Türkische Musik
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TÜRKISCHE MUSIK Der Beginn der Existenz einer eigenständigen türkischen Kunstmusik wird mit der Gründung des Ordens der Tanzenden Derwische (Mevlevi) angesetzt. Der Mevlevi-Orden wurde im 13. Jahrhundert n. Chr. von dem persischen Mystiker Rumi, auch unter dem Namen Mevlana bekannt, in Konya ins Leben gerufen. Es sind zwar keine Kompositionen aus dieser frühen Zeit überliefert, jedoch wird angenommen, dass in dem Orden bereits damals auf hohem künstlerischem Niveau musiziert wurde. Rumi hat ein aus über 25.000 Doppelversen bestehendes Werk in persischer Sprache (später ins Arabische und Osmanische übersetzt) hinterlassen, in dem die Musik als hohe Kunst gepriesen wird. Berühmt ist der Anfang dieses Werkes: "Lausche der Ney, wie sie klagt, sie erzählt eine Geschichte der Trennung." - So wie die Flöte ney aus aus dem Schilf geschnitten wurde, wurde auch der Mensch von seiner Einheit mit Gott getrennt. Das Flötenspiel bringt die Sehnsucht nach der Vereinigung mit Gott zum Ausdruck. Bekannt sind die Derwische des Mevlevi-Ordens vor allem für ihre Drehtänze, die eine religiöse Ekstase produzieren; in dieser zeigt sich die Verbindung zur überirdischen Welt. Mevlevi ist eine Form des Dhikr , der intensiven Anbetung Allahs. 2005 wurde die Mevlevi-Tradition in die UNESCO-Liste der Meisterwerke des mündlichen und immateriellen Erbes der Menschheit aufgenommen. Mevlevi-Zeremonien setzen sich aus zwei Teilen zusammen. Der erste Teil beginnt mit dem solistischen Vortrag eines litaneiartigen Gesanges zu Ehren des Propheten Mohammed. Darauf folgt ein Solo der Flöte ney , taksim genannt. Der Name verrät, dass es sich dabei um die musikalische Form des m a k a m (türkische Schreibweise mit k) handelt. Nun folgt der "Zyklus des Sultans Weled" (Name des ältesten Sohnes von Rumi). Hier kommt ein größeres Ensemble zum Einsatz; es wird vom Spieler der kudümTrommel geleitet. Sein Part besteht aus rhythmischen Phrasen in der Länge von 56 Vierteln. Die am Tanz beteiligten Derwische erheben sich und schreiten den Raum ab. Dabei begrüßen sie sich gegenseitig, was als übermittlung von Geheimnissen betrachtet wird. Der erste Teil wird mit einem weiteren ney -Solo -Solo abgeschlossen. Im zweiten Teil steht der Drehtanz ( sema) im Mittelpunkt des Geschehens. Über vier Abschnittte (selam), die auf verschiedenen rhythmischen Pattern (14/8, 9/8, 6/8 etc.) basieren, und zu immer schneller werdender Musik, drehen sich die Derwische, weiß gekleidet, gegen den Uhrzeigersinn um die eigene Achse. Die recht rechte e Handf Handfläche läche weist nach oben, die linke nach unten unten.. Damit erweist sich der Derwisch als Mittler zwischen der überirdischen und der diesseitigen Welt. Zum Tanz werden Texte von Rumi und anderen Sufi-Meistern gesungen. Schließlich verlangsamt sich das Tempo der Musik und des Tanzes. Ein taksim, gespielt auf der ney oder oder einem Saiteninstrument schließt den Tanzteil ab. Die Zeremonie wird mit einer Rezitation aus dem Koran beendet. Die Instrumente der Mevlevi-Musik sind überwiegend dieselben, die auch in der weltlichen klassischen Musik zum Einsatz kommen: N e y :
eine Längsflöte (endgeblasen), die aus Schilfrohr oder Bambus erzeugt wird. Sie hat 6 Grifflöcher auf der Vorderseite und eines auf der Rückseite. Der Ton wird durch Blasen gegen den Rand der oberen Öffnung erzeugt. R e b a b : ein Streichinstrument, das zur Gruppe der Spießlauten (der Hals wird wie ein Spieß durch den Korpus geführt) zählt. U d : Knickhalslaute; identisch mit dem gleichnamigen arabischen Instrument. K a n u n : Kastenzither mit 23 oder 24 mehrchörigen Saiten, die mit Plektrum gespielt werden. K u d üm : Trommelpaar bestehend aus zwei becherförmigen Trommeln (=Pauken), deren Korpus aus Kupfer gefertigt ist. Die beiden Instrumente sind unterschiedlich gestimmt. Die Stimmung kann an den jeweiligen Makam angepasst werden. Dem kudüm-Trommelpaar ähnlich sind die etwas größeren nakhare-Trommeln, die in der weltlichen Musik verwendet werden. M a z h a r : Große Rahmentrommel mit hoher Zarge. Die Bedeutung der Mevlevi für die Entwicklung der türkischen Musik kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. In ihren Klöstern waren bis ins 20. Jahrhundert die vorzüglichsten Musiker und Musiktheoretiker tätig. Viele Kompositionen von Musikern des Ordens schon aus früheren Jahrhunderten, besonders solche von ney -Spielern, -Spielern, werden auch heute noch aufgeführt. aufgeführt. Auch am Hofe der Sultane des Osmanischen Reiches (1288-1923) wirkten Angehörige der Mevlevi als
