Marion Klimmer So coachen sich die Besten
Marion Klimmer
So coachen sich die Besten Persönliche Höchstleistungen erzielen
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1. Auflage 2012
© 2012 by Redline Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH, Nymphenburger Straße 86 D-80636 München Tel.: 089 651285-0 Fax: 089 652096
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Redaktion: Ulrike Kroneck, Melle-Buer Satz: Manfred Zech, HJR, Landsberg am Lech Druck: Konrad Triltsch GmbH, Ochsenfurt Printed in Germany
ISBN Print: 978-3-86881-324-1 ISBN E-Book (PDF): 978-3-86414-230-7
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Inhalt
Vorwort ................................................................................................. »Von den Besten lernen« .....................................................................................
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Die Interviewpartner ............................................................................
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1. Höchstleistungen ........................................................................... 1.1 Was sind Höchstleistungen? .............................................................. 1.2 Höchstleistungen situativ abrufen können ..................................... 1.3 Keine Höchstleistung ohne Emotionsmanagement ..................... 1.4 Wie Unternehmen in Höchstleistungen investieren .................... 1.5 Was Höchstleistungscoaching leisten kann .................................... 1.6 Die acht Erfolgssäulen der Höchstleistung .....................................
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Interviews 1 ........................................................................................... Katrin Müller-Hohenstein – »Was so locker aussieht, ist ein richtiger Knochenjob!« ............................ André Kemper – »Jede neue Herausforderung bedeutet Sieg oder Niederlage« .................
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2. Große Ziele erreichen .................................................................... 2.1 Vor jeder Höchstleistung steht das Ziel ........................................... 2.2 Welche Ziele passen zu mir? Selbstreflexion mit dem Reiss-Profil ................................................................................ 2.3 Ziele und Emotion ............................................................................... 2.4 Erfolgskriterien für Ihre Ziele ............................................................ 2.5 Selbst-Coaching ................................................................................... 2.6 Fazit ........................................................................................................
35 35
27 31
37 41 49 57 60
5
Inhalt
Interviews 2 ........................................................................................... Jobst Plog – »Konfliktsituationen sind für mich kein Stress« ......................................... Ole von Beust – »Vor wichtigen Auftritten brauche ich absolute Ruhe« .............................
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3. Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht ...................... 3.1 Emotionale Blockaden und Leistungsstress ................................... 3.2 Auslöser für blockierenden Leistungsstress ................................... 3.3 Die Augen als Blockade-Löser .......................................................... 3.4 Warum EMDR so eindrucksvoll wirkt ............................................ 3.5 Coaching mit WingWave .................................................................... 3.6 Angst verhindert Höchstleistungen ................................................. 3.7 Wie Flugangst und Höhenangst verschwinden ............................. 3.8 Fazit ........................................................................................................
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Interviews 3 ........................................................................................... Dr. Bernd Buchholz – »Wer nicht weiß, wie er auf andere wirkt, kann nie so wirken, wie er wirken will.« ........................................................ Prof. Dr. Horst W. Opaschowski – »Ganz schnell arbeiten, damit ich die Belastung auch ganz schnell wieder loswerden kann« ................................................... Dr . Andreas Bierwirth – »Bei starkem Gegenwind laufe ich zu Höchstform auf« ............................
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4. Höchstleistungen im Beruf ............................................................ 4.1 Einsatzbereiche für Höchstleistungscoaching ............................... 4.2 Praxis: Keine Angst vor wichtigen Präsentationen und Vorträgen ........................................................ 4.3 Praxis: Vorbereitung auf schwere berufliche Prüfungen ........................................................................ 4.4 Praxis: Höchstleistungen im Vertriebsprozess ............................... 4.5 Praxis: Schlagfertig und souverän in Meetings und schwierigen Diskussionen .......................................................
97 97
6
61 63
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91 93
98 105 113 115
Inhalt
4.6 4.7
Praxis: Mit Üben, Lernen und Gesundheit Höchstleistungen ermöglichen ........................................................................................ Selbst-Coaching ...................................................................................
116 120
Interviews 4 ........................................................................................... Lars Hinrichs – »Management by Helicopter« ......................................................................... Karen Hochrein – »Ich freue mich darauf, Impact zu haben« .................................................... Moritz von Laffert – »Ich nehme mir keine Ziele vor, die unter keinen Umständen erreichbar sind« ............................................................................
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5. Höchstleistungen im Sport ............................................................ 5.1 Mentalcoaching und Selbst-Coaching im Spitzensport ............... 5.2 Die Strategien der Spitzensportler ...................................................
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Interviews 5 a ........................................................................................ Martina Eberl – »Kontrolliere das Kontrollierbare – alles andere musst du akzeptieren können« ........................................................................ Sven Strüver – »Du musst das Kribbeln lieben, nur so kriegst du den Kick!« ..................
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5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 5.8
123 124
127
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Höchstleistungscoaching in Sport und Freizeit ............................. Mentale Stärke am Parade-Beispiel Golf ......................................... Der wahre Grund für schlechte Schläge .......................................... Praxisbeispiel: »Neuro-Mental-Golftraining« ............................. Selbst-Coaching für Golfer ................................................................ Fazit ........................................................................................................
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Interviews 5 b ........................................................................................ Christoph Frass – »Für mich ist der Putt drin!« ........................................................................... André Sallmann – »Sich nie hängen lassen« ..................................................................................
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Inhalt
Jan Van Riet – »Ich spielte die ganze Zeit im Flow« ..............................................................
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6. Selbst-Coaching ............................................................................. 6.1 Chancen und Grenzen ........................................................................ 6.2 Vom Selbst-Coaching zum Selbstmanagement ............................. 6.3 Ruhe und mentale Balance ................................................................ 6.4 Ziele visualisieren ................................................................................ 6.5 Kritische Situationen meistern ......................................................... 6.6 Mentale Topform ................................................................................. 6.7 Veränderungen umsetzen ................................................................... 6.8 Emotionsmanagement ........................................................................ 6.9 Abschalten und erholsam schlafen ...................................................
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Interviews 6 ........................................................................................... Prof. Dr. Björn Bloching – »Scheitern ist nicht vorgesehen« .................................................................... Dr. Katarzyna Mol – »Spontan bin ich einfach besser!« .................................................................. Dr. Helmar Rendez – »No risk, no fun« ...............................................................................................
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7. Die Erfolgsstrategien der »Highperformer« ............................... 7.1 Erfolgsfaktor Adrenalin ...................................................................... 7.2 Erfolgsfaktor Sport .............................................................................. 7.3 Erfolgsfaktor Gute körperliche Verfassung ..................................... 7.4 Erfolgsfaktor Vorbereitung ................................................................ 7.5 Erfolgsfaktor Fokussierung ................................................................ 7.6 Erfolgsfaktor Motivation .................................................................... 7.7 Erfolgsfaktor Selbstvertrauen ............................................................ 7.8 Erfolgsfaktor Umgang mit Niederlagen .......................................... 7.9 Erfolgsfaktor Haltung und Werte ..................................................... 7.10 Fazit ........................................................................................................
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8
193 194 197
Inhalt
Interviews 7 ........................................................................................... Ian K. Karan – »Die Summe ist egal, der Deal ist entscheidend!« ...................................... Holger Bodendorf – »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser« ....................................................... Rainer Heydenreich – »Familie ist für mich der höchste Wert!« ...................................................... Dr. Henrik Naujoks – »Follow your compass, not your clock« ........................................................ Peter Pohlmann – »Du bist so, wie du bist!« ..................................................................................... Dr. Hans Cornehl – »Es gibt für alles Lösungen« ............................................................................ Prof. Dr. Heinz Knebel – »Wird schon gehen – und wenn nicht, das Leben geht weiter.« ......................................................................................................... Jan Kestner – »Das Blöde am Sterben ist, dass es an einem ganz normalen Tag beginnt« ..................................................................................... Joachim Paege – »Sich quälen können« ....................................................................................... Burghard von Cramm – »In der Ruhe liegt die Kraft« ...........................................................................
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8. Vertiefung ...................................................................................... Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil ................................................................. Zu Kapitel 2.5: Der Vertrag mit sich selbst .............................................. Zu Kapitel 3: Biografie-Stress (Deckerinnerungen) .......................... Zu Kapitel 3: Wie »isolierte Blockaden« oder Phobien entstehen Zu Kapitel 4: Erfahrungsberichte ........................................................... Zu Kapitel 4: »Ressourcen ankern« ..................................................... Zu Kapitel 5: Kagami ................................................................................ Zu Kapitel 5: Höchstleistungs-Prozess-Ebenen ..................................
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223 224 226
9
Inhalt
Anhang ..................................................................................................
263
Glossar ..................................................................................................
265
Anmerkungen .......................................................................................
267
Literatur ................................................................................................
269
Danksagung ..........................................................................................
271
Über die Autorin ...................................................................................
273
Stichwortverzeichnis ............................................................................
275
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Vorwort »Von den Besten lernen« In den meisten Fällen gibt es keine zweite Chance und die aktuelle Performance entscheidet über die Zukunft. In wenigen Minuten, teilweise in Sekunden werden die Weichen gestellt: in Richtung Erfolg oder Misserfolg, auf Freud oder Leid. Solche Situationen sind psychisch hochgradig stressig, sie induzieren soziale Ängste und gefährden dadurch die notwendige emotionale Balance. In meinem Umfeld und in meinem Kundenkreis sprangen mir zwei Gruppen von sogenannten »Highperformern« ins Auge, die situativ besonders gefordert waren. Sie mussten in entscheidenden Karriere-Momenten souverän Höchstleistungen abrufen, unabhängig davon, wie gut sie fachlich-methodisch oder auch körperlich trainiert beziehungsweise vorbereitet waren: angehende Steuerberater und Wirtschaftsprüfer auf der einen Seite und Profisportler auf der anderen Seite. Unter Letzteren sind besonders die Golfer hervorzuheben, deren Siege bekanntlich »im Kopf« entstehen. Ich lernte die Wirtschaftsprüfer-Branche kennen und konnte kaum fassen, dass die unter Fachleuten berühmt-berüchtigten Berufsexamina zum Steuerberater* und Wirtschaftsprüfer jeweils zu Durchfallquoten von teilweise weit über 50 Prozent führen. An solch dramatischen Ereignissen hängen Schicksale: Junge Highperformer, die trotz intensiver fachlicher Vorbereitung persönliches Scheitern erleben, erleiden und registrieren, wie plötzlich ihre berufliche Karriere in Gefahr gerät. Aber auch die Arbeitgeber werden organisatorisch, personell und auch finanziell belastet, denn die Durchfallkandidaten müssen im Folgejahr erneut viele Wochen von ihren Jobs zur Prüfungsvorbereitung freigestellt werden. Wirklich erstaunt war ich darüber, dass für solche Höchstleistungssituationen, in denen es vor allem auf Nervenstärke ankommt, keine nennenswerten Personalentwicklungsmaßnahmen existierten. Schließlich weiß man aus der Gehirnforschung, dass Höchstleistungen wesentlich davon abhängen, ob wir in den ent*
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der Regel die männliche Schreibweise verwendet. Selbstverständlich sind aber Männer und Frauen gemeint.
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Vorwort
scheidenden Momenten durch eine emotional-mentale Balance (Adrenalin ja, aber bitte kein Überschuss!) Zugriff auf unsere Fähigkeiten behalten. Wichtig ist, diese emotional-mentale Balance gegebenenfalls wiederherzustellen und auch unter Druck zu bewahren. Gelingt uns das nicht, können wir fachlich-methodisch noch so gut vorbereitet sein oder als Profisportler körperlich noch so fit sein: Wir werden keinen Erfolg haben. In meinem Umfeld habe ich viele Kunden aus unterschiedlichen Branchen, Profisportler, Hobby-Golfer, aber selbst auch viele Coaches und Trainer erlebt, die Leistungsstress und emotionale Blockaden mit ihren Methoden und Strategien nicht abbauen und auflösen konnten. Folge: Sie haben Probleme mit prüfungsähnlichen Situationen wie öffentlichen Auftritten, Präsentationen, schwierigen Gesprächen, Verhandlungen und Examina, beziehungsweise, konnten sie anderen bei diesen Herausforderungen nicht wirklich weiterhelfen. In meinen fachlichen Fortbildungen bin ich auf eine Kurzzeit-Coaching-Technik gestoßen, die einzigartige, schnelle und nachhaltige Erfolge bewirkt. Sie nennt sich WingWave® und wurde von den beiden Psychologen Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund auf Basis des weltweit anerkannten und als sehr erfolgreich beurteilten und gut beforschten Trauma-Therapie-Instrumentes EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) entwickelt (siehe Kapitel 3). Inzwischen sind über 2.000 Coaches, Trainer, Therapeuten, Ärzte und andere Fachleute in der WingWave-Methode ausgebildet worden. Durch vertiefte Beschäftigung mit neurobiologischen Grundlagen ist mir inzwischen klar geworden, warum diese Methode so hervorragend und schnell wirken kann – und vielen anderen Ansätzen deutlich überlegen ist. Sie ermöglicht tatsächlich »Quantensprünge« durch hocheffizienten Abbau von Leistungsstress und emotionalen Blockaden sowie durch Stärkung der persönlichen Ressourcen (zum Beispiel Fähigkeiten und positive Erinnerungen). Mein persönliches Anliegen mit diesem Buch ist, möglichst vielen Menschen die Vorteile des WingWave-Coachings und -Selbst-Coachings bekannt, verständlich und zugänglich zu machen. Die Methode spricht vor allem Personen an, die aufgrund ihres persönlichen Typus oder besonders knapper Zeitressourcen sehr effiziente, pragmatische und »un-psychologisch« wirkende Methoden bevorzugen – deren Wirksamkeit sie zudem fachlich (vor allem neurobiologisch) nachvollziehen können.
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»Von den Besten lernen«
Wer keinen qualifizierten WingWave-Coach hinzuziehen will oder kann, findet in diesem Buch eine Fülle sehr wirkungsvoller Selbst-Coaching-Instrumente, die das Erreichen der persönlichen Höchstleistungen erleichtern werden. Außerdem möchte ich in diesem Buch Hintergründe und Erfolgsprinzipien aufzeigen, mit denen »große Ziele« erfolgreich geplant und erreicht werden können. Zusätzlich habe ich Highperformer, bekannte Führungskräfte, Sportler und andere Prominente, nach ihren persönlichen Erfolgsgeheimnissen befragt. Positiv überrascht hat mich, dass ich diese zeitlich stark beanspruchten Personen relativ schnell und leicht für Interviews gewinnen konnte. Ein wichtiger Grund war sicherlich das Thema Höchstleistungen als solches. Viele Interviewpartner empfanden die Fragestellungen nach ihren situativen Höchstleistungen als »irgendwie neu« und spannend. Nach ihren ganz individuell unterschiedlich empfundenen Höchstleistungsmomenten und mit welchen Strategien sie diese meistern, sind die meisten vorher so noch nicht ausdrücklich gefragt worden. Daher hatten sie darüber wohl noch nie bewusst reflektiert und schätzten das Interview als eine persönliche Bereicherung. Ich fand interessant, dass sich die meisten Highperformer zur Erzielung ihrer Höchstleistungen sehr stark an ihren Motiven und Werten orientieren und Kraft aus ihnen schöpfen. Wenn sie sich an dieser Highperformer-Strategie orientieren wollen, kann ich Ihnen als Coaching-Instrument das Reiss-Profil (siehe Kapitel 2.2) ans Herz legen. Sie können mit diesem Test sehr einfach Ihre wahren Lebensmotive herausfinden. Denn nur wenn diese Motive und ihre Werte mit Ihren Zielen übereinstimmen, werden Sie langfristig Erfolg haben. Nur dann werden Sie persönliche Höchstleistungen erzielen und ein zufriedenes Leben führen. Marion Klimmer, Februar 2012
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Die Interviewpartner Ole von Beust, Rechtsanwalt, ehemals Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Dr. Andreas Bierwirth, Vorstand Austrian Airlines Group Prof. Dr. Björn Bloching, Partner and Head of Markting & Sales, Roland Berger Holger Bodendorf, Sternekoch Landhaus Stricker 5-Sterne-Plus, Sylt Dr. Bernd Buchholz, Vorstandsvorsitzender Gruner+Jahr AG & Co. KG Dr. Hans Cornehl, Vorstandsvorsitzender Tipp24 SE Burghard von Cramm, Geschäftsführer Übersee-Club Hamburg e. V. Martina Eberl, Profigolferin, Geschäftsführerin Martina-Eberl-Golfakademie Christoph Frass, Golf-Pro Rainer Heydenreich, Vice Chairman UBS Deutschland AG Lars Hinrichs, Gründer XING und HackFwd Karen Hochrein, Board Member/Personalleiterin EMEIA, Partnerin Ernst & Young Ian Karan, Inhaber CLOU Container Holding, ehemals Hamburger Wirtschaftssenator André Kemper, Inhaber und Geschäftsführer Agentur kempertrautmann GmbH Prof. Dr. Heinz Knebel, ehemals Leiter Einkauf/Materialwirtschaft HEW/Vattenfall Europe, Geschäftsführer Consulectra GmbH, Honorarprofessor Uni Potsdam Jan Kestner, Krisen-/Sicherheitsberater Moritz von Laffert, Vice President Condé Nast International, Mitglied des internationalen »Executive Committee«, Herausgeber und Geschäftsführer Condé Nast Verlag Deutschland 15
Die Interviewpartner
Dr. Katarzyna Mol, Geschäftsführerin und Verlegerin Emotion Katrin Müller-Hohenstein, Moderatorin »Das Aktuelle Sportstudio«, ZDF Dr. Henrik Naujoks, Partner und Director Bain & Company Germany, Inc. Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, Zukunftswissenschaftler Joachim Paege, ehemals Personalleiter Vattenfall Europe Jobst Plog, ehemals Intendant NDR, Rechtsanwalt Peter Pohlmann, Gründer und Aufsichtsratsvorsitzender Poco-Domäne-Holding GmbH Dr. Helmar Rendez, Vorsitzender der Geschäftsführung Vattenfall Europe Distribution GmbH Jan Van Riet, Geschäftsführer Melitta Haushaltsprodukte GmbH & Co.KG André Sallmann, Head-Pro, Ex-Tourspieler Sven Strüver, Profigolfer
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1.
Höchstleistungen
1.1
Was sind Höchstleistungen?
Das Rededuell mit dem politischen Gegner vor laufenden Fernsehkameras kann über Wahlsiege entscheiden, das souveräne Auftreten in einer TV-Talkshow über die politische oder berufliche Karriere. Den Druck, den ein Fußballprofi spürt, wenn er den Ball zum entscheidenden Elfmeter auf den Punkt legt, können wir nur erahnen. Genauso die Anspannung, die ein Golfprofi empfindet, wenn er – beobachtet von Millionen Fernsehzuschauern und vielen anwesenden Fans – den Ball zum alles entscheidenden Putt äußerst präzise und natürlich ganz locker im Loch versenken muss. Aber auch die kritischen Rückfragen nach einer wichtigen Verkaufspräsentation beim potenziellen Kunden, die wir fachkundig und gleichzeitig souverän und sympathisch zu beantworten haben. Oder Verhandlungen, schwierige Mitarbeitergespräche, Bewerbungssituationen und Assessment-Center, Auftritte und Präsentationen vor wichtigem Publikum, Prüfungen und Examina. Das sind alles Situationen, die Menschen absolute Höchstleistungen abfordern, die sie nur mit großer mentaler Stabilität und Stärke meistern können. Viele Führungskräfte und Profisportler müssen natürlich nicht nur gelegentlich, sondern permanent Spitzenleistungen erbringen, sonst könnten sie sich auf ihrem Toplevel gar nicht halten. Aber auch sie kennen ganz spezielle Drucksituationen, die weit über die tägliche Routine hinausgehen und in denen auch sie ganz besonders gefordert sind, situativ Höchstleistungen abzurufen. Was jeweils als Höchstleistung empfunden wird, hängt vom Individuum ab: Der Moderator einer NewsSendung kann die meisten Themen souverän und entspannt vortragen. Aber wenn der Bericht um menschliche Schicksale geht, dann wird die Sendung für ihn schlagartig zur Höchstleistung. Golflegende Tiger Woods, der für sein selbstsicheres Spiel und seine starken Nerven berühmt war, verriet in einem Interview, dass es für ihn eine ganz besondere Herausforderung war, beim Ryder-Cup nicht für sich selbst, sondern für sein Land zu spielen. Er blieb bei diesem Top-Turnier, für alle Experten ganz überraschend, deutlich unter seiner Bestform. Für einen Sterne-Koch ist es vielleicht eine absolute Höchstleistung, wenn er das erste Mal unter Beobachtung von Fernsehkameras kochen muss. Und ein routinierter 17
Höchstleistungen
Top-Verkäufer, den so schnell nichts aus der Ruhe bringt, wird bei einem Schlüsselkunden, den er immer schon gewinnen wollte, doch nervös. Und ein Vorstand empfindet Aufsichtsratssitzungen mittlerweile als Routine, aber die Rede auf einer wichtigen Betriebsversammlung, bei der er schmerzhafte Einschnitte verkünden muss, ist für ihn eine menschlich sehr fordernde Höchstleistung. Der steigende Wettbewerbs- und Erfolgsdruck in unserer Arbeitswelt führt dazu, dass aber auch immer mehr »normale« Einzelpersonen oder auch ganze Teams sich in entscheidenden Situationen von ihrer stärksten und besten Seite zeigen müssen. Momente, in denen auf den Punkt genau beziehungsweise situativ entsprechende Höchstleistungen abgefordert werden. Sportler, Verkäufer, Vorstände, Abteilungsleiter, Berater bei psychologischen Diensten, Anwälte, Bewerber in Assessment-Centern, Ärzte, OP-Schwestern, Piloten, Eltern, Broker und viele andere Berufgruppen – sie alle haben Situationen zu meistern, in denen sie situativ Höchstleistungen erbringen müssen. Dies sind Momente, die sekunden- oder minutenschnell den Weg zu »Gewinn« oder »Verlust«, zu »Sieg« oder »Niederlage« bahnen. »Bahnungsmomente« nennt die Hamburger Psychologin Cora Besser-Siegmund daher solche entscheidenden Augenblicke.
1.2
Höchstleistungen situativ abrufen können
Worum geht es dabei eigentlich? Das unterscheidet sich natürlich je nach Branche deutlich, aber generell gilt: Die physischen und kognitiven Fähigkeiten (das Fachwissen) müssen vorhanden sein. Sie sind zwingende Voraussetzungen für Höchstleistungen. Entscheidend in solchen Momenten ist aber, beides wirklich auf den Punkt – wie auf Knopfdruck – abrufen zu können. Und das sollte uns heutzutage selbst dann gelingen, wenn wir gar nicht darauf vorbereitet sind. »Elevator Pitch« nennen Psychologen und Trainer diese Situationen: Sie treffen beispielsweise überraschend im Fahrstuhl (englisch: elevator) einen wichtigen Kunden, eine einflussreiche Kontaktperson oder den eigenen Chef – und sind plötzlich in einer Höchstleistungssituation. Speziell, wenn Sie einen besonderen Eindruck mit etwas erwecken, oder etwas Bestimmtes adressieren, fragen oder bitten wollen. Dafür müssen Sie von der einen auf die andere Sekunde die entscheidenden Fakten, Zahlen und Argumente parat haben, das wird erwartet – und noch mehr. Sie sollten sie souverän, charmant und möglichst humorvoll präsentieren sowie – und das ist die Königsdisziplin – Rückfragen schlagfertig parieren können. Wie gesagt: Solche Situationen sind in unserer heutigen Arbeitswelt keine Seltenheit 18
Keine Höchstleistung ohne Emotionsmanagement
und sie können »Bahnungsmomente« sein, und über die weitere Karriere in die eine oder andere Richtung entscheiden. Wer in einem solchen Moment zögerlich oder unsicher ist – oder gar Panik bekommt, verkrampft und kein Wort herausbringt, der hat verloren. Wer es schafft, locker zu bleiben und seine Leistung abzurufen, wird von der Situation profitieren. Dies wird aber nur gelingen, wenn wir unsere emotionale Seite im Griff haben. Was viele unterschätzen: Unsere Emotionen müssen ausbalanciert und stabil sein, sonst wird’s nichts mit der Höchstleistung. Denn der größte Leistungsfresser heißt Stress. Wir kennen ihn in Form von Lampenfieber, Aufregung, Unsicherheit, Prüfungsangst, Versagensangst, Blackout und in vielen anderen Ausprägungen. Stress blockiert nicht nur die Leistungsfähigkeit direkt, sondern hemmt auch noch andere wichtige Fertigkeiten wie Kreativität, Spontaneität, Schlagfertigkeit und Konfliktstabilität. Das liegt vor allem an den entwicklungsgeschichtlich alten Teilen unseres Gehirnes wie dem Limbischen System (»Emotionszentrum«) unter dem Großhirn oder »Denkhirn«. Schon in der Frühphase des Menschen bewertete es die eingehenden Sinnesreize auf lebenserhaltende Funktionen wie Angriff oder Flucht und setzte die entsprechenden Hormonausschüttungen in Gang. Durch die Ausschüttung von Adrenalin wurden die motorischen Fähigkeiten schlagartig erhöht, gleichzeitig aber die optimale Vernetzung der beiden Gehirnhälften unterbrochen. Der Urmensch sollte bei ersten Anzeichen von Gefahr sofort weglaufen – ohne vorher lange über die Sinnhaftigkeit der Flucht nachzudenken oder gar über die Relevanz von Signalen zu grübeln. Lebensentscheidend war, dass er möglichst schnell die Beine in die Hand nahm. Wenn ein Bär hinter ihm her war, zählte schließlich jede Sekunde.
1.3
Keine Höchstleistung ohne Emotionsmanagement
Leider wird dieses »Notfallprogramm« aus der Urzeit auch heute noch gestartet, wenn wir beispielsweise eine sehr wichtige Präsentation vor einem Prüfungsgremium, dem Vorstand oder dem kritischen Fachpublikum halten müssen. Sobald unser Stresslevel über eine gewisse Schwelle hinaus ansteigt, wird sehr viel Adrenalin ausgeschüttet, unsere Motorik angeregt und die Vernetzung der Hirnareale erschwert oder sogar unterbrochen, die für Rationales und Emotionales zuständig sind. So wird bei starkem Stress die Leistungsfähigkeit des Denkhirns beeinträchtigt. Und das kann fatale Folgen haben: Blackouts oder Sprachlosigkeit. Mit19
Höchstleistungen
ten im Vortrag fallen uns plötzlich bekannte Schlüsselworte nicht mehr ein oder uns geht gar der rote Faden verloren. Die Fähigkeit, einen roten Faden zu spinnen, sitzt vorwiegend – genau wie die Logik und die Sprache – in der linken Hirnhälfte (bei Rechtshändern), während Kreativität, vernetztes Denken und die Emotionen vorwiegend in der rechten Gehirnhälfte gesteuert werden. (Hinweis: Neuere Forschungen haben ergeben, dass diese klassische Hemisphären-Aufteilung stark vereinfacht und die Realität sehr viel komplexer ist: Mittlerweile weiß man, dass verschiedene Gehirnfunktionen in diversen Arealen, links und rechts, gleichzeitig übernommen werden können, etwa nach Unfällen. Der Einfachheit halber bleiben wir aber bei der schwerpunktmäßigen Zuordnung zur rechten oder linken Gehirnhälfte.) Für einen gelungenen Vortrag brauchen wir aber beide Gehirnhälften beziehungsweise viele Gehirnareale und vor allem deren optimales Zusammenspiel. In diesem Fall: Sprachzentrum, Logik, Kreativität und Schlagfertigkeit. Wenn Sie in so einem Bahnungsmoment, beispielsweise mitten in einem wichtigen Vortrag, feststellen, dass Ihnen die einfachsten Worte nicht mehr einfallen, spätestens dann wird Ihr Limbisches System Alarm schlagen und noch mehr Adrenalin ausschütten lassen. Ihre Motorik wird so aktiviert, dass sich die Muskeln verkrampfen. Ihr Stresspegel steigt weiter an und, wenn es schlecht läuft, dauert es womöglich nicht mehr lange, bis Sie einen kompletten Blackout erleiden. »Passiert mir doch nicht«, werden Sie jetzt vielleicht denken. Aber Vorsicht: In diesen Sog können auch grundsätzlich ganz entspannte und vermeintlich angstfreie Menschen hineingezogen werden. Nämlich dann, wenn sie unter dem Stress der Höchstleistungssituation mit unverarbeiteten Emotionen aus der Vergangenheit, etwa aus ihrer Kindheit, konfrontiert werden. Ein Beispiel: Der Schüler, der von seinem Lehrer früher immer an die Tafel zitiert und dort schrecklich bloßgestellt wurde, bekommt heute eine Panikattacke, wenn ihn der Moderator als nächsten Vortragsredner ankündigt. Meistens kann er sich diese plötzliche Auftrittsangst gar nicht erklären, da der sogenannte »Biografie-Stress« (siehe »Vertiefung«) von früher vergessen oder verschüttet ist. Aber diese emotionalen Verknüpfungen beeinflussen immer wieder unser Verhalten. Sie entwickeln sich zu Kernbarrieren, die uns von Zielen und Erfolgen bewusst oder unbewusst abhalten, uns demotivieren und dazu führen, dass unsere Leistungsfähigkeit nur mittelmäßig ist. Biografie-Stress kann sich auch in speziellen Blockaden äußern. Die bekanntesten sind Alltagsängste wie Klaustrophobie, Höhenangst oder Flugangst. Flugangst zum Beispiel kann sich sehr negativ auf die Karriere auswirken, wenn sie etwa einen Manager davon abhält, wichtige Geschäftstermine im Ausland wahrzunehmen. 20
Wie Unternehmen in Höchstleistungen investieren
Leistungssportler erkannten als Erste, dass Höchstleistungen nur mit einem guten Emotionsmanagement möglich sind. Nur wenn Sie im entscheidenden Moment Ihre Gefühle im Griff haben, werden Sie auch unter großem Druck Spitzenleistungen abrufen können. Mithilfe versierter Mentaltrainer versuchen Leistungssportler das archetypische Notfallprogramm bereits dort zu durchkreuzen, wo es entsteht: in den eigenen Gedanken. »Siege entstehen im Kopf«, heißt es ja auch zutreffend. Inzwischen gehören ausgefeilte Methoden zur Emotions- und auch positiven Gedankenkontrolle zum Standardprogramm jedes Topathleten im Wettkampf (siehe Kapitel 5). Auch bei der Handball-Weltmeisterschaft 2007 im eigenen Land wurde gezieltes AntiStress-Coaching eingesetzt. Es führte dazu, dass einzelne Spieler ihre mentalen Leistungsblockaden überwanden und bei ihnen der »Knoten platzte«. Das deutsche Team errang schließlich sehr überzeugend den Weltmeistertitel.
1.4
Wie Unternehmen in Höchstleistungen investieren
Inzwischen entdecken und nutzen aber auch immer mehr Unternehmen das Potenzial von gezieltem »Emotions-Coaching«. Auch Erkenntnisse der Gehirnforschung legen nahe, den bisherigen Methoden-Mix zu erweitern beziehungsweise zu ersetzen. Es reicht nicht mehr aus, nur in die kommunikativ-sozialen oder kognitiven und strategischen Fähigkeiten (Schwerpunkt in der linken Gehirnhälfte) ihrer Mitarbeiter zu investieren und diese zu coachen. Wer Höchstleistungen am Arbeitsplatz will, muss auch etwas für die optimale Vernetzung aller Gehirnbereiche tun – insbesondere für die emotional-mentale Balance. Ein paar Beispiele: Der VW-Konzern lässt seine Top-Nachwuchsführungskräfte zusätzlich zum normalen Präsentationstraining auch durch WingWave-Coachings (Erklärung »WingWave«: siehe Kapitel 3) auf den späteren Ernstfall vorbereiten: die nervlich herausfordernde Präsentation vor dem VW-Konzern-Vorstand. Ernst & Young, eine der weltweit führenden Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaften, setzte ein von mir für die Branche erstmalig entwickeltes Examens-Coaching-Programm (siehe Kapitel 4) ein, um ihren Beraternachwuchs gezielt auf die sehr schwierigen Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterprüfungen vorzubereiten. Durch einen umfangreichen Maßnahmen- und Methoden-Mix, der das spezielle »Emotions-Coaching« mit 21
Höchstleistungen
WingWave umfasste, konnte die in der Branche üblicherweise hohe Durchfallquote deutlich gesenkt und die Motivation und Zuversicht der Kandidaten deutlich gesteigert werden. Mittelständische und internationale Unternehmensberatungen und Werbeagenturen profitieren von speziellen Coaching-Programmen mit WingWave vor wichtigen Angebotspräsentationen oder Verhandlungen. Große Banken und auch kleine Privat-Banken lassen ihre Fach- und Führungskräfte mit Emotions-Selbst-Coachings (WingWave) auf schwierige Präsentation, Mitarbeiter- und Konfliktgespräche vorbereiten. Die Tochter eines internationalen Versicherungskonzerns lässt WingWaveCoachings durch eine hierfür ausgebildete, interne Mitarbeiterin durchführen: Sie bereitet damit Auszubildende auf ihre Abschlussprüfungen zum Versicherungskaufmann vor. Die Berliner Feuerwehr erprobt Löschzüge, die zum Einsatz mit Kopfhörern ausrücken. Eine spezielle Musik, die abwechselnd die beiden Hirnhälften stimuliert, soll den Stress reduzieren und bei kritischen Einsätzen leistungsfähiger machen. In welchen Bereichen macht Höchstleistungscoaching beziehungsweise Emotions-Coaching besonders viel Sinn? Zunächst hilft es bei der Vorbereitung auf jede Art von Präsentations- oder Prüfungssituation: Examen, wichtige Präsentationen, Vorträge, Medien-Auftritte, Einstellungs-, Beförderungs- und Auswahlgespräche, Assessment-Center, Kündigungen, wichtige Reden vor der Betriebsversammlung oder den Aktionären bis hin zur Fahrschulprüfung. Sinnvoll ist es in allen Arbeitsbereichen, in denen es um Einkaufen, Verkaufen, Verhandeln und Aufträge geht: Pitches, Wettbewerbspräsentationen, »Beauty Contests«, Neuverhandlungen von Verträgen und Konditionen. Ein bisher unterschätzter Einsatzbereich sind Personenschutz, Wach- und Sicherheitsdienste bei Polizei, Feuerwehr und privaten Dienstleistern. Gerade dort sind schnelle, zielsichere Entscheidungen unter hohem Stress gefordert. Und last but not least setzen neben Sportlern auch viele Schauspieler und Künstler vor wichtigen Premieren und Auftritten auf eine gezielte emotionale Vorbereitung.
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Was Höchstleistungscoaching leisten kann
1.5
Was Höchstleistungscoaching leisten kann
Mit welchen Methoden arbeitet ein modernes Höchstleistungs- beziehungsweise Emotions-Coaching? Das wird in diesem Buch später ausführlich vorgestellt, an dieser Stelle zunächst ein kurzer Überblick: Zuerst geht es um die Erarbeitung von Zielen, die im Einklang mit Ihren wichtigsten Motiven und persönlichen Werten stehen müssen, um Erfolg versprechend zu sein. Diese Ziele werden mit einer speziellen Technik so »stressfest« gemacht, dass sie nicht bei der ersten Schwierigkeit oder Hürde wieder aufgegeben werden (siehe Kapitel 2). Im zweiten Schritt müssen wir emotionalen Leistungsstress und mentale Blockaden bearbeiten beziehungsweise auflösen. Das geschieht mit WingWave-Coaching, einer vergleichsweise neuen Methode, die sich als besonders schnell und effizient erwiesen hat. Die Psychologen Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund entwickelten WingWave aus Techniken der Neurolinguistischen Programmierung (NLP ), neuesten Erkenntnissen aus der Traumaforschung, der Traumatherapie-Methode EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) und einem Muskeltest (vgl. Besser-Siegmund/Siegmund 2010). Es wurde wissenschaftlich nachgewiesen, dass künstlich eingeleitete Augenbewegungen, ähnlich wie sie automatisch in den REM-Phasen (Rapid Eye Movement) nachts im Schlaf passieren, Leistungsstress und emotionale Blockaden (auch aus der Vergangenheit) lösen können (siehe Kapitel 3). Außerdem sorgt WingWave für eine optimale Vernetzung der beiden Hirnhälften beziehungsweise aller Hirnareale, was extrem förderlich für Lernen, Stressreduktion und letztlich für die Erzielung von Höchstleistungen ist. Und im dritten und letzten Schritt wird die stressige Situation, zum Beispiel eine schwierige Präsentation, im »Reality-Check« unter möglichst realistischen Bedingungen vorab durchgespielt – manchmal auch nur gedanklich. Dieses Probehandeln bewirkt, dass, einfach ausgedrückt, später bei der tatsächlichen Präsentation (oder in anderen Höchstleistungssituationen) die Umstände bereits vertraut sind und nicht mehr so viel Stress verursachen können. Aber Emotions-Coaching und WingWave können noch mehr, als uns auf Prüfungen oder Präsentationen vorzubereiten. Mit diesen Techniken lassen sich auch viele isolierte Blockaden wie Flugangst oder Höhenangst effizient auflösen (siehe Kapitel 3). Der große Vorteil: Es funktioniert häufig erheblich schneller als mit herkömmlichen, therapeutischen Methoden. WingWave-Coaching ist allerdings keine Psychotherapie und kann eine solche auch nicht ersetzen. Wenn die Kli23
Höchstleistungen
enten eine normale psychische und physische Belastbarkeit mitbringen (wichtige Voraussetzung!), reichen im günstigen Fall wenige Sitzungen, um die Ängste zu besiegen. Das ist besonders deshalb so erstaunlich, da die isolierten Blockaden wie Höhenangst oder Flugangst hartnäckige mentale Blockaden sind, die einen über viele Jahre und Jahrzehnte in Alltag und Beruf stark einschränken können. Wenn beispielsweise ein wichtiger Vertriebsmanager eines internationalen Konzerns Angst vor langen Flügen hat, wird er in seinem Job kaum Höchstleistungen zeigen können. Im Beruf ambitionierte oder erfolgreiche Menschen neigen dazu, sich auch beim Sport und in der Freizeit anspruchsvolle Ziele zu setzen. Nur gelten hier die gleichen Gesetze wie im Berufsleben: Wer sich unrealistisch hohe Ziele setzt und zu starken Leistungsdruck empfindet, wird verkrampfen. Nur wer in emotionalmentaler Balance bleibt und sich gleichzeitig optimal fokussieren kann, wird erfolgreich und mit Spaß Sport treiben können. Es sind die gleichen Muster, die uns in diesen Lebensbereichen – Sport, Freizeit, Beruf – Probleme bereiten. Es sind aber auch die gleichen Methoden, die uns dort wieder heraushelfen, die uns Höchstleistungen ermöglichen.
1.6
Die acht Erfolgssäulen der Höchstleistung
Höchstleistungen erfolgreich abrufen – das gelingt nicht nur Führungskräften und Profisportlern, das kann jeder lernen! Basis und somit Grundvoraussetzung für Erfolg und Höchstleistungen sind – und das ist wenig überraschend – herausragendes Fachwissen und sehr gute bis hin zu herausragender Sachkompetenz, im Sport entsprechendes Technik- und Taktiktraining. Keiner kann dauerhaft Erfolge in Bereichen erzielen, in denen ihm das Fundament fehlt. Im Laufe des Berufslebens beziehungsweise der Sportlerkarriere kann aufgrund der wachsenden Routine und Erfahrungskompetenz zwar das Üben und die Vorbereitungszeit auf Höchstleistungssituationen reduziert werden. Dennoch ist sie, egal wie lange und in welcher Form, unabdingbar. Darüber hinaus gibt es noch acht wichtige Voraussetzungen, die für Höchstleistungen notwendig sind. Sie sind in meinem Säulenmodell der Höchstleistung dargestellt und werden in den folgenden Kapiteln dieses Buches beschrieben. Ziel 24
Die acht Erfolgssäulen der Höchstleistung
dieser acht Säulen ist, in kritischen Situationen, in denen es wirklich darauf ankommt, die emotional-mentale Balance zu wahren. Denn nur so werden Sie Höchstleistungen auf den Punkt abrufen können.
Höchstleistungen
Coachings und Selbst-Coachings
Fitness & Gesundheit
Konstruktiver Umgang mit Niederlagen
Selbstvertrauen und positive Selbstkommunikation
Gutes Stress-Management
Fokussierung und Konzentration
Günstiges Ziel-Management
Einklang von Zielen und Motiven
Emotional-mentale Balance
Fachwissen, Sachkompetenz, Übung, Vorbereitung Abb. 1: Acht Erfolgssäulen der Höchstleistung
Einklang von Zielen und Motiven Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Höchstleistungen ist, dass Ihre persönlichen Lebensmotive und Ihre Werte mit Ihren Zielen übereinstimmen. Daraus folgt häufig eine intrinsische Motivation, die viele Highperformer als Treibstoff für ihren Erfolg ansehen. Mehr dazu in Kapitel 2. Günstiges Ziel-Management Es ist eindeutig nachgewiesen: Wer seine kurz- und langfristigen Ziele nach bestimmten Kriterien formuliert, hat erheblich höhere Chancen, sie auch umzusetzen. Wie das funktioniert lesen Sie in Kapitel 2.
25
Höchstleistungen
Fokussierung und Konzentration Das Erfolgsrezept der meisten Highperformer (siehe Kapitel 7) ist, dass sie sich sehr gut konzentrieren, auf ihre Ziele fokussieren und alles weniger Wichtige beiseiteschieben können. Gutes Stress-Management Wer in kritischen Situationen ruhig und konzentriert bleibt, hat erheblich bessere Chancen, Höchstleistungen abzurufen. »Cool« zu bleiben, kann man lernen (siehe Kapitel 3 und 4). Selbstvertrauen und positive Selbstkommunikation Wer an sich selbst glaubt, hat im Beruf, im Sport und auch im Alltag einen großen Vorteil. Entscheidend für Höchstleistungen ist aber, auch mit sich selbst positiv zu kommunizieren. Das müssen viele Spitzensportler und Manager erst lernen (siehe Kapitel 4, 5 und 6). Konstruktiver Umgang mit Niederlagen Fehler sorgfältig analysieren, schnell abhaken und nach vorn schauen – so gehen die meisten Erfolgreichen mit Fehlern und Niederlagen um (siehe Kapitel 7). Fitness & Gesundheit Klingt banal, ist es aber nicht: Nur wer seinem Körper ausreichend Schlaf, eine gute Ernährung und viel Bewegung gönnt, ist fit für Höchstleistungen (siehe Kapitel 4). Coachings und Selbst-Coachings Auch als erfolgreiche Führungskraft und als Spitzensportler kann man nicht alles wissen und alles können. Die Klugen kennen ihre Schwächen und holen sich gezielt Hilfe durch Trainings oder Coachings. Aber auch ein effizientes Selbst-Coaching kann die Basis für Höchstleistungen sein (siehe Kapitel 2, 3, 4, 5 und 6).
26
Interviews 1 Katrin Müller-Hohenstein – »Was so locker aussieht, ist ein richtiger Knochenjob!« Katrin Müller-Hohenstein, Moderatorin »Das Aktuelle Sportstudio« ZDF; Moderatorin von Länderspielübertragungen im ZDF mit Oliver Kahn. Was sind das für Momente, in denen Sie Höchstleistungen abrufen müssen? Es ist immer dann, wenn das Rotlicht angeht und die Kamera läuft. Besonders natürlich bei sportlichen Highlights wie Olympischen Spielen, Weltmeisterschaften oder, wie jetzt gerade, bei der Frauen-Fußball-WM. Ich weiß, dass ich dabei beobachtet werde – und natürlich auch ein Urteil über mich gefällt wird. Spielt die hohe öffentliche Aufmerksamkeit eine Rolle? Die Aufmerksamkeit ist sehr abstrakt, denn die Aufnahmesituation vor der Kamera ist immer gleich, egal, ob 500 zuschauen oder 10 Millionen. Aber ich weiß natürlich: Eine ZDF-Sportstudio-Sendung sehen zwischen 1 und 3,5 Millionen Zuschauer, bei einem Länderspiel können es durchaus 10 Millionen und mehr werden. Wenn das Rotlicht angeht, gibt es da besonders kritische Momente? Wenn ich die ersten drei Sätze hinter mir habe, dann ist alles gut! Mein großes Glück ist: Ich neige bei Nervosität nicht dazu auszuflippen, sondern werde dann immer ganz ruhig. Gerade beim Fernsehen ist es so, dass einem fünf Minuten vor Sendebeginn noch gefühlte 5.000 Menschen etwas zurufen und auf einen einstürmen. Aber ich bin dann schon so in einem Tunnel drin und konzentriere mich dermaßen auf die Sache, dass ich das Drumherum zwar noch aufnehme, aber es nicht weiter verarbeiten muss. Das Unwichtige prallt ab, ich werde dann ganz ruhig. Aber etwas Wichtiges würden Sie mitbekommen? Auf jeden Fall. Ich bin ja mit der Regie verkabelt und bekomme wichtige News aufs Ohr, die ich in dem Moment berichten muss. Viele Übertragungen kann man 27
Interviews 1
nicht planen, die ergeben sich halt einfach. Ich muss Dinge kommentieren, die ich so gar nicht erwartet habe. Und wenn dann jemand aus der Regie auf mein Ohr schreit: »Hier und da, und wir zeigen dir gleich ...«, dann muss ich die Info natürlich spontan umsetzen können. Und wie häufig bekommen Sie in einer Sportstudio-Sendung Anweisungen über das Ohr? Ständig. Besonders die Zeitabläufe sind sehr genau durchgeplant. Ich bekomme dann Infos, wann ich zum Beispiel mit einem Studiogast zum Ende kommen soll und Reminder, was als Nächstes dran kommt. Ihre große Stärke ist, dass Sie ruhig bleiben … Bei der Sportstudio-Sendung am Samstag ist es häufig so, dass ich dastehe und denke: »Gleich geht es los, eigentlich müsstest du aufgeregt sein«. Und während ich das denke, ist der Vorspann schon durch und dann habe ich gar keine Zeit mehr, mir solche Gedanken zu machen. Es macht mir offensichtlich nicht viel aus. Und wie war die allererste Sendung? Die hat in einem Paralleluniversum stattgefunden. Das war so, als wenn ich mir dabei zuschaue, wie ich es mache. Der Druck damals war schon enorm. Mir war natürlich bewusst, dass viele nur darauf warteten, dass ich einen richtigen Bock schieße. Wenn ich daran zurückdenke, kann ich gar nicht glauben, wie cool ich damals war. Es hätte ja auch viel schiefgehen können. Wie haben Sie sich auf diese enorme Herausforderung der ersten Sendung vorbereitet? Gar nicht! Und auch mein Arbeitsgeber hat mich nicht vorbereitet. Aber ich hatte zum großen Glück einen Chef, der 1.000-prozentig an mich glaubte. Es ist gut gegangen, aber es hätte auch anders laufen können. Es gibt viele nette Kollegen, aber es gibt auch viele, die einem nicht das Schwarze unter dem Fingernagel gönnen. Die Sport-Medienszene ist ein Haifischbecken. Ist das im Fußball besonders schlimm? Allerdings! Häufig wird meine Tätigkeit sehr romantisch gesehen: »Oh, das ist ja toll, was Sie machen.« Aber die wenigsten wissen, dass dieser Job eine Heidenarbeit ist. 28
Katrin Müller-Hohenstein – »Was so locker aussieht, ist ein richtiger Knochenjob!«
Ich habe mich viel damit beschäftigt, was die Motivation von Menschen ist. Und Neid ist bei vielen ein starkes Motiv – Neid auf einen vermeintlichen Traumjob. Es sieht immer so locker und flockig aus, und einige denken sicherlich: »Das könnte ich auch.« Aber beim ersten Satz vor der Kamera wäre das Experiment bei den meisten schon beendet. Was ich mache, ist ein richtiger Knochenjob! Hilft Ihnen da Ihre Lockerheit? Mein großer Vorteil: Ich bin an vieles im Leben sehr unbekümmert herangegangen. Und das war gut so, denn sonst hätte ich es wahrscheinlich gar nicht angepackt. Wenn ich mir einmal gesagt habe: Ich mach das, dann mach ich das auch – und den Rest sehen wir später! Das ist auch heute noch meine Lebenseinstellung. Ich finde es auch nicht so schlimm, wenn man mal scheitert. Es bringt einen im Leben weiter. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Berufliches Scheitern kenne ich bisher nicht, aber sehr wohl Selbstzweifel. Es gibt kaum eine Sendung, nach der ich sage: Jetzt bin ich so richtig zufrieden. Es gibt wenige Ausnahmen: Neulich war Formel-1-Pilot Nico Rosberg bei mir in der Sendung. Aus irgendeinem Grund kann ich mit Formel-1-Fahrern besonders gut. Die Sendung fand ich wirklich super. Aber sonst bin ich eigentlich selten zufrieden mit mir. Warum? Ich höre manchmal, ich sei zu nett zu den Gästen und zu wenig distanziert. Aber für mich ist ein Interview nicht dann gelungen, wenn ich den Gast so richtig an die Wand gestellt habe. Für mich ist es dann gut, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen und der Gast Lust hat etwas zu erzählen. Und das erreichen Sie nur, wenn Sie Ihrem Gegenüber mit Respekt begegnen. In meiner Arbeit ist mir der Respekt das Allerwichtigste! Die kritischen Fragen stelle ich schon auch! Hängen Ihnen Rückschläge lange nach? Rückschläge kann ich relativ gut abhaken. Ich sage mir: Das mache ich nächstes Mal besser und weiter geht’s. Wirkliche Niederlagen habe ich noch nicht erlebt, die einzige war, dass meine Ehe gescheitert ist. Das finde ich nach wie vor traurig. Aber generell gilt: abhaken und fertig. Ich brauche im Leben diese Klarheit. Grauzonen sind nicht mein Ding.
29
Interviews 1
Wie bereiten Sie sich auf Höchstleistungen vor? Der Schlüssel für Höchstleistungen ist, dass ich mich extrem gut vorbereite. Ich brauche vor der Sendung das Gefühl: Ich habe alles getan! Dann läuft es meistens auch gut. Kürzlich hatte ich einen interessanten Traum: Ich saß neben Claus Kleber im Heute-Journal-Studio und sollte den Nachrichtenblock sprechen. Vor mir lagen aber nur Werbeprospekte. Und ich dachte voller Panik: Wie soll das bloß gut gehen? Sie sehen, selbst im Traum ist mir eine gute Vorbereitung wichtig. Vor jeder Sendung bekomme ich locker 200 Seiten Recherchematerial, aus denen muss ich dann das wirklich Relevante rausfiltern. Das ist sehr viel Arbeit. Was sind Ihre Stärken? Ich kann mich gut konzentrieren und mache Sachen gerne hundertprozentig – auch in der Freizeit: In Filme tauche ich manchmal so tief ein, dass ich um mich herum im Kino eigentlich nichts mehr wahrnehme. Wenn dann jemand neben mir anfangen würde, irgendwelche Geschichten zu erzählen, fände ich das ganz furchtbar. Deshalb gehe ich am liebsten allein ins Kino. Die Konzentrationsfähigkeit hilft mir natürlich im Job: Wenn ich bei einer Anmoderation mit meinen Gedanken wirklich hundertprozentig dabei bin, geht selten etwas schief. Wenn ich nur einmal gedanklich abschweife, dann bin ich raus. Haben Sie schon einmal einen totalen Blackout erlebt? Das war an einem Wintersportwochenende, es ging um Claudia Pechstein. Da war irgendetwas neben der Kamera, ich habe mich davon ablenken lassen und war sofort raus. Ich arbeite grundsätzlich nicht mit Telepromter, wo ich ablesen könnte. Zum Glück fand ich rasch die Aufzeichnungen mit meinen Texten. Ich schaute kurz drauf – und schon ging es weiter. Das hat vermutlich gar keiner gemerkt. Haben Sie ein Ritual, um sich auf Drucksituationen vorzubereiten? Im Sportstudio haben wir Studiogäste. Viele Shows arbeiten mit professionellen Einheizern, aber ich gehe immer selber raus und rede mit dem Publikum. Dadurch stelle ich schon einen Kontakt her. Das macht mich locker. Das ist mein Warm-up. Haben Sie ein Motto? Ich versuche den maximalen Spaß aus einer Sache zu ziehen. Ich denke immer, wenn es mir Spaß macht, dann wird es auch den Gästen und Zuschauern gefallen. Ich kann daher auch nur Aufgaben übernehmen, die mich persönlich interessieren. 30
André Kemper – »Jede neue Herausforderung bedeutet Sieg oder Niederlage«
Haben Sie Ziele, machen Sie sich einen schriftlichen Plan? Nein! Mich fragte mal der Manager von Olli Kahn: »Was willst du denn als Nächstes machen, wo willst du denn hin?« Ich sage ihm: »Keine Ahnung!« Mein ganzes Leben war bisher das Ergebnis von irgendwelchen Zufällen. Ich habe nie etwas geplant. Das, was ich gerade tue, mache ich immer gerne. Wenn sich dann eine neue Tür öffnet, ist das nie eine Tür, die ich gesucht habe. Es hat sich immer so ergeben. Ich habe da ein gesundes Urvertrauen. Ich lasse alles auf mich zukommen, und wenn ich an eine Gabelung komme, entscheide ich in dem Moment, was mir gerade besser erscheint. Machen Sie selbst eigentlich Sport? Ich laufe jeden Tag mit meinem Hund etwa eine Stunde durch den Englischen Garten. ... auch leistungsorientiert? Mich hat mal jemand gefragt, warum ich nicht Marathon laufe. Ich glaube, dass ich das mit dem entsprechenden Training auch schaffen würde. Aber ich weiß auch, dass ich ungefähr ab Kilometer 23 überhaupt keine Lust mehr hätte und zum Beispiel lieber ins Kino gehen würde. Ich glaube, ich habe eigentlich überhaupt keinen Ehrgeiz! Mir ist wichtig, dass ich mich dabei wohlfühle.
André Kemper – »Jede neue Herausforderung bedeutet Sieg oder Niederlage« André Kemper, Inhaber und Geschäftsführer der kempertrautmann GmbH André Kemper gründete im Juli 2004 zusammen mit Michael Trautmann die Agentur kempertrautmann. 2011 wurde André Kemper als 25. Mitglied in die »Hall of Fame der deutschen Werbung« aufgenommen. André Kemper ist seit vielen Jahren Mitglied des deutschen Art Directors Club (ADC) und war zeitweise deren Vorstandsmitglied. Was sind für Sie situative Höchstleistungen? In einem engen Zeitfenster kreative Spitzenleistungen abliefern – dies setzt mich und das Team immer wieder extrem unter Druck. Man spürt eine große Verantwortung und muss dennoch locker bleiben – schließlich darf man es der Kreation nicht ansehen, wie mühevoll und stressig ihre Entstehungsgeschichte ist. Diese Si31
Interviews 1
tuationen sind nicht leicht – und sie nehmen zu. Die Kunden werden anspruchsvoller, die Aufgaben komplexer – gleichzeitig haben die Prozesse eine schnellere Taktung. Was ist förderlich für Höchstleistungen? Ein gewisser Druck ist förderlich – er setzt Energie frei und hilft, sich zu fokussieren. Wie schaffen Sie es denn, Höchstleistungen abzurufen? Absolute Fokussierung auf das Projekt, eine hohe Konzentrationsfähigkeit, die Erfahrung, dass man es am Ende immer irgendwie schafft – gerade dieser Aspekt ist wichtig für das Selbstbewusstsein. Haben Sie sich das antrainiert? Ja – ich weiß heute besser denn je, worauf es in wichtigen, kritischen Situationen ankommt. Haben Sie stärkende Sätze, die Sie sich innerlich sagen oder denken Sie wie TopSportler an frühere Erfolge? Eigentlich nicht. Nur manchmal sage ich mir innerlich: »Hey – du sitzt in der Hall of Fame! Das haben bisher nur 25 Werber geschafft, nun entspann dich mal!«. Bereiten Sie sich in besonderer Weise auf Höchstleistungsmomente vor? Meine Vorbereitung ähnelt denen von Sportlern: Wachheit und ein hohes Energielevel sind die Grundlage meiner Arbeit. Das heißt: Viel Schlaf, Bewegung und eine gesunde Ernährung. Wichtig ist auch mein ganz eigener Raum in der Agentur. Hier finde ich die nötige Ruhe und Konzentration. Ich stelle übrigens immer feste Kreativ-Teams zusammen – das ständige Wechseln von Personen im kreativen Prozess schafft Unruhe. Wie fördern Sie bei Ihren Teammitgliedern Höchstleistungen? Ich lebe Energie und Konzentration vor! Jüngere Leute haben oft ein Problem sich zu konzentrieren – Internet, Facebook & Co. sind eine permanente Versuchung. Das gezielte Ausblenden von Unwichtigem ist für uns jeden Tag eine große Herausforderung.
32
André Kemper – »Jede neue Herausforderung bedeutet Sieg oder Niederlage«
Welche sonstigen Dinge helfen Ihnen beim Erzielen von Höchstleistungen? Ich kann zwischen Job und Privatleben trennen: Wenn ich hier aus der Agentur rausgehe, dann bin ich auch raus – und beschäftige mich mit anderen Dingen. Wenn ich etwas mache, dann mache ich es voll und ganz! Setzen Sie sich Ziele, zum Beispiel schriftlich? Ich habe ein einfaches Ziel, dass ich mir recht gut merken kann: Ich will die Nr. 1 sein, ich will gewinnen. Jede neue Herausforderung bedeutet für mich: Sieg oder Niederlage! Jeder erlebt auch mal Niederlagen, wie gehen Sie damit um? Ich analysiere sowohl Erfolge als auch Niederlagen. Wobei die Analyse von Niederlagen meistens interessanter ist. Erfolge sind gut fürs Selbstbewusstsein. Niederlagen sind gut, um besser zu werden.
33
2.
Große Ziele erreichen
2.1
Vor jeder Höchstleistung steht das Ziel
Sie kennen sicherlich den viel zitierten Ausspruch: »Der Weg ist das Ziel«. Beim Thema Höchstleistungen müsste der Satz genau anders herum heißen: »Das Ziel ist der Weg«. Denn ohne Ziele gibt es keine Erfolge und erst recht keine Spitzenleistungen. Nur Menschen, die sich Ziele setzen, kommen voran, entwickeln sich weiter – und erreichen Leistungsniveaus, die vorher undenkbar schienen. Das gilt im Leistungssport genauso wie in Beruf und Freizeit. Man spricht dann gerne von »Siegertypen«. Das Gegenteil sind die »Verlierertypen«. Was unterscheidet eigentlich Sieger- und Verlierertypen? Der Sieger hat immer einen Plan. Der Verlierer hat immer eine Ausrede.
Der Sieger findet für jedes Problem eine Lösung. Der Verlierer findet für jede Lösung ein Problem. Der Sieger sagt: »Lass mich dir dabei helfen.« Der Verlierer sagt: »Das ist nicht meine Aufgabe.« Der Sieger vergleicht seine Leistung mit seinen Zielen. Der Verlierer vergleicht seine Leistungen mit denen anderer Leute. Der Sieger sagt: »Es ist schwierig, aber es ist möglich.« Der Verlierer sagt: »Es ist möglich, aber es ist zu schwierig.« Der Sieger ist immer Teil einer Lösung. Der Verlierer ist immer Teil eines Problems.
