch dann wird sie wieder ernst... ja... sogar sehr ernst. »Wir werden alle verreisen, in ein anderes Land. Alles wird sich ändern. Die Illusion bewegt sich. Dieser Traum hier wird zerplatzen«, führt sie weiter fort und wedelt mit dem blutigen Keil durch den Raum. »Orakel! Ich verstehe nicht...« »Die Brille ist für das Jetzt. Das Buch ist für das Früher.« »Parah!« Sie erwidert nichts und setzt mir die Brille auf, die nur ein senkrechtes, gedämmtes Glas besitzt. »Er kommt. Gehe jetzt nach oben«, ruft sie und ihr Körper erstarrt, ganz so, als ob Visionen ihren Geist heimsuchen. Sie fällt langsam in das Zelt zurück und verschwindet in den Schatten. »Sei gesegnet«, wispert sie. »VV, komm schnell zu Prof. Smiffy. Sofort!«, tönt es plötzlich vom Türrahmen her. Es ist ein Botenjunge, der hastig mit seinen Händen rudert und aufgebracht mit den Augen zuckt.
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ICH STAND AUF DEM KLO UND WOLLTE NE UHR AUFHÄNGEN. DER BECKENRAND WAR NASS, DA RUTSCHTE ICH AUS UND SCHLUG HART MIT DEM KOPF AUF. ALS ICH WIEDER ZU MIR KAM, HATTE ICH EINE OFFENBARUNG. EINE VISION. ICH HATTE EIN BILD IN MEINEM KOPF. EIN BILD HIERVON! DIESER KASTEN MACHT ZEITREISEN ÜBERHAUPT ERST MÖGLICH. DER FLUXKOMPENSATOR!
- DER DOC, 'ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT'
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4. KapiteL
Von zeitmaschinen und cyberpunkS
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arkante Geräusche erfüllen die Basis... »ICH HABE ES GESCHAFFT. DIE RUFE MEINER SEELE WURDEN ERHÖRT! HEILIGER QUANTENHENGST, ES IST VOLLBRACHT!«, schallt es schon durch den Vorraum, als ich zu Smiffys Werkstatt geführt werde. »BEI DEM WEISEN GEIST DER ATOME! MEINE LIEBEN SUBPARTIKEL!« Was zur Hölle ist nun schon wieder?, möchte ich erfahren, doch ich kann mir die Antwort bereits vorstellen: Als ich um die Ecke biege, knutscht der Prof. ein bizarres Ungetüm, welches aus Schrott und Wahnsinn zusammengekleistert zu sein scheint. Dies ist die größte Räumlichkeit unseres Komplexes, eine monumentale Halle, in der Smiffy sich ordentlich austoben darf. Ich bin im Eigentlichen nur ein schrulliger Schriftsteller und Anti-Guru – die Abläufe, welche die riesige Maschine antreiben, sind mir ein Rätsel. Bis zur Decke hin verlaufen Kanäle, durch die flüssiges Plasma zu blubbern scheint. Überall rotieren durch Dampf angetriebene Zahnräder. Der Rest ist gefüllt mit Elektro-Schrott – so kommt es mir zumindest vor. Das Ganze sieht aus wie eine übermächtige, metallische Höllen-Krake, die Meereswasser an ihrem heißen Leib verpuffen lässt. In ihrem Maul ist ein kleiner Sitz eingelassen. Nett. »MEIN LIEBER URIEL... BALD SIND WIR VEREINT!« Ich will nicht unhöflich erscheinen und Smiffy radikal aus seinen Liebkosungen reißen, daher huste ich nur sanft, um Aufmerksamkeit zu erlangen. Auch der Prof. besitzt ein modifiziertes Gesicht: Zwei mechanische Augäpfel visieren mich sofort an – ihr eiskalter Blick müsste eigentlich für ein bösartiges Gesamtbild sorgen, doch die lockigen, weißen Haare, die mit
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Pilzcreme zurückgegelt wurden und die ständig weit nach oben gezogenen Mundwinkel, machen alles Wett. Eine robotisierte Hand schnellt auf mich zu und presst fest meinen weichen, fleischigen Ausläufer. »VV! Da bist du ja, mein kleiner Hengst«, jubelt die Grinsebacke – das Wort „Hengst“ ist einer seiner Lieblingsbegriffe, wie es scheint. »Du bist so aufgebracht, Smiffy. Was gibt es Neues?« »Uriel ist beinahe bereit, dich in seine Arme zu schließen«, erzählt er aufgedreht und schüttelt immer noch meine Hand, was mir ein wenig Angst bereitet. Er scheint wie in Trance zu sein. »Wie bitte? Ist das dein Ernst?«, will ich wissen und kann es kaum fassen. »JA! DAS IST ES!«, flippt mein Gegenüber aus und löst den Griff, um seine Arme von sich zu strecken und sich wie ein kleines Mädchen, welches einen Plastik-Ponyhof zu Weihnachten geschenkt bekommen hat, um die eigene Achse zu drehen – mit schwärmenden Blick Richtung Himmel, versteht sich. »JA, DAS IST ES, HENGST!« Oh mein Gott... Habe ich nun endgültig die Fassung verloren? War es das? Smiffy hat die Zeitmaschine, an der er gerade werkelt, Uriel getauft. Der Engel der Erde, welcher die Verstorbenen zum jüngsten Gericht befördert. Der Prof. ist kein Christ, doch die Umschreibung passte perfekt zu unserer Lage. Die Planung hat ihn unzählige Jahre gekostet und die Umsetzung ist unsere letzte Hoffnung. Es ist alles, was wir haben. Unsere Existenz dient momentan, so könnte man sagen, der Entwicklung und Verwirklichung dieser Maschine. Selbst der Name unserer Truppe lautet seit Kurzem U.R.I.E.L., was 'Untergrund-Regiment in einender Liebe' bedeutet. Wir treffen uns jeden Tag in einer Art Meditations-Bereich, um Punkt 12.00, in der Mitte des „Tages“, um zusammen zu visualisieren. Es sind ungefähr
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sechzig Menschen übrig geblieben und wir halten uns alle an den Händen... glauben fest daran, dass die Maschine fertiggestellt wird und voll funktionsfähig ist. Wir bilden eine Einheit. Wir senden Liebe bis zur verkrusteten Oberfläche und stellen uns bildlich vor, wie ein Paradies auf Erden erwächst, wie alles wieder geheilt wird. Ich war mit daran beteiligt, die Visualisierung einzuführen, ich brachte einigen Leuten die Kraft der Suggestion und Verbildlichung bei, aber selbst daran zu glauben... das fiel mir immer schwerer. Desto begeisterter bin ich nun... bis sich ein Begriff in meinem Geist zu wiederholen beginnt: BEINAHE. »Halt, Smiffy! Was bedeutet es, dass die Maschine beinahe bereit ist?« »Uuuuhhh. Jaaa. Wie soll ich sagen, VV. Es fehlt ein kleines Teilchen«, berichtet er verlegen und sein Jubeln wird ordentlich gedämpft. »Rede Klartext, Mann«, fordere ich ihn auf und verliere die Kontrolle über meine Beherrschung. »Ich bin mir zu 100% sicher, dass die Maschine dich in die Vergangenheit teleportieren kann, sobald dieses eine Teilchen integriert wird«, verspricht er, und zeigt mit seinem RoboterFinger an die Decke. Ich werfe ihm einen Blick zu, der ihm auf der Stelle klar macht, dass er sich diese scheiß Spannungselemente sparen darf. Er rückt heraus: »Damit die hypothetische Materie eine negative Energiedichte erlangen kann, um das künstlich erzeugte Wurmloch zu stabilisieren...« »Smiffy...«, knirsche ich mit meinem künstlichen Gebiss. »Äh... besorge mir... Zucker.« »Zucker«, wiederhole ich. »Zucker!«, ruft der Alte. »Zucker«, bestätige ich. »Zucker«, bestätigt Smiffy. »Wir haben hier keinen... Zucker?«
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»Nein. Nicht solch einen Zucker. Das Material, welches wir herzustellen vermögen, besitzt eine zu geringe Photonen-Anzahl. Wir brauchen Oberflächen-Zucker.« Mir dreht sich der Magen um. »Das ist doch...«, will ich sagen, aber mir wird ins Wort gefallen. »Die einzige Möglichkeit. Ja.« Verseht ihr nun, was ich meine? Diese Station ist im Grunde genommen eine verdammte High-Tech-Hochburg, doch ihr fehlt es an den simpelsten Sachen. Wir besitzen Mini-Roboter, die den Boden saugen und unseren Arsch abwischen, aber der einzige Weg, unsere Lungen zu schützen, ist das Rauchen von Pilzkraut. Wir haben eine Zeitmaschine, aber keinen verfickten Zucker. Die einfachsten Dinge wurden vom Dreck verschluckt. Auch Materialien, die wir zum Erbauen von einfachen Dingen benötigen, fehlen uns schlichtweg in diesem gottverlassenen Erdloch – und alles, was wir verwerten können, wandert meist geradewegs in Smiffys Maschine. Uriel verschlingt alles. Wir könnten Pfeifen bauen, damit wir nicht mehr Malpapier drehen müssen – aber nein, bloß nicht! „Dies und jenes Element der Maschine benötigt noch ein Röhrchen“, heißt es dann. Alles für den großen Uriel. Ich habe es satt. Ich hasse dieses Leben. Wenn all dies ein Reinfall wird, zerschlage ich das Ungetüm mit meinen eigenen, schwachen Fäusten und pisse auf die blitzenden Überreste, um mich selbst ins Jenseits zu schocken. Zucker... Oberflächen-Zucker... ist das ein Scherz? Das ist die letzte Schranke zu unserer Befreiung? Spielt das Universum uns einen bösen Streich? Beim beknackten Balrog... wer ist so irre... »Beruhige dich. Gehe nach oben. Gehe jetzt«, höre ich Parah auf einmal flüstern; ich drehe mich um, doch sie ist nicht da. Ihre Stimme hat eine Ruhe, die meine geballten Fäuste lo-
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ckert und mein Herz ruhiger schlagen lässt. Ich spüre einen warmen Hauch den Rücken hochwirbeln und empfinde eine Leichtigkeit, die ich schon lange vermisst habe. »Macht mich startklar und öffnet die Schleuse. Ich gebe dem Affen Zucker.« Es kommt niemand anders für diesen Job in Frage, außer mir. Nicht nur, dass ich mir geschworen habe, meinen Rückzug als VV wieder gut zu machen, nein, auch das Orakel sieht mich als Auserwählten an. Davon abgesehen, bin ich der einzige, der noch einigermaßen klar bei Verstand ist – die meisten U.R.I.E.L.-Mitglieder haben nach den ersten Jahren unter Tage schon am Rad gedreht. Viele verloren durch den Triumph der NWO all ihre Familienmitglieder. Viele mussten mit eigenen, von bitteren Tränen zerfressenen, Augen mitansehen, wie Freunde, Bekannte und Verwandte auf offener Straße hingerichtet wurden. In den FEMA-Camps zelebrierte man Sklavenarbeit, bei der die Gepeinigten das eigene Verderben schmieden mussten: Gewaltige Fabriken für den Mikro-Chip und die Peace-Mechs schossen aus dem Boden. Die Insassen der modernen KZs standen an Laufbändern für den Hologram-Head-Hubble. Revoluzzer, Aufständische und Rebellen schufteten bis zum Tode. Jeffrey, der Botenjunge, musste miterleben, wie seine Schwester vor Schwäche zusammenbrach und mit dem Kopf auf das Band knallte, auf welchem Munitionsteile gestanzt wurden. Muss ich das näher beschreiben? Smitty, unser Biologie, sah mit an, wie sein damaliges Team per Mikrowellen-Methode regelrecht zum Schmelzen gebracht wurde, so wie Plastiksoldaten, die ein diabolisches Kind mit seiner Lupe per konzentrierter Sonnenkraft anzündet. Er hatte die Gnade, dass „nur“ sein Vorderkörper ein wenig verstrahlt wurde, doch seine Psyche kam nicht so glimpflich davon. Mein Bruder, VVincent, erlebte die Hölle auf Erden, als die ersten, so wie wir sie nennen, „Ghoul-Storms“ durch das Land fegten. Der Ansturm der Ghule. Mein likörgetränktes Hirn weiß
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nicht mehr genau, in welchem Jahr es geschah, doch irgendwann wurden interdimensionale Portale in den geheimen Untergrundbasen der Weltherrscher geöffnet, durch die massig „böse Geister“ unsere Welt betreten konnten. Gleichzeitig vollführten sie das große Bindungs-Ritual, mit dem alle Interdimensionalen sichtbar in der 3D-Welt umhergeistern konnten. Die Ghule suchten „Frischfleisch“ in Form von niedrig schwingender Energie und befielen unendliche Städte; sie fielen über die Bevölkerung her und peinigten sie ohne Reue. Man konnte Leute beobachten, die schreiend durch die Straßen liefen und einen Ghul an sich kleben hatten, der sie unentwegt aussaugte. Es war keine Seltenheit, dass jemand sich von einem Haus stürzte, um sich endlich von den Plagegeistern zu befreien. Die Illuminati behaupteten offiziell, dass all dies der „Teufel“ verursachte. Sie erfanden die Figur Satans neu und inszenierten den Inside-Job mit den Ghulen, um den Menschen riesige Angst einzujagen, damit man ihnen später die Lösung anbieten durfte. Plötzlich war das Übersinnliche real. Plötzlich merkten die Menschen, dass noch andere Dimensionen außerhalb von unserer existieren. Typen, die vormals über die Bibel und deren Ausführungen über Dämonen lachten, wurden nun still wie die Nacht. Die Kirche, welche vorab absichtlich zerstört wurde, frischte man auf, unterzog ihr einer Bosheits-Kur und erfand einen neuartigen Kult. All dies wurde veranstaltet, um 2024 die Ankunft vom außerirdischen Messias einzuleiten. „Jesus war (und ist) eine Super-Echse, kapiert?“. Ja... es wurde gefressen. Alles... egal, was... her damit... aber pflückt uns diese Dämonen vom Hals! So krank es sich auch anhören mag: Als die ersten Hologramm-UFOs landeten und die reptiloiden Retter aufkreuzten, da jubelte die ganze Welt. Niemandem kam es mehr „verrückt“ vor, dass Außerirdische hier landeten, Aliens, die aussahen wie wandelnde Krokodile auf zwei Beinen. Die neuesten Hollywood-Filme thematisierten solche Szenarios immer öfter und die Gesellschaft gewöhnte sich allmählich an diese Ideenkonstrukte. Und als
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Enki, der Anführer der Reptos, zusammen mit dem Präsidenten der USA das Podest bestieg und einen Haufen von Behinderten mit Geisteskräften heilte, als er bei diesem Ereignis angeblich per Gottesmacht ein riesiges Kreuz in den Himmel projizierte (was ein geschickter Hologramm-Trick war), da wurde allen klar: Dies ist unser Erlöser. Enki trat bei einer Sonderschaltung im globalen Fernsehen auf und verkündete, seine unersetzliche Macht könnte die Dämonenscharen besiegen - nun würde sich alles zum Guten wenden. Gottes Reich sei nahe und der Horror auf diesem Planeten fände ein jähes Ende. Jesus war ein Alien und ein guter Alien dazu! Er schnippte mit den Krallen und die Ghule verschwanden. In Wahrheit hatte man einen Generator angeworfen, der die Mikrochips der Menschen so beeinflusste, dass die Frequenzen dieser bestimmten Unter-Dämonen nicht mehr dekodiert werden konnten. Man konnte sie nicht mehr sehen, doch sie blieben da. Und wie sie blieben... sie saugten sich weiterhin voll. Diese Neue Welt sollte genügend Gelegenheiten dazu bieten. Verzeiht mir. Wo war ich? Ach, ja, mein Bruder. Zur Zeit der Stürme drängte ihn eine Bande von Ghulen in einen tiefen Wald, wo er mehrere Wochen lang um sein körperliches und geistiges Überleben kämpfte. Ein Suchtrupp konnte ihn Dank der Gunst des Schicksals retten – seinen Körper zumindest. Seine Seele hatte er jedoch im Wald verloren. Unser Rebellen-Trupp nahm Psychosen und unvergessliche Traumata mit unter die Erde, dorthin, wo all das Übel noch weiter gedeihen konnte. Renommierte Geistheiler taten ihr Bestes, doch die Verletzungen waren zu tief und die Erschütterung zu groß. Miriam, die damals eine Bestseller-Autorin für Selbsthilfe-Bücher und Energiearbeit war, erhängte sich vor einigen Monaten mit dem Kabel von ihrem Triple H. Der Druck hier ist gewaltig. Uns fällt die Decke auf den Kopf. Zeit, um endlich auszubrechen.
