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November 20, 2017 | Author: Casey Wright | Category: Johann Wolfgang Von Goethe, Money, Objectivity (Philosophy), Postmodernism, Semiotics
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    Ökonomische Sprache, sprachliche Ökonomie: Goethes  Konstruktion einer Semiotik des Geldes                              Erik Pomrenke 



❏ Einführung  ❏ Geld Heute  ❏ Historischer Hintergrund: Geld und Revolution  ❏ Die Semiotik des Geldes  ❏ Warum Goethe?  ❏ Einführung zu Märchen  ❏ Die Analogie zwischen Geld und Sprache  ❏ Die Irrlichter  ❏ Die Lampe  ❏ Der Fluss  ❏ Der Untergrund  ❏ Der Riese  ❏ Die Schlange  ❏ Kapitelschluss  ❏ Einführung zu Faust II  ❏ Der Regenbogen  ❏ Fiatgeld und Schein  ❏ Die Maskerade  ❏ Helena  ❏ Kapitelschluss  ❏ Einführung zu Novelle  ❏ Historischer Hintergrund zum Marktfeuer  ❏ Eine Geographische Ökonomie  ❏ Markt und Stadt  ❏ Die Stammburg  ❏ Ebenen und Gebirge  ❏ Der Fluss  ❏ Kapitelschluss  ❏ Schluss  ❏ Quellenangabe 



Einführung  Es gibt eine weit verbreitete Ahnung, daβ das Geld einen zerstörenden Einfluss in der  Gesellschaft hat. Für manche ist es leicht zu vermuten, daβ unsere kulturelle Sucht nach dem Geld etwas  Neues sei oder daβ diese Sucht die Folge einer korrupten und dekadenten Gesellschaft sei. Das Geld  ist aber immer ein groβer Teil unserer kulturellen Weltanschauung gewesen. In Verbindung mit dieser  Ahnung ist die moderne Ökonomie hyperkomplex geworden. Deswegen bezieht ökonomische Rede oft  auf die Zauberei. Diese Vorstellung hat ihre Gründe in dem Wortschatz hat, mit dem wir ökonomische  Taten beschreiben; und die Verbindung zwischen dem Geld und der Zauberei stammt wahrscheinlich  aus dem Wechsel von einer auf Münzen basierten Ökonomie zu einer Ökonomie, die auf Fiatgeld und  Geldscheine basiert wurde. Dieser Wandel von einem substantiellen Geld zu einem abstrakten Fiatgeld  hat eine lange Geschichte und bewirkte eine starke Abstraktion in unserem Begriff der Ökonomie. In  einem Versuch, diese neue Natur des Geldes zu verstehen, verglichen die Denker während dieses  Wandels das Geld mit der Sprache, der Zauberei und der Poesie. Allgemein kann man sagen, daβ der  Begriff des Geldes kein greifbares Objekt war, sondern ein Zeichen. In Goethes Werken ist die  zeichenhafte Natur des Geldes durch solche Analogien besonders deutlich. Ich meine, wir können den  Wortschatz, mit dem wir heute Geld und die Ökonomie beschreiben, zurück zu der Goethezeit  verfolgen.   Geld Heute  Dieses Projekt, die Basis hinter unserem Begriff des Geldes auszugraben, ist auf keinen Fall eine  untätige, akademische Beschäftigung. Goethes Befragung der Natur des Geldes ist heute aktuell wie nie  zuvor, weil unser ökonomischer Wortschatz große politische Verwicklungen hat;  das ist besonders  sichtbar in der Finanzkrise ab 2007­2008 und auch in der Rede über die neue Kryptowährung Bitcoin.  Nach der Finanzkrise sehen wir einen interessanten Google­Trend: 



 

Laut UCL­Anthropologe Lui Smyth bewirkte die Finanzkrise eine Befragung unserer Vermutungen über  Geld, die diese ansteigende Befragung der Natur des Geldes erklärt. Diese Befragung sei teilweise  verantwortlich für das neue Interesse an Kryptowährungen wie Bitcoin:  [Mit Bezug auf die Finanzkrise] So of course we get Bitcoin, which on one level is a  philosophical interrogation of the financial status quo. After the financial crisis people no  longer just asked how they are supposed to make money, they started questioning the  very essence of money itself. Literally. Google search queries for the phrase “what is  money” are now over twice pre­crisis levels globally, even after overall Google growth  is accounted for. In contrast, the global trend for the query “money” has remained  steady (Smyth Politics).  Die Frage „Was ist Geld?“ steht gleichzeitig im Kern unseres gegenwärtigen Zeitgeistes und im Kern  von Goethes Werk. Wir können also die Finanzkrise anblicken, um zu sehen, wie lange Goethes Erbe  gedauert hat. Die Krise wies Titelzeilen auf, die unbegreiflich hohe Geldzahlen beschrieben. Solche  Multi­Milliarden Figuren sind keine realen Zahlen; sie sind zu groß, um wirklich begreifbar zu sein. Zu  dieser Zeit nach der Krise gibt es viele Gespräche um „finanzielle Zauberei“ und „Funny Money“  (Tseng), und aus gutem Grund. In unserer Zeit sind ökonomische Interaktionen ganz ätherisch: 



elektronische Geldüberweisen, komplizierte Geldmärkte und finanzielle Verbrechen, die an Zauberei  grenzen. Alle diese Aspekte der modernen Ökonomie sind von der Wirklichkeit so weit entfernt, daβ  sie zu der Welt der Illusionen gehören.  Dieser Trend zu ökonomischer Abstraktion macht in letzten Jahren nur Fortschritte.  Konservative Ökonomen wie jene bei The Economist bezweifeln die Gültigkeit dieser neuen Arten von  Geld: „[M]oney is anything that serves three main functions. It must be a ‘medium of exchange’, which  can reliably be swapped for goods and services. It should be a stable store of value, enabling users to  tuck some away and come back later to find its purchasing power more or less intact. And it should  function as a unit of account: a statistical yardstick against which value in an economy is measured. The  American dollar meets all three conditions. Bitcoin has some way to go“ (Money from Nothing). Die  Bestimmung des Geldes in dieser Passage ist symptomatisch für einen materialistischen Begriff des  Geldes, in dem Geld Wert aufgrund seiner Substanz erschafft. Dieser Begriff des Geldes steht im  Gegensatz zu einem wesentlichen Begriff des Geldes, in dem Geld Wert aus seiner vermittelnden  Funktion erschafft. Diese zwei Begriffe entwickelten sich in unterschiedlichen geschichtlichen Kontexten  wegen unterschiedlicher Gründe; jedoch verfolge ich kurz die begriffliche Geschichte des Geldes zurück,  damit wir die Beziehung zwischen diesen Begriffen besser verstehen können.  Historischer Hintergrund: Geld und Revolution   

Die Beziehung zwischen Geld und Sprache sollte keine Überraschung sein, weil die zwei 

Medien sich in ähnlichen Orten und Zeiten entwickelten: „[j]ust as the Lydians were minting the first  coins, the neighbouring Phoenicians were developing the world’s first alphabet. Human credit and  human thought were both codified and standardised at the same time in almost the same place“ (Smyth  Context). Obwohl eine ganze Geschichte des Geldes den Rahmen dieses Projekts sprengen würde, ist 



dieses Beispiel interessant, weil es zeigt, daβ selbst auβerhalb moderner semiotischer Theorien Geld und  Sprache verbundene Geschichten haben. Da der materialistische Begriff vom Geld zu Goethes Zeit so  fest etabliert war, war der neue wesentliche Begriff des Geldes fast häretisch. Wegen Kriegen,  Revolutionen, Preisrevolutionen, der Entdeckung einer „neuen“ Welt und der Einführung des Fiatgeldes  in die europäische Wirtschaft war die Entwicklung der modernen Ökonomie eine sehr komplizierte Zeit  in der europäischen Geschichte. Diese stürmischen Zeiten waren aber sehr wichtig in der Entwicklung  des wesentlichen Begriffs des Geldes, weil diese Kriege, Revolutionen und Wirtschaftskrisen zusammen  dienten,  die launenhafte Natur des Geldes bloβzulegen.   

In den Jahren vor der Romantik wurden unkalkulierbare Geldbeträge aus Amerika von Spanien 

importiert. Zwischen den Jahren 1500 und 1660 wurden zum Beispiel mehr als 400.000.000 pesos von  Gold und Silber von spanischen Kolonien zurück nach Europa geschickt (Hamilton 34). Obwohl diese  Zahl schwer in modernen Figuren zu verstehen ist, gelten diese Jahre als eine der gröβsten  Vermögensübertragungen in der Geschichte. Der Einfluss so eines Geldbetrages war in der  europäischen Geschichte allein anomal; deswegen durchlebten Preise und Gehälter zu dieser Zeit große  Teurungen und Fluktuationen, die sogenannten Preisrevolutionen: „For a season industry seems to have  responded to the rise in prices precipitated by the influx of treasure. The resultant material prosperity,  together with the effect of the specie on national psychology, played a large part in the passage of Spain  through her golden age of literature and art. But ultimately the importation of treasure [...] in exchange  for goods sapped the economic vitality of the country and augmented the Price Revolution, which  handicapped export industry” (Hamilton 44). Obwohl die Preise nur eine jährliche Inflation von ungefähr  2% erlebten, waren diese Preiserhöhungen zu der Zeit erheblich. So war es in ganz Europa: obwohl die  Erwartung war, daβ dieser Reichtum Prosperität mitbringen würde, brachte er stattdessen Jahre von 



Unruhe. Was früher als eine grundsätzlich gute und positive Kraft galt, war jetzt eine fremde,  wechselhafte Kraft.  Dieser Zustrom hatte auch eine andere wichtige Folge. Da viel mehr Silber als Gold importiert  wurde, wurde das bimetallische Verhältnis fundamental geändert (Hamilton 40­41). Frühe Einfuhren  waren meistens Gold und hatten keinen großen Einfluss auf das bimetallische Verhältnis, denn die zwei  Metalle wurden in ungefähr gleichen Anteilen importiert. Aber als Neuspanien seine Infrastruktur  (besonders seine Bergwerke) entwickelte, gab es viel mehr Silber. Bis 1650 war Hartgeld aus Amerika  99,2 Prozent gewichtsmäßig Silber (Hamilton Table 2). Dieser Wechsel kündigte die Einführung des  Fiatgeldes an, indem der Wert des Goldes, das wertvollste Metall, von einem geringeren Medium  geschwächt wurde. In diesem Fall war dieses „geringere“ Medium Silber; später war es Papier als  Fiatgeld. Dieses Thema, das Schwächen einer adligen Substanz durch ein unterminierendes, geringeres  Medium, war in der romantischen Literatur weit verbreitet und verursachte die verbreitete Befragung  der Natur des Geldes—ein sehr wichtiges Thema in Goethes Schriften.  Die Französische Revolution ist besonders wichtig in unserem Verständnis dieser Entwicklung  wegen ihrer zeitlichen Nähe zu der Goethezeit. Als Goethe seine Werke schrieb, war die Revolution  noch in frischer Erinnerung, weil die Napoleonische Kriege beständige Folgen für die deutschen Staaten  und ganz Europa hatten. Die Französische Revolution ist wichtig, denn sie war die Kulmination von einer  Serie von wirtschaftlichen Ereignissen, besonders des Misserfolgs der Assignats, das neue Fiatgeld der  revolutionären Regierung; in einer Kombination von missbrauchtem Fiatgeld und Teuerung war die  Revolution zugleich eine wirtschaftliche und eine politische Krise. Wirtschaftler John Galbraith  behauptet, daβ es geschichtliche Verbindungen zwischen Fiatgelden und Revolutionen gibt. Mit Bezug  auf die amerikanische Revolution sagt er: 