Worin unterscheidet sich nun der Sieger vom Verlierer? Der Sieger hat das eindeutig bessere Ziel-Management. Er sieht Herausforderungen und Ziele statt Probleme. Und er vergleicht seine Leistungen mit den gesteckten Zielen, um daraus wieder neue Ziele oder Teilziele zu entwickeln. »Toll«, werden Sie jetzt vielleicht sagen, »dann brauche ich ja nur wie ein Gewinner zu denken, mir entsprechende Ziele zu setzten und schon klappt alles wie am Schnürchen.« Vielleicht sagen Sie aber auch: »Solche oder ähnliche Sprüche habe ich schon viele gehört. Aber wirklich verändert hat sich dadurch nichts.« 35
Große Ziele erreichen
Ziele müssen realistisch sein
»Ich will der reichste und der glücklichste Mensch der Welt werden.« Sich solche Ziele in den Kopf zu setzen, bringt nicht viel. Sie merken bei diesem absurden Beispiel sofort, dass Sie sich das selbst nicht glauben. Sie halten es für unrealistisch, also werden Sie dieses Ziel vermutlich nicht erreichen. Ziele müssen realistisch sein und – sie müssen außerdem natürlich zu Ihrer Persönlichkeit passen. Und um einen dauerhaften Erfolg zu erzielen, sollten Ihre Ziele noch ein paar andere Kriterien erfüllen. Aber der Reihe nach. Im Leistungssport gilt als Kriterium, dass Ziele so gewählt sein sollen, dass die vier großen »C« erfüllt sind: Control Die Gewissheit, dass ich mich, meine Gefühle und die Gesamtsituation so unter Kontrolle habe, dass ich die gesteckten Ziele erreichen kann. Commitment Die Bereitschaft mich einzubringen und auch alles zu geben, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Challenge Die Ziele sind so, dass Fähigkeit, Aufgaben und Herausforderungen nicht als Bedrohung, sondern immer als Chance zur Weiterentwicklung gesehen werden können. Confidence Ich habe das Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten, dass ich diese Ziele umsetzen kann (vgl. Gronwald/Ochsmann 2010). Die vier C-Kriterien klingen zunächst sehr selbstverständlich, aber sie haben es in sich. Sie eignen sich hervorragend für einen Check, ob Ziele – wie das Bestehen einer wichtigen Prüfung, eines Examens oder der souveräne Vortrag einer wichtigen Präsentation oder Verhandlung – bereits realistisch sind, oder an welchen Punkten erst noch wichtige Voraussetzungen geschaffen werden müssen. Selbst-Coaching-Tipp Gehen Sie die vier C-Kriterien sorgfältig in Gedanken durch und prüfen Sie, wie realistisch Ihre Ziele wirklich sind. Seien Sie ehrlich: Wo gibt es noch Lücken, wo müssen Sie noch nacharbeiten? 36
Welche Ziele passen zu mir? Selbstreflexion mit dem Reiss-Profil
Control
Commitment
Challenge
Confidence
Abb. 2: »4 C«
2.2
Welche Ziele passen zu mir? Selbstreflexion mit dem Reiss-Profil
Nicht ganz so einfach ist es bei der Auswahl von langfristigen Zielen. Was möchte ich im Beruf oder generell im Leben erreichen? Welchen Stellenwert hat Familie für mich? Wie erreiche ich, dass mich meine Mitarbeiter als guten Chef wahrnehmen? Ich möchte mehr vom Leben haben, es mehr genießen können. Wie erreiche ich eine bessere Work-Life-Balance? Und so weiter. Um diese Ziele einschätzen zu können, sollten Sie sich wirklich gut kennen. Sie sollten sich über Ihre Stärken, Schwächen, Ihre geheimen Sehnsüchte und Wünsche im Klaren sein. Der amerikanische Psychologe Professor Steven Reiss hat ein überzeugendes Werkzeug zur Selbstreflexion entwickelt. Das Reiss-Profil gibt Ihnen mit wenig Aufwand einen unbestechlichen Überblick über Ihre Werte- und Motivstruktur und Antwort auf die Frage: Wer bin ich und welche Ziele sollte oder könnte ich mir setzen? Professor Reiss von der Ohio State University erforschte: Was macht die Menschen im Leben letztlich glücklich und zufrieden und damit dauerhaft leistungs37
Große Ziele erreichen
Macht Teamorientierung Neugier Anerkennung Ordnung Sparen/Sammeln Ziel- und Zweckorientierung Idealismus Beziehungen Familie Status Rache/Kampf Schönheit Essen Körperliche Aktivität Emotionale Ruhe
hoch
Abb. 3: Mustermann-Profil
38
Durchschnitt
niedrig
2,0
1,7
0,8
0,4
0,0
-0,4
-0,8
-1,7
-2,0
fähig? Was ist für jeden einzelnen Menschen wirklich wichtig? In jahrelangen Untersuchungen mit Tausenden Studienteilnehmern fand Steven Reiss heraus, dass nicht nur ein oder zwei Motive unser Leben bestimmen, sondern 16 grundlegende Motivdimensionen beziehungsweise Werte-Ausprägungen (vgl. Reiss, 2009). Das sind: Macht, Unabhängigkeit (im Business-Profil: Teamorientierung), Neugier, Anerkennung, Ordnung, Sparen/Sammeln, Ehre (im Business-Profil: Ziel- und Zweckorientierung), Idealismus, Beziehungen, Familie, Status, Rache/Kampf, Eros (im Business-Profil: Schönheit), Essen, Körperliche Aktivität und Emotionale Ruhe.
Welche Ziele passen zu mir? Selbstreflexion mit dem Reiss-Profil
Durch die Beantwortung wissenschaftlich fundierter Fragen ergibt sich, wie wichtig einem jedes Motiv ist – wie stark es einen emotional antreibt: Von extrem schwach bis extrem stark gibt es sehr fein und individuell unterschiedliche Grade. Daraus wird dann eine Matrix, das jeweils individuelle Reiss-Profil erstellt. Durch die vielfältigen Ausprägungen und Motivkonstellationen ergeben sich mehr als sechs Milliarden unterschiedliche Profile, was zu sehr individuellcharakteristischen Ergebnissen führt. Der große Vorteil: Es zeigt einem auf einen Blick, wie man strukturiert ist. Daraus können Sie ablesen, welche langfristigen Ziele für Sie wichtig sind und welche eher zweitrangig. Das Profil zeigt auch, welche Ziele vermutlich Erfolg versprechender als andere sind. Professor Reiss hat außerdem herausgefunden, dass sich auf der Ebene der »archaischen Persönlichkeitsprägung«, die durch die Matrix sehr deutlich wird, im Laufe des Lebens weniger ändert, als man zunächst vermuten würde. Ein Beispiel: Ein Mensch, dessen höchstes Gut schon in der Jugend »Macht« (gestalten, vorantreiben, entscheiden) war, wird in der Regel von diesem Motiv zumeist unbewusst bei der späteren Berufswahl und auch bei der Art seiner Beziehungen und Partnerschaften stark geleitet. Falls nicht, wäre dies unter Umständen sogar bedenklich, da er dann möglicherweise eine Position annimmt, die eher eine Dienstleister-Mentalität verlangt – also eine Mentalität und damit verknüpfte Verhaltensweisen, die ihm nicht so liegen. Folglich wird er viel Energie für seinen Job aufbringen müssen und Höchstleistungen vermutlich nicht souverän abrufen. Dadurch rechtfertig sich, auf Basis einer qualifizierten Analyse des ReissProfils weitreichende Entscheidungen, zum Beispiel zu Lebens- und Berufszielen, zu treffen (vgl. Reiss 2009). Wer seine stärksten Motive und Werte kennt, hat eine gute Richtschnur für Entscheidungen und Handlungen – gerade auch für das »Nein-Sagen«, was vielen schwerfällt. Wenn Sie wissen, wofür Sie von Ihrer Motivstruktur her geeignet sind und wofür nicht, dürfte Ihnen auch das »Nein-Sagen« leichter fallen. Das Reiss-Profil ist hier nur kurz angerissen worden. Eine ausführliche Beschreibung mit Praxisfällen finden Sie im hinteren Teil des Buches im Kapitel 8, Vertiefung.
39
Große Ziele erreichen
Selbst-Coaching-Tipp Das Reiss-Profil ist ein perfektes Instrument zur Selbstreflexion sowie eine gute Grundlage für eine spätere Arbeit mit einem Coach oder Trainer. Online können Sie Ihr Reiss-Profil selbst in circa 15 Minuten ausfüllen. Unter der Webadresse www.reissprofile.eu finden Sie auch lizenzierte Reiss-Profile-Coaches in Ihrer Nähe, über die Sie den Online-Test-Zugang erhalten und die Ihnen Ihre schriftliche Auswertung persönlich erläutern.
Achtung
Aktivität
Altruismus
Anerkennung
Ausgeglichenheit
Bescheidenheit
Beziehungen
Bildung
Charisma
Demokratie
Distanz
Disziplin
Ehre
Ehrlichkeit
Einfluss
Emotionale Ruhe
Erfolg
Essen
Fairness
Familie
Fantasie
Fleiß
Freiheit
Freude
Freundschaft
Frieden
Gastlichkeit
Geborgenheit
Geduld
Gerechtigkeit
Geschmack
Geselligkeit
Gesundheit
Glaube
Gleichheit
Glück
Großzügigkeit
Gute Laune
Harmonie
Heiterkeit
Herkunft
Höflichkeit
Idealismus
Identität
Individualismus
Kameradschaft
Klugheit
Kompetenz
Kooperation
Körperliche Aktivität
Kreativität
Lässigkeit
Leidenschaft
Liebe
Macht
Menschlichkeit
Mitgefühl
Mut
Nachkommen
Nachsicht
Nähe
Neugier
Objektivität
40
Ziele und Emotion
Offenheit
Offensein für Neues
Ordnung
Persönlichkeit
Pflichtbewusstsein
Pragmatismus
Qualität
Rache/Kampf
Rechtmäßigkeit
Redegewandtheit
Reichtum
Respekt
Ruhe
Ruhm
Schönheit
Selbstverantwortung
Selbstverwirklichung
Sexualität
Sicherheit
Soziales Engagement
Sparen/Sammeln
Sparsamkeit
Stärke
Status
Tapferkeit
Teamorientierung
Toleranz
Treue
Überlegenheit
Überzeugung
Umweltschutz
Unabhängigkeit
Verantwortung
Vergnügen
Vernunft
Vertrauen
Wahrheit
Wechsel
Weisheit
Weitblick
Zärtlichkeit
Zeitlosigkeit
Ziel- und Zweckorientierung
Zugehörigkeit
Zuverlässigkeit
Abb. 4: Werte-Menü von A-Z. Sollten Sie zunächst allein ergründen wollen, welche Werte Ihnen am wichtigsten sind, können Sie dieses »Werte-Menü« nutzen.
2.3
Ziele und Emotion
Durch die Arbeit mit dem Reiss-Profil wird vor allem eines deutlich: Ziele, die nicht zur eigenen Persönlichkeitsstruktur, zu den wichtigsten Triebfedern des eigenen Lebens passen oder im Extremfall diesen sogar widersprechen, haben kaum eine Chance, umgesetzt zu werden. Ihre Ziele und Ihre emotionale Seite müssen harmonieren. Wenn »Teamorientierung« (also ein hohes Streben nach Unabhängigkeit) ein wichtiges Motiv in Ihrem Leben ist, wird das Ziel: »Ich will mich selbstständig machen« hohe Erfolgsaussichten haben, da es emotional sehr positiv besetzt ist. Wenn Ihnen »Ordnung« und »Sicherheit« (ein starkes Bedürfnis nach »emotionaler Ruhe«) sehr wichtig sind, kann das gleiche Ziel dagegen Zweifel, Sorge und Angst auslösen. 41
Große Ziele erreichen
Diese emotionale Seite wird bei der Definition der eigenen Ziele leider häufig unterschätzt. Man kann sogar sagen: ohne starke Emotion keine Höchstleistung und keine Zielerreichung! Oder vereinfacht: Ohne Aussicht auf eine Belohnung wird sich niemand für ein Ziel quälen.1
Emotionen – die geheimen Regisseure unseres Alltags
»Der spannendste Forschungszweig unserer Tage ist die Biologie der Emotionen«, sagt der Hirnforscher und Nobelpreisträger Eric Kandel. » Sie sind die geheimen Regisseure unseres Alltags«, ist der Neurowissenschaftler Antonio Damasio überzeugt: Eine Entscheidung ohne Emotionen ist nicht möglich! Unser Bewusstsein verarbeitet nach aktuellen Schätzungen etwa 50 Bits, also 50 Basisinformationseinheiten pro Sekunde. Aber unser Unterbewusstsein schafft Millionen von Bits pro Sekunde! Das Unterbewusstsein ist also viel leistungsfähiger und »intelligenter« als das Bewusstsein. Der Gehirnforscher Gerhard Roth, Professor für Verhaltensphysiologie an der Universität Bremen, und einer der bekanntesten Neurowissenschaftler unserer Zeit schätzt, dass uns weniger als 0,1 Prozent dessen, was unser Gehirn tut, überhaupt aktuell bewusst wird. 99,9 Prozent werden also unbewusst erledigt. Je unübersichtlicher und komplexer die Situation, desto häufiger versagt die kognitive Analyse und die emotionale Steuerung, auch Intuition genannt, ist viel effektiver.
Unser Gehirn ist formbar – lebenslang!
Das menschliche Gehirn gehört zu den komplexesten Strukturen im Universum. Mit seinen circa 1,5 Kilogramm macht es zwar nur zwei Prozent unseres Körpergewichts aus, aber es verbraucht mehr als 20 Prozent unserer gesamten Energie. Es verfügt über mehr als 100 Milliarden Gehirnzellen, die untereinander etwa 70 bis 100 Trillionen Verknüpfungen eingehen. Und die Länge der Nervenbahnen des Gehirns eines erwachsenen Menschen beträgt rund 5,8 Millionen Kilometer. Das entspricht etwa dem 145-Fachen des Erdumfanges. Diese Rahmenbedingun42
Ziele und Emotion
gen sind es, die für alles, was wir denken, fühlen oder tun, zuständig und verantwortlich sind. Noch kennt die Wissenschaft nicht alle Geheimnisse des menschlichen Gehirns und wahrscheinlich werden auch nie alle Geheimnisse bis ins Letzte entschlüsselt. Aber es vergeht kaum ein Tag, an dem uns nicht neue Erkenntnisse ins Staunen versetzen. Die kleinste Steuereinheit des komplexen Gehirns sind die Neuronen. Die Hauptaufgabe der Neuronen besteht darin, Signale in Form von Sinneseindrücken, die sie zum Beispiel durch Hören, Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken empfangen, in Form von elektrischen Impulsen über Millionen von anderen Neuronen von einem zum nächsten weiterleiten, bis dieses Signal dann irgendwann in den zuständigen Abteilungen des Gehirns ankommt. An den Verbindungsstellen (Synapsen) werden die elektrischen Signale kurzfristig in chemische Signale umgewandelt, damit sie den synaptischen Spalt überwinden können und dann vom nächsten Neuron wieder in einen elektrischen Impuls umgewandelt und weitergeleitet werden. Jedes Neuron, also die kleinste Steuereinheit, geht bis zu 15.000 Verbindungen zu anderen Neuronen ein. Unser neuronales Netzwerk befindet sich daher in einem permanenten Umbau. Man spricht von Neuroplastizität. »Auf der Ebene der Gehirnrinde kommt es durch Neuroplastizität zur Ausbildung von Karten, das heißt von Neuronen mit bestimmten Verbindungen, die erfahrungsabhängig entstehen und zeitlebens veränderbar sind«, sagt Professor Dr. Dr. Manfred Spitzer, Ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik Ulm und einer der profiliertesten deutschen Neurowissenschaftler (Spitzer 2004). Unsere Verhaltensweisen, unsere Art in bestimmten Situationen und auf bestimmte Reize zu reagieren, sind im Gehirn auf neuronaler Ebene abgespeichert. Diese Abspeicherungen können aber in ihrer neurologischen Struktur verändert werden – etwa durch Coachings oder eigene Lernprozesse.
Das menschliche Gehirn ist in einem außergewöhnlich großem Maß formbar, formbarer, als Hirnforscher noch vor wenigen Jahren angenommen haben. Denn bereits die kleinste Einheit, die Neuronen, kann man trainieren wie einen Muskel. Es gibt nicht nur Gehirn-Jogging, sondern nach neuesten Erkenntnissen auch »Nerven-Bodybuilding«. 43
Große Ziele erreichen
Die Veränderungen der Stärke neuronaler Verbindungen lässt sich mittlerweile nicht nur biologisch, sondern auch strukturell nachweisen. So zeigen elektronenmikroskopische Bilder die Veränderung der Struktur einer Synapse aufgrund von Lernvorgängen und die Vergrößerung der synaptischen Kontaktfläche durch das Wachstum eines zusätzlichen Dorns (dendritischer Dorn). Unsere Neuronen lernen, indem sie die Synapsengewichte und/oder Reizschwellen langsam und schrittweise in Richtung des gewünschten Outputs anpassen. Dieses langsame Lernen hat für uns den Vorteil, dass nicht Einzelfälle gespeichert werden, sondern allgemeine Eindrücke. Dieses Generalisieren hat den Vorteil, dass wir nicht mit Signalen überflutet werden. Unsere Neuronen filtern und reduzieren die Signale auf Muster. Und das ist ein großer Vorteil gegenüber einem Computer. Unsere Neuronen schaffen zwar gerade mal eine Million Rechenschritte pro Sekunde, also deutlich weniger als aktuelle PCs. Aber wenn es zum Beispiel darum geht, in einem Raum mit 100 Menschen ein Gesicht zu erkennen, ist unser Gehirn jedem Computer dieser Welt haushoch überlegen.
Wo unser Mitgefühl entsteht
Nicht alle Neuronen funktionieren gleich, es gibt unter ihnen absolute Spezialisten. 1990 untersuchte ein italienisches Forscherteam unter Leitung von Professor Rizzolatti Nervenzellen von Affen. Was Rizzolatti dabei beobachtete, wurde zu einer bahnbrechenden Erkenntnis in der Gehirnforschung: Griff ein Affe nach einer Nuss, wurden bestimmte Gehirnzellen aktiv. Das Erstaunliche war jedoch, dass bei einem anderen Affen, der selbst nicht nach einer Nuss griff, aber seinem Affen-Kollegen dabei zusah, die gleichen Gehirnzellen aktiviert wurden. Rizzolatti schloss daraus: Wenn jemand einem anderen bei einer Tätigkeit zuschaut, führt dies dazu, dass er die gleiche Handlung rein gedanklich selbst durchführt. Diese Annahme hat sich dann durch weitere Untersuchungen bestätigt. Wir spiegeln uns also in dem, was andere tun. Aus diesem Grund nannte Rizzolatti diese Gehirnzellen auch »mirror neurons«, also »Spiegelneuronen«. Spiegelneuronen sind spezielle Nervenzellen, die aktiv werden, wenn wir etwas bei anderen Menschen beobachten. Wenn wir beobachten, wie einem anderen körperliche Schmerzen zugefügt werden, zucken wir selber zusammen und im Schmerzzentrum unseres Gehirns sind erhöhte Aktivitäten nachweisbar. Unser Mitfühlen ist also ganz real und durchaus physisch. Wenn wir bei einem anderen Menschen sehen, dass er Emotionen wie zum Beispiel Trauer, Freude oder 44
Ziele und Emotion
Schmerz empfindet, so werden die Spiegelneuronen aktiv und auch wir empfinden Trauer, Freude oder Schmerz. In den Spiegelneuronen wird unsere Fähigkeit zur Empathie geregelt: Sie informieren uns gefühlsmäßig über den Zustand eines anderen Menschen. Wir spüren also intuitiv, was sich in einem anderen Menschen abspielt. Sie können uns mit der Stimmung anderer Menschen anstecken. Wenn wir auf eine Party mit gutgelaunten Menschen kommen, so werden wir von der guten Laune angesteckt. Aber genauso werden wir auch ganz müde und schläfrig, wenn uns jemand anders angähnt. »Ein Spiegelneuron verhält sich wie die in Ruhe befindliche Saite einer Gitarre. Diese gerät jedoch in Schwingungen, wenn wir auf einer anderen Gitarre, die auf den gleichen Ton gestimmte Saite zum Klingen bringen«, beschrieb Neurobiologe Professor Dr. Joachim Bauer das Phänomen der Spiegelneuronen. Spiegelneuronen sind aber auch die neurobiologische Grundlage für das »Lernen am Modell«. Wir lernen nicht nur am besten, sondern auch am schnellsten, wenn wir uns das zu Lernende bei anderen abschauen. Selbst-Coaching-Tipp Schon die NLP-Begründer Richard Bandler und John Grinder empfahlen daher »Modelling«, das Lernen am Modell (Vorbild). Für die Felder, in denen Sie Höchstleistungen erbringen wollen, sollten Sie sich jeweils Vorbilder suchen und diese so häufig wie möglich beobachten. Das kann persönlich und direkt sein, aber auch im Film oder Fernsehen. Sie werden bewusst und unbewusst davon profitieren – mit freundlicher Unterstützung Ihrer Spiegelneuronen.
Keine Entscheidung ohne Emotion
Wenn wir etwas über unsere Sinne wahrnehmen, also etwas sehen, hören, riechen, fühlen oder schmecken, werden diese Signale erst einmal in elektrische Signale umgewandelt. Diese elektrischen Signale durchlaufen dann unser Gehirn und sind zunächst einmal völlig neutral und wertfrei. Erst wenn die Signale in die Areale des Limbischen Systems (umgangssprachlich »Emotionsgehirn« genannt) gelangen, werden aus ihnen Eindrücke und Emoti45
Große Ziele erreichen
onen. Das Limbische System ist ein spezieller Bereich in der Mitte des Gehirns, zu dem so bekannte Teile wie der Hippocampus und die Amygdala (Mandelkern) gehören. Im Hippocampus wird geregelt, welche Inhalte vom Kurzzeit- in das Langzeitgedächtnis überführt werden. In der Amygdala werden zunächst wertfreie Signale, die über unsere Sinneskanäle gewonnen werden, den »EmotionsSchubladen« Angst, Wut, Freude oder Glück zugeordnet. Das Limbische System ist das zentrale Bewertungssystem unseres Gehirns. Dieses Bewertungssystem bewertet alles auf Basis unserer bisherigen Erfahrungen.
Cortex (Großhirnrinde)
Thalamus
Hippocampus
Hypothalamus
Amygdala (Mandelkern)
Abb. 5: Limbisches System und Großhirn
Haben wir positive Erfahrungen mit einem Ereignis gemacht, wird dieses Ereignis als gut, vorteilhaft und lustvoll bewertet. Wir spüren den Wunsch nach Wiederholung. Haben wir negative Erfahrung gemacht, wird ein Ereignis als schlecht, nachteilig oder schmerzhaft bewertet, und wir spüren den Wunsch, eine Wiederholung zu vermeiden. Es ist somit leicht nachvollziehbar, dass unser Limbisches System auch eine maßgebliche Rolle bei der Aneignung von Wissen und dem damit verbundenen Lernerfolg spielt, da es sich bei jeder Lernsituation zum Beispiel folgende Fragen stellt: 46
Ziele und Emotion
Lohnt es sich hinzuhören? Was spricht dafür, das zu lernen? Welchen Sinn hat es, das zu üben? Die Antworten auf diese Fragen findet das Limbische System in unseren abgespeicherten Erfahrungen aus der Vergangenheit, die meist unbewusst wirken. Sind diese Erfahrungen positiv, hören wir gerne zu, lernen wir gerne und erkennen, dass es sinnvoll ist zu üben. Sind unsere Erfahrungen jedoch negativ, ist der Effekt genau gegenteilig, und die Chancen für einen erfolgreichen Lern- oder Veränderungsprozess gehen gegen null. Lernen ist keine passive Wissensaufnahme, sondern entsteht im Netzwerk der Neuronen und ist immer auch an Emotionen geknüpft. Emotionen helfen uns, Zugänge zum Verstehen von Situationen herzustellen und somit schnelle und sinnvolle Verstehensprozesse zu organisieren. Insofern gibt es nicht nur emotionale Intelligenz, sondern auch intelligente Emotion.
Warum Angst Leistung blockiert
Der Hippocampus (siehe Abbildung 5, Limbisches System) speichert Einzelheiten dann, wenn sie zwei Qualitäten aufweisen: Neuigkeit und Bedeutsamkeit. »Wichtige Neuigkeiten hören wir einmal, und schon haben wir sie uns gemerkt«, erklärt der Neurowissenschaftler Professor Spitzer (Spitzer 2004). Der Hippocampus speichert Einzelheiten ab, ruft sie nachts wieder auf und transferiert sie innerhalb von Wochen und Monaten ins Großhirn, den »langsamen Lerner«, wo sie langfristig gespeichert werden. Für emotionale Alarmreaktionen ist hauptsächlich die Amygdala (Mandelkern) zuständig, die es parallel in beiden Gehirnhälften gibt. Der emotionale Prozess ist der schnelle Abgleich des Reizes mit groben Reizmustern zur Kategorisierung in »gefährlich« oder »ungefährlich«. Die Kategorisierung findet auf Grundlage angeborener und erlernter Reizmuster (zum Beispiel: das Ausspucken von Bitterem) statt. Die Amygdala übernimmt Reizmuster also erfahrungsbedingt. »Sie ist somit unser emotionales Gedächtnis«, fand der Hirnforscher Joseph LeDoux, Professor am Center for Neural Science an der New York University, bereits 1970 heraus. Als »quick and dirty« bezeichnet LeDoux den Job der Amygdala. Er dient zur Vorbereitung schneller Reaktionen wie »Flucht« oder »Angriff«. Die Reaktion ist schnell, 47
Große Ziele erreichen
aber nicht fehlerfrei. Kommt der Löwe von links, läuft man nach rechts. Wer in dieser Situation zu lange fackelt und kreative Problemlösungsstrategien entwickelt, lebt nicht lange. Wird die Amygdala aktiv, steigen Puls und Blutdruck und die Muskeln spannen sich an. Wir haben Angst und sind auf »Kampf« oder »Flucht« vorbereitet. Wir sind darauf gepolt, einfache erlernte Routinen abzuspulen. Komplexe Denkvorgänge und das lockere Assoziieren fallen uns in diesem Moment schwer. »Das, was im menschlichen Überlebenskampf vor rund 100.000 Jahren sinnvoll war, führt heute jedoch meistens zu Problemen«, sagt Professor Spitzer. »Wer Prüfungsangst hat, kommt einfach nicht auf die einfache, aber etwas Kreativität erfordernde Lösung, die er unter normalen Umständen leicht gefunden hätte.« Wer unter dauernder Angst lebt, der wird sich leicht in seiner Situation »festfahren«, »verrennen«, der ist »eingeengt« und kommt aus seinem »gedanklichen Käfig« nicht heraus (Spitzer 2004). Unsere Umgangssprache ist voller Metaphern, die das Blockieren von Leistung durch Angst sehr bildhaft beschreiben. Was bedeutet das für die Praxis? Wenn wir lernen, uns vor etwas zu fürchten, also ein emotionaler Auslöser etabliert wird, werden zwischen bestimmten Zellgruppen unseres Gehirns neue Verknüpfungen gebildet. Einen solchen Lernprozess bezeichnet man als Konditionierung. Das Resultat des Lernvorgangs ist ein konditioniertes Netz. Wir wollen bei einer entscheidenden Prüfung oder einer wichtigen Präsentation unsere höchste Leistung zeigen, aber wir können es nicht, da wir zum Beispiel Angst haben und völlig blockiert sind. Wir werden nur leistungsfähiger, wenn wir neuronale Konditionierungen, zum Beispiel zwischen Prüfung und Angst, lösen. Das ist mit modernen CoachingMethoden möglich.
Wir können sogar Prüfungssituationen oder prüfungsähnliche Situationen (Auftritte, Präsentationen und Ähnliches) mit positiven Emotionen wie Ausgeglichenheit, Ruhe, Spaß oder Freude an der Leistung verbinden (siehe auch Kapitel 4). Das ist dann eine positive Konditionierung, im Fachjargon »Ankern« genannt.
Motivation – was ist das eigentlich?
Das Wichtigste beim Erreichen von Zielen und Höchstleistungen ist die Motivation, hört man häufig. Aber was ist Motivation eigentlich? Und wie entsteht sie? 48
Erfolgskriterien für Ihre Ziele
Aus Sicht der Neurowissenschaften lässt sich diese Frage eindeutig beantworten: Motivation ist ein Neurotransmitter-Cocktail. Neurotransmitter sind Botenstoffe in unserem Gehirn, die uns das spüren lassen, was für das Lernen und die Erreichung von Zielen notwendig ist, nämlich Vitalität und Motivation. Dieser Cocktail, der in Zellverbänden des Mittelhirns hergestellt wird, besteht aus: Dopamin, Endogenen Opioiden, Oxytocin. Ein raffinierter Cocktail: Das bekannte Dopamin wirkt wie eine Glücksdroge, lässt uns Freude und gute Laune empfinden. Die endogenen Opioide vermitteln uns Kraft und Wohlbefinden. Und Oxytocin koppelt unsere Motivation an menschliche Beziehungen – es ist eine Art Freundschaftshormon. Interessant ist, dass dieser Motivationscocktail nicht von allein in Gang kommt. Er braucht Stimuli von außen. Das sind vor allem: persönliche Beachtung, ehrliches Interesse und liebevolle Zuwendung. Merken Sie sich für Ihre Praxis: Es gibt keine Motivation ohne zwischenmenschliche Beziehungen.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass die »Glücksdroge« Dopamin dann ausgeschüttet wird, wenn wir eine Belohnung erwarten. Wenn das Ziel erreicht ist, findet hingegen keine oder nur eine geringe Dopaminausschüttung statt. Für die Motivation gilt also der bekannte Satz: »Der Weg ist das Ziel«. Und aus Sicht der Neurowissenschaften muss die Schlussfolgerung für unsere Ziele heißen: Untergliedern Sie Ihre Ziele in viele kleine Schritte und Teilziele, bei deren Erreichen jeweils eine Belohnung lockt. Dann klappt es auch mit der Motivation.
2.4
Erfolgskriterien für Ihre Ziele
Das Reiss-Profil aus Kapitel 2.2 kann Ihnen helfen, die passenden Ziele für Ihre Motivstruktur zu finden. Das heißt aber noch lange nicht, dass Sie diese Zie49
Große Ziele erreichen
le auch erreichen und umsetzen werden. In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit, Ihre gesetzten Ziele zu erreichen, deutlich ansteigt, wenn Sie ein paar wichtige Grundsätze befolgen.
Motive und Ziele – bringen Sie beides in Einklang!
Erinnern Sie sich noch an unser Eingangsbeispiel, dem Unterschied zwischen »Siegertypen« und »Verlierern«. Der Hauptunterschied zwischen »Siegern« und »Verlierern« ist, dass die unbewussten Handlungsantriebe (Motive) und die bewussten Handlungsantriebe (Ziele) bei »Siegern« übereinstimmen und bei »Verlierern« nicht. Menschen, deren Motive und Ziele übereinstimmen, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Ausdauer, Beharrlichkeit und Konsequenz aus. Menschen, deren Motive und Ziele nicht übereinstimmen, zeichnen sich dadurch aus, dass sie Hindernisse nicht als Herausforderung, sondern als Bedrohung ansehen. Prioritäten-Ranking für Höchstleistungs-Strategien
1
5
19%
7
63% 2
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XING-Umfrage: 1. Ich setze mir klare Ziele 2. Ich greife auf meine Intuition und Erfahrung zurück 3. Ich brauche Stress, um wirklich gut zu sein 4. Ich versuche die Situation vorher im Kopf durchzuspielen 5. Ich bin spontan am besten 7. Ich arbeite mit Disziplin und Hartnäckigkeit 8. Sonstige
Interviewpartner-Umfrage: 1. Ich setze mir klare Ziele 2. Ich bin spontan am besten 3. Ich motiviere mich mit Belohnungen 4. Ich schöpfe Kraft aus meinen persönlichen Werte 5. Sonstige
Abb. 6: Umfrage XING und Umfrage unter den Interviewpartnern – Prioritätenranking für Höchstleistungsstrategien. Sich klare Ziele zu setzen ist eines der wichtigsten Höchstleistungsinstrumente. Das haben in noch stärkerem Maße die Highperformer verinnerlicht: sogar 63 Prozent. (Details zur XING-Kurz-Umfrage: siehe Anhang). 50
Erfolgskriterien für Ihre Ziele
Beim Erreichen von Zielen sprechen wir ja immer vom »Zauberwort« Motivation. Nach der Beschäftigung mit der Hirnforschung und dem Reiss-Profil können wir feststellen: Bei der Motivation kommt es darauf an, dass unsere unbewussten Motive und unsere bewussten Ziele übereinstimmen. Nur dann sind wir zufrieden, leistungsfähig und erreichen unsere Ziele.
Auf die Formulierung kommt es an
US-Wissenschaftler der Harvard University fanden in einer Langzeitstudie heraus, dass besonders das schriftliche Fixieren von beruflichen Zielen und Lebensvisionen entscheidend für den weiteren Erfolg im Leben ist. Von den MBA-Absolventen (Master of Business Administration) hatten 84 Prozent gar keine Ziele für ihre weitere Karriere festgelegt. 13 Prozent hatten zwar Ziele formuliert, aber nicht schriftlich. Nur drei Prozent der Absolventen hatten ihre Ziele für Beruf und Leben aufgeschrieben, sich einen Plan gemacht. Das erstaunliche Ergebnis der Harvard-Langzeitstudie: Diese drei Prozent mit dem detaillierten schriftlichen Plan verdienten später im Berufsleben durchschnittlich zehnmal mehr als ihre Mitstudenten ohne schriftlichen Plan. In den 1960er-Jahren fand der Psychologe Edwin A. Locke von der University of Maryland durch zahlreiche Befragungen von Arbeitnehmern heraus, dass Ziele, die konkret und spezifisch formuliert werden, besonders leistungsfördernd wirken und außerdem die Zufriedenheit erhöhen. Eine klar Vorgabe wie: »Erhöhen Sie den Umsatz bis zum Jahresende um 10 Prozent« bewirkt erheblich mehr als eine unkonkrete Aussage wie »Geben Sie Ihr Bestes«. Das gilt auch für andere Lebensbereiche »Ich will jeden Tag zehn Kilometer joggen« bringt mehr als einfach nur »mehr Sport treiben«. Die Gründe dafür, dass konkret formulierte Ziele besser erreichbar sind als allgemein formulierte liegt daran, dass: die Aufmerksamkeit stärker auf das Ziel gerichtet wird. Es bekommt mehr Bedeutung. sich konkrete Formulierungen besser überprüfen lassen und kurzfristige Gegenmaßnahmen zulassen. durch die stärkere Aufmerksamkeit und bessere Überprüfbarkeit Motivation und Durchhaltevermögen gefördert werden. 51
Große Ziele erreichen
Setzten Sie sich SMARTe Ziele
Jeder kennt sie, und die meisten sind auch schon mal auf sie hereingefallen – die berühmten Silvesterziele. Die schönen Wünsche fürs nächste Jahr wie »Ich will abnehmen« oder »Ich will mehr Sport treiben« haben einen Haken: Sie sind so wenig konkret, dass man sich nicht so wirklich verpflichtet fühlt. Abnehmen und Sport treiben, das sind tolle Ziele! Aber wir haben ja für die Umsetzung ein ganzes Jahr Zeit. Wenn es im Frühjahr nicht klappt, dann starten wir eben im Sommer. Und wenn im Sommer das Wetter zu gut oder zu schlecht ist, dann haben wir ja noch den Herbst – und schließlich den Winter. So wird das natürlich nie etwas! Dafür sorgt schon unser mentales »Lieblingshaustier«, der »innere Schweinehund«. Er wacht verlässlich darüber, dass alle anstrengenden Ziele, die nicht konkret formuliert und vor allem terminiert sind, auf die lange Bank geschoben werden. Das ist der Grund dafür, weshalb Silvesterziele so gut wie nie erfolgreich umgesetzt werden. Wie trickst man den inneren Schweinehund aus? Ganz einfach, indem Sie sich einen konkreten Plan machen. Das Ziel »mehr Sport treiben« bekommt eine ganz andere Relevanz, wenn Sie sich diese Fragen stellen: Was heißt »mehr Sport treiben« konkret? Wie häufig will ich wöchentlich Sport treiben? An welchen Wochentagen und zu welchen Tageszeiten will ich Sport treiben? Wie lange treibe ich zu diesen festen Zeiten Sport? Wie kann ich den Erfolg des Zieles »mehr Sport treiben« messen? Und die wichtigste Frage zum Schluss: Wann fange ich mit dem regelmäßigen Sporttreiben an? Spätestens bei Ausarbeitung dieses konkreten Plans fängt der innere Schweinehund in Ihrem Hinterkopf mit Sicherheit an zu knurren, denn er ahnt: Aus dieser Nummer kommt er, anders als bei den lächerlichen Silvesterzielen, nicht mehr so leicht heraus. Ganz konkret haben Ziele dann eine Chance auf Umsetzung, wenn Sie folgende Kriterien erfüllen:
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Erfolgskriterien für Ihre Ziele
– S pezifisch – M essbar – A ttraktiv – R ealistisch – T erminiert Für unser Beispiel »mehr Sport treiben« heißt das: Warum wollen Sie überhaupt mehr Sport reiben? Okay, Sie wollen Ihre allgemeine Fitness verbessern, um beim Treppensteigen nicht so schnell außer Atem zu kommen. Sie wollen etwas für die Gesundheit tun, besonders für Ihr durch Stress geplagtes Herz-Kreislaufsystem. Und vielleicht wollen Sie durch den Sport auch Ihr Gewicht halten oder sogar reduzieren. Je konkreter und spezifischer Sie Ihre Ziele formulieren können, umso besser. Sollten Sie die Ziele aus unserem Beispiel anstreben, werden Sie sich vermutlich für einen Ausdauersport, etwa für das Laufen entscheiden. Je anspruchsvoller das Ziel ist, umso wichtiger wird es, dass Sie sich viele erreichbare Teilziele setzen. Schließlich ist nichts motivierender als Erfolg. Sinnvolle Zwischenziele könnten sein: Ich will 20 Minuten lang laufen, dann 30 Minuten, dann eine Stunde mit kleinem Zwischenstopp und schließlich eine Stunde ohne Pause. Achten Sie darauf, dass Endziel und Zwischenziele eindeutig und messbar sind, denn sonst schlägt der innere Schweinehund garantiert wieder zu. Er wird dann zu Ihnen sagen: »Warum quälst du dich eigentlich so, lohnt sich das denn überhaupt?« Darauf gibt es nur eine Antwort: Das gewählte Ziel muss so attraktiv sein, dass sich die Mühe lohnt. Durch das regelmäßige Laufen verlieren Sie nicht nur lästige Pfunde, Sie fühlen sich einfach viel besser und sind im Job und beim Sport deutlich leistungsfähiger. Klar, Ihr Ziel und Ihre Teilziele müssen so realistisch sein, dass Sie diese auch erreichen können. Kommt daran Zweifel auf, hat der innere Schweinehund natürlich leichtes Spiel. Das hat er auch, wenn der Zeitrahmen nicht klar ist. Und kennt das nicht jeder? »Ach, heute bin ich so fertig, da will ich nicht mehr laufen. Ich mache das morgen.« Morgen kommt natürlich etwas Wichtiges dazwischen und so weiter. Die beste Chance auf Umsetzung haben Pläne, die sehr konkret und klar terminiert sind. Zum Beispiel: »Spätestens in drei Monaten will ich ohne Unterbrechung eine Stunde lang laufen können. Ich trainiere ab übermorgen zweimal die Woche am Mittwochabend gleich 53
Große Ziele erreichen
nach der Arbeit und am Sonntagabend. Die ersten drei Wochen laufe ich 20 Minuten, die zweiten drei Wochen 30 Minuten, die dritten drei Wochen eine Stunde mit Zwischenstopp und spätestens mit dem vierten dreiwöchigen Zyklus dann eine Stunde ohne Unterbrechung.«
Zähmen Sie den »inneren Schweinehund«
So! Ein SMARTes Ziel haben wir formuliert. Aber denken Sie ja nicht, der innere Schweinehund sei damit schon für immer in die Flucht geschlagen. Er lauert auf seine Chance, denn schließlich bringt jedes Ziel, das wir realisieren, auch eine mehr oder minder große Veränderung mit sich. Und diese Veränderungen können, neben viel Positivem, gelegentlich auch Nachteile haben. Beispiel: Wer befördert worden ist und seine Traumposition erreicht hat, muss vermutlich mehr und länger arbeiten als vorher. Das kann zu Problemen mit dem Partner oder Freunden führen. Sie sollten sich bezüglich Ihres Zieles auch über die Schattenseiten der Zielerreichung Gedanken machen und sie einkalkulieren. Sonst überraschen Sie mögliche Zweifel auf dem halbem Weg zum Ziel und darauf hat der innere Schweinehund natürlich nur gewartet. Auch für diesen Fall gibt es eine gute Methode: Prüfen Sie Ihre künftigen Ziele auf NRP, das sind: – N ebenwirkungen – R isiken – P reise Bei unserem Beispiel »Beförderung auf die Traumposition« könnten Nebenwirkungen sein, dass Sie weniger Zeit für Partner und Familie haben. Im schlimmsten Fall könnten Sie sogar riskieren, dass Ihre Beziehung zerbricht. Der Preis wäre sicherlich zu hoch. Überlegen Sie sich daher im Vorfeld: Was kann ich dagegen machen? Eine Lösung könnte beispielsweise sein, dass Sie Ihren Partner stark mit einbinden in Ihre Berufs-, Karriere- und Lebensentscheidung und daraus ein »Wir«-Thema machen. Oder Sie können sich vornehmen, in der Zukunft an den Wochenenden keine Arbeit mit nach Hause zu tragen und ganz für Partner und Familie da zu sein. Risiken könnten natürlich auch darin liegen, dass Ihnen die gewaltige Verantwortung in der neuen Position oder die Mitarbeiterführung gar nicht liegen, und Sie trotz Traumjob unglücklich werden. Lösung: Gibt es vielleicht ei54
Erfolgskriterien für Ihre Ziele
ne Möglichkeit, die neuen Aufgaben vorher auszutesten? Vermutlich werden Sie in der neuen Verantwortung deutlich mehr Stress haben und zumindest in der Anfangszeit am Freitagabend völlig erledigt von der Arbeitswoche ins Sofa fallen. Sie brauchen das Wochenende dann zur Erholung. An so viele Unternehmungen wie früher ist möglicherweise nicht mehr zu denken: Ist die bessere Bezahlung, der höhere Status diesen Preis wert? Das müssen natürlich Sie entscheiden, aber machen Sie sich über alle möglichen Schattenseiten Ihrer neuen Ziele im Vorfeld Gedanken. Auch dadurch steigt Ihre Entschlossenheit, Ziele wirklich umzusetzen. Selbst-Coaching-Tipp Wenn Sie über die möglichen Nebenwirkungen, Risiken und Preise auf dem Weg zu Ihrem Ziel nachdenken, prüfen Sie nicht nur einzelne Bereiche ab, sondern denken Sie an wirklich alle Bereiche Ihres Lebens. Nur so wird Ihnen das gelingen, was man »Work-Life-Balance« nennt.
Arbeit & Leistung
Lebenskonzept Sinn & Werte
Work-LifeBalance
Familie & Beziehungen
Körper & Gesundheit
Abb. 7: »Work-life-Balance« – Bereiche 55
Große Ziele erreichen
Vom Ziel zum schriftlichen Plan
Für große Ziele gilt: Mit einem detaillierten schriftlichen Plan haben wir eine deutlich bessere Chance als mit mündlichen Verabredungen oder ein paar losen Gedanken. Über unseren Plan zur Erreichung unserer Ziele haben wir uns ja schon viele Gedanken gemacht. Diese Punkte dürfen in einem Plan auf keinen Fall fehlen: Ihre nach SMART-Kriterien formulierten Ziele, die mit NRP sorgfältig durchgecheckt worden sind, realistische und erreichbare Teilziele, für deren Erreichen wir attraktive Belohnungen ausgelobt haben, eine verbindliche Zeitplanung, wann wir unsere Ziele und Zwischenziele erreichen wollen. Aber das Wichtigste fehlt noch: das Controlling. Wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn wir unseren inzwischen sehr ausgefeilten Plan auch regelmäßig überprüfen. Stimmt das Timing noch oder muss es angepasst werden? Ist die Fixierung der Teilziele noch realistisch oder habe ich sie vielleicht bereits schneller erreicht als geplant? Also, überprüfen Sie Ihren Plan regelmäßig und passen Sie ihn der Wirklichkeit an. Das Controlling entscheidet nicht nur in jedem gut geführten Unternehmen über Erfolg und Misserfolg, es ist auch eines der wichtigsten Werkzeuge zur Umsetzung unserer Ziele.
Und was ist mit Ihrer Belohnung?
Besonders erfolgreiche und willensstarke Menschen, zu ihnen gehören natürlich viele Führungskräfte, haben eine große Schwäche: Sie belohnen sich zu wenig. Für diese Zielgruppe sind Disziplin, große Anstrengungen, anspruchvolle Ziele, lange Arbeitszeiten und das Überwinden von Widerständen etwas Alltägliches und Normales, sonst wären sie ja nicht so erfolgreich. Wofür sollen sie sich also groß belohnen? Belohnen und erholen kommt bei ihnen meist zu kurz. Aber an diesem Punkt sind viele Führungskräfte, ihre Mitarbeiter und sogar unsere genetischen Vorfahren, die Primaten, alle gleich: Belohnungen wirken und mo56
Selbst-Coaching
tivieren uns. Und die Aussicht auf Belohnungen hilft uns, unsere Ziele schneller und effektiver umzusetzen. Also, warum sollten wir auf dieses Werkzeug verzichten? Nehmen Sie in Ihren Zielerreichungsplan Belohnungen mit auf und setzen Sie bereits für die Erreichung von Teilzielen kleine Belohnungen aus. Das können ein Kinoabend mit Freunden sein, ein neuer Golfschläger, eine gute Flasche Wein oder etwa ein Kurzurlaub. Die Belohnung für das Gesamtziel sollte natürlich schon etwas Besonderes sein. Seien Sie auf jeden Fall großzügig mit sich selbst! Eine Teilnehmerin eines meiner Höchstleistungsseminare kam zu ihrer anschließenden Einzelcoaching-Sitzung mit einem großen Ordner, auf dem »Meine Ziele« stand. Darin befanden sich Registerblätter, auf denen sie die Teilziele notiert hatte. Und direkt an den Trennern mit den Teilzielen klebten farbige Post-its mit den jeweils passenden Belohnungen für jedes Teilziel. Besser kann man den perfekten Plan zur Zielerreichung nicht visualisieren. Belohnungen können nur dann vernachlässigt werden, wenn Ihr Ziel und der Weg dorthin der Befriedigung eines Ihrer sehr starken Lebensmotive dienen (siehe Kapitel 2.2).
2.5
Selbst-Coaching
Neben den Techniken zur Zielerreichung sind zwei altbekannte und altbewährte Tugenden notwendig, damit Ziele auch wirklich Realität werden: Fleiß und Durchhaltevermögen. Ohne die beiden werden Sie kaum Erfolg haben. Aber das ist natürlich leichter gesagt als getan. Ich habe Ihnen hier ein paar bewährte Tipps zusammengestellt, mit denen Sie fleißig an Ihrer Motivation und Ihrem Durchhaltevermögen arbeiten können:
Kraft durch Motivation
Setzten Sie zur Motivationssteigerung doch Ihre Vorfreude als Leistungsmotor ein: Ihr Ziel sollte einen »mentalen Magneten« enthalten. Je intensiver Sie sich schon im Hier und Jetzt gedanklich in das erreichte Ziel hineindenken oder sogar fühlen, desto stärker werden all Ihre Zellen motiviert, das Ziel auch zu erreichen. Dafür müssen Sie Ihrem Gehirn auf allen Sinneskanälen positive Sinneswahrnehmungen anbieten, die etwas mit dem Ziel zu tun haben. Stellen Sie sich vor, wie Ihr Ziel genau aussieht und was Sie alles sehen, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben: sich selbst und wie glücklich Sie dann aussehen, andere Personen, Gegenstände, 57
Große Ziele erreichen
Natur und so weiter. Stellen Sie sich auch vor, was Sie im Moment der Zielerreichung hören, schmecken, fühlen und riechen: Stimmen, Applaus, Naturgeräusche, eine bestimmte Körperwahrnehmung oder einen bestimmten Geruch. Unser Gehirn bekommt mit diesen sinnlichen Details eine genaue Ausrichtung auf das, was es anzusteuern gilt, wie eine genaue Zielangabe im Navigationssystem Ihres Autos. Außerdem kann sich das Gehirn beim Gedanken an das Ziel sozusagen schon »warmlaufen«. Je mehr Sinneswahrnehmungen an einer Zielvorstellung beteiligt sind, desto mehr Gehirnzellen beschäftigen sich mit Ihrer Zielerfüllung. Und je mehr Sinnesinformationen eine Zielvorstellung hat, desto intensiver spüren wir auch körperlich die Vorfreude auf das Ziel. Und dies löst wiederum Motivation aus, für das Ziel aktiv zu werden.
»Fleiß«+ Durchhaltevermögen
Werte / Motive Strukturierte Erarbeitung
Erfolgskriterien Plan, Controlling + Flexibilität
»Inneren Schweinehund« zähmen
Schriftlichkeit
SMARTFormulierung
Abb. 8: Erfolgskriterien für die Zielereichung
Emotionales Aufladen von Zielen
Sie können Ihr Durchhaltevermögen für die Zielerreichung verbessern, in dem Sie Ihre Ziele emotional »aufladen«. Das funktioniert so: Ergründen Sie, ob es nicht ein noch weiteres attraktives Ziel hinter Ihrem ursprünglichen Ziel gibt. Stellen Sie sich einfach folgende Fragen: »Was habe ich davon, wenn ich dieses Ziel erreiche?« (mögliche Antwort: Zufriedenheit), »Wenn ich es dann habe, was ist wiederum davon der Vorteil?«, 58
Selbst-Coaching
»Was wäre daran das Gute?« und »Wer noch hätte einen Nutzen oder einen Gewinn davon?« Sie setzen mit jeder gefunden Antwort also förmlich ein Motivations-Sahnehäubchen auf das andere. Je größer und stärker Sie dadurch Ihre Ziele machen, umso höher steigt Ihre Motivation und desto leichter fällt es Ihnen, den Fleiß und das nötige Durchhaltevermögen dafür aufzubringen.
Erfolgstagebuch
Führen Sie ein Erfolgstagebuch. Wählen Sie ein attraktives Heft oder Buch, in das Sie jeden Abend Ihre Antworten zu den für Sie erfolgsfördernden Fragen eintragen. Zum Beispiel: Was habe ich heute erfolgreich zu meiner Zielerreichung beigetragen? Welche kleinen oder großen Erfolge kann ich verzeichnen? Was habe ich aus dem heutigen Tag gelernt? Was kann ich morgen optimieren? Sie steigern hiermit zum einen Ihre Selbstsicherheit und Ihr Selbstvertrauen. Und durch das schriftlich fixierte positive Feedback, können Sie beim späteren Durchlesen Ihre positiven Emotionen festigen, die Treibstoff zum Durchhalten sind. Außerdem erstellen Sie sich ein perfektes Instrument zum »Controlling«, das Ihnen erlaubt, effizient nachzubessern.
Vertrag mit sich selbst
Wer zweifelt, ob er die Motivation hat und den Durchhaltewillen aufbringen kann, um seine Ziele wirklich umzusetzen, sollte einen Vertrag machen – einen schriftlichen Vertrag mit sich selbst. Eine Vorlage finden Sie im Kapitel 8, Vertiefung. Wenn Sie jedoch trotz Vertrag mal eine ganz schwache Minute haben sollten, dann hilft Ihnen möglicherweise dieser Film weiter, den ein Klient von mir nutzte, als er kurz davor war, sein großes Ziel aufzugeben: »Any given Sunday« mit Al Pacino (deutscher Titel: »An jedem verdammten Sonntag«). Dieser Film ist ein wahrer »Motivations-Turbo«, siehe S. 113. 59
Große Ziele erreichen
2.6
Fazit
Wer sich festlegt, wer sich einen Plan von seinen großen Zielen im Leben macht, der wird später erheblich erfolgreicher sein als andere, die ohne konkrete Ziele ins Leben starten. Das haben die Wissenschaftler von der Harvard University in Boston in einer Langzeitstudie bewiesen. Auch die meisten Highperformer, die für dieses Buch interviewt wurden, verrieten, dass sie ihre wichtigsten Ziele klar vor Augen haben – und zwar ständig (siehe Abb. 6). Wer diese Fähigkeit (noch) nicht besitzt, sollte sich unbedingt einen schriftlichen Plan von seinen großen Zielen machen, einen »Vertrag mit sich selbst« Denn alle mit klaren Zielen und mit Plan sind die Sieger von morgen. »Siegertypen« haben auch die emotionale Seite der Zielfindung besser im Griff. Bei ihnen stimmen die unbewussten Handlungsantriebe (Motive) und bewussten Handlungsantriebe (Ziele) besser überein als bei »Verlierertypen«. Sieger haben sich, bewusst oder unbewusst, mit ihren emotionalen Antrieben intensiver auseinandergesetzt. Zu den Erfolgskriterien (siehe Abb. 8) gehört, dass man sich einen konkreten Plan für die erfolgreiche Umsetzung der eigenen Ziele erarbeitet. Gehen Sie dabei in kleinen Schritten vor, und setzen Sie sich SMARTe Ziele, die spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sind. Denn das Controlling der eigenen Zielschritte ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren. Bedenken Sie auch die Schattenseiten Ihrer neuen Ziele – Nebenwirkungen, Risiken, Preise – und die Veränderungen, die sie mit sich bringen können. Wenn alles vorher bedacht und geplant ist, gibt es keinen Grund, warum Sie Ihre Ziele nicht schnell und vor allem nachhaltig in die Realität umsetzen sollten.
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Interviews 2 Jobst Plog – »Konfliktsituationen sind für mich kein Stress« Jobst Plog, Rechtsanwalt, ehemaliger Intendant des Norddeutschen Rundfunks (NDR) Was waren Höchstleistungs- und Stresssituationen für Sie? Ein Intendant leitet ein großes Unternehmen. Er begegnet vielen Konfliktsituationen. Mit der Politik, mit den kommerziellen Konkurrenten, mit den Verlegern, aber auch im Betrieb selbst. Ich erinnere mich an wenige Situationen, die mir wirklich Stress bereitet haben. Vielleicht liegt das daran, dass ich Konflikte nicht automatisch als Stress empfunden habe. Öffentlichkeit empfand ich nicht als Stress, die war für eine Aufgabe geradezu konstitutiv. Der NDR stand natürlich in der öffentlichen Wahrnehmung und wurde gemocht, aber genauso häufig angegriffen. Es gab und gibt viele Kampagnen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Natürlich auch gegen seine leitenden Mitarbeiter. Dagegen muss man sich wehren. Und man muss mit adäquaten Mitteln dagegenhalten: Wenn ein Blatt mit einer Millionenauflage eine Kampagne fährt, dann muss gegebenenfalls auch in der Tagesschau dagegengehalten werden. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist aus meiner Sicht nicht immer wehrhaft genug. Manche Akteure halten fehlende Konfliktfähigkeit für diplomatisches Geschick. War das Stress? Stress-auslösend fand ich beispielsweise fehlende Loyalität. Wenn man etwa wichtige Personalentscheidungen trifft, dann gibt es immer diejenigen, die glauben, sie seien besser qualifiziert. Wenn man nach langen kontroversen Debatten zugunsten der Lösung A und nicht B entscheidet, dann entsteht ein großes Enttäuschungspotenzial. Wenn das anonym nach draußen getragen wurde, habe ich das als stressig empfunden. Stress entstand für mich, wenn ich den Gegner nicht sehen konnte, er sich unsichtbar machte und aus dem Dunkeln heraus angriff.
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Interviews 2
Konflikte empfanden Sie nicht als stressig? Kontroversen, Interessengegensätze entstehen in jedem großen Unternehmen. Aber für mich waren sie in aller Regel kein Stress, sondern eher eine sportliche Herausforderung. Wenn Sie so eine kontroverse Personalversammlung mit ein, zwei Bemerkungen auch zum Lachen bringen, dann verfliegt die Feindseligkeit. Einmal verließ eine Gruppierung aus Protest den Saal. Mir fiel spontan ein Zitat von Herbert Wehner ein: »Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen.« Das hat die Situation vollkommen entspannt, spätestens dann, als die Gruppierung wieder einzog. Wie kommt es, dass Sie so schlagfertig sind? Ich bin wohl relativ schnell: Was ich denke, kann ich alsbald aussprechen. Andere brauchen gelegentlich länger, um sich zu sortieren. Meine vorherige Tätigkeit als Anwalt war natürlich für Konflikte ein exzellentes Training. Was kann man davon lernen? Vielen Menschen würde es sehr helfen, nicht jeden verbalen Vorstoß gleich als persönlichen Angriff zu sehen, sondern das spielerische Element darin zu erkennen. Diese Form der Rhetorik ist doch ein Instrument, das man in Konfliktsituationen nutzen kann. In Deutschland sind wir gelegentlich zu wenig spielerisch, zu sehr auf Inhalte, zu wenig auf Formales ausgerichtet. In den USA fängt ein Festredner seine Rede mit einem Scherz über sich selbst an. In Frankreich und England gehört das Fach Rhetorik zur Ausbildung an Schulen und Universitäten. Wie motivieren Sie sich zu Höchstleistungen? Ich habe in meinem beruflichen Leben, sowohl als Anwalt und später als Intendant, immer wieder sogenannte »aussichtslose Fälle« angenommen und versucht, solche Fälle trotz allem zu lösen. Diese besonderen Herausforderungen haben mich besonders stimuliert. So einen Fall gab es gleich zu Beginn meiner Intendantenzeit: Die große Frage, ob das Land Mecklenburg-Vorpommern zum NDR kommt oder nicht. Es gab damals bereits einen unterschriftsreifen Staatsvertrag zwischen den Ländern Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, der eine andere Lösung vorsah. Das war offenbar ausgelöst durch eine politische Vorgabe des damaligen Kanzlers Kohl gegen den nach seiner Meinung roten NDR. 62
Ole von Beust – »Vor wichtigen Auftritten brauche ich absolute Ruhe«
Ich habe das ganze Haus auf dieses eine Thema eingestellt. Wir sind mit Unterstützung der Gremien, der NDR-Stars wie zum Beispiel Dagmar Berghoff, Sabine Christiansen und vieler anderer durch Mecklenburg-Vorpommern getourt, haben für den NDR geworben und in allen Bereichen der Gesellschaft und Politik die notwendige Unterstützung für unser Anliegen gewonnen. Das war Stress, da ich als frischgebackener Intendant natürlich keine Niederlage gebrauchen konnte. Aber die Erfahrung, dass im Leben wenige Situationen wirklich aussichtslos sind, hat mich in vergleichbaren Fällen zuversichtlicher werden lassen. Wie halten Sie diese Hochspannung aus? Ich kann mich auf solche wichtigen Angelegenheiten vollständig konzentrieren und Routinearbeiten komplett delegieren. Mir hat ein Mitarbeiter mal gesagt: »Du vertraust zu sehr, das ist doch leichtsinnig«. Das fand ich nie. Die Fähigkeit zu delegieren, ist für einen Manager eine ganz wichtige Fähigkeit. Sie können in besonderen Herausforderungen nicht wirklich gut sein, wenn Sie es nicht schaffen, die normalen Aufgaben arbeitsteilig zu erledigen. Das geht natürlich nur mit einem sehr guten Team. Bei mir waren alle aufgefordert, offen ihre Meinung zu sagen. Dadurch kannte ich immer auch die Gegenargumente. Durch ein exzellentes Team kann man einen Großteil möglicher Fehler vermeiden. Entscheiden muss man am Ende dann selbst.