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Bauer ist mittlerweile auch zu uns gestoßen und weiß von der aktuellen Entwicklung unserer Lage. Er schaut besorgt zu Smiffy, Smiffy schaut besorgt zu mir und fragt mich dann, ob ich tatsächlich bereit wäre, an die Oberfläche zu gehen. »Du brauchst dir das nicht aufbürden, VV. Du musst uns nichts beweisen, das weißt du, ja? Wir können auch Jeffrey schicken...« »MACHT MICH STARTKLAR UND ÖFFNET DIE SCHLEUSE. ICH GEBE DEM AFFEN ZUCKER.« Wir machen uns sofort auf und die Vorbereitungen für meinen Trip wurden schnell getroffen: Stilvolle Schutz-Brille für giftige Umwelteinflüsse? Schon vorhanden. Danke, Parah. 24-Stunden-Schutzspray für Haut und Haare gegen toxische Gase? Aufgetragen. Danke, Smitty. Modul, welches einen altmodischen Mikrochip unter meiner Haut simuliert? In der Tasche. Danke, Smiffy. Langer, alter VV-Mantel mit historischem Button und ordentlich Pilz-Proviant? Angelegt und einsatzbereit. Danke, Alter-Ego. Ich verzichte auf Begleitung: Wenn ich in 22 Stunden nicht wieder da bin, dann soll es ein anderer versuchen. Mehrere Leben mit einem Mal zu riskieren... dafür haben wir nicht genug Männer, außerdem wäre dies zu auffällig. Wir setzen alles aufs Spiel: Es ist möglich, dass ich in den alten Katakomben einer Drohne begegne und Alarm geschlagen wird. Es kann passieren, dass ich an der Oberfläche entdeckt werde, man mich gefangen nimmt und versucht, unseren Standort aus mir herauszuquälen. Es ist denkbar, dass man mich sofort ortet, weil die Chip-Simulation zu altbacken ist. Aber was bleibt uns anderes übrig? Alles oder nichts. Wir wollen die Station nicht in Aufruhr bringen, daher machen wir kein großes Theater: Smiffy, Smitty, Bauer, zwei Assistenten und ich stehen vor der Aufzugstür. Der Sicherheitscode wird eingegeben. Die Tür öffnet sich. Ich umarme alle... gehe in die Kabine... drücke den Knopf... und fahre erst mal in eine
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Sicherheits-Etage. Dort angekommen, muss ich mit einer Chipkarte mehrere Türen durchqueren, bis ich zum Hauptaufzug komme. Dieser wurde nach und nach erweitert, desto tiefer wir uns Richtung Erdinneres gruben. Es wird lange dauern, bis ich oben bin. Doch vorher mache ich einen Zwischenstopp in meiner geliebten Kristallhöhle. Wenn schon die Möglichkeit besteht, dass ich heute das Zeitliche segne, dann wenigstens mit einem Pre-Death-Chillout.
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E.T. NACH HAUSE TELEFONIEREN.
- 'E.T. DER AUßERIRDISCHE'
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5. KapiteL
W
Aufstieg in den abgrunD
ir waren so etwas wie maulwurfartige Vagabunden. Die Angst, entdeckt zu werden, unsere stetig wachsende Paranoia... es trieb uns immer weiter in Grund und Boden. Ständig wurde weitergegraben; ganze Stationen baute man ab, um sie weiter unten wiederaufzubauen. Die Opfer unseres Verfolgungswahns waren unbezahlbar: Wichtige Geräte gingen in die Brüche und Arbeiter kamen vor Erschöpfung um. Wir versuchten, eine so große Distanz wie möglich zu dem allsehenden Illuminati-Radar aufzubauen. Seit einigen Monaten haben wir allerdings damit aufgehört, zu bohren und zu graben, weil Uriel eine feste Geburtsstätte benötigte. Auf unserem Weg entdeckten wir faszinierende Sehenswürdigkeiten und bei einem dieser Schmuckstücken mache ich gerade einen Halt. Ich freue mich wie ein Kind, als sich herausstellt, dass sie noch existiert und nicht zusammengefallen ist: Meine geliebte Smaragd-Ebene! Stellt euch vor, ihr könntet eine Edelstein-Druse betreten und als kleines Geschöpf den Hohlraum einer wunderschönen Mineralsubstanz besuchen. Wir entdeckten dieses Weltwunder vor einigen Jahren und richteten es als eine Art Naherholungsgebiet ein: Hohe Stege führen durch die große Höhle und damals beleuchteten geschickt angebrachte Lichter all die SmaragdKristalle, die wie heilige Geschenke Gaias aus den Wänden wachsen. Ich habe eine Freie-Energie-Kugel dabei, die mir bei Bedarf Licht spendet und mir den Weg bis zum Ende des Stegs weist. Voller Demut bestaune ich das grüne Lichtspiel, welches sich um mich herum auftut. Ich lasse meine Füße über den Abgrund baumeln und packe eine kleine Ampulle aus, in welcher Whiskey aus dem letzten
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Jahrhundert enthalten ist, den mir Smitty mit auf den Weg gegeben hat – ein Artefakt, welches ihm sehr viel bedeutet, eine Erinnerung an seine irischen Vorfahren. Ich fühle mich geehrt, und wenn es einen passenden Moment gibt, ihn zu verköstigen, dann jetzt. Bauer hat mir eine antike Zigarre vermacht, die ich eigentlich im Aufzug rauchen sollte. Er hatte sich das Teil für einen besonderen Moment aufbewahrt. Umhüllt von den Reflexionen der Edelsteine, nippe ich wertschätzend am ehrwürdigen Getränk und paffe an der geschichtsträchtigen Zigarre. Meine Gedanken verlieren sich in den atemberaubenden Riesen-Smaragden. Ich blicke zurück auf meine Kindheit, wie ich seelenruhig in meinem Hero-Turtle-Stickeralbum herumblättere und mich über die bunten Abbildungen meiner Kindheitshelden freue. Wie ich sorgenfrei die bunten Grafiken des Super Nintendos bestaune und mich in den Wäldern von Secret Of Mana verliere. Es kommt mir vor, als wäre all dies Äonen her, Erinnerungen an ein früheres, längst vergangenes Leben. So fern und abwegig, so friedvoll und warm. Andere Zeiten. Andere Sitten. Ich spiele den heldenhaften He-Man, wie er von Schattenwesen verfolgt wird und über ein schwindelerregendes Gebirge klettern muss - ich liege mit dem Bauch auf dem Doppelbett meiner Eltern, klammere mich verbissen an der Bettdecke fest, trete nach den Ungeheuern und versuche, nach oben zu gelangen. Die unschuldige, lebhafte Fantasie eines kleinen Jungen. Die Kinder an der Oberfläche haben wahrscheinlich gerade Holo-Gruppensex mit Tieren und sitzen sabbernd in einer dunklen Ecke. Ich denke an Ferris Bueller, an die Thunderbirds, an Crocodile Dundee, an Johnny Five, an Han Solo und die Ewoks. An Zeiten, die unverdorben und unbegrenzt erschienen. Wie ich und meine Bande den Film 'Alien' nachspielten, voller Begeisterung und Einfallsreichtum wedelten wir mit imaginären Maschinengewehren herum und jagten außerirdische Invasoren. Hero Quest. Transformers-Figuren. Wrestling-Karten. Monster In My Pocket. Ghostbusters. Bill & Teds verrückte Reise durch
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die Zeit. Die unendliche Geschichte. Unendliche Möglichkeiten. Welten der Kreativität, voller kunterbunter Abenteuer. Eine Popkultur mit Herz und Originalität. Dieses unbekümmerte, begeisterte Kind der späten 80er und frühen 90er ging nie verloren, steckte immer in mir. In Wahrheit war ich nie ein „erwachsener“ Mann; im Innern blieb ich der kleine Junge, der einfach nur staunen wollte. Sorgenlos, einfach und frei. Bunt und granatenstark. Ehrlich, aufrichtig und rein. „Kindisch“ und verspielt. Unbefleckt und anständig. Kreativ und phantasievoll. Voller Liebe und Aufrichtigkeit. Ich fliehe mich in diese Atmosphäre, sitze Kilometer tief unter der Erde in einer mystischen Edelsteinhöhle, gurgele mit Whiskey, rauche echten terranischen Tabak und blicke in die Spiegelungen eines großen Kristalls – nostalgische Bilder werden auf seine Oberfläche projiziert, liebgewonnene Szenen aus dem Spiel 'Monkey Island', und der vertrauenswürdige Kopf des Navigators sagt: »Wach auf. Es geht nach oben. Die Hölle wartet auf dich.« Mich holt die Realität ein; ich erzittere. Der kleine Junge muss die Welt retten, so wie einst Atréju aus dem Klassiker von Michael Ende (Die Unendliche Geschichte), der Helfer der Kindlichen Kaiserin, der Retter von Phantásien. Wäre doch nur Fuchur bei mir... Wieder im Aufzug angekommen und weiter auf dem Weg in die Höhe, werfe ich einen Blick zurück auf die Karriere als Verdeckter Vermittler. Ich erinnere mich daran, wie jemand einmal zu mir sagte, dass es ihm so vorkäme, als würde ich nur Aufmerksamkeit erhaschen wollen; ich wäre so etwas wie ein gewiefter Energiedieb, der die Blicke und die Begeisterung der Menschen an sich ketten will. Ich antwortete ihm, dass ich nur ein unschuldiges Kind bin, welches einfach spielen möchte. Ein Kind, welches in keiner Welt leben will, die es einengt und einsperrt. Ein Kind, welches andere Kinder wieder zum Spielen animieren will. Die Leute hatten immer ein falsches
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Bild von mir. Man gab mir viele Namen. Man beschuldigte mich vieler Dinge. Ich wurde oft missverstanden. Es wird unzählige Minuten dauern, bis ich oben angekommen bin. Bauer berichtete mir vor meiner Abreise, dass Parah schon lange Visionen heimsuchten, die davon berichteten, was aus der hiesigen Oberfläche geworden ist. Eine Metropole würde nun die Erdkruste über uns überziehen und aus dem beschaulichen kanadischen Urwald sei eine Wüste der Moderne geworden. Umso höher ich steige, desto mehr Spannung kommt auf. Besorgnis und Interesse vermischen sich zu einem nervösen Cocktail. Ich ziehe das Buch unter meinem Mantel hervor, welches ich vom Orakel erhalten habe. Anscheinend soll ich es mit in die Vergangenheit nehmen. Hmm. Was daran wohl so besonders ist? Es heißt 'Zero Limits' und behandelt, so wie es aussieht, Methoden der individuellen Realitäts-Transformation. Das wird mich etwas ablenken... RUMMS. Endstation. Entgeistert blicke ich vom Buch auf und lese die Anzeige. Ja, kein Zweifel, ich bin angekommen. Es grenzt an ein Wunder, dass der Schacht so lange stabil geblieben ist und ich es bis nach oben geschafft habe. Aufgeregt verlasse ich den Aufzug und muss erneut mehrere Sicherheitsbereiche durchqueren. Die letzte Tür ist ein Super-Ultra-Spezial-Geheimgang, damit niemand Fremdes einen Zugang zu unserem Versteck findet. Es ist eine Luke, die in die Decke eingelassen wurde – die letzte Schicht Stahl, welche uns vor den Gefahren der Außenwelt schützt. »Beim trommelnden Grnarrak... segne mich«, bete ich und klatsche mir selbst das Gesicht wach, atme tief ein und aus. Puh. Bereit? Los geht es. Die Lukentür wird per Code entsichert und gleitet langsam auf, ich stoße mich von der letzten Leitersprosse ab und lande in der Neuen Welt. Meine Leuchtkugel offenbart einen heruntergekommenen Anblick: Unsere alte Basis hat die Zeit eingeholt. Schimmel bedeckt die Wän-
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de, der Putz ist von der Decke gefallen und exotische Gewächse überwuchern den Boden. Ich kann die Luft kaum atmen und hoffe, dass ich mir nicht als Willkommensgeschenk irgendeine heimtückische Krankheit einfange. Zur Vorsicht stecke ich mir eine Zigarette an und inhaliere das Pilzkraut, in der Hoffnung, keine Explosion zu verursachen. Alles geht gut. Der erste Schritt ist getan und erleichtert blicke ich mich weiter um. Alles im grünen Bereich, sage ich zu mir selbst, das ist ja gar nicht mal so... Was war das? Hinter einer oxidierten Konsole raschelt es unheilvoll – vielleicht ein großes Tier, vielleicht ein verschollener Roboter?! An meiner Gürtelschnalle ruht ein verstaubter Blaster, den mir ein alter Offizier anvertraut hat. Ich zücke das Schätzchen und bewege mich mit leisen Schritten auf den Rosthaufen zu. Als hätte ich nicht schon genügend wahnsinniges Zeug in den letzten Stunden erlebt... sämtlicher Speichel in meinem Mund verpufft zu Sand... meine Achseln sondern mit einem Mal so viel Schweiß ab, dass man eine ganze Wüstenkarawane mit diesem salzigen Regen befeuchten könnte... ich merke, wie kleine Äderchen in meinen Augäpfeln platzen... in meinem Gehirn staut sich in den Bereichen, die für die Logik zuständig sind, zähes Blut... der Finger an meinem Blaster zuckt... vor mir fressen zwei zerlumpte Gestalten eine andere zerlumpte Gestalt; herzhaft greifen sie in die Organgrube und schaufeln sich mit Fäkalien gefüllte Darmschnüre in den Mund. Und es scheint ausgezeichnet zu schmecken – sie bemerken mich überhaupt nicht. Das ist der gruseligste Mindfuck, den ich jemals erleben durfte, kommt mir in den Sinn. Das ist abartiger als meine Schulzeit; die sah zwar ähnlich aus, aber niemand kam dabei wirklich ums Leben. Ich ziehe an meiner Zigarette und puste den Rauch in Richtung der Kannibalen-Kumpel. Huhu? Jemand da? Nein. Erst jetzt erkenne ich unter ihren langen, verfilzen Haaren, dass sie die Augen geschlossen haben. Nun, ja, so sah ich in der Altzeit auch immer aus, wenn
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ich eine leckere Pizza mit Artischocken und Steinpilzen vom Italiener bestellt hatte und sie genüsslich verzehrte. Jedem das Seine. »Hey, ihr Wichser«, sage ich leise. Es tut sich nichts. Schmatz, Schmatz. Okay. Am besten gehe ich einfach weiter und bin froh darüber, dass sie nicht meinen Dickdarm als Kaugummi missbrauchen. Doch bevor ich mich aufmache, sage ich kleinlaut: »Ihr habt nicht zufällig nen Päckchen Zucker dabei, Jungs?« Die Katakomben sind das Filmset für einen abartigen Horrorfilm – das wünsche ich mir wenigstens. Mir kommt es vor wie ein Alptraum. Ich kann nicht fassen, dass das hier real sein kann. Als ich einige Gänge weiter ging, kam ich in die große Halle, die ganz in der Nähe des Ausgangs zu finden ist. Der Anblick, der sich mir bot, ist kaum in Worte zu fassen. Überall saßen dürre, graue Menschenwesen zwischen den Trümmern, inmitten der Dunkelheit, mit geschlossenen Augen, regungslos und erstarrt. Erst dachte ich, es wäre eine Kolonie von Leichen, doch ich stellte voller Erschütterung fest, dass die meisten von ihnen atmeten. Ganz leicht, kaum bemerkbar. Zwei Mal stand jemand auf, ging zu seinem Nachbarn, und prügelte barbarisch auf ihn ein. Wenn der Kampf vorbei war, fing der Sieger an, an dem Verlierer zu nagen. Das einzige, was sich in der Finsternis noch regte, waren im Prinzip die winzigen, blinkenden Lämpchen, die wie drohende, rote Monsteraugen leuchteten. Die Typen hatten kleine Module in der Mitte der Stirn eingebaut, dort, wo sich das „3. Auge“ befindet. Keine Frage, es handelt sich hierbei um eine neue Version des Hologram-Head-Hubble. Kabellos, skrupellos. Als ich auf Nummer sicher gehen will, knüpfe ich mir einen der Zombies vor und schiebe mit meinem scharfen Blaster die zotteligen Haare beiseite, um mir das Implantat aus nächster Nähe anzuschauen. Ja, da steht der Name der Firma, die auch ehemals den Triple H produzierte:
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Friends Of Freedom™. Ich muss unheimlich aufpassen, denn solche Orte sind Nester der Ghule. Sie zehren an der trägen, abscheulichen Energie solcher „Drogensümpfe“. Ich bin gleich am Ausgang angelangt und meine Nase juckt wie wild, an der Wirbelsäule bemerke ich, wie irgendetwas sich an mir festkrallen will. Schnell raus hier, und dann reinigen. Nun befinde ich mich im Vorraum zur Pforte. Flink packe ich den kleinen Ghoulbuster 4000 aus, welcher von einem unserer U.R.I.E.L.-Genies entworfen wurde. Er hat die Form einer roten Stahlpumpe, eine anatomisch korrekt nachgebaute Version des menschlichen Herzens. Ein Knopfdruck genügt, und im Innern wird stark konzentriertes Schafgarben-Extrakt verräuchert. Wir haben einige Geräte für die äußersten Notfalle aufbewahrt. Ich dunste mich ein und fühle mich gleich besser. Auch habe ich ein kleines Fläschchen Lavendelöl dabei, welches ich behutsam öffne, um mein Kronenchakra zu beträufeln. Heilige Scheiße! Wer weiß... vielleicht ist dies das letzte Bisschen Lavendel der Welt. Ich bin bereit. Sesam öffne dich.