[w]e have here the explanation as to why the revolutionary role of paper money is so  little celebrated. The American Revolution would immediately, and the French  Revolution would eventually, acquire great respectability. School books would tell  schoolchildren of their wonders. But a line had to be drawn. It could not, either in  decency or safety, be conceded that anything so wonderful was accomplished by  anything so questionable as the Continental notes of the American Revolution or the  assignats of the French Revolution [...] Paper was similarly to serve the Soviets in and  after the Russian Revolution. By 1920, around 85 percent of the state budget was being  met by the manufacture of paper money (Galbraith 61­6).  Neue Arten des Geldes sind in der Geschichte revolutionäre Kräfte; in den vom Fiatgeld bewirkten  gesellschaftlichen Umbrüchen finden wir den Grund für Goethes Beschäftigung mit diesem neuen Geld.  Sprache und ökonomischer Tausch zugleich können Revolutionen bewirken. Wenn wir an die Zukunft  denken, ist es nicht schwer zu glauben, daβ die neuen Kryptowährungen dieser Zeit ähnliche Folgen  haben werden.  Die Semiotik des Geldes  In der Entwicklung der modernen Ökonomie wurde Geld von einer greifbaren Substanz zu einer  abstrakten Kraft verwandelt. Um die neue Natur des Geldes zu beschreiben, verglichen die Denker und  Schriftsteller dieser Zeitperiode das Geld mit Sprache und Poesie. Goethe war auf keinen Fall der Erste  oder der Einzige, der Geld in solcher Weise beschrieb; zu seiner Zeit waren solche Analogien zwischen  dem Geld und der Sprache sehr beliebt unter Dichtern und Denkern. Zum Beispiel veröffentlichte der  Schriftsteller Friedrich Gedike 1789 sein Werk Verba valent sicut numi [Wörter haben Wert wie 



Münzen]: oder von der Wortmünze. Literaturkritiker Richard Gray beschreibt die Bedeutung dieses  Werkes in seinem Buch Money Matters:  [W]hat makes Gedike’s essay a revealing historical document is that to salvage the  concept of Enlightenment he persistently relies on the analogy between monetary and  linguistic economies. In fact, Gedike’s essay can be viewed as a metaphorical treasury  that stores a more or less complete inventory of the analogical connections between  money and language that were current in German language theory during the final  decades of the eighteenth century: as coins serve to ease material commerce, so do  words facilitate intellectual commerce; as money condenses wealth into a more portable  and useful form, so do words make knowledge more flexible and manageable; words  have values, as do coins, but like the latter their face values are often inconsistent with  their material worth, their Schrot und Korn, or their weight and alloy; the meanings of  words can shift with each usage, just as the value of coins can vary at different times of  their circulation (Gray 24­5).  Also wenn wir solche Analogien zwischen Geld und Sprache in Goethes Werken sehen, müssen wir uns  daran erinnern, daβ diese Behandlung sich auf eine große intellektuelle Tradition bezieht.   

Geld und Sprache sind einander sehr ähnlich, indem sie semiotische Systeme sind. Die Semiotik 

ist eine Rahmentheorie, die versucht, die Kultur durch Zeichen zu verstehen; die Grundlage dieser  Theorie wurde vom schweizerischen Linguist Ferdinand de Saussure gelegt. Im Kern dieser Theorie  steht die Beziehung zwischen Ausdrucksseite und Inhaltsseite. Diese Beziehung bringt eine dritte Einheit  hervor—das Zeichen: „[t]he linguistic sign is, then, a two­sided psychological entity [...] These two  elements are intimately linked and each triggers the other. Whether we are seeking the meaning of the 

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Latin word arbor or the word by which Latin designates the concept ‘tree,’ it is clear that only the  connexions institutionalized in the language appear to us as relevant […] In our terminology a sign is the  combination of a concept and a sound pattern“ (Saussure 99­100). Wenn wir Gedikes Beispiel nutzen,  sind sowohl Wörter als auch Münzen Zeichen; ein Wort besteht aus der Beziehung zwischen der  schriftlichen oder mündlichen Vokabel (Ausdrucksseite) und dem psycholgischen Begriff (Inhaltsseite),  genau wie eine Münze aus der Beziehung zwischen seinen zwei Seiten besteht—die Zahl, die sich auf  den Wert der Münze bezieht und der Kopf, der Kredit erschafft.   Diese Beziehung zwischen Ausdrucksseite und Inhaltsseite funktionierte als Basis der  klassischen Semiotik; in der Postmodernität ist aber die Beziehung zwischen Ausdrucksseite und  Inhaltsseite nicht so einfach. Mit Bezug auf diese Problematik sagt Frederic Jameson, einer der  wichtigsten gegenwärtigen Marxisten und Kulturkritiker, daβ „[n]ow reference and reality disappear  altogether, and even meaning—the signified—is problematized. We are left with the pure and random  play of signifiers that we call postmodernism“ (Jameson Postmodernism 96). Statt einer starken  semiotischen Dichotomie haben wir also eine Bedeutungskonstellation, die sich immer umgestaltet. Wie  dann können wir die Semiotik des Geldes in einer postmodernen Ökonomie beschreiben, in der  Hinweis und Bedeutung entkuppelt sind? Die Werke von Jean Baudrillard, ein französischer Philosoph  und Medientheoretiker, bauen einen Rahmen auf, mit dem wir dieses Ereignis verstehen können.  Er  beschreibt die Postmodernität mit ähnlichen Worten wie Jameson: „The end of labor. The end of  production. The end of political economy. The end of the signifier/signified dialectic which facilitates the  accumulation of knowledge and of meaning, the linear syntagma of cumulative discourse […] The end of  the classical era of the sign. The end of the era of production“ (Baudrillard Selected Writings 127).  Diese Rede von „dem Ende“ meldet einen historischen Bruch wegen des begrifflichen Einsturzes der 

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modernen Ökonomie—der Semiotik. In der postmodernen Ökonomie ist diese einfache Beziehung  zwischen Wert und Kredit unmöglich. Also ist die traditionelle Ökonomie in dieser Zeit keine  strukturelle Basis für die Gesellschaft. Stattdessen leben wir jetzt in einer „Hyperrealität,“ in der das  Spiel zwischen Bildern und Zeichen Bedeutung erschafft (ibid. 146). Ich finde, daβ Goethes Betrachtung  des Geldes als eine Art der Illusion solche Begriffe wie „Hyperrealität“ antizipiert; deswegen finden wir  die begriffliche Basis unseres ökonomischen Wortschatzes in Goethes Schriften.  Warum Goethe?  In dieser Studie betrachten wir Goethes Das Märchen, Faust II und Novelle. Diese Werke  zeigen sehr komplexe Beziehungen zwischen hoch symbolischen Figuren; diese Eigenschaft meint, daβ  eine semiotische Interpretation der Ökonomie in diesen Texten besonders nützlich ist, weil so eine  Interpretation viel der Komplexität reduziert. Auch wissen wir, daβ Goethe groβes Interesse an der  Politik und Theorie seiner Zeit hatte und seine Literatur als ein Medium nutzte, mit diesen Themen zu  interagieren. Mit Bezug auf die kulturelle Trennung zwischen Kunst und Ökonomie behauptet Gray: 

 

„economics does not simply ‚infect‘ the high­cultural domains of [poetics] ... [Literature and philosophy]  are complicit with and participate in the establishment and solidification of modern economic paradigms“  (Gray 4). In dieser Passage finden wir das Projekt von Goethes Semiotik des Geldes; durch die  zauberische Kraft eines sprachlichen Geldes und einer monetären Sprache können Poesie, Handel und  Menschen vereinigt werden.                 

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Einführung zu Goethes Märchen  Das Märchen wurde 1795 veröffentlicht als letzter Teil von Goethes Novellenzyklus  Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten in Schillers Zeitschrift „Die Horen.“ Frühe Reaktionen  wussten nicht, wie sie diese Sammlung von Geschichten interpretieren sollten. Die Interpretation bleibt  mehrdeutig: „[t]here is little consensus about how to read the stories shared by a group of German  aristocrats who are forced across the Rhine into another castle in the wake of the French Revolution“  (Sullivan 151). Heather Sullivan, eine Literaturkritikerin an der Trinity University, sagt mit Bezug auf Das  Märchen, daβ es „Goethe’s struggle to write the violence of the French Revolution into coherence“  (ibid. 151) sei. Wegen der Zeitperiode, in der die Unterhaltungen geschrieben wurden, ist der Einfluss  der französischen Revolution unvermeidlich. Auch sollten wir uns an Galbraiths Beziehung zwischen  neuen Währungen und Revolutionen erinnern; aber zu sagen, daβ diese Geschichten bloß allegorisch  sind, wäre eine große Vereinfachung. Stattdessen nutzt Goethe die Revolution als ein symbolisches  Muster, um eine ganze Bedeutungskonstellation zu besprechen. Goethe sah persönlich die flüchtige  Natur des Geldes, als die strampelnde französische Nation Assignats ausgab. Solches Fiatgeld löste  aber auf lange Sicht keine Probleme; allerdings zeigten die Assignats, wie gefährlich die Ökonomie sein  konnte. Wegen der ökonomischen Natur der Französischen Revolution finden wir in dem Text und in  der Revolution zugleich die Einleitung eines neuen Geldes und die Folgen davon; dieses neue Geld wird  durch Analogie mit der Sprache beschrieben.  Der Text stellt eine sehr komplizierte Bedeutungskonstellation dar, indem die ganze Handlung in  einer stark symbolischen Landschaft stattfindet. Diese Landschaft wird mit solchen Figuren wie  Irrlichtern, einem machtlosen Riesen, einer glühenden Schlange, und einem zauberhafte Lampe  tragenden Fährmann bevölkert. Zwischen diesen Figuren werden noch kompliziertere Beziehungen im 

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Lauf der Handlung aufgebaut. Es gibt wenig lineare Handlung in dem Märchen; die Reise zu der  schönen Lilie und die Vereinigung des Landes durch die Erbauung des Tempels und der Brücke gelten  zwar als Hohepünkte des Textes, aber diese Aspekte scheinen hauptsächlich eine zufällige Folge dieser  Beziehungen zu sein. Deswegen muss unser interpretatives Schema sich mit diesen Beziehungen  zwischen den Figuren dieser Landschaft beschäftigen. Die Beziehungen beziehen sich oft auf die  Semiotik des Geldes und werden also in einem ökonomischen Kontext am besten verstanden.  Mit folgenden Worten beendet Goethe sein Märchen:  Unvermutet fielen Goldstücke, wie aus der Luft [...] Begierig lief das Volk noch eine  Zeitlang hin und wider, drängte und zerriß sich, auch noch da keine Goldstücke mehr  herabfielen. Endlich verlief es sich allmählich, zog seine Straße, und bis auf den heutigen  Tag wimmelt die Brücke von Wanderern, und der Tempel ist der besuchteste auf der  ganzen Erde (Märchen 70).  Diese Passage stellt ein ziemlich utopisches Bild dar; Gold regnet aus dem Himmel und die Brücke und  der Tempel wimmeln vom Handel: „At the close of the Märchen, Goethe’s contrasting system prevails  by incorporating harmoniously and without violence all the figures [...] They act less as individual agents  than as participants in an interconnected system“ (Sullivan 163). Dieses Ende steht aber im starken  Gegensatz zum Anfang des Textes; wo es am Ende Einheit und Einklang gibt, gab es früher Uneinigkeit  und Trennung, denn die Welt des Textes war in verschiedene Bereichee geteilt. Zum Beispiel machte  der Fluss die Welt entzwei. Es gibt auch eine wichtige Trennung zwischen dem Untergrund und der  oberen Welt. Ohne externe Hilfe (wie den alten Fährmann und den Riesen) konnte man den Fluss oder  andere Grenzen nicht überqueren. Also muss man die Frage stellen: Wie entstand diese am Ende  gesehene Einheit aus der früheren Teilung von Goethes Welt? Die Antwort ist in Goethes Theorie des 

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Geldes zu finden, die in der gegenwärtigen Philosophie gegründet und gleichzeitig sehr vorausschauend  war. Goethe stellt Geld (in seinem Märchen spezifisch Gold) als die fast zauberische Basis des Handels  dar. Dieser Handel funktioniert als die vermittelnde Kraft zwischen diesen disparaten Welten. Wenn die  Funktion des Geldes von seiner Substanz abgesondert wird, bleibt eine bloβ vermittelnde Macht, die  einer anderen Art von Sprache sehr ähnlich ist. In dieser Landschaft scheinen Sprache und Geld  auswechselbar zu sein. In der Welt des Textes sind ökonomische Sprache und sprachliches Geld  vereinigende Kräfte, die jeden Tausch vermitteln können. Der Beziehung zwischen der Ökonomie und  der Sprache entsprechen viele der Beziehungen zwischen Figuren in dieser komplexen  Bedeutungskonstellation. Die Irrlichter und die Lampe verkörpern die Einleitung des Geldes; der Fluss  und Untergrund trennen eine Welt, die später durch die Kraft des Geldes vereinigt wird; und der Riese  und die Schlange werden Medien für diese neuen Kräfte.  Die Analogie zwischen Geld und Sprache   