Ole von Beust – »Vor wichtigen Auftritten brauche ich absolute Ruhe« Ole von Beust, Rechtsanwalt, ehemaliger Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg Was waren die prekärsten Höchstleistungssituationen, an die Sie sich erinnern können? Natürlich die Situation mit dem damaligen Hamburger Innensenator Roland Schill, der versucht hatte, mich zu erpressen. Ich wusste, er wollte in die Öffentlichkeit gehen. Ich musste damals binnen fünf Minuten entscheiden: Komme ich ihm zuvor oder warte ich ab? Was ist die richtige Antwort auf sein Verhalten? Die Entscheidung hatte große Auswirkungen: Sie betraf mich selbst, mein Ansehen, den Senat, die Fraktion, die Partei – insgesamt sicherlich 1.000 Menschen und mehr. 63
Interviews 2
Die zweite Situation war, als ich öffentlich für Neuwahlen eintrat, da die Koalition nicht mehr funktionierte. Das traf auch die ganze Partei und alle, die Funktionen und Ämter hatten. Höchstleistungssituationen waren auch alle großen Reden, etwa im Wahlkampf vor mehreren Tausend Leuten. Wie gelingt es Ihnen in solchen Situationen Höchstleistungen abzurufen? Wenn ich die Situation planen kann, dann brauche ich vorher Ruhe. Vor wichtigen Reden oder Fernsehauftritten habe ich immer darauf geachtet, dass ich ein, zwei Stunden wirklich allein bin. Ich habe mich hingelegt und total abgeschaltet, geschlummert oder ein Buch gelesen. Ich habe mir vorgenommen, an belastende Dinge bewusst nicht zu denken. Kurz vorher habe ich mir dann angeschaut, was ich sagen wollte. Und in spontanen Situationen habe ich versucht, auf meine Intuition zu vertrauen. Anders als viele, die ich kenne, kann ich Intuition sehr gut zulassen. Wie merken Sie, dass Sie gerade Ihre Intuition nutzen? Der Rauswurf von Innensenator Schill und damit sofort an die Öffentlichkeit zu gehen – das waren allein aufgrund der kurzen Reaktionszeit intuitive Entscheidungen. Außerdem bin ich ein partiell cholerisches Temperament: Ich bleibe lange ruhig, aber wenn das Fass voll ist, dann platze ich. Und wenn ich platze, dann platze ich auch. Das ist keine rationale, sondern eine intuitive Reaktion. Aber ich habe auch intuitiv Fehlentscheidungen getroffen. Etwa die Diskussion um die Schulreform in Hamburg. Da habe ich die Leute überfordert. Statt zu sagen, wir »entschleunigen« die Sache, habe ich entschieden: Nein, wir ziehen unverändert durch. Das war politisch nicht klug. Was ist Ihnen wirklich wichtig? Eine Haltung zu haben, die von der konkreten Entscheidung losgelöst ist. Ich versuche nicht zu lügen! Eine weitere Haltung ist: Was andere über mich sagen, ist mir egal. Status war mir zum Glück immer egal. Dafür bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mich so erzogen haben. Wer kein Statusdenken hat, ist viel freier in seinen Entscheidungen.
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Ole von Beust – »Vor wichtigen Auftritten brauche ich absolute Ruhe«
Wie bereiten Sie sich auf Höchstleistungssituationen vor? Ich halte nichts von zu detaillierter Vorbereitung. Ich glaube, spontan ist man häufig besser. Meine Reden habe ich früher ausformuliert und dann auf Stichworte reduziert. Die habe ich dann als roten Faden für die freie Rede benutzt. Wie gehen Sie mit Situationen um, die nicht so gut geklappt haben? Ich ärgere mich kurz und hake das ganz schnell ab. Ich grübele hinterher nicht. Was können Sie von der Politik auf Ihren jetzigen Beruf übertragen. Ich habe in der Politik gelernt, Konfliktsituation zu entschärfen. Natürlich habe ich auch gelernt, Menschen von dem zu überzeugen, was ich für richtig halte. Politik ist im Grunde Kommunikation.
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3.
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
3.1
Emotionale Blockaden und Leistungsstress
Wir gehen mit besten Vorsätzen in eine private oder berufliche Herausforderung oder einen sportlichen Wettkampf und stellen dann fest, dass wir in der Aufregung gar nicht die Leistungen bringen, die wir gewohnt sind. Mehr trainieren bringt uns da auch nicht weiter. Wir brauchen etwas, das uns hilft, unsere Emotionen in diesem Moment in den Griff zu bekommen – also unsere Aufregung, unsere Wut oder – wenn wir zum Beispiel plötzlich eine Spinne sehen – auch unsere Angst. In solchen Situationen ist unser Verstand kein guter Berater. Ich kann mir zwar sagen: Die Spinne ist ungefährlich und sie tut mir garantiert nichts. Aber was nützt mir das, wenn ich Angst vor Spinnen habe. Was nützt es, wenn ich versuche, mir die Prüfungs- oder Präsentationsangst auszureden? Was nützt die Info, dass die Kirchturmtreppe sicher ist, wenn ich unter panischer Höhenangst leide. Gar nichts. Woran liegt das? Unser Gehirn ist von seiner Anlage her mehr als 60.000 Jahre alt. Zu der Zeit musste der Mensch in der Wildnis für sein Überleben sorgen. Da hatte er es zum Beispiel mit einem Bären oder einem Mammut zu tun. In dieser Situation war weniger der neuere Teil des Gehirns, das Großhirn gefragt, das unser modernes Denken und Sprechen beheimatet, sondern die aus evolutionärer Sicht älteren Teile: Stammhirn und Limbisches System. Das hat folgenden Grund: In Gefahrensituationen brauchen wir keine perfekte kognitive Analyse der Gefahrensituation, keine Pro- und Contra-Listen, keine Abwägungen, das dauert einfach viel zu lange. Wenn es wirklich brenzlig wird, sozusagen der Bär vor der Höhle steht, muss es ganz schnell gehen. Dafür hat unsere Biologie einen einfachen Trick: Sie schaltet den »langsameren« kognitiven Gehirnteil einfach aus und reagiert nur mit dem schnellen instinktiven Hirnteil.2 Mit den Mitteln der Gehirnforschung konnte dieser Mechanismus jetzt wissenschaftlich nachgewiesen werden. Moderne Verfahren wie PET (Positro67
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
nen-Emissionstomografie) machen den Gehirnstoffwechsel sichtbar, wodurch wir sehen, welche Hirnregionen bei welcher Tätigkeit gerade aktiv sind. Bei allem, was mit Hören, Sehen, Fühlen, Riechen und Schmecken zu tun hat und mit Emotionen verknüpft wird, ist es eindeutig das Limbische System im evolutionär sehr alten Gehirnteil. »Wir nennen es umgangssprachlich daher auch das Emotionsgehirn«, sagt die Psychologin und Buchautorin Cora Besser-Siegmund. Das Limbische System reagiert blitzschnell, lässt uns bei Spinnen zurückzucken oder jagt uns auf hohen Kirchturmtreppen einen Schrecken ein. Erst eine halbe Sekunde, auch das ist gemessen worden, nach der spontanen emotionalen Reaktion meldet das Limbische System den Vorfall an das Großhirn, wo unser Verstand sitzt. Wir können dann nur noch im Nachhinein reflektieren, warum wir eben gerade in Panik geraten sind, obwohl die Treppe doch sicher ist, die Spinne doch ungefährlich. Oder wir ärgern uns über die Schokolade, die wir eigentlich doch gar nicht essen wollten. Dieser alte Gehirnteil ist der Grund, weshalb uns Emotionen, manchmal an sehr unpassender Stelle, völlig aus der Bahn werfen können. »Emotionen sind gut und wichtig, nur wenn sie uns wie eine Welle irgendwo hinschwemmen, wohin wir gar nicht wollten, dann werden wir sie als Blockaden empfinden«, erklärt Cora Besser-Siegmund.
Dabei betreiben wir jeden Tag ein effektives Emotionsmanagement – und zwar im Schlaf. »Alle Erlebnisse, die wir über die Sinne aufnehmen, liegen im Limbischen System wie Tüten nach einem Großeinkauf«, beschreibt Cora Besser-Siegmund. Nachts sind wir gar nicht so ineffektiv, wie wir immer meinen. »Das Unbewusste, oder was es immer ist, packt die Tüten aus und verstaut die Inhalte an den passenden Stellen im Großhirn«, erklärt die Autorin. »Und wenn das gut gelaufen ist, wachen wir morgens auf und machen einen ›aufgeräumten‹ Eindruck. Das ist ja ein Synonym für gute Laune«, so Cora Besser-Siegmund. Manchmal kommt es aber vor, dass ein Erlebnis eine Dimension zu groß ist für diese Verarbeitung. »Das ist so, als wenn man eine E-Mail bekommt, die das System nicht verarbeiten kann«, erklärt die Psychologin, »dann hängt ja auch alles. Sie haben das Gefühl, sie kommen weder vor noch zurück.« Das nennt man dann eine emotionale Blockade.
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Auslöser für blockierenden Leistungsstress
3.2
Auslöser für blockierenden Leistungsstress
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein schwer verdauliches Erlebnis auch tatsächlich zu einer emotionalen Blockade wird, hängt entscheidend davon ab, wie hoch das persönliche und allgemeine Stresslevel gerade ist. Bei starker Anspannung, hohem physischem oder psychischem Druck scheint unser Verarbeitungsprogramm bereits so angespannt zu sein, dass belastende Erlebnisse (»große E-Mails«) deutlich häufiger als hartnäckige Blockade in unserem System hängen bleiben und zu Blockaden werden. Jeder Mensch reagiert natürlich anders, aber folgende Faktoren begünstigen ein hohes nervliches Erregungsniveau, im Fachjargon »Arousal« genannt: Hohes nervliches Erregungsnivau – Arousal Ein wochenlang chronisch überhöhtes Leistungsniveau ohne einen gesunden täglichen Aktivitäts-Regenerations-Rhythmus. Als Folge bildet das Gehirn leistungsmindernde Stress-Hormone, wie beispielsweise den Botenstoff Cortisol. Körperlicher Stress wie Schlafmangel, Bewegungsmangel und ungünstige Ernährung. Empfindliche »Nackenschläge« auf dem Weg zum Ziel, von denen sich die Personen mental nicht mehr ausreichend erholen können. Soziale Unsicherheiten wie Autoritätsängste, mangelnde Konfliktstabilität, der Wunsch, es allen recht zu machen. Überhöhte Ansprüche an die eigene Person. Durch einen aggressiven und kritischen inneren Dialog wird der Mensch sein eigener Stress-Faktor. Prägende Biografie-Stress-Erlebnisse wie peinliches Versagen beim Vorrechnen an der Tafel oder im Sportunterricht, Bevorzugung von Geschwistern oder durch die Eltern. Konzentrationsschwierigkeiten wegen Stresssituationen in anderen Lebensbereichen, beispielsweise in der Partnerschaft. Enttäuschung durch wichtige Mitmenschen, denen man einen Vertrauensvorschuss gab: Kollegen, Vorgesetzte, Partner, Lehrer, Sponsoren, Instanzen wie etwa »die Justiz«. Stichwörter zu diesem Thema heißen »soziale Kälte« und »Sozialschmerz (»social pain«).
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Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
Blockierung durch intensiven Kontakt mit gestressten Mitmenschen. Hier »färbt der Stress ab«. Das Phänomen der »Spiegelneuronen« (siehe Kapitel 2) wirkt sich aus: Menschen fühlen sich »mitgenommen« durch Ängste, Sorgen und Stress ihrer Mitmenschen – meist ohne es selber bewusst zu registrieren. (aus: Cora Besser-Siegmund & Harry Siegmund: WingWave-Coaching, Junfermann-Verlag 2010)
Je höher unser »Arousal« ist, also je stärker wir umgangssprachlich »unter Strom stehen«, desto stärker wirken Ereignisse oder Reize auf uns ein und desto schwerer fällt es uns, Höchstleistungen abzurufen: Wir haben Probleme, schlagfertig zu sein und richtige Antworten oder Lösungen zu finden. Ausreichend erholsamer Schlaf ist übrigens das beste Hausmittel gegen die Entstehung von hohem Arousal.
3.3
Die Augen als Blockade-Löser
»Schlaf doch mal eine Nacht darüber«, sagt man im Volksmund, wenn jemand eine belastende Nachricht oder Entscheidung verdauen muss. Von der Gehirnforschung wissen wir, dass die emotionsverarbeitende Tätigkeit des Gehirns (siehe oben) vor allem in den sogenannten REM-Phasen (Rapid Eye Movement) des Schlafes stattfindet. In diesen Schlafphasen träumen wir besonders intensiv, man nennt sie daher auch Traum-Phasen, begleitet von schnellen Bewegungen der Augen von der einen Seite zur anderen unter den geschlossenen Augenlidern. Das veranlasste Schlaf- und Gehirnforscher zu der Annahme, dass die Emotionsverarbeitung direkt mit den schnellen Augenbewegungen in Verbindung stehen müsste. Die amerikanische Psychologin Francine Shapiro machte im Mai 1987 per Zufall eine interessante Entdeckung: »Als ich eines Tages durch einen Park ging, merkte ich, dass gewisse belastende Gedanken, die mich verfolgt hatten, plötzlich verschwanden. Außerdem fiel mir auf, dass diese Gedanken, wenn ich sie mir absichtlich wieder in Erinnerung rief, nicht mehr so belastend und so real bedrohlich auf mich wirkten wie ursprünglich. Aufgrund früherer Erfahrungen wusste ich, dass belastende Gedanken sich gewöhnlich ständig wiederholen, so als würde ein Endlosband immer wieder abgespielt, bis man bewusst etwas unter70
Die Augen als Blockade-Löser
nimmt, um dies zu unterbinden oder die Gedanken zu verändern. Was mich in diesem Fall verblüffte, war, dass sich die belastenden Gedanken in diesem Fall verändert hatten und verschwunden waren, ohne dass ich bewusst etwas unternommen hatte.« Shapiro weiter: »Ich merkte schließlich, dass immer dann, wenn mir belastende Gedanken kamen, meine Augen spontan anfingen, sich sehr schnell auf einer Diagonale hin- und her zu bewegen. Danach verschwanden die Gedanken, und wenn ich sie mir bewusst erneut vergegenwärtigte, war der mit ihnen verbundene negative Effekt stark verringert. Nachdem ich dies festgestellt hatte, fing ich an, die Augenbewegungen absichtlich zu vollführen, während ich mich auf bestimmte belastende Gedanken und Erinnerungen konzentrierte. Auch bei diesem absichtlichen Einsatz der Augenbewegungen verschwanden die Gedanken und verloren ihre belastende Wirkung.« Wachzustand REM- bzw. Traumschlaf Schlafphase 1 (Leichtschlaf) Schlafphase 2 (Leichtschlaf)
Schlafphase 3 (Tiefschlaf) Schlafphase 4 (Tiefschlaf) 22 23 24
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7
Schlafablauf in Stunden Abb. 9: Schlafphasen
Aus diesem zufälligen Erlebnis (und ihren Erfahrungen über schnelle Augenbewegungen aus der Zusammenarbeit mit NLP-Erfinder John Grinder) entwickelte Francine Shapiro eine Behandlungsmethode, die sie EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) nannte, was frei übersetzt soviel heißt wie: Desensibilisierung und Aufarbeitung durch Augenbewegungen. Kernpunkt dieses Verfahrens ist, dass durch aktiv eingeleitete Augenbewegungen – die Augen des Klienten folgen dabei den Fingern des Therapeuten – belastende Erlebnisse verarbeitet werden. EMDR gilt inzwischen als eine der wirkungsvollsten Therapien zur 71
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
Behandlung von schwer traumatisierten Patienten wie beispielsweise den Opfern von Entführungen, Gewalttaten und schweren Unfällen. Francine Shapiro, inzwischen Senior Research Fellow am Mental Research Institute im kalifornischen Palo Alto, ließ durch zahlreiche begleitende Forschungsstudien (Nicosia 1994) eindeutig nachweisen: Künstlich eingeleitete Augenbewegungen haben den gleichen Effekt wie die REM-Phasen nachts im Schlaf. Sie leiten einen Prozess ein, der zur Verarbeitung von belastenden Erlebnissen und zur Lösung von emotionalen Blockaden führt.
3.4
Warum EMDR so eindrucksvoll wirkt
Dass EMDR bei Traumapatienten überzeugend gute Ergebnisse liefert, das ist durch empirische Forschungen eindeutig belegt worden. Nur wie die künstlich stimulierten Augenbewegungen (Winken) im Detail auf unser Gehirn wirken und warum dieses Verfahren so gute Ergebnisse liefert – das konnte durch die Wissenschaft noch nicht endgültig nachgewiesen werden. Es gibt zurzeit zwei unterschiedliche Erklärungsversuche: Desensibilisierung Die Augenbewegungen lenken in erster Linie ab, vermutet man bei dieser Theorie. Wenn der Klient jetzt an sein traumatisches Erlebnis denkt, findet ein »Entlernen« statt. Anstatt mit negativen Gefühlen verknüpft sich die Erinnerung zunehmend mit neutralen oder angenehmen Emotionen. Die ursprüngliche negative Verknüpfung ist gelöst. Bilaterale Hemisphären-Stimulation Interessanterweise traten die positiven Effekte des Augen-Winkens auch bei auditiven und taktilen Reizen im Winke-Rhythmus auf: durch abwechselndes Fingerschnipsen vor dem linken und rechten Ohr des Klienten oder ein abwechselndes Tippen auf die linke und rechte Schulter beziehungsweise das linke oder rechte Knie. Entscheidend ist offenbar weniger der Sinneskanal, als vielmehr die »Linksrechts-Intervention« (Shapiro 1998). Die EMDR-Begründerin Francine Shapiro und viele Neurowissenschaftler gehen deshalb mittlerweile davon aus, dass wache REM-Phasen als »bilaterale Stimula72
Coaching mit WingWave
tion« wirken und so eine optimale Zusammenarbeit von linker und rechter Gehirnhälfte herstellen beziehungsweise eine gute Vernetzung aller Gehirnbereiche ermöglichen. Untersuchungen von EMDR-Klienten mit der Quantitativen Elektro-enzephalografischen Analyse (QEEG) ergaben, dass EMDR die Aktivität der langsamen Gehirnwellen in den beiden Hemisphären (Gehirnhälften) synchronisiert und normalisiert (Shapiro 1998). Und das ist deshalb interessant, da man gemessen hat, dass durch die Noradrenalinausschüttung bei traumatischen Erlebnissen die REM-Aktivitäten unterdrückt werden und die Vernetzung der beiden Gehirnhälften gestört ist. Diese »interhemisphäre Asynchronie« verhindert die Verarbeitung und Integration von Erinnerungen. Die Messungen (Shapiro 1998) bewiesen: Die im Rahmen der EMDR-Behandlung ausgeführten Augenbewegungen synchronisieren die beiden Gehirnhälften. Und die vorher gestörte Verarbeitung traumatischer Erlebnisse ist wieder möglich.
3.5
Coaching mit WingWave
WingWave ist eine Methode, die auf den neuesten Erkenntnissen der Gehirnforschung und auf den überzeugenden Ergebnissen mit EMDR aufbaut. WingWave nutzt die aktiv eingeleiteten Augenbewegungen als wichtiges Werkzeug und gilt als eines der modernsten und wirkungsvollsten Kurzzeit-Coachings zur Auflösung von emotionalen Blockaden. Es ist sehr effizient bei der Vorbereitung auf Präsentations- und Prüfungs- und sonstige Höchstleistungssituationen, sportliche Höchstleistungen und beim Überwinden von isolierten Blockaden wie Flugoder Höhenangst und vielen anderen Problemen. Der Einsatzbereich ist also sehr vielfältig. Einzelne Spieler der Deutschen Handballnationalmannschaft wurden mit WingWave gecoacht und gewannen den Weltmeistertitel 2007. Der Volkswagenkonzern setzt auf WingWave im Bereich der Personalentwicklung – genauso wie viele andere Firmen, Kunden und Coachingklienten (siehe auch Kapitel 1). WingWave ist keine Psychotherapie und ersetzt auch keine. »WingWave ist Emotions-Coaching«, sagt die Diplompsychologin Cora Besser-Siegmund (2010), die zusammen mit ihrem Mann Harry Siegmund die Technik erfunden und etabliert hat. Der Name WingWave ist einerseits inspiriert durch den Flügelschlag des Schmetterlings , der – so sagt man – »... auf der anderen Seite der Welt das Wetter ändern kann«. Das kann natürlich nur gelingen, wenn der »wing« punktgenau an der richtigen Stelle schwingt. Der Wortteil »wave« rührt vom englischen »brainwave«, was soviel heißt wie Geistesblitz. Ein Geistesblitz, der beide Gehirnhälften optimal miteinander in Schwingungen bringt. 73
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
WingWave setzt direkt dort an, wo das emotionale Problem oder der Stress entsteht und sich festgesetzt hat – im Gehirn. Durch gezielt eingesetzte Rechts-linksImpulse (vor allem der Augen) werden die beiden Gehirnhälften synchronisiert und auf diese Weise emotionale Blockaden aufgelöst. Der große Unterschied zu Verfahren wie EMDR ist, dass bei WingWave die Auslöser für negative Emotionen und Blockaden vorher diagnostiziert und die damit einhergehenden unangenehmen körperlichen Empfindungen genau lokalisiert werden. Dies geschieht mit einem speziellen Muskeltest. WingWave kombiniert drei hocheffektive Coaching-Bausteine: Elemente aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP), einen Muskeltest (Myostatiktest) und die Nutzung wacher REM-Phasen (Bilaterale Hemisphärenstimulation).
Der Muskeltest
Vor dem aktiven Einleiten der Augenbewegung zur Lösung emotionaler Blockaden sollte noch genauer herausgefunden werden, welches ursprüngliche Erlebnis zu diesem Zustand geführt hat, also: Was ist passiert? Wann ist es passiert? Und warum ist es passiert? Sehr häufig liegen die Ursachen für eine übermäßige Prüfungsangst, übermäßige Trennungsangst, für Flugangst, für Höhenangst, für Sprechblockaden oder eine Schreibblockade lange zurück. Häufig sind es Erlebnisse aus der Kindheit, die dem Erwachsenen womöglich heute gar nicht mehr bewusst sind. In solchen Situationen gibt es nur eine Chance: Wir müssen Kontakt zum Unterbewusstsein aufnehmen, denn das hat das einschneidende Erlebnis ja offensichtlich noch nicht vergessen beziehungsweise noch nicht angemessen verarbeitet. Dafür gibt es eine einfache, aber wirkungsvolle Methode, den Muskel- oder Myostatiktest. Beim WingWave-Coaching wird der Myostatiktest benutzt – eine Weiterentwicklung des sogenannten »O-Ringtest« oder nach seinem Entdecker Dr. Omura auch Omura-Ringtest genannt. Denn eine wissenschaftliche Studie (vgl. Besser-Siegmund/Siegmund 2010) bestätigte diese Technik als besonders verlässlich, aber dazu später mehr. Zunächst eicht sich der Coach auf die individuelle Kraft des Klienten. Dieser schließt Daumen und Zeigefinger zu einem Ring geformt kräftig zusammen, wäh74
Coaching mit WingWave
rend der Coach versucht, diesen Ring zu öffnen. Stellt der Coach fest, dass die Grundkraft seines Klienten in dem Moment gerade sehr schwach ist, er »nicht gut beisammen ist«, gibt es wirkungsvolle Kniffe: Wasser trinken und das rhythmische Klopfen auf die Thymusdrüse. Diese für die Immunabwehr und die allgemeine Körperkraft bedeutsame Drüse befindet sich hinter dem Brustbein, etwa fünf Zentimeter unter dem oberen Brustbeinansatz. Durch leichtes Klopfen mit der Faust oder den Fingern gerät die knöcherne Substanz in Schwingungen und stimuliert die Thymusdrüse. Wer sich das nicht genau vorstellen kann: Tarzan macht es uns in seinen Filmen perfekt vor. Alle Primaten nutzen dieses KraftKlopfen, um sich für einen bevorstehenden Kampf aufzuputschen. Und auch bei Klienten zeigt das Klopfen Wirkung: Die zuvor zu schwachen Finger halten den Ring mit deutlich vermehrter Kraft. Selbst-Coaching-Tipp Täglich mehrfaches, circa einminütiges Klopfen auf die Thymusdrüse steigert die subjektiv verfügbare Körperkraft und die Immunabwehr. Sogar das mentale Leistungsvermögen wird besser. Die kraftspendende Wirkung der Thymusdrüsenstimulation hält zwei bis drei Stunden an. Es reicht also, wenn Sie eine halbe Stunde vor einem wichtigen Anlass klopfen. Klopfen Sie einfach so lange, bis Sie einen tiefen Atemzug machen müssen. Das ist das Signal, dass die Wirkung einsetzt.
In der nächsten Phase, der »Kalibrierung«, testet der Coach, ob und wie der Klient auf den Muskeltest anspricht. Zunächst soll er beispielsweise laut seinen eigenen Namen nennen – zum Beispiel: »Mein Name ist Jan.« Der O-Ring ist dann meist fest und nur schwer auseinanderzuziehen, da diese Aussage für den Namensinhaber stimmig klingt und für keinerlei Verwirrung sorgt. Anschließend wird der Klient gebeten, laut einen Fantasienamen zu sagen, beispielsweise: »Mein Name ist Hildegard.« Erstaunlicherweise lässt sich der Muskel-Ring jetzt ganz leicht vom Coach auseinanderziehen. Die Kalibrierung hat funktioniert beziehungsweise der Coach hat sich für den weiteren Prozess »geeicht«. Aber warum funktioniert das so gut? Die Hand ist ein ganz einmaliges Organ. Sie vereint Sensorik und Feinmotorik in einzigartiger und hoch komplizierter Weise. Die Hand benötigt daher in unserem Gehirn eine vergleichsweise große Steuerungsfläche – auch im Großhirn. Hier befindet sich nicht nur unser Verstand, sondern eine ganz wichtige Steuerungsfunktion: sozusagen der »Dirigent« unseres Gesamterlebens. Im Frontalhirn werden 75
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
alle Erlebnisse wie Erfahrungen, Denken, Fühlen und Handeln zu einem Gesamtauftritt kombiniert. Kann dieser »Dirigent« seiner Arbeit nicht nachkommen, sind wir irritiert, durcheinander, »nicht auf der Reihe«. Dieses Irritiertsein lässt sich sogar anhand einer Spannungsänderung im Großhirn messen, man nennt diesen Effekt »P 300«. Offensichtlich spiegeln sich selbst kleine Irritationen in der Koordinationsfähigkeit des Großhirns innerhalb von Sekundenbruchteilen in den Handmuskeln wieder. Das erklärt, weshalb sich durch das Aussprechen des falschen Namens der Muskelring öffnet. Jetzt kann die eigentliche Diagnose-Arbeit beginnen. Der Coach nennt potenziell stressende Dinge und testet gleichzeitig, ob der Muskelring fest bleibt oder aufgeht. Beispiel: »Wann ist diese Angst das erste Mal aufgetreten – in der Kindheit, in der Jugend, im Erwachsenenalter.« Bei der Nennung der Stichworte »Kindheit«, »Jugend« und »Erwachsenenalter« testet der Coach jeweils den Muskelring. Geht er auf, weiß er, dass in diesem Altersbereich ein auslösender Stressfaktor liegt und kann differenzierter analysieren – und schließlich mithilfe des Muskel-Feedbacks sogar den Zeitpunkt oder -raum des Auslösers (zum Beispiel einer Flugangst) bestimmen. Das ist selbstverständlich ein riesiger Vorteil gegenüber anderen Coaching- oder Verhaltenstrainingstechniken. Denn mit dem Muskeltest lassen sich auf relativ einfache Weise die ganz individuellen Stress-Auslöser zu einem bestimmten Problem schnell aufspüren und treffsicher lokalisieren. So kann das Verfahren wie ein »Stress-TÜV« vor wichtigen Höchstleistungssituationen eingesetzt werden: Der Coach testet alle Phasen der entscheidenden Situation mit dem Muskeltest durch und kann dadurch mögliches Stresspotenzial bereits im Vorfeld aufspüren und lokalisieren. Im Coaching können mit dem Muskeltest beispielsweise auch die 16 Motive aus dem Reiss-Profil durchgetestet werden. Hiermit kann man sehr genau identifizieren, in welchen Motivsbereichen bewusst oder unbewusst Stress erlebt wird. Das kann eine sehr effiziente Maßnahme zur besseren Work-Life-Balance und natürlich auch zur Prävention von Burn-out sein. Abschließend können mit dem Muskeltest natürlich auch positive Veränderungen in der Verarbeitung von Erlebnissen durch die WingWave-Intervention festgestellt und überprüft werden. Wenn etwa bei der Anweisung »Stellen Sie sich vor, Sie steigen in das Flugzeug«, bei der sich anfangs der O-Ring immer öffnete, die Finger jetzt fest aufeinanderbleiben, wissen Coach und Klient, dass dieses Erlebnis verarbeitet ist – es der Klient jetzt im wahrsten Sinne des Wortes »verkraftet«. So be76
Coaching mit WingWave
kommen Coach und Klient auch ein sicheres Feedback über den Erfolg ihrer Arbeit. Der Muskeltest dient somit als Kompass im gesamten Coaching-Prozess. Die Treffsicherheit des Muskeltests ist von der Wiener Ärztin Dr. Maria Lack in aufwendigen Forschungsreihen belegt worden (Besser-Siegmund/Siegmund 2010).
Das Augen-Winken
Der Muskeltest ist das Instrument zur Problem-Diagnose und Lokalisierung. Die Problem-Verarbeitung und das Lösen emotionaler Blockaden wird durch die künstlich eingeleiteten Augenbewegungen in Gang gesetzt. Ein Praxisbeispiel: Durch den Muskeltest ist herausgekommen, dass sich der Klient in Prüfungssituationen vor allem hilflos fühlt. Er wird gebeten, in sich hineinzufühlen, in welchem Körperteil er die Hilflosigkeit spürt. Sagt der Klient beispielsweise »in der Herzgegend«, kann der Coach die Stimmigkeit dieser Aussage ebenfalls mit dem Muskeltest gegenchecken. Er bittet den Klienten dann, an die »Hilflosigkeit« und an die betroffene Körperzone zu denken. Gleichzeitig »winkt« der Coach mit seiner Hand vor den Augen des Klienten, der mit seinen Blicken entsprechend folgt. Das Winken soll im Sekundentakt hin und her erfolgen: eine halbe Sekunde hin und eine halbe zurück. Die so induzierten schnellen Augenbewegungen verlaufen ähnlich den REM-Mustern (Rapid Eye Movenment) während der Traumphase im Schlaf (siehe Abb. 9). Viele Klienten meinen anfangs, dass der Coach zu schnell winkt. Aber das hat einen guten Grund: Die meisten Emotionen, die wir subjektiv als unangenehm einschätzen, gehen mit einem hohen Muskeltonus an den Augäpfeln einher. Insofern macht das schnelle Winken Sinn, um wieder Beweglichkeit, gedanklichen und emotionalen Fluss herzustellen. Häufig zeigt sich bereits nach ein- oder zweimaligem Winken, dass der mit den Fingern gebildete O-Ring, der vorher bei der gedanklichen Konfrontation mit der schwierigen Situation aufging, jetzt plötzlich fest zusammenhält. Der Klient scheint die gleiche Situation und die begleitenden Gefühle plötzlich zu verkraften. Und zukünftig werden Gedanken an diese Situation oder Person nicht mehr stressen. Das Winken und schnelle Bewegen der Augen setzt ganz offensichtlich einen Prozess der Emotionsverarbeitung in Gang. Dieser Prozess hat folgenden neurobiologischen Hintergrund: Solange sich negative, stressende Erfahrungen noch im Limbischen System befinden, können 77
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
sie neurobiologisch nicht bearbeitet werden und dadurch auch in der Erinnerung nicht verblassen. Nur die Bereiche des Großhirns sind dazu in der Lage. Durch die EMDR- beziehungsweise WingWave-Intervention werden die stressenden Erfahrungen und Erinnerungen dorthin abgelegt – und der Verarbeitungsstau ist behoben. Bei der Emotionsverarbeitung mithilfe der REM-Phasen gilt: einmal verarbeitet, für immer verarbeitet. Daher sind die Coaching-Ergebnisse über die wachen REM-Phasen auch so nachhaltig und stabil. Klienten schildern, dass sie nach den Coachings angenehm erschöpft sind und zu Tagträumereien neigen. Das sind neuronale Nachverarbeitungsprozesse, die automatisch ablaufen. »Das Gehirn benötigt manchmal noch bis zu sechs Wochen, bis die Veränderungen in jeder Zelle angekommen sind«, erklärt WingWave-Erfinderin Cora Besser-Siegmund.
Selbst-Coaching mit WingWave-Musik
Die bilaterale Hemisphärenstimulation oder Links-rechts-Intervention funktioniert am effektivsten über die Augenbewegungen, denn die Augen sind neurobiologisch direkt dem Gehirn zugeordnet. Daher ist der visuelle bei uns auch der klar dominierende Sinneskanal. Wie oben beschrieben, erreichen wir den positiven Effekt aber auch über auditive und taktile Reize. Die »Butterfly-Methode« ist eine abwechselnde Rechts-links-Stimulation, bei der man sich selbst rhythmisch auf die Schulten klopft. Diese Berührungs- und Geräuschstimulation kann Stresszustände regulieren, beispielsweise ein ängstliches Gefühl im Fahrstuhl oder auf hohen Gebäuden lindern. Mehr dazu finden Sie im Kapitel 6 Selbst-Coaching. Für das Selbst-Coaching über den auditiven Sinneskanal wurde spezielle WingWave-Musik entwickelt. Bei dieser Musik wird ein musikalisches Thema im »Winke-Takt« mit musikalischen Grundtönen – abwechselnd am linken und am rechten Ohr – untermalt. Für den bilateralen Stimulationseffekt muss die Musik über Kopfhörer gehört werden. Dabei kann man gedanklich seine Coaching- oder Stress-Themen durchgehen. Die Musik sorgt dafür, dass man die gedankliche Aufarbeitung automatisiert und begleitet von großer innerer Ruhe durchführen kann (Besser-Siegmund/Siegmund 2003). Auch hierzu finden Sie mehr im Kapitel »Selbst-Coaching«.
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Angst verhindert Höchstleistungen
Abb. 10: Wirkung der WingWave-Musik. Durch die entstressende Wirkung der WingWave-Musik verringert sich nach fünfminütigem CD-Hören das Erregungsniveau des Klienten sichtbar. Beruhigung, effektiver Stressausgleich und die harmonisierende Wirkung der Gehirnhälften sind abzulesen. Hierfür wurden an der rechten und linken Hand Elektroden angesetzt, die den Hautwiderstand gemessen haben. Dieser gilt als Indikator für den Erregungszustand der gesamten Neurobiologie und demnach auch des Gehirns. (Quelle: »WingWave-Coaching« von Cora Besser-Siegmund/Harry Siegmund)
3.6
Angst verhindert Höchstleistungen
Um Höchstleistungen zu erbringen, müssen wir in einem Zustand der Ausgeglichenheit oder emotional-mentalen Balance sein. Jegliche Form von Angst oder Stress hemmt unsere Leistungsfähigkeit. Oder ganz einfach ausgedrückt: Angst verhindert Höchstleistung, da wir diesen Situationen dann bewusst oder unbewusst ausweichen. Aber wer sich einmal in seinem Freundes- und Bekanntenkreis umhört, wird feststellen: Ängste sind verbreiteter, als man zunächst annimmt – Ängste vor Präsentationen, Prüfungen, Mäusen, Spinnen oder Hunden. Ein guter Freund von 79
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
mir hat Höhenangst, ein Kollege hat eine Schlangenphobie und ein anderer Bekannter leidet unter Flugangst – tja, und viele neigen in sehr engen Fahrstühlen zu Platzangst (Klaustrophobie). Diese sehr speziellen Ängste, man kann sie auch »isolierte Blockaden« nennen, sind fast so etwas wie eine heimliche Volkskrankheit, sehr viele Menschen leiden darunter, aber kaum einer redet gerne darüber. Denn diese Art von Ängsten haben etwas außerordentlich Bedrohliches: Sie gehen mit sehr unangenehmen Gefühlen und Körperempfindungen wie Herzrasen oder Panik einher, sie sind jedoch irrational! Man hat Platzangst, obwohl man intellektuell weiß, dass einem im engen Fahrstuhl nichts passieren wird. Der Freund mit der Höhenangst bekommt auch an ganz sicheren Stellen, an denen er gar nicht abstürzen kann, Panikattacken. Und meine Freundin muss bereits weggucken, wenn sie nur das Bild von einer Spinne im Fernsehen sieht. Von wirklicher Gefahr kann in allen Fällen keine Rede sein. Man schätzt, dass bis zu fünf Prozent der Deutschen an solchen Ängsten leiden. Aber die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen. Die häufigsten isolierten Blockaden sind die Angst vor Tieren, die Platzangst, Höhen- und Flugangst. Viele dieser Ängste sind unangenehm, aber in Alltag und Berufsleben nicht wirklich beeinträchtigend. Der Betroffene kann es problemlos vermeiden auf hohe Kirchtürme zu klettern, man muss sich nicht unbedingt eine Schlange um den Hals hängen und man muss sich ja nicht in einen engen Fahrstuhl quetschen, sondern kann die Treppen nehmen. Flugangst kann dagegen eine große Einschränkung bedeuten. Ein Manager mit starker Flugangst wird kaum im Vertrieb bei einem internationalen Konzern Höchstleistungen zeigen können. Flugangst kann ein Karriere-Killer sein. Flugangst und Höhenangst gehören daher auch, wenn es um isolierte Blockaden geht, zu häufigen Themen in einer Coaching-Praxis.
3.7
Wie Flugangst und Höhenangst verschwinden
Aber aus welchem Grund entwickeln bestimmte Menschen eine Angst vor der Höhe oder vor dem Fliegen und andere nicht? Es gibt verschiedene Theorien darüber, wie isolierte Blockaden oder Phobien konkret entstehen, siehe auch »Vertiefung«. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass sich isolierte Blockaden durch WingWave-Coaching mit wachen REM-Interventionen deutlich abmildern und sogar auflösen lassen. Teilweise gibt es spektakuläre Erfolge, bei denen wenige Sitzungen reichten, um hartnäckige Höhen- oder Flugängste vollständig aufzulösen. Hier ein paar Beispiele aus meiner Coaching-Praxis: 80
Wie Flugangst und Höhenangst verschwinden
Nach einer Sitzung die Flugangst vergessen Ein Unternehmer, etwa 40 Jahre alt, wollte sich wegen seiner Flugangst von mir coachen lassen. Bislang kam er mit seiner Flugangst einigermaßen klar, da er nur innerdeutsch fliegen musste. Aber sein Geschäft expandierte, und er musste nun auch regelmäßig nach Dubai und New York fliegen. Was sollte er tun? Zunächst versuchte er, sich zu überlisten. »Schatz, ich habe eine tolle Überraschung für dich«, sagte er seiner neuen Lebenspartnerin: »Pack ein paar Sachen für warme Gefilde ein«. Er buchte eine ganz tolle Reise. Beide stiegen in das Taxi zum Flughafen. Aber als die Taxe in die Auffahrt zum Flughafen einbog, gestand er seiner verblüfften Partnerin plötzlich: »Schatz, es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Die gute: Ich habe für uns einen traumhaften Urlaub in Dubai gebucht. Die schlechte: Ich kann leider nicht mitfliegen.« Nach diesem Desaster saß er jetzt bei mir im Büro, denn in zwei Monaten musste er für einen ganz wichtigen Geschäftstermin nach New York fliegen. Das eigentliche Thema seiner Flugangst war die Reiseflughöhe. Wenn der Pilot über Lautsprecher durchsagte: »Wie haben jetzt eine Höhe von 8.000 Metern erreicht«, brach bei ihm der Angstschweiß aus. Warum ausgerechnet ab 8.000 Metern Höhe die Panikattacken einsetzten – und noch nicht bei 6.000 oder 7.000 – konnte sich mein Klient auch nicht erklären. Nach nur einer Sitzung WingWave-Coaching hörte ich nichts mehr von ihm. Hatte ihm die Art des Coachings vielleicht nicht zugesagt? Nach etwa einem halben Jahr rief ich ihn interessehalber an. Am Telefon fragte ich ihn, wie es ihm so gehe. »Super«, sagte er, »alles läuft prima, ich komme gerade aus New York zurück.« »New York?«, fragte ich ungläubig zurück, »ging das denn mit Ihrer Flugangst?« An seiner verdutzten Reaktion merkte ich, dass er seine ehemalige Flugangst, für die er ja den tollen Dubai-Urlaub absagen musste, offenbar ganz vergessen hatte. Und das nach nur einer einzigen Coaching-Sitzung. Diese »Express-Genesung« war natürlich eine Ausnahme. In der Regel dauern Anti-Flugangst-Coachings mit WingWave drei bis fünf Sitzungen. Viele Therapieformen benötigen dafür erheblich länger.
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Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
Sie wollte lieber am Gang sitzen Da eine längere Urlaubsreise anstand, kam ein Bauunternehmer mit seiner Frau zu mir. Sie litt unter starker Flugangst. Zunächst gingen wir die früheren Flüge durch, aber es gab keine negativen Erlebnisse, wie etwa starke Turbulenzen, Notlandungen oder andere Zwischenfälle. Dann testete ich mit dem Muskeltest die einzelnen Phasen der Flugvorbereitung und des Abfluges durch: Von der Taxifahrt zum Flughafen, über das Einchecken und die Sicherheitskontrolle bis zum Einsteigen in die Maschine. Am stärksten reagierte die Frau auf das Schließen der Flugzeugtüren. Jetzt konnte sie nicht mehr raus. An diesem Punkt geriet sie immer in Panik, die dann den ganzen Flug anhielt. Ich testete mithilfe des Muskeltests: »Hinter der Flugangst liegt ein anderes Thema«. Der Myostatiktest brachte uns so zu einer entscheidenden »Deckerinnerung«, die inhaltlich in keinem direkten Zusammenhang zum Fliegen stand. Das Ereignis lag zwei, drei Jahre zurück. Auf einem Dorffest hatte meine Klientin zusammen mit ihrem Vater ausgelassen getanzt. Mitten im Tanz brach ihr Vater plötzlich zusammen und verstarb in ihren Armen. Bei der Erinnerung an dieses dramatische Erlebnis brach sie auch in der Coaching-Sitzung wieder in Tränen aus. Sie flog schon vorher nicht sehr gerne, aber seit diesem Erlebnis ging gar nichts mehr. Ich habe dieses Erlebnis ausgiebig mit WingWave bewunken, bis der Muskeltest signalisierte, dass meine Klientin diese tiefe Emotion besser verkraftet hatte. Zum Abschluss fragte ich sie: »Wo sitzen Sie denn immer im Flugzeug?« Da ihr Mann und ihre Tochter es besonders gut mit ihr meinten, nahmen sie sie im Flieger stets in die Mitte. Der Muskeltest zeigte aber, dass ihr das unterbewusst gar nicht so recht war. Der Mittelplatz erzeugte zusätzlichen Stress. Wir fanden heraus, dass sie viel lieber – die Tochter neben sich – am Gang sitzen wollte. Das war ihr vorher gar nicht so bewusst geworden. Allein durch ein Gespräch hätten wir das sicherlich nicht herausbekommen – genauso, wie die »psycho«-logische Verknüpfung des Fliegens mit dem Tod des Vaters. Nach dem Urlaub rief mich meine Klientin an und berichtete, dass sie den Flug das erste Mal als angenehm erlebt hatte.
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Wie Flugangst und Höhenangst verschwinden
Rockige Turbulenzen Ein bekannter TV-Star musste regelmäßig fliegen – meist in kleineren Propellerflugzeugen. In den kleinen Maschinen und bei dem häufigen Wind an der Küste gab der Pilot fast schon routinemäßig folgende Ansage durch: »Bitte schnallen Sie sich an, es könnte zu Turbulenzen kommen.« Obwohl der TV-Star diese Durchsage nicht zum ersten Mal hörte, zuckte er jedes Mal zusammen und bekam fürchterliche Panikattacken. Da ich wusste, dass mein Klient ein großer Fan von Rockmusik war, versuchten wir gemeinsam eine etwas andere Strategie. Der TV-Star sollte sich einfach vorstellen, dass mit den Lautsprecherdurchsagen seine Lieblingsband angekündigt werden sollte: »Hallo Fans, schnallt euch schon mal an. Gleich könnte es Turbulenzen geben, denn die Rolling Stones sind da!« Von da an musste der Klient bei den Ansagen des Piloten regelmäßig schmunzeln. Das gedankliche Umdeuten oder »Reframing« hatte gewirkt, und die Flugangst wurde immer schwächer und verschwand schließlich ganz. Flankiert wurde dieses Reframing durch Emotions-Coaching mit WingWave. Außerdem bekam der Klient einen Leitfaden zum Selbst-Coaching gegen »mulmige Gefühle« beim Fliegen (siehe unten).
Selbst-Coaching-Tipp: Leitfaden bei »mulmigen Gefühlen« rund ums Fliegen Nutzen Sie WingWave-Selbst-Coaching-Methoden und stellen Sie sich währenddessen möglichst detailliert diesen gesamten Prozess Schritt für Schritt vor. Die künstlichen REM-Phasen »entstressen« diese einzelnen Aspekte: Anfahrt mit Taxi, Bus oder Bahn Betreten der Abfertigungshalle Gepäck einchecken und Sicherheitskontrolle Das Abflug-Gate aufsuchen Sitzen im Wartebereich Der Flug wird aufgerufen In der Schlange stehen Über die Fluggastbrücke/Gangway gehen
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Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
Den Sitzplatz aufsuchen und sich anschnallen Die Türen im Flugzeug werden geschlossen Die Stewardess erklärt die Flugsicherheit Das Flugzeug rollt, bleibt dann stehen Die Beschleunigung beim Start und das Abheben Die Reisehöhe ist erreicht, die Anschnallzeichen gehen aus Turbulenzen während des Flugs, das Flugzeug wird gerüttelt Test von »Höhe«, »Geschwindigkeit«, »Enge in der Kabine« und so weiter Das WC aufsuchen Reisezeit bei langen Flügen Die Landung« (Aus: Dirk W. Eilert & Cora Besser-Siegmund: »WingWave-Coaching: die Profi-Box«, Junfermann Verlag 2011)
Es empfiehlt sich, am tatsächlichen Flugtag bei jedem dieser einzelnen Schritte über Kopfhörer WingWave-Musik zu hören. Wann diese zwischenzeitig im Flugzeug auszustellen ist, bleibt mit der jeweiligen Airline zu klären.
Höhenangst oder die Panik vor dem Fehltritt Ein erfolgreicher Manager aus der Medienbranche, 49 Jahre alt, litt seit seiner Kindheit an Höhenangst, allerdings an einer sehr speziellen Ausprägung. Es war nämlich nicht die Höhe an sich. Wenn er angeschnallt im Flugzeug oder Helikopter saß, konnte er ohne Probleme aus großer Höhe hinunter in die Tiefe blicken. Er genoss diesen Anblick sogar. Das Gleiche galt für den Ausblick von der gut gesicherten Terrasse eines Wolkenkratzers. Problematisch wurde Höhe für ihn, wenn er sich selbst in großer Höhe bewegen musste. Die Wanderung über einen schmalen Grat im Gebirge, links und rechts ging es hundert Meter in die Tiefe, versetzte ihn in Panik. Seine Angstvorstellung war: Wenn ich jetzt in Panik gerate und einen Fehltritt mache, stürze ich ab. Es war also weniger die Angst vor der Höhe, sondern vor allem eine Angst vor dem Fehltritt – letztlich sogar eine Angst vor der Angst. 84
Wie Flugangst und Höhenangst verschwinden
Die Angst war aus rationaler Sicht völlig unbegründet, da der Manager sehr sportlich und trittsicher war, dazu noch ein ausgezeichneter Skiläufer. Außerdem liebte er die Berge. Aber bei Bergtouren musste er regelmäßig passen, schließlich wusste er ja nie, ob nicht auf der Tour eine für ihn kritische Passage kommen würde. Auch auf hohe Leitern oder Baugerüste konnte er aus gleichem Grund nicht steigen, was Kollegen oder Freunde angesichts seiner Sportlichkeit nur schwer nachvollziehen konnten. Am Schlimmsten aber waren für ihn Kirchtürme. Besonders die Treppen im Turmaufgang des Hamburger Wahrzeichens »Michel«, der St. Michaelis Kirche. Durch die Stufen aus Metallgeflecht konnte man hindurch sehen, teilweise recht tief hinunter bis auf den nächsten Zwischenboden des Turmes. In manchen Passagen wirkte die steile, ausgesetzte Treppe in dem großen Hohlkörper des Kirchturmes fast wie ein später eingesetztes Baugerüst. Außerdem verband er mit dem Michel eine für ihn böse Geschichte: Es war der Ort, an dem er als Kind die bisher größte Angst seines Lebens gespürt hatte. Seine engagierte Grundschullehrerin wollte den Kindern damals etwas Besonderes bieten und mit ihnen die Türme der vier Hamburger Hauptkirchen besteigen. Aber der Aufstieg auf den Michel wurde für ihn zum Albtraum. Als die Lehrerin merkte, dass er offensichtlich mit der Höhe Probleme hatte, nahm eine junge Referendarin den kleinen Jungen an die Hand. »Ich glaube, ich habe ihre Hand aus Angst fast zerquetscht«, erzählte mir der Manager in der ersten Coaching-Sitzung. Dieses Ereignis im Michel hatte ihn schwer traumatisiert. Und nun wollte er dieses Trauma endlich lösen. Mit dem Muskeltest konnten wir genau abtesten, zu welchem Zeitpunkt die problematische Michel-Besteigung stattgefunden haben musste: im Alter von acht Jahren. Aber war sie der eigentliche Auslöser oder gab es noch eine andere »Deckerinnerung«? Mithilfe des Muskeltests fanden wir heraus, dass es im Alter von sechs Jahren im elterlichen Garten einen recht dramatischen Sturz aus dem Apfelbaum mit tiefer Schnittwunde am Knie gegeben hatte. Doch diese Erinnerung allein und das anschließende Bewinken konnte die Höhenangst noch nicht lösen. Beim nächsten Aufstiegstest im Treppenhaus der St. Michaeliskirche gab er nahezu an der gleichen Stelle auf wie beim ersten Mal. Aber es gab noch eine zweite »Deckerinnerung«: Der Manager bekam als Kind sehr früh ein eigenes Kinderzimmer. Das lag im Obergeschoss des elterlichen Wohnhauses und war nur über eine für ihn damals sehr steile Treppe zu erreichen. Etwa auf halber Höhe gab es einen Treppenabsatz mit einem seitlichen Treppen85
Was Höchstleistungen verhindert oder ermöglicht
hausfenster, durch das man hinunter auf die Straße schauen konnte. Das Überwinden des Treppenabsatzes war für den damals kleinen Jungen täglich eine regelrechte Mutprobe. Diese Erlebnisse passten natürlich exakt zu dem Profil seiner späteren Höhenangst. Doch trotz des Bewinkens dieser wichtigen Erinnerung verschwand die Höhenangst nicht. Die Angst vor der Angst war einfach zu stark. Vermutlich hatte das erlittene Trauma bei der Michelbesteigung mit der Grundschullehrerin zu starke neuronale Vernetzungen gebildet. Der Prozess, die Phobie abzubauen, brauchte einfach etwas mehr Zeit. Gemeinsam entwickelten wir den Plan, den Turm Schritt für Schritt, Absatz für Absatz zu erklimmen. Der Manager brauchte vor allem eine optische Vorstellung davon, was ihn in den einzelnen Etappen und Zwischenböden erwartete. Also stieg ich die Treppen hinauf und machte an allen wichtigen Stellen mit seiner Kamera Aufnahmen. Mit meinen Angaben und anhand der Fotos malte er sich auf einem Stück Pappe einen genauen Plan vom Innenleben des Michel-Turms, sozusagen eine »Michel-Map«. Wir gaben den einzelnen Zwischenböden sogar Namen: Eines hieß »Das Partydeck«, da hier Sektgläser für Michel-Events herumstanden. Mithilfe dieser Michel-Map stellte sich der Manager nun jeden Abend in Gedanken vor, dass er den Michel hinaufsteigt – Schritt für Schritt, Treppe für Treppe. Zur Beruhigung hörte er dazu über Kopfhörer WingWave-Musik. Das war natürlich ein Paradebeispiel dafür, wie man mit gezieltem Selbst-Coaching den Prozess optimal unterstützen kann. Als der Muskeltest schließlich signalisierte, dass er bereit für den realen Aufstieg war, trafen wir uns erneut am Michel. Der Manager schaute noch einmal kurz auf den Spickzettel mit seiner Michel-Map und ging dann ohne Pause und ohne Zögern den Turm hinauf – Schritt für Schritt, Treppe für Treppe. Die Besteigung des Michel, diesmal ohne Höhenangst, war geglückt. Das war für ihn der Durchbruch. Er war darüber so glücklich und so erleichtert, dass er anschließend den Turm auch wieder hinuntersteigen wollte, was für ihn wegen seiner Höhenangst eine viel größere Herausforderung gewesen wäre. An einer besonders steilen Stelle blieb er plötzlich stehen, schaute genüsslich in die Tiefe, dreht sich zu mir um und sagte: »Wahnsinn, an solchen Stellen bekam ich früher immer Panik.« Das Überwinden dieser tief sitzenden Höhenangst zeigt eindrucksvoll: Auch das Überwinden der eigenen Angst kann eine persönliche Höchstleistung sein!
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Fazit
3.8
Fazit
Jegliche Form von Angst oder Stress hemmt unsere Leistungsfähigkeit. Oder ganz einfach ausgedrückt: Angst verhindert Höchstleistung! Das gilt besonders dann, wenn unverarbeitete Angstsituationen aus der Vergangenheit, etwa der Kindheit, zu emotionalen Blockaden geworden sind. Sie stecken in unserem Neuro-System fest und behindern uns bevorzugt dann, wenn wir Höchstleistungen abrufen wollen. Ohne diese Blockaden aufzuarbeiten, sie zu lösen, kommen wir aber keinen Schritt voran. Man fand heraus, dass künstlich eingeleitete Augenbewegungen, ähnlich den REM-Phasen im Schlaf, bei der Verarbeitung von emotionalen Blockaden helfen. WingWave-Coaching hat diese Technik um einen Muskeltest ergänzt, mit dem sich sogar die Auslöser des Biografie-Stresses lokalisieren lassen. Die WingWave-Methode funktioniert schnell, effizient und ohne »Seelen-Striptease«, was gerade im Business-Bereich geschätzt wird. In der Praxis hat sich gezeigt, dass WingWave auch bei isolierten Blockaden hilft. Diese Ängste sind nicht nur lästig, sie können sogar schädlich für die Karriere sein. Durch gezieltes Coaching und Selbst-Coaching mit WingWave lassen sich auch diese Blockaden meist nach kurzer Zeit auflösen. Das Überwinden der eigenen Angst ist schließlich auch eine Höchstleistung.