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YOU WANT TO KNOW ABOUT VOTING. I'M HERE TO TELL YOU ABOUT VOTING. IMAGINE YOU'RE LOCKED IN A HUGE UNDERGROUND NIGHT-CLUB FILLED WITH SINNERS, WHORES, FREAKS AND UNNAMEABLE THINGS THAT RAPE PITBULLS FOR FUN. AND YOU AIN'T ALLOWED OUT UNTIL YOU ALL VOTE ON WHAT YOU'RE GOING TO DO TONIGHT. YOU LIKE TO PUT YOUR FEET UP AND WATCH 'REPUBLICAN PARTY RESERVATION.' THEY LIKE TO HAVE SEX WITH NORMAL PEOPLE USING KNIVES, GUNS, AND BRAND NEW SEXUAL ORGANS YOU DID NOT EVEN KNOW EXISTED. SO YOU VOTE FOR TELEVISION, AND EVERYONE ELSE, AS FAR AS YOUR EYE CAN SEE, VOTES TO FUCK YOU WITH SWITCHBLADES. THAT'S VOTING. YOU'RE WELCOME.
- SPIDER JERUSALEM, 'TRANSMETROPOLITAN'
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6. KapiteL
I
Homo transmetropolitaN
ch schiebe endlich eine der riesigen Türen auf, die in die Wildnis führt, aber... äh... Halt... führte. Es muss „führte“ heißen! Ganz genau. Sie führte in die Wildnis!
Zu viele radioaktive Pilze? Zu viel beißender Likör? Zu wenig frische Luft! Zu wenig Obst! Ich bin wohl nicht mehr ganz bei Trost... Nach zwei Schritten stehe ich – so scheint es - in einer Abart von Kneipe. Schwarz gekleidete Gestalten sitzen an vereinzelten Schwebe-Tischen, sie trinken aus altmodischen Tonkrügen und essen absonderlich anmutende Gerichte. Die Leute haben satanisch wirkende Tattoos in den Gesichtern: Reptilienaugen, Schimpfwörter, Dämonenvisagen, Okkulte Symbole. Schmuck-Implantate verformen verschiedenste Körperstellen zu außerirdischen Missbildungen – ich hoffe zumindest, dass es sich um Implantate handelt. Eine junge Dame streckt die Zunge in das Ohr ihres Partners, doch dieser sitzt bestimmt einen Meter weit von ihr entfernt. Manche Männer haben sich offenbar die Finger umoperieren lassen, sie hinterlassen den Eindruck von brutalen Monsterkrallen. Auch die Bareinrichtung hat einen okkulten, schwarzmagischen Flair: Hologramm-Pentagramme mit Luziferköpfen rotieren auf Säulen, und dem Vernehmen nach ist die Technik so weit fortgeschritten, dass sie sogar Hitze abgeben und nach Schwefel stinken. Flachbildschirme agieren wie eine Tapete und zeigen Portraits von verschiedensten Reptiloiden, wie bei einer Ahnengalerie wurden sie aufgereiht: Pindar, Enki, Ninhursag, Buddha, Zeus und Co. Ich höre in meinem Kopf abscheuliche Musik, eine Art verachtenswerter Mix aus wirren Elektroklängen, Gabba und
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Black-Metal, kann aber keine Boxen in dem Raum erkennen – die Frequenzen werden wohl irgendwie anders transportiert, was mir ein wenig unangenehm ist und mir Sorgen bereitet. Ich möchte nicht wissen, was gerade noch alles mit meinem Schwingungsfeld angestellt wird. Ich muss so schleunigst wie möglich den verflixten Zucker besorgen, und erst jetzt kommt in mir die Frage auf, ob es diesen überhaupt noch gibt. »Was machst du dort im Cave, Freak? Kannst du nicht lesen?«, faucht der Barkeeper plötzlich mit einer tief heruntergepitchten Stimme, so, als hätte er in seinem Kehlkopf einen Unterwelt-Modulator einbauen lassen. Zusätzlich ist sein Englisch sehr gewöhnungsbedürftig, er hat einen starken chinesischen Akzent und erst jetzt wird mir klar, dass alle in diesem Lokal so sprechen. Ich drehe mich um und betrachte das Schild an der Tür. „Nur für Creeps“ steht auf ihm in gespenstischen Lettern. Vollkommen perplex über die Eindrücke, will ich etwas entgegnen, doch dann drängt mich einer dieser grauen Kreaturen zur Seite und betritt die Höhle. Es scheint sich wohl um eine besondere Spezies von Holo-Junkies zu handeln. Ich will es gar nicht genauer wissen. Ich will nur... »...einen Cappuccino bitte! Plus ein Päckchen ZusatzZucker.« Der Barkeeper mustert mich, als wäre ich ein Alien, welches auf dem Planeten Erde einen M'jiajanika-Truthahn mit einer extra Portion saftiger Ju'jinkaloulououpa bestellt. Ich grinse nur dumm, und als ich merke, dass ihm dieses Verhalten noch mehr verwirrt, krame ich mein altes Black-Metal-Gesicht raus, welches ich als dämlicher, ultracooler Teenager des Öfteren zur Schau gestellt habe. Auch ich pitche meine Stimmbänder zu einer düsteren E-Gitarre runter und grunze wie ein Vulkan: »Nen Capu, aber flott wie Feuerwasser. Plus nen Päckchen Zucker, Fettsack.« Ich versaue alles. Ich versaue alles. Ich versaue alles. Nein. Nein. Nein. Der Typ wittert irgendetwas Ungewöhnliches an
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mir, kann es aber noch nicht genau einschätzen. Mit Entsetzen fällt mir auf, wie sein rechter Arm langsam unter die Theke gleitet. Alarm-Knopf oder Plasma-Flinte? Lass dir etwas einfallen, VV-Man. Jetzt. Sofort. Aus Verlegenheit und Pseudo-Coolness hatte ich eine Hand auf einem der Hoover-Table angelehnt, um locker aus der Hüfte zu quarken. Ein dicker Klecks Ketchup fristet seine schmierige Existenz auf dem Tisch. Ich bete darum, dass es kein infiziertes, verpestetes Blut ist, denn ich streife den Schleim heimlich mit der Hand ab und packe mir verlegen in den Nacken, um auf den Barkeeper zuzugehen. Sein gewaltiger Vollbart, welcher rot gefärbt ist und zu Flammen gezwirbelt wurde, irritiert mich gewaltig, ebenso die langen Hörner, die an seinem breiten Schädel montiert wurden. Daher stottere ich unbeholfen: »Sorry für mein Auftreten. Hab zu... zu... zu viel gesteckert«, wobei ich meine Hand wieder vom Nacken wegführe und ihm die Flosse mit dem roten Saft zeige. Sein Arm bleibt stehen und ich drücke innerlich beide Augen zu und hoffe, dass mein Plan aufgeht. Er glaubt tatsächlich, ich wäre ein armer, irrer Holo-Junkie mit blutender Stecker-Wunde, der sich ordentlich verirrt hat. Sein Arm geht hoch, zeigt angeekelt auf mich und dann auf ein rotes Portal in der Wand der Kneipe. »Raus hier, Freakfuck. Das hier ist ein Tempel für Gore-Goths und Creeps. Infiziere mit deinem Fuckhead bloß keine Vamps, Hell Yeah?« Ja, ja. Ist ja gut. Soll mir recht sein, Ochsenschädel. Bleib Cool. Ja, einen Schritt nach dem anderen. Geh einfach durch das Portal, VV. Bloß niemanden anschauen. Ich spüre den Blick des Keepers in meinem Nacken und kann es mir nicht verkneifen, ihn ein letztes Mal zu beobachten. Baby Jesus, ich wünschte, ich wäre so klug gewesen und hätte dieses Unterfangen sein gelassen. Er öffnet eine riesige Schublade, welche in die Wand eingelassen wurde und höllische Schreie dringen aus ihr heraus. Zig Hände greifen nach Hilfe, vor lauter Schmerzen zu verkrampften Fängen geformt. Dann packt
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Mr. Flammenbart kräftig zu und zerrt einen Menschen aus dem Behälter! Auf dem Tresen liegt ein Plasma-Hackebeil. Schnell schaue ich wieder nach vorne. Kurz wünsche ich mir, wieder neben Bauer an der U.R.I.E.L.-Bar zu hängen und mich von ihm volltratschen zu lassen. Wie ein Wahnsinniger presse ich den Knopf meines Ghoulbusters und räuchere mich ein wie eine Forelle. Mehr. Mehr. Mehr. Reinige mich! Pfui Teufel! Was für eine ungeheuerliche Absteige! Ein letztes Mal pfeffere ich eine volle Ladung auf meinen Nacken und meine Hand, nachdem ich das rote Zeug, welches wahrscheinlich Menschenblut war, abgewischt hatte. Das komplette Lavendelöl wird über die Hand ausgeschüttet und ich reibe mein Gesicht damit ein. Schütze mich. Segne mich. Fort, ihr Ghule! Und erneut frieren meine Glieder ein. Erst jetzt komme ich auf die Idee, bewusst die Kulisse wahrzunehmen, die sich exakt vor meiner verdammten Trollnase auftut. Warum befinde ich mich überhaupt so hoch? Einmal umdrehen, und ich weiß, wieso: Die Kneipe wurde in einen Berg hineingemeißelt und ein dämonischer Monsterkopf aus Gestein und Erde umringt sie. Okay, VV, und jetzt wieder nach vorne. Ganz ruhig. Vor mir tut sich ein Abgrund auf. Alles hat sich in eine rote, tote Wüste verwandelt. Roter Sand. Rotes Gestein. Kein einziger Baum mehr zu sehen. Nicht mal eine einzige Pflanze. Kein Wasser. Nichts. Der Himmel ist knallweiß. Wahrscheinlich ausgeblichen durch die ganzen Chemtrails, damit nie wieder ein Sonnenstrahl die Welt erblicken kann. Ich rieche das Aluminium, spüre sogar, wie es sich auf meine Haut legt. Flugsaurier ziehen ihre beängstigenden Bahnen durch eine Schicht aus Feinstaub und Smog – Wolken aus purem Gift.
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Ich sehe Reiter auf ihnen sitzen, dessen kuriose Rüstungen den weißen Himmel reflektieren. Vor mir zieht sich eine riesige Allee durch monströse Hochhäuser, die sich bis zu einer matten Stahlpyramide erstreckt. Aus dem Allsehenden Auge des „Palastes“ wird ein Logo gebeamt, welches einen Globus zeigt, der von einer Schlange umringt ist. Das ganze Gebiet ist umzäunt von übergroßen Barrikaden, so wie bei einem Reservat. Wachtürme wurden mit Laserkanonen bestückt und Patrouillen wachen an jeder Ecke. Zwei goldene Statuen, fast so groß wie die höchsten Häuser, thronen gleich in meiner Nähe. Es handelt sich um „Enki und Ninhursag“, wie mich in die Luft projizierte Holo-Schriftzüge aufklären. Die ganze Stadt ist eine einzige Werbung. Spots für das neue Lady-Gaga-Album „Corpsefuck“ zieren die Wände. Auf einem großen Marktplatz bestaunt man sogar ein Mega-Hologramm von ihr: Der Popstar sieht aus wie ein Echsenwesen und schiebt sich in einer endlos-Animation einen Knochen in die Vagina. Ich meine, zu erkennen, dass die Bürgersteige wie Rennbahnen aufgebaut sind. Die eine Richtung links, die andere rechts – festgelegt durch Laserwände und Tritterkennung. Offenbar gibt es auch eine konkrete Geschwindigkeit, mit der man laufen muss. Es sieht aus wie ein mechanischer Ameisenhaufen. Ich vernehme schlagartig eine Stimme in meinem Schädel, und denke erst, das Orakel würde Kontakt zu mir aufnehmen. Doch... „Es folgt der Trailer zu dem neuen 'Stirb wie ein Hurensohn, Freakfuck'! Teil 8 – bald in deinem Kopf!“. Makabere
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Bilder flackern durch mein Hirn, in denen ein mittlerweile komplett zu einem Cyborg verkommener Bruce Willis einen Anführer der Weltpolizei spielt und böse Revoluzzer abschlachtet. Man sendet Werbung an meine Synapsen! An einer Ecke haben sich eine Fülle von Creeps zusammengefunden und dealen anscheinend mit irgendwelchen Modulen. Ich weiß immer noch nicht genau, was es mit diesen Viechern auf sich hat. Sie werden wohl gesellschaftlich akzeptiert und in die Stadt integriert. Außerhalb der Stadt mache ich Farmen aus, die ebenso wie die Metropole eingezäunt sind. Gigantische Schweine werden dort gemästet, vier Mal so groß wie die der alten Zeit. Es fällt auch auf, wie lang sie sind – sicher hat man ihnen einen Code für zehn neue Rippen in die DNA gepflanzt. Per Laufband werden die Tiere teilweise lebendig in einen Häcksler geworfen. Andere schlachtet und zerteilt man noch auf dem Hof mit übergroßen Sägen. Überall wo man hinblickt, schweben mechanische Augapfel-Drohnen zwischen den Häusern entlang. Zum Glück scheinen sie keine Interesse an der Gore-Goth-Kneipe zu haben, vor der ich immer noch stehe. Was mir am meisten Furcht bereitet, ist das quaderförmige Ding zu meiner Rechten: Offen und frei sind Menschen zu erkennen, die regelrecht eingelegt zu sein scheinen. Zig Tausende Exemplare schwimmen betäubt in einer Lösung herum, so als wären sie in einem Unterwasser-Tiefschaf. An ihnen hängen Kabel, genau wie bei den menschlichen Batterien im Film 'Matrix'. Und als ich hochblicke, zur Oberseite des Betonblocks, da wird mir ganz schwindelig: Tatsächlich sprühen die Funken und ein riesiges Kabel ragt aus dem Quader heraus... es führt irgendwo hin... weiß der Teufel, wohin...
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Ich korrigiere: Was mir AM MEISTEN FURCHT BEREITET, ist das Stadion zu meiner Linken. Beim leuchtenden Lightfucker – das darf nicht wahr sein. Es kann einfach nicht die Realität sein. Nein. Opferungen. Eiskalte Opferungen. Auf monumentalen Bildschirmen übertragen. Live. Vor meinen Augen. Kinder. Schwangere. Opferungen über Opferungen. Nein. Bitte nicht. Ich versuche, genau hinzuhören, und ein Moderator plaudert überschwänglich über die Beseitigung von Rebellen. Riesige Flammenkübel, in denen Menschen geworfen werden. Altare umtürmt von alten, babylonischen Statuen. Todesschreie, die per Mikrofonverstärkung durch die Stadt hallen. Ich wende mich voller Betroffenheit ab. Als vor meinen Augen ein Nekrophilen-Porno-Hologramm laufen gelassen wird, und eine tiefe Stimme verkündet, dass nur totes Fleisch fruchtbar wäre.... ...da beschließe ich, so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Ich übergebe mich fast und muss mich erst einmal setzen, bevor ich weitergehe. Vielleicht ist das hier wirklich die Hölle. Was soll es sonst sein?