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Türkische Musik
Musiker. Viele dieser Herrscher, die z.T. selbst komponierten, waren große Förderer der Musik. In den Serails, den Palästen der Sultane, gab es ein großes Spektrum vorwiegend kammermusikalischer Musikpflege. Sänger und Instrumentalisten, die oft gleichzeitig im Bereich der religiösen Musik dienten, konnten hier zu großem Ansehen gelangen und waren vielfach weit über ihren engeren Wirkungskreis hinaus bekannt. Selbst hohe Beamte in Provinzstädten unterhielten kleinere Ensembles. An der Musikausübung in den Serails waren auch Frauen beteiligt. Es gab Ensembles, die sich ganz oder zum Teil aus Frauen zusammensetzten. Die Werke einiger bekannter Komponistinnen werden noch heute gespielt. Von größter Bedeutung, vor allem auch im Hinblick auf ihren Einfluss auf die abendländische Musik, waren die m e h t e r h a n e , die Militärkapellen. Die erste kaiserliche Kapelle wurde bereits in der Frühzeit des osmanischen Reiches gegründet. Die Aufgabe solcher Ensembles war es, bei Veranstaltungen im Freien zu spielen. Die mehterhane war die bedeutendste Institution der Heranbildung von Musikern, nicht nur für den Bereich der Militärmusik. Sie war auch der Ort, wo sich viele neue Formen der türkischen Musik entwickelten. Auch auf den Feldzügen der Janitscharen, der Elitetruppen des Osmanischen Reiches, waren mehterhane zugegen. Dieser sogenannten Janitscharenmusik wurde man gewahr, als die Türken in den Jahren 1529 und 1683 Wien belagerten. Die Kapellen bestanden aus durchdringenden Melodieinstrumenten, vor allem der zurna - ein Doppelrohrblattinstrument, und der boru - ein trompetenartiges Instrument, und einer Vielzahl an Schlaginstrumenten. Sie spielten in den Schlachten an vorderster Front, feuerten dadurch die eigenen Soldaten an und flößten dem Feind Schrecken ein. Trotz ihrer Assoziation mit der Türkenbedrohung wurde die Janitscharenmusik zu einem Leitbild der Formung neuer musikalischer Ensembles in Europa. Schon 1699 soll August Abb.: Janitscharenmusik. Militärkapelle zu Pferd mit großen Tromder Starke eine Kapelle in der Besetzung der Janitscharenmusik, meln, Becken, Pauken und Trompeten. Osmanische Miniaturmalerei, gebildet aus deutschen Musikern, aus dem "Surname-i Vehbi" (fol. 171b). Topkapi-Palast, Istanbul. Quelle: http://www.tuerkenbeute.de/window/illustration/F2-4Kap00il4_02_de.php besessen haben. In anderen Militärkapellen spielten auch Musiker, die man aus der Türkei kommen hatte lassen. Zu den Janitscharen-Instrumenten, die in Europa heimisch wurden, zählen die Große Trommel, das Becken, der Schellenbaum, das Triangel und die Piccoloflöte. Die "Türkische Musik" wurde zu einem Genre, an dem sich auch die Komponisten der Klassik versuchten. Neben den typischen Instrumenten waren für den alla-turca -Stil auch diverse musikalische Mittel charakteristisch: Unisono-Passagen, häufiger Wechsel von Dur und Moll, Repetition kurzer Melodieteile, Betonung des Rhythmus etc. file:///Users/...x/Documents/Studium/VO Musik der Welt im Ü berblick II/Türkische Musik/Türkische Musik.html[23.03.10 10:18:02]
Türkische Musik
Musiktheorie Die türkische Kunstmusik ist in ihren wesentlichen Zügen Teil der arabisch-orientalischen Musik. Frühe Verbindungen vor allem ins Zwischenstromland - in Bagdad wirkten und lehrten gegen Ende der 1. Jahrtausends n.Chr. die bedeutendsten Theoretiker - sowie die Islamisierung der Türkei, die mit dem Sieg der Seldschuken über die Byzantiner 1071 begann, bilden den historischen Rahmen dazu. Das geistig-geistliche Zentrum des Osmanischen Reiches, welches im 16. Jh. von den Grenzen Österreichs über Südrussland bis nach Indien und Nordafrika reichte, war Istanbul. Die führende Rolle der Türken in der islamischen Welt auch auf musikalischem Gebiet dauerte über mehrere Jahrhunderte an. Vieles was am Bosporus entwickelt wurde, beeinflusste nicht nur die abendländische Musik, sondern auch