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Interviews 3 Dr. Bernd Buchholz – »Wer nicht weiß, wie er auf andere wirkt, kann nie so wirken, wie er wirken will.« Dr. Bernd Buchholz, Vorstandsvorsitzender der Gruner + Jahr AG & Co KG und Leiter G+J Deutschland sowie Vorstand der Bertelsmann AG. Davor unter anderem Mitglied des Schleswig-Holsteinischen Landtags und Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion. Wann wurden das erste Mal Höchstleistungen von Ihnen gefordert? Im Alter von 13, 14 Jahren habe ich leistungsmäßig gerudert. Im Doppelzweier war die Ruderstrecke 2.000 Meter lang – um die acht Minuten Top-Belastung. Da kommst du in den anaeroben Bereich und musst aufpassen, dass du nicht total einbrichst. Gab es damals schon so etwas wie Coaching? Unser Trainer hat mit uns vor jedem Start eine einfache Form des mentalen Trainings gemacht. Wir haben uns abseits vom Rummel auf eine Wiese gesetzt. Dann haben wir versucht runterzukommen. Wir haben in unseren Körper reingespürt und den Atem kontrolliert. Danach sind wir gedanklich durchgegangen, was im Wettkampf in jeder Phase auf uns zukommt und wie wir reagieren werden. Profitieren Sie davon noch heute? Die Entspannung wende ich heute noch an, um im Flugzeug zu schlafen. Wenn ich eine bestimmte Körperhaltung einnehme und den Atem kontrolliere, schlafe ich sofort ein. Was sind das heute für Höchstleistungen? In meiner Zeit als Politiker war das die erste Rede im Landtag. Die war natürlich sehr wichtig. Heute sind das neben Vorstands- und Aufsichtsratssitzungen zum Beispiel wichtige Betriebsversammlungen bei Gruner + Jahr. Bei den internatio89
Interviews 3
nalen Manager-Meetings von Bertelsmann muss ich eine Stunde lang frei auf Englisch sprechen. Das ist auch heute noch eine echte Herausforderung. Wie schaffen Sie es, Höchstleistungen abzurufen? Am Anfang meiner Karriere habe ich mich extrem gut vorbereitet. Heute schaffe ich das schon zeitlich gar nicht mehr in dem Umfang. Ich habe das große Glück, dass ich mich vor wichtigen Reden nicht beruhigen muss. Ich finde es sogar angenehm, das leichte Kribbeln, wenn das Adrenalin in den Körper schießt. »Ja super, jetzt geht der Puls hoch«, denke ich dann, »jetzt kommt die Herausforderung«. Das blockiert mich nicht, das finde ich sogar positiv. Da ich bisher keine negativen Erlebnisse wie Blackouts oder Ähnliches erlebt habe, sind Herausforderungen für mich positive Erfahrungen. Aber sicherlich sind Veranstaltungen schon mal nicht so gelaufen wie gedacht. Wie gehen Sie damit um? Ich lasse mir von jeder Veranstaltung ein Feedback geben. Von wem? In jeder Veranstaltung sitzen drei bis fünf vertraute Menschen, von denen ich weiß, dass sie mir ein ehrliches Feedback geben. In erster Linie sind das meine Assistenten, die regelrecht darauf trainiert werden, ihrem Chef unverblümt die Meinung zu sagen. Haben Sie nicht selbst ein Gefühl, ob Sie gut oder schlecht waren? Natürlich habe ich ein hundertprozentiges Eigenbild. In 90 Prozent aller Fälle weiß ich hinterher, ob ich gut war oder nicht. Aber die Wahrnehmung von Menschen ist extrem subjektiv. Bei einem Vortrag gibt es immer Aspekte, die ich unter Umständen nicht richtig wahrgenommen habe. Das schnelle Feedback gibt mir die Möglichkeit, vor der anschließenden Podiumsdiskussion zu reagieren und Eindrücke gegebenenfalls noch zu korrigieren. Das finde ich einfach gut! Machen Sie das bei jeder Veranstaltung? Ich kann nur jedem empfehlen, permanent Selbstbild und Fremdbild abzugleichen. Wer nicht weiß, wie er auf andere wirkt, kann nie so wirken, wie er wirken will. Wie gehen Sie mit langweiligen Veranstaltungen um? Meine Herausforderungen sind in erster Linie die öffentlichen Auftritte. Da gibt es immer ein Publikum, mit dessen Reaktionen ich umgehen muss. Ich merke, 90
Prof. Dr. Horst W. Opaschowski – »Ganz schnell arbeiten, damit ich die Belastung auch ganz schnell ...«
wenn ich in einer bestimmten Phase des Vortrages in leere Augen schaue. Dann muss ich die Zuhörer wieder aufwecken. Oder ich spüre, dass alle auf dem, was ich gerade gesagt habe, herumdenken müssen. Dann baue ich zur Entspannung einen Gag ein. Durch dieses permanente Spielen mit dem Publikum schaffe ich mir immer wieder kleine Herausforderungen. Dadurch halte ich auch bei mir die Spannung. Ist das nicht suggestiv? Die Sichtweisen von Menschen zu verändern, das macht mir Spaß! Das hat was Suggestives, das gebe ich zu. Aber meine Aufgabe bei Gruner + Jahr ist es, Menschen auszuwählen, Menschen zu motivieren, Richtungen vorzugeben und ein bisschen Anleitung zu geben. Bei dieser Aufgabe sind Auftreten und Wirkung häufig sehr entscheidend. Was ist gerade Ihre größte Herausforderung? Mit genügend Mitgefühl und Interesse auf die zu reagieren, die mit ihren Anliegen zu mir kommen. Was sind das für Menschen, was machen die? Mit welchem Gefühl treten die mir gegenüber? Dieses Hineindenken tut meinem Gegenüber gut, aber auch mir. Haben Sie ein Motto? Mir ist wichtig, dass man selbst davon überzeugt ist, es hinzukriegen. Ich versuche optimistisch an Herausforderungen ranzugehen und ein positives Bild im Kopf zu haben. »Yes we can« finde ich gar nicht so schlecht, oder: »Ich werde das Beste daraus machen!«
Prof. Dr. Horst W. Opaschowski – »Ganz schnell arbeiten, damit ich die Belastung auch ganz schnell wieder los werden kann« Prof. Dr. Horst W. Opaschowski, Zukunftswissenschaftler und Berater für Wirtschaft und Politik In welchen Bereichen müssen und mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Mein Job gleicht einer permanenten Dauerprüfung. Ich muss mich ständig fachlich weiterbilden und auch in puncto Zeitgeist auf dem aktuellen Stand sein. 91
Interviews 3
Selbstbestimmte Höchstleistungen gibt es für mich gar nicht, da mir Forschen Spaß macht. Da erlebe ich einen Flow. Schlimmer sind die fremdbestimmten Höchstleistungen, besonders, wenn ich nicht mein eigener Herr bin. Beispiel: Ich muss um vier Uhr morgens aufstehen, um zum Flughafen zu fahren, werde direkt nach der Landung abgeholt und direkt zum TV-Interview gefahren. Ich fühle mich häufig als Gefangener des Zeitkorsetts und äußerst unwohl. Höchstleistungen sind für mich, wenn ich mich am Rande der Überforderung befinde. Was waren Ihre größten Herausforderungen? Das waren Situationen, in denen ich nicht genau wusste, wie sie ausgehen. Meistens bei live gesendeten TV-Interviews. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Höchstleistungen abzurufen? Mein Geheimnis sind Selbstdisziplin und eine hohe Selbstkontrolle. Von außen merkt man mir meine Emotionen in der Regel nicht an. Außerdem habe ich immer einen Plan B in der Tasche. Das gibt mir in unklaren Situationen Sicherheit. Generell versuche ich ein Leben in Balance zu führen und nach Maß zu leben. Essen und Wein ja, aber am nächsten Tag versuche ich dafür auch wieder den Ausgleich zu schaffen. Mein Motto ist: Ganz schnell arbeiten, damit ich die Belastung auch ganz schnell wieder los werden kann. Wie bereiten Sie sich auf solche Situationen vor? Das A und O ist eine perfekte Vorbereitung. Ich fühle mich für alles verantwortlich, auch wenn ich es offiziell gar nicht bin. Ich bin meist eine Stunde vor dem Vortrag da und checke das Mikro oder den Beamer. Für mich gilt das Null-Fehler-Prinzip. Welche bewussten oder unbewussten Strategien nutzen Sie in Höchstleistungssituationen? Nicht aufgeben, immer besser zu werden. Persönlichkeitsentwicklung heißt, lebenslang zu lernen. Man muss dabei aber auch akzeptieren, dass man Schwächen hat. Und man muss natürlich seine physischen Grenzen kennen: Wenn ich als 70-Jähriger stundenlang bei Kongressen und Vortragsveranstaltungen stehen muss, dann kann ich nicht vorher noch große Stadtwanderungen machen. Nutzen Sie in Drucksituationen Rituale oder Ähnliches? Nein, aber gelegentlich ertappe ich mich dabei, dass ich vor wichtigen Events laut vor mich hin singe. Damit lenke ich mich ab und stimme mich gleichzeitig ein. 92
Dr . Andreas Bierwirth – »Bei starkem Gegenwind laufe ich zu Höchstform auf«
Wie setzen Sie sich Ziele, formulieren Sie diese schriftlich? Nein, ich habe meine Ziele immer vor Augen! Wie gehen Sie mit Niederlagen um? In der chinesischen Sprache gibt es nur ein Schriftzeichen für Chance und Krise. Das liegt also nahe beieinander. Ich versuche positiv zu denken. Das ist mein Lebensprinzip. Bei Niederlagen denke ich: »Nächstes Mal mache ich es eben besser!« Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen mit denen Sie Höchstleistungen erzielt haben, schon einmal auf andere Felder übertragen? Ja, den Studenten in meiner Sprechstunde sage ich immer: Völlig egal, was Sie studieren – Hauptsache Sie sind motiviert. Alles andere kommt von allein. Ich habe schließlich auch mein Hobby zum Beruf gemacht. Darum beneiden mich viele.
Dr . Andreas Bierwirth – »Bei starkem Gegenwind laufe ich zu Höchstform auf« Dr . Andreas Bierwirth, Vorstand Austrian Airlines Group, davor germanwings und Lufthansa In welchen Bereichen müssen und mussten Sie Höchstleistungen erbringen? Ich arbeite häufig in Umfeldern, in denen der Druck aus volatil veränderten externen Rahmenbedingungen sehr groß und der Erfolg oftmals unsicher ist. Persönlich steigt gerade bei zunehmendem Gegenwind meine Form deutlich an. Dabei muss ich häufig Entscheidungen unter Unsicherheiten und auch Risiken eingehen, die im Nachhinein oftmals der Schlüssel zum Erfolg waren. Das geht nur, wenn ich mich innerlich frei fühle. Innere Freiheit zu behalten, stellt sicher eine der größten Herausforderungen dar. Was waren Ihre wichtigsten Höchstleistungen? Die Gründungsphase einer neuer Airline-Marke zum Beispiel. Gleich zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn hatte ich die Aufgabe, die Marke germanwings auf dem Reißbrett zu erfinden und dann in die Realität umzusetzen. Dieser Aufbau war geprägt von einer anschließenden mehrjährigen Wachstumsphase des Unternehmens mit all den verbundenen Herausforderungen. Anders hingegen meine 93
Interviews 3
derzeitige Tätigkeit bei Austrian Airlines. Hier konnte ich bei einem Unternehmen mit 50-jähriger Geschichte einen Sanierungskurs einleiten, in dessen Folge das Unternehmen um circa 30 Prozent schrumpfen musste. Zugleich hatten wir noch während der Sanierungszeit einen dreifachen konjunkturellen Dip unserer Nachfrage zu verzeichnen. Den Sanierungswillen im Unternehmen zu erhalten, ohne dass der Erfolg der Maßnahmen schnell sichtbar wird, ist für mich sicherlich die bislang größte Herausforderung. Wie bereiten Sie sich auf solche Höchstleistungen vor? Ich durchdenke viele Situationen beim Joggen und überlege mir dabei insbesondere, wie ich wann etwas kommunizieren will. Das ist die Vorbereitung. In der konkreten Situation spreche ich dann frei und intuitiv. Welche Strategien nutzen Sie in Höchstleistungssituationen? Ein Halbzeitstand von 0 : 2 liegt mir mehr als 2 : 0. Ich suche die Herausforderung. Bei negativem Druck werde ich zu meiner eigenen Verwunderung und Leidwesen immer besser. Nutzen Sie in Drucksituationen Rituale, Werte oder Grundüberzeugungen? Ich bin überzeugt: Die Arbeit wird sich auszahlen, wenn man konsequent seinen Weg geht. Meine Aufgaben im Unternehmen gleichen häufig denen eines Notarztes. Der sagt auch: »Du wirst überleben, aber dein Bein muss ab. Das ist zwar sehr hart, aber langfristig besser als zu sterben.« Ich muss aber 100-prozentig überzeugt sein, dass mein Handeln richtig für das Unternehmen ist. Wie motivieren Sie sich zu Höchstleistungen? Ich motiviere mich, indem ich mir das Ziel visualisiere und einen bestimmten Weg als den einzig richtigen definiere. Diesen verfolge ich dann mit aller Hartnäckigkeit. Andererseits versuche ich mich immer wieder zu befreien und mit einem Blick von außen die Richtigkeit des Weges zu überprüfen. Wie erreichen Sie große Ziele? Durch Überzeugung zur Zielerreichung. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Darunter leide ich sehr. Rückschläge beschäftigen mich lange. Ich neige dazu, mich dann grundlegend zu hinterfragen. Mein privates Umfeld baut mich dann wieder auf. 94
Dr . Andreas Bierwirth – »Bei starkem Gegenwind laufe ich zu Höchstform auf«
Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen, mit denen Sie Höchstleistungen im Sport erbracht haben, beruflich nutzen? Ein guter Freund von mir, der ein bekannter Fußballtrainer war, verglich ein Unternehmen mit einem Fußballverein und sagte: »Du brauchst zwei, die sich sehr mit dem Verein identifizieren und aus dem Verein oder der Region entstammen. Dann braucht man immer zwei Spieler mit Erfahrung und Reife und zwei, die mit jugendlicher Unreife und herausragendem Talent die Mannschaft aufmischen. Vor allem aber setze nicht zu viel auf externe Stars, die plötzlich unter neuen Rahmenbedingungen nicht mehr ihre Leistung bringen.« Dieses Modell beherzige ich bei der Teambildung im Unternehmen.
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4.
Höchstleistungen im Beruf
Der Wettbewerb in der Arbeitswelt und damit die Anforderungen an den Einzelnen und an sein Team steigen immer weiter an. Nicht nur von Führungskräften, sondern auch von ihren Mitarbeitern auf den Hierarchie-Ebenen darunter wird heutzutage deutlich mehr verlangt als eine solide Durchschnittsleistung. Vor allem nehmen die Momente, in denen punktuell Höchstleistungen gefordert sind, in einem solchen Maße zu, dass viele Berufstätige an ihre Grenzen stoßen. Folge: Burnout, Ängste am Arbeitsplatz und andere Stress-Symptome – wie zum Beispiel Schlaflosigkeit und Rückenschmerzen – sind unaufhaltsam auf dem Vormarsch.
4.1
Einsatzbereiche für Höchstleistungscoaching
Was sind das für Situationen und Momente, die viele im Berufleben so herausfordern? Zuerst einmal jede Form von Prüfungssituationen: Examen, Assessment-Center, Bewerbungsgespräche und wichtige berufliche Qualifizierungen. Jegliche Arten des sich Präsentierens wie Präsentationen beim Chef, Vorstand oder Investoren, Vorträge auf Fachkongressen oder vor großem Publikum. Auch Auftritte vor Medien wie TV-Interviews oder Talkshows sorgen für Herzklopfen und feuchte Hände. Herausfordernd sind natürlich Termine, bei denen es um viel geht: Wettbewerbspitches beim potenziellen Kunden, wichtige Verkaufspräsentationen, Verhandlungspoker um Konditionen, Akquisegespräche und so weiter. Führungskräfte berichten häufig, dass sie schwierige Mitarbeitergespräche wie Kündigungen oder Leistungsbeurteilungen mindestens ebenso fordern. Vor allem das situative Abwägen zwischen emotionaler Anteilnahme mit dem Mitarbeiter und dem Wohl und den Zielen der Firma fällt ihnen schwer. Und in einen sogenannten »Elevator-Pitch« kann jeder jederzeit geraten: Eine zufällige Begegnung im Fahrstuhl oder anderenorts mit dem Chef oder etwa einem wichtigen Kunden. In dieser Situation, auf die man sich ja nicht vorbereiten kann, geht es nur um drei Dinge: Schlagfertigkeit, Souveränität und knackige fachkundige Antworten – möglichst genau auf den Punkt. 97
Höchstleistungen im Beruf
Gefährlich sind alle Momente und »Auftritte«, bei denen wir uns in exponierter Position vor andere stellen müssen – wie zum Beispiel bei einem Vortrag – und die Gefahr des Scheiterns und der Blamage bestehen. Glücklicherweise hat sich angesichts des Wettbewerbsdrucks die Stimmung in der Arbeitswelt gedreht: Man muss mit solchen Situationen nicht mehr allein fertig werden, sondern »darf« sich inzwischen Hilfe holen. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass Leistung und Höchstleistungen nicht allein durch fachliche Perfektion zu erreichen sind, sondern das Emotionsmanagement mindestens ebenso wichtig ist. So hat beispielsweise die renommierte, internationale Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young ein von mir für die Branche erstmalig entwickeltes CoachingProgramm eingesetzt, um ihre Mitarbeiter auf die anspruchsvollen Wirtschaftsprüfer- und Steuerberater-Examen über das Fachliche hinaus vorzubereiten. Und auch einzelne Führungskräfte setzen zur Vorbereitung auf Höchstleistungssituationen zunehmend auf die Hilfe eines speziell qualifizierten Coaches. Folgende Beispiele aus meiner Coaching-Praxis zeigen die Abläufe und die Wirkungsweise eines modernen Höchstleistungscoachings.
4.2
Praxis: Keine Angst vor wichtigen Präsentationen und Vorträgen Uwe M. war zu dem Zeitpunkt, als er sich an mich wandte, 49 Jahre alt und Vorstand in einem großen Konzern. In seinem Beruf arbeitete er sehr erfolgreich, trat souverän auf und die wenigsten hätten vermutet, was ihn bedrückte: Beklemmungen und Ängste bei den häufigen Präsentationen und Vorträgen, die er berufsbedingt halten musste. Seine Ängste und die damit verknüpften körperlichen Symptome wie starkes Hitzeempfinden und Schweißperlen auf der Stirn erschienen ihm absolut unverständlich. »Es ist nahezu irrational, weil mir stets von allen Seiten bestätigt wird, dass ich bei meinen Auftritten sehr souverän wirke«, sagte er mir bei unserem ersten Treffen, »aber innerlich sterbe ich dabei tausend Tode.« Er hatte schon sehr viele Bücher über das Problem Auftrittsangst gelesen und auch einige Coaches konsultiert. Alles ohne Erfolg. Uwe M. konnte sich diese irrationale Angst einfach nicht erklären.
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Praxis: Keine Angst vor wichtigen Präsentationen und Vorträgen
Zu Beginn der Sitzung bat ich Uwe M., sein Problem und die damit verknüpften körperlichen Symptome noch einmal sehr detailliert zu schildern. Als Vorstandsmitglied müsse er häufig vor größeren Menschengruppen sprechen, in verschiedenen Abteilungen und Bereichen des Unternehmens, bei Mitarbeiter- und Aktionärsversammlungen, Bilanzpressekonferenzen, Podiumsdiskussionen und vielen anderen Gelegenheiten, sagte er. Er sei vorher immer extrem aufgeregt und sehr in Sorge, dass er wieder schwitzen würde und sich auf seiner Stirn Schweißtropfen bilden könnten, die andere dann bemerken. Er beschrieb diese »Angst vor der Angst« als einen Teufelskreislauf, den es zu durchbrechen galt. Sein sehnlichster Wunsch: »zukünftig nicht mehr so aufgeregt zu sein«.
Unser Gehirn kann das Wort »NICHT« nicht denken
Aber in der Formulierung seines Wunsches verbarg sich bereits ein Problem: das »Nicht-mehr«, die Verneinung. Sie widerspricht der Art und Weise wie unser Gehirn arbeitet. Es kann nämlich nicht NICHT denken. Ein Beispiel: Versuchen Sie jetzt bitte einmal, NICHT an ein Krokodil zu denken. Was passiert? Natürlich, Sie haben sofort dieses grüne Tier mit dem großen Gebiss vor Augen. Das liegt daran, dass Ihr Gehirn prompt und zuverlässig auf alle Wörter reagiert – auch, wenn sie mit einem NICHT kombiniert werden. Was hatte Uwe M. gemacht? Er hat durch die gewählte Formulierung sein Gehirn ständig mit dem Scheitern, der Angst beschäftigt. Dieser »Krokodil-Effekt« bewirkt eine sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Das Gehirn ist dann förmlich auf Angst programmiert. Und die Wahrscheinlichkeit, dass sie tatsächlich auftritt, ist sehr hoch. Leistungssportler machen in kritischen Momenten genau das Gegenteil: Sie fokussieren mit allen Sinnen auf Erinnerungen gemeisterter Erfolge und Vorstellungen von zukünftigen Siegesmomenten. Diese mentale Ausrichtung konzentriert alle Ressourcen auf Fähigkeiten, Verhaltensweisen, Einstellungen und innere Überzeugungen, die dann zum Erfolg führen. Als ersten Schritt erarbeiteten mein Klient und ich also eine gehirngerechte Formulierung seines Coaching-Ziels. Zusätzlich sollte die Formulierung den SMARTKriterien (siehe Kapitel 2) entsprechen, also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert sein. Die neue Formulierung lautete: »Ich werde mich eine 99
Höchstleistungen im Beruf
Stunde vor und während der Podiumsdiskussion am 10. Dezember gelassen fühlen und eine wohlige Wärme im Brustbereich spüren.« Ich bat Herrn M., diesen Ziel-Satz mit entsprechenden positiven Bildern und anderen Sinneseindrücken auch im Selbst-Coaching regelrecht zu trainieren – am besten beim Hören der WingWave-Musik. Er sollte diesen positiven Ziel-Zustand immer weiter verinnerlichen, indem er so tat, als ob das Ziel schon positive Realität sei. Was ist der Auslöser für die Probleme? Im zweiten Schritt versuchten wir herauszufinden, welcher »Biografie-Stress«, also welche früheren, belastenden Erlebnisse, Grund für diese Auftrittsangst sein könnten. Das analysierte ich mit dem Muskeltest (Myostatiktests) aus der WingWave-Methode. Ich bat ihn, gezielt an eine für sein Problem typische Auftrittssituation zu denken und überprüfte dabei mit dem Muskeltest, ob die von Herrn M. genannte Situation tatsächlich Stress auslöste. Das war der Fall. Mein Klient berichtete ganz detailliert von einem Vortrag, bei dem er sich besonders schlecht gefühlt hatte. Auslöser war der Moment, als ihn der Moderator dem Publikum als nächsten Redner ankündigte. Dies bestätigte auch der Muskeltest: Der Fingerring ging auf. Bei der Aussage: »Es ist Angst« blieb der Ring dagegen fest, was Herrn M. zunächst verblüffte. Erst bei der Aussage: »Es ist Hilflosigkeit« verriet das Öffnen des Fingerrings die emotionale Quelle der Stressreaktion. Für mich zeigt sich an dieser Stelle immer wieder die Überlegenheit des Myostatiktests gegenüber rein verbal durchgeführten Problemanalysen. Letztere wären in diesem Fall zu einem falschen Schluss gekommen und hätten einen zielführenden Coachingprozess verhindert: »Angst« ist ein völlig anderes Thema als »Hilflosigkeit«. Das zeigt sich vor allem im körperlichen Erleben: Angst sorgt für einen hohen Muskeltonus, während Hilflosigkeit die Muskelfasern erschlaffen lässt. Anschließend identifizierten wir mit dem O-Ringtest noch die für Uwe M. mit Hilflosigkeit verknüpfte Körperempfindung. Denn mit dem Körper empfindet jeder verschieden: Einem wird bei Trauer das Herz schwer, der Nächste fühlt bei der gleichen Emotion ganz deutlich einen Kloß im Hals. Uwe M. spürte beim Fokussieren der Hilflosigkeit ein Kribbeln im Bauch, das ihn sehr schwächte. »Denken Sie konkret an die Ankündigung durch den Moderator, spüren Sie bewusst das Kribbeln im Bauch als ›Körper-Echo‹, schauen Sie auf meine Finger«, forderte ich ihn auf und führte die ersten WingWave-Augenbewegungs-Sets mit ihm 100
Praxis: Keine Angst vor wichtigen Präsentationen und Vorträgen
durch. Nach nur zwei dieser Winke-Sets veränderte sich das vorher negative Körpergefühl bereits deutlich und der O-Ringtest blieb fest. »Das Gefühl hat sich völlig beruhigt«, wunderte sich mein Klient. Die stabile Wirkung hielt auch an, als ich ihn bat, nochmals intensiv an das schlimme Ereignis und die diagnostizierte Hilflosigkeit zu denken: »Es ist und bleibt jetzt alles ganz neutral«, beschrieb er sein Erleben.
Es begann an der Tafel in der Grundschule
Auf diese Weise spürten wir noch weitere Erinnerungen an unangenehme Momente in Redner-Situationen auf. Der Muskeltest führte uns auf zwei Erlebnisse in seiner Grundschulzeit. In beiden Fällen musste Uwe M. vorn an der Tafel stehen und fühlte sich schrecklich hilflos. »Der Lehrer schüttelte verächtlich den Kopf, die Mitschüler kicherten, mein Kopf war total leer – und ich durfte natürlich nicht weglaufen«, beschrieb mein Klient. Nun verstanden wir beide, warum ausgerechnet die Ankündigung durch einen Moderator einen so großen Stress auslösen konnte. »Ich wurde der Klasse durch den Lehrer ja quasi angekündigt«, erinnerte sich Uwe M., »Jetzt kommt Uwe mal nach vorn!« Die Situation damals fühlte sich für ihn an wie »der Gang aufs Schafott«. »Kein Wunder«, sagte der heutige Vorstand, »dass mein Unbewusstes ›den Gang nach vorn‹ nicht in guter Erinnerung behalten hat!«
Ein Stein hilft gegen den Stress beim Auftritt
Im nächsten Schritt bereiteten wir ihn gezielt auf künftige Auftrittssituationen in den nächsten Wochen und Monaten vor. Zunächst identifizierten wir mögliche Stressauslöser mit dem Muskeltest: Waren es die Themen der Vorträge? Die Anzahl der Menschen im Publikum? Die Präsentationstechnik? Die Räumlichkeiten selbst? Oder die Kleidung, die Uwe M. bei seinen Auftritten trug? Der Muskeltest schlug bei zwei Vorstellungen an: bei der Vorstellung der Deckenhöhe in großen Sälen und zweitens dem Gedanken, dass einzelne Zuhörer während seines Vortrages mit ihren Blicken abschweifen könnten. Dies bearbeitete und »befriedete« ich mit den schnellen Augenbewegungen. In der Folgesitzung legten wir mit Metaplan-Karten sogenannte »Bodenanker« für die wichtigsten Stationen des nächsten Auftritts: 101
Höchstleistungen im Beruf
Nach vorn auf die Bühne gehen Hinsetzen am Rednertisch Letztes Checken der Stichworte Moderator kündigt mich an Aufstehen Zum Rednerpult gehen Rednerpult einrichten und Notizen ablegen Blick im Zuschauerraum schweifen lassen Das Publikum begrüßen Erste Sätze der Rede In der zeitlich richtigen Abfolge legten wir die Karten mit den einzeln Schritten auf einer gedachten Zeitlinie auf dem Boden aus. Mein Klient stellte sich auf jeden Zettel und durchlebte den dort bezeichneten Moment lebendig mit allen Sinnen. Bei kleinen Rest-Unsicherheiten gab er mir ein Zeichen und ich bewinkte mit kurzen Sets die letzten Spuren von Unwohlsein. Zusätzlich sollte Uwe M. sich überlegen, welche »Ressource« (Stärke, Eigenschaft, Erinnerung) ihm in künftigen Auftrittssituationen nützlich sein könnte. Uwe M.s Zielformulierung beinhaltete das Wort »Gelassenheit«. Ich bat ihn, sich eine typische Situation zu überlegen, in der er üblicherweise in besonders angenehmer Weise »gelassen« sei. Bei einer speziellen Erinnerung, die ich als Coach nicht kennen muss, begann er spontan zu lächeln und seine Gesichtszüge entspannten sich. Wir »verankerten« daraufhin diese positive Erinnerung und dieses wohlige Gefühl mit einem konkreten Gegenstand – in seinem Fall mit einem kleinen Stein in der Tasche, der ab sofort zu seinem Talisman wurde. Vor allen wichtigen Auftritten fühlte Uwe M. den Stein in seiner Hosentasche und erinnerte sich so an die angenehme Gelassenheit. Vier Wochen später rief mich mein Klient an und berichtete stolz, dass seine negativen Symptome bei einem Auftritt wie weggeblasen seien. Statt mit unangenehmen Gefühlen verbindet er jetzt sogar zunehmend positive Emotionen wie Vorfreude, Zuversicht und Entschlossenheit mit seinen Auftritten. Und das ist bis heute so stabil geblieben. 102
Praxis: Keine Angst vor wichtigen Präsentationen und Vorträgen
(Dieses Praxisbeispiel stammt aus Marion Klimmer, »Vorstands-Coaching: Der Gang nach vorn« in: Erfolge zum Wundern. WingWave in Aktion. Fünfzig und eine Coachinggeschichte, hrsg. Von Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund, Junfermann-Verlag 2008.)
Differenz-Werte Auftritts-Skala vor und nach der Intervention – Erhöhung der Werte auf der positiven Skala (0=nicht vorhanden bis 6=sehr stark vorhanden) Quelle: Prof. Dr. Marie-Luise Dierks, Medizinische Hochschule Hannover, 2008
Abb. 11: Die Wirkung von WingWave. Studien der Medizinischen Hochschule Hannover belegen, dass durch WingWave-Coaching nicht nur die Stressempfindungen sinken, sondern zusätzlich die »freudige Erwartung« auf die Höchstleistungssituation wächst, das heißt, positive Emotionen wie Spaß, Ruhe, Selbstsicherheit und Zuversicht steigen an.
Selbst-Coaching-Tipp: »Auftritts- und Präsentations-TÜV« In gedanklich-mentaler Vorbereitung auf Auftritte oder Präsentationen können Sie die folgenden Punkte nacheinander betrachten und sich innerlich ausmalen – während Sie eine der drei WingWave-Selbst-Coaching-Instrumente anwenden (siehe Kapitel 3). Dadurch »entstressen« Sie jeden einzelnen Punkt. In der tatsächlichen Höchstleistungssituation werden Sie damit dann in einer besseren Balance und Leistungsfähigkeit sein. Denken Sie an: 103
Höchstleistungen im Beruf
das Publikum: einzelne Personen, Anzahl der Personen, leere Stühle oder Sitzreihen. Reaktionen des Publikums: Einzelne oder mehrere Personen sind unruhig, ärgerlich, gähnen, gehen raus, kommen nachträglich herein, lachen, fragen viel, wenig oder gar nichts oder sehr Schwieriges. eigene oder fremde Befindlichkeiten: Sie oder einzelne im Publikum sind müde, frieren, schwitzen, haben Hunger oder Durst. Ihre Kleidung, die Sie tragen werden: möglicherweise ist diese sogar ungewohnt ... Ihr eigenes Verhalten: Englisch vortragen, Missgeschicke, mögliche Blackouts. die Räumlichkeiten: Größe, Design, Stufen, die Sie zur Bühne hinauf müssen, Helligkeit, Schall und Hall. Ihre Technik: Mikro, Beamer, Flipchart. einzelne Themen oder Phasen der Präsentation.
Das Fühlen des Steines von Uwe M. ist ein das Körpergefühl ansprechender »kinästhetischer Anker«. Aber auch kleine Körperbewegungen können kinästhetische Anker für gute innere Verfassungen werden: Auslöser für zuvor daran gekoppelte Emotionen, Befindlichkeiten oder Verhalten. Dies können Sie folgendermaßen gezielt etablieren: Selbst-Coaching-Tipp: »Ressourcen ankern« Erinnern Sie sich an eine Situation in Ihrem Leben, in der Sie erfolgreich eine bestimmte Ressource (Fähigkeiten oder positive Erfahrungen) zur Verfügung hatten oder für sich nutzen konnten. Steigern Sie Ihre nun wiedererlebbaren positiven Emotionen und Körperempfindungen, indem Sie sich die Situation über all Ihre Sinneskanäle vollständig vergegenwärtigen: Was haben Sie gehört in der damaligen Situation? Was haben Sie gesehen? Was haben Sie im Körper wo gefühlt? Was haben Sie geschmeckt oder gerochen? Spüren Sie, wie sich hierdurch Ihr Wohlbefinden zunehmend steigert und Ihre Ressourcen sich aufladen.
104
Praxis: Vorbereitung auf schwere berufliche Prüfungen
Auf dem Höhepunkt Ihrer angenehmen Empfindungen führen Sie mehrfach nacheinander eine kleine Körperbewegung durch. Wählen Sie eine, die Sie zukünftig (hinreichend unauffällig!) durchführen können, wann immer Sie in eine Höchstleistungssituation kommen, in der Sie sich mithilfe dieses kinästhetischen Ankers die damit verknüpften Ressourcen vergegenwärtigen und dadurch leichter nutzbar machen wollen. Sie können beispielsweise mit einem Ihrer Finger leicht wackeln oder Ihren (Ehe-)Ring drehen, Ihre Uhr oder ein Armband drehen oder berühren, mit der Hand ein anderes Körperteil kurz berühren (zum Beispiel das Knie, Bein oder den anderen Arm) oder Ihre Brille zurechtrücken. Sie können sich aber auch schlichtweg etwas aufrichten oder tief einatmen oder langsam ausatmen. Probieren Sie Diverses aus und wählen Sie das für sich selbst und die Situationen Passende. Führen Sie die Prozess-Schritte 2–4 mehrfach mit dem gewählten Anker durch, um diesen gut zu etablieren. Kommen Sie gedanklich wieder im Hier und Jetzt an und betätigen Sie dann einfach spontan (ohne langes Zurückdenken und Hineinfühlen) Ihren kinästhetischen Anker. Beobachten beziehungsweise fühlen Sie, wie Ihr Unbewusstes sofort die damalige Energie oder Ressource erinnert beziehungsweise zur Verfügung stellt.
Auf diese Weise haben Sie eine wichtige Ressource bei Ihnen verankert. Und Sie können sich vor und in wichtigen Situationen durch Auslösen des Ankers (also die kleine Körperbewegung durchführen) immer wieder stärken und in einen günstigen emotionalen, körperlichen und mentalen Zustand versetzen. Für die Schritte 1–6 können Sie selbstverständlich auch Anker der anderen Sinneskanäle wählen. (Details entnehmen Sie bitte dem Kapitel 8, Vertiefung.) Viele praktizieren übrigens »Ankern« schon, ohne es zu wissen: Sie nutzen einen »Talismann« oder »Glücksbringer«.
4.3
Praxis: Vorbereitung auf schwere berufliche Prüfungen
Ohne bestandene Prüfungen keine Karriere: Angehende Steuerberater und Wirtschaftsprüfer müssen nach mindestens zwei- bis vierjähriger Berufstätigkeit ein sehr schweres Berufsexamen ablegen, das jeweils aus mehreren Klausuren und einer mündlichen Prüfung vor einer Prüfungskommission besteht. Die Durchfallquote bei dieser für den weiteren beruflichen Werdegang alles entscheidenden Prüfung liegt regelmäßig bei circa 40–60 Prozent! 105
Höchstleistungen im Beruf
Diese Zäsur belastet nicht nur die Prüflinge, sondern auch die Unternehmen. Sie stellen die Kandidaten zur fachlichen Vorbereitung 12 bis 20 Wochen von ihren Aufgaben komplett frei. Wer durchfällt, also meist die Hälfte, muss im nächsten Jahr noch einmal antreten und wieder für rund zehn Wochen freigestellt werden. Diese Fehlzeiten sind verständlicherweise auch für die Unternehmen eine große Herausforderung. Eine der international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die Ernst & Young GmbH, beschloss daher, noch gezielter in die Vorbereitung ihrer Prüfungskandidaten zu investieren. Im Rahmen eines Pilotprojektes kam ein von mir erstmalig für die Branche entwickeltes Coaching-Programm (siehe www.klimmercut.de) zum Einsatz, das die Kandidaten neben ihrer eigenen fachlichen Vorbereitung zusätzlich mental für die Prüfungssituation und den begleitenden Lern- und Examens-Stress rüsten sollte. Das Investment zahlte sich aus, denn der Erfolg übertraf alle Erwartungen: bis zu 80 Prozent der Teilnehmer an diesem speziellen Programm bestanden hinterher die Prüfung! KLIMMER E/C/P - Examens-Coaching-Programm® Freistellung: ca. 12-18 Wochen
Klausuren
Freistellung: ca. 2 Wochen
1 Tag Kick-off Workshop (inkl. 2 Absolventen aus Vorjahr = Rollenmodell)
Mündliche
1 Tag PrüfungsEinzelcoaching
Einzelcoaching
Einzelcoaching
Einzelcoaching
SimulationsTraining
Einzelcoaching
(inkl. Partner als »Prüfer«)
Fach-Mentor steht für fachliche Rückfragen zur Verfügung
Abb. 12: Ablauf und Struktur des Examens-Coaching-Programm
Dieses spezielle Examens-Coaching-Programm startet mit einem Kick-off-Workshop, in dem die Grundlagen meiner Arbeitsweise vorgestellt werden. Wir sprechen über persönliche Erfolgsfaktoren, nützliche Erkenntnisse aus der Gehirnforschung, Arbeitstechniken und Work-Life-Balance in dieser schwierigen Phase. Dann erarbeitet jeder Teilnehmer einen konkreten Plan, wie er das fachliche Lernpensum bewältigen und den Lernprozess organisieren will. Im Anschluss gebe ich eine Vorschau, was die Teilnehmer in den Einzelcoaching-Sitzungen erwartet. 106
Praxis: Vorbereitung auf schwere berufliche Prüfungen
Danach folgen je Teilnehmer drei Einzelcoachings, in denen unter anderem mithilfe der WingWave-Technik an den Zielformulierungen gearbeitet und mögliche Stressquellen individuell aufgespürt und effizient beseitigt werden. Dies geschieht mit dem Muskeltest und ist besonders wichtig, damit die Kandidaten nicht mit bewussten oder noch unbewussten emotional-mentalen Belastungen in die Prüfung gehen, die sich auf ihre Motivation, Lernfähigkeit und Stressresistenz auswirken könnten (siehe auch Erfahrungsberichte von Examens-Coachingklien1.
2.
Sinnesreize
»Filter« (Wahrnehmungsfilter)
Examens-Kandidat sieht im schriftlichen Examen seine Klausur vor sich liegen. Seine noch wie ein »Stachel« im limbischen System festsitzende »Lernerfahrung« flackert auf – als wäre es gestern gewesen: Dabei ist das beschämende Ereignis Jahre her: Er war durch die schriftliche Führerscheinprüfung gefallen ... Sein limbisches System (Emotionszentrum) verknüpft diesen Reiz (Klausur sehen) mit negativen Emotionen (z.B. Wut, Unsicherheit, Schamgefühl,Traurigkeit etc.) – in der Stärke ähnlich wie die UrsprungsGefühle »damals«.
3.
Emotionen
4.
Emotional-mentaler Zustand
5.
Körpergefühle
Unangenehm (z.B. Herzklopfen, Schweißausbruch, Druckgefühl, flauer Magen, Übelkeit)
6.
Körper-Reaktionen
Weiter-Produktion Stresshormone, Muskelverspannungen, Panikgefühle etc.
7.
Ausführung
8.
Ergebnis
Durch diese starken, negativen Emotionen gerät seine Balance ins Wanken, Stresshormone werden in einer Überdosis produziert.
Die Ausführung und Bewältigung von Anforderungen leidet: Kreativität, Planungsvermögen, Schlagfertigkeit, Erinnerungsvermögen, roter Faden werden eingeschränkt oder verhindert. Minderleistung oder Scheitern in der Höchstleistungs-Situation.
Abb. 13: »Biografie-Stress« Führerschein-Prüfung. Wie das Beispiel zeigt, reichen unter Umständen minimale Ähnlichkeiten zwischen der aktuellen Prüfungssituation und früheren negativen Erfahrungen aus, um uns schlagartig aus dem Gleichgewicht – und damit aus unserem Höchstleistungszustand zu bringen.
107
Höchstleistungen im Beruf
ten im Kapitel 8, Vertiefung). Ebenfalls sollten frühere Fälle von Versagen, Scheitern oder sonstige negative Erlebnisse im Zusammenhang mit Prüfungen bewusst und »befriedet« sein. Sie dürfen den Kandidaten in der jetzigen Hochstressphase nicht mehr beschäftigen – und schon gar nicht belasten. Solche Gedanken, egal ob bewusst oder unbewusst, rauben Energie und gefährden den Erfolg. Es ist daher dringend zu empfehlen, vor wichtigen Prüfungen eine Muskeltest-Diagnose und Emotions-Coaching mit WingWave durchzuführen.
Abb. 14: Studienarbeit Uni Hamburg Durch die Hamburger Diplom-Psychologin Nadia Fritsche wurde an der Universität Hamburg die Wirkung von WingWave-Coachings auf die emotionale Stabilität im Leistungskontext untersucht. Die Studienteilnehmer mussten zunächst eine Prüfungs- beziehungsweise Auftrittssituation »ungecoacht« durchstehen (Messzeitpunkt 1). Dann erhielten sie zwei Coachings, mit denen die Aufgeregtheit und Selbstzweifel deutlich gesenkt und gleichzeitig die Zuversicht deutlich gesteigert werden konnten. Alle Kandidaten waren übrigens fachlich sehr gut auf die Prüfungen vorbereitet. Somit ist der positive Effekt auf die durch WingWave verbesserte emotional-mentale Verfassung zurückzuführen.
108
Praxis: Vorbereitung auf schwere berufliche Prüfungen
Nach mehrwöchigem Lernen und drei weiteren Coaching-Sitzungen schreiben die Kandidaten dann ihre schriftlichen Klausuren. Danach folgt eine weitere Einzelcoaching-Sitzung inklusive Video-Trainings zur Vorbereitung auf die mündlichen Prüfungen. Und vier Wochen vor den abschließenden mündlichen Prüfungen bekommen alle Teilnehmer ein Prüfungs-Simulations-Training. Wichtigster Programm-Punkt darin ist ein Probelauf der bevorstehenden mündlichen Prüfung unter Live-Bedingungen, also mit Publikum, entsprechender Kleidung, realistischen Abläufen und so weiter. Dabei müssen die Kandidaten nach nur 30-minütiger Vorbereitungszeit einen zehnminütigen Spontan-Vortrag über ein unbekanntes Thema halten und sich in anschließenden Fragerunden vor dem Prüfungsgremium (interne Top-Führungskräfte) bewähren. Aus der Gehirnforschung wissen wir inzwischen, weshalb dieses »Real«-Training vor wichtigen Auftritten so effektiv ist. Durch das »Probehandeln« bilden sich bereits viele neue neuronale Verknüpfungen, die direkt – wie in diesem Fall – mit der Prüfungssituation in Verbindung stehen. Einfach ausgedrückt: Im »Ernstfall« sind alle Zellen bereits »vorprogrammiert«, wodurch das Stresserleben in der tatsächlichen Höchstleistungssituation deutlich sinkt. Wenige Tage vor der alles entscheidenden mündlichen Prüfung findet ein letzter »Prüfungs-TÜV« statt. Hier werden alle potenziellen Stressquellen in der bevorstehenden Prüfung noch einmal final durchgetestet, deutlich reduziert oder ganz aufgelöst (behandelt): Prüfungsort, körperliche Stress-Symptome, Befindlichkeit der Mit-Prüflinge oder der Prüfer und so weiter. Stärkende Gefühle wie zum Beispiel Zuversicht und Gelassenheit können dann wachsen (siehe oben: Abb. 11, Studienergebnisse der Medizinischen Hochschule Hannover). Wenn Sie sich selbst auf eine Prüfungssituation vorbereiten wollen, helfen beispielsweise die Selbst-Coaching-Tipps, die Sie schon von Präsentationen und Auftritten (siehe oben) kennen.
Selbstvertrauen heißt sich selbst vertrauen
»Welches Ziel ist das allerwichtigste, um die Klausuren zu bestehen?«, lautet meine Eingangsfrage im Einzelcoaching. Von den Teilnehmern wird häufig das Ziel »Selbstvertrauen« genannt. Zu diesem Stichwort erzähle ich gerne die folgende,
109
Höchstleistungen im Beruf
leicht abgewandelte Geschichte von Jens Corssen: Zu einem bekannten Management-Trainer kam eine Frau in die Sitzung und klagte, dass sie so wenig Selbstvertrauen hätte. Der Trainer entgegnete: »Lassen Sie uns als Erstes einmal das Wort ›Selbstvertrauen‹ untersuchen. Sich selbst vertrauen. Wie kann man sich selbst vertrauen? In dem man sich Dinge vornimmt, die man dann auch umsetzt«, so der Coach, und weiter: »Je mehr Ihrer sich selbst gesetzten Ziele Sie erreichen, umso mehr vertrauen Sie sich auch.« Er gab ihr folgende Aufgabe: »Setzen Sie sich ein banales Ziel aus dem alltäglichen Leben. Eines, das Sie schaffen können – wenn Sie es konsequent verfolgen.« Die Klientin entschied sich für das Ziel: »Ich will aus gesundheitlichen Gründen jeden Tag einen Joghurt essen.« Daraus wurde die feste und schriftlich fixierte Vereinbarung, dass sie die nächsten 14 Tage jeden Morgen bis spätestens 8 Uhr einen Joghurt isst. Auf Rat des Coaches fügte die Klientin hinzu: »Ich tue es, als ginge es um mein Leben!« Beim nächsten Treffen nach einer Woche fragte der Coach: »Wie hat es denn mit dem Ziel geklappt?« Sie antwortete: »Ich habe es geschafft, aber es war verdammt knapp!« Eines Morgens saß sie versonnen in der Küche und bemerkte mit Schrecken, dass sie bis acht Uhr nur noch 30 Sekunden Zeit hatte. Im Blitztempo riss sie den Kühlschrank auf und schaffte es gerade noch vor acht Uhr einen Löffel mit Joghurt in den Mund zu schieben – was sie stolz machte. Denn sie konnte sich selbst vertrauen. In der zweiten Woche wurde es noch knapper: Sie stellte abends um 22 Uhr fest, dass sie keinen einzigen Joghurt mehr im Kühlschrank hatte. Da sie in einem kleinen Ort wohnte und kein Auto hatte, war die einzige Chance, um diese Uhrzeit noch einen Joghurt für den nächsten Morgen zu bekommen, der Kiosk am Bahnhof. Kurz entschlossen bestellte sie sich ein Taxi und fuhr zum Bahnhof. Fahrpreis 65,50 Euro – das war der teuerste Joghurt ihres Lebens! Moral dieser kleinen Geschichte: Das konsequente Einhalten selbst banaler Ziele ist schwieriger als man denkt. Es klappt meist nur mit einer eindeutigen Zielvereinbarung, einem schriftlichen Plan, der regelmäßig kontrolliert wird. So wird den Klienten klar, warum es extrem wichtig ist, im Coaching zunächst einen großen Erfolgshebel zu definieren und schriftlich SMART zu formulieren (siehe Kapitel 2).
110
Praxis: Vorbereitung auf schwere berufliche Prüfungen
Glück ist Übungssache
Die angehenden Steuerberater und Wirtschaftsprüfer sind aus ihrem Berufsalltag Teamarbeit gewöhnt. Jetzt sollen sie monatelang ganz allein vor Büchern hocken. Die Einsamkeit macht besonders am Anfang vielen zu schaffen. Erfolgreich werden aber nur diejenigen sein, die sehr viel Zeit in ihr Examen investieren. »Fleiß ist ja schön und gut«, entgegnen meist einige Teilnehmer, »aber man braucht ja auch Themenglück!« Auf dieses Stichwort passt die Geschichte von Golfprofi Bernhard Langer: Bei einem großen Turnier schlug er so unglücklich ab, dass der Ball mitten in einem Baum direkt auf einer Astgabel liegen blieb. Langer hätte gegen einen Strafschlag den Ball für unspielbar erklären können. Er entschied sich aber für die Herausforderung, den Ball direkt aus dem Baum zu schlagen. Er erwischte den Ball so gut, dass der nicht nur das Grün traf, sondern sogar noch spektakulär in das Loch rollte. Nach der Runde stürmten natürlich die Journalisten auf Bernhard Langer zu und wollten von ihm wissen, ob er das Glück gepachtet habe. »Sie wissen ja, wie das mit dem Glück ist«, antwortete Langer, »je mehr man übt, desto mehr Glück hat man.«
Gedankliche Disziplin
Die Kandidaten müssen in der Vorbereitungszeit acht bis zehn Stunden täglich lernen, um später eine Chance in den Prüfungen zu haben. Das ist der Erfahrungswert aus den letzten Jahren. Angesichts dieses hohen Arbeitspensums ist es erstaunlich, dass sich die meisten Teilnehmer vorher kaum Gedanken darüber machen, wie sie ihren Lernprozess organisieren wollen: Wann sie arbeiten werden, wo sie arbeiten werden, was sie gegen Ablenkungen unternehmen wollen, wann sie Pause machen wollen, welche Belohnungen sie einplanen und so weiter. Allein aus diesem Grund ist es von so großem Wert, dass jeder Teilnehmer für sein Lernen Ziele definiert, die erstens den SMART-Kriterien (spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert) entsprechen (siehe Kapitel 3.3) und einem Check mit NRP (Nebenwirkungen, Risiken, Preise) standhalten. Der Examenskandidat Christian L. gab sich folgendes Ziel: »Ich verpflichte mich, mehrmals am Tag mit mir wohlwollend und motivierend zu sprechen und zu sagen: ›Ich schaffe das schon und bin gut vorbereitet.‹ Wenn andersartige Gedanken aufkommen, fokussiere ich auf meine nächsten Aufgaben.« Auf die Check111
Höchstleistungen im Beruf
Frage nach dem »Preis« dieses Ziels gab Christian L. an: »Meine Güte, das erfordert eine verdammt hohe gedankliche Disziplin!« »Und wie wollen Sie die aufbringen?«, fragte ich nach. Er schlug vor, überall in seiner Wohnung farbige Klebepunkte anzubringen, die ihn an seinen günstigen Glaubenssatz erinnern sollten: »Ich bin gut vorbereitet, ich schaffe das schon!« Selbst-Coaching-Tipp: »Erinnerungshilfen« Schreiben Sie Ihr Ziel, Ihr Motto und Ihre günstigen Glaubenssätze auf kleine Zettel, die Sie gut sichtbar an markanten Orten in Ihrem häuslichen Umfeld positionieren. Sie wirken dann wie Erinnerungsanker, die Sie permanent wieder fokussieren.
Mit A-B-C-Technik gegen die Panik
Ein anderer Teilnehmer, Herr Schmidt, äußerte in den Einzelcoachings die Sorge, dass in der Prüfung etwas Unerwartetes passieren könnte, also ein Thema komme, mit dem er nicht gerechnet habe – oder er einen Blackout bekommen könnte. Davor habe er Panik. Ich erklärte ihm die A-B-C-Technik. A steht für Aktion, B für Bewertung und C (vom englischen consequence) für »C«onsequenz. Sollte das von Herrn Schmidt befürchtete unerwartete Thema angeschnitten werden, dann ist das A, die Aktion (das, was passiert). Die können wir nicht ändern. In der Hand haben wir aber B, die Bewertung der Aktion. »Du Idiot hast dich auf das Falsche vorbereitet. – Oh je, jetzt ist alles aus!« Ein innerer Dialog wie dieser hätte mit großer Wahrscheinlichkeit folgende »C«onsequenz: Aufregung, Panik, Herzrasen, Hitzewallungen oder sogar einen Blackout. Auslöser des ganzen Desasters war der Mittelteil, die eigene Bewertung. Ich trainiere alle Examenskandidaten darin, mit sich einen günstigen inneren Dialog zu führen. Sie sollen wohlwollend und motivierend mit sich sprechen. Zu einem guten Freund würde man in solcher Situation ja auch nicht sagen: »Vergiss es, du Versager, jetzt ist alles aus!« Ich bat Herrn Schmidt zu überlegen, wie er in dieser Situation von einem guten Freund angesprochen werden möchte. Er sagte: »Das schaffst du! Es steht alles im Gesetz – und du bist gut vorbereitet.« Das war ab sofort sein »Mantra« für unerwartete Situationen in der Prüfung. Einem anderen Teilnehmer halfen die Worte eines Dozenten, der immer sagte: »Egal, was kommt. Ihr müsst da wie ein Panzer 112
Praxis: Höchstleistungen im Vertriebsprozess
durchfahren.« Solche Sätze können enorme Kräfte verleihen, manchmal übermenschliche. Ein Teilnehmer musste mitten in der Prüfungsvorbereitung privat schwere Schicksalsschläge verkraften. Jeder hätte verstanden, wenn er die Prüfungen aufgegeben hätte. Aber er kam mit einem iPod zu mir und zeigte mir die Schlüsselszene aus dem Film »Any given Sunday«. Al Pacino spielt darin einen in die Jahre gekommenen Football-Trainer, der mit einer flammenden Rede seine völlig demoralisierte Mannschaft auf den Fight mit dem übermächtigen Gegner einschwört: »Zentimeter für Zentimeter (im englischen Original: »inch by inch«) werden wir sie zurückdrängen«. Mit der Formel »inch by inch« kämpfte er sich von da an von Hürde zu Hürde erfolgreich durch die Prüfungen. Verlierer-Strategie
Gewinner-Strategie
Aktion
Im Examen wird Unbekanntes oder Überraschendes gefragt
Bewertung
Innerer Dialog: »Du Idiot hast dich auf das Falsche vorbereitet – oh je, jetzt ist alles aus!«
Innerer Dialog: »Das schaffst du! Es steht alles im Gesetz – und du bist gut vorbereitet.«
Consequenz
Emotionen wie Angst, Hilflosigkeit, Panik etc. führen zu negativen Körperempfindungen. Z. B. Herzrasen, Hitzewallungen, Kurzatmigkeit, Blackouts
Emotionen wie Zuversicht, Motivation, Mut führen beispielsweise zu ruhigerem Atem, positiv beflügelnder Adrenalin-Wirkung etc.
Abb. 15: Verlierer-/Gewinner-Strategie
Eine erweiterte und detailliertere Form der A-B-C-Technik finden Sie im Kontext der »Höchstleistungs-Prozess-Ebenen« in Kapitel 5 – zusammen mit einer Übersicht weiterer Selbst-Coaching-Instrumente.
4.4
Praxis: Höchstleistungen im Vertriebsprozess
Das Examens-Coaching-Programm hat sich bei der Vorbereitung auf schwere berufliche Prüfungen vielfach bewährt. Es zeigte sich, dass der Aufbau und die Struktur auch zur Fokussierung auf andere Höchstleistungssituationen außerordentlich gut funktioniert. Egal ob Unternehmensberatung, Werbeagentur, PR-Agentur oder ähnliche Unternehmungen: In jeder dieser Branchen müssen zur Gewinnung von Neukunden schwierige Beauty Contests und Ver113
Höchstleistungen im Beruf
Trainer/Moderator/Coach steuert und unterstützt Prozess
Kick-off-Workshop: Entwicklung Akquisitionsstrategie Rollenverteilung (im Einklang mit Reiss-Profilen)
Zielmanagement inklusive Maßnahmenplan
Einzelcoachings mit WingWave-Schwerpunkt: Reduzierung Stress/Blockaden und Ressourcensteigerung
Projektmeetings zum Controlling der Kick-off-Maßnahmen
Simulationstraining »Ernstfall«: Verkauf, Präsentationen, Verhandlungen inklusive Videofeedback und WingWave-Techniken
Letztes Einzelcoaching mit WingWave zur individuellen Performance-Steigerung
Höchstleistungen abrufen vor dem Kunden
Abb. 16: Höchstleistungen im Vertriebsprozess
handlungen bestanden oder Pitches gewonnen werden. Das sind in der heutigen Zeit und unter dem heutigen Wettbewerbsdruck alles Höchstleistungssituationen für den Einzelnen und für das gesamte Team. In der Regel gibt es nur eine Chance – und die muss ergriffen werden. Die Inhalte ähneln dem des Examens-Coaching-Progamms, mit dem Unterschied, dass hier das gesamte (Agentur- beziehungsweise Unternehmens-)Team involviert ist und gecoacht wird: Lokalisieren und Auflösen von Hemmnissen und Erfolgsblockaden mit WingWave optimaler Einsatz der Fähigkeiten und Ressourcen des Gesamtteams gezielte Einzelcoachings Anleitung zu Selbst-Coaching-Strategien 114
Praxis: Schlagfertig und souverän in Meetings und schwierigen Diskussionen
Simulation der Höchstleistungssituation »Höchstleistungs-TÜV« mit WingWave Bei der Umsetzung dieses Konzeptes ist ein Coach erforderlich, der zudem fundierte Kenntnisse und Erfahrungen rund um Akquisitionsstrategien, Verkaufserfolge, Verhandlungstechniken besitzt.
4.5
Praxis: Schlagfertig und souverän in Meetings und schwierigen Diskussionen
Die Prinzipien, um sich auf Höchstleistungen vorzubereiten, haben Sie jetzt schon in unterschiedlichen Schwerpunkten kennengelernt und können Sie eins zu eins übertragen. Insofern beschränke ich mich hier auf die Aspekte, die ich Ihnen zusätzlich für die Felder Meetings, schwierige Diskussionen oder Einzelgespräche empfehle: Bei diesen genannten Fällen liegt die Herausforderung für Höchstleistungen meist darin, dass Sie mit zum Teil überraschenden und kontroversen Äußerungen und Gesprächsstrategien Ihrer Gegenüber ad hoc umgehen müssen. Hierfür sollten Sie sich gedanklich und emotional in die Schuhe des anderen begeben können, um Ihr Gegenüber bestmöglich zu verstehen. Dies gewährleistet, dass Sie auch bestmöglich mit ihrer (Gegen-)Argumentation ansetzen können. Um diese stringent und souverän vorzutragen, erfordert es wieder den Perspektivwechsel zurück zu Ihnen und die vollständige Konzentration auf Ihre eigenen Ziele, Inhalte, Standpunkte und auch das Erzeugen von Assoziationen (hineindenken, hineinfühlen) mit Ihren Zielen. Darüber hinaus ist es nützlich – mit dem Helikopter-Blick (siehe Kapitel 6) – von oben auf beide Perspektiven zu schauen: auf Ihre eigene und auf die des Gegenübers. So gewinnen Sie einen mehr-perspektivischen Blick auf alles und können flexibler und damit souveräner reagieren und schlagfertiger antworten. Eine weitere Herausforderung, um Höchstleistungen zu erbringen, liegt in Folgendem: Während Sie Zeit haben und anderen zuhören, besteht die Gefahr aus der Konzentration zu fallen und auch aus Ihrer mental-emotionalen Balance, eben gerade weil Sie Zeit haben. Viel Zeit und Stille birgt die Gefahr, dass negative, ungünstige, destruktive innere Dialoge Raum ergreifen. »Was mache ich bloß, wenn der nicht gleich einlenkt?«, »Der will sich wohl profilieren und ich mache hier eine blasse Figur«, »Du bist gerade dabei, als Weichei dazustehen« und so weiter. 115
Höchstleistungen im Beruf
So etwas können Sie von vornherein vermeiden oder sich aus einer solchen Lage situativ zurückholen: Fokussieren Sie gedanklich und emotional stärkende Glaubenssätze, pflegen Sie motivierende innere Monologe und benutzen Sie Erfolgsanker (siehe oben). Zusätzlich können Sie »heimlich« Emotions-Coaching mit WingWave selber betreiben: Rücken Sie dicht an den Tisch heran, sodass Sie unauffällig unter dem Tisch, mit den Händen über Kreuz immer abwechselnd sich auf die Knie tippen und dabei zunehmend Entspannung spüren. Häufig reichen dafür schon 10–20 mal Tippen aus. Besonders in Momenten, in denen wir unsere Emotionen vor dem Überkochen bewahren wollen, ist dies hilfreich.
4.6
Praxis: Mit Üben, Lernen und Gesundheit Höchstleistungen ermöglichen
Übung macht den Meister
Keine noch so attraktive und qualitativ hochwertige Architektur eines Gebäudes kann dauerhaft stabil und in Balance bleiben, wenn der Architekt sein Erfolgsgebäude nicht auf die notwendige Basis stellt, auf ein solides Fundament! Wie verhält es sich denn mit Ihrem zeitlichen, motivatorischen und gegebenenfalls auch finanziellen Investment in das Fundament Ihres Erfolges? Machen Sie es wie die »Highperformer«, die ich Ihnen in den Interviews präsentiere! Bei aller Unterschiedlichkeit der Branchen, Persönlichkeiten, Höchstleistungsstrategien – ausnahmslos alle vereint eines: Ihre Erfolge und auch situativen Höchstleistungen fußen auf diesen jeweils weit überdurchschnittlich ausgeprägten Elementen: Fachwissen, Sachkompetenz, Übung, Vorbereitung (siehe Abb. 1). Hierfür investieren viele heute noch oder investierten in früheren Karrierephasen in Selbststudien, Schulungen, externe Trainings oder Coachings, die sie effizient unterstützen. Das zeitliche Investment in die intensive inhaltliche, mentale, emotionale und strategische Vorbereitung wird meist im Laufe der Jahre und der Karriere geringer, da die sich aufbauende Fach-Expertise und der Sicherheit und Routine vermittelnde Erfahrungsschatz immer größer werden. Dieses frühere Investment in die Vorbereitungen zahlt sich dann natürlich aus in den Situationen, die plötzlich, ungeahnt Höchstleistungen abfordern: sich uner116
Praxis: Mit Üben, Lernen und Gesundheit Höchstleistungen ermöglichen
wartet zuspitzende, kritische Gesprächs- oder Verhandlungssituationen, überraschende Mitarbeiter-Reaktionen, Live-Interviews und so weiter. Die positiv gemeisterten Referenz-Erfahrungen – aber auch das Lernen aus Niederlagen oder misslungenen Höchstleistungssituationen – helfen, die emotional-mentale Balance zu halten, da die Situation schon »bekannt« ist und daher auch den unbewussten oder bewussten Zugriff auf Erfolgsstrategien der Vergangenheit ermöglichen. Und dennoch: Bei ganz besonderen Höchstleistungssituationen – also herausragend bedeutsamen Ereignissen – bereiten sich die Highperformer auch heute noch gründlich vor. Oder üben ihre Reden, Auftritte und so weiter. Den neurobiologischen Sinn von intensivem Üben für bestimmte Höchstleistungen begründet Jörg Bauer fachlich folgendermaßen (Bauer 2010): »Das Gehirn lernt nach dem Prinzip ›Use it or loose it‹. Auf der Grundlage dieses Prinzips des wiederholten, im besten Falle emotional positiv unterlegten Einübens erfolgen der Aufbau und die Stabilisierung kompetenzorientierter (...) Netzwerke. Je häufiger sie aktiviert werden, desto eher verstärken sie sich selbst ( ...), desto schneller und effektiver können sie abgerufen werden. Ist eine erwünschte Reaktion häufig genug eingeübt und ist dadurch deren zugrunde liegendes neuronales Erregungsmuster gebahnt, erfolgt der Abruf der erwünschten Reaktion mit der Zeit automatisiert (...) Das Erlernen und Automatisieren eines neuen neuronalen Erregungs- und Verhaltensmusters benötigt also Zeit, Übung, Geduld und Ausdauer.«
Selbst-Coaching-Tipp Machen Sie eine selbstkritische Bestandsaufnahme Ihrer Höchstleistungsbasis: Wie steht es wirklich um Ihr Fachwissen und Ihre Sachkompetenz (also Ihre Fähigkeiten) in Ihren Anforderungsfeldern? Wo müssen Sie nachbessern? Und was sollten Sie wie genau häufiger oder effizienter üben oder/und vorbereiten? Setzen Sie sich im Hinblick auf Ihre selbstkritische Analyse SMARTe Ziele (siehe Kapitel 2) und beachten Sie auch die weiteren Erfolgskriterien, die Ihnen »große Ziele« ermöglichen (Kapitel 2).