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WILDFIRE ASHLEY BLUE'S CYBERSKIN SPREAD WIDE VAGINA AND ANUS - MOLDED WITH HER HANDS ON HER ANUS; YOU CAN SEE THE FLESH BETWEEN HER FINGERS
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7. KapiteL
A
You are my candy girL
ll das Gesehene spukt immer noch durch meine Innenwelt und ich kann mich nicht mehr zurückhalten, ich kotze mir die Seele aus dem Leib. Gleichzeitig habe ich riesige Angst davor, entdeckt zu werden – ich muss mich zusammenreißen, sonst falle ich zu sehr auf. Ich fühle mich schrecklich einsam und verlassen. Die Schwere der Welt drückt mich nach unten und kurzzeitig kommen mir die Tränen. Doch noch während sie die Wange herunterlaufen, ändert sich mein schmerzhaft verzogener Gesichtsausdruck, denn genau darum geht es... diesen IST-Zustand zu ändern, und ein funkelndes Feuer beginnt unter der Schutzbrille in meinen geröteten Augen zu lodern. Ich sehe mein Abbild in einem der levitierenden Werbe-Screens spiegeln und affirmiere innerlich mit dröhnender Stimme: »ICH HABE DIE KRAFT. ICH BIN DIE MACHT!« Hey, ich kann froh sein, dass ich es überhaupt so weit geschafft habe. Ich wurde noch nicht entdeckt und muss jetzt meine Chance nutzen. Jeden Moment können sie mich orten und einfangen. Nichts wie los! Ich reibe mir die Kotze mit einem Ärmel meines Mantels vom Mund, wische die Tränen aus dem Gesicht und erhebe mich. Ermutigt mustere ich erneut die Stadt. Irgendwo in der Nähe muss es doch... genau! Da! Perfekt! Zwischen all den hochmodernen Fassaden versinkt ein antikes, kleines Häuschen, das aus den 20er Jahren (2020) zu stammen scheint. Sieht aus wie ein gemütliches, altmodisches Café!, jubele ich in Gedanken und schöpfe neuen Mut. Ich bemerke, dass hinter mir drei Succubus-Damen über mich tuscheln. Wie komme ich bloß runter zu dem Café? Dort hinten an der Klippe steht ein Portal, das ins Nirgendwo zu führen scheint. Es ist wohl eher ein Teleporter. Ich sehe,
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wie so ein Gore-Goth-Typ durch das pulsierende, blaue Etwas schreitet, weswegen ich unten im Tal nach dem zugehörigen 2. Portal suche. Und, ja, da unten taucht er wieder auf! Probieren wir es mal. Man spürt überhaupt nichts, wenn man teleportiert wird. Meine Atome haben sich ohne großes Theater wieder zusammengefügt und von hier unten sieht die Stadt noch kolossaler aus. Die Wolkenkratzer sind so hoch, dass sie im Smog verschwinden. Schnell weiter, bloß nicht den Anschein eines Touristen machen! Dort vorne ist der Eingang zu einem der Laufstraßen, ich füge mich ein und versuche, mir die vorgegebene Schrittgeschwindigkeit anzueignen. Auch auf den Laserwänden, welche die zwei Bahnen trennen, läuft Werbung. Inklusive Geruch und Gefühl: Schon wieder diese verfluchte Lady Gaga; sie trinkt aus einem Kelch Blut und ich rieche das Eisen und ihren Ekstase-Schweiß. Sie öffnet ihren triefenden Mund und präsentiert spitze, lange Drachenzähne, woraufhin sie einen Strahl Feuer spuckt, dessen Hitze ich eindrucksvoll am ganzen Körper erfahre. Neben mir laufen Creeps, GoreGoths, Cyborgs, Roboter und viele andere eigentümliche Geschöpfe, deren genaue Bezeichnung ich nicht kenne – alle stören sich nicht an der Reklame. In meinem Kopf tönt überraschend eine finstere Dämonenstimme: „CORPSEFUCK – Das neue Album! Lade es dir direkt auf deinen Brain-iChip herunter, indem du laut 'BUY IT 13' denkst – nur 3,33 Digicash. Sei kein outer Freakfuck und besorge es dir ordentlich! FUCK ME! UH! UH! UH!“. Benebelt und genervt, leicht aggressiv und ziemlich angepisst, stampfe ich weiter, wie ein verkappter Roboter. Wie schön es doch im Erdloch war. Ein paar Bildschirme weiter sehe ich schon wieder eine neue Anzeige. Bitte... Gott... verschone mich. Nein! Ich rieche Scheiße. Pure Scheiße! Bitte... nein... „BUTT-BONE by Lady Gaga: Der neue Arsch-Vibrator in Form eines leichengeilen Knochens! Du stehst auf Kotspiele? Butt-Bone besitzt die neue Smell-
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Strong-Technologie, welche die Aromen deiner braunen Gabe verstärkt. Auch für Vaginas geeignet...“. Ich spüre das Ding in meiner Hand liegen, was mir vor Ekel Säure in den Mund pumpt. Wie machen die das bloß? „Na, ein nekrotastisches Feeling? Sei kein...“ - bitte... bitte... bitte... Da hinten ist eine Kreuzung, kurz an der Ampel stehen bleiben und abbiegen, dann bin ich fast da! „COOOOCK-COOOOKE!!! Du willst deine Penisse zu einem wahren Teufels-Schwanz-Modul heranwachsen lassen? Nicht wie ein Freakfuck vor deinem Succubus stehen und dich schämen? Cock-Coke besitzt die neuen Nano-Partikel mit originaler Zeus-DNA. Annunakigeil!“. Über mir fliegt eines der mechanischen Augen und scannt interessiert mein verzogenes Gesicht ab, weswegen ich schnell wie ein zufriedener Idiot grinse, doch die Schweißperlen auf der Stirn kann ich nicht zurückhalten. Kurz glaube ich, es wäre alles vorbei, doch das Ding lässt von mir ab und schwirrt weiter. Erschöpft und ausgelaugt verlasse ich die Hauptstraße und begebe mich auf einen Pfad, der mich zum Oldschool-Café führt – vorbei an dutzenden Automaten, an denen sich Leute auf der Stelle von Roboterarmen bizarre Gesichts-Tattoos verpassen lassen oder aus denen sie sich perverse Gegenstände in den verschiedensten Formen ziehen. Ein Automat lässt eine schwangere Frau in eine Kabine treten, und als sie nach zehn Sekunden wieder herauskommt, ist ihr dicker Bauch verschwunden. Jemand anderes nähert sich dem Gerät, drückt außen auf einen Knopf, und ihm wird ein ominöser Fleischwürfel am Stock serviert. Babycubes – der kleine Snack für zwischendurch. Hier herrscht kein Tempolimit, daher gehe ich einen gewaltigen Schritt schneller und versuche, nicht vor Schauer zusammenzubrechen. Erst jetzt wird mir klar, dass ich noch kein einziges Kind gesehen habe, nur Jugendliche und Erwachsene. Vielleicht werden die Kinder vom Staat eingesackt, womöglich werden sie in einem Distrikt großgezogen. Ich habe keine Ahnung. All dies ist für mich ein Rätsel und ich werde wohl nie dahinter kommen, was hier für
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eine kranke Show abläuft. Oder doch? Auf einem rotierenden Podest steht ein in roten Leinen gehüllter Android. Das Gewand zeigt ein riesiges Auge, dessen Pupille eine Weltkugel darstellt, welche wieder von einem Reptil umschlungen wird. Mit einer blechernen Stimme verkündet er: »Wir sind alle eins, meine Brüder und Schwestern! Der große Enki und die reizende Ninhursag haben uns das Leben geschenkt - sie sind unsere göttlichen Erschaffer! Endlich wurden wir erlöst von all unseren Limitationen. Preiset unsere Befreier: Der Sohn und die Tochter Gottes!«, dann fügt er mit einem anrüchigen Unterton etwas leiser hinzu: »Könnt ihr euch vorstellen, Brüder und Schwestern, dass man in der alten Zeit nicht den geheiligten Sex mit dem eigenen Fleisch und Blut haben durfte? Was für eine Gotteslästerung! Enki sprach: „Vereinigt euch! Liebt eure Kinder voller Feuer und Flamme! Eins ist das Fleisch und eins ist das Blut! Alles ist gut!“ - Also: Sät den Samen in die jungen Blüten! Sie können nie jung genug sein!« Meine Füße geben nach und ich stürze auf den Boden. Ich kann nicht mehr, ich möchte liegen bleiben und sterben. Besinne dich, VV. BESINNE DICH! Mit letzter Kraft stemme ich mich wieder hoch und versuche, die Stimme des modernen Priesters zu ignorieren. Doch es geht nicht, auch hier scheint irgendeine neuartige Wissenschaft am Werke zu sein: Die Suggestionen dringen direkt in mich ein. »Und Ninhursag sprach: „Auch fremdes, junges Fleisch sei dir gegönnt, du darfst dich laben an ihm und dich daran ergötzen. Eins ist der Mensch und eins ist das Universum!“ - suchet also mit Freude die Provinz Der Zarten Vereinigung auf, meine Lieben!«, postuliert der Prediger. Hastend suche ich das Weite, doch wie durch schwarze Magie dringen die Botschaften weiter in meinen Verstand: »Erweitert euer Bewusstsein, Brüder und Schwestern! Werdet grenzenlos! Befreit euch aus dem lästigen Glauben der alten Welt! Die Neue Weltordnung bedeutet pure Freiheit, meine Lieben – ohne überholte Moral und altertümliche Sitten. „Gehe
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raus in die Welt und tu, was dir gefällt“, tat Pindar bei seiner Predigt von New Toronto kund! „Auch totes Fleisch gehört der Erde, vergreife dich an ihm, erfreue dich am Tod, denn er beherbergt Leben!“. Wir alle kennen die Ekstase, die uns die Nekromantik schenkt! Dieser magischen Akt der Verbindung zweier Unterschiede, die im Wahren eins sind! Preiset die Bruderschaft der Schlange! Lebt! Frohlockt der Neuen Welt! Heil Enki! Heil Ninhursag! Pindar, Zeus und Odin! Sie alle segnen eure Seele!...« »Ich habe die Kraft. Ich habe die Macht...«, will ich affirmieren, doch ich glaube nicht mehr daran. Mein Gefühl sagt mir, dass ich verloren bin. Ich betrachte das Gebäude nicht genauer, ich will einfach nur irgendwohin, wo es wenigstens ansatzweise so ist, wie zur guten, alten Zeit. Ein Espresso... dazu als Mahlzeit etwas Ciabatta mit getrockneten, in Öl eingelegten Tomaten, eine dicke Messerspitze Kräuterbutter und frische Oliven. Das würde mir Kraft geben, mir etwas Geborgenheit und Wohlergehen bescheren, eine Pause, eine Rast, ein wenig Genuss. Ich sehne mich nach einem Ort der Ruhe, nach Gemütlichkeit und Entspannung. Also öffne ich die viktorianisch anmutende Holztür, dessen Knauf komischerweise aus einem ausgestreckten Frauenbein besteht und verschwinde schnell in dem Café, in welchem ich den verdammten Zucker auftreiben will. Vor mir steht eine junge Dame mit zwei Arschlöchern – sie streckt mir ihren nackten Hintern entgegen und wirft ein schmutziges Grinsen über ihre Schulter. Auf einer kleinen, beleuchteten Plattform präsentiert sie nebenbei ihre Strapse, Stöckelschuhe und mit Rüschen verzierte Reizwäsche: Sie schaut aus wie eine Moulin Rouge-Hure. Verzweiflung und Traurigkeit graben sich durch meine Gesichtshaut - ich muss wie der ärmste Mensch auf Erden aussehen. Wie jemand, dem keine Hoffnung mehr bleibt.
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»Oh! Ein echter Freakfuck! Willkommen im „L' Antique Anal“, Kleiner. Das Fuckhouse mit dem einzigartigen Charme des letztens Jahrtausends, die Zeit, in der die Frauen noch zwei Arschlöcher besaßen, anstatt drei. Ich bin Rektala...« Panisch klopfe ich meinen Körper ab und suche die Fläschchen Pilzlikör, die ich mir als Proviant umgebunden hatte. Als ich endlich eine von ihnen ergreife, reiße ich das Ding ab, schnippe die Verdeck-Kappe auf und nehme einen riesigen Schluck, der mir Tränen in die Augen schießen lässt und abartig im Hals brennt, sodass ich einen Hustenanfall bekomme und mich krümmen muss. Die Wirkung tritt schlagartig ein: Mein Oberstübchen wird von einem Plasma-Hammer zerdroschen. Ich fühle mich entlastet. So, wie Minzöl die Nase befreit, befreit der Likör mein Gehirn. Alles wird betäubt. Geist, Herz und Seele. Die Hure ist fassungslos und als ich beinahe umkippe und gegen die Garderobe knalle, da fängt sie mich auf und gibt mir Halt. »Bei Agash und Aukak! Was machst du da, Freakfuck?« Benommen frage ich, während ich hysterisch lache: »Wie... wie... wieso nennt ihr mich... wieso nennt ihr mich alle ständig... Freakfuck?« »Weil du wie einer aussiehst, Süßer?«, antwortet sie irritiert mit einem kuriosen China-Akzent und zupft mit ihren lackierten, extrem langen Fingernägeln an meinem Mantel. »Wie... wie sehe ich denn aus?« »Out?«, sagt sie, als müsste sie einem Dummkopf die Welt erklären. »Warum out?«, will ich wissen und bin verflucht unvorsichtig. Der Alkohol hat auch meine Behutsamkeit zum Verpuffen gebracht. Eigentlich sollte ich aufpassen und mir nicht anmerken lassen, dass ich nicht von hier stamme, aber jetzt plaudere ich einfach drauf los. »Keine Implantz, keine Tattoos, keinen Brain-iChip. Deine Kleidung... die Brille... dein Geruch... deine Haare... wie aus einem anderen Zeitalter. Deswegen bist du doch hier, oder?«
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»Aber klar«, holpert es mir nervös über die Zunge. »Setzen wir uns doch kurz, Kleiner«, schlägt Rektala vor und weist auf einen hübschen Tisch in der Ecke. Es wurde wirklich das Beste gegeben, die Einrichtung altmodisch wirken zu lassen, weswegen ich mich seit einer Unendlichkeit wieder heimisch fühle, tatsächlich so, als wäre ich „zu Hause“... ausgerechnet in einem Bordell... hmm. Ich setze mich und die gute Frau möchte wissen, ob ich etwas trinken will. Der Appetit auf Essen ist mir vergangen. »Was habt ihr denn Wunderbares im Angebot?« »Wie wäre es mit einer Cock-Coke?«, fragt sie neckisch und betont das letzte Wort so, als würde sie mich heiß machen wollen. »Hey, ich bin ein Freakfuck«, erwidere ich empört und der Likör hilft mir trotz Allem enorm, nicht die Nerven zu verlieren, sondern einigermaßen lässig mitzuspielen. »Verzeihung«, entschuldigt sie sich höflich. »Ein Babyjuice? Unsere Frau für die Küche macht den besten Babyjuice in Novanut City.« Zum Henker. Ich möchte nicht wissen, was ein verdammter Babyjuice sein soll. Komm schon... bitte... »Oder, wenn du wirklich in die Vergangenheit reisen willst, mein geiler Zweiloch-Lecker... wie wäre es mit einem klassischen Kaffee?«, schnalzt die Hure verführerisch und scheint dabei selbst langsam in Fahrt zu kommen. »Das hört sich gut an!«, grinse ich verlegen und füge hinzu: »Und bitte mit einem extra Päckchen Zucker, das würde mich... erst richtig freaky machen.« »Selma! Ein Freakfuck-Kaffee!«, ruft sie erregt in Richtung Küchentür, und als ein geschminkter Kopf an dem Türfenster erscheint, fügt sie etwas leiser hinzu: »Und... haben wir dieses alte Zeug... ähm... diesen Zucker?« Ich falte die Hände auf meinem Schoß zusammen und beuge den Kopf auf sie, bete zu den Göttern aller zerfressenen Zäh-
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ne und bösartiger Mundfäule: Karies und Baktus, give me fucking sugar! »Super, Schätzchen. Im Päckchen!? Ja? Danke, Selma.« Mir fällt ein Amboss von meinem betäubten Herzen. »Dein Getränk kommt sofort. Wir haben wirklich noch diese alten Maschinen, Kleiner. Wo das Zeug Ewigkeiten braucht, um durchzulaufen«, berichtet sie stolz und setzt sich neben mich. Das Uhren-Replikat an der Wand lässt seine Zeiger extrem langsam ticken. Noch nie habe ich mich so fehl am Platze gefühlt, noch nie ist die Zeit so gekrochen. Ich sitze mit einer Prostituierten an einem Tisch, deren Besonderheit es ist, „nur“ zwei Polöcher zu besitzen, und warte auf den Kaffee – oder eher gesagt, auf das bedeutungsvolle Päckchen. Mir fällt einfach nichts anderes ein, ich will wissen: »Kannst du dich noch daran erinnern, wie es dazu kam, dass Frauen ihre Arschlochanzahl erhöhten?« - wobei ich so tue, als kenne ich die Antwort. »In meiner Ausbildung habe ich gelernt, dass wir früher sogar nur ein Arschloch hatten, so wie die Männer heutzutage. Als der große Porn-Boom im Jahr 2025 ausbrach, ließen sich die ersten Assfuck-Pioniere ihre DNA so manipulieren, dass ein zweites Loch wuchs.« »Du hast gut aufgepasst!«, lobe ich, als wäre ich ein Profi auf diesem Gebiet. »Nun konnten noch mehr Männer die Frauen besteigen. Eine tolle Zeit, oder Kleiner? Pindar sei Dank übernahm der Mainstream den Trend. Nun gab es Mütter mit zwei Löchern, so wie meine. Sie bekamen Kinder mit den gleichen Merkmalen. Seit 2032 ist es normal, mit drei Assfuck-Portalen herumzulaufen. Wenn du das nicht machst, bist du nen Freakfuck. Aber wen kümmert es, heh, Süßer?« Sie rutscht näher zu mir und fummelt an ihrem eigenen Arsch herum. Panik. Ja. Panik... ich gerate in verfickte Panik.