 

Die Analogie zwischen Geld und Sprache ist also die begriffliche Basis für den Text. Hier 

können wir auch an Saussures Semiotik denken, weil er sprachliche Bedeutung mit ökonomischem  Wert gleichstellt: „In both cases [die Ökonomie und die Sprache], we have a system of equivalence  between things belonging to different orders. In one case, work and wages; in the other case,  signification and signal“ (Saussure 115). Goethes Text entspricht dieser Gleichwertigkeit, wenn die  Schlange den Tempel der vier Könige besucht. Der goldene König stellt der Schlange eine Serie von  rätselhaften Fragen: „Wo kommst du her? —Aus den Klüften, versetzte die Schlange, in denen das  Gold wohnt.—Was ist herrlicher als Gold? fragte der König.—Das Licht, antwortete die  Schlange.—Was ist erquicklicher als Licht? fragte jener.—Das Gespräch, antwortete diese“ (Märchen  37). Diese Passage ist sehr wichtig für unsere Interpretation dieses Textes, denn sie zeigt Goethes 

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abstrakten Begriff des Geldes auf. Licht und Gespräch sind sehr kräftige Mächte, haben aber keine  greifbare Substanz. Da sie keine echte Form haben, können wir sagen, daβ sie bloβe Funktion sind.  Notwendigerweise ist ein Gespräch ein Akt des Handels, denn es geht um einen  Austausch zwischen  zwei Gesprächspartnern. Der einzige Unterschied zwischen Gespräch und Handel ist die Natur der  getauschten Ware. Also finde ich, daβ Goethes Betrachtung des Geldes im Kontext der Semiotik  verstanden werden muss. Ein grundlegender Text, der sich auf die Semiotik des Geldes bezieht, ist  Georg Simmels Philosophie des Geldes. Simmel zweifelte die Vorstellung an, daβ Geld (Noten,  Münzen, und Gold ebenso) einen intrinsischen Wert hätte. Für Simmel war Geld eine „Überware“, die  benutzt wurde, um Handel zu vermitteln: eine Ware über allen anderen Waren. Diese Überware Geld ist  dazu da, Wert zu objektivieren. Ohne eine Überware wie Geld könnte es keinen ordentlichen Handel  geben, weil die getauschten Waren nur ihre eigenen subjektiven Werte hätten. Mit Geld als einer  externen Maβnahme können Leute Waren dann einhandeln und wissen, daβ die Tat des Handels  gleichwertig ist (Simmel 131­152). In dieser Weise ist der Wert des Geldes nur symbolisch. Als  symbolischer Vermittler ist Geld einer Sprache sehr ähnlich; man kann eben sagen, daβ Geld und die  verwandte Tat des Handels eine selbstständige Sprache sind.   

Diese Analogie wird später in Goethes Text aufgezeigt, als die alte Frau ihre Hand in den Fluss 

eintaucht, um die Schuld der Irrlichter in Gestalt eines Korbes voll Gemüse zurückzuzahlen. Da sagt ihr  der Alte: „Es ist noch ein Mittel. Wenn Ihr Euch gegen den Fluβ verbürgt und Euch als Schuldnerin  bekennen wollt, so nehm ich die sechs Stücke zu mir“ (Märchen 43). Die genaue Bedeutung dieser  Aussprache ist unklar— wie kann kann man einem Fluss in einer sinnvollen Weise etwas schulden? Was  wirklich wichtig dabei ist, ist der ökonomische Kontext, der hier geschaffen wird; wir müssen also den  Rest dieser Szene durch diesen Kontext ansehen. Als sie ihre Hand in den Fluss eintaucht, findet die 

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Alte folgendes heraus: „[d]ie Hand wird nach und nach schwinden und endlich ganz verschwinden, ohne  daβ Ihr den Gebrauch derselben entbehrt. Ihr werdet alles damit verrichten können, nur daβ sie  niemand sehen wird“ (ibid. 43). Die Hand ist der Körperteil der Tat; sie ist das Organ, das es einem  erlaubt, mit seiner Welt zu interagieren. Was ist dann eine unsichtbare Hand— eine Hand, die von ihrer  Form getrennt wurde? Vielleicht ist diese Hand ein Hinweis auf Smiths unsichtbare Hand des Marktes.  Smith nutzte dieses Bild als eine Metapher für die Kraft, die Gehälter und Waren regulierte. Des  Ursprungs dieses Bildes ungeachtet zeigt diese Hand die Trennung der Inhaltsseite von der  Ausdrucksseite und damit die sprachliche Kraft des Geldes auf.   Die Irrlichter  Die Irrlichter sind eine vermittelnde Kraft, in der die Beziehung zwischen Sprache und Geld  deutlich zu finden ist. Wenn man die Irrlichter so versteht, ist es keine Überraschung, daβ Goethe sein  Märchen mit diesen Figuren beginnt; ihre Erscheinung in der Welt ist gleichzeitig der Auftritt des Geldes  und der Sprache, und es ist dieser Auftritt, der diese stark getrennte Welt zu vereinigen beginnt. Daher  sind diese Unvereinbarkeiten in der Welt (der Fluss und die Trennung zwischen dem Untergrund und  der oberen Welt) nicht nur physische und zeitliche Grenzen, sondern auch Hindernisse für die zwei  besprochenen Arten vom Tausch: Handel und Sprache.  Auf einer buchstäblichen Ebene verkörpern diese Irrlichter Geld wegen ihrer körperlichen  Beziehung mit Gold; wenn sie sich schütteln, fallen Goldstücke heraus. Sie haben auch einen grossen  Appetit für das Metall, denn sie lecken das Fährmannshaus und die Könige vom Gold sauber. Es gibt  aber auch eine andere hochinteressante Beziehung zwischen den Irrlichtern und Geld mit Bezug auf die  Semiotik— die Irrlichter sprechen eine fremde Sprache, die nur von ihnen verstanden werden kann:  „Der Alte säumte nicht, stieβ ab und fuhr, mit seiner gewöhnlichen Geschicklichkeit, quer über den 

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Strom, indes die Fremden in einer unbekannten, behenden Sprache gegeneinander zischten“ (Märchen  31). Zusätzlich zu der Analogie zwischen Sprache und Geld, die diese Passage hervorruft, bezeichnet  Goethe hier noch etwas anderes. Diese Irrlichter­Sprache ist fremd und die Irrlichter sind in manchen  Weisen Unruhestifter: sie schütteln das Boot, töten den Hund Mops und belästigen die Fährmannsfrau.  Trotzdem bewirken sie kein wirkliches Leid oder Unglück. Das Boot überquert den Fluss ohne Unfall,  der Hund wird später von der Lilie geheilt, und die Frau wird auch nicht wirklich verletzt. Die Irrlichter  zeigen die launenhafte Natur des Geldes, denn sie haben die Fähigkeit, gleichzeitig zu helfen und hindern.   

Ihre Funktion als Unruhestifter ist auch am Ende des Textes zu sehen, als sie bewirken, daβ 

Gold aus dem Himmel regnet: „Man begreift wohl, daβ die abziehenden Irrlichter hier nochmals eine  Lust machten und das Gold aus den Gliedern des zusammengesunkenen Königs auf eine lustige Weise  vergeudeten“ (Märchen 70). Zuerst gesehen könnte diese Szene wegen des möglichen Unfriedens als  eine Antithese zu der vom Handeln bewirkten Einheit gelten, den diese Passage einführt. Da sie aber  „auf eine lustige Weise“ vergeuden, finde ich, daβ Goethe Geld hier letztlich als eine positive Kraft  bezeichnet; eine positive Kraft, die nuancierter ist als etwas bloβ Gutes. Der Funktion der Irrlichter als  Unruhestifter entspricht im Kontext der Handlung die produktive Kraft des Handels, indem die Irrlichter  scherzhaft stupsen und anzetteln, genau wie der Handel auch die Vereinigung zwischen disparaten  Sphären anzettelt.  Die Lampe  Die Lampe ist eine andere Figur, die die Irrlichter in Goethes Darstellung des Geldes ergänzt.  Diese Lampe begleitet die Einführung der Irrlichter und ist in manchen Weisen den Irrlichtern ähnlich,  indem sie ebenfalls eine klare Verkörperung dieser Beziehung zwischen Geld und Sprache bezeichnet.  Wenn die Irrlichter die launenhafte Natur des Geldes sind, ist die Lampe Goethes Begriff einer rein 

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konstruktiven Kraft. Sie wird von dem Alten getragen, als er in den Untergrund wandert; allerdings ist  sie keine normale Lampe, denn sie verwandelt verschiedene Substanzen in Gold: „Alle Gänge, durch die  der Alte hindurch wandelte, füllten sich hinter ihm sogleich mit Gold, denn seine Lampe hatte die  wunderbare Eigenschaft, alle Steine in Gold, alles Holz in Silber, tote Tiere in Edelsteine zu verwandeln  und alle Metalle zu zernichten“ (Märchen 39). Wegen dieser Beziehung zu abstrakter Kraft wird das  Licht in einem ökonomischen Kontext am besten verstanden. Simmel sah diese Kraft als die wesentliche  Eigenschaft des Geldes und vergleicht Geld mit einem Werkzeug:  Wie meine Gedanken die Form der allgemein verstandenen Sprache annehmen müssen,  um auf diesem Umwege meine praktischen Zwecke zu fördern, so muβ mein Tun oder  Haben in die Form des Geldwertes eingehen um meinem weitergehenden Wollen zu  dienen. Das Geld ist die reinste Form des Werkzeugs [...] Die Tatsache, daβ jedermann  unmittelbar mit ihm arbeitet, läβt seinen Werkzeugcharakter noch deutlicher hervortreten  (Simmel 205).  Wenn Simmel diesen Vergleich zwischen Geld und Werkzeug macht, sagt er, daβ die bestimmende  Eigenschaft eines Werkzeugs seine Funktion ist. Die Lampe und ihr Verhältnis zum Licht rufen diese  Bestimmung durch Funktion hervor, denn Licht ist eine Kraft ohne echte Form; selbst bis zum heutigen  Tag ist es unklar, ob Licht Welle oder Teilchen ist. Diese Beziehung zwischen Licht und Geld ist genau  die Beziehung, die man in dem Gespräch zwischen der Schlange und den Königen früher findet; das  Geld und das Licht werden durch die abstrakte Kraft der Sprache verbunden.  Der Fluss   

Die Landschaft in dem Märchen wird stark von Grenzen getrennt. Die Grenzen zeigen 

verschiedene Unvereinbarkeiten in der Welt, die später vom Handel gelöst werden, und der Fluss ist die 

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erste Grenze, der man in Goethes Welt begegnet. Der Fluss ist eine räumliche Grenze, denn er ist  während der ganzen Handlung dazu da, Bewegung zu behindern. Deswegen sind die Figuren des  Fährmanns und der Brücke so wichtig, weil sie Handel und Bewegung über den Fluss erlauben. In der  ersten Szene des Textes versuchen die Irrlichter den Fluss zu überqueren. Als der Fährmann aber die  Irrlichter über den Fluss bringt, fallen Goldstücke ins Boot, weil die Irrlichter sich schütteln. Da sagt der  Fährmann: „[u]ms Himmels willen, was macht ihr! rief der Alte, ihr bringt mich ins gröβte Unglück!  Wäre ein Goldstück ins Wasser gefallen, so würde der Strom, der dies Metall nicht leiden kann, sich in  entsetzliche Wellen erhoben“ (Märchen 31). Diese gewaltsame Reaktion gegen das Gold zeigt die  zugrundeliegende Unvereinbarkeit dieser Welten. Auch wird die giftige Natur des Geldes mit Bezug auf  den Hund Mops gezeigt. Als die Irrlichter die Frau des Alten besuchen, fallen auch Goldstücke heraus,  als sie sich schütteln: „[u]nser Mops fraβ einige davon und sieh, da liegt er am  Kamine tot; das arme  Tier!“ (ibid. 41). Was aber unterliegt dieser Unvereinbarkeit? Das weitere Gespräch zwischen den  Irrlichtern und dem Fährmann zeigt uns viel. Als die Irrlichter aus dem Boot steigen, will der Fährmann  seine Bezahlung. Er will aber kein Gold von ihnen, wegen der Unvereinbarkeit zwischen dem Fluss und  dem Gold. Stattdessen sagt er, daβ „‚man mich nur mit Früchten der Erde bezahlen kann.‘ –‚Mit  Früchten der Erde? Wir verschmähen sie und haben sie nie genossen‘“ (ibid. 32). Da „Früchte der  Erde“ hier das Objekt der Lust des Fährmanns sind, können wir ahnen, daβ der Konflikt hier zwischen  der organischen Welt der Natur und der kalten metallischen Welt des Goldes liegt. Dieser Gegensatz,  stark in der physischen Welt gegründet, entspricht dem Begriff, daβ ökonomische Anliegen irgendwie  mit der Poesie und Sprache unvereinbar sind. Diese Ahnung ist ein groβes Thema in unserer kulturellen  Rede und Goethe führt sie durch den Fluss ein, um diese Unvereinbarkeit später mit der vermittelnden  Zauberei des Geldes zu unterminieren.  