Hinweis Horchen, spüren oder sehen Sie auch in sich hinein beim selbstkritischen Ergründen, ob Sie eigentlich WIRKLICH die richtige Grundeinstellung beziehungsweise förderlichen »Glaubenssätze« verinnerlicht haben, die Ihnen ermöglichen, re117
Höchstleistungen im Beruf
gelmäßig und unter Umständen intensiv zu üben. Das »Üben« greife ich an dieser Stelle heraus, da die Praxis zeigt, dass aufgrund vieler negativer und offensichtlich oder latent unbewusst belastender Erlebnisse in der Schule sich häufig ungünstige »Lern- oder Übungsbereitschaften« herausbilden. Ja, es entsteht geradezu eine Aversion gegen das, was in der Schule früher als frustrierend und häufig sogar demütigend erlebt wurde: etwas üben, etwas vormachen, beurteilt werden, weiter üben müssen und so weiter. Viele speicherten negativ konditionierende Lernerfahrungen ab, sodass Lernen, Üben, Vorbereiten unangenehme Emotionen auslösen und daher gemieden werden. Sollten Sie trotz motivierter, SMARTer Zielsetzung nicht dazu finden, Ihre beruflichen oder sportlichen Fähigkeiten ausreichend zu trainieren, dann empfehle ich Ihnen einen WingWave-Coach. Mit nur wenigen Sitzungen – manchmal mit nur einer einzigen – wird er/sie des »Pudels Kern« finden und die stressenden oder unverarbeiteten Themen dahinter auflösen. Sie werden eine nachhaltig andere Grundeinstellung zum Üben finden und auch fühlen (!) und dadurch schlussendlich zielstrebig üben können.
Körper und Gesundheit – Ihre Verbündeten für Höchstleistungen
Leistungssportler und Highperformer machen auch dies vor: Sie wissen und spüren, dass sie nur dann wach, fit, schlagfertig, aufmerksam, körperlich und mental ausdauernd sind, wenn Sie regelmäßig und ausreichend in körperliche Erholungsphasen, Entspannungstechniken, ausreichend Schlaf, Sport (auch zum Abbau von Stresshormonen!), gesunde Ernährung, ausreichende Wasserzufuhr, Abbau von Süchten und so weiter investieren. Nur auf dieser Basis sind dauerhafter Erfolg und situative Höchstleistungen möglich. In Work-Life-Balance Seminaren und -Einzelcoachings, die im Zuge der zunehmenden Burn-out-Prophylaxe-Anstrengungen Einzelner oder gesamter Unternehmen an Bedeutung gewinnen, findet der Punkt »Körper & Gesundheit« besondere Beachtung (siehe die Work-Life-Balance-Bereiche im Kapitel 2). Kognitiv ist den meisten klar, dass dieser Bereich elementar ist. Nur bei intensiver Beschäftigung beginnen sie dann auch zu spüren, wie sehr sie eine wesentliche Ressource für ihr Wohlgefühl und ihre Leistungsfähigkeit missachten beziehungsweise ungenutzt lassen und gar gefährden. Verhaltensänderungen sind anstrengend und rufen den inneren Schweinehund auf den Plan. Häufig führen erst massive Befindlichkeitsstörungen oder Gesundheitsprobleme zur Kehrwende. Auch 118
Praxis: Mit Üben, Lernen und Gesundheit Höchstleistungen ermöglichen
hier gilt – wie bei der Mahnung »Übung macht den Meister«: Setzen Sie sich Ziele unter Berücksichtigung der in Kapitel 2 aufgeführten Erfolgskriterien und fokussieren Sie förderliche Glaubenssätze wie zum Beispiel: »Ich verdiene einen gesunden Körper«, »Ich kann und werde mich gesund ernähren«, »Erholung ist Voraussetzung für Leistungsfähigkeit«. Finden Sie keine wirklich stimmigen und zeitlich stabilen Glaubenssätze und motivierende innere Monologe für diese Erfolgssäule für Höchstleistungen, dann ergründen Sie die Ursachen und lösen Sie diese auf – zum Beispiel mit einem WingWave-Coach. Noch drei Tipps Reduzieren Sie Ihren emotional-psychischen Stress, indem Sie in Ihrem Umfeld solche Veränderungen vornehmen, die Ihnen mehr und mehr ermöglichen, gemäß Ihrer wichtigsten Motive und Wertvorstellungen zu leben und zu arbeiten (siehe Reiss-Profil, Kapitel 2 und Kapitel 8, Vertiefung). Wenn Ihnen zum Beispiel das Motiv »Macht« sehr wichtig ist und Sie demnach motiviert sind durch Rollen und Aufgaben, in denen Sie Entscheidungen fällen, Dinge anschieben, gestalten und kontrollieren können, dann sollten Sie versuchen, sich hiervon mehr zu holen beziehungsweise zu suchen. Sie kennen vermutlich den vielzitierten Satz »Change it, love it, leave it«. Darauf läuft es auch hier hinaus: Versuchen Sie im ersten Schritt zu verändern, was Sie stört und dadurch mehr von dem zu bekommen beziehungsweise zu leben, was Sie von innen heraus motiviert und Ihnen Kraft gibt. Wenn Ihnen dies bei aller Anstrengung und Flexibilität nicht gelingt, dann bleibt, sich damit irgendwie zu arrangieren (»love it«) beziehungsweise das Positive daran zu fokussieren und sogar zu genießen. Gelingt dies nicht, oder weigern Sie sich oder erscheint dieses »love it« konkret oder im übertragenen Sinne ungesund, dann bleibt nur das »leave it«: Rollen, Aufgaben, Jobs, Beziehungen aufgeben – zugunsten von anderen beziehungsweise neuen. Des Weiteren empfehle ich mit einem interdisziplinär denkenden guten Arzt Ihres Vertrauens einen umfassenden Gesundheits-Check-up durchzuführen. So können sämtliche medizinisch gestützte, individuelle Maßnahmenpläne inklusive Nahrungsergänzungsmittel und körperliche Trainingspläne auf Sie abgestimmt werden. 119
Höchstleistungen im Beruf
Last but not least: Denken Sie daran, mehrmals täglich ihre Thymusdrüse durch Klopfen zu stimulieren (siehe Kapitel 3 und 6). Insbesondere vor vorhersehbaren Höchstleistungssituationen. Ergänzender Hinweis Die Neurobiologie bestätigt sogar die herausragende Bedeutung von gesunder Ernährung, Bewegung und ausreichender Entspannung für Zielerreichung und Höchstleistungen: »Angst, Stress, fehlender Antrieb oder Aufmerksamkeitsstörungen sind die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für die Zielerreichung. Der Mensch fühlt sich kraftlos und seiner Aufgabe nicht gewachsen. Die wichtigsten Voraussetzungen für die Zielerreichung sind also intakte Neurotransmitter-Systeme (Noradrenalin-, Serotonin-, Dopamin-, Acetylcholinsystem). Sie hängen von gesunder Ernährung, Bewegung und ausreichender Entspannung ab.« (Quelle: Management-Perspektiven, 05-06/2011).
4.7
Selbst-Coaching
Die Verwirklichung von anspruchsvollen beruflichen Zielen wird Ihnen unter Obhut eines fachkundigen und erfahrenen Coaches sicherlich einfacher fallen. Aber für viele der in diesem Kapitel vorgestellten Techniken ist das nicht zwangsläufig erforderlich; sie eignen sich auch hervorragend zur Unterstützung des CoachingProzesses oder fürs Selbst-Coaching. Das können Sie eigenständig trainieren: Beginnen Sie doch einfach damit, dass Sie sich eigene berufliche Ziele setzen, die den SMART-Kriterien entsprechen. Bedenken Sie bei Ihrem schriftlichen Plan zur Zielerreichung auch die Nebenwirkungen, Risiken und Preise (NRP) Ihrer neuen Ziele, damit der »innere Schweinhund« keine Chance bekommt. Formulieren Sie Ihre Ziele und Motivationssätze stets gehirngerecht, das heißt positiv. Ihr Gehirn kann das Wort NICHT nämlich nicht denken! Kennen Sie schon den James-Bond-Trick? Sicherlich erinnern Sie sich an den Tonfall seiner Begrüßung: »Meine Name ist Bond, James Bond«. Am Ende des Satzes senkt Bond gezielt die Stimme. Damit signalisieren Sie sich und anderen Selbstvertrauen und vermeiden die lästigen »Ähs und Öhs«. Der Trick 120
Selbst-Coaching
ist einfach, aber sehr wirkungsvoll in Prüfungen, bei Präsentationen, Einstellungsgesprächen und überall dort, wo Sie selbstbewusst auftreten müssen. Üben Sie, bewusst externe Störungen auszuschalten und Ihre Gedanken auf Ihre aktuellen Tätigkeiten und Ziele zu konzentrieren. Je intensiver Sie mit Freude im Moment Ihrer Tätigkeit aufgehen oder je intensiver Sie sich Ihr Ziel attraktiv ausmalen, desto erfolgreicher halten Sie sabotierende, negative innere Dialoge, Ängste und Unsicherheiten fern. Feinde Ihrer Höchstleistung! Trainieren Sie, einen günstigen inneren Dialog zu führen: Sprechen Sie wohlwollend und motivierend mit sich – so, wie es ein guter Freund tun würde. Sammeln Sie – am besten schriftlich – all Ihre Ressourcen, die Ihnen auf dem Weg zum Ziel oder mitten in der Höchstleistungssituation helfen könnten. Betrachten Sie diese Liste mehrfach am Tag, um diese Ressourcen immer stärker zu verinnerlichen und um daraus Motivation und Zuversicht zu gewinnen. Üben Sie in kniffligen Situationen mit unerwartetem Ausgang die A-B-CTechnik: An der »Aktion«, dem was passiert, können Sie meist nichts ändern, die Bewertung dessen und ihr innerer Dialog liegen aber ganz in Ihrer Hand. Simpel – aber sehr wirksam: Atmen Sie vor und in schwierigen Situationen bewusst tief ein und tief aus – mehrfach, bevor Sie normal weiteratmen. Anschließend nutzen Sie einen Ressourcen-Anker, den Sie vorher fest etabliert haben. Unbekannte Vortrags-, Verhandlungs-, Interview- oder Prüfungsorte sollten Sie vorher in Augenschein nehmen, um zu wissen, was auf Sie zukommt und welche Vorbereitungen Sie eventuell noch treffen müssen. Wenn Sie sich ganz besonders mit dem Ort »anfreunden« wollen, hören Sie dabei die WingWave-CD, die störende Emotionen reguliert und gleichzeitig Zuversicht und Vorfreude steigert. Entlasten Sie sich, indem Sie sich rechtzeitig eine »Mitnehm-Liste« anlegen, in die Sie sukzessiv alles Wichtige eintragen, was Ihnen im Laufe der Vorbereitungsphase einfällt. So können Sie am Vorabend alles zurechtlegen und gegebenenfalls schon einpacken. Denken Sie dabei auch an: Medikamente, Essen/ Trinken, »Glücksbringer«, passende Kleidung, Ersatzstrumpfhose, Schreibutensilien, Uhr, Handy, Unterlagen, gegebenenfalls Ersatztechnik (Beamer, 121
Höchstleistungen im Beruf
Laptop, Speichermedien), Brille/Kontaktlinsen, Adresse und Telefonnummer Veranstaltungsort, WingWave-CD zum Hören auf dem Hinweg oder in Pausen. Sorgen Sie vor wichtigen Situationen für ausreichend Schlaf, körperliche Fitness und gesundes Essen und ausreichend Trinken (am besten stilles Wasser). Führen Sie »Generalproben« durch und trainieren Sie auch schwierige Herausforderungen, um Souveränität und Sicherheit zu steigern. Gerade der Umgang mit »worst-case-Szenarien« will im Vorfeld durchdacht, geplant und trainiert werden. Einmaliges Überlegen bringt wenig, denn bei der »Programmierung auf Erfolg« zählen Häufigkeit, Dauer und emotionale Intensität, mit denen wir uns vorsorglich darauf vorbereiten. Denn beim realen »worstcase« Erlebnis sind die Emotionen – bei erhöhtem Arousal (angespannte Nerven) – noch stärker beteiligt als bei der bloßen Vorstellung im Vorhinein. Dieses Manko beim Mentaltraining sollte daher mit Quantität ausgeglichen werden (vgl. Brand/Löhr 2008). Lassen Sie aus dem worst-case heraus in Ihrer Vorstellung immer wieder Ihre vielfältigen und positiven Szenen des Meisterns im Kopf entstehen. So bilden sich die entsprechenden neuronalen Bahnen zu »Autobahnen« aus. Im »Ernstfall« laufen Ihre Reaktionen dann schneller und ungehinderter.
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Interviews 4 Lars Hinrichs – »Management by Helicopter« Lars Hinrichs, Gründer und Geschäftsführer von HackFwd, einer pre-seed Investment Firma. Davor unter anderem Gründer des Netzwerkes XING. In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie Höchstleistungen erbringen? Ich habe da eine etwas andere Einstellung, denn ich sehe meinen Job nicht als Arbeit, sondern ich gehe meinen Leidenschaften nach. Ich bin besonders gut, wenn ich Dinge tue, die ich liebe. Und so will ich leben und arbeiten. Mich reizt der Diskurs mit Leuten, von denen ich glaube, dass sie gut sind. XING war am Anfang ein kreativer Schmelztiegel. Programmierer sind für mich die Artisten des 21. Jahrhunderts. Ich bin vom Programmieren fasziniert. Was waren Ihre wichtigsten Höchstleistungen? Das war natürlich die Herausforderung, XING an die Börse zu bringen. Auf einer Roadshow musste ich möglichst viele Investoren gewinnen. Elf Tage lang erzählte ich bestimmt acht Mal am Tag die gleiche Geschichte. Letzte Woche hatte ich einen Termin mit einem Politiker in Hamburg. Da ging es um sehr große Investitionen. Es stand viel auf dem Spiel. Eine große Herausforderung ist für mich auch, wenn ich zur Langsamkeit gezwungen bin. Bei einer Talkshow sprach der Geschäftsführer der Zeit, Rainer Esser, für meinen Geschmack sehr langsam. Ich wurde beim Zuhören nervös und musste mich wirklich sehr zügeln. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Höchstleistungen abzurufen? Erstens kann ich mit Druck sehr gut umgehen. Ich liebe es zum Beispiel, vor 1.500 Zuhörern auf der Bühne zu stehen. Ich weiß, dass ich deutlich besser bin, wenn ich etwas von anderen will. Das stachelt meinen Ehrgeiz an.
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Interviews 4
Und wie bereiten Sie sich konkret vor? Ich setze auf eine extrem gute, schriftliche Vorbereitung. Bei der Übergabe von XING an meinen Nachfolger habe ich ein Papier mit 128 Punkten erstellt, die Hälfte positive, die Hälfte negative Anmerkungen. Welche Strategien nutzen Sie in Höchstleistungssituationen? Ich habe eine schnelle Auffassungsgabe und Assoziationsfähigkeit, daher sagt man mir eine extrem hohe Schlagzahl und Umsetzungsgeschwindigkeit nach. Wie erreichen Sie große Ziele? Ich bin ein visueller Typ und habe daher immer ein sehr klares Bild vor Augen. Sehr geholfen hat mir das Buch von Napoleon Hill: »Think big and grow rich« und alle Bücher von Malcolm Gladwell. Ich denke in Chancen und nicht in Risiken und habe daher auch keinen Plan B in der Tasche. Wenn Plan A nicht funktioniert, dann gibt es eben einen neuen Plan A. Mein Führungsstil lässt sich am besten mit »Management by Helicopter« beschreiben: Ich betrachte die Dinge von oben, komme runter und gehe rein, wirbele Staub auf und entwickle Dinge weiter. Die operative Umsetzung überlasse ich anderen. Dann starte ich wieder zu einer neuen Herausforderung. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Fehler nenne ich beim ersten Mal »Lernerfahrung«. Erst bei der Wiederholung ist es ein Fehler. Ich habe schon mal erfolgreich ein Unternehmen in die Insolvenz gesteuert. Das habe ich realisiert, analysiert, abgehakt und bin neu durchgestartet – und ja recht erfolgreich.
Karen Hochrein – »Ich freue mich darauf, Impact zu haben« Karen Hochrein, Partnerin Ernst & Young, Steuerberaterin/Wirtschaftsprüferin, EMEIA People Leader, Mitglied des Area Executive Boards in EMEIA (Europe, Middle East, India, Africa) In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Situative Höchstleistungen, das sind für mich vor allem Situationen, in denen es keine zweite Chance gibt. Ich denke da an meine mündliche Prüfung zur Steuer124
Karen Hochrein – »Ich freue mich darauf, Impact zu haben«
beraterin und später zur Wirtschaftsprüferin oder Angebotspräsentationen vor möglichen Neukunden. Je größer und bedeutsamer der Auftrag, desto stressiger ist so eine Situation natürlich. Vor zehn Jahren reichte noch guter Inhalt, heute wird zusätzlich eine besonders gute Präsentations-Performance erwartet. Besonders fordernd waren auch einige interne Präsentationen, etwa vor sehr großem Publikum, in englischer Sprache. Was war das Herausfordernste an diesen Situationen? Bei meiner ersten englischen Präsentation vor einem internationalen Kollegenkreis musste ich hinter der Bühne warten. Von dort trat ich ins Scheinwerferlicht, das so gnadenlos hell war, dass ich das Publikum kaum sehen konnte. Außerdem hallte mein Mikro so stark, dass ich mich selbst nur verzerrt hörte – wirklich irritierend. Bei meinen mündlichen Berufs-Examina war das Schwierigste, dass so viel davon abhing! Außerdem ist man in mündlichen Prüfungen dem Ermessen der Prüfer besonders ausgesetzt. Ich empfand es als eine große Belastung, dass andere über mich subjektiv urteilten, möglicherweise sogar ungerecht. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuelle Höchstleistung abzurufen? In den mündlichen Examina war eine gute Vorbereitung und meine Einstellung entscheidend. Zwischendurch habe ich mir immer wieder stärkend ins Bewusstsein gerufen: »Ich mache das Beste daraus«. Glücklicherweise habe ich noch nie einen Blackout oder Ähnliches erlebt, habe also nur positive Vorerfahrungen. Daher vertraue ich mir und meinen situativen Fähigkeiten. Innerlich sage ich mir manchmal Sätze wie: »Jetzt wird es gut« oder »Du kannst das«. Bei großen Präsentationen hilft mir eine gute Konzentration, die ich durch tiefes Atmen verstärken kann. Auch körperliche Bewegung, ein paar Schritte hinter der Bühne zu gehen, entlastet und fokussiert mich zugleich. Und vielleicht am Wichtigsten: Vorfreude steigert meine Leistungsfähigkeit enorm. Ich freue mich darauf, »Impact« zu haben. Ein vielleicht banaler Tipp noch: genügend Wasser trinken! Bereiten Sie sich in besonderer Weise auf Höchstleistungen vor? Ja, in vielfältiger Weise: Durch genügend Schlaf, gute Ernährung und regelmäßiges Joggen sorge ich für eine gute allgemeine körperliche Fitness. Für wichtige Vorbereitungen nehme ich mir Zeit und frage mich vorher: »Was will ich erreichen?« und »Wie erreiche ich mein Publikum am besten?« Dann spiele ich 125
Interviews 4
die Situationen gedanklich durch, natürlich mit positivem Ausgang: Wie wird es sein, wenn ich das Ziel erreicht habe? Ich hole mir auch gern Rat von anderen ein. Dabei muss man aber aufpassen, nicht overcoached zu werden. Zu viele Coaches bringen auch ein Menge gegensätzliche Meinungen auf, die dann insgesamt auch nicht weiterhelfen. Einer meiner wichtigsten Ratgeber ist mein Mann. Welche Grundüberzeugungen oder Werte verstärken Ihre Höchstleistungsfertigkeiten? Ich habe Überzeugungen, die mir beim Abrufen von Höchstleistungen helfen: 1. Mein Thema ist wichtig. 2. Ich weiß sehr viel über das Thema – mehr als alle anderen. 3. Ich habe Leidenschaft für das Thema und will viele damit erreichen. Meine Grundüberzeugung ist, dass unsere Mitarbeiter der wichtigste Erfolgsfaktor sind. Das geht im Alltag leider manchmal unter. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Bei Präsentationen bin ich häufig selbst nicht hundertprozentig zufrieden mit mir und daher meine schärfste Kritikerin. Ich analysiere dann, was nicht ideal war und hole mir auch eine externe Meinung dazu ein. Wenn Entscheidungen anders gefällt werden, als ich es wollte, ist auch dies für mich ein gewisser Misserfolg. Aber ich akzeptiere das dann und nehme es nicht persönlich. Ich versuche das Ergebnis dann aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Das hilft. Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen, mit denen Sie Höchstleistungen in Sport und Freizeit erbracht haben, schon einmal in berufliche Höchstleistungssituationen übertragen und umgekehrt? Ich war früher Leistungsschwimmerin und habe auch intensiv Leichtathletik betrieben – bis zu den Hamburger Meisterschaften. Diese Fähigkeiten, sich zu konzentrieren und sehr diszipliniert zu arbeiten, nützen mir auch beruflich. Denn meine zahlreichen Termine und Geschäftsreisen erfordern ein sehr gutes Zeitund Selbstmanagement. Heute mache ich keinen Leistungssport mehr, sondern jogge drei Mal pro Woche zur Entspannung und zum Ausgleich. Dies ist für mich Grundvoraussetzung und gleichzeitig Vorbereitung auf Höchstleistungen. Für berufliche Höchstleistungen nutze ich manchmal ein Bild aus dem Sport: Zum Beispiel wie man sich an einem Seil hochzieht oder bei einer schwierigen Bergwanderung einen Schritt nach dem anderen setzt, um das Ziel zu erreichen. 126
Moritz von Laffert – »Ich nehme mir keine Ziele vor, die unter keinen Umständen erreichbar sind«
Moritz von Laffert – »Ich nehme mir keine Ziele vor, die unter keinen Umständen erreichbar sind« Moritz von Laffert, Vice President Condé Nast International, Mitglied des internationalen »Executive Committee«, Herausgeber und Geschäftsführer Condé Nast und Condé Nast Digital in Deutschland. Davor unter anderem Verlagsgeschäftsführer Frauen- und Lifestylemedien bei Axel Springer in Hamburg und München. Wann mussten Sie das erste Mal Höchstleistungen erbringen? Mit meinem Posaunen-Quintett habe ich es bis in die Endausscheidung von Jugend musiziert geschafft. Das war sicherlich eine Höchstleistung, allein die Vorbereitung. Wir haben ein Jahr lang auf die Vorspiele hingearbeitet – die drei Stücke immer wieder bei allen möglichen Anlässen gespielt, täglich mehrere Stunden geprobt und uns so auf die alles entscheidenden Auftritte vorbereitet. Das hat natürlich mein ganzes, recht musikalisch geprägtes, Umfeld mitbekommen, wodurch der Druck zusätzlich stieg. Und wie ist Ihre Strategie, um Höchstleistung abzurufen? Wie in dem Beispiel schon deutlich wird: Am Anfang vor allem eine sehr gute Vorbereitung. Das Bewusstsein, etwa bei Präsentationen von dem Thema in der Regel mehr zu wissen als die Zuhörer, gibt mir die nötige Gelassenheit. Und ich stelle mir immer die Frage: Was ist das Allerschlimmste, was dir passieren kann? Es geht um Reden, Vorträge, Präsentationen – etwas wirklich Existenzielles kann in keiner dieser Situationen passieren. Mit zunehmendem Alter und Erfahrung stellt sich die Frage ohnehin nicht mehr – es ist alles eine Frage der Routine. Wie gehen Sie mit Druck um? Früher habe ich immer gedacht: Vor einer Höchstleistung musst du super geschlafen haben, gut gefrühstückt, Stress vermeiden, andere Themen ausblenden und lieber einen Flug früher nehmen – alles muss perfekt sein. Dann habe ich gemerkt, dass das Blödsinn ist. In einer Situation, die volle Konzentration erfordert, sorgen Körper und Geist schon dafür, dass du voll da bist. Und jetzt sind Sie tiefenentspannt? Das nicht, aber ich mache mir keinen unnötigen Druck und stelle keine völlig überzogenen Erwartungen an mich selbst. Ich hatte zum Beispiel nie vor, Vorstandsvorsitzender eines DAX30-Konzerns zu werden – so eine Karriere lässt sich 127
Interviews 4
sowieso nicht planen. Ich bin ambitioniert, aber ich versuche mich realistisch einzuschätzen und dabei meine Grenzen zu kennen und sie zu nutzen. Ich nehme mir keine Ziele vor, von denen ich weiß, dass sie unter keinen Umständen erreichbar sind. Wie verfolgen Sie Ihre Ziele? Konsequent. Die Möglichkeit der Niederlage kalkuliere ich dabei gleich mit ein. Beispiel: Wenn ich mir ein Auto kaufe, weiß ich, dass ich als Autofahrer Zeit im Stau verbringen werde und ärgere mich hinterher nicht, wenn es dann soweit ist. Früher gab es mal Momente der Nervosität, aber inzwischen bin ich ziemlich gelassen geworden. Ich sage mir: »Okay, zu 90 Prozent werde ich siegen, zu vielleicht 10 Prozent verlieren.« Wenn ich dann verliere, dann ist es halt so. Gibt es dafür ein Beispiel? Als der Geschäftsführerposten bei Condé Nast ausgeschrieben war, wurde ich über einen Headhunter angesprochen. Ich wusste: »Okay, ich habe eine Chance, aber es sind natürlich auch andere Kandidaten im Rennen. Ich werde alles geben, um den Job zu bekommen. Aber wenn es nicht klappt, dann ist es zwar schade, aber kein Drama – ich nehme ja nur eine Chance wahr.« Letztlich hat es geklappt – vielleicht lag es mit an einer gewissen Gelassenheit in dem Prozess. Fixieren Sie Ihre Ziele schriftlich? Nein, ich weiß ja, was meine Ziele sind – ich wache mit ihnen auf und gehe mit ihnen ins Bett. Es rattert dann bei mir im Kopf den ganzen Tag: »Was kann ich noch tun, um meine Chancen sie zu erreichen, noch um ein Prozent zu erhöhen.« Da ist eine gesunde innere Unruhe, die mich antreibt. Da brauche ich kein Ziel-Controlling. Gab es dabei auch Niederlagen? Oh ja, etwa bei der Übernahme der Zeitschrift »Rolling Stone« damals noch für den Springer Verlag. Mit dem Titel »Musikexpress« konnten wir nicht Marktführer werden. Also war klar, wir müssen irgendwie den Konkurrenztitel übernehmen. Aber es gab unendlich viele Hindernisse wie etwa die amerikanischen Lizenzrechte. Und kurz vor der Übernahme kam plötzlich das Kartellamt und wollte uns den Deal ganz verbieten. 128
Moritz von Laffert – »Ich nehme mir keine Ziele vor, die unter keinen Umständen erreichbar sind«
Wie sind Sie damit umgegangen? Ich war kurze Zeit etwas niedergeschlagen. Aber dieses Gefühl des Rückschlags mobilisiert auch wieder neue Kräfte. Ich wollte mir das Ziel nicht kaputt machen lassen. Ich sagte mir, im Kartellamt sitzen auch nur Menschen. Vielleicht musst du denen das nur besser erklären. Ich bin hingefahren mit einem großen Koffer voller Musikzeitschriften und habe, frei von jeglicher Juristerei, ein sehr emotionales Plädoyer gehalten. Das war wohl sehr leidenschaftlich und hat letztlich etwas bewirkt. Sehr unkonventionell, oder? Das Verbot des Kartellamtes hatte während der erneuten Prüfung noch Bestand. Ich wusste, wenn wir das nicht sofort ändern, wäre die Zeitschrift tot. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion habe ich die Sekretärin des Chefredakteurs kurzerhand zur Verlegerin gemacht. Sie hieß Schmitz. Wir haben spontan eine neue Gesellschaft gegründet – die Rockzeitung Schmitz GmbH. In der erschien die Zeitschrift, bis die Prüfung des Kartellamtes abgeschlossen war. Du musst in solchen Situationen deine Kreativität einsetzen. Es kostete ein Jahr lang harte Arbeit, aber am Ende hatten wir die Zeitschrift.
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5.
Höchstleistungen im Sport
5.1
Mentalcoaching und Selbst-Coaching im Spitzensport
Olympia 2008. Finale im Fechten. Die Favoritin Britta Heinemann führt 12 zu 8. Doch da schoss ihr plötzlich dieser Gedanke durch den Kopf: »Gleich hast du Gold!« Die kurze Ablenkung reichte bereits: Britta Heinmann kassierte binnen 15 Sekunden zwei Treffer. Sofort schlug die Euphorie in Panik um: »Oh, Gott, du verlierst«. Solche Gedanken dauern nur einen kurzen Moment, aber ihre Wirkung kann verheerend sein: Die Konzentration ist weg und die vor dem Wettkampf mühsam aufgebaute mental-emotionale Balance ist mit einem Schlag dahin. Zum Glück wusste Britta Heinemann, was in solchen kritischen Momenten zu tun ist. Sie steuerte bewusst mit einem inneren Dialog gegen das Konzentrationsloch: »Komm, jetzt ganz ruhig. Atme tief durch und versuche, eine Minute lang den Trefferstand zu halten. Ganz ruhig. Spitze nach vorn, treffen wollen. Nichts überstürzen, aber mutig. Konzentrieren. Augen nach vorn – auf das Wichtigste richten.« Diese sogenannten »Pep-Talk«-Sätze hatte sie mit einem Mentaltrainer einstudiert. Und immer wieder trainiert, trainiert, trainiert – bis sie ihr in Fleisch und Blut übergegangen waren. Wie auf Knopfdruck konnte sie die Sätzen abspulen, den positiven Dialog in entscheidenden Momenten in Gang setzten. Und das half auch dieses Mal: Am Ende des Matches stand es 15:11 und Britta Heinemann gewann Olympia-Gold. Diese Erlebnisse, die der Fechtstar dem Magazin Stern (Stern 30/2010) erzählte, zeigen eindrucksvoll, wie wichtig mentales Coaching und Selbst-Coaching im Spitzensport mittlerweile geworden sind. Physisches Training allein reicht nicht mehr aus. Ohne die Beherrschung des Mentalen sind bei der Leistungsdichte im Spitzensport Höchstleistungen und Siege nur noch in Ausnahmefällen möglich. Jeder Top-Athlet hat heute selbstverständlich auch einen Mentaltrainer. Denn der Druck ist immens, wenn alle Augen auf einen gerichtet sind. Und gleichzeitig weiß der Athlet, nur wenn er locker bleibt, kann er Höchstleistungen erbringen. Denn gewonnen wird im Kopf, verloren leider auch. 131
Höchstleistungen im Sport
5.2
Die Strategien der Spitzensportler
Top-Athleten haben keine Zeit, unnütze, nicht ausgegorene Dinge zu trainieren. Wir können also davon ausgehen, dass die weltbesten Sportler nur Mentaltechniken trainieren, die sich tausendfach bewährt haben, nur Skills, die auch unter großem Stress tatsächlich etwas bringen. Welche mentalen Fähigkeiten trainieren die Spitzensportler und wie genau coachen sie sich während des Wettkampfes selbst? Und was können wir für unseren Alltag davon lernen?
Der innere Dialog
Olympiasiegerin Britta Heinemann hat eindrucksvoll beschrieben, wie wichtig die Steuerung des inneren Dialoges für Höchstleistungen ist. Ein ungünstiges Zwiegespräch kann schlagartig die Konzentration rauben, total aus der Bahn werfen. Das Beispiel der Spitzenfechterin zeigt aber auch: Gezielt gegenzusteuern und sich quasi selbst aus dem Sumpf eines ungünstigen Dialoges zu ziehen – das kann man trainieren. Diese Dialoge sind kein banales »Alles wird gut«, wie es viele vielleicht noch aus den Anfängen des Positiven Denkens (Positive Thinking) kennen. Und sie haben auch nichts mit den »Tschaka – du schaffst es«-Rufen der Motivationsgurus aus den 1980er-Jahren zu tun. Im Spitzensport eingesetzt werden dagegen klar formulierte und konkrete Anweisungen, die den Sportler beruhigen, ihm Zuversicht geben und wieder in Balance bringen: »Du hast gut trainiert und bist perfekt vorbereitet. Du weißt, dass du das schaffen kannst«. Sportler lernen, diese Sätze in jedem Fall positiv zu formulieren, denn der Wortlaut spielt eine große Rolle. Fatal wäre eine Formel wie »Keine Angst, es wird bestimmt nicht so schlimm«. Unser Gehirn hat nämlich eine Besonderheit, die viele nicht kennen: Es reagiert reflexartig auf alle Schlüsselwörter, »hört« aber im Detail nicht so genau hin. In unserem Beispiel blieben von dem gut gemeinten Motivationssatz lediglich »Angst« und »schlimm« hängen, »keine« und »nicht« wird unterbewusst nicht registriert. Folge: Der Befehl löst negative Reaktionen aus. Das Stressniveau steigt, die Muskeln verkrampfen. Im schlimmsten Fall droht sogar ein Blackout. Genau das Gegenteil von dem, was man eigentlich bezwecken wollte. Dieses Wissen lässt sich natürlich auch beim Selbst-Coaching vor wichtigen Wettkämpfen in der Freizeit oder kniffligen Prüfungen und Präsentationen im Job ein132
Die Strategien der Spitzensportler
setzen. Niemand kann überzeugend reden oder verhandeln, wenn er sich ständig sagt: »Ich schaffe das nicht«. Kein Chirurg könnte operieren, wenn er die ganze Zeit darüber nachdenkt, dass ihm der Patient unter dem Messer wegsterben könnte. Aber leider ist das gar nicht so einfach, denn unsere Psyche ist naturgemäß gar kein Freund des »Positiven Denkens«: »Wie ein Magnet ziehen wir destruktive Gedanken an. In uns baut sich eine Hemmschwelle auf, und wir sind nur noch mit den negativen Konsequenzen beschäftigt«, beschreibt Sportpsychologe Professor Eberspächer diesen Mechanismus. Aber negative Gedanken, Unkenrufe und düstere Zukunftsszenarien sind Gift für jeden Erfolg. Dabei ist es gleichgültig, ob es ums Fechten geht oder um ein wichtiges Gespräch mit dem Kunden oder dem Chef. Diesen Mechanismus kennt Fechtweltmeisterin Britta Heinemann nur allzu gut: »Eine Woche vor den Spielen in Peking bin ich durch ein Wechselbad der Gefühle gegangen«, erzählte sie dem Magazin Stern. »Den einen Tag habe ich geweint, weil ich gedacht habe, ich halte dem Druck nicht stand. Und am nächsten Morgen war ich total euphorisch und aufgekratzt«. Am Abend schrieb sie dann alles Belastende auf einen Zettel und steckte ihn in eine Schublade. Eine wirkungsvolle Technik, um Dinge im wahrsten Sinne des Wortes »abzuhaken«. Tagsüber redete Britta Heinemann viel mit sich selbst, dem Teampsychologen und mit Freunden, aber nur mit bestimmten. »Ich mag nicht negativ eingestimmt werden. Von solchen Einflüssen halte ich mich gezielt fern«.
Gehirnkino
Eine besonders wirkungsvolle Technik des Selbst-Coachings im Spitzensport ist das Visualisieren. Jeder sportbegeisterte Fernsehzuschauer kennt die Bilder von Rennrodlern und Skifahrern, die kurz vor dem wichtigen Rennen mental die Strecke abfahren. Sie lassen vor dem inneren Augen noch einmal den vorher mühsam einstudierten Film ablaufen, der zeigt, wie sie die anspruchsvolle Strecke sicher meistern. Häufig ergänzt durch wichtige Anweisungen des Trainers wie: »Und jetzt tief gehen oder den Ski laufen lassen«. Es ist wissenschaftlich bewiesen: Mit einem lückenlosen Film im Kopf, hat der Athlet erheblich bessere Chancen, in den entscheidenden Momenten seine Höchstleistung abzurufen. Auch Reckweltmeister Florian Hambüchen setzt diese Technik ein. Wenn er im Wettkampf am Reck steht und von unten die Stange fixiert, dann läuft vor seinem inneren Auge ein Film mit einem besonders schwierigen Übungsteil ab. Nach 133
Höchstleistungen im Sport
dieser kurzen Konzentrationsphase geht es los. »Sowie meine Finger das Metall berühren, explodiere ich«, erzählte Hambüchen dem Magazin Stern (Stern 30/2010). Aber diese wirkungsvollen Gehirnkino-Filme sind vorher hart errungen. Florian Hambüchen übt sie mit seinem Onkel Bruno Hambüchen, der sein Mentalcoach ist. Der Onkel reist dem Turnstar mit dem Wohnmobil hinterher. Auf dem Parkplatz vor dem Sportlerhotel machen die beiden dann regelmäßige Mentalsessions. Fabian dreht für jede Riesenfelge, jeden Salto einen kleinen Film im Kopf. »Vorstellungskraft aufbauen, das klingt so leicht«, erklärt Mentalcoach Bruno Hambüchen, »aber es ist in Wirklichkeit genauso anstrengend wie Muskelaufbau.« Stellen Sie sich zum Beispiel vor, Sie trinken an einem sehr heißen Sommertag ein kühles Wasser mit Zitrone und Eiswürfeln. Sich so tief in die Situation hineinzudenken, dass Sie die Zitrone schmecken und die Kälte beim Lutschen des Eiswürfels spüren, ist schwieriger als zunächst angenommen. Visualisieren und die weitere emotionale Aufladung durch Einbeziehung der anderen Sinneskanäle (Riechen, Schmecken, Hören, Fühlen) hilft, sich für den entscheidenden Moment zu wappnen. Wer es schafft, den inneren Film immer wieder vor dem inneren Auge abspulen zu lassen, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch im Ernstfall die Situation besser meistern. Sportwissenschaftler haben herausgefunden, dass das Üben vor dem inneren Auge genauso trainiert wie reales Training. Diese Technik kann jeder erstaunlich wirkungsvoll im Selbst-Coaching einsetzen. Trainieren Sie doch die gefürchtete praktische Fahrprüfung, die wichtige Kundenpräsentation oder das Bewerbungsgespräch für den Traumjob vorher im Kopf. Etwa so: Sie warten im Vorzimmer, der Termin hätte schon vor 20 Minuten beginnen sollen. Der Chef hat aber immer noch keine Zeit für Sie. Durch die geschlossene Tür hören Sie seine laute Stimme, wie er gerade einen Mitarbeiter runterputzt. Sie werden nervös. Wenige Minuten vor dem wichtigen Gespräch versuchen Sie sich gezielt zu beruhigen: Sie konzentrieren sich in Ihrer Vorstellung einfach auf die eigene Atmung und spüren sofort die Wirkung: Der Puls wird ruhiger, die angespannte Nackenmuskulatur entspannt sich und ein wohliges Gefühl durchströmt den Bauchraum. Jetzt geht die Tür auf und er bittet Sie herein. Sie sehen sich mit ruhigem Schritt in den Raum gehen und selbstsicher auf dem Stuhl Platz nehmen. Der Chef beginnt gleich mit einer provozierenden Eingangsfrage. Aber Sie kontern mit einem Lächeln auf den Lippen. 134
Die Strategien der Spitzensportler
»Bei der Visualisierung betrachtet man sich auch ein Stück von außen«, erklärt Mentalcoach Bruno Hambüchen. Man sieht sich quasi von außen, stellt sich neben sich. Durch diese Perspektive fallen Schwachstellen im eigenen Verhalten auf, die man im Mentaltraining gezielt präventiv bearbeiten kann. »Aber bitte seien Sie immer realistisch«, warnt Bruno Hambüchen, »laden Sie sich ins imaginäre Publikum auch ein paar Leute, die gelangweilt auf die Uhr schauen und herzhaft gähnen. Beziehungsweise stellen Sie sich einen Chef vor, der ungehalten ist, um sich darauf innerlich vorzubereiten«.
Der totale Fokus
Zehn Sekunden noch. Der Blick ist starr, das Gesicht regungslos. Lediglich die Lippen von Hochspringerin Ariane Friedrich bewegen sich, murmeln stumm einige Worte, fast wie Beschwörungsformeln. Es ist der letzte Versuch, die Latte liegt auf 2,02 Metern. Es geht um Bronze bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 2009. Seit zwei Tagen hat sie nicht geschlafen. Zu groß war die Angst, vor heimischem Publikum total zu versagen. Fünf Sekunden noch. Ein Lächeln gleitet über ihr Gesicht. Das Publikum im Berliner Olympiastadion tobt. Ariane Friedrich führt den Zeigefinger an den Mund. Das Publikum gehorcht. Sofort ist alles gespenstisch ruhig. Dann läuft sie los, biegt in die U-Kurve und stemmt den linken Fuß in den Boden. Sie steigt auf, fliegt ohne Berührung über die Latte und landet auf der Matte. Dann bricht es aus ihr heraus, entlädt sich die Anspannung von Wochen und Monaten in einem einzigen Schrei »JAAAHH!«. Spitzensportler wie Ariane Friedrich sind die Meister des Augenblicks. Sie müssen auf den Punkt topfit sein und unter größter psychischer Anspannung Höchstleistungen abrufen können. Sie müssen »liefern« – sonst taugen sie nicht zum Spitzenathleten. Was für ein Mega-Stress! Aber wie machen sie das? Wie konnte Golfstar Tiger Woods vor dem entscheidenden Put zum Triumpf bei den US-Majors so cool und fokussiert bleiben? Wieso bleibt Tennisstar Raphael Nadal im Finale von Wimbledon locker und kann sein Ding durchziehen, während andere unter dem Druck verkrampfen? Wie funktioniert diese totale Fokussierung und was können wir von den Fähigkeiten der Spitzenathleten lernen? Diese absolute Konzentration aufs Wesentliche, dieser gezielte Tunnelblick ist ein Traum – im Sport genauso wie im Job. Aber jeder weiß auch, wie schwer das Konzentrieren ist und wie leicht man sich vom Umfeld aber auch von eigenen Gedanken aus der Ruhe und aus der Bahn bringen lässt. Aber keine Sorge, den Spitzensportlern geht es am 135
Höchstleistungen im Sport
Anfang ihrer Karriere auch nicht viel anders. Sie müssen die totale Konzentration mühsam lernen. Sie durchlaufen ausgeklügelte Trainingsprogramme, um Störendes auszublenden, negative Erlebnisse nicht an sich heranzulassen und sich auf die eigenen Stärken zu fokussieren. »Tunnel« nennen Athleten diesen Zustand, wenn sie wie in Trance aufgeladen bis in die Nervenfasern auf den Startschuss warten. »Ich nehme dann nichts mehr um mich herum wahr, nicht die Zuschauer, nicht die Gegner, einfach nichts«, beschreibt Paul Biedermann, vierfacher Weltmeister im Schwimmen, dieses Gefühl der absoluten Konzentration. Selbst wenn sein schärfster Rivale, der 14-fache Olympiasieger Michael Phelps, neben ihm auf dem Startblock steht, dann ist diese Legende für Biedermann einfach ein »Irgendwer«. »Denn sonst«, verriet er dem Magazin Stern, »schwimmst du wie mit angezogener Handbremse«(Stern 30/2010). »Aber auch in vielen Jobs wird heutzutage permanent Höchstleistung erwartet«, sagt der Sportwissenschaftler Jan Mayer, der das Institut für Sportpsychologie und Mentales Coaching in Schwetzingen leitet. Seine Kollegen und er konnten in zahlreichen Studien die Wirksamkeit von mentalem Training auch in Job und Alltag nachweisen. Posaunisten, die ihr Stück nicht nur praktisch, sondern auch in Gedanken durchspielten, machten später weniger Fehler. Die Kraft des Geistes kann aber auch helfen, wenn es um die Reduktion von Stress und die Mobilisierung von Energiereserven geht. Zweifelsohne handelt es sich um eines der spannendsten Themen der modernen Hirnforschung – und jeder kann die Ergebnisse für sich nutzbar machen.
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Interviews 5 a Martina Eberl – »Kontrolliere das Kontrollierbare – alles andere musst du akzeptieren können« Martina Eberl, Profigolfspielerin, Geschäftsführerin der Martina-Eberl-Golfakademie In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Die sind immer gefragt, wenn die äußeren Umstände anders als gewohnt oder erwartet sind und ich sozusagen raus aus meiner Komfortzone muss. Immer konzentriert zu spielen, egal bei welchem Turnier, ist auch eine Höchstleistung. Eine große Herausforderung für mich ist, die »Was-wäre-wenn-Gedanken« nicht zuzulassen: Was wäre, wenn dieser Schlag ins Wasser geht? Was wäre, wenn ich so schlecht (oder so gut) weiterspiele? Was waren Ihre wichtigsten Höchstleistungen? Nach dem Tod meines Opas habe ich mein bestes Golf gespielt, denn ich sagte mir: »Jetzt spiele ich für ihn!« Bei einem Turnier wollte ich auf dem letzten Loch mit einem riskanten Schlag das 180 Meter entfernte und von Wasser und Bunkern verteidigte Grün angreifen, da ich das Gefühl hatte, für den Sieg etwas riskieren zu müssen. Ich bat meinen Caddie Paul um mein Holz 3. Er verweigerte es mir. Ich verlangte es erneut. Paul war im Konflikt, denn wir haben ein unumstößliches Abkommen: Er darf mir nie meine Schlagzahl sagen und auf welchem Platz ich gerade liege. Das würde mich total stressen und rausbringen. Aber in diesem Fall verriet er mir, dass ich besser auf Sicherheit spielen, und anstatt anzugreifen lieber vorlegen sollte, da ich genug Puffer hatte. Und das war genau die richtige Taktik. Oh, da war Ihr Caddie aber in einem großen inneren Entscheidungskonflikt? Obwohl er unsere Regeln gebrochen hat, hat er genau richtig reagiert. Das war auch von ihm eine Höchstleistung. 137
Interviews 5 a
Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Ich versuche zwischen den Schlägen gezielt abzuschalten. Auf einer Runde verbringt man nur rund ein Prozent tatsächlich mit dem Schlagen. Den Rest der Zeit beschäftige ich mich mit anderen Dingen: Richte gedanklich meine Wohnung ein, schaue mir die Form der Wolken an, die Bäume oder die Berge. Ein Anker zum Abschalten ist das Auf- und Zumachen meines Golfhandschuhs. Eine wichtige Rolle spielt auch der Caddie. Als ich mit der Golflegende Annika Sörenstam in einer Runde gespielt habe, hielt ich meinen Stress damit in Schach, dass ich meinem Caddie die drei letzten Folgen von »Sex and the City« erzählte. Dadurch kam ich nicht so viel ins Grübeln und habe gute Schläge gemacht. Aber das Allerwichtigste ist: niemals zählen! Die meisten Golfer können doch gar nicht verhindern, dass sie mitbekommen, wo sie liegen? Das ist in erster Linie Übungssache und eine Frage der Disziplin. Um nicht den Stand oder die Schlagzahl zu registrieren, lenke ich mich konsequent ab. Wie bereiten Sie sich auf situative Höchstleistungen vor? Nach tollen Golf-Tagen höre ich eine bestimmte Musik, mit der ich mich wiederum auf wichtige Turniere mental einstimme. Ich schaue mir zur Einstimmung auch gerne Interviews von anderen Golfern an, etwa die berühmten TigerWoods-DVDs. Wichtig ist natürlich meine Pre-Shot-Routine vor jedem Schlag. Golflegende Nick Faldo hat diese Routine so perfektioniert, dass Sie die mit der Stoppuhr mitstoppen könnten. Mein Trainer dachte sich zur Vorbereitung einen kleinen Wettbewerb für mich aus: Ich sollte möglichst viele Ein-Meter-Putts versenken, bis einer daneben geht. Ich schaffte 138 Stück. Das half mir danach bei einem sehr wichtigen Turnier, bei dem ich unbedingt einen Ein-Meter-Putt versenken musste. Ich dachte mir: »Es ist ja bloß der 139ste Putt. Welche Strategien oder Rituale nutzen Sie, um in diesen Situationen Höchstleistungen abrufen zu können? Ich nutze Anker, also Sinnesverlinkungen. Vor dem Putten streiche ich noch einmal über den Putter. Als Markenzeichen oder Ritual trage ich immer am rechten Arm ein Armband. 138
Sven Strüver – »Du musst das Kribbeln lieben, nur so kriegst du den Kick!«
Mein Motto ist: Ärgere dich nicht über schlechte Schläge, je mehr du dich mit so einem missglückten Schlag beschäftigst, desto mehr brennt er sich ein. Mein Zielsatz lautet: »Kontrolliere das Kontrollierbare – alles andere musst du akzeptieren können.« Um mich auf einer Runde zu beruhigen, setze ich gelegentlich Atemübungen ein: sechs Schritte einatmen, vier Schritte innehalten und sechs Schritte ausatmen. Wie motivieren Sie sich zu Höchstleistungen? Ich sage mir während des Spiels häufiger laut meinen Leitspruch auf: »Play to play great!« Das heißt so viel wie: »Ich spiele hier, um mein Bestes zu geben!« Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Hilfreich beim Umgang mit Niederlagen ist für mich der Gedanke: »Alles was passiert, hat einen Grund«. So habe ich die Berechtigung, auf der amerikanischen Tour zu spielen, um nur zwei Schläge verpasst. Das war natürlich sehr ärgerlich. Aber andererseits habe ich heute eine Tochter, den tollsten Mann der Welt und meine eigene Golfschule. Hätte ich auf der US-Tour gespielt, wäre mein Leben sicherlich anders verlaufen.
Sven Strüver – »Du musst das Kribbeln lieben, nur so kriegst du den Kick!« Sven Strüver, Golf-Profi In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Jede Schlagvorbereitung erfordert Konzentration und insofern auch situative Höchstleistungen. Besonders, wenn es keine einfache, sondern eine »dreckige Runde« ist. Also wenn es an dem Tag nicht ganz so optimal läuft und man sich richtig durchkämpfen muss. Wie kommen Sie mit den vielen Zuschauern klar? Das sind wir im Profigolf ja gewohnt. Das motiviert mich eher. Es ist sogar belastender, wenn nur wenige Zuschauer da sind. Denn dann fallen die Verhaltensweisen Einzelner viel stärker ins Auge: das Kommen und Gehen, Aufspannen von Regenschirmen und so weiter. Da herrscht eine viel größere visuelle Unruhe, als wenn eine dicht gedrängte homogene Masse zuschaut. 139
Interviews 5 a
Was waren Ihre wichtigsten Höchstleistungen? Ach, wenn ich mit mir selbst zufrieden bin, ist das schon ein Highlight. Bei einem wichtigen Turnier musste ein 200-Meter-Schlag unbedingt das Grün treffen, sonst hätte ich den Cut verpasst. Das war ein unglaublicher Kick! Wie haben Sie diese spezielle Situation ausgehalten? Starker Druck spornt mich an! Bei so einem Kick und entsprechendem Kribbeln sage ich mir: »Dafür hast du trainiert!« Insofern ist es für mich ein schönes, angenehmes Gefühl. Du musst das Kribbeln lieben, nur so kriegst du den Kick! Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Mit starkem Willen und Konzentration. Je schwieriger die Herausforderung, desto einfacher wird es für mich. Denn dann denke ich: Das kannst du schaffen! Ich konzentriere mich grundsätzlich immer nur auf den nächsten Schlag und versuche meinen Fokus im »Hier und Jetzt« zu halten. Man muss sich mental und emotional ausbalancieren – Schlag für Schlag. Und was machen Sie, wenn der Druck doch mal zu hoch wird? Dann habe ich immer noch meinen Caddie zum Dampfablassen. Und ein guter Caddie weiß, wann er besser den Mund halten sollte und wann er seinem Partner in den Hintern treten muss. Benutzen Sie in wichtigen Turnieren Rituale oder Talismane? Tiger Woods zelebrierte lange sein Markenzeichen, das rote Trikot. Also haben wir anderen Spieler bei wichtigen Turnieren auch ein rotes Hemd getragen, sozusagen als Kampfkleidung. Jeder erlebt Niederlagen, wie gehen Sie damit um? Nach einer schlechten Runde muss ich erst einmal 15 Minuten für mich allein sein. Meine Familie und besonders meine Kinder bringen mich zum Glück schnell auf andere Gedanken. Ich analysiere dann mit etwas Abstand und ziehe meine Schlüsse daraus.
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Höchstleistungscoaching in Sport und Freizeit
5.3
Höchstleistungscoaching in Sport und Freizeit
Ganz egal, ob Sie sich im Beruf weiterentwickeln wollen oder eine schwierige Präsentation meistern müssen, ob Sie bei einem Tennisturnier in Ihrem Club oder bei einem wichtigen Fußballmatch im Betriebssport gute Leistungen zeigen wollen oder bei einem Golfturnier Ihr Handicap verbessern möchten – die Technik, um diese Herausforderungen zu meistern, ist immer die gleiche. Zuerst einmal brauchen Sie Ziele, die Sie nach den bekannten Kriterien (siehe Kapitel 2) auf ihre Umsetzbarkeit überprüfen. Und dann brauchen Sie einen Plan, wie Sie Ihre persönliche Höchstleistung auf den Punkt – nämlich dann, wenn es darauf ankommt – abrufen können. Und eines wissen Sie auch schon: Ihr ganzes Wissen und Ihre ganze Technik wird Ihnen nichts nützen, wenn der Kopf in diesem entscheidenden Moment nicht mitspielt. Tja, und damit sind wieder die Emotionen im Spiel, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Um Ihre Höchstleistungen zeigen zu können, brauchen Sie einen Zustand, den wir als mental-emotionale Balance kennengelernt haben. Ablenkungen jeglicher Art, besonders aber Gedanken an früheres Versagen, an schlechte Spiele oder missratene Schläge sind alles andere als hilfreich. Mit solchen Gedanken im Gepäck werden Sie auch beim Sport und in der Freizeit garantiert keine tollen Leistungen zeigen. Sie brauchen genau das Alternativ-Programm im »Gehirnkino«: Gedanken – und am besten auch noch das passende Gefühl von damals – an besonders gelungene Schläge, an erfolgreiche Matches und an herausragende Siege. Positives Visualisieren bringt Sie weiter, quälende Gedanken an Misserfolge oder an mögliches Scheitern wirft Sie gnadenlos zurück. Das ist im Spitzensport unzählige Male mit herausragenden Leistungen bewiesen worden, zum Beispiel beim erfolgreichen Coaching von Spielern der deutschen Handballnationalmannschaft vor dem grandiosen Gewinn der Weltmeisterschaft im eigenen Land 2007. Die Mannschaft wurde nicht nur mithilfe des Reiss-Profils gut vorbereitet. Einzelne Spieler wurden mit WingWave-Coaching auf die Wettkämpfe vorbereitet, was sich als besonders wirkungsvoll erwiesen hat. Aus diesen Erfahrungen heraus entstand die Idee, Höchstleistungscoachings auch für den Freizeitsport anzubieten.