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»Himmel sei Dank hat Trixxy diesen tollen Schuppen hier aufgezogen. Ein zweihöhliges Schlupfloch für Assfuck-Freakfucks wie uns.« ...und ich dachte, meine Ausdrucksweise wäre primitiv. »Lust, auf meinem Doppeldecker zu fliegen?« GOTT. HILFE. »Zeig doch mal deinen Zweier-Penis, heh?« Was zum... Gott, bitte. Bitte. BITTE! »Ein Freakfuck-Kaffee mit einem Päckchen Zucker!«, ruft Selma von der Theke rüber. Rektala steht auf. Erleichtert puste ich schwere Luft aus mir heraus. Sie greift mit ihrer Arschhand nach dem Tablett und bringt es an den Tisch. Da liegt er... der Zucker... ein schlichtes Päckchen... wie aus dem Jahre 2016. Lichtvoller Lightfucker. Habe ich es geschafft?
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ICH WAR DAMALS NOCH JUNG... KRIMINELLEN GEGENÜBER ZU WEICH. HAB SIE AM LEBEN GELASSEN. HAB EINEM DEN ARM GEBROCHEN, UM WAS RAUSZUKRIEGEN.
- RORSCHACH, 'WATCHMEN'
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8. KapiteL
N
Die flucht aus novanut citY
icht zu glauben! Einfach herrlich! Wie das duftet!«, schwärme ich, als die Prostituierte mit ihrer Arschhand das heiße Getränk samt Untertasse und Päckchen abstellt. Ich reibe mir freudig die Hände und lächele breit, wobei plötzlich meine Gestik mit einem Mal einfriert. Rektala will sich gerade an mich schmiegen, hält aber jetzt inne und fragt, ob etwas nicht stimmt. »Musik! Ich brauche Musik!«, rufe ich unzufrieden. »Hier ist es so still. Meine Doppel-Schlange kommt nur aus dem Korb, wenn die richtige Flöte gespielt wird«, lüge ich dreist und ekel mich vor meinen eigenen Ausführungen. »Dafür bin ich doch da...«, antwortet die perverse Hure und kommt wieder näher. »Nein! Bitte... leg doch etwas auf, ja? Ein schönes Lied vom letzten Jahrtausend.« »Was denn?«, gibt sie nach – sie scheint wirklich all meine Wünsche erfüllen zu wollen. »Schau doch einfach mal, was ihr so da habt. Hmm?« »In Ordnung, Kleiner. Warte hier auf mich und wärme dich schon mal an dem Kaffee auf.« Es funktioniert: Sie verlässt den Raum und geht in ein Privatzimmer. Schnell packe ich den Zucker in eine meiner Taschen und will losstürmen, da kommt die Küchenmeisterin herein und geht zur Tür! Hau ab, verdammt! Sie lugt aus dem kleinen Türfenster und schwafelt enttäuscht: »Wo Big Pete wohl bleibt?« - und geht daraufhin wieder zur Kombüse. Das Lied 'Sugar' von 'The Archies' platzt überraschend aus den Boxen und ich nutze die Gunst der Sekunde und mache mich heimlich davon, genau so, wie ich es geplant hatte.
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Ich habe gerade die Tür hinter mir geschlossen und will mich unter die Menge mischen, als zwei kantige „Robocops“ auf mich zukommen. Es ist die gleiche Sorte von Kampfkoloss, die auch die Flugsaurier reitet und an jeder Ecke patrouilliert: Sie tragen eine neumodische Art von Ritterrüstung, einen dicken Harnisch aus außerirdisch wirkendem Metall, welches weiß glüht und enorm glänzt. Auch der Helm könnte auch dem Mittelalter entstammen, wenn er nicht all die diversen technischen Addons hätte. In dem Metallzylinder ist ein düster wirkender Schlitz eingelassen, durch den im Dunkeln zwei tiefrote Punkte schimmern – mir kommt es vor, als würden sie genau in meine Seele blicken. Bleib stehen, höre ich extrem laut und ich erkenne sofort, dass die Wachen per Telepathie mit mir kommunizieren. Ob sie auch die Fähigkeit besitzen, meine Gedanken zu lesen? Ich hoffe nicht. Widerstand ist zwecklos. Ich spüre, wie mein Körper beeinflusst wird und ich bin wie festgewurzelt. Kein Mikrochip = Todesstrafe, poltert es und es wird auf meine rechte Flosse gezeigt. Einer der ritterlichen Roboter will gerade irgendetwas Tödliches aus seiner Handfläche schießen, als hinter mir die Tür auffliegt. Schon vorher konnte man leise das Lied hören, was Rektala für mich aufgelegt hat; nun vibriert es extra laut auf die Straße. „Sugar, na na na na na na, oh Honey, Honey...“ »Watcher! Stopp! Wie geht ihr mit einem der Enkel von Enki um? Was fällt euch ein?« - ein Ablenkungsmanöver meiner neuen Freundin! Die NWO-Cops schauen sich gegenseitig verdutzt an. Perfekt! Noch perfekter ist, dass der pädophile und nekromantische Android-Prediger sein Lager abgebaut hat und vor einer Tür steht, dessen Sicherheits-Code er gegenwärtig eintippt. Irgendeine höhere Macht belebt mich wieder und der VV-Man in mir erwacht: Ich zücke den Blaster so schnell, als hätte ich mein Leben lang nichts anderes getan
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und während ich loslaufe, feure ich zwei gezielte Schüsse auf die Köpfe der Watcher. Diese wanken nur leicht zurück, doch ich hatte nichts anderes erwartet, Hauptsache, ich erhasche eine Sekunde mehr Zeit. Wie ein geölter Blitz pfeffre ich zu dem Priester und die Tür öffnet sich genau in dem Moment, als ich auf den Androiden zuspringe, wodurch ich mit ihm in das Gebäude fliege. Der Durchgang schließt sich schnell wieder und ich höre, wie irgendein mächtiges Geschoss gegen die Außenwand prallt, wodurch eine eindrucksvolle Delle entsteht. Jetzt muss ich schnell agieren. Irgendein außergewöhnliches Genie übernimmt meine Kontrolle – vielleicht ist es der taffe Ganoven-Geist von Han Solo, den ich schon seit so vielen Jahrzehnten anbete. Ich packe mir den Prediger am roten Gewand und nehme ihn als Geisel. »Es gibt einen Ausgang auf der anderen Seite des Bauwerks? ZEIG IHN MIR. ÖFFNE IHN. SONST ZERPRESSE ICH DICH ZU EINEM BABYCUBE!« Wir hasten durch Räume, die aussehen wie eine Kultstätte des obskuren Ordens. Überall stehen fortschrittliche Altare, über denen Weihrauchroboter schwirren. Kleine Knochen wurden anscheinend zu okkulten Formeln zusammengelegt. Elektrische Kerzen und Fackeln beleuchten das Ganze nur spärlich. Glühende Hologramme von Moloch und Baphomet schmücken kleine Podeste. Echte babylonische Relikte hängen an den Wänden. Als wir in das letzte Zimmer kommen, verwundert mich überhaupt nichts mehr: Zwei Typen sitzen nackt vor einem Opferstein, zerteilen darauf die Überreste von kleinen Kindern mit Plasma-Messern und essen die Leichenteile genüsslich, wobei sie irgendwelche indischen Mantren summen. Wieder überlege ich gar nicht großartig, sondern vollbringe einen echten Wunder-Akt. All dies passiert innerhalb von wenigen Sekunden: Nummer 1 kassiert einen flotten Kopfschuss. Als seinem Gegenüber das Blut ins Gesicht spritzt, erwacht dieser aus seinem Delirium und ehe er sich
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versieht, schnappe ich mir das Plasma-Messer und schneide ihm bei lebendigem Leibe die rechte Pranke ab. Er schreit nur wie eine Memme und rollt sich heulend auf dem Boden herum. Schnell reiße ich dem Androiden, welchen ich noch immer festhalte, die Robe vom Leib und binde damit meinen neuen Chip-Behälter ab, damit ich keine Blutspur durch die Straßen ziehe. Rasch nehme ich eine der Kutten der Kannibalen, welche sie an eine Garderobe gehängt haben. »Öffne die Tür, sonst...«, drohe ich und presse meiner Geisel den Blaster gegen das metallene Arschloch. Sie gibt den Code ein, die Tür öffnet sich und ich schubse die Missgeburt knallhart gegen eine der elektronischen Fackeln an der Wand, welche seine Brust durchbohrt und seine Schaltkreise schmerzhaft zum Schmelzen bringt. Flugs schiebe ich meinen rechten Arm ein Stück höher in meinen Mantel und stecke die neue Hand in den Ärmel, welche ich mit meiner eigenen umklammere. Die Kapuze der Kutte hochgezogen, weit in das Gesicht gezupft – und ab geht es zurück in die City, auf dem direkten Weg zu U.R.I.E.L. Just versinke ich in dem bizarren Straßenleben und nur einen Augenblick später preschen zehn fliegende Saurier samt Watcher auf das Haus zu, welches ich soeben verlassen habe. Allem Anschein nach waren keine Kameras im Androiden oder im Raum integriert gewesen. Auch eine Außenkamera scheint mein Verlassen des Gebäudes nicht aufgenommen zu haben – was mich doch ein wenig wundert. Aber ich täusche mich... jetzt ist es vorbei. Alles war umsonst. Das Ende. Ich bin Geschichte. Ein Cop stampft zu mir! Er scheint kurz meine Hand mit einem Scan-Blick zu überprüfen. Oh!, stöhnt er ehrfürchtig und verbeugt sich mechanisch. Kardinal McBaalzack! Haben Sie einen Außenweltler in ihren Gemächern erblicken können, Hoheit? - Puh... »Zur Hölle: Nein!? Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin, du minderbemitteltes Stahlhirn aus dem letzten Jahrhundert?!«, fauche ich aufgebracht mit einer rauen, diabolischen Stimme.
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»Was stehst du hier noch so dämlich herum, Sohn eines Kondom-Automaten!? Wenn wirklich jemand in unseren heiligen Hallen herumspukt... dann solltet ihr ihn sofort aufsuchen und schlachten. WORAUF WARTEST DU NOCH?« Wie ein Hund, der Ärger dafür bekommen hat, auf den Teppich gekackt zu haben, zieht der Watcher mit eingezogenem Helm von dannen. »Verdammt, bist du ein krasser Hoschi«, lobe ich mich selbst und reihe mich grinsend in eine der Hauptstraßen ein, die geradewegs zu dem Portal unterhalb des Berges führen müsste. »Chewbacca wäre stolz auf dich gewesen...« Als ein Drohnen-Auge mich mustert, erschreckt es regelrecht und fliegt zu mir. Erleichtert sehe ich mit an, wie es extra für mich eine der Laserwände deaktiviert und einen kleinen Arm ausfährt, welcher mir deuten will: „Sie haben es nicht verdient, die normale Straße zu nutzen! Hier geht es her, eure Erhabenheit“. Also gehe ich zügig über die Bahn, die für Kardinäle und andere hohe Ränge reserviert wurde. Mal wieder erleide ich einen kleinen Schock, als ein waschechter Reptiloider meinen Weg kreuzt, wobei er mir zum Glück nur grimmig zunickt und kein unangenehmes Gespräch vom Zaun bricht. Es dauert nicht lange, und schon schreite ich wieder durch das Portal, welches mich vor die Gore-Goth-Kneipe beamt. Mittlerweile ist es Abend geworden und ich drehe mich ein letztes Mal zur Stadt, um den irrsinnigen Anblick in mich aufzusaugen. Die Metropole schimmert in der Dämmerung wie ein giftiges Sternenmeer. Begeisterung und Abscheu verquicken sich zu einem komischen Gefühl. »Bis dann, Novanut City. Dein hässlicher Höllen-Schlund wird bald das Zeitliche segnen. Die Vergangenheit wird dich auslöschen«, flüstere ich bestimmend und fühle, wie das Päckchen Zucker sanft gegen meine Brust drückt. »Lange genug hast
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du uns in Karbonit gegossen und in einen Winterschlaf versetzt, unsere Rückkehr ist unausweichlich. Ja... das ist sie.«
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MAYBE THEY'VE ALWAYS BEEN WITH US, THOSE THINGS OUT THERE. MAYBE THEY LOVE IT. SEEING US HATE EACH OTHER. WATCHING US KILL EACH OTHER OFF. FEEDING ON OUR OWN COLD FUCKING HEARTS.
- FRANK, 'THEY LIVE'
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9. KapiteL
A
Zombies im blutrauscH
ls ich die Kneipe betrete, herrscht eine gewaltige Betriebsamkeit: Der Schuppen ist bis oben hin gefüllt mit progressiven Gothics, mit hippen Menschen, die versuchen, ihre reptiloiden Overlords nachzuahmen, mit aufgetakelten Vampirellas, neumodischen Satansanbetern und heruntergekommenen Punks. Alle tragen sie irgendwelche technologischen Modifikationen an ihren Körpern; die meisten haben Vorrichtungen am Kopf, die wahrscheinlich direkt mit ihrem Hirn interagieren. Die Succubus-Tussen präsentieren stolz mechanische Flügel, die fest mit ihren Korpora verbunden zu sein scheinen und sogar beweglich sind. Den Punks ragen blitzende Stacheln aus ihren Häuptern, an denen manche Ratten und mutierte Mäuse aufgespießt haben, welche ständig Elektroschocks abbekommen. Warum auch immer... fragt mich nicht, wieso! Viele Vamps trinken gegenseitig ihr Blut und haben dabei schmutzigen Sex. In einer Ecke ziehen sich gerade Gore-Goths jubelnd ein Live-Ritual rein, bei dem die Flugsaurier ihre Fütterung erhalten – ich hoffe innig, dass Rektala gut davongekommen ist. Die meisten Besucher sitzen jedoch versteinert da und glotzen gemeinsam auf irgendwelche projizierten Horror-Hologramme, bei denen Menschen gejagt und in Stücke gerissen werden. Ich sehe sogar über einem Tisch Bruce Willis schweben, wie er das Herz von einem Rebellen-Anführer herausreißt und frisst. Heute scheint Sparerib-Abend zu sein, denn an mehreren riesigen HooverTables wurden gewaltige, genmodifizierte Schweineteile aufgebahrt, welche locker mehr als zwanzig Rippen aufweisen. In einem anderen Bereich probieren Individuen offenbar den von Lady Gaga lizenzierten Butt-Bone aus. Tatsächlich... die Frauen haben neuerdings drei Arschlöcher. Hmm. Ich würde sa-
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gen, ich verpisse mich schleunigst von hier. Ich halte es hier keinen Moment länger aus. Langsam stolziere ich Richtung Creep-Cave und gebe mir große Mühe, majestätisch zu wirken. Es funktioniert: Nach und nach gehen die hässlichen Köpfe nach oben und blicken mich ehrfürchtig an. Ist das McBaalzack?, höre ich erst aus allen Ecken flüstern, aber dann tritt eine Totenstille ein. Nur die schreckliche „Musik“ schrebbelt durch die Sphären. Ich schätze, das Abzeichen, welches an dem Cape angebracht ist, sorgt für all den Wirbel. Als alle fragend den Barkeeper anschauen, er auf einen kleinen Kontroll-Monitor blickt und zustimmend nickt, da bricht ein erneutes Raunen aus. Er ist es! Ich hebe selbstbewusst meinen Arm in die Höhe und rufe besessen: »Heil Ninhursag!«, worauf alle, bis auf ein paar Creeps und Halbtote, es mir gleich tun und begeistert losgrölen. So fühlt es sich also an, die Macht über einen Verein von bemitleidenswerten Zombies sein Eigen zu nennen, denen man eigenärschig in die Oberstube gekotet hat. Gar nicht mal so übel. Ich verbeuge mich vor einem digitalen Ninhursag-Abbild und tue so, als ob ich zu ihr bete – ein wenig Zeit, die Dinge zu ordnen. Die große Frage ist: Wie vollbringe ich es, ohne großes Aufregen in die Creep-Ruinen zu gelangen und unsere Basis wiederzubetreten? Ihr müsst daran denken: Der echte McBaalzack ist noch am Leben und Fortuna scheint mit mir zu sein, denn die Tatsache, dass jemand mit seiner abgehackten Chip-Hand um die Blocks zieht, müsste für einiges an Aufregung sorgen und auf allen Holo-Kanälen laufen - was aber meinem Vernehmen nach noch nicht der Fall ist. Komisch. Streng dich an, VV-Man! Denke nach. Lass dich inspirieren. Was ist zu tun? Plötzlich kommt mir in den Sinn, dass alles viel zu glatt gelaufen ist. Irgendetwas kann da doch nicht stimmen! Bei dieser Stadt würden sogar George Orwell vor Schreck die Hoden platzen. Wie kann es sein, dass ich ihnen so leicht davonkomme? Ist es eine Falle? Ahnen sie, dass ich
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aus einem Versteck gekrochen bin und wollen warten, bis ich ihnen den Weg zum Unterschlupf weise? Meine gehobene, gar euphorische Stimmung verwandelt sich zu großen Sorgen. Die höchsten Mitglieder von U.R.I.E.L. haben mir versichert, dass ich alles aufs Spiel setzen darf. Unser Sicherheitssystem hätte genügend Irrwege für Eindringlinge, ich solle einfach den Zucker besorgen und zurückkommen – zur Not auch mit bösartigem Anhang. Die Hauptsache wäre, dass ich rechtzeitig in die Vergangenheit reisen kann. Wenn ich die Vergangenheit ändere, so behauptet Smiffy, wird die Gegenwart in Echtzeit transformiert. Wenn also alles klappt, wird sich der hiesige Horror in Luft auflösen, da ihm der Nährboden entzogen wird. „Wenn du es nicht schaffst, dann schafft es keiner, Lou“, hatte Bauer beschworen. „Und lieber riskieren wir alles und sterben, als für immer in dieser Unterwelt zu schmoren.“ Ich weiß nicht, was hinter meinem Rücken los ist, doch anscheinend hat man mich eingehend gemustert: »Die Schuhe!«, schlägt Mr. Flammenbart Alarm. Meine Brille hatte ich extra tief unter der Kapuze begraben und die Kutte war lang genug, um meine Hose zu bedecken, doch das hat anscheinend nicht gereicht. So eine verflixte Scheiße! »Das ist doch der Freakfuck von heute Nachmittag!? Gonzo!« Ein halbnackter Sicherheitsmann mit bedrohlich wirkender Schlangenhaut und Cyborg-Spekuliereisen eilt zu mir und aktiviert einen Stab, an dessen beiden Enden Laserkugeln darauf warten, irgendein Fleisch feinsäuberlich zu zerteilen. »Verzeihen Sie mir, ehrenwerter Baalzack. Es dauert nicht lange. Sie müssen sich eindeutig zu Erkennen geben, wir vermuten...«, schwafelt Gonzo überraschend intellektuell, als ihm unverhofft Pilzlikör gegen seine Brille geschüttet wird und ich dem Schuppenberg einen Schubser mit der falschen Hand verpasse, welche er mit sich reißt, als er verblüfft nach hinten torkelt. Wo habe ich denn diese verdammten... ah da...