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Der Untergrund   

Im Gegensatz zum Fluss stellt die Trennung zwischen dem Untergrund und der oberen Welt eine 

zeitliche Grenze dar, die auch durch die Vermittlung des Geldes überquert wird. Zentral für diese  Beziehung ist der Tempel wegen seines Übergangs zwischen diesen Sphären. Ursprünglich liegt der  Tempel im Untergrund:  Wie dem auch sei, sagte die Schlange, indem sie das angebrochene Gespräch fortsetzte,  der Tempel ist erbauet. Er steht aber noch nicht am Flusse, versetzte die Schöne. Noch  ruht er in den Tiefen der Erde, sagte die Schlange; ich habe die Könige gesehen und  gesprochen. Aber wann werden sie aufstehn? fragte Lilie. Die Schlange versetzte: Ich  hörte die groβen Worte im Tempel ertönen: es ist an der Zeit (Märchen 51).   Dieser oft wiederholte Ausdruck „es ist an der Zeit“ kann leicht als ein Bezug auf diese Beziehung  zwischen dem Tempel und der Zeit gelten, denn dieser Ausdruck wird im Hinblick auf die Erbauung des  Tempels viel benutzt. Diese Erbauung symbolisiert die Grenze zwischen einer mythologischen Vorzeit  und der Geschichtsepoche. Sprache und Geld sind vielleicht die wichtigsten Vermittler, die wir als  Menschen haben (denken wir hier auch an Lydien und die gleichzeitige Erstellung von Münzen und dem  Alphabet). Vor diesen Vermittlern gab es keine Kommunikation in einer Art, die wir heute erkennen.  Man kann sogar sagen, daβ es unsere Fähigkeit, unsere Welt zu vermitteln, ist, was Menschen wirklich  „modern“ macht. Zusätzlich trifft die Erbauung des Tempels auch mit der Einführung des Geldes in  dieser Welt zusammen. Das ist wichtig, weil Geld als eine quantifizierende Kraft funktioniert. Vor dem  Tempel und vor dem Geld gab es keine Quantifizierung; es war eine unendliche und zeitlose Epoche. In  Zusammenhang damit steht Simmels Begriff des Geldes als einer Kraft, die subjektiven Wert übertrifft.  Er behauptet: „[d]as Entscheidende für die Objektivität des wirtschaftlichen Wertes... ist das prinzipielle 

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Hinausgehen seiner Gültigkeit über das Einzelsubjekt. Dadurch, daβ für den Gegenstand ein anderer  gegeben werden muβ, zeigt sich, daβ derselbe nicht nur für mich, sondern auch an sich, d. h. auch für  einen anderen etwas wert ist“ (Simmel 33). Ohne Geld als Vermittler kann es keinen Handel geben,  denn es gibt keinen objektiven Standard, mit dem Waren verglichen werden können. Diese Waren  haben also keinen objektiven Wert und zur gleichen Zeit unendlichen subjektiven Wert. Diese  Dichotomie zwischen objektivem und subjektivem Wert trifft zusammen mit unserer anderen Dichotomie  zwischen endlicher und unendlicher Zeit; beide Dichotomien werden auch durch die vermittelnde Kraft  des Geldes vereinigt.  Als der Tempel erbaut wird, wird die Beziehung zwischen ihm und dem Riesen sehr wichtig.  Der Riese steht schlaftrunken auf und versucht, im Fluss zu baden. Stattdessen stört er die Menge auf  der Brücke und bewirkt grosse Verwirrung. Als Reaktion darauf verwandelt der Alte den Riesen in eine  Sonnenuhr und verwendet dadurch „den Schatten des Ungeheuers in nützlicher Richtung“ (Märchen  68). Es gibt zwei Aspekte dieser Verwandlung, die wir besprechen müssen: daβ der Alte den Riesen  verwandelt, und die Funktion dieser Uhr in seiner Beziehung zum Tempel. Der Alte, der Träger der  Lampe, wird stark mit der konstruktiven Kraft des Geldes verbunden. Es ist diese Kraft, die die  zerstörende Kraft des Riesen „in nützlicher Richtung“ versetzt. Was ist dann die Funktion dieser neuen  Form des Riesen? Eine Uhr erlaubt uns, Zeit in eigenständige Stücke zu verteilen. Ohne so ein  Werkzeug ist die Zeit eine unendliche Dauer; die Beziehung zwischen Sonnenuhr und Tempel ist also die  Entstehung der Geschichte. Vor dem Tempel gab es keine Weisen, durch die die Zeit gemessen werden  konnte. Nachdem der Tempel erbaut worden ist, gibt es endlich eine historische Epoche, und ich finde,  daβ es Geld war, das dieses Ereignis ermöglicht. Die Grenze zwischen Untergrund und der oberen Welt  ist eine zeitliche Grenze und das Geld vermittelt zwischen diesen Welten. 

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Der Riese   

Angesichts dieser Uneinigkeiten, wie genau überqueren verschiedene Figuren diese Grenzen? 

Weiterhin: wie sieht diese Überquerung im Text aus? Der Riese ist eine sehr interessante Figur in dieser  Bedeutungskonstellation, denn zuerst ist er ein totales Rätsel. Der Riese, typischerweise eine kräftige  Figur, „vermag mit seinem Körper nichts; seine Hände heben keinen Strohhalm, seine Schultern würden  kein Reisbündel tragen; aber sein Schatten vermag viel, ja alles... [D]er Riese geht alsdann sachte gegen  das Ufer zu und der Schatten bringt den Wanderer über das Wasser hinüber“ (Märchen 35­6). Diese  Passage scheint als fast sinnlos— wie trägt ein Schatten einen Wanderer über den Fluss? Wenn wir  aber den Riesen mit Bezug auf unsere Geld­Sprache Analogie ansehen, wird uns viel erklärt. Der  Körper des Riesen ist machtlos; alle seine Macht liegt in seinem Schatten. Anders gesagt ist der Riese  bloβe abstrakte Funktion; seine Substanz vermag gar nichts. Diese Beziehung zwischen Funktion und  Substanz ist dieselbe, die wir in der Geld­Sprache Analogie finden. Auch bekommen wir einen weiteren  Einblick in die Natur der Sonnenuhr: obwohl sein Körper in eine Sonnenuhr verwandelt wird, bleibt sein  Schatten gleich, denn der „wesentliche Riese“ ist einfach der Schatten. Der Schatten des Riesen ist die  abstrakte Kraft des Geldes; deswegen hat sein Schatten Wert und Funktion ausser dem Körper.  Die Schlange   

Vielleicht die wichtigste Figur von dieser Beziehung zwischen Geld und Sprache definiert ist die 

Schlange. Ihre Bedeutung liegt in ihrem Verhältnis zu der Brücke, weil sie später in die Brücke  verwandelt wird. Sie ist aber vom Anfang des Textes eine wichtige Figur, indem sie zeigt, wie diese  Grezen mit der Kraft des Geldes überquert werden können. Einige Goldstücke von den Irrlichtern  finden ihren Weg zu der Kluft, in der die Schlange wohnt: „In dieser Kluft befand sich die schöne grüne  Schlange, die durch die herabklingende Münze aus ihrem Schlafe geweckt wurde. Sie ersah kaum die 

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leuchtenden Scheiben, als sie solche auf der Stelle mit groβer Begierde verschland und alle Stücke...  sorgfältig aufsuchte“ (Märchen 32­3). Als sie aber die Goldmünzen aβ, beginngt sie zu glühen. Es ist ihre  neuentdeckte Helligkeit, die die Schlange erlaubt, den Untergrund auszuforschen:  Denn ob sie gleich durch diese Abgründe ohne ein Licht zu kriechen genötiget war, so  konnte sie doch durchs Gefühl die Gegenstände recht wohl unterschieden [...] Doch  hatte sie zu ihrer groβen Verwunderung in einem ringsum verschlossenen Felsen  Gegenstände gefühlt, welche die bildende Hand des Menschen verrieten [...] Alle diese  Erfahrungen wünschte sie noch zuletzt durch den Sinn des Auges zusammenzufassen  und das, was sie nur mutmaβte, zu bestätigen. Sie glaubte sich nun fähig, durch ihr  eignes Licht dieses wunderbare unterirdische Gewölbe zu erleuchten, und hoffte auf  einmal mit diesen sonderbaren Gegenständen völlig bekannt zu werden (ibid. 36­7).  Im Licht dieser Passage können wir sagen, daβ ohne die hellige Kraft des Geldes, der Untergründ zu  der Schlange geschlossen wäre. Obwohl sie früher den Untergrund nur mit ihrem Gefühl navigieren  konnte, ist es dieses Licht, das den Bereich des Tempels öffnet. In dieser Weise können wir sehen, wie  Geld verschiedene Figuren im Text erlaubt, diese Grenzen zu überqueren.  Kapitelschluss   

In Goethes Märchen findet der Leser eine sehr komplizierte Welt bevölkert mit rätselhaften 

Figuren und die sprachliche Natur des Geldes erklärt viele dieser Beziehungen und Figuren. Was genau  ist die sprachliche Natur des Geldes? Geld, wie Sprache, funktioniert als bloβes Symbol. Diese in dem  Handeln verkörperte Kraft vermittelt symbolisch zwischen den disparaten Bereichen in dieser Welt  genau wie eine Sprache. Diese Semiotik wird in den Figuren der Irrlichter und der Lampe verdinglicht.  Diese Figuren sind wichtig, denn sie definieren die genaue Natur Goethes sprachlichen Begriff des 

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Geldes. Es ist in diesem Kontext, daβ wir die Unvereinbarkeiten dieser Welt verstehen müssen. Diese  Unvereinbarkeiten werden in dem Fluss und dem Untergrund aufgezeigt. Auch haben diese Grenzen ihre  eigene Eigenschaften, indem der Fluss eine physische Grenze symbolisiert und wie der Untergrund eine  zeitliche Grenze symbolisiert. Der Riese und die Schlange zeigen dann, wie genau diese Geld­ Sprache  Beziehung funktioniert, um Handel zwischen diesen Grenzen zu erlauben. In Goethes Märchen ist das  Geld eine selbständige Sprache: ohne Geld gibt es einfach keinen interpersonellen Tausch. Dieser  Tausch ist eine Art von Sprache, und es ist diese vermittelnde Kraft, die diese Grenzen abbricht, um die  am Ende gesehene Einheit und Harmonie zu bewirken.                                              

         

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Einführung zu Faust II      Die Sprache ist auf keinen Fall die einzige semiotische Beziehung, die Geld umfasst. Die  Semiotik des Geldes ist eine starke Kraft in Faust I und Faust II in der Form der Illusion. Faust I und  Faust II waren zusammen Goethes Lebenswerk. Obwohl frühe Fassungen der Texte wie der Urfaust  seit 1772 existierten, erschien das komplette Werk erst im Jahre 1832. In Faust I geht es hauptsächlich  um den Mikrokosmos: z.B., Fausts Beziehungen mit Mephistopheles und Gretchen.  Im Gegensatz ist  Faust II viel abstrakter und komplizierter; es geht in Faust II um den Makrokosmos und hoch  symbolische Beziehungen zwischen mythologischen, historischen und literarischen Figuren. Wie in  Goethes Märchen müssen wir versuchen, diese Komplexität mit unserer Interpretation zu reduzieren.   