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Höchstleistungen im Sport
5.4
Mentale Stärke am Parade-Beispiel Golf
Golf hat sich nicht nur mit vergleichweise hohen Mitglieder-Zuwachsraten vom Elitesport zum angesagten Trendsport für breite Bevölkerungsschichten entwickelt, die Sportart ist geradezu prädestiniert für Emotions-Coaching. Nicht umsonst gilt Golf als »Psycho-Sport«. Und damit ist nicht nur der dramatische Leistungseinbruch gemeint, den der Ausnahmegolfer Tiger Woods als Folge seiner Ehekrise und Scheidung erlitt. Golf ist ein sogenanntes »One-Hit-Game« (EinSchlag-Spiel), jeweils der eine Schlag entscheidet so dramatisch wie kaum in einem anderen Sport über den weiteren Spielverlauf. Jede noch so geringe oder unbewusste emotional-mentale Spannung führt zu einem komplett veränderten und schlechteren Schlagergebnis. Man braucht für jeden Schlag die volle Konzentration und das bei einem 18-Loch-Match, das sich über mindestens vier bis fünf Stunden hinzieht. Das allein ist schon eine Höchstleistung. Außerdem ist Golf langsam, auch bei der Vorbereitung des Schlages kann man sich viel Zeit lassen – und das ist das Tückische: Der Spieler hat dadurch viel Zeit zum Nachdenken. Und genau das ist im Sport nicht immer von Vorteil! »Drunken Monkey«, den besoffenen Affen, nennt PGA Golftrainerin Sabana Crowcroft, die als Profigolferin auf der European Ladies Tour spielte, dieses Phänomen des ständigen »mentalen Geplappers« im Kopf. »Wenn Sie Golfer sind, werden Sie bereits festgestellt haben, wie destruktiv es ist, über den letzten Schlag nachzudenken (Vergangenheit) oder sich Gedanken zu machen, wo der Ball landen wird, bevor man ihn überhaupt gespielt hat (Zukunft). Während des Schwunges gibt es nur einen Ort, an dem man effektiv ist – das JETZT«, sagt Sabana Crowcroft. Die PGA-Golflehrerin hat ihre eigene Trainings- und Coaching-Methode entwickelt – Kagami Golf (Crowcroft, 2011). Das Wort Kagami kommt aus dem asiatischen Raum und heißt Spiegel. Das soll ausdrücken, dass das Golfspiel ein Spiegel für alle Lebensbereiche ist: Wir erhalten beim Golfen – ja bei jedem Schlag oder auch Fehlschlag – sofortiges Feedback zu unserem emotional-mentalen Zustand, der durch viele bewusste oder unbewusste Elemente und natürlich unsere Persönlichkeit beeinflusst wird (siehe Abb. 20 »Höchstleistungs-ProzessEbenen«). Voraussetzung für dieses Feedback ist, dass wir auch wirklich in den Spiegel hineinschauen. Wichtigster Punkt für gelungene Schläge: Das Ausschalten des Intellektes während des Golfschwunges, denn das »mentale Geplapper« (ungünstige innere Monologe) fördert nicht, sondern es verhindert gute Schläge. »Mach es genauso wie die Spieler auf der Profi-Tour«, rät Sabana Crowcroft (2011), »die intellek142
Mentale Stärke am Parade-Beispiel Golf
tuelle Analyse (welche Taktik, welches Eisen, welcher Schlag) machst du in der Vorbereitung, beim Schlagen selbst schalten die ihren Verstand gezielt aus.« Das kann jeder trainieren und ist vom Prinzip her das Gleiche wie das Disziplinieren des inneren Dialoges, das uns auch im Berufsleben hilft. Im Kagami-Training wird diese Kontrolle durch spezielle bildhafte Vorstellungen, die sogenannten KagamiÜbungen, erreicht. Kagami ist eine unkomplizierte, wissenschaftlich basierte Lehrmethode, welche die für die Motorik verantwortlichen Teile des Gehirns aktiviert. Alle KagamiÜbungen helfen, die Schwungtechnik zu verbessern und gleichzeitig den Intellekt auszuschalten. Dies geschieht durch die Aktivierung unserer Wahrnehmungssinne (Sehen, Hören, Fühlen) über passende Übungen. So findet eine Fokussierung auf Körpergefühle oder Bewegungsempfindungen, auf bestimmte Bilder beziehungsweise Visualisierungen oder auf Geräusche statt. Dies unterstützt die Konzentration auf das JETZT. Das hat zwei grandiose Effekte: Der Intellekt ist so abgelenkt, dass das »innere Geplapper« aufhört und der Körper instinktiv die richtige Bewegung für einen optimalen Golfschwung ausführt. Eine beispielhafte Kagami-Übung finden Sie im Kapitel 8, Vertiefung. Das Pendel der Höchstleistung
In der Zeit als Profispielerin auf der European Tour hat Sabana Crowcroft herausgefunden, dass sie in einem ganz speziellen mentalen Zustand sein musste, um wirklich Höchstleistungen bringen zu können. Sie nannte diesen Zustand JETZT. Im JETZT spürte sie ein angenehmes Gefühl der Zeitlosigkeit, sie genoss den Augenblick, dachte nicht über vergangene verpatzte Schläge nach und ließ sich auch von einem straffen Zeitplan nicht stressen. Vor allem spürte sie im JETZT weder Unsicherheit noch Angst. »Wenn wir im JETZT bleiben, haben wir mehr Verbindung zum Unterbewusstsein und denken nicht über Vergangenheit und Zukunft nach, was unsere Ängstlichkeit beträchtlich reduzieren hilft«, beschreibt sie dieses Phänomen (Crowcroft 2011). In diesem Geisteszustand gibt es nichts außer dem derzeitigen Moment. Viele kennen ihn wahrscheinlich unter dem Namen »Flow«, den der Pychologieprofessor Mihaly Csikszentmihalyi in seinem Bestseller »Flow – das Geheimnis des Glücks« prägte (1995). Der Intellekt ist ruhig und man befindet sich ganz und gar in der Gegenwart. Man spürt positive Emotionen wie Freude und Harmonie und manchmal so etwas wie gelassene Aufgeregtheit, die sich in Form von Gänsehaut zeigt. Der gesamte Körper scheint eine Einheit zu bilden, um die Höchstleistung zu unterstützen. 143
Höchstleistungen im Sport
Kein Wunder, dass diese faszinierende Symbiose zwischen Körper und Geist Spitzensportler ganz besonders angezogen hat. Bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta wurde erstmalig dafür der Begriff »Die Zone« (original: the zone) verwendet. Jeder Sportler wollte »in der Zone« sein, diese Verfassung schien »Sieger« von »Verlierern« zu unterscheiden. Abgeleitet aus diesem Bild, dieser Idee der optimalen Zone entwickelte Sabana Crowcroft das »Pendel der Höchstleistung«. Es spiegelt unseren emotional-mentalen Zustand wider und unterstützt uns dabei, Leistungen zu verbessern: beim Golfen und auch in sonstigen Lebensbereichen. Bevor wir unsere Leistungen optimieren können, müssen wir erst einmal wissen, wo wir aktuell stehen. In der Mitte des Pendels befindet sich die grüne Zone mit der optimalen mentalen Verfassung für Höchstleistungen: Man ist entspannt und im Fluss, man ist fokussiert und im JETZT. Links neben dem grünen befindet sich der rote Bereich. Der rote Bereich steht für Stress, für eine hohe Muskelspannung und Verkrampftheit und mentale Blockade oder sogar Angst vor dem Versagen. Im roten Bereich ist der »Drunken Monkey«, der plappernde Intellekt, sehr laut. Vermutlich weil er glaubt, dass Sie die schwierige Situation nicht ohne seine Hilfe meistern können. Also beginnt er Ihnen Anweisungen zu Ihrem Schwung zu geben oder gibt »hilfreiche« Kommentare wie: »Bist du dir wirklich sicher, dass du den Ball mit Eisen 7 über das Wasser schlagen kannst? Das sind ja mehr als 120 Meter!« Oder er rät Ihnen: »Der Abschlag muss sitzen, denn eine wichtige Person schaut dir zu.« Rechts von der optimalen grünen Zone befindet sich der graue Bereich. Im Gegensatz zum roten Stress-Bereich ist hier die Spannung nicht zu hoch, sondern zu niedrig. In den grauen Bereich gehören Mentalzustände wie Frustration, Depression oder Resignation. Die Folge sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit oder Lethargie. Es kommt häufig vor, dass das Höchstleistungspendel von starken Ausschlägen im roten Bereich direkt hinüber in den grauen Bereich schwingt, von der Mega-Anspannung in die Resignation. Das passiert besonders bei Golfturnieren gar nicht einmal so selten. Aber beide Extrembereiche sind natürlich nicht ideal, um die persönliche Höchstleistung abzurufen.
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Mentale Stärke am Parade-Beispiel Golf
Pendel der Höchstleistung von Sabana Crowcroft
Zu hohe Ziele Ziele zu ernst nehmen Geistige Sabotage Ablenkende Gedanken
(grün)
Keine Ziele Frustriert Desinteressiert Aufgeben
JETZT Im Fluss Fokussiert
Abb. 17: Das Höchstleistungspendel
Wie komme ich aus dem Tief wieder raus?
Das Höchstleistungspendel schwingt ständig hin und her – auf einer 18-LochRunde durchaus durch alle drei Bereiche rot, grün und grau. Das ist nicht ungewöhnlich. Wichtig ist aber, dass Sie ein Gespür dafür entwickeln, in welchem der drei Mentalzustände Sie sich gerade befinden. Wenn Sie sich im ungünstigen roten Bereich befinden: Was war der Grund dafür? Haben Sie sich vielleicht viel zu hohe, unrealistische Ziele gesetzt, wodurch Sie verkrampften? Oder haben Sie sich ablenken lassen, schlecht geschlagen und müssen selbst auf der nächsten Bahn immer noch an das »verschenkte« letzte Loch zurückdenken? Aber wie kommt man auf einer Golfrunde aus diesem roten Bereich wieder heraus? Eine Möglichkeit ist, die unrealistischen Ziele den realen Umständen anzupassen – und gegebenenfalls die eigenen Erwartungen zu senken: Ein Beispiel: Den ersten Abschlag eines wichtigen Turniers, bei dem sie unbedingt ihr Handicap verbessern wollte, pfefferte Tanja unglücklich in den Wald. Ihr erster Gedanke: »Oh Gott, was für ein schrecklicher Anfang. Das wird bestimmt ei145
Höchstleistungen im Sport
ne fürchterliche Runde.« Spätestens jetzt schwang das Pendel in den roten Bereich. Eine mögliche gedankliche Lösung für diesen verpatzten Auftakt könnte sein: »Okay, jetzt habe ich eine ideale Chance, meine mentale Stärke zu testen. Ich werde versuchen, unabhängig vom Ergebnis, die Runde zu genießen!« Eine solche gedankliche Wendung nennt man im Fachjargon »Reframing«, Sie geben der gleichen Situation einen anderen Rahmen, eine neue Bewertung. Diese positive »Umdeutung« hat eine günstigere und hilfreichere Wirkung auf Ihre emotional-mentale Balance. (Weitere Tipps: siehe Kapitel 5.6, Selbst-Coaching für Golfer)
Die Pre-Shot-Routine
Ein weiterer Weg, sich aus dem roten Tief zu befreien, ist eine sorgfältige Schlagvorbereitung, Pre-Shot-Routine genannt. »Die Vorbereitung ist der wichtigste Teil des Golfschlages. Leider wird er von vielen Amateurgolfern vernachlässigt«, weiß Sabana Crowcroft. Je deutlicher Sie den Schlag im Vorwege visualisieren, desto größer ist die Chance, dass er genauso gelingt. Dazu gehört die Auswahl der idealen Zielzone für den Ball und die Wahl des richtigen Schlägers. Sie brauchen sich dann nur noch eine für Sie passende Kagami-Übung mit bildhafter oder sinnlicher Vorstellung auszusuchen und können damit Ihren Probeschwung durchführen. So, jetzt kommt das Entscheidende: Sie müssen den Abschaltknopf bedienen! Geben Sie sich kurz vor dem Schwung das Startsignal, um den Intellekt auszuschalten. Dabei können folgende Tipps helfen: Atmen Sie bewusst aus. Konzentrieren Sie sich auf die Kraft, mit der Sie den Schläger festhalten. Visualisieren Sie einen Punkt auf dem Golfball. Stellen Sie sich einen Lichtschalter vor, den Sie ausschalten. Geben Sie sich einen aufmunternden Befehl, wie »Just do it!« Visieren Sie Ihre ausgewählte Kagami-Übung an.
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Abb. 18: Drei Abschnitte des Golfschwunges
»Abschaltknopf« oder Anker betätigen
Positiven/günstigen Glaubenssatz oder Motto fokussieren
Augen bewegen (WingWave)
Probeschwung
KAGAMI Übung auswählen
Ausrichtung, Griff, Stand justieren
Visualisierung Schlag oder Ballflug
Schlägerauswahl
(Zwischen-) Ziel definieren
Nutzung Intellekt und Unterbewußtsein
Vorbereitung
Analysieren Sie mithilfe der »Höhere-EbenenFragen« (siehe »Höchstleistungs-Prozess-Ebenen« und geben Sie sich Antworten z.B. auf:
Im Jetzt sein
KAGAMI Übung beim Schwung einsetzen
Vertrauen spüren
»Wie vollständig habe ich meine KAGAMI Übung fokussiert?«
»Was hat zu diesem guten bzw. schlechten Schwungergebnis geführt?«
»Wo war ich im Höchstleistungspendel während des Schwungs?«
»Habe ich mich von etwas stören lassen?«
»Wie war mein Schwung?«
Nutzung Intellekt
Intellekt ausgeschaltet Im »Flow« Balance, Konzentration und Entspannung
Sich im Fluss fühlen
Rückmeldung
Schwung
Mentale Stärke am Parade-Beispiel Golf
147
Abschaltknopf
Höchstleistungen im Sport
Seien Sie beim Schwingen im JETZT. Technische Instruktionen oder andere störende Gedanken haben in dieser Phase nichts zu suchen. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Kleinhirn, wo die Motorik gesteuert wird, einen guten Golfschwung gespeichert hat. Wenn Sie sich nicht so sicher sind, nutzen Sie Kagami-Übungen. Es gibt für nahezu jedes Problem eine Übung, die einerseits den Schwung verbessert und andererseits den Intellekt während des Schlagens ausschaltet. Und das ist das, was wir erreichen wollen! Und nach dem Schwung sollten Sie sich eine Rückmeldung geben: Wie gut war mein Schwung? Was hat mich gestört? Wie fokussiert war ich? War ich im JETZT? War mein Intellekt tatsächlich ausgeschaltet? Wie gut konnte ich mich auf die Kagami-Übung konzentrieren? Was hat zu diesem guten bzw. schlechten SchwungErgebnis geführt? Vorbereitung, Schwung, Rückmeldung – diese Routine ist der Schlüssel für gute und genussvolle Golfschläge.
Selbst-Coaching-Tipp In Abbildung 18 finden Sie Beispiele für geeignete Selbst-Coaching-Elemente: vor, während und nach Ihrem Golfschlag. Gewöhnen Sie sich konstante Rituale in diesen drei Abschnitten des Golfschlags an. Und vor allem: Trainieren Sie diese genau so auch immer wieder auf der Driving-Range!
5.5
Der wahre Grund für schlechte Schläge
Die Deutsche Profigolferin Martina Eberl lag 2010 bei der UnitCredit Ladies German Open auf Gut Häusern bei München so überlegen in Führung, dass alle Fachleute und Zuschauer davon ausgingen, dass sie dieses bedeutsame Turnier auch gewinnen würde. Vorausgesetzt natürlich, ihr unterliefe kein »grober Patzer« auf den letzten Löchern. Doch genau das passierte leider am letzten und alles entscheidenden Turniertag. Loch 13 wurde für Martina Eberl zur »Katastrophe« und kostete sie den Sieg bei den German Open – ganz knapp, um nur einen einzigen Schlag verpasste sie den Titel. »Woran hat es denn gelegen?«, wollten hinterher alle Journalisten von Martina Eberl wissen. Eine solches Schlagergebnis auf Bahn 13 von der vorher so sicher aufspielenden Top-Golferin konnte sich keiner erklären. Damit aus dem »Loch 13« kein Trauma für das nächste Turnier auf Gut Häusern wird, ließ sie sich von 148
Der wahre Grund für schlechte Schläge
mir coachen. Wir testeten mit dem Muskeltest aus WingWave alle Löcher durch und fanden heraus, dass bereits an Loch 9 etwas vorgefallen sein musste. Es dauerte, bis sie sich schließlich erinnerte. Tatsächlich, da war was – und zwar mit ihrem damaligen Caddy. Seine Aufgabe war, vom Turnier-Vortag genaue Aufzeichnungen der Längenangabe von allen Schlägen zu machen und davon, mit welchem Schläger sie an welchem Loch welche Weiten geschlagen hatte – quasi ein Roadbook für Golfprofis. Im Turnier-Finale fragte sie ihn dann an Loch 9, mit welchem Schläger sie am Vortag gespielt habe. Er gab eine so abstruse Antwort, dass sie stutzig wurde. Martina Eberl schob die Hand von den Aufzeichnungen des Caddys und sah – oh Schreck –, dass die Seite zu Loch 9 komplett leer war. Er hatte offensichtlich gar keine Aufzeichnungen gemacht! Sie war geschockt und entgeistert wegen seines Verhaltens. Und jetzt stand sie hier im wichtigsten deutschen Golfturnier auf der Siegerspur und sollte ohne den üblichen Input schlagen. Sie war einfach nur fassungslos. Mentale Katastrophe. Prompt verschlug sie den Ball. Vor Wut schleuderte sie ihren Schläger auf den Boden. Daraufhin knurrte ihr Caddy: »Pick it up, bitch« (Heb ihn auf, Schlampe). Der nächste Schock – auch noch zusätzlich so herabwürdigend angesprochen zu werden! Sie überlegte, wie sie auf diese respektlose Frechheit reagieren sollte. Sie entschied sich dafür, mitten im Turnier bloß keinen Eklat vom Zaun zu brechen und schwieg. Aber offensichtlich gärte es in ihr. Vier Löcher später, an Loch 13 verlor sie die mental-emotionale Stabilität und »patzte«. Auch Martina Eberl war nach unserem Coaching sofort klar, dass die Ursache für das schlechte Ergebnis an Bahn 13 der Vorfall an Loch 9 war. Dieses Beispiel von Deutschlands Top-Golferin Martina Eberl auf den German Ladies Open zeigt sehr eindrucksvoll: Missglückte Golfschläge haben häufig, wenn nicht meistens, eine mentale Vorgeschichte. Diese hat in der Regel einen viel größeren Einfluss auf den Ausgang des Schlages, als die reine Schlagtechnik. Viele Freizeitgolfer praktizieren aber genau das Gegenteil: Nach einem missglückten Schlag fangen sie an, praktisch und vor allem gedanklich an ihrer Schlagtechnik herumzudoktern. Sie sind nicht mehr konzentriert, werden unsicher, machen noch mehr Fehler – und mit einem Schlag ist im wahrsten Sinn des Wortes die ganze Golfrunde gelaufen. Viel sinnvoller wäre es zu überlegen: Was hat diesen Fehlschlag ausgelöst? Was habe ich vorher wahrgenommen, was mich vielleicht gestört haben könnte? Mög149
Höchstleistungen im Sport
licherweise hat der Flight direkt hinter mir zu stark »gedrückt« und ich fühlte mich unter Druck und in meiner Ruhe gestört. Vielleicht haben meine Mitspieler eine Bemerkung gemacht, die in meinen Gedanken hängen geblieben ist? Vielleicht waren es ja auch ungünstige eigene Gedanken? Zu Abbildung 19 ist der Ablauf von der ungünstigen Sinneswahrnehmung bis zum missglückten Schlag einmal schematisch dargestellt. In der rechten Spalte habe ich eingetragen, was bei dem Beispiel von Martina Eberl von Loch 9 bis Loch 13 konkret passiert sein dürfte. 1.
2.
Sinnesreize
Filter (Wahrnehmungsfilter)
3.
Emotionen
4.
Emotional-mentaler Zustand
5.
Körpergefühle
6.
Körper-Reaktionen
7.
Schwung-Ausführung
8.
Ergebnis
1.
Leeres Blatt (ohne DistanzAufzeichnungen) erblicken.
2.
Hören, wie Caddy »Pick it up – bitch« sagt.
Grundeinstellung und persönliches Werteverständnis melden »Es ist ungeheuerlich, mit mir so umzugehen!«
Schock, Ärger und Wut. Persönliche Kränkung.
Sehr instabil und negativ.
Sehr unangenehm – vielleicht Druckempfinden.
Einfluß auf Bewegungsabläufe, Feinmotorik, Muskeltonus.
Veränderungen (und sei es nur minimal!) von Rhythmus, Tempo, Griffdruck etc. Misslungener Eisenschlag auf Bahn 9 und misslungene Schläge Bahn 13 kosteten den Sieg bei den Ladies German Open.
Abb. 19: Analyse des »Desasters« bei den Ladies German Open
150
Der wahre Grund für schlechte Schläge
Der Ablauf, der diesem möglichen, internalen Prozess von Martina Eberl zugrunde liegt, läuft ähnlich automatisch bei jedem von uns ab, mehr oder weniger bewusst. Je nachdem, was in der Prozesskette geschieht, ist am Ende das SchwungErgebnis »Top oder Flop« – also das Abrufen von Höchstleistungen hat dann entweder geklappt oder nicht.
1.
2.
Sinnesreize
»Filter« (Wahrnehmungsfilter)
Über unsere Sinneskanäle entstehen Sinnesreize: Visuell, Auditiv, Körpergefühl, Geruch, Geschmack Grundeinstellung, Wertvorstellung, Glaubenssätze (Grundüberzeugungen), Lern-/Vorerfahrungen, Erinnerungen, Selbstzweifel etc.wirken wie Wahrnehmungsfilter. D.h. einige Reize nehmen wir bewusst gar nicht wahr. Andere erhalten entsprechende Bedeutungen und sind uns dadurch präsent.
3.
Emotionen
Das limbische System im Gehirn (Emotionszentrum) verknüpft die Reize mit positiven oder negativen Emotionen (z.B. Wut, Unsicherheit, Schamgefühl oder Zuversicht, Begeisterung, Entschlossenheit etc.)
4.
Emotional-mentaler Zustand
Positiv, negativ, in Balance, instabil, (Un)konzentriert, ggf. hohes »Arousal«, Produktion Stresshormone. Leichtes Level: anregend; Überdosis hemmt Denken + Planen
5.
Körpergefühle
Stark oder schwach wahrnehmbar, angenehm/unangenehm (z.B. Herzklopfen, Schweißausbruch, Druckgefühl, flauer Magen oder Kraft, strömende Energie …)
6.
Körper-Reaktionen
Einfluss auf Bewegungsabläufe, Feinmotorik, Muskeltonus (z.B. Griffdruck, Muskelspannungen, Zittern etc.)
7.
Schwung-Ausführung
8.
Ergebnis
Veränderungen (und sei es nur minimal!) von Rhythmus, Tempo, Richtung Ballflug, Schlaglänge (führt z.B. zu Yips, Slices, Pulls, getoppte/zu kurze/lange Bälle, zu weit rechts/links u.v.m. oder optimale Präzision durch genauere Muskelkontrolle.) Schlechtes oder gutes Schlag-Ergebnis: Top oder Flop!
Abb. 20: Höchstleistungs-Prozess-Ebenen. Detailliertere Beschreibungen finden Sie im Kapitel 8, Vertiefung.
Das Problem bei fast allen Amateur-Golfern ist: Nach einem schlechten Schlagergebnis (Abb. 20, Punkt 8) stellen sie sich leider im Modell oben nicht die Fragen auf »Höheren Ebenen«, sie fragen sich nur technisch eine Ebene höher: »Was 151
Höchstleistungen im Sport
war an der Schwungausführung nicht richtig?« (7.) Maximal gehen sie noch eine weitere Ebene nach oben und realisieren, dass sie zum Beispiel zu viel Griffdruck hatten (6.). Und dann? Dann fangen sie an, sich beim nächsten Schwung »Befehle« und »Anweisungen« zu geben wie: »Halt locker«, »Mach’s jetzt besser«. Dies stört häufig den natürlichen Fluss und den »Flow« im Moment des Schwungs. Und so landen sie im Höchstleistungspendel links im roten Bereich. Diese Menschen haben aber nicht vollständig analysiert, wodurch es tatsächlich über die gesamte Prozesskette zu dem schlechten Schlag kam. Denn wenn der jeweilige Schlag andere Male durchaus (häufig) klappt und insofern im Fähigkeitsspektrum des Spielers vorhanden ist, könnten sie sich sinnvollerweise doch fragen: »Wie kam es, dass er ausgerechnet jetzt nicht abgerufen werden konnte?« Es liegt nahe, dass es ursächlich eine Instabilität beziehungsweise Störung im mentalemotionalen Bereich gab (vermutlich durch Sinnesreize oder ungünstige Gedanken oder innere Monologe ausgelöst). Aber selbstkritisch zu ergründen, wodurch ein ungünstiger mental-emotionaler Zustand zustande kam und womit man ihn für den nächsten Schlag optimieren kann, ist die Schlüsselfrage, um wieder Konstanz in das eigene Spiel zu bringen und bessere Schläge abrufen zu können. Die »klugen« (zum Beispiel durch WingWave-/Kagami oder durch andere Mentaltrainings geschulten) Golfer stellen sich also viel sinnvollere Fragen und gehen nach ungewünschten beziehungsweise überraschenden Schwung-Ergebnissen (schon während der Golfrunde und unmittelbar nach einem schlechten Schlag) weitere Ebenen nach oben und enttarnen dadurch die Störfaktoren, die die eigenen Höchstleistungen einschränken oder verhindern. Sie fragen sich: Welches Körpergefühl (5.) hatte ich? War es stark oder schwach, angenehm oder unangenehm? Wo genau habe ich es gefühlt? Durch welchen mental-emotionalen Zustand (war er positiv? negativ? stark? schwach?) kam dieser zustande? (4.) Welche Emotionen hatte ich (3.)? Welche Erfahrungen/Erinnerungen/Einstellungen hatte ich (2.), als ich zum Beispiel das Wasser oder den Bunker vor dem Grün sah? (1.) Kamen da vielleicht wieder Glaubenssätze wie: »Ich kann einfach keine Bunkerschläge!« oder die Einstellung: »Möglichst schnell schlagen, dann ist das Drama schnell vorbei.«? 152
Der wahre Grund für schlechte Schläge
Dann sollten Sie sich fragen: Durch welche Sinnesreize habe ich mich stören lassen? Denn: Es ist wichtig, innerlich Verantwortung dafür zu übernehmen, dass wir uns am Ende des Tages im Grunde genommen »stören lassen« und nicht von anderen »gestört werden«. Denn es ist unser Lern- und Übungsprozess, Wege/Strategien oder Einstellungen zu entwickeln, die uns in einen günstigeren emotional-mentalen Zustand bringen, auch wenn »Störfaktoren« auf uns einströmen. Das Außen können wir häufig nicht kontrollieren (Wetter, Mitspieler, Tempo oder Spielergebnisse anderer, Platzpflege, Ball-Lagen, vergangene Schläge). Also bleibt uns die Kontrolle unseres Inneren – unserer Gedanken und dadurch unserer Emotionen. Pia Nilsson – die bekannte Trainerin von Annika Sörenstam, eine der weltweit erfolgreichsten Golferinnen – bringt die Prozess-Abfolge mit ihren Worten in ihrem sehr lesenswerten Buch »Every shot must have a purpose« auf den Punkt: »Unfortunately, many players and teachers focus only on the Technical and maybe the Physical. Both are important but are far from the whole picture. And it is very easy to be tricked into thinking you have a swing problem when that is not the case. If your Physical, Mental, Emotional, or Social is weak it shows up in the swing, but it does not mean that your technical swing is the problem. If a player feels fear standing over the ball, it might make the muscles tighten and result in a swing that is too fast or a pivot that never gets completed. The critical issue is: What should the player go practice? If you only go to the range to work on making a better turn or slowing your tempo, you are working on a symptom and not a cause. This is where honesty comes into play. The first step toward expanding our perception of the game in general and reaching a better understanding of our own game in particular is to face reality. If that bad swing was caused because you tensed up under pressure, hitting a million practice balls won‘t fix the problem. Bad swings lead to bad shots, but it’s often bad thoughts that lead to bad swings.«
153
Höchstleistungen im Sport
5.6
Praxisbeispiel: »Neuro-Mental-Golftraining«
»So weit kann ich nie und nimmer schlagen«, »Im Wettkampf flattern mir die Nerven«, »Wenn es darauf ankommt, verziehe ich die leichtesten Putts«, »Beim Schlag über das Wasserhindernis fliegt der Ball immer wie magnetisch angezogen ins Nass«, »Wenn viele zugucken, gehen meine Abschläge immer ins Aus«. Sätze wie diese kennt jeder Golfer – und natürlich auch jeder andere Freizeitsportler. Sie heißen Glaubenssätze, denn sie sind – fast wie eine Religion – unumstößlich in das eigene Denken eingebrannt – selbst, wenn sie ganz offensichtlich falsch sind. Denn der Ball wird natürlich nicht magnetisch vom Wasserhindernis angezogen! Ungünstige Glaubenssätze sind häufig der Grund, weshalb Golfer stagnieren, sich nicht weiterentwickeln und ihr Potenzial bei Weitem nicht ausschöpfen können. Typische Beispiele für hinderliche Glaubenssätze sind: »Ich kann in vorgabewirksamen Turnieren einfach nicht gut spielen«, »Wenn es regnet, ist alles aus«, »Ich kann einfach keine Bunkerschläge«, »Ich bin zu alt für Golf«, »Wenn man älter wird, spielt man automatisch immer schlechter«. Eine der schnellsten und effektivsten Techniken, um hartnäckige Glaubenssätze aufzulösen und ins Positive zu verändern ist die WingWave-Methode, die ich erfolgreich im Business-Bereich einsetze (siehe Kapitel 4). Es lag also nahe, die Vorteile von Kagami und WingWave miteinander zu kombinieren und eine völlig neue Qualität von Golftraining zu kreieren. Seit 2009 bieten Sabana Crowcroft und ich spezielle Workshops für Golfer an: Neuro-Mental-Golftraining (siehe www.klimmercut.de). Sie bestehen aus Golftraining mit Kagami-Übungen und begleitenden WingWave-Coachings. Letzteres hat vor allem die Aufgabe, hinderliche Glaubenssätze zu identifizieren, zu überwinden und neue, günstigere Zielvorstellungen und Glaubenssätze zu erarbeiten. Auch losgelöst von Kagami sind WingWave-Techniken eine sinnvolle Ergänzung zu sämtlichen Golf-Technik- und Golf-Mentaltrainings. Häufig werden sehr gute Amateure und Profigolfer von sehr guten Golftrainern trainiert, die punktuell auch Mentaltrainer einbinden. Auch die Anzahl von Golftrainern, die bereits in Personalunion gleichzeitig Mentaltrainer sind und hierfür vielseitige Qualifizierungen erworben haben und in ihre Trainings einfließen lassen, nimmt (glücklicherweise) stetig zu. Außerdem nimmt die Anzahl der Golftrainer und -spieler zu, die erkennen, dass eine punktuelle Unterstützung und Flankierung mit WingWave-Coachings und -Selbst-Coachings sinnvoll ist und ihre eigenen Erfolge deutlich steigern oder stabilisieren kann: Das neurobiologisch fundierte Emotions-Coaching entfaltet seine Wirkung direkt »am Ort des Geschehens« – im Limbischen System 154
Praxisbeispiel: »Neuro-Mental-Golftraining«
(Emotionszentrum des Gehirns). Vor wichtigen Turnieren, genauso wie im Business-Bereich, gehört es damit zur perfekten Vorbereitung: Ein »WingWave-TÜV« mithilfe des Muskeltests findet »Energie-Lecks«, unbewusste Stressfaktoren oder emotionale Blockaden heraus und ermöglicht ein Präventiv-Coaching, das die tatsächlichen Höchstleistungsmomente garantiert bzw. deutlich steigert. Wie grundlegend und effektiv WingWave-Coaching im Golf funktioniert, wird an folgenden Praxisbeispielen deutlich.
Wie vom anderen Stern Die Trainer einer Herrenclubmannschaft in Norddeutschland beauftragten mich mit dem Coaching eines jungen Spielers – eine Woche vor den Clubmeisterschaften im September. Sein Handicap lag bei sehr guten 3,7. Allerdings hatte er die gesamte Saison über schlechter als sein Handicap gespielt, besonders dann, wenn er mit der Mannschaft für seinen Club spielen sollte. Folge: Sein Erfolgsdruck stieg immer mehr an und gleichzeitig destabilisierte er sich zusehends emotional-mental. Seine Wut und Enttäuschung nach misslungenen Schlägen konnte er nicht mehr konstruktiv auffangen, sodass diese Gefühle ihn immer mehr nach unten zogen. Diesen Teufelskreis konnte er nicht mehr durchbrechen. Er trainierte unermüdlich auf der Driving-Range und übte und übte: Was dann jedoch im Spiel passierte, war für ihn einfach frustrierend: Er konnte sein Potenzial in den entscheidenden Höchstleistungsmomenten einfach nicht abrufen. Wir führten in einer Woche drei kurze Coachings durch, spürten mithilfe des Muskeltests entscheidende »Deckerinnerungen« auf und lösten seine noch »wurmenden« Misserfolgserlebnisse und -erinnerungen auf. Er gewann dadurch auch emotional immer mehr Sicherheit und Zuversicht. Dies wirkte sich auch auf die Ergebnisse eines speziellen Loches aus. Durch das Emotions-Coaching hatte er eine andere Haltung und Souveränität zu seinem persönlichen »Horror-Loch« bekommen: Früher hat dieses Loch seinen Score sehr negativ beeinflusst, weil er dort regelmäßig schlecht spielte. Grund: Er verknüpfte das Design der Bahn mit ausgesprochen negativen Emotionen, gegen die er vorher aus eigener Kraft nicht ankam. Nach dem Coaching spielte er dort auf allen vier Runden sehr gute Ergebnisse: Pars oder Birdies. 155
Höchstleistungen im Sport
Die Clubmeisterschaften gingen über vier Runden, jeden Tag wurden 36 Löcher gespielt. Der gecoachte Spieler zeigte ein rundum sehr, sehr gutes und viel konstanteres Spiel. Es gelang ihm plötzlich wieder in emotional-mentaler Balance zu bleiben. Einer seiner Flight-Partner nannte ihn wie verzaubert. Seine Eltern beteuerten ganz erstaunt, ihren Sohn noch nie so locker und entspannt gesehen zu haben. Sein Trainer war auch ganz beeindruckt von den schlagartigen Veränderungen und freute sich über diese effiziente Ergänzung der Trainerleistungen. Er begrüßte mich als Zuschauerin auf dem Turnier mit den Worten »Was hast du denn mit dem gemacht? Der spielt wie vom anderen Stern!«
Erfolgsgeheimnis war neben dem Coaching sein konsequentes und effizientes Selbst-Coaching: Er hat zielgerichtet und konzentriert umgesetzt, was er sich vorher im Coaching als für ihn sinnvoll erarbeitet und mithilfe des Muskeltests als für ihn wirksam überprüft hatte. Ich empfahl ihm, sich hinterher die wichtigsten Stichworte seines Erfolgsrezeptes schriftlich festzuhalten. Denn dies, wie bei einem Erfolgstagebuch im Business, stärkt erstens das Selbstbewusstsein und dient zweitens als genauer Leitfaden für zukünftige Turniere und Herausforderungen. Vor dem nächsten Turnier kann er sich damit seine Erfolgsstrategien in Erinnerung rufen und davon erneut profitieren und Höchstleistungen abrufen. Das Folgende hat er für sich festgehalten – möge es Ihnen ebenfalls Anregungen geben: Meine Erwartungen an meine Turnierergebnisse nicht zu hoch schrauben. Ich habe mich auf ein Ziel oder Motto fokussiert, das mit Spaß, Freude, Leichtigkeit, Lockerheit und Gelassenheit zu tun hat. Mein Motto ist: »Ich bin hier, um einen schönen Golftag zu genießen, um Spaß zu haben!« Ich habe vor jedem Schlag meinen Anker betätigt und mein mit meinem Armband verankerten Zielsatz »Entspann dich« möglichst häufig ins Gedächtnis gerufen. In den Tagen vor dem Turnier habe ich während des Hörens der WingWaveCD genussvoll und entspannt an mein Golfen gedacht und dabei ab und zu an meinem Armband so gedreht, wie ich es vor meinen Schwüngen zukünftig machen wollte. 156
Praxisbeispiel: »Neuro-Mental-Golftraining«
Wenn ich mit Schlägen oder deren Ergebnissen unzufrieden war, habe ich sofort mit schnellen Augenbewegungen die Emotionen wieder »runtergedampft« und mir dafür selbst »verziehen«! (dadurch habe ich keine emotionale Abwärtsspirale zugelassen). Dadurch war ich »milde mit mir« – so wie ich es auch mit einem guten Freund gewesen wäre. Den hätte ich ja auch versucht zu entspannen und zu motivieren. Vor dem Turnier habe ich mit der CD gedanklich einzelne Bahnen oder Situationen durchgespielt. Die CD habe ich auf dem Hinweg zu den Spielen gehört und auch mal in den Spielpausen. Vor dem jeweiligen Spiel und nach der Hälfte habe ich das »Tarzan«-Klopfen (Thymusdrüse) gemacht, manchmal auch noch mal zwischendurch. Ich habe sehr häufig die Augen hin- und herbewegt, immer wenn ich etwas schwierig oder stressig fand. Ich habe mir immer wieder den Satz gesagt »In der Ruhe liegt die Kraft« und mich damit an defensives Spiel erinnert. Am Abend vor dem Turnier bin ich früh ins Bett gegangen und habe mich morgens und während des Turniers regelmäßig und vernünftig ernährt (Vollwertkost, viel Obst, Studentenfutter, Trockenfrüchte, viel stilles Wasser). Ich habe mir genügend Zeit zum Einspielen genommen. Wenn in der »Play Box« Zweifel hochkamen oder ich mich von Äußerem gestört fühlte, habe ich abgebrochen, bin noch mal zurückgetreten und habe meine Vorbereitungsroutinen neu gestartet. Das Einzige, was er mental noch nicht optimal regulieren konnte, war sein Ärger auf andere Spieler. Wenn die vor Wut ausfallend wurden (Schläger schmissen) oder rumschrien, fand er das extrem rücksichtslos. Es passte so gar nicht in die Welt seiner Erwartungen und Wertvorstellungen. Leider gelang ihm das Ausblenden dieser Störungen zu dem Zeitpunkt noch nicht so gut. Wir analysierten nach dem Turnier, weshalb diese Grundeinstellung bei ihm zu schlechten Schlägen geführt hatte. Dies war sein Resümee:
157
Höchstleistungen im Sport
1.
Sinnesreize
2.
Filter (Wahrnehmungsfilter)
3.
Emotionen
4.
Emotional-mentaler Zustand
5.
Körpergefühle
6.
Körper-Reaktionen
7.
Schwung-Ausführung
8.
Ergebnis
Auf Nachbarbahn höre ich wütende Schreie eines anderen MannschaftsSpielers.
Meine Grundeinstellung bzw. meine Wertvorstellung sorgt dafür, daß ich dies stark wahrnehme, da ich so ein Verhalten unmöglich und unkollegial finde. Ärger, Wut, Hilflosigkeit, Irritation, Ablenkung.
Instabil und negativ. Gestresst.
Unangenehm – vermutlich Druckempfinden.
Vermutlich Muskelverspannung (und sei es nur ganz minimal!)
Veränderungen (und sei es nur minimal!) von Rhythmus, Tempo, Griffdruck etc.
Ball fliegt anders als sonst (schlechter).
Abb. 21: Analyse »schlechter Schlag« bei der Clubmeisterschaft
Ich erklärte ihm darauf das Selbstcoaching-Instrument »Schutzmantel anziehen« (siehe Selbst-Coaching für Golfer), das er zukünftig für ähnliche Fälle nutzen wird. Außerdem zeigte ich ihm ein entsprechendes »Reframing«, also eine gedankliche Umdeutung der Situation: So könnte er sich beim nächsten Mal, wenn externe, unkontrollierbare Einflüsse ihn mental und emotional zu destabilisieren drohen, innerlich sagen: »Hey, das ist hier wohl ein mentales Fitness-Center für mich. Das ist eine gute Übungsgelegenheit, um noch stärker zu werden!« Auf diese Weise hätte er mit einfachem Selbst-Coaching Einfluss auf seinen emotional-mentalen Zustand genommen und könnte leichter Höchstleistungen abrufen. 158
Praxisbeispiel: »Neuro-Mental-Golftraining«
Den vollen Schwung genießen Volker kam in eines der Neuro-Mental-Golf-Seminare und klagte, dass er den Golfschwung nicht mehr komplett durchschwingen konnte. Sein Schwung wirkte wie abgehackt und unvollendet. Natürlich spielte er dadurch deutlich unter seinen bisherigen Möglichkeiten. In der WingWave-Arbeit stellte sich heraus, dass Volker gerade schwierige Lebensumstände quälten. Er lebte in Trennung und fühlte sich auch in seinem Lebensschwung stark eingeschränkt. »Ich kann auch im Leben nicht so locker durchschwingen«, sagte er mir.
Zur Coaching-Sitzung bat ich Volker, seinen Golfschläger mitzubringen und im Trockenen einen Schwung auszuführen. In der Phase des Rückschwunges, in der seine Blockaden einsetzten, habe ich mithilfe des Muskeltests (siehe Kapitel 3) Punkt für Punkt, Zentimeter für Zentimeter die emotionalen Ursachen für die Einschränkungen herausgetestet und mit der Augenwink-Technik »bewunken«. Nach jedem Winken konnte Volker jeweils ein Stück weiter ausholen, am Ende der Sitzung gelang ihm wieder ein voller Schwung. Diesen Erfolg haben wir stabilisiert und verankert. »Was wäre denn generell ein günstiger Glaubenssatz?«, fragte ich ihn dann. Er sagte: »Dass ich wieder mit vollem Schwung leben kann.« Gemeinsam entwickelten wir einen Ziel-Glaubenssatz, den sich Volker auch beim Golfspielen innerlich aufsagen konnte: »Ich genieße meinen vollen Schwung.« Wir verankerten diesen neuen Ansatz mit langsamem »Genusswinken« und als physischem Anker mit einer kleinen Gestik seiner linken Hand. Ich bat Volker, sich diesen Satz und das begleitende positive Gefühl auch im SelbstCoaching mit WingWave-Musik immer wieder ins Bewusstsein zu rufen und dadurch regelrecht zu trainieren, bis es ihm in Fleisch und Blut übergeht. Volker war mit dem neuen Schwung und seinem neuen Lebensmotto so glücklich, dass er vorschlug, den Satz zu erweitern: »Ich genieße meinen neuen Schwung – auch für das Leben!«
Paralyse durch Analyse Tim, 42 Jahre alt, spielte seit zwölf Jahren Golf und hatte Handicap 15. Als er in das Neuro-Mental-Golftraining kam, spielte er tatsächlich jedoch nur auf dem Niveau von Handicap 26 oder 28. Tim stresste es, wenn der nachfolgende Flight dicht auflief und von hinten drückte. Hinzu kam, dass Tim 159
Höchstleistungen im Sport
ein hochgradig analytischer Typ ist. »Paralyse by Analyse«, charakterisierte er sich selbst. Es paralysierte ihn regelrecht, dass er alles analysieren muss. Und da bietet Golf natürlich viele Möglichkeiten. »Unser ganzes Wohnzimmer ist voller Golfbücher«, ergänzte seine Frau. Es gibt wohl kein Golfbuch, das Tim noch nicht gelesen hat. Das war schon ein Running-Gag in seinem Freundeskreis. Gemeinsam entwickelten wir für Tim den neuen Zielsatz: »Mein Intellekt darf auch mal Pause machen«. Aber der Muskeltest zeigte, dass es noch einen Einwand aus dem Unterbewusstsein gab, eine alte »Deckerinnerung«. Tim erzählte mir, dass er mit 16 Jahren über seinem Bruder in einem Etagenbett schlief. Eines Abends war ihm so schlecht, dass er sich von oben herunter übergeben musste. Das war ihm damals fürchterlich peinlich.
Allein diese Erzählung, die Erinnerung an die alte Geschichte und das anschließende Bewinken bewirkte, dass der Muskelring plötzlich stabil und fest blieb und das alte Erlebnis nun offensichtlich nachträglich verarbeitet war. Für sein AnalyseThema entwickelten wir folgende Lösung: In der Pre-Shot-Routine darf er analysieren und seinen Intellekt nutzen. Als bildhafte Vorstellung wollte Tim sich dafür selbst in einem Anzug sehen. Und wenn es dann zum Schlagen ging, stellte er sich Tim im Sessel mit Zigarre vor. Sein Intellekt sollte relaxen und er wollte nur noch genießen. Diese Vorstellung war sein »Abschaltknopf« und ermöglichte ihm Entspannung. Beides half ihm so gut, dass er kurze Zeit später schrieb: »Spiele wieder granatenmäßig gut Golf«.
Die Erfolgsbilder-Galerie Tims Frau Kathrin, 35 Jahre alt, hatte grundsätzliche Probleme mit ihrem Schlag, »der Schwung war weg«. »Waren die Schläge denn schon immer schlecht?«, fragte ich sie. Natürlich nicht. Ich bat sie einmal an alle der neuerdings misslungenen Schläge zu denken. Anschließend sollte Kathrin sich ihren individuellen, visuellen »Zeitstrahl« vorstellen. Bei ihr war rechts die Zukunft, links die Vergangenheit. Ich bat sie, sich vor ihren Augen links – also in der visualisierten Vergangenheit – ein Papierkorbsymbol vorzustellen, wie man es vom PC kennt. Dahinein sollte sie in der Vor160
Praxisbeispiel: »Neuro-Mental-Golftraining«
stellung alle missratenen Schläge packen – und den Papierkorb wie auf dem Computer dann sicher entleeren. Danach bat ich Kathrin, sich einen gelungenen Schlag in der Vorstellung auf dem Zeitstrahl links in der Vergangenheit anzuschauen, sie sollte diesen Schlag möglichst mit allen Sinneseindrücken genießen. Zur Krönung sollte sie das Bild vom Spitzenschlag mit einem goldenen Bilderrahmen einrahmen und es dann auf dem gedanklichen Zeitstrahl an einem würdigen Platz in der Vergangenheit ablegen. Natürlich durfte sie mit weiteren guten Schlägen genauso verfahren. Auf diese Weise entstand eine richtig tolle Bildergalerie – eine »Erfolgsgalerie« (diese Methode wurde von Cora Besser-Siegmund für Sportler entwickelt). Diese sollte sie dann gedanklich kopieren und ebenfalls visuell ablegen – auf dem Zeitstrahl rechts in der Zukunft. (Details: siehe auch Kapitel 6, Abb. 24 bis 27)
Dann bekam Kathrin folgende Aufgabe: Jedes Mal, wenn sie zukünftig vor einem schwierigen Loch steht, sollte sie sich kurz vor dem Schlagen auf ihrem imaginären Zeitstrahl die guten Schläge aus der Vergangenheit anschauen und dieselben – kopierten – in der Zukunft. So konnte sie aus vergangenen Erfolgen Zuversicht für zukünftige Schläge »vorausdenken« und damit besser abrufen. Diese Technik ist so unkompliziert, dass jeder sie auch im Selbst-Coaching praktizieren kann. Kathrin hat das Verfahren sehr geholfen.
Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
Klient
Abb. 22: Erfolgsbilder-Galerie
161
Höchstleistungen im Sport
Die Freude am Golfen Gerlinde, 64 Jahre, mit Handicap 21, klagte, dass ihr Spiel seit einiger Zeit so unkonstant geworden sei. Der Muskeltest offenbarte, dass das unkonstante Spiel mit einer früheren Deckerinnerung in Verbindung stand – dem Tod ihres Vaters. Der hatte auch so gerne Golf gespielt und gemeinsam hatten sie viele wunderschöne Golfrunden erlebt. Als er starb, starb auch ihre Freude am Golfen.
Zusammen entwickelten wir den neuen Ziel-Glaubenssatz: »Ich darf Freude am Golfen genießen, auch wenn mein Vater nicht mehr da ist.« Seitdem ist Gerlinde wie ausgewechselt, sie ist beschwingt, hat Freude bei jedem Schlag – und sie spielt in Golfturnieren wieder richtig gut! Schon unmittelbar nach dem Coaching gewann sie mehrfach Turniere.
Der Golf-Krieger Johannes, über 60 Jahre alt, war erfolgreiche Führungskraft in einem großen Konzern. Im Gespräch führte er seine beruflichen Erfolge darauf zurück, dass er stets mit großer Kraft und Zielstrebigkeit seine Ziele verfolgt hatte. Leider übertrug er diese Strategie eins zu eins aufs Golfspielen. Seine langen Schläge waren bei Flightpartnern gefürchtet, da er mit wahnsinniger Kraft auf den Ball eindrosch, der unkontrolliert irgendwo hinschoss. Er spielte einfach völlig verkrampft. »Der Ball ist mein Gegner«, war auch sein Leitmotiv, was er auch ganz offen aussprach. Wenn schon nicht bei seinen Schlägen, so wollte Johannes die absolute Kontrolle zumindest über seine Mitspieler. Er achtete wahnsinnig auf Stil und Etikette und es regte ihn auf, wenn andere das nicht mindestens so ernst nahmen wie er. Einen Großteil seiner Konzentration verwendete er darauf, seine Mitspieler auf dem Platz zu kontrollieren.
Im Coaching sah Volker schnell ein, dass er mit den damals erfolgreichen Strategien aus dem Job im Golf nun überhaupt nicht weiterkam. Wir arbeiteten sehr intensiv mit der Technik »Reframing« und versuchten für sein Golfspiel neue Erfolgsstrategien zu entwickeln. Es gelang Volker die physische (zu viel Kraft) und psychische (Kontrollzwang) Verkrampfung zu lösen und Spaß am entspannten Golfspielen zu finden. Das war für ihn eine ganz neue Erfahrung. 162
Praxisbeispiel: »Neuro-Mental-Golftraining«
Das »Horror-Loch«
Auf dem Golfplatz Hamburg-Ahrensburg gibt es einen schwierigen Abschlag – für viele ein »Horror-Loch«, von dem man gleich mehr als 100 Meter über einen Teich zielsicher auf eine kleine Grünzone spielen muss. Eine kleine Zielzone und vor allem sicher über das Wasser spielen – das mögen viele Golfer gar nicht gerne. Kein Wunder, dass das »Loch 11« gefürchtet ist. Der örtliche Golftrainer bot daher mit mir ein spezielles Coaching-Seminar zu Loch 11 an. Heinz-Joachim, circa 60 Jahre alt und von Beruf Arzt für Neurologie hatte es vorher noch nie geschafft, über das Wasserloch 11 hinüberzuschlagen. Bereits auf dem Abschlag verkrampfte er sich total. Ich bat ihn, auf dem Abschlag die Augen wie beim Winken hin- und herzubewegen. Das senkt den Stresspegel (Arousal). Das praktizieren inzwischen viele meiner Klienten vor schwierigen Löchern – als einfaches Selbst-Coaching. Ich testete Heinz-Joachim im Stehen mit dem Muskeltest. Und siehe da, es gab eine »Deckerinnerung«. Als er 24 Jahre alt war, musste irgendetwas vorgefallen sein, und an seinen Reaktionen merkte ich, dass es sehr intensiv gewesen sein muss. Was es war, schien er für sich behalten zu wollen. Ich muss es für eine erfolgreiche Arbeit auch nicht wissen. Denn die Erinnerung und das anschließende Winken hatte bei Heinz-Joachim etwas gelöst. Das konnte ich eindeutig beobachten. Er atmete plötzlich viel tiefer durch. Dann ging er wie selbstverständlich nach vorn auf den Abschlag und spielte einen Ball nach dem anderen ganz locker über den See auf das Grün.
Dieses Coaching haben wir wie gesagt im Stehen gemacht, es hat keine zehn Minuten gedauert – und es hatte eine tiefgreifende Wirkung: Nach einem halben Jahr kam Heinz-Joachim freudestrahlend auf mich zu und berichtete, dass er wieder so souverän über die 11 gespielt hat. Er war von dem Coaching so begeistert, dass er einen Artikel in der Clubzeitschrift des Golfclubs veröffentlichte. Als Neurologe mit Zusatzausbildung in EMDR wusste er natürlich auch um die Effizienz, Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der WingWave-Methode. Dies ist sein Erfahrungsbericht in der Golfclub-Zeitschrift Ahrensburg (Winter 2010):
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Höchstleistungen im Sport
Quantensprünge durch Mentaltraining Ein ganz neues Trainings-Erlebnis: Mit »gedoppelter Kompetenz« ging ein bislang unbekanntes »Trainer-Duo« mit einer großartigen Trainingsidee an den Start: Unser Christoph Frass kombinierte Ende Mai seine vielseitigen TrainerFähigkeiten erstmals mit denen von Mental-Trainerin/Coach Marion Klimmer. Ihre Spezialisierung auf Techniken, die auf Erkenntnissen moderner Gehirnforschung beruhen und extrem effizient wirken, machten mich neugierig und auch zuversichtlich. Schließlich gehörte ich zu den vielen Golfern, denen beim Gedanken an und bei dem Zuschreiten zur »11« doch »mulmig« wurde. Ich fragte mich regelmäßig: Wie viele hundert Bälle liegen dort wohl schon von uns allen im Wasser? Und gleichzeitig wusste ich: Ich habe auch ungewollt viele für die Ansammlung »spendiert«. »Okay – den einen oder anderen wird man in der Zukunft vielleicht nicht vermeiden können«, dachte ich mir vor dem Seminar. Aber ich wollte definitiv endlich heraus aus diesem Teufelskreis, beim Gedanken an die »11« schon zu verkrampfen und dadurch nahezu »zuverlässig« immer wieder den Ball ins Wasser zu befördern. Kennen Sie das nicht auch? Etwas stärker oder etwas weniger stark? Meine fünf Seminar-Mitstreiterinnen (es waren – neben meiner Frau – nur Damen) schienen ähnliche Gedanken, Erfahrungen und auch Hoffnungen zu haben. Und so trafen wir uns alle zur Seminar-Startzeit mit Neugier, vielleicht auch etwas Skepsis – aber definitiv mit viel Hoffnung und guter Laune beim Clubhaus. Gemeinsam marschierten wir dann voller Erwartungen und Spannung zur »11«, wo das »Reality-Training« stattfand. Christoph Frass und Marion Klimmer hatten dort schon wichtige Vorkehrungen getroffen: Zwei Driving-Range-Matten ausgelegt und einen riesigen Eimer »alter Bälle« hingestellt. Nach einer motivierenden Begrüßung von Christoph Frass lieferte Marion Klimmer mit anschaulichen Erklärungen Einblicke in den Aufbau und die Funktionsweise unseres Gehirns. Dies machte deutlich, warum wir im Moment, wenn unsere Emotionen »überschießen« – der Stress also mental-emotional übergroß ist – kognitiv nicht mehr »Herr über unsere Gedanken und Emotionen« sind. Mit der Folge, dass wir uns verkrampfen und beim Golfen schlechte Ergebnisse produzieren. Der Auslöser hierfür muss kein dauerhaft falscher Schwung sein. Es kann – insbesondere in besonders aufregenden/stressenden Situationen – eine durch die negativen Emotionen (!) situativ verkrampfte Muskulatur sein. Diese Anspannung und die negativen Emotionen sind dann letztlich der situative Auslöser für den misslungenen Schlag. Wie sonst sollte es auch kommen, dass auch andere Golfer mit einer guten Technik, die auf sonstigen Fairways die Länge von 100 bis 120 Meter nahezu mühelos schlagen, ungewöhnlich viele Bälle an der »11« ins Wasser spielen? Aber viel wichtiger: Was kann man tun, um in herausfordernden Situationen emotional-mental weitestgehend ausgeglichen zu bleiben und dadurch viel bessere Golf-Ergebnisse zu erzielen? Marion Klimmer erklärte uns im Weiteren den natürlichen Mechanismus des menschlichen Gehirns, durch nächtliche REM-Phasen (schnelle Augenbewegungen in den Traum164
Selbst-Coaching für Golfer
phasen) über negative Erfahrungen und Gefühle hinwegzukommen. Diesen natürlichen Mechanismus haben Spezialisten weiterentwickelt zu einer »CoachingTechnik«, die weltweit im Einsatz ist. In den »WingWave-Coachings« könnten durch den Einsatz sogenannter »künstlicher REM-Phasen« sehr effizient Stress und »Blockaden« aufgelöst werden. Man könnte mit der Technik auch wie bei einem »TÜV« im Vorfeld schon überprüfen, was bei einem zukünftigen, vorgabewirksamen Turnier vielleicht – individuell unterschiedlich – stressen könnte (Schlägersorten, Schlagarten, Bunker, Flightpartner, nachrückende Flights und so weiter). Diese stressenden Gedanken/Emotionen könnten vorher »aufgelöst« werden. In der zukünftigen Situation bliebe man – so unser Coach – dann souverän und gelassen. Dieses Coaching werde bei Fach- und Führungskräften genauso wie bei Profisportlern und Hobby-Golfern erfolgreich eingesetzt. – Das machte uns Mut für die zukünftige Bewältigung der »11«! Im weiteren Verlauf unseres Seminars hat sich Christoph Frass mit seiner gewohnten Geduld, Motivationskraft und auch seinem fröhlichen Humor abwechselnd der Schwungtechnik-Optimierung von uns gewidmet. Parallel dazu konnte jeder eine Einzelcoaching-Sitzung mit der Wing-Wave-Technik von Marion erleben und auch sehr wertvolle Tipps für zukünftige »Selbst-Coachings« mitnehmen. Die Vorgehensweise in den Coachings war ebenso ungewöhnlich, interessant, erkenntnisreich, faszinierend wie hilfreich! Wichtig war, sich diesem »Neuartigen« zu öffnen und das einfach ohne Vorbehalte auszuprobieren. Wem dies spontan gelang, der konnte durch nur wenige Minuten Einzelcoachings wahre Wunder bei sich erleben. Die sofortigen »Live-Tests« mit Schläger und Ball bewiesen es: Wo ich sonst mit unguten Gefühlen stand und eher selten einen zuverlässigen Ball aufs Grün beförderte, gelang mir wie von »Wunderhand« plötzlich ein erfolgreicher Schlag nach dem anderen. So erfolgreich ist es – mit nur wenigen Ausnahmen – seitdem geblieben. Für mich und meine Frau waren es tatsächlich »Quantensprünge«, die Christoph Frass und Marion Klimmer uns mit ihren »Doppel-Pack«-Fähigkeiten ermöglichten!« (Von: Heinz-Joachim Laska, Arzt für Neurologie in Hamburg-Ahrensburg)
5.7
Selbst-Coaching für Golfer
Selbst-Coaching mit dem Höchstleistungspendel
Wenn Sie analysiert haben, dass Sie außerhalb der »Zone«, also dem grünen Bereich des Höchstleistungspendels von Sabana Crowcroft sind, ist ihre optimale emotional-mentale Balance für Höchstleistungen nicht gegeben. Also gilt es, mithilfe einer oder mehrerer der folgenden Punkte schnell wieder die Balance herzustellen: 165
Höchstleistungen im Sport
Von ROT in Richtung GRÜN: schnelle Augenbewegungen durchführen, Ziele für den Schlag verändern (Zum Beispiel: bei Unsicherheit lieber einmal den Ball »vorlegen«, anstatt einen extrem weiten Schlag über Wasser oder Bunker zu riskieren), bewusstes, langsames, tiefes Atmen, Anker auslösen, Kagami Übung auswählen und während des Schwungs durchführen, positive Erinnerungen an gelungene Schläge in Erinnerung rufen (zum Beispiel mit der »Erfolgsbilder-Galerie«), Nutzen Sie »Reframings«. Sagen Sie sich beispielsweise bei massiven äußeren Störungen: »Das ist hier für mich ein mentales Fitness-Center und macht mich mental noch stärker für die Zukunft.« Fokussieren Sie günstige Glaubenssätze beziehungsweise Grundüberzeugungen, zum Beispiel: »Ich bin hier, um Spaß und Freude zu haben!« Konzentration auf Pre-Shot-Routine. Von GRÜN in Richtung ROT: Setzen Sie sich für jeden Schlag konkrete Ziele (herausfordernd, aber erreichbar!). Bleiben Sie bei Ihrer Pre-Shot-Routine konzentriert. Auch wenn Sie absehen können, dass Sie Ihre Ergebnis-Wünsche auf der Bahn oder im ganzen Turnier nicht mehr erreichen können: Geben Sie nicht auf, sondern behalten Sie den Ehrgeiz, zumindest bei allen noch verbleibenden Löchern konzentriert zu sein und einen »Höchstleistungsschlag« an den anderen zu reihen.
Selbst-Coaching mit positiven und günstigen Glaubenssätzen
Finden Sie für sich stimmige, günstige Glaubenssätze, die Ihnen Kraft und emotional-mentale Stabilität geben. Hier einige bewährte Beispiele: 166
Selbst-Coaching für Golfer
»Ich bin ein guter Golfer.« »Ich kann 85 Schläge auf einer Runde spielen.« »Ich kann erfolgreich sein.« »Bunkerschläge machen Spaß.« »Ich darf besser spielen als mein Mann.« »Für alle anderen ist es okay, wenn ich das Turnier heute gewinne.« Sagen Sie sich innerlich Ihren Favoriten immer wieder einmal auf und lauschen Sie diesem inneren Monolog – möglichst während Sie die WingWave-CD hören oder sich abwechselnd über Kreuz auf die Knie, Schultern oder Oberarme »tippen«. So können sich die positiven Emotionen und auch körperlichen Reaktionen auf Ihren motivierenden Satz noch optimaler verankern und ausdehnen. Achten Sie dabei über Ihre Sinneskanäle auch darauf, wo genau Sie im Körper angenehme Körpergefühle spüren (Wärmeempfinden, tiefes Atmen, gelockerte Muskeln). Welche angenehmen Bilder zeigen sich dabei vor Ihrem inneren Auge und gibt es vielleicht noch angenehme Geräusche oder Töne, die den positiven Glaubenssatz verstärken?