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»Es war schön mit euch, ihr deformierten Sklavenwichser«, verlaute ich cool wie ein Action-Held und lasse eindrucksvoll die Kutte in die Luft gleiten, wodurch vier aktivierte DecayGranaten in meinen Händen zum Vorschein geraten, welche ich soeben unter meinem Mantel hervorgekramt hatte. In diesen Krawallmännern steckt die ungeheure Kraft der Bio-Materien-Zersetzung. In vier Sekunden wird alles Leben in diesem Raum ausgelöscht sein und gleichzeitig ein Pulk von gottlosen Geschöpfen ihren Seelenfrieden finden. »Bunt ist das Dasein und granatenstark!«, beende ich meine Abschlussrede, während ich die Sprengkörper in die Mitte des Raumes werfe – direkt in den Schoß einer verdutzten VampSchar. Ich laufe um mein Leben, presche zum Höhleneingang, wobei irgendein Geschoss meine rechte Schulter durchbohrt und ich gegen eine der riesigen Türen knalle, wodurch sie aufschwingt und ich in die Dunkelheit rolle. Ich vernehme nur ein merkwürdiges Knistern innerhalb der Bar; jetzt dürfte das Gesindel zu Sternenstaub zerfallen sein. Stechender Schmerz pulsiert durch meinen gesamten Oberkörper – die Wunde macht mir Angst und Bange; ich merke, wie das Blut in Bächen an mir herunterfließt. Geschnüffel. Angestrengt riechende Nasen. Aufgeregte Geräusche. Das Loch in meiner Schulter verliert beinahe seine Relevanz, als ich zu verstehen beginne, dass um die Hundert Creeps in diesem Verlies dahinvegetieren und meinen leckeren Lebenssaft wittern. Die erste eiskalte Pfote will mein Gelenk umfassen, als ich panisch den kleinen Leuchtball suche, den ich in der Hose verstaut habe. Ich sehe nichts, höre nur schlürfende Füße, die in meine Richtung gezogen werden. Gieriges Gestöhne. Ich schlage um mich und gewinne Raum, doch Grauen übermannt mich, denn eines der Viecher springt auf meinen Rücken und rammt seine langen Fingernägel in die Verletzung, um aus ihr Fleisch zu reißen. Schreiend taumele ich
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umher und will meinen Blaster zücken, doch er scheint beim Sturz aus dem Halfter geflogen zu sein. Einen Augenblick lang glaube ich zu wissen, dass dies das Ende meiner Reise ist. Der Gedanke, alles umsonst durchgestanden zu haben... die grausigen Jahre unter der Erde... das unendliche Warten... mein Aufenthalt in Novanut City – es bringt mich in solch eine Rage, dass ich durch eine Explosion aus der Haut fahren könnte. Wutentbrannt reiße ich das Monster von meinem Leib und hämmere mit geballten Fäusten in alle Richtungen. Spröde Knochen brechen und meine Knöchel platzen an harten Schädeln auf. Für einen Moment lang werde ich in Ruhe gelassen. Rasch zücke ich endlich den Lichtball und aktiviere ihn, was mir einen niederschmetternden Anblick beschert: Eine Wand aus hungrigen Untoten hat sich vor mir aufgebaut – und sie kommt immer näher. Wo ist der Blaster? Ich eile zur Tür und suche den Boden ab, doch es ist nichts zu finden. Es muss sowieso etwas Effektiveres her. Ich sehe mich gezwungen, wieder die Kneipe zu betreten. Ich werde mir den Stab des Wachmannes schnappen und mit Kleidung der aufgelösten Leute das klaffende Wundmal verbinden. So viel Zeit muss sein. Schließlich fällt mir ein, dass schon Watcher in die Bar gelangt sein können... verflucht... ich schnappe mir den Ghoulbuster, dampfe mich schnell ein, reiße mit bloßer Kraft ein Stück Mantel ab und verbinde die Wunde, eilig fische ich eine Schachtel hervor und entnehme ihr eine Pilzigarre, welche ich anzünde und einen kräftigen Zug nehme. Mit angestrengten Lippen halte ich sie fest. Jetzt wird geflogen. Die Meute ist gefährlich nahe gekommen, doch ich kann einen Creep, der auf dem Boden liegt, als Sprungbrett benutzen. Seine Kollegen sind zu lahm: Sie schaffen es nicht mal, ansatzweise nach mir zu greifen, als ich durch die Luft flattere. Wenn man bei 'Super Mario Bros.' für den NES auf einen Gegner springt, dann kann man sich abstoßen und auf den Schädel des nächstes Feindes hüpfen – und genau so mache
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ich es gerade. Um die sechs Creeper-Köpfe müssen für meine Akrobatik herhalten, wobei zwei durch die Wucht abknicken, dann lande ich unbeschadet hinter ihrer „Mauer“. Schnaufend nehme ich einen neuen Zug vom Pilzkraut und spurte zu der Luke, die in unsere Basis führt. Gleich habe ich es geschafft. Der Raum, in dem ich am Anfang meines Trips zum ersten Mal dem Kannibalen-Volk begegnet war, ist leer. Ohne Weiteres kann ich das Passwort eingeben und in den Komplex klettern. Nur noch einige Gänge passieren... wieder einen Geheimgang, welcher durch eine Tropfsteinhöhle führt, betreten, und dann durchschreite ich die letzten Flure zum großen Aufzug. Nachdem ich diesen betrete und die Eingabe nach unten bestätige, breche ich zusammen und verliere das Bewusstsein. Ich gleite in einen peinigenden, tiefen Schlaf. Als ich wieder aufwache, wird mein Körper bereits verarztet. Smitty sei Dank: Die Wunde wurde betäubt, desinfiziert und mit neuem Gewebe verkleistert. Man verbindet gerade meine Schulter. »Wir haben geahnt, dass du hier erschöpft ankommst und ein Lager aufgeschlagen. Aber, dass du solch eine Verletzung davon trägst...«, sagt Yahrey, ein alter Freund von mir, welcher damals unser Kommunikations-Techniker war und heute ein Mädchen für alles ist. »Hast du den Zucker?«, will er schließlich mit großen Augen wissen. Ich fummele schweigend nach dem Zeug und halte es grinsend in das dämmrige Licht des Fahrstuhls. »Du alter Teufelskerl!«, jubelt mein Partner. Alles geht sehr rasant. Wir hetzen zu Smiffys Labor.
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Wir treffen ein und die gesamte Kolonie wartet auf unser Ankommen! Um die sechzig U.R.I.E.L-Mitglieder haben sich ehrenhaft aufgereiht und inszenieren eine regelrechte Parade. Vier Leute spielen auf steinalten Trompeten eine feierliche Fanfare und alle klatschen freudig in die Hände. Man hat Banner in der ganzen Halle angebracht, auf denen paradiesische Welten gemalt wurden – als Symbol der angestrebten, sich verändernden Gegenwart. Bauer und Smiffy warten schon vor der Maschine auf uns und lächeln breit, weil sie anscheinend wissen, dass ich es geschafft habe. »VV! Du hast den Zucker, nicht wahr?«, fragt der Prof. und hält die Hand auf. Ich gebe ihm behutsam die wichtige Ware, die ich seit jeher nicht aus den Pfoten gegeben habe. »So ist es.« Noch mehr Jubel. Eine noch feierlichere Trompeten-Melodie ertönt. Menschen umarmen sich und weinen. Smiffy hält eine exotische Gerätschaft bereit, reißt das Päckchen auf, und schüttet nur wenige Körnchen in eine kleine Öffnung. Er leckt sich vor Spannung die eigenen Lippen und verkündet dann feierlich, dass es sich wahrhaftig um die richtige Photonen-Anzahl handelt! Daraufhin nimmt er eine Tasse Wurzeltee, die auf der Lehne des Stuhls abgestellt war, und sagt bitterernst: »Darauf warte ich schon seit einer gefühlten Ewigkeit, VV. Danke für den Zucker – nur so schmeckt mein Tee am besten!« Fast verliere ich wieder das Bewusstsein. Mir wird schwarz vor Augen, bis ich bei Smiffy das schelmische Grinsen und das fiese Funkeln in den mechanischen Augen erkennen kann. »War nur ein Späßchen!«, kichert er verrückt und die gesamte Halle bebt vor Lachen. Ich finde es erstaunlich, dass solch ein gebrochenes Volk wie wir noch zu Humor fähig ist – gerade in dieser entscheidenden Situation.
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»Spaß bei Seite. Du musst los, Lou«, sieht Bauer ein und klopft mir auf die gesunde Schulter. »Hier hast du alle wichtigen Informationen, die wir für dein Ich der Vergangenheit gesammelt haben.« Er reicht mir mehrere Aktenordner mit hunderten von abgehefteten Blättern. »Das wird die alte Zeit revolutionieren.« Jemand kommt zu mir gerannt und ruft: »Geh nicht, VV! Alter, bleib hier! Die werden dich ficken!« - aufgrund der spuckigen Aussprache weiß ich sofort, dass es sich um VVincent handeln muss. »Was? Mein liebenswerter Bruder... sind wir nicht sowieso schon maximal gefickt? Keine Panik. Es wird alles glatt laufen. Es kann gar nicht schlimmer werden«, beruhige ich den Kleinen und verwuschele mit meiner Hand brüderlich seinen Vokuhila. »Bis gleich, VVincent.« »Los... Uriel wartet«, drängt Bauer. Wieder umarmen mich einige Leute. Ich setze mich in den Stuhl. Smiffy füllt den Zucker in einen kleinen Tank und betätigt einen Schalter. Uriel erwacht. Man hört nichts, außer die mysteriösen Lebenszeichen des Ungetüms. Gleich werde ich verschwinden. Smiffy sagt, die Maschine wüsste genau, wo ich hin muss und wann ich wohin muss. Ich vertraue diesem wahnsinnigen Forscher. Zahnräder knirschen. Dampf benebelt den Raum. Oberhalb von mir zucken Blitze. Ich frage mich, ob all dieser Schnickschnack wirklich nötig ist. Oder hat der Prof. den Verstand verloren und erschuf ein sinnloses Monster? Wieso ist er sich überhaupt so sicher, dass es funktioniert? Es gab nie Experimente – keine, von denen ich weiß. All das ist doch blanker Wahnsinn. Das wird mir erst bewusst, als ich hier sitze und keine zehn Gläser Likör intus habe. »Es klappt«, beteuert Smiffy ernst, als könnte er meine Gedanken lesen. »Gleich geht es los, junger Hengst!«, ruft er. »Denke dran: Nach 10 Minuten wirst du wieder zurückgeholt – länger reicht der Zucker nicht!« Danach vernehme ich nur, wie
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ein weiterer Schalter betätigt wird und mich nimmt der Engel der Erde in seine Arme... Zisch. So muss es sich anfühlen, wenn man tot ist. Nichts. Alles. Schwärze. Licht. Irgendetwas dazwischen. Nach einem endlosen Moment höre ich einen donnernden Knall und ein bunter Tunnel erscheint, durch den mein Bewusstsein zu fliegen beginnt. Der Ton eines erneuten Zischens folgt, welcher immer greller wird, auch die Flug-Geschwindigkeit erhöht sich enorm, bis es nicht mehr weiter geht und ich in ein Sichtfeld gesaugt werde. Flupp. Ich stehe vor einem interdimensionalen Wesen, das in einer Lichtwelt zuhause zu sein scheint. Das Ding schimmert blau und deckt per Gedankenkraft auf, dass es gleich weiter geht und ich hier „falsch“ wäre. Und, ja... augenblicklich macht es... Zisch. Nichts. Alles. Schwärze. Licht. Irgendetwas dazwischen. Nach einem endlosen Moment höre ich wieder einen donnernden Knall und ein bunter Tunnel erscheint, durch den mein Bewusstsein fliegt. Der Ton eines erneuten Zischens folgt, welcher immer greller wird, auch die Flug-Geschwindigkeit erhöht sich enorm, bis es nicht mehr steigerbar ist und ich von Neuem in ein Sichtfeld gesaugt werde. Flupp. Da, wo gerade noch das Lichtwesen stand, streckt mir nun ein blonder Barbar einen abgetrennten Kobold-Kopf entgegen. BRODUS STEELFIST? WAS?
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ALLES, WAS DU NICHT MEHR SCHÄTZT, VERSCHWINDET.