Manche sagen, daβ Goethes Faust der erste moderne Held sei. Seine Modernität erscheint in 

seiner unermüdeten Suche nach Bedeutung in dieser Welt und in seiner Ablehnung der himmlischen  Welt: „Und Schlag auf Schlag! Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön!/  Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn! / Dann mag die  Totenglocke schallen, / Dann bist du deines Dienstes frei, / Die Uhr mag stehn, der Zeiger fallen, / Es sei  die Zeit für mich vorbei!“ (Goethe 1698­ 1706). Wenn Goethes Faust eines der ersten modernen  Texte sei, will ich vorschlagen, daβ Faust II das Muster eines postmodernen Textes einführt. Wir sehen  in Faust II einen Wechsel zwischen Mittel und Zweck; dieser Wechsel gilt in unserer Kultur als ein  Zeichen für die größeren Wechsel der Postmodernität: „the transformation of reality into images,“  (Jameson Consumer) wie Frederic Jameson die Postmodernität beschreibt. Geld spielt eine grosse  Rolle in Faust II und wird für Faust kein Mittel, sondern ein Zweck an sich. Schopenhauer beschreibt  einen ähnlichen Begriff des Geldes in seinen „Aphorismen zur Lebensweisheit“: „Jedes andere Gut kann  nur einem Wunsch, einem Bedürfnis genügen [...] Geld allein ist das absolute Gute: weil es nicht bloβ 

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einem Bedürfnis in concreto begegnet, sondern dem Bedürfnis überhaupt, in abstracto“ (Schopenhauer  415). Damit das Geld so viele Funktionen erfüllen kann, muss der theoretische Begriff des Geldes  solche begrenzenden Bestimmungen wie „sprachlich“ oder „substantiv“ transzendieren. Was soll diese  Begriffe ersetzen? Ich finde, daβ das Geld in Faust II als Illusion bezeichnet wird. Und was genau heiβt  „Illusion“? In Faust II wird der wesentliche Wert des Geldes hintergefragt. Diese Hinterfragung bezieht  sich auf ein Spiel auf das Wort Schein; Faust und Mephistopheles dekonstruieren den physischen  Gegenstand des finanziellen Wert und zeigen, daβ nichts hinter dieser Fassade steht. Solche Illusionen  und „Scheine“ sind mächtige Kräfte in Faust II. Der Regenbogen ist solch eine Illusion und seine  Erscheinung am Anfang des Textes setzt den Rest des Textes in einem Kontext der Illusion. Wir können  diese Illusionen leicht durch die Handlung verfolgen: Faust und Mephistopheles drucken Geldscheine,  um das Reich des Kaisers zu retten; sie nehmen teil an eine illusorische Maskerade; auch beschwören  sie die mythologische Helena, die Faust später heiratet. Alle diese Illusionen beziehen sich in  verschiedenen Weisen auf ökonomische Tätigkeiten. In Faust II können wir sagen, daβ die Vermittlung  auch eine ökonomische Tätigkeit ist, indem die Vermittlung besteht aus dem Tausch durch ein drittes  Medium: Geld. Illusionen sind also eine Art der Vermittlung. Wenn diese Illusionen an die Ökonomie  teilnehmen, wird eine ganze Ökonomie von Illusion aufgebaut. Ich meine, daβ viel der Beziehungen und  Figuren in Faust II im Kontext dieser illusorischen Ökonomie verstanden werden können.  Der Regenbogen  Diese Illusionen sind ganz am Anfang des Textes zu finden, als Faust nach seiner Flucht von  Gretchens Kerker weckt. Die Sonne scheint und er muss sich wegen seiner schmerzenden Augen  wegkehren: „Sie tritt hervor! – und, leider schon geblendet, / Kehr' ich mich weg, vom Augenschmerz  durchdrungen“ (Faust II 4702­3). Wenn er sich aber umdreht, sieht er einen Wassersturz: „Allein wie 

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herrlich, diesem Sturm ersprieβend, / Wölbt sich des bunten Bogens Wechseldauer, / Bald rein  gezeichnet, bald in Luft zerflieβend, / Umher verbreitend duftig kühle Schauer. / Der spiegelt ab das  menschliche Bestreben. / Ihm sinne nach, und du begreifst genauer: / Am farbigen Abglanz haben wir  das Leben“ (ibid. 4721­ 7). Faust vergleicht in dieser Passage den Regenbogen mit dem menschlichen  Bestreben und baut dadurch einen Kontext auf, in dem der Rest des Textes verstanden werden muss.  Goethe legt hier groβe Betonung auf die Illusion, denn ein Regenbogen ist nur Sonnenlicht durch Wasser  vermittelt, nur im Kopf begreifbar. Was haben das Bild und  das Geld miteinander gemein? Meiner  Ansicht nach ist die Antwort hier eine Art der Vermittlung. Die im Regenbogen verkörperte Illusion  funktioniert in dieser Passage, das Sonnenlicht abzuspiegeln. Die Sonne ist ein Ausdruck des Absolutes;  man kann mit den Augen direkt die Sonne nicht direkt anblicken. Ebenso kann man auch das Absolute  nicht  total begreifen. Das Absolute muss also durch die Illusion des Regenbogens vermittelt werden. In  der selben Weise muss der illusorische Wert des Geldes durch Münzen vermittelt werden; ohne  physische Vermittlung bleibt der abstrakte Wert unbegreifbar. Die vermittelnde Kraft der Illusion  erinnert an Simmels früher besprochene Darstellung des Geldes mit Bezug auf Goethes Märchen, indem  Geld als ein Quantifizierer funktioniert. Ohne die Vermittlung des Geldes haben Waren nur ihre  Einzelwerte; es gibt keinen externen Standard, mit denen solche Waren verglichen werden können und  folglich, objektiviert werden können  (Simmel 33). Der Regenbogen verkörpert diese Beziehung  zwischen subjektivem Wert und objektivem Wert, weil er als bloße Vermittlung gilt; vor dieser  Vermittlung konnte Faust den Regenbogen nicht anschauen. Diese Illusion wird stark mit der  Vermittlung verbunden und muss also in einem ökonomischen Licht gesehen werden. Die Kraft der  Illusion dringt den Verlauf von Faust II durch. Wenn Faust am Anfang  des Textes an diesen 

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Regenbogen schaut, zeigt Goethe uns dabei die Kraft von Illusion; allerdings mit Bezug auf der Sonne ist  die Illusion die einzige Weise, durch die wir das Absolute erleben können.  Fiatgeld und Schein  Das Thema „Geld als Schein“ ist vielleicht nirgendwo so sichtbar als in den Szenen, in denen  Faust und Mephistopheles die Kaiserliche Pfalz besuchen. Allerdings geht es im ersten Akt buchstäblich  um Schein und Scheine, denn Geldscheine werden gedruckt, um des Kaisers Reich zu retten. Es ist kein  Zufall, daβ das deutsche Wort für diese Zettel „Schein“ ist. „Schein“ bezieht sich hier auf das Papier,  aus dem der Geldschein besteht. Dieser Bezug auf Illusion stammt aus dem substantiven Begriff des  Geldes—was wertvoll im Geld ist, ist die Substanz, z.B. das Metall Gold. Im Vergleich zu diesem  substantiven Begriff des Geldes ist dann ein Geldschein nur eine abstrakte Darstellung der Substanz. In  der semiotischen Theorie ist diese Beziehung zwischen Schein und Substanz dieselbe als die Beziehung  zwischen Ausdrucksseite und Inhaltsseite.   

Wenn Faust und Mephistopheles den Hof des Kaisers besuchen, finden sie ein Reich 

tief in Schulden; das Heer kann nicht bezahlt werden, es braut ein Bürgerkrieg, und Karneval kann  wegen leerer Schränke und Keller nicht richtig gefeiert werden. Mephistopheles erinnert den Hof an die  begrabenen Schätze des Landes und schlägt vor, daβ sie diese Schätze ausgraben: „Wo fehlt's nicht  irgendwo auf dieser Welt? / Dem dies, dem das, hier aber fehlt das Geld. / Vom Estrich zwar ist es nicht  aufzuraffen; / Doch Weisheit weiß das Tiefste herzuschaffen. / In Bergesadern, Mauergründen / Ist Gold  gemünzt und ungemünzt zu finden, / Und fragt ihr mich, wer es zutage schafft: / Begabten Manns Natur­  und Geisteskraft“ (4889­ 96). Auch schlägt Mephistopheles vor, daβ sie Geldscheine drucken. Er sagt  es nie ausdrücklich, aber die Vermutung ist, daβ diese Geldscheine von diesen ausgregrabten Schätzen  gesichert werden. Jedoch ist nichts so einfach mit Mephistopheles; nachdem sie Karneval gefeiert 

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haben, wird es klar, daβ Mephistopheles keine Absicht hat, diese Schätze auszugraben. Der Hof  wundert sich, wie genau dieses neue zauberische Geld funktioniert und der Kanzler liest die Inschrift  eines Scheines vor: „Zu wissen sei es jedem, der's begehrt: / Der Zettel hier ist tausend Kronen wert. /  Ihm liegt gesichert, als gewisses Pfand, / Unzahl vergrabnen Guts im Kaiserland. / Nun ist gesorgt, damit  der reiche Schatz, / Sogleich gehoben, diene zum Ersatz” (6057­ 62). Diese Scheine haben keine echte  Deckung; sie werden durch eine zyklische selbstbezügliche Logik legitimiert. Obwohl die Geldscheine  den Wert der begrabenen Schätze verkörpern, sind es wirklich die Geldscheine, die hier “wertvoll” sind,  indem sie erlauben, daβ die begrabenen Schätze ausgegraben werden. Ohne die Geldscheine hätten  diese Schätze keinen realen Wert, weil sie unerreichbar bleiben würden.  Literaturwissenschaftler Jochen Hörisch beschreibt einen ähnlichen Prozess der zyklischen  Deckung in seinem Werk Kopf oder Zahl. Dieser Prozess ist in den zwei Seiten einer Münze perfekt  verkörpert:  Geld muβ sich gewissermaβen Kredit und Autorität verschaffen. Und es tut dies schon  in seiner klassischen Münzgeld­Gestalt auf recht suggestive Weise. Ein Herrscher  verschafft und autorisiert. Der Kopf (ver)leiht der Zahl auf der anderen Seite die  Autorität und Geltung, die diese an den Kopf zurückreicht. Und die Zahl auf der Münze  verschafft sich Geltung und Anerkennung nicht zuletzt durch die Autorität dessen, der sie  emittiert. Eine runde Sache (Hörisch 16).  Diese Beziehung zwischen Kopf und Zahl ist der anderen Beziehung ähnlich, die wir zwischen  Mephistopheles’ Scheinen und den begrabenen Schätzen finden; wie der Kopf den Wert der Zahl  deckt, decken auch die Schätze den Wert der Scheine. Mit Bezug auf die Münzanalogie stellt der Kopf  den Staat dar, indem er die Autorität und das Vertrauen bezeichnet, die zusammen die Basis des 

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Kredits aufbauen. Im Gegensatz dazu steht die Zahl; sie ist nur ein Zettel dieses Versprechens. Aber  dieses Verhältnis zwischen Schatz und Schein hat einen bedeutenden Unterschied: es ist unklar, ob die  Scheine den Schatz decken, oder der Schatz die Scheine deckt. In diesem Verhältnis scheint der echte  Wert als eine dritte Einheit herbeigeführt zu werden: „Autorität aber haben beide Seiten der Medaille,  sofern sie in der Münze eins werden. Ohne Geltung kein Geld, ohne Geld keine intersubjektiv  verbindliche Geltung. Das aber bedeutet: Kopf und Zahl beziehen ihre Autorität, ihre Deckung und ihre  Geltung aus dem Dritten, zu dem sie synthetisieren, aus der Münze, deren Seiten sie sind” (Hörisch 15).  Meiner Meinung nach ist diese selbstbezügliche Erzeugung der Geltung, was wir Schein nennen können;  in Goethes textueller Welt sowohl als unserer ist der Wert des Geldes eine Illusion. Aber Kopf und Zahl  (ihre buchstäblichen Gegenstücke in der Münze und ihre symbolischen Gegenstücke im Verhältnis  zwischen Decker und Gedecktem zugleich) haben zusammen die Macht, realen Wert scheinbar aus der  Luft in Gestalt dieses Scheines zu schaffen.   