Selbst-Coaching: »Schutzmantel«
Verankern Sie für sich eine Vorstellung, die Ihnen hilft, sich von externen, störenden Einflüssen abzuschotten (Lärm, Verhalten anderer etc.). Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie würden vor dem Spiel einen »Schutzmantel« anziehen. Es kann auch eine Ritterrüstung sein oder ein transparentes Ei, in das Sie hineinschlüpfen – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Wenn Sie visuell und auch von Ihrem Körpergefühl her etwas für Sie Adäquates gefunden haben, »ankern« Sie dieses für sich – mit dem in Kapitel 4 beschriebenen Prozess. Noch bevor Sie zukünftig das Golf-Areal betreten, lösen Sie am besten Ihren Anker schon aus und vergegenwärtigen Sie sich das nützliche Gefühl, mithilfe Ihres individuellen Schutzmantels immun zu sein gegen störende, externe Einflüsse. Falls nötig betätigen Sie den Anker auch während des Spieles noch ein paar Mal. Dann wirkt er auch als »Erinnerungsanker«.
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Höchstleistungen im Sport
Selbst-Coaching: Reaktion auf schlechte Schläge
Gravierend für den nächsten Schlag und damit den weiteren Spielverlauf ist weniger der schlechte Schlag als solcher. Sondern die Reaktion (Gedanken) auf diesen Schlag! Es gilt also unsere Reaktionen auf schlechte Schläge zu kontrollieren, damit wir nicht gemäß des Höchstleistungspendels in den roten oder grauen Bereich – und damit aus der Balance – kippen. Eine sinnvolle Reaktion sind die zu automatisierenden Gewohnheiten: Sich von schlechten Schlägen sofort emotional distanzieren (am leichtesten über sofortiges WingWave: einfach Augen sofort 10–20 mal hin und her bewegen). Denn wenn wir an schlechte Schläge zu lange, zu viele und zu intensive negative Emotionen hängen, machen wir die Auswirkungen dieses schlechten Schlages nur noch schlimmer: Es brennt sich das Erlebte noch tiefer in unser Gedächtnis und flackert in ähnlichen Situationen immer wieder auf. Die Folge sind Zweifel und Unsicherheiten: »Ob ich das wohl heute schaffe? Gestern habe ich doch diesen fürchterlich peinlichen Bunkerschlag gemacht!« Sich sofort die »Höhere-Ebenen-Fragen« stellen, um mit Neugier auf Entdeckungsreise zu gehen und die Ursachen für den schlechten Schlag zu finden, um dann sinnvolle Gegenmaßnahmen für den nächsten Schwung auszuwählen. Sich innerlich nicht ärgern beziehungsweise »abzustrafen« und dafür verurteilen, dass man sich bei der Analyse über die »Höhere Ebenen-Fragen« zugestehen muss, die Kagami Übung »schlampig« ausgeführt zu haben oder kein Reframing einer ungünstigen Situation vorgenommen zu haben. Denn sonst kommen wir in emotionales Missmanagement hinein. Aber Ärger produziert wieder Stress-Hormone, die Spannung/Druck erzeugen und auch Gehirnfunktionen reduzieren, sodass dies wiederum zu veränderten Bewegungsabläufen oder veränderter Feinmotorik führt und zudem sogar zu schlechten strategischen Entscheidungen (wie etwa Schlägerwahl). So empfiehlt Pia Nilsson in ihrem Buch (»Every shot must have a purpose«) auch »Find something good to say about every shot you hit – or say nothing.« (»Finde etwas Gutes über jeden deiner Schläge zu sagen – oder sag gar nichts«). Das ist pures Emotionsmanagement, um in Balance für Höchstleistungen zu bleiben. Und genau dies nützt uns auch im sonstigen Leben – um Höchstleistungen abrufen zu können. Pia Nilsson führt hierzu aus: 168
Selbst-Coaching für Golfer
»Golf is a challenging game. That is part of our fascination with it. There is no other sport that so closely mirrors life. Unlike the reactive sports where you are running and jumping and responding almost entirely on impulse, golf happens at the speed of life. That creates a set of challenges that are different from any other sport, but not so different from our everyday lives. In truth, it is not so different from our everyday lives. In truth, it is not an overstatement to say that learning to be a better golfer involves learning to be a better person. Bad shots happen in golf. Bad things happen in life. The key to success in each is in how you react to those disappointments. Despite all your preparation, despite all your practice, and despite all your hard work, you do not have control over what happens to you. That’s just simply the way it is. What you CAN control is how you react to what happens to you. That’s the key to not only a successful game of golf, but also to a successful life.«
Selbst-Coaching: Einflussmöglichkeiten auf die innere Balance
Das Entscheidende ist: Mithilfe von WingWave, Kagami, Reframings, Ankern, positiv wirkenden Bildern (wie Erfolgsgalerie), motivierendem inneren Dialog, Fokussierung von förderlichen Glaubenssätzen kann man selber ganz bewusst Höchstleistungsmomente herbeiführen und dafür Einfluss nehmen auf die Bereiche 3 und 4: Emotionen und mentaler Zustand. Das ist die (»Höchstleistungs-)Kunst! Wenn man das intensiv übt und konsequent anwendet, führt es (auf dem jeweiligen Leistungsniveau des Spielers) zu meist wunderbar erfolgreichen Ergebnissen! Wir können aber auch proaktiv die Prozess-Kette in Richtung »Positiv« anschieben und zwar schon von Anbeginn an. Also noch bevor wir auf irritierende, uns störende Reize mit den oben aufgeführten Selbst-Coaching-Maßnahmen reagieren müssen: Durch permanentes Fokussieren auf uns angenehm wirkende Sinnesreize: Denn wenn Sinnesreize positiv wirken, ist das Endergebnis dieser Kette natürlich ein ganz anderes. Schaue ich mir zum Beispiel auf der Golfrunde immer mal wieder den strahlend blauen Himmel an, komme ich dadurch mit meiner positiven Einstellung zu »blauen Himmeln« in Kontakt plus gegebenenfalls so169
Höchstleistungen im Sport
gar mit meinem Glaubenssatz: »Wenn das Wetter schön ist, kann ich auch gut golfen.« So komme ich in einen positiven emotionalen Zustand, mit dann angenehmen Körpergefühlen, entspannteren Körperreaktionen und damit auch zu einer anderen Schwungausführung und natürlich letztlich zu einem anderen Schwung-Ergebnis.
Abb. 23: Selbst-Coaching und Coaching in Höchstleistungs-Prozess-Ebenen
Durch innere Monologe, die günstig und positiv wirken und die ich immer wieder innerlich abrufe beziehungsweise höre: Zum Beispiel: »Du bist heute hier, um Spaß und Freude an der Luft und an der Bewegung zu empfinden. Und dazu verbrennst du noch viele Kalorien.« Oder: »Okay – bis jetzt habe ich nicht gut gespielt oder war unkonzentriert. Aber ich kann jederzeit den Schal170
Selbst-Coaching für Golfer
ter umlegen und das mache ich jetzt.« Oder: »Aus meinem heutigen Spielvermögen mache ich das Beste!« Oder: »Die Herausforderungen heute sind ein mentales Fitness-Center, das mich mental noch stärker machen wird.« Auch nach besonders guten Schlägen sollten Sie sich angewöhnen, die »HöhereEbenen-Fragen« zu stellen, um zu verstehen, was Ihr System beziehungsweise Ihre Stratgie für den Erfolg war. Nur über das Bewusstmachen können Sie diese Erkenntnisse zukünftig nutzbringend wieder einbringen, abrufen beziehungsweise umsetzen. Fragen Sie sich also nicht nur nach schlechten Schlägen: Was hat (auf den jeweils höheren Ebenen) zu diesem schlechten oder weniger guten Schlag geführt? Sondern auch: Was hat (auf den jeweils höheren Ebenen) zu diesem guten Schlag geführt? Dann können Sie immer zuverlässiger Ihre guten Schläge reproduzieren (situativ Höchstleistungen abrufen) und ein konstanteres, erfolgreicheres Spiel entwickeln. Das nochmalige, detaillierte Beschäftigen und in Erinnerung-Rufen von guten Schlägen gewährleistet ein nochmaliges Durchleben der positiven Emotionen. Das stärkt Ihre Erinnerung und Ihr Selbstvertrauen!
Selbst-Coaching: Konstruktive Spiel-Analyse
Fertigen Sie ruhig ein kleines Protokoll von Ihren Erkenntnissen zu den beiden Fragen an. Ich empfehle Ihnen hierfür ein kleines oder großes Heft anzulegen. Dort können Sie zukünftig auch all Ihre weiteren, förderlichen Erkenntnisse eintragen und verankern. Dies kann auch in einen Trainingsplan münden. Wählen Sie hierfür am besten diese drei Leitfragen: Was war heute gut an meinem Spiel? Was könnte ich besser machen? Wie könnte ich das verbessern? Oder wie könnte ich mich daran auf der nächsten Runde oder beim Üben erinnern? 171
Höchstleistungen im Sport
Selbst-Coaching mit WingWave beim Golfen
Durch selbst oder durch Coach initiierte schnelle Augenbewegungen. Durch »überkreuztes Tappen« (z.B. Ellenbogen/Oberarme). Durch WingWave bei zum Beispiel Übungsrunden oder auf Driving-Range/ Pitch-/Putt-Anlage.
Selbst-Coaching zum Stress-Abbau
In gedanklich-mentaler Vorbereitung auf eine wichtige Golf-Runde, können Sie sich all diese Punkte nachheinander vorstellen beziehungsweise sich in die Situationen gedanklich hinein-assoziieren – während Sie eine der drei WingWaveSelbstcoaching-Instrumente anwenden. Tipp: Am einfachsten ist es mit der CD. Die möglichen Stressfaktoren verlieren durch die künstlichen REM-Phasen ihre emotionale Tönung. Mögliche Stress-Auslöser: Gegenstände (Golfball, Tee, unterschiedliche Schläger etc.), Gelände (Bunker, Wald, Rough, Hügel), Schlagarten (lange Schläge, Abschläge, Putten, Pitchen, Chippen, Bunkerschläge), Wetter (Temperatur, Sonne, Wind Regen), Ihre Kleidungsstücke, Uhrzeit (besonders frühe oder späte Startzeiten), Körperlicher Stress (Durst, Hunger, Erschöpfung, Müdigkeit, Schmerzen/ Verletzungen), Verhalten/Aussehen/Äußerungen anderer Personen (Mitspieler, Vor-/ Nachflight, Zuschauer), Herausforderungen (Wasser, Bunker, schwierige Ball-Lagen: Sand, Rough, wenig Gras, Schlagbehinderungen),
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Selbst-Coaching für Golfer
Blockierende Stress-Erlebnisse/Ereignisse (ungünstiger »Punktestand«, erlebte/vergangene Turniere, misslungene Schläge etc.), Emotionen der Mitmenschen (Spielpartner, dem z. B. einiges misslingt, es körperlich schlecht geht etc.), Unsympathische Flightpartner, Situationen, die vor einem liegen (vorgabewirksames Turnier, Zählspiel, Spielen in Gruppe »A« oder mit »ungeliebten« Spielpartnern, Meisterschaften, Vierer-Turniere, Auswahldrive, Herren-/Damen-Nachmittag), Älterwerden: kürzere Schläge oder andere körperliche »Einbußen«, Länge der Runde (z. B. langes Konzentrieren).
Selbst-Coaching zur Steigerung Freude, Zuversicht, Mut beim Golfen
Gelungene Schläge und positive Golf-Erfahrungen sollten sich bei Ihnen fest abspeichern, während Sie wiederum die WingWave-Selbstcoaching-Instrumente einsetzen. Denken Sie an einen besonders gelungenen Schlag, an eine besonders schöne oder gelungene Golf-Bahn, einen besonders netten Golf-Flight oder -Tag und speichern Sie ihn fest in ihren Erinnerungen ab. Denn diese motivierende und kraftspendende Erinnerung können Sie sich zukünftig immer wieder innerlich abrufen und damit zugleich all die positiven Gefühle. Damit versetzen Sie sich selbst in eine gute mental-emotionale Balance und erleichtern Höchstleistungen. Für die Erinnerung ist es entscheidend, dass sie mit möglichst starken, positiven Emotionen verknüpft ist. Denn durch das Emotionalisieren können Sie es besser abspeichern. Das positive Emotionalisieren oder »Aufladen« gelingt Ihnen, wenn Sie sich sehr facettenreich und intensiv in alles für Sie Positive hineinversetzen, was Sie über Ihre Sinneskanäle in der Erinnerung wahrnehmen können. Visuell Holen Sie sich alles vor Augen, was Sie erinnern: Landschaft, andere Menschen, Wetter, Kleidung, Blicke anderer, Reaktionen anderer, den Ballflug, Ballendlage, die Ziffer der Schlaganzahl oder die gesammelten Stableford-Punkte etc.
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Höchstleistungen im Sport
Auditiv Hören Sie noch einmal alles, was in der Situation dazugehörte: Ihre eigene Stimme, die von anderen, Geräusche vom zischenden Schläger, vom Fallen des Balls in das Loch, von Vögeln, Ihr Jubelruf, anerkennend-bewundernde Äußerungen anderer. Körpergefühle Fühlen Sie noch einmal das angenehme Schwunggefühl, die Sie durchströmende Freude in unterschiedlichen Körperregionen. Geruch Nach frisch gemähtem Gras, Blumen, Meeresluft. Geschmack Nach Ihrem Lieblingsobst, was Sie direkt vorher gegessen haben.
Grenzen des WingWave-Selbst-Coachings
In folgenden Fällen lösen Sie Ihren »Golf-Stress« vermutlich besser mit einem ausgebildeten WingWave-Coach auf. Für die Auflösung negativer und hinderlicher Glaubenssätze. Wenn Sie Golferinnerungen und Misserfolgserlebnisse haben, die Ihnen noch vor Augen sind, »als wären sie gestern gewesen« oder falls diese Ihnen noch »in den Knochen stecken« und Sie sich daher immer wieder in Höchstleistungssituationen – bewusst oder unbewusst – daran erinnern. Bei Sportverletzungen oder vorübergehenden Bewegungseinschränkungen. Selbst wenn diese physisch als »ausgeheilt« gelten, so können Sie emotionalmental noch »in den Knochen« stecken beziehungsweise im Limbischen System noch Stress und damit Höchstleistungs-Einschränkungen verursachen. Wenn das Selbst-Coaching mit positiven und günstigen Glaubenssätzen nicht funktioniert oder gemischte Gefühle wachruft. Dann kann ein guter Coach mithilfe des Muskeltests die Ursachen finden und auflösen. Bei allen Ihnen unerklärlichen Stress-Empfindungen, emotionalen Blockaden oder Misserfolgserlebnissen, die Ihnen trotz aller kognitiver Analyse schleierhaft bleiben. 174
Fazit
5.8
Fazit
Spitzensportler wissen es schon lange: Gewonnen wird im Kopf! Ohne effizientes Mental-Coaching und Selbst-Coaching sind heutzutage auf dem geforderten Niveau keine Höchstleistungen mehr möglich. Die Erkenntnisse aus dem Spitzensport setzen sich zunehmend auch in anderen Bereichen durch: Ganz egal, ob Sie sich im Beruf weiterentwickeln wollen oder eine schwierige Präsentation meistern müssen, ob Sie bei einem Tennisturnier in Ihrem Club oder bei einem wichtigen Fußballmatch im Betriebssport gute Leistungen zeigen wollen oder bei einem Golfturnier Ihr Handicap verbessern möchten – die Technik, um diese Herausforderungen zu meistern, ist immer die gleiche. Zuerst einmal brauchen Sie Ziele, die Sie nach den bekannten Kriterien auf ihre Umsetzbarkeit überprüfen. Dann brauchen Sie einen Plan, wie Sie Ihre persönliche Höchstleistung auf den Punkt – nämlich dann, wenn es darauf ankommt – abrufen können. Und eines wissen Sie auch schon: Ihr ganzes Wissen und Ihre ganze Technik wird Ihnen nichts nützen, wenn der Kopf in diesem entscheidenden Moment nicht mitspielt. Damit sind wieder die Emotionen im Spiel, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Um Ihre Höchstleistungen zeigen zu können, brauchen Sie einen Zustand, den wir als mental-emotionale Balance kennengelernt haben. Am Parade-Beispiel der »Psycho«-Sportart Golf habe ich gezeigt, wie modernes Emotions-Coaching und Selbst-Coaching funktioniert. Das Disziplinieren des inneren Dialoges, das uns auch im Berufsleben hilft, wird im Golf über bildhaftsinnliche Vorstellungen, die Kagami-Übungen erreicht. Der Intellekt ist durch sie so abgelenkt, dass das »innere Geplapper« aufhört und der Körper instinktiv die richtige Bewegung für einen optimalen Golfschwung ausführt. Freizeitgolfer beschäftigen sich nach missglückten Schlägen hauptsächlich mit der Schlagtechnik, doch das ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Das Beispiel von Deutschlands Top-Golferin Martina Eberl zeigt: Missglückte Golfschläge haben häufig, wenn nicht meistens, eine mentale Vorgeschichte. Und diese Geschichte hat in der Regel einen viel größeren Einfluss auf den Ausgang des Schlages, als die reine Schlagtechnik. Das können störende Wahrnehmungen sein, sehr ungünstige Glaubenssätze oder auch blockierende Emotionen, teils aus Jugend und Kindheit, die uns aus der emotional-mentalen Balance bringen. Mit WingWave-Coaching ist es möglich, auch im Sport und besonders im Golf diese Glaubensätze positiv zu beeinflussen und störende Emotionen wirklich aufzulösen. Viele Praxisbeispiele zeigen, dass damit eine ganz neue Qualität von Sport-Coaching erreicht werden kann. 175
Interviews 5 b Christoph Frass – »Für mich ist der Putt drin!« Christoph Frass, Golflehrer/Fully qualified Professional of PGA of Germany, bis zum Alter von 16 Jahren in der Ballettkompagnie von John Neumeier, anschließend Schauspielstudium. In welchen Bereichen müssen Sie situative Höchstleistungen erbringen? Immer dann, wenn ein Golfschlag wirklich sitzen muss. Ich war zwar immer eine »coole Sau« und konnte auch in schwierigen Situationen einen Ein-Meter-Putt sicher reinmachen. Aber das über 18 Löcher durchzuhalten, ist eine mentale und auch körperliche Höchstleistung. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen beim Golfen abzurufen? Ich versuche mich durch bewusst langsame Atmung runterzuholen, alles andere auszublenden und mich nur auf mein Inneres und mein Körpergefühl zu konzentrieren. Durch das langsame Atmen und Verlangsamen von Bewegungen werden auch Entscheidungen verlangsamt. Das ist wie auf der Theaterbühne. In meinem früheren Schauspielstudium habe ich gelernt, bei Stress nicht die ersten Sätze auf der Bühne runterzurattern, sondern bewusst langsam zu sprechen. Bereiten Sie sich in besonderer Weise auf Drucksituationen vor? Mit Druck-Situationen konnte ich gut umgehen, da ich beim Golfen immer schon viel »gezockt« habe. Mit einem Freund habe ich um vergleichsweise hohe Einsätze gespielt. Dadurch habe ich viel Routine, unter Druck gut zu spielen. Und als Golftrainer? Mein früheres Schauspielstudium hat mich dafür sensibilisiert, die Befindlichkeiten von Menschen zu erkennen. Einen Manager, der beruflich viel physische Distanz zu Menschen hat, darf ich beispielsweise beim Training nicht einfach anfassen, um ihn die Schwungbewegung spüren zu lassen. 177
Interviews 5 b
Welche Werte oder Grundüberzeugungen nützen Ihnen beim Abrufen von Höchstleistungen unter besonderem Druck? In einer Welt, in der nur noch halb zugehört wird, ist es mir wichtig, richtig zuzuhören und dadurch anderen zu helfen, etwa im Golftraining. Als Golfspieler hilft mir die Grundüberzeugung: »Für mich ist der Putt drin!« Ich sehe die Dinge positiv, und bei mir ist das Glas immer halb voll. Wie erreichen Sie große Ziele, also geplante Höchstleistungen? Ich habe sie als Vision im Kopf, etwa meine A-Trainer-Lizenz noch zu machen. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Als junger Golfspieler bin ich regelmäßig ausgeflippt, habe Schläger zerbrochen und schon mal mein ganzes Bag in eine Mülltonne gestellt. Der Ärger musste einfach raus. In der Zeit lebte ich nach dem Motto: »Lebe jeden Tag, als wäre es dein letzter.« Das sehe ich heute anders: Ich kann über Fehlschläge inzwischen lachen – schließlich habe ich als Trainer ja auch eine Vorbildfunktion. Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen, mit denen Sie Höchstleistungen erbracht haben, schon einmal in andere Situationen übertragen? Durch meine eigenen Erfahrungen als Spieler kann ich meine Golfschüler besser verstehen und ihnen gezielt helfen.
André Sallmann – »Sich nie hängen lassen« André Sallmann, Head-Pro GC Hamburg-Ahrensburg, mit Anfang 20 Tourspieler auf der Challenge Tour, engagiert sich in der Nachwuchsförderung. In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Als junger Spieler auf der Challenge Tour habe ich extremen Druck erlebt. Bei den Abschlägen war ich bei manchen Turnieren so aufgeregt, dass ich Sorge hatte, den Ball auf dem Tee platziert zu bekommen. Beim Putten war der Druck auch extrem. Zur Beruhigung und zur Abschottung von allen externen Einflüssen habe ich teilweise mit geschlossenen Augen geputtet – manchmal auf allen 18 Bah178
Jan Van Riet – »Ich spielte die ganze Zeit im Flow«
nen. Ich wollte so wieder Vertrauen in meine Fähigkeiten bekommen und zu technische Aspekte ausblenden. Und in welchen Bereichen gibt es für Sie heute, nach Beendigung der Profi-Laufbahn, situative Höchstleistungen? Als Trainer für die Nachwuchsspieler und für unsere Clubmannschaft muss ich im richtigen Moment die richtige Ansprache finden. Die Spieler sind häufig sehr emotional, man muss Vertrauen zu Athleten aufbauen und motivierend einlenken. Und welche Situationen empfinden Sie als Golftrainer als Höchstleistung? Wenn Schüler frustriert von Ihren eigenen Fähigkeiten sind, machen sie manchmal den Trainer dafür verantwortlich. Manchmal gipfelt der Frust eines Golfers darin, den Trainer verbal anzugreifen – noch dazu vielleicht in Hörweite unbeteiligter Personen. Ich betrachte es als Höchstleistung, dabei professionell und ruhig zu bleiben. Es ist eine Gratwanderung, den persönlichen Frust zwar mitzufühlen, aber innerlich distanziert und sachlich zu bleiben, sodass ich der Person auch helfen kann. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Durch konstruktive, innere Gesprächsführung, das heißt, ich spreche dann wohlwollend und motivierend mit mir selbst. Das gilt in schwierigen Trainingssituationen ebenso wie bei meinem eigenen Golfspiel. Haben Sie sogar ein spezielles Motto und auch Vorbild für Höchstleistungen? Mein Motto ist: »Sich nie hängen lassen«. Dies hat mir mein Vater mit auf den Weg gegeben.
Jan Van Riet – »Ich spielte die ganze Zeit im Flow« Jan Van Riet, Geschäftsführer Melitta Haushaltsprodukte GmbH & Co. KG Haben Sie im Sport oder in der Freizeit schon einmal situative Höchstleistungen erbracht? Meine Leidenschaft Golf ist für mich ein Paradebeispiel für situative Höchstleistungen. Die muss man bei jedem Schlag auf den Punkt abrufen und das bei einem 179
Interviews 5 b
18-Loch-Spiel über bis zu fünf Stunden. Es ist immer wieder interessant, dass der zweite Schlag wunderbar klappt. Nur der erste, auf den es ankommt – der ist häufig schwierig. Insbesondere dann, wenn es einem nicht gelungen ist, Konzentration und Lockerheit zugleich zu fokussieren. Was war Ihr persönliches Golf-Highlight? Auf einem Kurzplatz habe ich mit acht unter Par einen neuen Platzrekord aufgestellt. Ich spielte die ganze Zeit im Flow. Im Vorjahr hatte ich auf dem gleichen Platz das gleiche Turnier gewonnen und bereits beim Einspielen wusste ich: »Heute spiele ich wieder eine super Runde!« Wie haben Sie es damals geschafft, auch unter Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Ich habe den Druck völlig ausgeblendet. Statt mir zu sagen: »Ich muss gewinnen« oder »Ich darf nicht verlieren« konzentrierte ich mich auf das gute und zuversichtliche Gefühl vom Einspielen. Es gelang mir, wirklich im Hier und Jetzt zu sein und mich nur auf die aktuelle Situation zu konzentrieren: »Du spielst jetzt von hier nach da. Punkt«. Durch dieses Einlassen auf den Moment und meine innere Überzeugung »Ich beherrsche das« konnte dieser Flow entstehen. Nutzen Sie Rituale beim Golfspielen? Bei Turnieren ist es vor allem die gute, ruhige Vorbereitung: gut schlafen, in guter körperlicher Verfassung sein und eine Stunde vor dem Start noch einmal in Ruhe alle Schläge durchspielen. Mir ist extrem wichtig, bei den ersten Löchern in einen ruhigen, gleichmäßigen Rhythmus zu kommen – besonders bei ungünstigen Bedingungen wie schlechtem Wetter, langen Pausen vor dem nächsten Schlag und nervigen Mitspielern im Flight. Ein weiteres Ritual ist mein Tunnelblick: Ich versuche, mich nur auf drei Dinge zu konzentrieren: den Ball, das Ziel und meine Bewegung. Wodurch können Sie gute Leistungen beim Golfspielen gefährden? Absolut tödlich ist, wenn ich mir drei bis vier Löcher vor Schluss im Kopf ausrechne, wie viel Punkte ich spielen werden, wenn ich so weiterspiele. Das geht nie gut! Es baut bloß Druck auf, führt zu Selbstzweifeln und Nervosität. Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen, mit denen Sie Höchstleistungen im Sport erbracht haben, schon einmal auf berufliche Situationen übertragen? Ich versuche, auch in beruflichen Situationen einen Flow herbeizuführen. Das ist für mich der Schlüssel zum Erfolg. 180
6.
Selbst-Coaching
6.1
Chancen und Grenzen
Eine einfache aber dennoch sehr effiziente Form des Selbst-Coachings haben Sie bereits in Kapitel 4 kennengelernt: den sogenannten »Tarzan-Trick«. Durch rhythmisches Klopfen auf das Brustbein wird die dahinterliegende Thymusdrüse stimuliert. Sie spielt eine wichtige Rolle bei der Versorgung des Nervensystems mit »entstressenden« Botenstoffen. Durch das etwa einminütige Klopfen bekommen Sie spontan einen messbaren Zuwachs an Frische und Energie. Das ist einfach getan, aber funktioniert sehr gut. Generationen von Menschenaffen und auch unser Urwaldheld Tarzan können schließlich nicht irren. Mit dieser SelbstCoaching-Technik sind sie also in allerbester Gesellschaft. Eine weitere Möglichkeit des Selbst-Coachings kennen Sie auch schon, das »Augenturnen« (siehe Kapitel 4). Durch bewusste Links-Rechts-Bewegungen mit den Augen können wir uns gezielt beruhigen und wieder in Balance bringen. Das ist eine große Hilfe direkt vor großen Herausforderungen, wenn Sie topfit sein müssen – oder nach empfindlichen Niederlagen, wenn Sie schnell wieder die Fassung finden möchten. Die beiden Beispiele zeigen: Selbst-Coaching ist nichts Mystisches, es handelt sich vielmehr um einfache Techniken, mit denen Sie Ihre Leistungsfähigkeit steigern können. Aber diese mentalen Techniken haben es in sich. Allein die Gewissheit, dass man in schwierigen Situationen wie Prüfungs- oder Präsentationsstress nicht völlig allein und hilflos dasteht, wird Ihnen eine enorme Sicherheit geben. Wenn es unerwartet schlecht laufen sollte, haben Sie immer noch ein Werkzeug in der Hinterhand, mit dem Sie gegensteuern können. Das ist häufig Gold wert – manchmal im wahrsten Sinne des Wortes. Erinnern Sie sich noch an die Geschichte von Fecht-Olympiasiegerin Britta Heinmann (Kapitel 5). Im Olympia-Finale verlor die Führende plötzlich die Konzentration und kassierte Treffer um Treffer. Sie geriet einen kurzen Moment in Panik und hätte vermutlich verloren. Aber Britta Heinmann hatte gelernt, in solchen kritischen Momenten ge181
Selbst-Coaching
zielt gegenzusteuern. Durch vorher mit ihrem Trainer einstudierte Mental-Sätze baute sie sich auf und brachte sich wieder in die notwendige mentale Verfassung für den späteren Sieg. Diese Glaubenssätze sind nichts anderes als lupenreines Selbst-Coaching. Da sind wir nun schon an einem entscheidenden Punkt: Selbst-Coaching funktioniert nur dann in kritischen Situationen, wenn man es trainiert – und zwar vorher! Wer es sich zutraut, kann es allein machen, denn so kompliziert sind die Techniken nicht. Einfacher ist es natürlich, besonders als Neuling, wenn man die ersten Schritte zusammen mit einem erfahrenen Coach geht. So handhaben es übrigens auch die meisten Spitzensportler: Sie trainieren das mentale Rüstzeug gemeinsam mit ihrem Trainer, üben dann individuell weiter und verfestigen die Techniken – und in der Vorbereitung und im Wettkampf praktizieren sie aktives Selbst-Coaching. Das ist sicherlich die effektivste Form, Selbst-Coaching anzuwenden. Selbst-Coaching hilft in sehr vielen Fällen – aber leider nicht immer. Es versagt häufig dann, wenn Sie sich sozusagen »selbst im Wege stehen«. Wenn unverarbeitete »Deckerinnerungen« der Grund für Alltagsängste, Präsentationsstress oder Prüfungsängste sind, dann werden Sie allein nicht weiter kommen (siehe Kapitel 3). »Wir haben schließlich nur ein Gehirn«, bringt es die Psychologin Cora Besser-Siegmund auf den Punkt. Oder ganz vereinfacht ausgedrückt: Wir können uns nicht gleichzeitig austricksen und selbst auf die Schliche kommen. Immer wenn Deckerinnerungen im Spiel sind, brauchen wir die professionelle Hilfe eines erfahrenen Coaches. Nur ein entsprechend ausgebildeter Außenstehender kann uns dann auf die richtige Fährte führen.
6.2
Vom Selbst-Coaching zum Selbstmanagement
Die vorherrschende Meinung in der Berufswelt ist, dass Erfolg vor allem eine Frage des Wollens ist. Aber wir können noch so sehr wollen, beispielsweise erfolgreich, reich, glücklich oder ein beliebter Chef zu werden. Wenn wir nicht wissen, was wir tun müssen, um unsere Ziele zu erreichen, wird es nicht klappen. Es ist also nicht nur eine Frage des Wollens, sondern auch eine Frage des Könnens. Wie motivieren Sie sich richtig? In welcher körperlichen und mentalen Verfassung müssen Sie sein, um Höchstleistungen abzurufen? Und wie visualisiert man neue Ziele wirklich gehirngerecht? 182
Ruhe und mentale Balance
Die in diesem Buch vorgestellte Form des Selbst-Coachings ist Mentaltraining ohne den üblichen psychologischen Ballast. Es bietet Lösungen für individuelle Probleme ohne überflüssigen »Seelenstriptease«. Vor allem sind diese Mentaltechniken schnell und effizient. Richtig eingesetzt können sie Teil Ihres neuen Selbstmanagements werden. Sie helfen, Ihre persönlichen und beruflichen Ressourcen zu aktivieren und im entscheidenden Höchstleistungsmoment abzurufen. In den ersten Kapiteln dieses Buches haben Sie schon wichtige SelbstCoaching-Techniken kennengelernt. Hier finden Sie weitere Techniken für die wichtigsten Themenbereiche:
6.3
Ruhe und mentale Balance
Augenturnen
Durch die horizontale Links-Rechts-Bewegung der Augen wird die Vernetzung der beiden Gehirnhälften (bilaterale Hemisphärenstimulation) angeregt. Hierfür sucht man sich rechts und links im jeweiligen Blickfeld optische Fixpunkte (zum Beispiel Bäume, Gegenstände). Zwischen diesen lässt man seinen Blick hin- und herwandern – wie einen Scheibenwischer. Das beruhigt und reduziert das Stressempfinden. Die Augenbewegungen sollten Sie vor allen wichtigen Herausforderungen durchführen, etwa im Fahrstuhl oder in der Toilette vor dem Meeting genauso wie vor dem schwierigen Golfschlag. Versteckt hinter einer Sonnenbrille oder kurz zur Wand gedreht, lässt sich dieser kleine Trick nahezu überall sehr diskret durchführen.
Butterfly-Methode
Die »Butterfly-Methode« ist eine abwechselnde Rechts-Links-Stimulation, bei der man sich selbst rhythmisch auf die Schultern, Knie oder Oberschenkel klopft beziehungsweise tippt – und zwar mit überkreuzten Armen. Die linke Hand tippt auf die rechte Seite und umgekehrt die rechte Hand auf die linke Seite. Diese Berührungs- und Geräuschsimulation kann ebenso wie das Augenturnen Stresszustände regulieren, beispielsweise ein ängstliches Gefühl im Fahrstuhl oder auf hohen Gebäuden lindern. Sie können dabei liegen (etwa beim Zahnarzt), sitzen oder stehen. 183
Selbst-Coaching
WingWave-Musik
Für das Selbst-Coaching über den auditiven Sinneskanal wurde spezielle WingWave-Musik entwickelt. Bei dieser Musik ist ein musikalisches Thema im »Winke-Takt« mit musikalischen Grundtönen – im Wechsel am linken und am rechten Ohr – untermalt. Für den bilateralen Stimulationseffekt muss die Musik über Kopfhörer gehört werden. Dabei geht man dann gedanklich seine Selbst-Coaching-Themen durch. Die Musik sorgt dafür, dass man die gedankliche Aufarbeitung begleitet von großer innerer Ruhe durchführen kann. Sie hilft auch beim schnelleren Einschlafen und besseren Durchschlafen. (Drei Tipps aus: BesserSiegmund/Siegmund, 2010)
6.4
Ziele visualisieren
Wählen Sie Ihre Ziele so, dass sie den SMART-Kriterien (siehe Kapitel 2) entsprechen: spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch, terminiert. Bedenken Sie bei Ihrem schriftlichen Plan zur Zielerreichung auch die Nebenwirkungen, Risiken und Preise (NRP) Ihrer neuen Ziele, damit der innere Schweinhund keine Chance bekommt (siehe Kapitel 2). Formulieren Sie Ihre Ziele und Motivationssätze stets gehirngerecht, das heißt positiv. Ihr Gehirn kann das Wort NICHT nämlich nicht denken!
Der gehirngerechte Erfolgsfilm
Um Ihr neues Ziel fest in der Vorstellung und vermutlich auch im Unterbewusstsein zu etablieren, gibt es eine wirkungsvolle Selbst-Coaching-Technik: Drehen Sie einen gehirngerechten Erfolgsfilm (Besser-Siegmund/Siegmund 2003). Das geht so: Denken Sie an einen beruflichen oder persönlichen Erfolg, den Sie künftig erreichen wollen. Stellen Sie sich das Ziel positiv vor, ohne jegliche Negationen! Hat das Ziel eine Farbe, einen Ton, ein Geräusch? Welches Körpergefühl verbindet Sie mit dem Ziel? Denken Sie danach bitte an die Schwierigkeiten, die mit dem Erreichen des Zieles verbunden sind. Welche Hürden müssen Sie noch nehmen? Wie können Sie das erfolgreich schaffen? 184
Kritische Situationen meistern
Jetzt kommt wieder ein Trick: Stellen Sie sich das Ziel bitte in leuchtenden Farben vor, die Schwierigkeiten dagegen in Schwarzweiß. Spielen Sie in Gedanken auch noch mit den Größenverhältnissen: Stellen Sie sich das Ziel ganz groß vor, die Schwierigkeiten lassen Sie dagegen kontinuierlich schrumpfen. Die Übung ist dann erfolgreich, wenn das Ziel der absolute Star in Ihrem gehirngerechten Erfolgsfilm geworden ist! Alternative Erfolgsfilme: Stellen Sie sich vor, wie schön es sein wird, wenn Sie Ihr Ziel erreicht haben – wie Sie und andere um Sie herum aussehen und wie es sich anhört und anfühlt. Holen Sie sich Anregungen, indem Sie sich genau vorstellen, wie Ihr ideales Rollenvorbild den Weg zu Ihrem Ziel erreichen würde.
6.5
Kritische Situationen meistern
Erinnern Sie sich noch an den James-Bond-Trick? (Kapitel 4) »Mein Name ist Bond, James Bond«. Am Ende dieser Begrüßung senkt Bond gezielt die Stimme. Mit diesem Stimme-Absenken signalisieren Sie sich und anderen Selbstvertrauen. Der »Trick« ist einfach, aber sehr wirkungsvoll in Prüfungen, bei Präsentationen, Einstellungsgesprächen und überall dort, wo Sie selbstbewusst auftreten müssen. Üben Sie in kniffligen Situationen mit unerwartetem Ausgang die A-B-C-Technik (siehe Kapitel 4): An der Aktion können Sie meist nichts ändern, die Bewertung und Ihr innerer Dialog liegen aber ganz in Ihrer Hand!
Den inneren Dialog kontrollieren
Leider reden wir uns in brenzligen Situationen manchmal selbst in Panik und verschlimmern damit die Situation unnötig. Die wirkungsvollste Gegenmaßnahme ist, Ihren inneren Dialog zu kontrollieren: Sprechen Sie wohlwollend und motivierend mit sich – so wie es ein guter Freund tun würde (siehe Kapitel 4). Sich das für das nächste Mal vorzunehmen – das allein nützt nichts. Auch das Führen des »inneren Dialogs« müssen Sie regelrecht trainieren. Am einfachsten geht das, wenn Sie sich vorher einen Leitsatz (Glaubenssatz) beziehungsweise eine Grund185
Selbst-Coaching
überzeugung für kritische Situationen überlegen. Das können Sätze sein wie: »Du schaffst das!«, »Schritt für Schritt werde ich diese Herausforderung meistern« oder »Letztlich werde ich mich durchsetzten«. Suchen Sie sich einen Satz, der wirklich zu Ihnen passt. Außerdem sollte er natürlich gehirngerecht positiv formuliert sein, also keine Verneinungen enthalten. Nach dem Vorbild James Bond können Sie natürlich auch an der Stimmlage Ihrer inneren Stimme arbeiten. Wie klingt Sie eigentlich in kritischen Situationen: aufgeregt und hektisch oder beruhigend und selbstsicher? Auch das können Sie trainieren.
Der Helikopter-Blick
Das Hauptproblem in kritischen Situationen wie schwierigen Verhandlungen oder Mitarbeitergesprächen ist häufig, dass uns der Überblick verlorengeht. Wir verbohren uns im Gesprächsverlauf in Details und verlieren den Blick für das große Ganze oder wir sind emotional so engagiert, dass wir gar keine neutrale Sicht der Dinge mehr haben. In beiden Fällen hilft es, in der Vorstellung aus der Situation herauszugehen und sich die Lage einmal von oben aus der Vogelperspektive anzuschauen (Besser-Siegmund/Siegmund 2003): Steigen Sie in Ihrer Fantasie in einen Hubschrauber und verschaffen Sie sich einen Überblick von der Situation. Beobachten Sie aus dieser Perspektive die einzelnen Personen der Runde. Was denken sie gerade, was fühlen sie, was sind ihre Motive? Worum geht es in der Situation eigentlich wirklich? Schauen Sie sich von oben sozusagen selbst über die Schulter, wie Sie in dieser verfahrenen Situation wirklich souverän reagieren könnten. Etablieren Sie einen Anker, der sie künftig daran erinnert, den Überblick zu behalten.
Die Kino-Brille
Die Kino-Brille ist eine Variante des Helikopter-Blicks und hat das gleiche Ziel: wohltuende Distanz zur Situation zu gewinnen. Egal ob Uni, Agentur, Versicherung oder Vorstand, jeder kennt sie und hat sie schon mal erlebt: stressige und langweilige Sitzungen mit nervigen Kollegen. Das Schlimmste, was Sie machen können, ist ebenfalls genervt zu reagieren. Damit setzen Sie nämlich Ihre Souveränität und Ausstrahlung aufs Spiel. Mit diesem kleinen Trick überstehen Sie selbst 186
Mentale Topform
die schlimmsten Meetings: Setzen Sie sich einfach die Kino-Brille auf (BesserSiegmund/Siegmund 2003). Stellen Sie sich vor, Sie seien ein berühmter Filmregisseur und sollen Drehbuchstoff für Ihren neuen Film sammeln: eine fiktive Satire über Vorstandssitzungen, eine Dokumentation über die langweiligsten Menschen der Welt oder einen »Action-Knaller« über den Büroalltag. Serien wie »Stromberg« oder die Klassiker von Loriot bieten auf diesem Feld viele Anregungen. Achten Sie unbedingt darauf, nach außen natürlich einen respektvollen Eindruck zu hinterlassen. Die Spezial-Brille soll Ihnen ja nur bei Ihrem persönlichen Wohlergehen helfen.
6.6
Mentale Topform
Moment of Excellence
Um in kritischen und stressigen Situationen wirklich mental fit zu sein und die persönliche Höchstleistung abrufen zu können, gibt es eine wirkungsvolle Technik: Stellen Sie sich Ihren stärksten Moment, den »Moment of Excellence« vor und ankern diesen, damit sie die Kraft und Vitalität jederzeit abrufen können. Stellen Sie sich für die Übung vor einen Spiegel. Denken Sie jetzt an eine Situation, in der Sie in einer sehr guten Verfassung gewesen sind: Sie waren besonders eloquent, schlagfertig, überzeugend, inhaltlich brilliant, konzentriert oder einfach nur charmant. Versetzen Sie sich in diesen »Moment of Excellence«. Was haben Sie gefühlt, gesehen, gehört, gerochen, geschmeckt? Nehmen Sie die Körperhaltung von damals ein und erzählen Sie sich vor dem Spiegel dieses Erlebnis. Fällt Ihnen dabei an sich selbst eine typische Handbewegung, eine Kopfhaltung, Mimik oder sonstige Geste auf? Wenn ja, wäre das ein perfekter Anker, mit dem Sie dieses tolle Gefühl jederzeit wieder hervorrufen können.
Ankern
Ankern gilt als eine der wirkungsvollsten Grundtechniken aus dem Neurolinguistischen Programmieren (NLP). Es ist die mentale Verknüpfung eines Reizes mit 187
Selbst-Coaching
einer Befindlichkeit, Stimmung oder Verhaltensweise. Beim Ankern handelt es sich um eine mentale Konditionierung. Wir verknüpfen zum Beispiel das Zusammenpressen unseres Daumens und Mittelfingers mit dem Gefühl von Frische und Vitalität. Es ist immer wieder erstaunlich, dass wir mit diesem »Ankern« gezielt ein Gefühl und Befinden aktivieren können – aber es funktioniert. Sie müssen es vorher nur häufig genug und intensiv trainieren. Probieren Sie es mal mit verschiedenen Gesten und Gefühlen aus. Sie werden erstaunt sein, wie gut es nach etwas Training klappt. Die Beschreibung des detaillierten Prozess-Ablaufs finden Sie in Kapitel 4.
6.7
Veränderungen umsetzen
Mein Zukunfts-Ich
Denken Sie sich ein wichtiges Ziel. Visualisieren Sie eine erfolgreiche Zielsituation, in der Ihr »Zukunfts-Ich« die Hauptrolle spielt. Drehen Sie in Gedanken einen möglichst realistischen Film von Ihrem Zukunfts-Ich (Besser-Siegmund/ Siegmund 2003). Achten Sie dabei darauf, dass sich der Hauptdarsteller (also Sie) wirklich wohl fühlt. Es soll ihm richtig gut gehen! Jetzt machen Sie die »Zukunfts-Probefahrt«: Verschmelzen Sie sich in der Vorstellung mit Ihrem Zukunfts-Ich. Danach kehren Sie wieder in die Gegenwart zurück. Heben Sie die rechte Hand und betrachten Sie abwechselnd die Hand und das Zukunfts-Ich. Immer, wenn Ihr Blick ab jetzt auf die Hand fällt, wissen Sie auch in der Gegenwart, wofür Sie sich so anstrengen und spüren eine positive Zielenergie. Beides, Hand und Zukunfts-Ich, sind jetzt fest miteinander verankert.
Das Helden-Modeling
In der Realität nehmen wir uns häufig andere Menschen als Vorbilder. Und das ist auch eine erfolgreiche Strategie in der eigenen Vorstellung. Sicherlich kennen Sie einen Freund oder Kollegen, von dem Sie etwas lernen können. Sie oder er sind besonders schlagfertig, lässig, konzentriert und sachlich oder haben sehr viel Ausstrahlung. Diese Person wird ihr »Held« im Mentaltraining. 188
Veränderungen umsetzen
Stellen Sie sich eine Situation vor, die Ihnen Schwierigkeiten bereitet. Stellen Sie sich jetzt vor, wie Ihr Held die gleiche Situation meistern würde. Was sagt Ihr Held? Wie klingt seine Stimme? Welche Körperhaltung nimmt er dabei ein? Mit welcher Strategie meistert der Held die Situation? Stellen Sie sich jetzt vor, Sie schlüpfen – ähnlich wie in ein Supermann-Kostüm – in die Person Ihres Helden. Wie fühlt sich die neue Rolle an? Was ist anders, was ist der Unterschied zu Ihrem eigenen Auftreten? In der nächsten schwierigen Situation in der Realität können Sie sich fragen: »Wie würde mein Held jetzt reagieren?«
Die Erfolgsbilder-Galerie
Diese von Cora Besser-Siegmund entwickelte Technik habe ich bereits am Beispiel Golf vorgestellt (Kapitel 5). Aber sie funktioniert natürlich auch mit allen anderen Themen. Grundlage der Erfolgsbilder-Galerie ist die Arbeit mit dem imaginären Zeitstrahl – während Sie eines der WingWave-Selbst-Coaching-Instrumente nutzen: Stellen Sie sich diesen Zeitstrahl als Linie vor, links liegt vermutlich Ihre Vergangenheit, rechts die Zukunft und in der Mitte befindet sich die Gegenwart. Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
Klient
Abb. 24: Bild 1 der »Erfolgsbilder-Galerie«
Stellen Sie sich jetzt eine ungünstig verlaufene Situation vor, beispielsweise einen Konflikt mit einem Mitarbeiter oder einen missratenen Bunkerschlag beim Golf. Durch die künstlich erzeugten REM-Phasen wird der Stress, den die innere Vorstellung der kritischen Situation macht, bereits »runterreguliert«. Stellen Sie sich jetzt – ähnlich wie am Computer – links in der Vergangenheit ein Papierkorb-Symbol vor und werfen Sie die schlecht gelaufene Situation wie am PC mit der Maus sinnbildlich in diese fiktive Mülltonne. Löschen Sie danach den Papierkorb samt Inhalt. 189
Selbst-Coaching
Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
Klient
Abb. 25: Bild 2 der »Erfolgsbilder-Galerie«
Jetzt erinnern Sie sich an eine positive Situation aus dem Berufleben, Alltag oder Sport, in der Sie vorbildlich und souverän reagiert haben. Malen Sie sich in Gedanken diese Szene richtig schön aus: in den tollsten Farben, verbunden mit einem wohligen Körpergefühl und mit herrlichsten Tönen. WingWaveSelbst-Coaching kann diesen Effekt noch deutlich verstärken. Sie können sich auch einen hübschen Bilderrahmen um diese schöne Szene denken. Diese positiven Bilder platzieren Sie links in der Vergangenheit. Wiederholen Sie dies mit weiteren positiven Erinnerungen.
Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
Klient
Abb. 26: Bild 3 der »Erfolgsbilder-Galerie«
Nun erstellen Sie sich in Gedanken eine Kopie dieser Erfolgbilder und projizieren diese auf dem gedachten Zeitstrahl in die Zukunft, also nach ganz rechts. Dort legen Sie die Erfolgsbilder ab.
190
Emotionsmanagement
Vergangenheit
Gegenwart
Zukunft
Klient
Abb. 27: Bild 4 der »Erfolgsbilder-Galerie«
Dieser Prozess muss häufig wiederholt und geübt werden, damit er sich wirklich einprägt und entsprechende neuronale Bahnen angelegt werden. Direkt vor der nächsten schwierigen Situation können Sie zur Stärkung in Gedanken auf Ihrem Zeitstrahl abwechselnd nach links und nach rechts schauen und sich noch einmal die dort abgelegten gelungenen Parade-Auftritte anschauen. Das gibt mentale Kraft für die neue Herausforderung.
6.8
Emotionsmanagement
Die interne Konferenz
Zwei Seelen schlagen in meiner Brust – viele kennen diese oder ähnliche Vorstellungen. Die zwei Seelen können sein: der vorsichtige Rechner und der Draufgänger oder der kühle Taktiker und das wütende Rumpelstilzchen und viele andere Gegensätze. Sicherlich haben Sie auch schon einmal Bekanntschaft mit Ihrem inneren Schweinehund gemacht. Diese Figuren sind alle Teil Ihrer Persönlichkeit. Bei dieser Übung arbeiten wir aktiv mit den Persönlichkeitsteilen – wir bitten sie zur »internen Konferenz« (Besser-Siegmund/Siegmund 2003): Denken Sie an eine Situation, in der Sie mit Ihrer emotionalen Reaktion unzufrieden waren: Sie waren zu ängstlich, zu angespannt, zu ärgerlich oder etwa zu frustriert. Geben Sie diesem Gefühl eine Gestalt. Diese sollte möglichst fantasievoll sein, also zum Beispiel ein Tier, eine Comicfigur, eine Romange191
Selbst-Coaching
stalt oder eine Schauspieler-Legende. Wie verkörpert diese Figur Ihren emotionalen Zustand am anschaulichsten? Der innere Schweinehund liegt etwa faul im Bett und gähnt. Nehmen Sie in der Vorstellung Kontakt mit dem inneren Schweinehund auf. Fragen Sie ihn, warum er den ganzen Tag im Bett liegt. Warum geht er nicht einfach mal joggen? Diese Übung macht deutlich: Auch der innere Schweinehund ist Teil Ihrer Persönlichkeit. Sie sollten ihn nicht bekämpfen, sondern sich mit ihm anfreunden. Vielleicht hat seine Faulheit und Schläfrigkeit ja auch eine ganze wichtige Funktion für Sie? Vielleicht verrät er Ihnen in der internen Konferenz, dass eine »positive Absicht« hinter seinem für Sie unerwünschten Verhalten liegt. Dann können Sie andere, günstigere Wege und Maßnahmen entwickeln, um die positive Absicht dahinter sicherzustellen.
6.9
Abschalten und erholsam schlafen
Das Gedankenmobil
In stressigen Situationen im Job, zum Beispiel direkt vor wichtigen Prüfungen, Reden, Präsentationen, Verhandlungen oder Mitarbeitergesprächen haben viele das Problem, dass sie nicht gut einschlafen beziehungsweise durchschlafen können. Ihnen gehen noch so viele Gedanken durch den Kopf. Kreieren Sie in Ihrer Vorstellung ein Gedankenmobil (Besser-Siegmund/Siegmund 2003). Das kann ein Heißluftballon sein, ein Zeppelin oder ein verrücktes Raumschiff. Ihrer Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Begeben Sie sich in oder auf Ihr Gedankenmobil und setzen Sie es mental in Bewegung. Fahren Sie nun mit Ihrem Gedankenmobil Ihre Gedankenwelt gründlich ab. Verdrängen Sie die Gedanken nicht, dass hätte sowieso keinen Sinn. Sondern fliegen Sie um die Gedanken herum, umkreisen Sie sie einfach in der Vorstellung. Wichtig ist, dass das Gedankenmobil immer in Bewegung bleibt. Nach kurzer Zeit spüren Sie schon den beruhigenden Effekt. Sie gleiten in eine Traumwelt oder ein angenehmes Ruheerlebnis hinein. Diese Übung können Sie mit »Augenturnen« beginnen und natürlich auch beim Hören von WingWave-Musik durchführen. Und grundsätzlich hilft es, neben dem Bett Block und Stift bereitzuhalten, mit denen Sie Ideen schnell aufschreiben und auf diese Weise gut »loslassen« können. 192
Interviews 6 Prof. Dr. Björn Bloching –»Scheitern ist nicht vorgesehen« Prof. Dr. Björn Bloching, Partner and Head of Marketing & Sales, Roland Berger In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Ich unterscheide zwischen Marathon und Sprint. Die Marathon-Leistung ist, dass ich seit 15 Jahren diesen Job bei Roland Berger habe, ohne aufgefressen zu werden. Dabei meine vielfältigen Interessen pflege und eine gute Partnerschaft führe. Die Sprint-Höchstleistungen sind sehr unterschiedlich. Oftmals geht es darum, Menschen zu inspirieren, sie in relativ kurzer Zeit auf neue, ungewohnte Ideen zu bringen. Ein wichtiges Hilfsmittel ist eine einfache, pointierte Sprache. Dass ich dabei häufig eine kontroverse Position vertrete, hat meiner Karriere nicht geschadet – ganz im Gegenteil. Was waren Ihre persönlichen Highlights? Da kommen im Laufe der Zeit natürlich einige zusammen. Beruflich fallen mir spontan vor allem erfolgreiche Angebotspräsentationen und besondere Vorträge ein: Ein Highlight war sicher eine wichtige Rede in Bremen – mein Vorredner war Ex-Bundespräsident Roman Herzog – für die ich mein eigenes Richtfest vorzeitig verlassen musste, mich in der Zugtoilette in den Smoking gezwängt habe und dann mit hängender Zunge gewissermaßen im Feindesland der Oberen Rathaushalle vor der Bremischen Gesellschaft sprechen durfte. Ein weiteres Highlight als überzeugter Hamburger war sicher eine Rede im Übersee-Club. Eine sportliche Höchstleistung, nicht zur Nachahmung empfohlen, war mit einer starken Muskelverhärtung einen Marathon zu starten und diesen mit starken Schmerzen – aber recht guter Zeit – bis ins Ziel zu laufen. Wie bereiten Sie sich auf Höchstleistungen vor? Im Sport natürlich mit intensivem Training, im Job schaffe ich mir die nötigen Freiräume und überlege, mit welcher Strategie ich den größten Effekt erzielen kann. Hier kann durchaus gelten: »If you cannot win the game, change the rules«. 193
Interviews 6
Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Das Wichtigste ist mir, dabei Spaß zu haben. Ich habe eigentlich nie Angst, sondern empfinde Gelassenheit. In wichtigen Situationen verlasse ich mich auf meinen Spieltrieb, auf Neugierde und Erfahrung. Oft entstehen dann neue gedankliche Verknüpfungen oder Problemlösungen, und bei Reden meist lustige und persönliche Einstiege. Positive Resonanz spornt mich dann zusätzlich an. Was ist eine wichtige Grundüberzeugungen von Ihnen in Höchstleistungssituationen? Es wird schon – scheitern ist nicht vorgesehen. Wie motivieren Sie sich zu Höchstleistungen? Ich bin ein grundoptimistischer, intrinsisch motivierter Mensch. Insofern ist große zusätzliche Motivation gar nicht nötig. Aber wie schon gesagt: Positive Resonanz verstärkt den Effekt. Wie erreichen Sie große Ziele? Indem ich die »Big Points«, also die Anlässe, bei denen es darauf ankommt, so ausgestalte, dass sie gut zu meinen persönlichen Stärken passen. Das hat dann eben oftmals mit Kreativität und Inspirationsvermögen zu tun. Im Tagesgeschäft bin ich flexibel und kann auch mal fünfe gerade sein lassen. Das wissen auch meine Mitarbeiter. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Die nehme ich mir sehr zu Herzen! Ich bin dann emotional betroffen, bisweilen sogar launisch. Aber ich gebe mich nicht geschlagen: In schwierigen Situationen interveniere ich lieber solange, bis ich Kunden oder Kollegen überzeugt habe – und sie mir und meinen Ideen folgen.
Dr. Katarzyna Mol – »Spontan bin ich einfach besser!« Dr. Katarzyna Mol, Verlegerin, Geschäftsführerin Inspiring Network GmbH & Co KG Emotion Verlag. Davor unter anderem Verlagsleiterin bei Gruner + Jahr für die Zeitschrift Emotion.