- VV, 'THE AWAKENED GUIDE TO CONSPIRACY'
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10. KapiteL
E
Der held der vergangenheiT
iner der Heroen meiner epischen Fantasy-Saga steht vor mir, doch ich kenne seine Erscheinung sehr gut: Es ist nur ein „lebensgroßes“ Plastikmodell, welches damals mein geräumiges Büro verzierte. Ich stehe in meinem alten Arbeitszimmer, denn ich bin in das Jahr 2015 gereist, um mir selbst einen folgenschweren Besuch abzustatten. Eine frühere Version meiner Selbst heimzusuchen wäre sinnvoller gewesen, doch Smitty hatte mit technischen Problemen zu kämpfen, die Limitationen verursachten. Wie auch immer... ich drehe mich um und niemand ist im Raum, bis die Tür aufgeht und jemand mit einem riesigen Kaffeebecher hereinspaziert kommt. Ich werde nicht erkannt, weil ich wahrscheinlich selbst wie eine skurrile Statue aussehe. »Ich hoffe, heute hast du mir bessere Bohnen besorgt, das letzte Mal hätte ich fast das Fenster geöffnet und das Kotzwasser über die ganze Innenstadt von London gerotzt. Der Teppich war verdammt teuer, Claire. Wenn ich wieder einen Brechanfall bekomme und nur ein Tröpfchen davon auf das Teil schwappt, dann stecke ich deine Hand in das integrierte Kegelmahlwerk der Kaffeemaschine und werde dein heißes Blut trinken« - der abgehobene Sprecher? „Lou Soulstrong“ steht mit magisch wirkender Schrift auf seinem Namensschildchen, welches aussieht wie eine alte Schriftrolle. Titel: „Boss / Herrscher aller braven Peons“. Ich. Ich nippe an dem Kaffee... ähm... ich meine... mein altes Ich tut dies. »Yummy, Yummy! Welch ein Zaubertrunk – als hätte es der alte Broonswick vom Berge gebraut! Das Schicksal meint es gut mit dir, Claire. Da hast du prächtige Bohnen ausgesucht und deine Hand verdient ein gütigeres Schicksal!«, frohlockt der Chef und wirft seiner Sekretärin ein Bündel Geldscheine
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entgegen. »Dein Monatsgehalt + eine Erhöhung + Trinkgeld. Viel Spaß!« »Danke!«, freut sich jemand außerhalb des Raumes und mein damaliges Ich schließt mit freudigem Summen die Tür, um zu einem riesigen Fenster zu stolzieren, aus dem es hinausblickt und das wohlriechende Getränk genießt. Mein geliebter, kolossaler Drachenreiter baumelt an der Außenfassade des Gebäudes herum, welcher mein Firmenlogo trägt und es eindrucksvoll der ganzen Stadt präsentiert. Ich und mein altes Ego sagen lippensynchron: Na, Zmooch Zwergensohn... ist das heute nicht ein schöner Tag, um zu zaubern? - unser Morgenritual, könnte man sagen. Ich habe es vermisst, sehr vermisst. Die Atmosphäre dieser Etage. Die „Arbeit“, die ich hier verrichten durfte. Die wundervollen Menschen, mit denen ich in meinem eigens zusammengestellten Team zu tun hatte. Die kreativen Erfolge, die wir in diesen Räumlichkeiten gemeinsam feierten. Die berühmten Gäste, die mich besuchten, sich in den Sessel fallen ließen und sich mit mir an einem Drink und einer Zigarre erfreuten – Terry Pratchett, James Rolfe, Warren Ellis und viele mehr. Der Pizza-Service, bei dem ich fast täglich für all meine „Arbeiter“ eine fett-triefende Bestellung ins Büro kommen ließ. Die exotisch-erfrischende Einrichtung. Der edle Kaffee. Mein eigenes Reich. Mein künstlerisches Imperium. Mein brachialer Aufstieg. Mein erfüllter Traum. Betrübt muss ich einsehen, dass mich die Realität einholt... es bleibt nicht mehr viel Zeit... »Hey, ehemaliger Vermittler«, grüße ich gelassen und versuche, dabei nicht geheimnisvoll und mysteriös zu wirken. Mein altes Ich dreht sich langsam um und sein Gesicht verdüstert sich erregt. »Vermittler? VERMITTLER?«, brüllt der Typ wie verrückt und geht umgehend zu einer Schublade, aus der er einen schmucken Revolver zieht und gezielt auf mich richtet. Er stellt die Tasse ab und nimmt dann ein Telefon in die Hand, welches die Form eines Teenage Mutant Ninja Turt-
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les besitzt. Er klappt den Panzer auf und will eine Nummer eintippen. »Immer locker bleiben. Ich bin du«, erkläre ich, nehme meine futuristische Brille ab und reibe mir den Dreck aus dem abgemagerten Gesicht. »Erkennst du mich?« Er hält inne und sein Blick verdüstert sich noch mehr, er zieht die Augenbrauen weit nach unten und mustert mich bestürzt. »Baby Jesus, du Scheißkerl hast echt Ähnlichkeit mit mir.« »Machen wir es kurz, Kollege. Wie kann ich dich überzeugen, dass ich dein Zukunfts-Ich bin? Wir haben nur noch wenig Zeit.« »Hahhaahaha«, lacht „Lou“ wild. Doch ich kenne mich selbst: Alles ist möglich, alles ist machbar. Ich war immer ein Freigeist und ich bemerke, wie er mit dem außergewöhnlichen Gedanken spielt, dass all dies real sein könnte. Ich mache es kurz und zeige auf seine Krawatte, auf welcher verschiedene Ewoks ihr Unwesen treiben – die kleinen, sympathischen Fellwesen aus dem 'Star Wars'-Universum. »Zu dem „Ich bin du“: Immer, wenn du den Film 'Karawane der Tapferen' schaust, musst du bitter weinen, wenn der tapfere Ewok-Schamane Trok sein Leben für die Anderen aufopfert. Das berührt dich einfach tief. Du liebst die Ewoks. Du hast davon noch nie jemanden etwas erzählt. Nicht, weil dir dies peinlich wäre. Nein, sondern, weil kaum jemand es verstehen würde.« Er schaut nachdenklich runter auf seine Krawatte und steht versteinert da, mit Pistole und Hörer in der Hand. Dann blickt er ergriffen zu mir. »Zu dem „Ich komme aus der Zukunft“...«, führe ich fort und hole einen kleinen Holo-Projektor hervor, welchen ich aktiviere und in den Raum halte. In Ultra-Full-HD rotiert eine Aufnahme von Uriel, der Zeitmaschine, durch die Luft. »Wir haben große Umstände überwunden, um dich aufzusuchen, mein Bruder. Du findest die Geschichte in dem Material, welches ich dir mitgebracht habe.«
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Ich zeige ihm die Schriften, die schwer auf meiner anderen Hand liegen. »Man hat mir heimlich DNA-Material entnommen und mich reproduziert oder so eine Scheiße. Du bist ein Produkt der Illuminati. Sie haben schon längst solche Hologramm-Technologien. Was wollt ihr von mir, was ist das für ein Trick?«, ruft er aufgebracht und fängt leicht an zu zittern. Es hilft alles nichts. Ich muss intensiver auf ihn einwirken und mich anderer Mittel bedienen - was wäre besser, als Kontakt zu seiner Seele aufzunehmen? Also schalte ich die Projektion ab und gehe zügig auf ihn zu, sodass ich genau neben ihm stehe. Er richtet die Pistole ohne Reue auf meine Brust. »Fast wie in unserem 3. Buch, oder nicht?«, grinse ich sarkastisch. »Die Frage ist nur, wer hier der Babyboy ist. Nun ist es für dich an der Zeit, wieder ein echter Held zu sein. Die Welt braucht dich.« Ich packe ihn einfach mit der linken Pranke an seinem grünen Jackett und sage eindringlich: »ICH BIN DEIN ZUKÜNFTIGES ICH, HÖRST DU?«, ...wobei ich in seine Augen blicke und ihm all meine Energien sende. All meine Erinnerungen. All meine Gefühle. Er soll spüren, was Sache ist. Das ist wohl der beste Beweis für meine Wahrhaftigkeit. Ihm stehen Tränen in den Augen. »Die Zukunft ist düster, VV. Doch ihr könnt sie jederzeit ändern.« »Nenne mich nicht VV«, fordert er energisch. »VV ist schon lange tot. Begraben. Unter der Erde. Möge er in Frieden ruhen.« »Ich weiß, was in dir vorgeht. Ich weiß einfach alles über dich. Deine Beweggründe, deine Visionen, deine Gefühle, deine Ansichten, deine Absichten – einfach alles ist mir bekannt. Besonders deine damaligen Probleme und Schwierigkeiten.« »Warum bist du dann hier? Falls du wirklich aus der Zukunft kommst... wieso suchst du ausgerechnet mich auf? Du solltest wissen, dass ich nie wieder den Vermittler spielen werde«,
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philosophiert mein altes Ich und legt das Turtle-Telefon wieder auf den Tisch. Die Pistole steckt er sich vorne in die Hose und schlendert durch den Raum. »Ich habe als VV alles gegeben. Habe mich für „die Sache“ aufgeopfert. All mein Herzblut in die Aufklärung gesteckt, in die Inspiration der Massen. Aber, Whaahahaa. Was für verdammte Massen, heh, Bruder?«, sagt die Persönlichkeit meiner Vergangenheit. Traurig schaue ich ihn an, beobachte, wie seine Verwirrung und seine Unsicherheit weichen und er selbstbewusst an die luxuriöse Hausbar geht und sich einen Drink mixt. Er schwenkt mit dem Glas durch das Arbeitszimmer: »Mich interessiert die Zukunft nicht, Future-V. Die Gegenwart ist das einzige, was zählt. Schau dich um, das hier ist mein Ding. Mein Baby. Meine Realität. Mein Werkzeug, um die Menschen zu bereichern. SIE LIEBEN ES. Verstehst du? Meine Romane sind KULT. Ich wollte immer DIE WELT bewegen. Mit etwas GENIALEM. Ich reiße mir nicht mehr den Arsch auf, nur um ein paar Menschen ein wenig die Augen zu öffnen«, predigt Mr. Soulstrong souverän und stellt sich vor eine Wand mit eingerahmten Bildern, auf denen kunterbunte Artworks von verschiedenen Landschaften und Charakteren aus seinen... äh unseren... wie auch immer... Fantasy-Büchern zu sehen sind. Ich erkenne Ruffy Shitkid, den übelsten Gremlin-Halunken, den man sich nur vorstellen kann. Zuul Spinnensicht, den Oger mit sechs Augen und sechs Brillengläsern. Biff Titanenbiss, den mutigen Zwerg, welcher gerne Kobolden in der Schlacht die spitzen Ohren mit den Zähnen abkappt und sie ihnen ins Gesicht spuckt. Und viele mehr. Fantastische Landschaften mache ich aus. Golgota - die Luftstadt der Elben, welche auf einem riesigen, fliegenden Greifen erbaut wurde... fantastisch, aber wahr. Schädelstein – die historische Heimat der Zwerge, welche in einem riesigen Schädel eines Drachen gemeißelt wurde, der vor Äonen die Welt bedrohte und letzten Endes in einer epochalen Belagerung besiegt werden konnte.
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Die Ebenen von Jaziel – die prächtigen Waldgebiete mit ihrer exotischen Tier- und Pflanzenvielfalt, welche aufgrund der zu ergatternden Trophäen und Kräuter alle möglichen Jäger und Hexenmeister der Welt anziehen. Und vieles mehr. »Du hast mehr als Tausende Menschen erreicht. Höre auf, deine Leistungen als Vermittler schlecht zu reden«, fordere ich energisch und fühle mich dabei endlos müde und erschöpft. Lou weiß, was er will. Ich weiß das, weil ich mal er war. Und er weiß anscheinend, dass ich das eigentlich wissen müsste. Hmm. Gebrochen lehne ich mich an das riesige Fenster und blicke verloren und melancholisch auf die belebten Straßen unter uns, auf denen unbekümmert und ahnungslos Menschen mit ihrem Cappuccino-To-Go zur Arbeit hasten und Touristen eifrig Fotos von Sehenswürdigkeiten knipsen. »Meine Leistungen als VV waren passabel, ja sogar herausragend. VERSTEHST DU NICHT? DIE MENSCHEN SIND DAS PROBLEM. DIE „ERWACHTEN“-SZENE - SIE WAR ZU LAHM UND WUSSTE MEIN DASEIN NIE WIRKLICH ZU SCHÄTZEN!«, donnert er selbstbewusst und ich höre, wie die Eiswürfel in seinem Drink aggressiv gegen das Glas prallen. »Siehe her. DIESE LEUTE WISSEN MEIN HERZBLUT ZU SCHÄTZEN.« Er nimmt ein riesiges Bild von der Wand ab und zeigt es mir. Es scheint irgendeine Fan-Convention zu sein, falls ich mich richtig erinnere: Menschen sind als Goblins, Zauberer, Orks, Oger und Co. verkleidet. Brodus Steelfist ist verdammt oft vertreten, überall mache ich selbstgebastelte, riesige Plattenhandschuhe aus, welche heroisch in die Luft gestreckt werden – Brodus war der absolute Liebling der Leser. Lou hockt stolz in der Mitte, umringt von all seinen Fans. »Die Arbeit als Verdeckter Vermittler?«, sagt er dann abwertend und hängt das Foto wieder auf. »Du bringst drei kostenlose eBooks heraus. Und es zündet einfach nicht. Verfluchte Scheiße, das brauche ich dir alles nicht zu erzählen, oder? Du weißt es doch, nicht wahr? Man schreibt das 1. Buch, und es ist verdammt gut.
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Man denkt sich: „Das schlägt ein wie eine Bombe und die Leute werden gerne etwas spenden. Das wird schon“! Es stellt sich heraus, dass die meisten Leser begeistert sind. Spitze. Aber das gewisse Etwas fehlt. Mundpropaganda ist kaum vorhanden. Man muss bei Blogs, Webseiten und Zeitschriften betteln, damit sie dich promoten, was sie in den meisten Fällen sowieso nicht tun. Oft wird man wie ein lästiges Stück Scheiße behandelt. Das Geld reicht hinten und vorne nicht. Man ist unendlich dankbar für die Leute, die freiwillig zahlen oder einen unterstützen. ABER ES REICHT EINFACH NICHT. Doch: Hey... das Universum ist gütig zu denen, die gerne geben. Geduld! Alles wird sich am Ende rentieren. Hahahaha«, lacht er wieder laut und trinkt kopfschüttelnd etwas von seinem Drink. »Bullshit. In diesem Fall... unmissverständlich: Bullshit. All dies wird deutlicher, als man noch ein 2. eBook schreibt. Wieder ein Werk, welches Verschwörung, Spiritualität und Selbsthilfe geschickt verquickt – in dieser Art nahezu einzigartig und extrem wertvoll. Meint man. Sollte man denken. Man glaubt, es kostenlos anzubieten würde ein Lauffeuer entfachen. Es ist besser als das 1. Buch. Man ist stolz darauf. Man glaubt an einen Durchbruch. „Die Menschen werden es lieben und es verbreiten... und sie werden dafür gerne zahlen“. Tja. Volle Power. Was kommt zurück? Ein PissStrahl. Nur wenige supporten es. Nur wenige erkennen den Wert. Ich habe den Leuten oft genug klar gemacht, dass ich auf sie angewiesen bin. Keine Unterstützung... kein VV. Und während Christian Kackkopf 2400 Euro dafür bekommt, dass er bei der Arbeit Krebskranke in eine Röhre steckt, um sie zu verstrahlen, krebst du am absoluten Existenz-Minimum herum. Mit zwei granatenstarken Bücher im Gepäck, als wohl aufwirbelnster Autor im Lande. Was sollst du denn noch tun, um deinen Lebensunterhalt zu verdienen? Du bist ein großartiger Hoschi, aber es fließt nichts. Kaum Geld. Kaum Aufmerksamkeit. Was soll man tun? Bei Verlegern anfragen?«
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Mein altes Ich schüttet den letzten Schluck hinunter und stellt das Glas auf eine Ablage. Eine mittelalterliche Truhe steht auf dem Tisch. Ich kenne sie natürlich... es ist ein MerchandisingArtikel zu unserer Fantasy-Welt. Biff Titanenbiss rauchte eine imposante Pfeife, die aus einem Orkfinger gebaut war, welchem er einem Heer-Führer der düsteren Seite mit seinem kräftigen Gebiss entwendet hatte. Der Knochen wurde ausgehöhlt und als Pfeifenkopf diente die bearbeitete Gelenkpfanne eines feindlichen Magiers, dessen zersplitterte Hüfte Titanenbiss aus einer legendenumwobenen Schlacht von Zmooch Zwergensohn mitgebracht bekommen hatte. Die Truhe wird geöffnet und man bietet mir den Nachbau von Biffs Pfeife an. Ich verneine und will nun endlich das Wort ergreifen: »Pass auf. Ich hatte heute einen schrecklichen Tag. Du bist unsere letzte Hoffnung. Die Neue Weltordnung wird bald diesen Planeten vollkommen versklaven. Du wirst...« »Ich werde gar nichts, Bruder«, erwidert Lou fest und schnappt sich selbst behutsam das anmutige Rauchgerät. Dann entwendet er der Kiste einen Beutel und grinst stolz. »Sogar eigenen Tabak haben wir, Future-V. Feinstes gnomisches Nebelgras aus den Krull-Gebirgen. Hätten wir jemals gedacht, dass wir so erfolgreich sein werden? Ja, oder? Ja. Wir wussten es von Anfang an. Wir kannten unseren Genius, unsere Kreativität, die ausbrechen wollte. Aber wo war ich?« er scheint sich endlich den ehemaligen Frust von der Seele reden zu können. Langsam wird meine Traurigkeit von Zorn abgelöst und ich gehe erneut auf ihn ein: »Nimm bitte unsere Notizen und schreibe ein 4. Buch. Mache weiter als VV. Kontaktiere Personen. Starte Aktionen. Du kannst das Zünglein an der Waage sein!«, rufe ich fordernd. Doch er ignoriert mich. »Ach, ja... Verleger in der Spiri- und Verschwörungszene! Kleinkarierte. Rechtsradikale. Abgehobene. Arrogante. Verblendete. Angsthasen. Ein Witz. Sie bringen lieber Literatur darüber heraus, ob Hitler im selbstgebauten UFO über den Mond schwirrt oder in Argentinien abhängt. Bücher über ver-
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fickte Erzengel-Channelings, welche einem Weihrauch in den Anus blasen. Ein Witz. Ein Witz! EIN WITZ!«, ruft er lachend und stopft den Kopf seiner Pfeife, welcher aussieht wie eine Greifenkralle, mit duftendem Nebelgras. »Man schreibt einfach ein 3. Buch. Ja... man scheißt drauf. Die Lage deprimiert ein wenig, aber man schreibt weiterhin. Es geht ja „um die Sache“ und nicht um Money & Fame. Man rafft sich auf. Kräfte werden mobilisiert und enorm viel Energie investiert. Und am Ende hat sich kaum etwas geändert: Kaum Knete, und die Leute interessiert es nur spärlich, was man dort alles auf die Beine stellt. Die Leute teilen bei Facebook lieber ein blödes Bild mit dem Spruch eines abgefuckten Gurus, als deinen Link zu den kostenfreien eBooks zu verbreiten. Fuck.« Die Zeit... sie zerrinnt zwischen meinen Fingern. Gleich werde ich zurückgeholt in die Zukunft. Alles umsonst? Alles vergebens? »Bruder, wir wissen es doch beide: Es war erfolglos. Wir waren einfach der Zeit voraus, wie es scheint. WIR haben unser Bestes gegeben. Sag mir... was war der Grund dafür, dass die NWO zu solch einem perversen Monster heranwachsen konnte?«, fragt Lou dann, wonach er sich die Pfeife anzündet und die ersten Ringe in meine Richtung pustet. Ich überlege. Er hakt nach: »Sag schon, Future-V. Wieso konnten die Illuminati euch erfolgreich die Nüsse absägen? SAG ES! SOFORT!« Verlegen kratze ich mich an der neuen Haut meiner verletzten Schulter. Mein Alter-Ego nimmt einen kräftigen Zug. Als er schreit, speit er wie ein Vulkan schlagartig den Rauch aus: »SAG ES! LOS!« »Die Menschen waren zu... dumm«, antworte ich verlegen.