die Musik in Persien und in den arabischen Gebieten. Mit dem Tonsystem haben sich türkische Musiktheoretiker verschiedener Zeiten auseinandergesetzt. Die Nähe des türkischen Systems zu jenem der klassischen arabischen Musik ist jedoch deutlich. Das m a k a m -Musizieren ist bestimmend für die musikalische Praxis. In der türkischen Musik finden viele makame , die aus der arabischen Musik bekannt sind, Verwendung; in einigen Fällen werden sie anders bezeichnet oder in einigen Details anders ausgeführt. Darüber hinaus gibt es auch eigene, der türkischen Musik vorbehaltene makame. Kompositionen für Soloinstrumente - t a k s i m - sind meist freirhythmisch; jene für Ensemble sind jedoch zusätzlich zu ihrer Bindung an einen oder mehrere makame auch an ein bestimmtes rhythmisches Muster - u su l genannt - gebunden. Ein usul wird gewöhnlich auf einer Trommel gespielt, wobei nicht nur die Tondauern von Bedeutung sind, sondern auch die klangliche Unterscheidung in Haupt- ("düm"), Mittel- ("ka") und Nebenschläge ("tek"). Ein einfacher usul ist sofiyan, der sich aus einer Halben plus 2 Vierteln zusammensetzt, und zwar in der Abfolge "düm-tek-ka". Andere sind wesentlich länger und komplizierter. Besondere Beachtung vor allem unter westlichen Forschern haben die als a k s a k bezeichneten asymmetrischen Rhythmen erfahren (z.B. 9/8). Zu konzertanten Aufführungen werden in der Regel Zyklen zusammengestellt, deren Teile alle im gleichen makam stehen, in rhythmischer Hinsicht jedoch wechseln. Mit der Gründung des modernen türkischen Staates 1923 ging die Bedeutung der klassischen türkischen Musik, die als zu elitär galt und mit dem Osmanischen Reich assoziiert wurde, zunächst zurück. Gefördert wurde nun verstärkt die Volksmusik ländlicher Gebiete und es wurde begonnen, die vielfältige Volksmusik Anatoliens zu sammeln und zu archivieren. Auch Bela Bartok, der 1936 den Südosten der Türkei bereiste, war daran beteiligt. Später erlebte die klassische Musik eine Renaissance. In den Aufbau eines modernen Musikschulwesens, in dem die westliche wie auch die türkische Musik Berücksichtigung finden, waren erneut Experten aus Europa eingebunden, etwa Paul Hindemith sowie der österreichische Komponist Joseph Marx.
Beispiele Videobeispiel: Tanz der Derwische. Jedes Jahr am Todestag des Ordensgründers Rumi wird in Konya (Zentralanatolien) der sema, der Tanz der Derwische aufgeführt. Heute ist dies eine Touristenattraktion. Seit der Gründung der Republik (1923) war die Ausübung dieser Tradition untersagt gewesen, bis sie in den 50er Jahren wieder erlaubt wurde - aber nur an einem Tag im Jahr. Die zum Tanz spielenden Instrumente sind ney , rebab , ud , kanun , tanbur und kudüm. Das Stück steht im makam suzidilara und wurde um 1800 von einem Sultan komponiert. Quelle: JVC Video Anthology , 16-10. Videobeispiel: Mehterhane - Militärmusik des Osmanischen Reiches. Dies ist eine Nachbildung der Janitscharenmusik, die beim Militärmuseum in Istanbul für die Besucher musiziert. Zusätzlich zum Spiel von zurna (Oboe), boru (Trompete), nakhare (Paukenpaar), davul (Große Trommel), kos (große Pauke) und zil (Becken) wird auch gesungen. Quelle: JVC Video Anthology , 16-2. Hörbeispiel: Musik auf einer Hochzeit in einem Dorf im Taurusgebirge. Zum Spiel der Oboe zurna und der Großen Trommel davul tanzen die Männer einen Reigentanz namens halay . An der Spitze der Reihe befindet sich der Tanzführer, der ein Taschentuch schwenkt. Ein Mann tritt vor und stimmt ein Lied an. Darin wird die Schönheit der Natur besungen. Sodann wird der Tanz fortgesetzt. Quelle: Schallplatte Musik der Türkei , A2 (Ausschnitt).
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Türkische Musik
Abb.: Haley -Tanz zu zurna und davul
Quellen JVC Video Anthology of World Music and Dance , hg. von Fujii Tomoaki. JVC/Smithsonian Folkways
Recordings. [VHSv 128] Musik der Türkei. Schallplatte mit Aufnahmen von Kurt Reinhard und Kommentar von Ursula Reinhard.
Berlin: Museum für Völkerkunde. (Museum Collection Berlin MC1) [SV 1414-1415] Greve, Martin: "Aus dem Schilf gerissen. Die Ney-Flöte - Stimme der Gottessehnsucht." http://www.berliner-philharmoniker.de/forum/programmhefte/details/heft/aus-dem-schilf-gerissen/
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