Nachdem der Kanzler die Inschrift des Scheines vorliest, ist der Kaiser schockiert: „Ich ahne 

Frevel, ungeheuren Trug! / Wer fälschte hier des Kaisers Namenszug? / Ist solch Verbrechen ungestraft  geblieben?“ (Faust II 6063­6065). Für den Kaiser ist dieser Schein offensichtlich keine wunderbare  Erzeugung; stattdessen ist sie eine geheimnisvolle List. Auch können wir ahnen, daβ der Kaiser an Stelle  von Goethe selbst in dieser Szene spricht. Mit Bezug auf die Ökonomie war Goethe sehr konservativ,  teilweise wegen seiner politischen Einstellung, teilweise wegen der von ihm beobachteten  Assignats­Krise in Frankreich. In dieser Hinsicht hatte Goethe viel mit den Physiokraten seiner Zeit  gemeinsam. Physiokratie wurde stark in dem Begriff begründet, daβ der Reichtum eines Landes in der  Grundstückserschlieβung liegt. Die Physiokraten waren von dem Substanzialismus beinflusst; ihr Begriff  des Reichtums stammt aus der Idee, daβ realer Wert in der Substanz einer Ware liegt. Zum Beispiel 

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glaubten viele Physiokraten an den wesentlichen Wert des Goldes.  Richard Gray sagt in seinem Buch  Money Matters, daβ „[m]ore conservative economists like Turgot (and the physiocrats in general)  asserted that this ‚sign­money,‘ as it was already called, was but a mere deceptive sleight of hand, an  economic edifice built without foundation.” (Gray 29). Aber Goethes Zeit war auf keinen Fall nur von  diesen archaischen Begriffen des Geldes definiert. Besonders wichtig für uns (aber zu seiner Zeit  unterschätzt) ist Adam Müller (1779­ 1829). Im Gegensatz zu den Physiokraten sagt Müller in seinem  Versuche einer neuen Theorie des Geldes, daβ Geldscheine besser als Münzen wären, weil sie rein  symbolisch sind; deswegen verkörpern Geldscheine die bloβe Arbitrarität eines linguistischen Zeichens  (Gray 52­3). Später im vierten Akt sehen wir die launenhafte Natur dieser Scheine, wenn das Reich  wegen der Schuldenkrise in einen Bürgerkrieg ausbricht. Also sind diese Scheine keine absolute  Lösung; wo am Anfang von Faust II das Geld Ordnung wiederherstellt, funktioniert Geld später, um  Störung und Zerstörung zu säen. In diesem Ereignis sehen wir Goethes Vorhersage einer modernen  ökonomischen Krise. Eine Ökonomie, die auf eine greifbare Substanz wie Gold gegründet ist, soll im  Prinzip viel stabiler als eine illusorische Ökonomie sein und Goethe füchtete, daβ die neuen Geldscheine  ähnliche Krisen wie in Frankreich bewirken würden.  Die Maskerade    

Die Maskerade im ersten Akt von Faust II ist eine Illusion von Illusionen. Die erste Ebene 

dieser Illusion ist natürlich die Maskerade selbst, weil Anwesenden sich mit Masken verkleiden.  Alternative Persönlichkeiten der Charaktere begleiten diese Masken; Faust erscheint als Plutus,  Mephistopheles erscheint als die Geldgier, und der Knabe Wagenlenker erscheint als die Poesie. Dann  kommt die zweite Ebene dieser Illusion: die ganze Maskerade wird durch Mephistopheles’ Scheine  finanziert, die auch Illusionen sind. Dieses Fest hat also keine echte Basis in der Wirklichkeit; genau wie 

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ein illusorischer Geldschein ist die Maskerade eine Fassade und damit bereit, als Trug entlarvt zu  werden. Diese Trennung von der Wirklichkeit ist besonders in der traumhaften Natur dieser Szene zu  sehen, denn die Szene wird bevölkert mit verschiedenen Figuren aus der Mythologie.  Die Werke von Jean Baudrillard erschaffen einen Wortschatz, mit dem wir solche Illusionen  besser beschreiben können. In seinem Simulacra and Simulation, beschreibt Baudrillard verschiedene  Ordnungen von Zeichen:  Whereas representation attempts to absorb simulation by interpreting it as a false  representation, simulation envelops the whole edifice of representation itself as a  simulacrum. Such would be the successive phases of the image: it is the reflection of a  profound reality; it masks and denatures a profound reality; it masks the absence of a  profound reality; it has no relation to any reality whatsoever­ it is its own pure  simulacrum. In the first case, the image is a good appearance­ representation is of the  sacramental order. In the second, it is an evil appearance ­ it is of the order of  maleficence. In the third, it plays at being an appearance ­ it is of the order of sorcery.  In the fourth, it is no longer of the order of appearances, but of simulation (Baudrillard  Simulacra 6).  Da die Deckung und Kredit einer Währung als ihre „Wirklichkeit“ oder ihre Gültigkeit gelten, scheint  Mephistopheles’ illusorisches Geld als ein Zeichen der dritten Ordnung, indem das Geld funktioniert, die  Abwesenheit seiner Deckung zu verdecken; auch wichtig ist wie Baudrillard solche Illusionen als  Zauberei beschreibt. Genau wie diese Maskerade, die durch ein illusorisches Geld finanziert wird, ist  das Geld immer von der Wirklichkeit eine Stufe entfernt. Damit Geld in der modernen Ökonomie Kredit 

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erschaffen kann, muss dieses Geld die Tatsache verdecken, daβ es keine ökonomsiche Wirklichkeit  überhaupt gibt.  Die Helena  Zur gleichen Zeit die mythologisch­historische Frau und die Beschwörung eines Zauberers, ist  Helena sehr wichtig für unser Verständnis des Textes, denn sie steht im Gegensatz zu der deutschen  Gretchen Helena als Fausts ideale Frau; auch im Gegensatz zu Gretchen (eine körperliche Frau, die in  der Welt existiert) ist Helena eine Illusion. Besonders bedeutend in ihren Beziehungen sind Gretchen und  die Scheine. Wir finden sowohl in Helena als auch in den Scheinen eine räumliche Ökonomie; wenn wir  die Bewegung der Scheine durch den Raum verfolgen, finden wir ein Muster, das durch den Akt der  Erhebung definiert wird. Zuerst ist das Geld im Untergrund vergraben. Um dieses Geld zu nutzen, wird  es erhoben; die Erhebung ist dann auch der Akt des Verbrauchs. Im Verlauf der Handlung verfolgt  Helena einen ähnlichen Pfad. Als Faust Helena zuerst herbeiruft, muss er in den Untergrund gehen, um  die „Mütter“ zu finden. Mephistopheles beschreibt sie als ursprüngliche Figuren, die in der Unterwelt  wohnen: „Ungern entdeck' ich höheres Geheimnis. / Göttinnen thronen hehr in Einsamkeit, / Um sie kein  Ort, noch weniger eine Zeit; / Von ihnen sprechen ist Verlegenheit. / Die Mütter sind es! –” (Faust II  6212­ 6). In dem Untergrund liegend sind Helena und das Geld zugleich nutzlos; Helena muss erhoben  werden, um „genutzt“ zu werden.   

In dem Schattigen Hain finden wir eine sehr interessante Szene, die Helenas Funktion gut 

aufzeigt. Als Helena Faust umarmt, verschwindet ihre körperliche Form. Nur ihre Robe und ihr Schleier  werden zurückgelassen. Mephistopheles (hier als Phorcyas verkleidet) sagt:  Halte fest, was dir von allem übrigblieb. / Das Kleid, laß es nicht los. Da zupfen schon /  Dämonen an den Zipfeln, möchten gern / Zur Unterwelt es reißen. Halte fest! / Die 

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Göttin ist's nicht mehr, die du verlorst, / Doch göttlich ist's. Bediene dich der hohen, /  Unschätzbaren Gunst und hebe dich empor: / Es trägt dich über alles Gemeine rasch /  Am Äther hin, so lange du dauern kannst. / Wir sehn uns wieder, weit, gar weit von hier  (ibid. 9939­ 54).  Wir müssen zwei wichtige Aspekte dieser Passage beobachten: 1) Helena verschwindet wegen des  körperlichen Vollzugs und 2) das Spiel mit der Ausrichtung. In dieser Passage wird Helena gleichzeitig  verbraucht und enthüllt. Als Faust Körperkontakt mit Helena hat, ist das der Verbrauch seines  Liebesobjekts; der Verbrauch ist auch der „Zerbersten“ der Illusion von Helena. In diesem Verbrauch  entspricht das Zerbersten der Illusion von Helena auch das Zerbersten einer ökonomischen Blase. John  Keats’ Ode on Melancholy entspricht wichtige Aspekte dieser Szene. Das Gedicht handelt von der  Beziehung zwischen der Melancholie, dem Tod, und der Sexualität. Die letzte Strophe ist besonders  interessant:  She dwells with Beauty—Beauty that must die; / And Joy, whose hand is ever at his lips  / Bidding adieu; and aching Pleasure nigh, / Turning to poison while the bee­mouth sips:  / Ay, in the very temple of Delight / Veil'd Melancholy has her sovran shrine, / Though  seen of none save him whose strenuous tongue / Can burst Joy’s grape against his  palate fine; / His soul shalt taste the sadness of her might, / And be among her cloudy  trophies hung (Keats).  Wenn wir „the very temple of Delight“ als der sexuelle Akt interpretieren, ist es leicht, Paralleln mit  Faust und Helena aufzubauen. Die Freude dieses körperlichen Bundes ist flüchtig und kann nur kurz  dauern, bis der Tod diese Freude wegreiβt. In der selben Weise verschwindet Helenas Illusion nach  ihrer Entschleierung; Fausts Körperkontakt mit ihr zerberst ihre Illusion, genau wie der Tod und 

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Melancholie immer an den Rändern der Freude sind. Als Helena verschwindet, wird sie weiter  unerreichbar. Auch versuchen in dieser Szene Dämonen, die verbleibenden Gegenstände (die Robe und  den Schleier) ihrer Substanz zurück zur Unterwelt zu nehmen. Verbrauch, der Höhepunkt der  Ökonomie, fängt den ganzen Prozess neu an, indem die Ware (hier: Helena) abgebaut wird, um später  noch erhoben zu werden.  Helena und Gretchen werden durch eine Dualität in ihren Darstellungen verbunden. Die beiden  werden zuerst als Illusion dargestellt; erst später werden sie körperlich herbeigeführt. Wir müssen  zurück zu Faust I schauen, um die erste Darstellung von Gretchen zu finden. In dem Hexenspiegel sein  erstes Bild der Helena, das die spätere Begegnung mit Gretchen ahnt: „Was seh ich? Welch ein  himmlisch Bild / Zeigt sich in diesem Zauberspiegel! [...] Das schönste Bild von einem Weibe! / Ist's  möglich, ist das Weib so schön? / Muß ich an diesem hingestreckten Leibe / Den Inbegriff von allen  Himmeln sehn? / So etwas findet sich auf Erden?“ (Faust I 2429­ 2440). Als Faust Gretchen später  trifft, trifft er sich mit einem realen, körperlichen Mädchen. Also sehen wir ein Muster, das sich von einer  abstrakten Darstellung zu einer konkreten Darstellung bewegt. Wir sehen dies gleiche Muster in seiner  Beziehung mit Helena. Zuerst ist sie nur die Beschwörung eines Zauberers am Kaisershof.  Mephistopeles beschreibt ihre Erscheinung in seiner typisch sarkastischen Mode: „Das wär' sie denn!  Vor dieser hätt ich Ruh; / Hübsch ist sie wohl, doch sagt sie mir nicht zu“ (Faust II 6479­80). Nach  ihrer ersten Erscheinung geht Faust in den Untergrund, um Helena zu holen; danach wird sie konkret  und greifbar. Was heisst dieser Übergang von Illusion zu Substanz? Wir finden eine Inversion dieses  Musters in der Beziehung zwischen Geldscheinen und Gold (und auch anderen Substanzen, die  Geldscheine decken). Die erste Erscheinung des Geldes ist natürlich in den Metallen, aus denen Geld  besteht; solche Substanzen sind Bedingunen für die Illusion des Geldes. Also entsprechen die 

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Erscheinungen von Helena und Gretchen der Erzeugung des Geldes und kehren sie gleichzeitig um. In  diesen Weisen spielt Helena eine groβe Rolle in der illusorischen Ökonomie, die wir in Faust II finden.  Kapitelschluss   

Also haben wir gesehen, wie Goethe in Faust II eine illusorische Ökonomie aufbaut. Was 

genau meine ich damit? Die Illusionen in Faust II werden durch ihre vermittelnde Kraft verbunden: der  Regenbogen ist die vermittelte Illusion der Sonne; die Geldscheine sind eine illusorische Art des Geldes;  die Maskerade ist in einer gewissen Weise eine Meta­Illusion, die auch funktioniert, um Euphorion (eine  Figur der Übersetzung) einzuführen; wegen ihrer Vermittlung zwischen der Ober­ und Unterwelt können  wir auch Helena in einem ähnlichen Kontext verstehen. Da die Rollen dieser Illusionen in manchen  Weisen in der Vermittlung basiert werden, haben diese Rollen viel mit dem Geld gemeinsam. Diese  Illusion steigt die früherer Begriffe des Geldes als „substantiv“ oder „sprachlich“ über und nimmt ihre  eigene Logik an. In dieser Weise ist Goethes Betrachtung des Geldes in Faust II ein Grundstein für eine  postmoderne Ökonomie; in der postmodernen Ökonomie ist das Geld zur gleichen Zeit beerdigt und  ausgegraben, konkret und abstrakt.                                