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ZWEI DINGE SIND UNENDLICH, DAS UNIVERSUM UND DIE MENSCHLICHE DUMMHEIT, ABER BEI DEM UNIVERSUM BIN ICH MIR NOCH NICHT GANZ SICHER.
- ALBERT EINSTEIN 95
11. KapiteL
N
Der thron von guu'n brazilL
ie haben wir gelogen. Wir haben immer felsenfest daran geglaubt, dass das Erwachen eintreffen wird. Doch am Ende mussten wir einsehen, dass die verdammte Menschheit zu DUMM ist«, beschreibt mein Gegenüber die lausige Lage und lacht dabei amüsiert. »Das Zeitfenster war offen, davon bin ich überzeugt. Und wir, mein Freund aus der Zukunft, waren eine Sichtbarmachung dieser Chance. Nimm es locker, Mann. Wir beide haben wahrlich nicht unseren Arsch für die Tyrannen hingehalten. Im Gegenteil.« Der Zorn, welcher sich durch die schiere Ignoranz meines alten Egos aufgebaut hatte, verpufft wieder und ich sacke auf die Knie. Lou geht langsam in Richtung Fenster und stellt sich neben mich. Hinter dem dicken Qualm kann ich ein seichtes Schmunzeln begutachten. »Es ist nicht unser Brei, Kumpel. Und das wird auch kein 4., 5., oder 6. Buch ändern können. Keine weiteren Videos, Artikel oder was auch immer können die Selbstbestimmung der Masse beeinflussen, das liegt nicht in unserer Macht. Es ist deren freier Wille. Ich weiß nicht, wie schrecklich die Zukunft sein wird. Aber vielleicht solltest du dich damit abfinden, dass alles seinen Sinn hat. Die Zeit, aus der du kommst, ist in Ordnung. Wenn es so sein soll, soll es so sein«, erzählt er leger. In mir kommen all die abartigen Erinnerungen an Novanut City hoch. Die Opferungen. Die Pädophilen. Die Nekromantik. Die Perversion. „Alles in bester Ordnung„ sagt er? Ich würde ihn gerne packen und anschreien, doch ich habe keine Kraft mehr dazu. Er fährt fort: »Hahaha! Weißt du noch, wie wir das Info-Flyer-Verteilen ankurbeln wollten? Niemand hat mitgemacht! Oder die Aktion „EURE Lösungen für die NWO“, bei der die Zuschauer und Leser eigene
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Videos mit Lösungen drehen sollten, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu helfen? Ooooder die „große Wiese“, die im Forum eingerichtet wurde, damit man sich im realen Leben treffen und organisieren konnte? Man hat einen Fick darauf gegeben! Den Leuten hat das Feuer gefehlt, während wir gebrannt haben.« »Hör zu...«, will ich sagen, doch Lou fällt mir ins Wort: »Nein. Hör du zu...« »RUHE! Lass das Gejammer sein. Stoppe dein Geheule und raffe dich auf. Sie werden dich und all deine Lieben in KZs stecken und jagen, wenn...«, prophezeie ich ihm, aber er unterbricht mich wieder. »GLAUBST DU, ICH KANN DAS VERHINDERN? ICH HABE GENUG GETAN. ICH TRAGE NICHT DIE WELT AUF MEINEN BESCHISSENEN SCHULTERN. ENDE!«, brüllt er auf mich hinab. »Aber...«, möchte ich kontern, doch mich verlässt der letzte Funken Zuversicht. Mein altes Ich geht an mir vorbei und lässt sich auf seinem eindrucksvollen Chefsessel nieder. Bei der Sitzgelegenheit handelt es sich um eine Nachbildung vom Thron des FirmirKönigs Guu'n Brazill – aus Zwergengebeinen und Stämmen des verzauberten Horaz-Baumes gebaut, zusammengehalten durch die Ketten der ehemaligen Ork-Sklaverei, und mit Tränen des ermordeten Zwergenkönigs Tolot Götterhand angestrichen. Er dreht sich mit dem Teil zu mir und pafft an der imposanten Pfeife. »Bis zum großen Knall werde ich mein Leben bis zum letzten Atemzug genießen. Ich liebe dieses Leben. Ich bin dort angelangt, wo ich immer sein wollte«, sagt Lou stolz und es funkelt in seinen Augen. Ich schweige nur.
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»Mein Traum hat sich erfüllt. Ich kann nichts dafür, dass andere Menschen nicht ihre Visionen beleben. Es ist schade, dass sie mich mit in ihre Hölle zerren werden, aber so ist es halt.« Gleich werde ich mich wieder in Luft auflösen. »Doch bis diese Hölle losbricht...«, freut sich Lou riesig und weist auf ein Plakat in unserer Nähe. »...werde ich mein Herz hüpfen lassen. Es soll ein zweiter Teil von The Battle Of Broodlebruch in die Kinos kommen. Wieder wird ein talentierter Regisseur das Zepter in die Hand nehmen und mich und die Fans dort draußen begeistern. ICH LIEBE ES!« Tiefe Trauer überkommt mich. Was wird passieren, wenn ich wieder zurück in die Zukunft reise? Was wird aus der U.R.I.E.L-Truppe werden? Was soll ich ihnen erzählen? Dass mein altes Ich leider keine Lust mehr hat, die NWO zu stürzen? Dass Lou sich zu fein dafür ist? Dass er andere Dinge zu tun hat? Wie werden sie reagieren? Was werden Bauer, Smiffy, Smitty, Parah, Grnarrak, VVincent, Yahrey und all die anderen dazu sagen? Nach all dem, was wir durchleben mussten, kommt mir das Ganze wie ein großer, kosmischer Scherz vor. Allerdings weiß ich ganz genau, wie mein altes Ego sich fühlt. Und entrüstet muss ich mir eingestehen, dass Lou womöglich richtig liegt. Vielleicht kann er tatsächlich nicht die Menschheit dazu inspirieren, die Freiheit zu wählen, anstatt sich von den Illuminati in ein Horror-Szenario führen zu lassen. Vielleicht ist es wirklich nicht mehr sein Job. Vielleicht ist sein Platz hier... auf dem Thron des Firmir-Königs... Unverhofft klopft es an der Tür und Lou bittet die Person, einzutreten. »Oh, du hast Besuch?«, fragt Ariflorin interessiert. Ihr wird geantwortet: »Ja, das ist mein Ich aus der Zukunft. Der Typ ist mit einer Zeitmaschine hierher gereist und so... was gibt es denn, Ari?«
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»Ach so... ja... äh... ich wollte dir nur die neuen Layouts für die Schlotterschlucht, Golgota, das Erdinnere, die Krull-Gebirge und den Morgenstern-Mond zeigen. Außerdem Boss-Skizzen für Zssshash den Zwergenschlächter, Guu'n Brazill, Borak Doubletongue und Ruffy Shitkid.« »Genial, Ari! Ich bin sicher, sie sind der Hammer. Leg sie mir bitte auf den Tisch, ich schaue sie mir später an. Tausend Dank - du bist die Beste. Das wird die Krönung!«, jubelt Lou aufgebracht und sein Gesicht strahlt vor kindlicher Freude. Ich komme mir fehl am Platze vor. Die Künstlerin legt das Ausgedruckte vorsichtig auf den riesigen Eichentisch und mustert mich dabei skeptisch. »Willst du dich selbst nicht mal unter die Dusche stecken und neu einkleiden? Hier stinkt es nach Schimmelpilz und der Mantel sieht aus wie ein Kokon aus Kot«, sagt sie frech und grinst mich an. »Keine Sorge. Mache ich. Wir besprechen die Artworks dann morgen, in Ordnung? Schönen Feierabend - und hol dir bei Claire eine Tasse Kaffee ab, das Zeug ist pure Magie! Hier, knabber dir nen Trollkeks dazu«, plaudert mein altes Ich und öffnet eine Dose mit originaler 'Battle Of Broodlebruch'-Backware. Ari bedankt sich, winkt uns beiden zu und verschwindet aus dem Raum. »Weißt du noch... als VV konnten wir dieser talentierten Künstlerin immer nur schubweise 10-20 Euro zahlen. Nun ist sie reich. Bei Lou Soulstrong fließt alles. Das hier ist meine Bestimmung. Innerhalb von 2 Jahren habe ich meine Fantasie in Gold und Ruhm verwandelt, in Fülle und Reichtum. Nun erhalte ich etwas für meine Arbeit zurück. Anerkennung und Goldstücke. Was für ein rasanter Aufstieg! Es wird gerade an einem Video-Spiel gearbeitet. Dafür sind die Skizzen von Ari. Aber das weißt du bestimmt, oder? Ein Massive Mutliplayer Online Game, ein MMO in MEINEM UNIVERSUM! Zur Hölle mit 'World Of Warcraft', 'Guild Wars 2' und all dem anderen langweiligen Kram. Meine Schöpfung wird blutiger, humorvoller, intelligenter, tiefsinniger und phantasievoller als alles An-
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dere!«, predigt er und freut sich wie ein kleines Kind. Ich sehe endgültig ein, dass ich diesen Kerl in Ruhe lassen muss. Er ist verdammt glücklich und erfüllt. Verflucht... ich habe den Falschen aufgesucht. »Komm bitte her«, sage ich todernst zu ihm. Er pustet eine riesige Wolke vor sich hin und gleitet dann rollend mit dem Thron durch die Schleier, bis er direkt vor mir sitzt. »Was denn?«, fragt das Ich meiner Vergangenheit. »Komm näher zu mir, bitte.« Er beugt sich über das Häufchen Elend, was auf seinem Büroboden liegt. Ich blicke in meine eigenen Augen. Und trotz der leichten Überheblichkeit und der Ignoranz gegenüber der Zukunft, lodert Mitgefühl im Blick von Lou. Er weiß genau, was er tut. Er weiß es... Ich reiche ihm die Hände und er packt sie, wobei er anfängt zu weinen. Auch mir kommen die Tränen. »Es tut mir leid«, flüstert er. »Hier ist mein Platz.« Ich nicke verständnisvoll und er hält meinen weinenden Kopf an seinen, um ihn liebevoll zu streicheln. »Es tut mir leid«, wiederholt er schluchzend. »Wo ist unser Hund?«, will ich wissen und er erklärt, dass sein Lektor gerade auf ihn aufpasst. »Wenn sich in deiner Realität nichts großartig ändert, werden sie dich am 21. Dezember 2021 holen. Bitte siehe zu, dass um diesen Zeitraum herum unser Hund in Sicherheit ist, ja?« »Ja.« Plötzlich blitzen kleine, bunte Lichtpunkte aus meinem Körper heraus. Ich löse mich auf. Wir weinen noch intensiver und mein altes Ich nimmt mich fest in den Arm. Mein Körper zerfällt langsam zu pulsierenden Glühwürmchen. Umso fester er mich drückt, desto mehr verschwinde ich. Am Ende hält er nichts mehr in den Armen.
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ICH HAB DEN SCHATZ VON MÊLÉE ISLAND GEFUNDEN, ABER ALLES, WAS MIR BLIEB, IST DIESES T-SHIRT.
- 'THE SECRET OF MONKEY ISLAND'
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12. KapiteL
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Into the lightmarE
ie Sonne scheint wieder!? DIE SONNE SCHEINT WIEDER! Grelles Licht blendet mich und ich spüre eine enorme Wärme. Wo befinde ich mich? Auf einem Stuhl? Mein Gehörsinn hinkt ein wenig nach, doch langsam baut sich um mich herum eine Geräuschkulisse auf. Hat meine Reise sich doch gelohnt? Wurde die Zukunft verändert? Konnte ich mein altes Ich doch überzeugen? Ist meine Gegenwart nun eine Andere? Das Licht und die Wärme bringen mir Freude – seit unzähligen Jahren verspüre ich wieder so etwas wie Entzücken. Gespannt erwarte ich eine Offenbarung. Konturen tauchen in meinem Sichtfeld auf, doch ehe ich sie identifizieren kann, verschwinden sie schon wieder und grelles Licht erleuchtet den Raum. Meine Ohren vernehmen Krach. Was soll das? Die Wärme wird langsam unangenehm heiß und ich ziehe ängstlich meine Gliedmaßen ein. Der Krach entpuppt sich als eine Mischung von Explosionen und Geschrei, und als das gleißende Licht nachlässt, tauchen die Konturen wieder auf und verwandeln sich in brennende Menschen. In schimmernde Watcher, die Geschosse aus ihren Handflächen bomben. In verkohlte Reste meiner Freunde, in Mitglieder von U.R.I.E.L. In flammende Einrichtungsgegenstände. In abfackelnde Fahnen, auf denen man ein Paradies gepinselt hat. In meinen toten Bruder, der direkt vor mir liegt. In blanken Horror. Aus dem Chaos taucht ein Archon auf, ein blau strahlendes Energiewesen mit dämonischen Gesichtszügen und ekelhaften Klauen. Er scheint der Anführer des Abrisskommandos zu sein. Er steuert direkt auf mich zu.
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Dann bemerke ich, dass vor meinen Füßen etwas winselt. Es ist Bello, mein geliebter Hund, welcher sich anscheinend unter dem Stuhl der Zeitmaschine versteckt hat. Er ignoriert den Terror um sich herum und freut sich so sehr, mich zu sehen, als wäre ich ein verlorener Teil von ihm, als wäre ich sein leiblicher Bruder. Er springt herum, jault freudig und wackelt eifrig mit dem Schwanz. Er trägt ein merkwürdiges Halsband, auf dem „Converse Your Dog“ draufsteht – vielleicht ist er deswegen so jung geblieben? Er sieht genauso aus wie früher! Ich hebe ihn voller Freude hoch und setze ihn auf den Schoß, woraufhin er mein Gesicht abschleckt und sich langsam beruhigt. Meine Hände umarmen den Kleinen, um ihn vor der Hitze zu schützen und ich küsse einfühlsam seinen Kopf, während der Archon immer näher kommt. Daraufhin schließe ich meine Augen, aus denen sich bittere Tränen pressen und drücke den Hund fest an mein pochendes, schweres Herz. Eine Lichtexplosion und ein kurzer Schmerz... ...dann ruhen ich und Bello in Frieden.
EndE 103
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