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Einführung zu Novelle   

Transition from Faust II. Goethes Novelle erschien zuerst im Jahre 1797 als Gedicht Die Jagd. 

Nach mehreren Fassungen wurde der Text 1828 endlich veröffentlicht. Allgemein geht es in diesem Text  um den Ausbruch eines Feuers, die folgende Flucht zweier Tiere und die Wiederherstellung der  Ordnung; aber genau wie in dem Märchen scheint die Handlung fast zufällig zu sein, indem die  Bedeutung durch eine hoch symbolische Landschaft vorgestellt wird. Solche landschaftlichen  Gegebenheiten wie der Markt, der Fluss, die Berge und die Ebenen nehmen teil an symbolischen  Beziehungen, die zu einem sehr ökonomischen Kontext passen. Wegen der stark ökonomischen Natur  dieses Textes, ist es nützlich, unsere Interpretation in der Geschichte zu begründen; die Zeitepoche, in  der die Novelle geschrieben wurde, spielt also eine sehr große Rolle in unserem Verständnis dieses  Textes. Mit Bezug auf Das Märchen habe ich gesagt, daβ es teilweise eine Reaktion auf die  französische Revolution war. Aber wo Das Märchen rückschrittlich ist, ist Die Novelle viel  prophetischer, indem manche der ökonomischen Aspekte des Textes Hauptthemen und –gründe für die  Revolutionen von 1848 waren. Der Anstieg eines deutschen Bürgertums und seine Beziehung mit  diesem neuen sprachlichen Geld ist die treibende Kraft hinter der Handlung; die konstruktive und  zerstörende Natur dieses Geldes erscheint als eine Art der Zauberei und dieses zauberische Geld  vereinigt das Reich durch die kartographischen Beziehungen einer geographischen Ökonomie.   Historischer Hintergrund zum Marktfeuer   

 

 

Der Fortschritt der Handlung gilt als eine Rundfahrt durch eine hoch symbolische Landschaft. 

Der Text beginnt, als der Fürst und seine Begleitung sich darauf vorbereiten, jagen zu gehen. Die Fürstin  darf aber nicht mitkommen; stattdessen erzählt der Junker Honorio ihr die Geschichte der Stammburg.  Die Stammburg funktioniert als ein Gegensatz zu der neuen Burg, die die Stadt überschaut. Diese Stadt 

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beinhaltet auch einen Markt; wo die Stammburg alt und ein Teil des Waldes ist, ist die Stadt ein  geschäftiges Hadelszentrum. Auch wissen wir, daβ die Stadt ziemlich neu wegen eines früheren Feueres  ist (Novelle 9). Honorio hat auch ein Fernrohr dabei und sie gucken die Stammburg damit an. Die alte  Stammburg sieht sehr schön aus und sie entschlieβen sich, die Stammburg zu besuchen; sie gehen in den  Wald und überqueren einen Fluβ, der das Reich mit fernen Ländern verbindet. Bei der Stammburg gibt  es einen wunderschönen Ausblick. Sie sehen den Ausbruch eines Feuers beim Marktplatz und haben  bald keinen Gebrauch für das Fernrohr, denn das Feuer wird sehr gross und kann von weitem mit dem  bloβen Auge gesehen werden. Der Ursprung des zentralen Konflikts der Handlung stammt aus diesem  Marktfeuer. Da dieses Feuer an einem Ort stattfindet, der mit der Bevölkerung assoziiert wird, kann  man dieses Feuer leicht als ein soziologisches Ereignis verstehen. Erst brauchen wir aber ein wenig  historischen Hintergrund, um dieses Feuer wirklich zu verstehen. Wo Goethes Märchen Bezug auf die  Geschichte (bzw. die französische Revolution) nimmt, ist Goethes Novelle prophetisch, indem sie den  Aufstieg und die Folgen des Aufstiegs des deutschen Bürgertums beschreibt.  Die Zeitperiode, in der Novelle veröffentlicht wurde, war zwischen der französischen  Revolution und den Revolutionen von 1848; diese Jahre waren entscheidend für die Entwicklung des  deutschen Nationalstaats und des modernen Begriffs des Geldes. Zu der Zeit bestand Deutschland aus  den Reststoffen des Heiligen Römischen Reiches—fragmentierte Fürstentümer, die noch sehr  landwirtschaftlich waren. Genau wie es verschiedene Dialekte in diesen Fürstentümern gab, gab es auch  verschiedenen Münzen; diese Münzen vereinigten Gesellschaften wie Sprachen. Die deutschen Staaten  erlebten ihre erste Phase der Industrialisierung von 1815 bis 1848; zu dieser Zeit wuchs auch die  Bevölkerung der deutschen Staaten um 60 Prozent. Wegen des ansteigenden Einkommensunterschieds  fing das deutsche Bürgertum in dieser Zeit an sich von den Unterschichten zu unterscheiden. Dadurch 

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wurde das Bürgertum wirklich eine soziale Kraft an sich (Boyle 14). Aber dieses neue Bürgertum war  auf keinen Fall eine revolutionäre Macht wie in Frankreich. Stattdessen waren die Revolutionen von  1848 in den deutschen Ländern viel fragmentierter:   Involved in the German revolutions were a number of different strands: popular unrest,  often rather defensive and reactionary in nature [...]; liberal political demands for  constitutional rule [...]; and nationalist demands for the unification of Germany. Insofar  as there was any working­class protest, it was largely limited to demands for immediate  improvements in wages and working conditions: 1848 was no proletarian revolution in  the Marxist sense (Fulbrook 116).     Trotz ökonomischer Krise und weit verbreiteter Hungersnot gelang es der Revolution von 1848 nicht,  populären Schwung zu kriegen. Deswegen nennen viele Historiker diese Zeitperiode „a turning point  where Germany failed to turn“ (ibid. 122). Manche sagen sogar, daβ Deutschlands Untergang in den  Faschismus eine Folge seiner unrevolutionären Geschichte ist. Also was ist dann das Erbe der  Revolution von 1848? Meiner Meinung nach war die Revolution ein Ausdruck der  Anfangsschwierigkeiten des neuen deutschen Bürgertums. Da das Bürgertum keine politische oder  ökonomische Stimme finden konnte, fand es seine Stimme in der Literatur; Goethes Novelle und  ähnliche Werke dienten als ein Muster für seinen Ausdruck. Zu dieser Zeit war der Klerus ein wichtiger  berufliche Weg für junge Männer in dem Bürgertum und diese Ausbildung schaffte eine ganze  Generation, die stark mit der Literatur interagierten. Das fragmentierte Bürgertum konnte sich durch  sprachliches Geld und geldliche Sprache vereinigen. Aber dieses neue zauberische Geld konnte auch  Zerstörung bewirken; was zuerst wie ein Konflikt zwischen einer vereinigenden und einer zerstörenden  Zauberei aussieht, wird in der Novelle eine Rede, deren zwei Aspekte einander ergänzen (auch sollen 

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wir hier an Märchen erinnern, in dem die Irrlichter und die Lampe ergänzende Aspekte der Kraft des  Geldes sind). Das Marktfeuer steht also im Kern unseres Verständnis dieses Textes; für Goethe war  dieses zauberische Geld genau so unberechenbar und gefährlich wie ein Feuersturm.   Eine Geographische Ökonomie   

Die sozioökonomische Dimension des Marktfeuers findet in dem weiteren Kontext dieser 

symbolischen Landschaft statt; allerdings ist viel von dem Inhalt des Textes Beschreibungen von  verschiedenen Gegebenheiten und den Beziehungen zwischen diesen Gegebenheiten der Landschaft.  Wegen der Wirkungen zwischen diesen Gegebenheiten können wir die Landschaft, in der Novelle  stattfindet, als ein ökonomisches System auffassen; die Stadt ist eigentlich ein Handelzentrum, der Fluss  ist vorrangig eine Handelsstraβe, und die disparaten Teile dieses Reiches (die Ebenen und Gebirge)  interagieren miteinander durch den Handel. Die Landschaft wird auch von Jane Brown, einer  Literaturkritikerin and der Universität Yale, in ihrem Aufsatz The Tyranny of the Ideal: The Dialectics  of Art in Goethe’s Novelle als ein kartographisches System beschrieben; aber in diesem Aufsatz wird  die Beziehung zwischen dieser Landschaft und verschiedenen Arten der Kunst betont:   „The world of the ‚Novelle‘ readily divides into lower and higher settings. Below is the  new castle and the realm of prose, above is the old ruin and the region of poetry […]  Between these two realms lies the stony area where the confrontation with the tiger  takes place. The stony land is a barrier which certain characters, like the ruling family,  cannot cross; at the same time it is the place where the major shift, the decision not to  kill the lion, takes place” (Brown 218).   Hier gibt es zwei Ebenen der Vermittlung: Sprache vermittelt zwischen den Künsten und das Geld  vermittelt zwischen den geographischen Orten dieses Landes. Dieses Reich wird also von 

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ökonomischem Tausch verbunden, der als eine Art der Sprache gilt und diese sprachliche Darstellung  des Geldes ist zentral für Goethes Beschreibung des Bürgertums, weil Sprache und ökonomischer  Tausch dem Bürgertum erlauben, sich auszudrücken.  Markt und Stadt  Die Bevölkerung und die Ökonomie werden stark miteinander verbunden, denn der Markt liegt  in der Mitte der Stadt. Wenn die Prinzessin und der Fürst auf ihrem Weg zur Stammburg durch den  Markt reiten, gibt es ein Volksfest. Der Fürst sagt der Prinzessin: „ich reite niemals gern durch Markt  und Messe: bei jedem Schritt ist man gehindert und aufgehalten“ (Novelle 8). Diese Passage ist eine  deutliche Ablehnung einer demokratischen Ökonomie, denn der Markt und das Volksfest verhindern  nicht nur den Fortschritt durch die Stadt, sondern auch den Fortschritt im allgemeinen. Auch fängt das  Feuer im Markt an. Die Prinzessin und Honorio sehen den Ausbruch des Feuers, als sie in den Wald  gehen: „Honorio, der indessen durch das Sehrohr nach der Stadt geschaut hatte, rief: Seht hin! Seht hin!  Auf dem Markte fängt es an zu brennen. Sie sahen hin und bemerkten wenigen Rauch, die Flamme  dämpfte der Tag. Das Feuer greift weiter um sich!“ (Novelle 14). Mit Bezug auf diese Passage können  wir hier weitere Verbindungen zu den europäischen Revolutionen dieser Zeitperiode machen. Zum  Beispiel war die französische Revolution im Grunde eine demokratische Bewegung, aber sie entwickelte  sich bald in die Napoleonischen Kriege. Der Markt ist die Quelle mancher Probleme in Novelle.  Wegen seiner Lage in der Mitte der Stadt und des Volksfests ist der Markt untrennbar mit der  Bevölkerung und der Demokratie assoziert. Goethe beschreibt ökonomische Kraft in einem sehr  launenhaften Licht, dem die launenhafte Natur einer demokratischen Gesellschaft entsprechen soll. Auch  wichtig ist die Tatsache, daβ das Feuer in der Abwesenheit der Prinzessin und Honorio ausbricht; die  Kraft des Geldes ist zu groβ, mit dem Volk betraut zu werden. Dass die neue Burg den Markt 

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überschaut, entspricht dieser verantwortlichen Stelle der herrschenden Klasse. Genau wie neue  Währungen revolutionär sind, ist auch der Akt der Sprache revolutionär; das Feuer ist eine direkte  Folge dieser Verbindung.  Die Stammburg   

Im Licht seiner Kritik gegen eine demokratische Ökonomie, was stellt Goethe als eine Lösung 

vor? Wir finden die Antwort in der Stammburg. In dieser symbolischen Landschaft gilt die Stammburg  als das Gegenstück zum Markt und den neuen Burg und es gibt starke Parallelen zwischen diesen  Orten. Diese Verbindung erscheint in der Sehkraft, weil diese Orte oft durch die Sicht verbunden  werden. Die Sicht war für Goethe eine sehr wichtige Kraft; deswegen schrieb er über seine Theorie der  Optik in seinem Werk Farbenlehre. Brown sagt mit Bezug auf diese Betonung auf Sicht: „Visual  elements dominate the structure of the Novelle. The conversations with Eckermann keep reverting to  the pictorial qualities of the Novelle with terms like ‚Verteilung von Licht und Schatten,‘ ‚Bild,‘ ‚genaue  Zeichnung,‘ wie ein Maler,‘ and ‚Landschaftszeichnen.‘“ (Brown 219). Diese Optik ist besonders  sichtbar in der Beziehung zwischen Stammburg und Markt. Wir haben früher gesehen, wie die Fürstin  und Honorio das Marktfeuer ansehen, als sie nahe der Stammburg im Wald sind. Die Fürstin sieht aber  auch die Stammburg von der neuen Burg an: „Sie fand das treffliche Teleskop noch in der Stellung, wo  man es gestern abend gelassen hatte, als man, über Busch, Berg und Waldgipfel die hohen Ruinen der  uralten Stammburg betrachtend, sich unterhielt, die in der Abendbeleuchtung merkwürdig hervortraten,  indem alsdann die gröβten Licht­ und Schattenmassen den deutlichsten Begriff von einem so  ansehnlichen Denkmal alter Zeit verleihen konnten“ (Novelle 5). In dieser Beziehung gilt das Sehrohr als  das Tauschmedium, das diese Beziehung erlaubt. Durch die Figur des Zeichners gibt es auch eine  Betonung der Darstellung. In seinem Portefeuille von Bildern gibt es vielleicht das beste Beispiel dieser 

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Beziehung zwischen den zwei Burgen. Die Stammburg verwilderte mit der Zeit und existiert nun in einem  Zustand zwischen Zivilisation und Natur: „Hier wo man, den Hohlweg durch die äußern Ringmauern  heraufkommend, vor die eigentliche Burg gelangt, steigt uns ein Felsen entgegen von den festesten des  ganzen Gebirgs; hierauf nun steht gemauert ein Turm, doch niemand wüßte zu sagen, wo die Natur  aufhört, Kunst und Handwerk aber anfangen“ (ibid. 6). Der Zeichner malt Bilder von der Stammburg  und wo werden diese Bilder ausgestellt? An einem anderen Ort, der zwischen Natur und Zivilisation  existiert: „Wir wollen mit diesen Bildern unsern Gartensaal zieren“ (ibid. 7). Diese verschachtelte  Darstellung funktioniert als ein Gründungsmythos. Goethe neigt zu etablierten Autoritäten und diese  Darstellung erschafft den Wert und Kredit der Burg.  Andere wichtige Figuren beziehen sich auch auf diese Parallelbeziehung zwischen Stammburg  und Markt: zum Beispiel Honorio und der Tiger, und der Knabe und der Löwe. Nachdem Honorio und  die Fürstin das Marktfeuer gesehen haben, versuchen die zwei, zur Stadt zurückzukehren. Sie treffen  aber bald auf den Tiger, den sie früher beim Marktplatz angesehen hatten. Die Fürstin flieht und Honorio  verfolgt den Tiger, als er die Fürstin jagt. Wegen ihrer Eile lässt ihr Pferd sie fallen; jedoch rettet  Honorio sie rechtzeitig mit seiner Pistole (Novelle 17). Dass der Tiger die Fürstin bedroht, zeigt uns,  daβ der Zorn des Volkes und die Kraft des Geldes nicht vor der Zerstörung des Marktes  zurückschrecken; sie greifen auch die Adligen an, weil sie für dieses ökonomische System  verantwortlich sind. Kurz nach der Rettung der Fürstin kommen die Jagdpartei und eine Zigeunerfamilie.  Die Zigeuner trauern sich darüber, daβ Honorio den Tiger tötete. Der Löwe bleibt aber noch frei und  die Zigeuner wollen ihn bezwingen. Stattdessen wollen Honorio und der Fürst den Löwen einfach töten.  Endlich stimmen sie überein, daβ der Zigeunerjunge erst versuchen kann, den Löwen mit Musik zu  zähmen. Sie verfolgen den Löwen zu der alten Stammburg, wo der Löwe sich niederlässt. Der Junge 

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tritt in den Hof der Stammburg ein, der jetzt wie ein Kampfplatz geworden ist. Als der Junge zu singen  anfängt, schmiegt sich der Löwe an den Jungen. Der Junge bemerkt, daβ es einen Dorn im Ballen des  Löwen gibt. Von seinem Gesang gezähmt, erlaubt der Löwe dem Jungen den Jungen, den Dorn  abzulösen (ibid. 19­29). Also werden beide Tiere, die von der zerstörenden Kraft des Geldes befreit  wurden, auf zwei verschiedene Weisen besiegt. Was dann zeigt uns die Parallelbeziehung zwischen  Honorio und dem Tiger und dem Knaben und Löwen? Ich meine: da der Löwe ohne Gewalt gezähmt  wird, schlägt Goethe dabei vor, daβ der Gesang und die verwandte Sprache eine privilegierte Stellung  haben, Kraft zu vermitteln. Die Stammburg ist auch eine etablierte Kraft und die Zähmung des Löwen  zeigt, daβ Goethe zu solchen etablierten Autoritäten neigt.  Ebenen und Gebirge   

Die Ebenen und die Gebirge sind disparate Teile dieser geographischen Ökonomie und 

teilen die Landschaft entzwei. Am Anfang des Textes sagt die Prinzessin:   „Seitdem der Fürst gestern mir Anlaβ zu diesen Übersichten gegeben, ist es mir gar  angenehm zu denken, wie hier, wo Gebirg und flaches Land aneinander grenzen, beide  so deutlich aussprechen, was sie brauchen und was sie wünschen. Wie nun der  Hochländer das Holz seiner Wälder in hundert Formen umzubilden weiβ, das Eisen zu  einem jeden Gebrauch zu vermannigfaltigen, so kommen jene drüben mit den  vielfältigsten Waren ihm entgegen, an denen man den Stoff kaum unterscheiden und den  Zweck oft nicht erkennen mag“ (Novelle 9).   In dieser Passage braucht man keine interpretative Linse, um diese Passage in einem ökonomischen  Licht zu verstehen, denn Goethe beschreibt die Beziehung zwischen Gebirgen und Ebenen ausdrücklich  als eine ökonomische Beziehung. Allerdings ist der ökonomische Tausch für diese Leute wirklich eine 

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Sprache, weil das Geld diesen Leuten zu wissen erlaubt, „was sie brauchen und was sie wünschen.“  Auch wird in dieser Passage das physische Werkzeug der Ökonomie abgelehnt, denn keine Münzen  werden hier getauscht. Stattdessen werden Worte getauscht. Diese Worte verkörpern den bloβen  ökonomischen Akt des Tausches, der diesen Markt schürt; der Tausch ist also die Sprache dieses  Marktes. Simmel bespricht den Tausch „als Lebensform und als Bedingung des wirtschaftlichen  Wertes“ (Simmel XI). In dieser Beschreibung bezeichnet Simmel jede Wechselwirkung als einen  Tausch: „jede Unterhaltung, jede Liebe [...], jedes Spiel, jedes Sichanblicken“ (ibid. 34). Wegen der  untrennbaren Natur dieser Beziehung zwischen menschlichem Leben und ökonomischem Tausch  können wir sagen: wenn das Bürgertum an diesem Tausch teilnimmt, ist diese Teilnahme eine Art der  Selbstverwirklichung. Die Fürstin und Honorio sehen diesen Tausch direkt, als sie durch den Markt  reiten: „Untereinander gemischt standen Bergbewohner, die zwischen Felsen, Fichten, und Föhren ihre  stillen Wohnsitze hegten, Flachländer von Hügeln, Auen und Wiesen her, Gewerbsleute der kleinen  Städte und was sich alles versammelt hatte. Nach einem ruhigen Überblick bemerkte die Fürstin ihrem  Begleiter, wie alle diese, woher sie auch seien, mehr Stoff als nötig zu ihren Kleidern genommen“  (Novelle 10). Wegen der Kleidung des Volkes, können wir ahnen, daβ dieser Tausch groβen Reichtum  unter dem Volk bewirkt. Das Geld erlaubt Verständnis und Einigkeit zwischen sonst ungleichen Leuten.  Ohne den Markt würden die Ebenen und die Gebirge in Stase liegen; sie brauchen eine ökonomische  Bevölkerung, um sie lebendig zu machen.  Der Fluss  Mit Bezug auf die verfehlte Revolution von 1848 sagt Fulbrook: „[t]he weaknesses of  revolutionary forces in Germany were hence evident from the start: it took a spark from outside to ignite  the revolution“ (Fulbrook 117). Ich meine: in dem geographischen System der Novelle ist es der Fluss, 

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der dieses Feuer katalysiert. Diese Funktion stammt aus der Verbindung mit dem Ausland; diese  Verbindung mit dem Ausland ist sozusagen „a spark from outside.“ Der Fluss spielt also eine groβe  Rolle in der symbolischen Konstellation der Landschaft, obwohl der Fluss nur in einer einzigen Passage  beschrieben wird: „Der Weg führte zuerst am Flusse hinan, an einem zwar noch schmalen, nur leichte  Kähne tragenden Wasser, das aber nach und nach als gröβter Strom seinen Namen behalten und ferne  Länder beleben sollte“ (Novelle 12). Wegen dieser Passage können wir ahnen, daβ die Zigeuner  irgendwie mit diesen fernen Ländern verbunden sind, denn die Zigeuner werden als Fremde  beschrieben. In der Tat sprechen die Zigeuner keine menschliche Sprache. Als die Zigeunerin den toten  Tiger sieht, weint sie: „Den gewaltsamen Ausbrüchen der Leidenschaft dieses unglücklichen Weibes  folgte, zwar unterbrochen stoβweise, ein Strom von Worten, wie ein Bach sich in Absätzen von Felsen  zu Felsen stürzt. Eine natürliche Sprache, kurz und abgebrochen, machte sich eindringlich und rührend“  (ibid. 19­20). Die Zigeuner sind zur gleichen Zeit auβerhalb der Ökonomie und der Sprache. Sie sind  keine echten Menschen, denn sie sprechen keine Sprache der Zivilisierten, die Sprache des  ökonomischen Tausches.   Kapitelschluss   

Genau wie in seinem Märchen finden wir in Goethes Novelle eine reiche Konstellation von 

ökonomischer Bedeutung. Wir kriegen diese Bezieung aus den Beziehungen zwischen verschiedenen  Aspekten der Landschaft. In dieser Weise liest sich Novelle als eine Landkarte; der Markt funktioniert  als das ökonomische und soziale Zentrum des Landes, die Ebenen und Gebirge bringen ungleiche  Völker zusammen, und der Fluss verbindet das Land mit dem Rest der Welt. Obwohl die  Gegebenheiten dieser Landschaft oft sehr disparat scheinen, werden sie durch die verbindende Kraft  des Geldes vereinigt. In der Tat ist das Geld wirklich eine Sprache für dieses Land.  

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Schluss                                                                          

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