194
Dr. Katarzyna Mol – »Spontan bin ich einfach besser!«
In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie Höchstleistungen erbringen? Meine größten Herausforderungen in letzter Zeit waren: 1. Die Gespräche im Rahmen des Management Buy Outs mit dem Vorstand unseres früheren Verlages Gruner + Jahr und seinem Finanzchef. 2. Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat über die Abfindungen der ehemaligen Mitarbeiter. Es war schwierig, trotz des offensichtlichen Verhandlungspokers ruhig und sachlich zu bleiben. 3. Die Verhandlungen mit Banken und neuen Investoren, da ging es um entscheidende Weichenstellungen wie Anteile und Konditionen. Fällt Ihnen das Präsentieren schwer? Präsentationen fand ich früher schwierig. Aber das lag daran, dass ich mich falsch vorbereitet habe, eigentlich übervorbereitet war und zuwenig auf meine Spontaneität vertraut habe. Wie haben Sie gemerkt, dass das nicht der richtige Weg war? Da ich ein impulsiver, spontaner Typ bin, habe ich mich mit dem Vorbereiteten ab und zu verheddert. Spontan bin ich einfach besser! Wie bereiten Sie sich jetzt vor? In den Zahlen kenne ich mich ohnehin sehr gut aus. Ich brauche Klarheit über meine Meinungen und Haltungen zu bestimmen Themen. Das reicht. Außerdem versuche ich möglichst kurz und präzise zu antworten. Wie kommen Sie mit dem Stress klar? Ich habe das große Glück von Natur aus große Energiespeicher zu haben. Mein Antrieb ist, unsere Leser, insbesondere Frauen, dabei zu unterstützen selbstbewusst und mutig ihren Weg zu gehen. Wenn mir eine Leserin schreibt, dass Emotion sie inspiriert hat, gibt mir das sehr viel Energie zurück! Was ist Ihr Rezept für Höchstleistungen? Ich glaube, man ist zu Höchstleistungen nur dann fähig, wenn man wirklich auf seinem Weg ist. Wenn man das macht, was einem liegt, was einen begeistert und herausfordert. Dann kann man auch in Stresssituationen Energie gewinnen. Ich versuche immer diesen Spaß und diese Freude zu finden. 195
Interviews 6
Gibt es etwas, dass Sie besser machen wollen? Ich habe mir vorgenommen, Erfolge in Zukunft mehr zu feiern. Einfach, um daraus Kraft zu tanken. Ich bin der Mensch, der das Erreichte gerne schnell abhakt und schon wieder nach vorne schaut – auf die nächste Baustelle. Haben Sie ein Motto? Ich glaube, dass man alles schaffen kann, wenn man es wirklich möchte. Wenn man sich selbst vertraut und dieses positive Gefühl spürt, überträgt man es auch auf andere. Nutzen Sie Rituale, um Kraft zu tanken? Mein Ritual ist das Fahrradfahren. Ich versuche jeden Morgen zur Arbeit, aber auch zu Terminen, möglichst oft mit dem Fahrrad zu fahren. Da tanke ich auf. Das tue ich auch beim Schwimmen. Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen um? Ich bespreche vieles mit meinem Partner und meiner Mutter. Woher kommt dieses enge Verhältnis zur Mutter? Sie ist mit mir zusammen aus Polen geflohen, als ich sieben Jahre alt war. Wir haben auch viele schlechte Zeiten gemeinsam durchgestanden. Dadurch gibt sie mir ein starkes Urvertrauen. Was sind Ihre Stärken? Ich gebe selten auf, kann andere für meine Ideen begeistern und dabei auch gut mit Kritik umgehen. Ich bin ganz selten persönlich getroffen. So kann ich neutral prüfen, was an der Kritik dran ist und sie positiv nutzen. Haben Sie im privaten Bereich Ziele? Ende 2011 sind zwei Jahre Aufbauzeit mit Emotion um. Danach will ich mehr Zeit für Kunst, Kultur und Sport aufwenden, da ich merke, dass ich das dringend zum Auftanken brauche. Und was sagt Ihr Partner zu Ihrer hohen Arbeitsbelastung? Er kennt mich und weiß, dass mich mein Job glücklich macht und dass ich die Herausforderung brauche. Dabei achten wir aber beide stets drauf, wenn möglich auch in der Woche, einen Partnerabend zusammen zu verbringen. Eine erfüllende Partnerschaft erleichtert es, im Job Höchstleistungen bringen zu können. 196
Dr. Helmar Rendez – »No risk, no fun«
Dr. Helmar Rendez – »No risk, no fun« Dr. Helmar Rendez, Vorsitzender der Geschäftsführung Vattenfall Europe Distribution GmbH. Er ist Head der BU Distribution der Vattenfall-Gruppe und verantwortlich für die Stromversorgung von sechs Millionen Kunden in Deutschland, Schweden, Finnland und Polen. Zuvor war er unter anderem Leiter des Berliner Büros der Kienbaum Unternehmensberatung GmbH. Was waren Ihre persönlichen situativen Höchstleistungen? Ich musste einmal spontan unseren Gesamt-Konzern-Chef Joseffson auf der Hannover-Messe vertreten und dabei auch »seinen« Vortrag halten. Eine weitere Höchstleistungssituation war, als ich herausfand, dass uns ein Mitarbeiter betrügt. Ich musste wirklich blitzschnell klären: Wie gehe ich damit um und was tue ich jetzt? Wie habe Sie es geschafft, unter diesem hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Dem Vortrag meines Konzern-Chefs habe ich zumindest meinen eigenen Stempel aufgesetzt: Mit einer etwas anderen Einleitung, einer Anekdote in der Mitte und einem Abbinder von mir. Beim Mitarbeiter-Betrug setzte ich alle Strategien ein, die sich für mich in Höchstleistungssituationen bewährt haben: Durch meine Erfahrung kann ich in kürzester Zeit Infoquellen anzapfen, Gegen-Checks machen und die Plausibilitäten überprüfen. Dabei hilft mir meine Fähigkeit zur strukturierten Analyse. Ich verbinde dabei aber auch Bauch und Kopf und wechsle zwischen Phasen hochgradiger Konzentration und des Wieder-Abstand-Nehmens. Benutzen Sie in Drucksituationen Rituale oder ein spezielles Motto? Ja, vor allem die 80-20-Regel. Dadurch akzeptiere ich, dass Perfektion nicht immer erreichbar ist. Der zusätzliche Aufwand, um 100 Prozent zu erreichen, steht oftmals in keinem Verhältnis zum zusätzlichen Erkenntnisgewinn. »No risk, no fun« ist mein Motto. Ohne Risiko gibt es keinen Erfolg. Wie erreichen Sie große Ziele? Um große Ziele zu erreichen, folge ich dem Motto »Sage, was du denkst und halte, was du versprichst«. Eine einmal eingegangene Position halte ich grundsätzlich aufrecht und werde dadurch als verlässlicher Partner angesehen. Außerdem 197
Interviews 6
habe ich ein gutes Netzwerk, das mich bei Zielen unterstützt. Zusätzlich nutze ich aktiv Coachings. Ich mache regelmäßig Review-Termine mit mir selbst und analysiere meine Schwächen, aber bewusst auch meine Stärken. Dazu nutze ich eine Technik, die sich SWOT-Analyse nennt und Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken gegenüberstellt. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Mit sich selbst ist man viel kritischer als das Umfeld. Diese Erkenntnis entlastet mich. Außerdem hole ich mir aktiv Feedback von anderen ein und bin offen für Kritik Sie spielen gerne Golf. Welche Höchstleistungfähigkeiten können Sie auf Ihren Beruf übertragen? Die mentale Strategie, mit der ich gute Golfschläge erinnere und abrufe, übertrage ich auch auf den Beruf. So kalibriere ich mich auf den Erfolg. Und wenn im Beruf mal ein paar »Schwünge« danebenliegen, weiß ich: Die guten kommen schon wieder.
198
7.
Die Erfolgsstrategien der »Highperformer«
Warum sind erfolgreiche Menschen so viel erfolgreicher als andere? Was haben diese sogenannten »Highperformer« drauf, was andere nicht können? Sind sie vielleicht im mentalen Bereich von Natur aus stärker als ihre Mitmenschen? Sind sie etwa durch glückliche Gene oder ein günstiges familiäres Umfeld zu »MentalGenies« geworden? Diese Fragen waren Ausgangspunkt für meine in diesem Buch versammelten Interviews mit 28 Highperformern aus den unterschiedlichsten Bereichen unserer Gesellschaft, unter ihnen: eine bekannte Fernseh-Moderatorin, ein ehemaliger Intendant eines großen Funk- und Fernsehhauses, ein prominenter Wissenschaftler, ein Top-Werber, ein Sternekoch, ein bekannter Start-up-Gründer, ein prominenter Politiker, ein Krisen- und Sicherheitsberater, ein erfolgreicher Firmensanierer, ein Vorstandsvorsitzender eines großen Medienhauses, eine Personalchefin, Profigolfer, Unternehmensberater, Vorstände und Geschäftsführer bekannter und erfolgreicher Unternehmen. Sie alle sind durch besondere Leistungen und eine besondere Leistungsfähigkeit aufgefallen und erfolgreich geworden. Was sind ihre Erfolgsstrategien? Vor allem interessierten natürlich die Fragen: »Wie gelingt es Ihnen immer wieder, diese Höchstleistungen auf den Punkt abzurufen? Was sind für Sie ganz persönlich die sogenannten Höchstleistungssituationen?«
7.1
Erfolgsfaktor Adrenalin
Eines fällt bei der Auswertung der Interviews sofort auf: Auf Stress und Druck reagieren sie anders, als die meisten Menschen. Situationen mit starkem äußeren Druck, in denen es »drauf ankommt«, bereiten vielen Leuten große Probleme: Sie fühlen sich blockiert und sind nicht so gut wie in einem entspannten Umfeld. An das Abrufen von Höchstleistungen ist dann gar nicht zu denken. Eher bekommen sie einen Blackout, als dass sie Bestleistungen zeigen. Nicht so die Highperformer: »Ich kann sehr gut mit Druck umgehen«, sagt XING-Gründer Lars Hin199
Die Erfolgsstrategien der »Highper former«
richs von sich. »Ich neige bei Nervosität nicht dazu auszuflippen, sondern werde dann immer ganz ruhig«, erzählt Sportstudio-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein, die Drucksituationen in nahezu jeder Sendung erlebt. Und auch das Auftreten und Reden vor großem Publikum, das uns »Normalos« den Angstschweiß auf die Handflächen treibt, scheinen einige Highperformer regelrecht zu genießen. »Ich habe das große Glück, dass ich mich vor wichtigen Reden nicht beruhigen muss«, verrät Dr. Bernd Buchholz. »Ich finde es sogar angenehm, das leichte Kribbeln, wenn das Adrenalin in den Körper schießt«, so der Vorstandsvorsitzende des Verlagshauses Gruner + Jahr über wichtige Auftritte, »das blockiert mich nicht, das finde ich sogar positiv.« Er sieht solche Auftritte als Herausforderung, als Chance, denn belastende negative Erfahrungen – wie etwa einen Blackout – hat er noch nicht erlebt. XING-Gründer Lars Hinrichs wird noch deutlicher: »Ich liebe es, vor 1.500 Zuhörern auf der Bühne zu stehen.« Während andere vor Stress erstarren, laufen Highperformer in Drucksituationen erst zur Höchstform auf. Das in solchen Drucksituationen in den Körper strömende Adrenalin scheint auf viele Highperformer wie eine positive »Droge«, wie ein Lebenselixier zu wirken. »Ein gewisser Druck ist förderlich – er setzt Energie frei und hilft, sich zu fokussieren«, bekennt Top-Werber André Kemper. Auch Airline-Sanierer Dr. Andreas Bierwirth liebt die Herausforderung: »Persönlich steigt gerade bei zunehmendem Gegenwind meine Form deutlich an«, sagt der jetzige Austrian-Airlines-Chef. In diesem Punkt ähneln sich Firmenchef und Spitzensportler: »Starker Druck spornt mich an«, sagt Golfprofi Sven Strüver. »Du musst das Kribbeln lieben, nur so kriegst du den Kick! Dafür hast du trainiert!«
7.2
Erfolgsfaktor Sport
Apropos. Intensives wettbewerbsorientiertes Sporttreiben und ganz besonders Leistungssport scheinen eine gute Schule zu sein, um mit Stress gut umgehen zu können und in Drucksituationen zu bestehen. »Durch das Leistungsrudern in meiner Jugend konnte ich immer gut Belastungen wegstecken und über die Schmerzgrenze hinausgehen«, verrät Joachim Paege, früher Personalleiter im Vattenfall-Konzern. Auch Dr. Bernd Buchholz hat in der Jugend Rudern als Leistungssport betrieben und nutzt einige Aspekte des Trainings noch heute. Karen Hochrein, gesamtverantwortliche Partnerin bei Ernst & Young für Personal (EMEIA), war früher Leistungsschwimmerin und hat intensiv Leichtathletik betrieben – bis zur Teilnahme an den Hamburger Meisterschaften. Sie sagt: »Die 200
Erfolgsfaktor Gute körperliche Verfassung
Fähigkeiten, sich zu konzentrieren und sehr diszipliniert zu arbeiten, nützen mir auch beruflich.« Wie sie nutzen viele der befragten Highperformer im Leistungssport erlernte Strategien auch für Höchstleistungen im Job. Sport bleibt auch im späteren Berufsleben ein wichtiger Erfolgsfaktor. Sport wird von den Befragten gezielt zum Stressabbau und Ausgleich eingesetzt: um runterzukommen, um sich nach kräftezehrenden Verhandlungen oder auch erlittenen Rückschlägen und Niederlagen wieder in Balance zu bringen – den Kopf wieder klar zu bekommen. So joggt TV-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein, wenn immer möglich, täglich eine Stunde mit Hund durch den Englischen Garten in München. Aber Sport wird auch zur Vorbereitung auf Höchstleistungssituationen eingesetzt: »Ich durchdenke viele Situationen beim Joggen und überlege mir dabei insbesondere, wie ich wann etwas kommunizieren will«, verrät AustrianAirlines-Chef Dr. Andreas Bierwirth. »Meine mentale Vorbereitung ist Laufen. Ich führe dabei Selbstgespräche und spiele taktische Varianten gedanklich durch, lege mir wichtige Strategien und Argumente zurecht«, präzisiert Burghard von Cramm, Geschäftsführer des Hamburger Übersee-Clubs. Diese Form der »laufenden Vorbereitung« nutzen viele Führungskräfte, denn sie hat noch einen weiteren Vorteil: Sie hält fit.
7.3
Erfolgsfaktor Gute körperliche Verfassung
Die enge Beziehung zwischen Sport und Berufsleben wird in den Interviews immer wieder deutlich: Die Vorbereitung eines Managers auf eine wichtige Präsentation ähnelt der eines Spitzensportlers auf einen wichtigen Wettkampf. »Wachheit und ein hohes Energielevel sind die Grundlage meiner Arbeit. Das heißt: viel Schlaf, Bewegung und eine gesunde Ernährung«, sagt André Kemper, Inhaber und Geschäftsführer der erfolgreichen Werbeagentur Kempertrautmann. Für Karen Hochrein, Partnerin bei der internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young, ist die Physis ein ganz wichtiger Eckpfeiler ihrer Höchstleistungsstrategie. Sie sorgt durch genügend Schlaf, gute Ernährung und regelmäßiges Joggen für eine gute körperliche Verfassung. Ein Punkt, den viele vor wichtigen Prüfungen, Auftritten oder Verhandlungen leider sträflich vernachlässigen. Eine gute körperliche Verfassung ist den meisten Top-Performern sehr wichtig. Übertreiben braucht man dabei jedoch nicht. »Früher habe ich immer gedacht: Vor einer Höchstleistung musst du super geschlafen haben, gut gefrühstückt, Stress vermeiden und lieber einen Flug früher nehmen – alles muss perfekt sein«, bekennt 201
Die Erfolgsstrategien der »Highper former«
Moritz von Laffert, Herausgeber und Geschäftsführer des Condé Nast Verlages (Vogue, Glamour) in Deutschland. »Dann habe ich gemerkt, dass das Blödsinn ist. In einer Situation, die volle Konzentration erfordert, sorgen Körper und Geist schon dafür, dass du voll da bist.« Etwas Lässigkeit kann natürlich nicht schaden, schließlich muss jeder individuell entscheiden, was die richtige körperliche und geistige Vorbereitung für ihn ist. Der prominente ehemalige Hamburger Bürgermeister Ole von Beust setzt auf ein altbewährtes Rezept: Ruhe. »Vor wichtigen Reden und Fernsehauftritten habe ich immer darauf geachtet, dass ich ein, zwei Stunden wirklich allein bin. Ich habe mich hingelegt und total abgeschaltet, geschlummert oder ein Buch gelesen«, so von Beust. Bei diesem Vorbereitungs-Ritual versuchte der damalige Bürgermeister belastende Dinge bewusst auszublenden. Erst kurz vor dem Termin hat er sich noch einmal angeschaut, was er sagen will.
7.4
Erfolgsfaktor Vorbereitung
Bei der Vorbereitung auf wichtige Termine und Verhandlungen agiert der XINGGründer Lars Hinrichs erstaunlich konservativ: »Ich setze auf eine extrem gute, schriftliche Vorbereitung.« Und mit dieser Einstellung ist er in bester Gesellschaft. »Das Bewusstsein, etwa bei Präsentationen von dem Thema in der Regel mehr zu wissen als die Zuhörer, gibt mir die nötige Gelassenheit«, sagt CondéNast-Chef Moritz von Laffert. »Das A und O ist eine perfekte Vorbereitung«, rät auch der bekannte Zukunftswissenschaftler Prof. Dr. Horst W. Opaschowski. »Ich fühle mich für alles verantwortlich, auch wenn ich es offiziell gar nicht bin. Für mich gilt das Null-Fehler-Prinzip.« Auch für TV-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein ist eine extrem gute Vorbereitung der Schlüssel für Höchstleistungen. »Ich brauche vor der Sendung das Gefühl: Ich habe alles getan! Dann läuft es meistens auch gut«, sagt sie. Mit zunehmender Job-Routine wird die intensive Vorbereitung natürlich bei vielen Führungskräften immer weniger wichtig. Auch die Anspannung vor kritischen Terminen oder öffentlichen Auftritten lässt naturgemäß deutlich nach. Viele gut gelaufene Termine stärken das Selbstvertrauen, dass es auch beim nächsten Mal klappen wird. Aber auf eine kurze mentale Einstimmung kurz vor dem Termin setzen viele Manager: »Ich nehme mir vorher Zeit, mich zu sammeln. Dabei überlege ich mir sehr genau: Was ist meine Botschaft? Wie, mit welchen Worten und mit welchem Ton, übermittle ich sie, dass sie auch bei meinem Gegenüber 202
Erfolgsfaktor Fokussierung
ankommt?«, sagt Dr. Hans Cornehl, Vorstand des Internet Lotterie-Anbieters Tipp24. Bei der Vorbereitung muss natürlich jeder seinen Stil finden. Die Verlegerin der Zeitschrift Emotion, Dr. Katarzyna Mol, gibt zu, dass sie sich früher falsch vorbereitet hat. Sie war übervorbereitet und hat zu wenig auf ihre Spontaneität vertraut. »Da ich ein impulsiver, spontaner Typ bin, habe ich mich mit dem Vorbereiteten ab und zu verheddert. Spontan bin ich einfach besser!«, sagt sie.
7.5
Erfolgsfaktor Fokussierung
Aber der entscheidende Punkt, der Highperformer wirklich auszeichnet und sie von »Normal-Performern« unterscheidet, ist ihre außergewöhnliche Konzentrationsfähigkeit: »Absolute Fokussierung auf das Projekt, eine hohe Konzentrationsfähigkeit«, verrät Agenturchef André Kemper sein Erfolgsgeheimnis. Diese Fähigkeiten verhalfen ihm zu einem der begehrten Plätze in der Hall of Fame, was bisher erst 25 Werbern überhaupt gelungen ist. »Ich kann mich auf wichtige Angelegenheiten vollständig konzentrieren und Routinearbeiten komplett delegieren«, sagt auch Ex-NDR-Intendant Jobst Plog von sich. »Sie können in besonderen Herausforderungen nicht wirklich gut sein, wenn Sie es nicht schaffen, die normalen Aufgaben arbeitsteilig zu erledigen.« Ein entscheidender Erfolgsfaktor war für Jobst Plog daher immer, ein exzellentes Team aufzubauen. Ein Weg zu Höchstleistungen ist also, sich absolut auf das Projekt zu konzentrieren und alles in dem Moment Zweitrangige beiseitezuschieben. Aber wie macht man das, wenn um einen herum das Chaos tobt – wie etwa beim Fernsehen kurz vor Sendebeginn, wenn »gefühlte 5.000 Menschen« einem etwas zurufen und auf einen einstürmen? »Ich bin dann schon so in einem Tunnel drin und konzentriere mich dermaßen auf die Sache, dass ich das Drumherum zwar noch aufnehme, aber nicht weiter verarbeiten muss. Das Unwichtige prallt ab, ich werde dann ganz ruhig«, beschreibt TV-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein den Moment absoluter Konzentration. Die Beschreibung der Sportmoderatorin ähnelt haargenau dem, was Spitzensportler als den »Tunnel« bezeichnen, die totale Konzentration und Versenkung vor dem entscheidenden Moment der Höchstleistung. Diese Form der Versenkung ist erlernbar und wird ganz gezielt trainiert. Golf-Head-Pro André Sallmann hat früher als Profigolfer auf der Challenge Tour zu ganz besonderen Strategien gegriffen: »Zur Beruhigung und zur Abschottung von allen externen Einflüssen habe ich teilweise mit geschlossenen Augen geput203
Die Erfolgsstrategien der »Highper former«
tet – manchmal auf allen 18 Bahnen.« Eine andere Fokussierungsstrategie hat Jan Van Riet, Geschäftsführer Melitta Haushaltsprodukte, bei seinem größten GolfFlow-Erlebnis angewandt: »Ich habe den Druck völlig ausgeblendet. Statt mir zu sagen: »Ich muss gewinnen« oder »Ich darf nicht verlieren« konzentrierte ich mich auf das gute und zuversichtliche Gefühl vom Einspielen.«
7.6
Erfolgsfaktor Motivation
Highperformer müssen nicht motiviert werden, denn sie sind motiviert. »Ich bin besonders gut, wenn ich Dinge tue, die ich liebe«, bringt es XING-Gründer Lars Hinrichs auf den Punkt. Das erinnert natürlich an die Arbeit von Prof. Steven Reiss (siehe Reiss-Profil, Kapitel 2). »Bevor Sie neue Ziele angehen, verschaffen Sie sich erst einmal Klarheit über Ihre inneren Motive. Und wenn Sie sich nach denen ausrichten, sind Sie motivierter und erfolgreicher«, rät der US-Wissenschaftler. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Poco-Domäne-Holding, Peter Pohlmann, formuliert es auf seine Weise: »Die entscheidende Frage ist: Wofür würde man sich krummlegen und wofür würde man Entbehrungen ertragen? Und darauf sollte man sich konzentrieren und sein System perfektionieren.« Die befragten Highperformer sind durchgängig nicht von außen, sondern durch eigene Ziele und Antriebe motiviert. Intrinsische Motivation nennt man das in der Forschung. »Die Sichtweisen von Menschen zu verändern, das macht mir Spaß!«, verrät Gruner + Jahr-Lenker Dr. Bernd Buchholz. Jobst Plog suchte sich sowohl als Anwalt und später auch als Intendant bevorzugt aussichtslose Fälle – die besondere Herausforderung als Motivationskick. Ja, die Aussicht auf den »ultimativen Kick« spielt bei vielen Highperformern natürlich auch eine große Rolle. Jede Herausforderung, jede Rede vor großem Publikum, jede schwierige Verhandlung birgt natürlich auch die Chance, dass Adrenalin durch den Körper schießt und dieses attraktive Kribbeln auslöst und Höchstleistungen fördert. Das gilt natürlich auch für Konflikte und Kontroversen, die viele als sehr belastend empfinden. »Aber für mich waren sie in aller Regel kein Stress, sondern eher eine sportliche Herausforderung«, sagt Jobst Plog Jeder, aber wirklich jeder der Interviewpartner motiviert sich durch glasklare Ziele. »Ich habe ein einfaches Ziel, das ich mir recht gut merken kann: Ich will die Nummer eins sein, ich will gewinnen. Jede neue Herausforderung bedeutet für mich: Sieg oder Niederlage«, sagt Agentur-Chef André Kemper selbstbewusst. Aber die Ziele sind im Kopf, kaum einer schreibt sie auf. Die Schriftlichkeit der 204
Erfolgsfaktor Selbstvertrauen
Ziele ist bei dieser Zielgruppe scheinbar weniger erfolgskritisch. »Ich weiß ja, was meine Ziele sind – ich wache mit ihnen auf und gehe mit ihnen ins Bett. Es rattert dann bei mir im Kopf den ganzen Tag«, erklärt Verlags-Chef Moritz von Laffert. Er überlegt ständig, wie er die Chancen, seine Ziele zu erreichen noch um ein Prozent steigern kann. Wer genau so tickt wie von Laffert, braucht keine schriftliche Zielvereinbarung mit sich selbst und auch kein schriftliches Ziel-Controlling. Wer jedoch Zweifel hat, ob er eine derart konsequente Selbstmotivation durchhält – und das dürfte für sehr viele Menschen gelten – sollte lieber auf die in Kapitel 3.3 empfohlenen Tipps zurückgreifen.
7.7
Erfolgsfaktor Selbstvertrauen
Highperformer haben ein starkes Selbstbewusstsein und ein hohes Selbstvertrauen, sonst wären sie vermutlich auch nicht so erfolgreich. Das ist bei einigen sicher Veranlagung. »Ich bin an vieles im Leben sehr unbekümmert herangegangen«, sagt Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein von sich. Ex-Bürgermeister Ole von Beust vertraut auf seine Intuition. »Ich kann das und ich schaffe das schon«, so lautet die Grundüberzeugung von Krisen- und Sicherheitsberater Jan Kestner, die er sich in kritischen Situationen vergegenwärtigt. »Meine Stärke ist eine Mischung aus Instinkt und kaufmännischer Erfahrung«, sagt der ehemalige Hamburger Wirtschaftssenator Ian Karan. Bei anderen ist das Selbstbewusstsein das Ergebnis vieler erfolgreich gemeisterter Herausforderungen. Wer noch nie einen selbst verschuldeten Ausfall erlebt hat, kann beruhigt auf sich selbst vertrauen. »Es wird schon – Scheitern ist nicht vorgesehen«, lautet die Grundüberzeugung von Unternehmensberater Prof. Dr. Björn Bloching. Wer selbstbewusst ist, setzt sich bewusst der Kritik anderer aus. Natürlich mit dem Ziel, besser zu werden. »Ich lasse mir von jeder Veranstaltung ein Feedback geben«, verrät Dr. Bernd Buchholz eines seiner Erfolgsrezepte. Und wer wirklich selbstbewusst ist, der beweist in schwierigen Situationen Mut zum Risiko. »Ohne Risiko gibt es keinen Erfolg«, weiß Dr. Helmar Rendez, Vorsitzender der Geschäftsführung der Vattenfall Europe Distribution. »No risk, no fun« heißt daher sein Motto. Aber das kann auch mal schiefgehen. »In der chinesischen Sprache gibt es nur ein Schriftzeichen für Chance und Krise. Das liegt also nahe beieinander«, mahnt Prof. Dr. W. Horst Opaschowski. 205
Die Erfolgsstrategien der »Highper former«
7.8
Erfolgsfaktor Umgang mit Niederlagen
Natürlich machen auch sehr Erfolgreiche Fehler, und sie erleben genau wie jeder andere Rückschläge und Niederlagen. Interessant ist, wie sie damit umgehen. »Fehler nenne ich beim ersten Mal ›Lernerfahrung‹. Erst bei der Wiederholung ist es ein Fehler«, erklärt Internet-Unternehmer Lars Hinrichs seine unkonventionelle Sichtweise. Er akzeptiert, dass Fehler einfach passieren. Aber nicht jeder geht so gnädig mit seinen Niederlagen um. »Die nehme ich mir sehr zu Herzen«, offenbart Prof. Dr. Björn Bloching, Partner and Head of Marketing & Sales bei Roland Berger. »Aber ich gebe mich nicht geschlagen: In schwierigen Situationen interveniere ich lieber solange, bis ich Kunden oder Kollegen überzeugt habe – und sie mir und meinen Ideen folgen.« Den meisten Highperformern gelingt es aber, Niederlagen schnell abzuhaken. »Ich kann aus Niederlagen immer auch etwas Positives ziehen und bin schnell wieder handlungsfähig«, berichtet Prof. Dr. Heinz Knebel, früher Leiter Einkauf/Materialwirtschaft im VattenfallKonzern und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Consulectra. Ähnlich betrachtet es auch Dr. Henrik Naujoks, Partner und Director der Beratungsgesellschaft Bain & Company: »Wenn etwas schiefläuft oder anders als geplant, frage ich mich: ‚Okay, was kann man daraus jetzt machen?‹« Verlagschef Moritz von Laffert verfolgt eine andere raffinierte Strategie: Er kalkuliert die Möglichkeit der Niederlage gleich mit ein. Er sagt sich: ›Okay, zu 90 Prozent werde ich siegen, zu 10 Prozent vielleicht verlieren. Wenn ich dann verliere, dann ist es halt so.« Dr. Helmar Rendez, Vorsitzender der Geschäftsführung von Vattenfall Europe, ist sogar noch etwas netter zu sich: Er benutzt die 80-20-Regel: »Dadurch akzeptiere ich, dass Perfektion nicht immer erreichbar ist.« Und Profigolferin Martina Eberl tröstet sich mit einer positiven Einstellung: »Hilfreich beim Umgang mit Niederlagen ist für mich der Gedanke: Alles was passiert, hat einen Grund!« Werber André Kemper sieht es pragmatisch: »Erfolge sind gut fürs Selbstbewusstsein. Niederlagen sind gut, um besser zu werden.«
7.9
Erfolgsfaktor Haltung und Werte
Für viele Interviewpartner spielen sowohl beim Erzielen von Höchstleistungen, als auch beim Umgang mit Niederlagen traditionelle Tugenden wie Haltung und Werte ein große Rolle. »In ›schiefen‹ Umfeldern hilft eine gerade Haltung«, sagt Tipp24-Vorstand Dr. Hans Cornehl. »Nur die Linie, von der ich persönlich über206
Fazit
zeugt bin, kann ich nicht nur selbst durchhalten, sondern auch nachhaltig durchsetzen.« Diese Haltung bewährt sich in schwierigen Mitarbeiter-Gesprächen: »Pflichtbewusstsein, Fairness, Aufrichtigkeit, Authentizität sind mir wichtig und das wird auch so wahrgenommen«, so Cornehl. Auch Hamburgs Ex-Bürgermeister Ole von Beust, der in der »Schill-Affäre« nicht nur politisch, sondern auch ganz persönlich scharf attackiert wurde, durchsteht solche schweren Krisen mit einem soliden Werte-Fundament. Für ihn ist wichtig: »Eine Haltung zu haben, die von der konkreten Entscheidung losgelöst ist.« »Ich versuche nicht zu lügen«, sagt der CDU-Politiker. »Was andere über mich sagen, ist mir egal«, ist eine weitere Haltung des wertegetriebenen Hamburgers. Von Beust: »Status war mir zum Glück immer egal. Dafür bin ich meinen Eltern dankbar, dass sie mich so erzogen haben. Wer kein Statusdenken hat, ist viel freier in seinen Entscheidungen.« Aber auch in ganz anderen Bereichen hilft eine klare innere Haltung: »Ich stehe mit meinem Namen für Top-Leistung«, erklärt Sternekoch Holger Bodendorf sein Wertesystem. »In einer Welt, in der nur noch halb zugehört wird, ist es mir wichtig, richtig zuzuhören und dadurch anderen zu helfen«, so Golflehrer Christoph Frass. Aber das Thema, das den meisten Highperformern Halt gibt, nennt UBS-Deutschland-Vice Chairman Rainer Heydenreich: »Familie ist für mich der höchste Wert!«
7.10 Fazit Es ist nicht ganz auszuschließen, dass sich der eine oder andere Highperformer in den Interviews etwas positiver und abgeklärter präsentiert hat, als er im »wahren Leben« agiert. Auf der anderen Seite war ich von der Offenheit und Ehrlichkeit vieler Antworten überrascht. Einige Interviewpartner gestatteten tiefe Einblicke in ihr Seelenleben. Das hatte ich in dieser Form gar nicht erwartet. Den Aussagen einiger Führungskräfte merkte man an, dass sie Kontakt mit externen Coaches hatten. Aber das ist auf dieser Ebene üblich und natürlich legitim und wünschenswert. Insgesamt ergibt sich aus allen 28 Interviews, bei allen individuellen Unterschieden, ein erstaunlich stimmiges Gesamtbild: Es wird deutlich, weshalb diese Highperformer in ihren Bereichen so erfolgreich sind oder waren: Sie sind von Natur aus »Mental-Genies«. Oder sie sind es im Laufe ihrer Karriere durch Erfahrungen und Beratungen geworden. Highperformer machen vieles richtig, um Höchstleistungen auf den Punkt abrufen zu können. Sie knicken bei Stress und in kritischen Situationen nicht ein, son207
Die Erfolgsstrategien der »Highper former«
dern können mit Druck gut umgehen. Leistungssport in der Jugend ist für diese Fähigkeit eine gute Schule. Eltern, die frühzeitig die Karriere ihrer Sprösslinge fördern wollen, sollten sie zum Sport, am besten zum Leistungssport schicken. Dort lernt man unter anderem, sich durch eigene Ziele zu motivieren, durchzuhalten und mit Niederlagen umzugehen. Auffallend bei allen Highperformern ist, dass sie klare Ziele vor Augen haben. Diese Ziele sind immer präsent und der Schlüssel ihrer starken Eigen-Motivation. Erfolgreiche denken gar nicht daran, dass sie in kritischen Situationen, in denen es wirklich darauf ankommt, versagen könnten. Sie haben ein starkes Selbstbewusstsein und eine positive Lebenseinstellung. Daher fürchten sie möglichen Niederlagen nicht, sondern lieben die Herausforderung. Denn diese sind für sie in erster Linie Chancen, um zu gewinnen. Warum sie so gut sind, liegt vor allem daran, dass sie sich Wirkungsfelder gesucht haben, die ihnen liegen und zu ihren inneren Motiven passen. Selbst-Coaching-Tipp Eine gezielte Analyse auf Basis des Reiss-Profils kann für ambitionierte Berufsanfänger hilfreicher sein als manche Praktika.
Was Erfolgreiche wirklich auszeichnet und von anderen abhebt, ist ihre außergewöhnliche Fähigkeit zu Konzentration und Fokussierung. Sie schaffen es, sich wirklich hundertprozentig auf das wichtige Projekt zu konzentrieren und alles weniger Wichtige beiseitezuschieben. Ihre Konzentration ähnelt der vieler Spitzensportler, die sich im entscheidenden Moment in den »Tunnel« fokussieren. Wer wirklich erfolgreich sein möchte, sollte vor allem diese Fähigkeit optimieren – und die lässt sich, wie wir aus dem Sport wissen, sehr effektiv trainieren. Eine sehr gute schriftliche Vorbereitung ist bei Highperformern besonders am Anfang ihrer Karriere Standard. Genauso wissen sie, dass für Höchstleistungen auch die körperlichen Voraussetzungen wie genügend Schlaf, eine vernünftige Ernährung und ausreichend Bewegung stimmen müssen. Sport bleibt auch im Business ständiger Begleiter – als Ausgleich zum Stress, für die mentale Balance und zur gedanklichen Vorbereitung auf wichtige Termine. In kritischen Sitationen verstehen es Highperformer sich durch einen positiven inneren Dialog, etwa in Form von Glaubenssätzen wie: »Du kannst das« zu beruhigen und aufzubauen. Und bei Rückschlägen und Niederlagen, vor denen auch Erfolgreiche nicht verschont bleiben, gehen sie recht gnädig mit sich um: Schnell abhaken und wieder handlungsfähig werden, heißt die Devise. Bemerkenswert ist, 208
Fazit
welch hohen Stellenwert Werte und die eigene Haltung haben. Ein solides WerteFundament hilft ihnen, schwierige Phasen im Job oder im Privatleben zu überstehen und danach wieder die nächste Herausforderung erfolgreich zu meistern. So, wie es sich für Highperformer eben gehört.
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Interviews 7 Ian K. Karan – »Die Summe ist egal, der Deal ist entscheidend!« Ian K. Karan, ehemaliger Hamburger Wirtschaftssenator (Senator a. D.), Inhaber des Containerunternehmens CLOU Container Holding GmbH. Wie bereiten Sie sich auf Höchstleistungen vor? Als gläubiger Christ bete ich am Abend vor großen Geschäftsabschlüssen: »Lieber Gott, gib mir die Kraft und die nötige Ruhe!« Und ich freue mich schon vorher auf das Gespräch. Das löst bei mir Vorfreude und Motivation aus – genau wie in einer Wettbewerbssituation im Sport. Welche Strategien nutzen Sie, um Höchstleistungen abzurufen? Mein Vorteil ist: Ich bin nicht auf Geld fixiert. Ich schätze Luxus – aber ich brauche ihn nicht wirklich. Ich bin unabhängig und bleibe auch in herausfordernden Situationen gelassen. Als Vollwaise bin ich im Internat aufgewachsen, ich wurde zwangsläufig schon früh zur Unabhängigkeit erzogen. Keiner kümmerte sich da wirklich intensiv um einen. Dadurch habe ich gelernt, alle Herausforderungen selbst zu bewältigen. Das gibt mir auch heute eine große Souveränität, dass ich vieles schaffen kann. Was hilft Ihnen noch? Vor allem meine Offenheit und mein Respekt gegenüber anderen Menschen. Als Geschäftsmann habe ich mithilfe meiner Mitarbeiter eine große Firma aufgebaut. Das wäre ohne die Fähigkeit, diese zu motivieren, nicht möglich gewesen. Als Politiker habe ich an der Rettung von zwei Firmen mitgewirkt und so über 300 Mitarbeitern den Arbeitsplatz sichern können. In den Verhandlungen war es mir wichtig, Menschlichkeit zu bewahren. Ich konnte mich immer auf meine Intuition verlassen, gute und situativ richtige Entscheidungen zu treffen. Meine Stärke ist eine Mischung aus Instinkt und kaufmännischer Erfahrung. 211
Interviews 7
Wie erreichen Sie große Ziele? Fixieren Sie diese schriftlich? Mich wundern immer die jungen Leute mit ihren ausgefeilten Business-Plänen. Ich selber habe nur einmal in meinem Leben einen erstellt, den meine damaligen Geschäftspartner gar nicht benötigten, da sie auf meine geschäftliche Erfahrung und Integrität gesetzt haben. Ich reagiere schnell und intuitiv: Bei einem ganz großen Container-Deal habe ich mich hauptsächlich auf mein Bauchgefühl verlassen, sofort entschieden – und ein sehr gutes Geschäft gemacht! Wie ist in so einem entscheidenden Moment Ihr mentaler Zustand? Auch bei großen Geschäften fühle ich mich so, als handle es sich um einen normalen Vorgang: Die Summe ist egal, der Deal ist entscheidend! Jeder erlebt auch mal Niederlagen. Wie gehen Sie damit um? Jeder Mensch erlebt Niederlagen, wie auch Erfolge. Summa summarum müssen aber natürlich die Erfolge überwiegen. Vor Jahren habe ich meine erste Firma an einen englischen Konkurrenten verkauft. Der Käufer hat alle Verpflichtungen gegenüber den Banken erfüllt, hat sich aber geweigert, meinen Anteil zu zahlen. Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit mit der Konsequenz, dass ich mein Haus verkaufen musste, um meinen eigenen Verpflichtungen gegenüber meiner Bank nachzukommen. Auch wenn ich später durch englische Gerichte Recht zugesprochen bekam, so war dies eine große persönliche Niederlage und eine menschliche Enttäuschung, da ich den Chef der Firma seit über 15 Jahren kannte und bis zu dem Zeitpunkt schätzte. Die folgenden drei Jahre waren die härteste Zeit meines Leben. Durch eine glückliche Wendung konnten wir aber nach fünf Jahren unser altes Haus wieder zurückkaufen. Unser damals achtjähriger Sohn sagte: »Papa – das ist das schönste Geschenk, das ich je bekommen habe!« Geholfen hat mir in dieser schwierigen Zeit mein Selbstvertrauen und mein Glaube an Gott und Gerechtigkeit.
Holger Bodendorf – »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser« Holger Bodendorf, Sternekoch Sylt Landhaus Stricker 5-Sterne-Plus, »Relais & Chateaux«, Geschäftsführer Landhaus Stricker GmbH.
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Holger Bodendorf – »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser«
Was sind für Sie situative Höchstleistungen? Unkonventionelle Dinge, die keine Routine sind: Zum Beispiel ein Barbecue am Sylter Strand oder wenn Punkt 24 Uhr ein Silvester-Dessert für sehr viele Gäste serviert werden muss. Dafür muss logistisch in der Küche absolut alles stimmen. Was waren Ihre wichtigsten Höchstleistungen? Einmal musste ich für 500 Leute kochen und dabei mir vorher nicht bekannte Köche und Mitarbeiter einbinden. Zusätzlich stellte mir ein Kamera-Team ständig Fragen. Ein weiteres Highlight war das Sechs-Gang-Menü auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa und dafür die Garantie geben zu müssen, dass der Gast damit durch sein wird, wenn die Shows beginnen. Das ist nämlich die vorgegebene Devise an Bord. Es kann dann mal sein, dass es Tische gibt, die aufgrund späten Erscheinens in nur 30 Minuten sechs Gänge bekommen müssen! Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Ich stehe mit meinem Namen für Top-Leistung. Daher muss ich einerseits spontan sehr einfallsreich sein, andererseits aber auch dazwischen hauen, wenn es nicht läuft. In meinem Beruf braucht man die absolute Kontrolle: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Bereiten Sie sich in besonderer Weise darauf vor? Wichtigste Voraussetzung für Höchstleistungen in meiner Sterne-Küche ist, die allerbesten Zutaten zu bekommen. Außerdem wichtig ist eine gute Strategie und eine perfekte Vorbereitung: Wenn wichtige Gäste bei mir exotische Dinge bestellen, teste ich vorher alles bis ins Detail aus. Nur so kann ich sicher sein, dass alles klappt. Welche Strategien nutzen Sie, um in diesen Situationen Höchstleistungen abrufen zu können? Meine wichtigste Strategie ist: Immer alles selbst kontrollieren! Ich checke auch Details, etwa, ob die Champagner-Flaschen die richtige Temperatur haben. Kontrolle gibt mir Sicherheit und ein gutes Gefühl. Benutzen Sie in Drucksituationen Rituale oder ein spezielles Motto? Mein Motto: Die Schlacht muss geschlagen werden! Ich versuche auch in Drucksituationen Vorbild zu sein und zu kämpfen. 213
Interviews 7
Wie gehen Sie mit missglückten Höchstleistungssituationen um? Abschalten, durchatmen, abhaken. Wenn Dinge gegebenenfalls mal in der Küche nicht 100 Prozent sind: dem Gast einfach erklären, was passiert ist – das verstehen dann alle. Zum Beispiel wenn ein Soufflé in der Küche noch zusammenfällt und dadurch neu gemacht werden muss: hingehen zum Gast und sagen, dass man nicht einfach so trödelt oder ganze 30 Minuten für das Dessert benötigt, sondern dass es mal passieren kann, dass ein Soufflé zusammenfällt und daher rasch ein neues gestartet wurde. Konnten Sie Fähigkeiten für berufliche Höchstleistungen schon einmal auf private Felder übertragen? Ja, aufs Golfen: Auch da braucht man Lockerheit und darf die Dinge nicht zu ernst nehmen. Außerdem macht man ja auch beim Golfen einen Probeschlag – genau wie bei uns in der Küche.
Rainer Heydenreich – »Familie ist für mich der höchste Wert!« Rainer Heydenreich, Vice Chairman UBS Deutschland AG. Was waren Ihre größten situativen Höchstleistungen? Die erste war mit 17 Jahren die dreijährige Pflege meiner Mutter und ihr Tod. Abgesehen von dem großen Verlust war diese Erfahrung für mein weiteres Leben sehr prägend. Denn das Wort »Problem« relativierte sich. Neben meinen Schulpflichten musste ich den Haushalt schmeißen und meine Schwester und meinen Zwillingsbruder versorgen. Die letzte Botschaft meiner Mutter an mich war: »Junge, es gibt keine Probleme im Leben – außer der Gesundheit!« Ein Erlebnis forderte mich später jedoch sehr heraus. Bei welcher Gelegenheit? Bei einem Segelturn mit Freunden auf der Ostsee setzte plötzlich ein schwerer Sturm ein. Wir mussten 27 Stunden gegen die stürmische See ansegeln. Offengestanden hatte ich mit meinem Leben fast abgeschlossen. Alle bis auf mich und einen anderen waren seekrank und mussten zu ihrem eigenen Schutz angebunden werden, sonst wären sie über Bord gesprungen.
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Rainer Heydenreich – »Familie ist für mich der höchste Wert!«
Was war dabei die besondere Höchstleistung? Nach vielen Stunden haben wir eine erneute Kursbestimmung vorgenommen: Wir waren wegen des Abdrifts wenige Seemeilen vorangekommen. Diese Hiobsbotschaft konnte ich nur einem Segelkameraden anvertrauen. Allen anderen war dies aufgrund ihres desaströsen mentalen Zustandes nicht zuzumuten. Welche weiteren Höchstleistungen haben Ihr Leben geprägt? Zunächst meine Offiziersausbildung: Einmal mussten wir 120 Kilometer mit Gepäck marschieren und davon die letzten 20 Kilometer im Dauerlauf. Da habe ich Selbstdisziplin gelernt! Nach 100 Kilometern merkte ich vorsichtig beim Vorgesetzten an, dass es langsam eng wird. Er antwortete: »Wenn du nicht mehr kannst, kannst du die halbe Strecke noch einmal laufen.« Ich habe das als einziger geschafft und wurde mit einer Woche Sonderurlaub belohnt. Höchstleistungen sind auch die ersten Anrufe bei Neukunden zur Terminvereinbarung. Da musst du immer situativ richtig reagieren. Diese Anrufe werden nie zur Routine und bleiben immer eine große Herausforderung – und der Schlüssel zum Erfolg. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Bei diesen wichtigen Kundengesprächen nützen mir mein Glaube an mich selbst, meine große Beharrlichkeit und die Fähigkeit, authentisch und wertschätzend zu kommunizieren. Und was hat Ihnen Kraft für Ihre Segel-Höchstleistung gegeben? Es war der Wunsch, wieder mit meiner Familie frühstücken zu können! Das ist ein ganz besonderes Familienritual, an dem unser aller Herz sehr hängt. Familie ist für mich der höchste Wert! Natürlich half mir auch meine körperliche Fitness. Denn ich hatte die Worte meines Offiziersausbilders im Ohr: »Wenn Du nicht mehr kannst, kannst du die halbe Strecke noch einmal laufen.« Im Beruf habe ich gelernt, Mitarbeiter richtig einzuschätzen. Diese Fähigkeit half mir in der Extremsituation auf dem Schiff: Mir war schnell klar, wer welche Rolle übernehmen konnte. Wie erreichen Sie große Ziele? Mit Beharrlichkeit! 215
Interviews 7
Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Bei eigenen Fehlern als Banker bekenne ich mich ganz klar zu meiner Verantwortung und setze alles daran, den Kunden zurückzuholen. Ich rufe ihn an oder schreibe einen Brief: »Ich bedauere, dass Sie sich einer anderen Bank zugewendet haben. Aber ich werde nicht ruhen, bis Sie wieder zu uns zurückgekehrt sind.« Bei einem Kundenverlust von Mitarbeitern stelle ich Analysen und Nachforschungen an. Zu 90 Prozent sind es keine handwerklichen Fehler, sondern menschliche. Wir klären dann im Team, was wir falsch gemacht haben. Unsere Erkenntnisse werden anderen Kollegen zur Verfügung gestellt.
Dr. Henrik Naujoks – »Follow your compass, not your clock« Dr. Henrik Naujoks ist Partner und Director von Bain & Company, einer der drei weltweit führenden Strategieberatungen. Er leitet die Deutsch/Schweizer Financial Services Practice und das Düsseldorfer Büro. Seit 2007 ist er Mitglied des Young Global Leader Netzwerks des World Economic Forum. In welchen Bereichen müssen oder mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Im Kundenkontakt, gerade in den ersten, entscheidenden Momenten beim Kennenlernen. Oder wenn ich gegen starken inhaltlichen oder politischen Widerstand arbeiten muss, um für den Kunden die beste Lösung zu erringen. Wenn ich nach einem dreistündigen Vorstandsworkshop mit Kopfschmerzen rauskomme, weiß ich, dass ich Höchstleistungen erbracht habe. Worin erbringen Sie noch Höchstleistungen? In meinen Führungsrollen: den »Bain-Spirit« hochhalten, vor Mitarbeitern präsentieren, wenn es auch um »weiche Faktoren« geht, wo das Ansprechen von Problemen ansteht und das Hochhalten von Werten. Und eine Höchstleistung ist es jedes Mal, einen dieser »moments of truth« erfolgreich zu gestalten: Beförderungen, Outplacement-Gespräche, wenn man auf persönliche Probleme angesprochen wird, »guidance« geben möchte oder schlicht ein guter Zuhörer sein sollte. Dies alles sind Momente, die für den Counterpart emotional sehr wichtig sind und daher für mich durchaus aufwühlend sein können und insgesamt schwer zu antizipieren sind.
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Dr. Henrik Naujoks – »Follow your compass, not your clock«
Was war Ihre wichtigste situative Höchstleistung? Eine spontane Höchstleistung war ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin, die mehrere persönliche und berufliche Probleme hatte und der es sehr schlecht ging. Bei einem Thema konnte ich konkret helfen, bei einem anderen Problem ihr einen guten Rat geben und ansonsten war ich einfach ein guter Zuhörer. Allein dadurch ging es ihr hinterher viel besser. Die Höchstleistung war, sie überhaupt zum Reden zu bringen und sich auf sie einzustellen. Wie bereiten Sie sich in besonderer Weise auf Höchstleistungen vor? Mein A und O bei Präsentationen und Pitches ist eine sehr gute Vorbereitung. Zuerst frage ich mich: Wer sitzt mir da eigentlich gegenüber und welche Erwartungen hat er? Was ist seine Agenda und was interessiert ihn überhaupt an dem Thema? Dann bereite ich die Rede oder Präsentation gut vor und gehe sie vorher durch. Welche Strategien nutzen Sie, um in diesen Situationen Höchstleistungen abrufen zu können? Eine hohe Konzentration, aber ohne Verbissenheit. Ich versuche mich komplett auf die emotionale Ansprache meines Gegenübers einzulassen, aber gleichzeitig immer einen Schuss spielerische Gelassenheit zu bewahren. Man muss Raum für das Unerwartete lassen und dadurch seine Reaktionsfähigkeit erhalten. Welche nützlichen Grundüberzeugungen haben Sie? Man darf bei Menschen nicht nur auf den Kopf zielen, sondern vor allem auf Herz und Bauch. Das Wichtigste ist, sie authentisch anzusprechen. Dies kombiniere ich mit einer positiven Grundeinstellung. Wenn etwas schiefläuft oder anders läuft als geplant, frage ich mich: »Okay, was kann man daraus jetzt machen?« Ist dies alles eine natürliche Gabe von Ihnen, die Ihnen mit in die Wiege gelegt wurde? Vor zwei Jahren hat ein externer Coach 15 Interviews mit Kollegen, Mitarbeitern und Kunden von mir geführt und mir dann berichtet, dass IMMER dieselben Werte genannt wurden, für die ich stehe. Ich bin dann zu meinen Eltern gefahren und habe ihnen gedankt für meine Erziehung, die ich genossen habe! Haben Sie ein bestimmtes Erfolgsmotto, dass Ihnen zu Höchstleistungen verhilft? Follow your compass, not your clock. Danach lebe ich! 217
Interviews 7
Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Natürlich erlebe ich hin und wieder Niederlagen. Ich versuche, zunächst zu verstehen und zu analysieren: Was lief schief und warum konnte ich mich mit meinen Ideen nicht durchsetzen? Beispiel: Vor drei Jahren merkte ich, dass ich bei einem Vorstandsvorsitzenden einfach nicht ankam. Ich überlegte mir: Übergebe ich den Kunden besser an Kollegen, brauche ich ein klärendes Gespräch oder lasse ich die Situation einfach ruhen – schließlich heilt Zeit viele Wunden? Im Sinne des Kunden und der Firma habe ich mich entschlossen, unter diese direkte Beziehung einen Schlussstrich zu ziehen und einen anderen Kollegen einzuführen. Das war nicht einfach. Aber in solchen Situationen hilft mir meine Gelassenheit.
Peter Pohlmann – »Du bist so, wie du bist!« Peter Pohlmann, POCO-Gründer und jetzt Aufsichtsratsvorsitzender der PocoDomäne-Holding GmbH. Was sind für Sie situative Höchstleistungen? Höchstleistungen sind Meisterschaften, auf die man sich vorbereitet. Zum Beispiel neue Standorte erschließen oder in Verhandlungen einen kühlen Kopf bewahren. Was waren Ihre wichtigsten situativen Höchstleistungen? Das war vor allem die Sanierung einer Firma in Südafrika, die ich übernommen habe. Dafür waren sehr viele Verhandlungen mit Banken nötig, zum großen Teil auf Englisch. Ich habe kurzerhand meinen englischsprachigen Partner gebeten, mir ein paar Fragen aufzuschreiben. Die wollte ich dann auswendig lernen. Aber dann sagte ich mir: »Du bist so, wie du bist!« Stattdessen habe ich einfach einen sehr emotionalisierenden Film gezeigt. Die Message: Es geht nicht nur darum, Geld zu verdienen. Das Wichtigste ist, den Kunden zufriedenzustellen. Dazu müssen wir uns in den Kunden hineindenken, und das hat sehr viel mit Emotionen zu tun. Danach sagten die Bank-Manager: »We have no questions – we think you are the right man.«
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Peter Pohlmann – »Du bist so, wie du bist!«
Wie haben Sie es geschafft, unter diesem hohen Druck Ihre individuelle Höchstleistung abzurufen? Ich habe mich rechtzeitig entschieden, mit meiner Persönlichkeit zu überzeugen. Wie bereiten Sie sich auf Höchstleistungessituationen vor? Durch eine sehr intensive Vorbereitung, viele Recherchen und durch Nutzen von Kontakten. Dazu gehört auch, vieles im Team zu besprechen und andere Meinungen zu erfragen. Morgens fallen mir beim Rasieren oder Duschen meistens sehr gute und wichtige Dinge ein. Dann setze ich mich auf den Badewannenrand und schreibe Mails oder einen Prioritäten-Plan. Welche Strategie nutzen Sie, um in den Situationen Höchstleistungen abrufen zu können? Je mehr Druck in Verhandlungen ausgeübt wird, desto ruhiger werde ich. Welche Grundüberzeugungen verhelfen Ihnen zu Ihren Höchstleistungen? Ich bin stark von den Überzeugungen der amerikanischen Unternehmerlegende Jack Welsh geprägt: »Be number one or number two.« Ich las als kleiner Angestellter sein Buch und fragte mich: Auf welchem Gebiet könnte ich die Nummer eins sein? Schließlich wurde ich bei Möbeln die Nummer eins – zuerst in meiner Heimatstadt Bergkamen, dann in ganz Nordrhein-Westfalen. Danach nahmen wir uns Deutschland vor, und jetzt expandieren wir nach ganz Europa. Die entscheidende Frage ist: Wofür würde man sich krummlegen und wofür würde man Entbehrungen ertragen? Und darauf sollte man sich konzentrieren und sein System perfektionieren. Wie erreichen Sie große Ziele? Wir treffen uns zwei Mal im Jahr im Kreis der Gesellschafter und legen die neuen Ziele und Strategien fest. Danach folgen Strategie-Diskussionen mit allen Führungskräften. Nur wenn alle Mitarbeiter die Strategien verstanden haben, sind sie in der Lage sie mitzutragen. Im Folgejahr überprüfen wir dann im Gesellschafterkreis, was aus den Zielen geworden ist und wo wir optimieren müssen. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Einfach abschreiben. Aber ich speichere sie, um nicht die gleichen Fehler noch einmal zu machen.
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Interviews 7
Dr. Hans Cornehl – »Es gibt für alles Lösungen« Dr. Hans Cornehl, Vorsitzender des Vorstands Tipp24 SE. Davor unter anderem Berater für Start-ups, Hightech- und Spin-off-Unternehmen bei McKinsey & Company. Was sind für Sie situative Höchstleistungen? Es sind vor allem Situationen, in denen die öffentliche Aufmerksamkeit auf mich gerichtet ist, wie bei TV-Interviews. Besonders in Live-Sendungen ist jede Aussage von mir in Stein gemeißelt. Da spüre ich eine sehr hohe Anspannung und muss ganz besonders konzentriert sein. Anfang 2007 musste ich nach einschneidenden Umstrukturierungen Kündigungsgespräche mit langjährigen Mitarbeitern führen. Das waren für mich ebenfalls Situationen besonders hoher Anspannung und auch emotional sehr belastend. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Vor meinem familiären Hintergrund, aber auch in den für mich sehr prägenden ersten Berufsjahren bei der Unternehmensberatung McKinsey hat sich bei mir so etwas wie ein Urvertrauen in Bezug auf schwierige Situationen gebildet. Ich bin davon überzeugt: Es gibt für alles Lösungen. Inzwischen kann ich aus Erfahrung sagen: »Es hat bisher jedes Mal gut funktioniert!« Und auch: »Du kannst das!« Gerade für Höchstleistungssituationen gilt: Ein Blick nach hinten ist selten hilfreich. Welche Ihrer Werte haben Ihnen in den schwierigen Kündigungsgesprächen geholfen? Pflichtbewusstsein, Fairness, Aufrichtigkeit und Authentizität sind mir wichtig, und das wird auch so wahrgenommen. Wie haben Sie sich auf diese herausfordernden Gespräche vorbereitet? Ich nehme mir vorher Zeit, mich zu sammeln. Dabei überlege ich mir sehr genau: Was ist meine Botschaft? Wie, mit welchen Worten und mit welchem Ton, übermittle ich sie, dass sie auch bei meinem Gegenüber ankommt? Benutzen Sie in solchen Drucksituationen Rituale oder haben Sie ein spezielles Motto? Ein Motto von mir ist: In »schiefen« Umfeldern hilft eine gerade Haltung. Nur die Linie, von der ich persönlich überzeugt bin, kann ich nicht nur selbst durchhalten, sondern auch nachhaltig durchsetzen. 220
Prof. Dr. Heinz Knebel – »Wird schon gehen – und wenn nicht, das Leben geht weiter.«
In kritischen Drucksituationen ist es dabei wichtig, dieser Linie auch den Raum und die nötige Klarheit zu verschaffen, das heißt: »Kopf aus dem Schlamm ziehen«, von Details befreien, Abstand herstellen. Rituale oder bestimmte Umfelder helfen dabei, etwa Sport treiben, Atemübungen oder ein Abendspaziergang. Vor allem aber das Leben in der Familie mit Kindern erfordert einen ständigen und sehr hilfreichen Perspektivenwechsel. Offene Punkte, die mich dann noch umtreiben, schreibe ich auf – möglichst gleich mit Lösungen. Was auf dem Papier steht, brauche ich nicht im Kopf mit mir herumzutragen. Jeder erlebt Niederlagen, wie gehen Sie damit um? Nach einer großen Niederlage versuche ich erst einmal tief durchzuatmen und alles einen Tag liegen zu lassen. Es gibt gute Gründe für die Entscheidungen, die ich treffe. Dass ich dabei auch Fehler mache, ist fester Bestandteil unternehmerischen Handelns und darüber hinaus einfach menschlich. Letztlich gilt: Nach vorn schauen und nicht lange hadern – Bedauern ist mir fremd. Und vor allem sollte man kein gutes Geld dem schlechten hinterherwerfen. Nutzen Sie Fähigkeiten für berufliche Höchstleistungen auch im Privatleben? Ja, zum Beispiel bei der Kindererziehung: Man muss seinen Kindern ja ständig schwierige Botschaften rüberbringen, etwa, dass sie dies oder das tun sollen oder nicht dürfen. Andererseits sollen sie zu sich selbst finden und ihre Persönlichkeit entwickeln. Das erfordert eine große emotionale Balance und ein solides Wertesystem – und ist meistens gar nicht einfach.
Prof. Dr. Heinz Knebel – »Wird schon gehen – und wenn nicht, das Leben geht weiter.« Prof. Dr. Heinz Knebel, ehemals Leiter Einkauf/Materialwirtschaft HEW/Vattenfall und Geschäftsführer der Unternehmensberatung Consulectra GmbH, Honorarprofessor an der Universität Potsdam. Was war Ihre wichtigste situative Höchstleistung? Ich hatte ein sehr lukratives Angebot, Personal-Vorstand von einem großen Konzern zu werden. Meine Höchstleistung war, dass ich das Angebot abgelehnt habe. Das war wirklich nicht leicht: Ich habe minutenlang mit dem Briefumschlag mit meiner Absage vor dem Einwurfschlitz des Briefkastens verharrt. Bis zuletzt war ich hin- und hergerissen. 221
Interviews 7
Wie haben Sie diese lebens- und karriereentscheidende Situation gemeistert? In einem langwierigen und sehr emotional besetzten Entscheidungsprozess habe ich zusammen mit meiner Frau eine detaillierte schriftliche Entscheidungsanalyse gemacht. Das hat mir sehr geholfen. Hinzu kam mein Bauchgefühl, das ebenfalls »Vorsicht« signalisierte. Welche Strategien haben Sie genutzt, um situativ Höchstleistungen abzurufen? Ich bin zielstrebig und sehr beharrlich. Als Junge war ich eher klein und schmächtig. Beim Fußball oder beim Spielen mit der »Gang« auf der Straße musste ich immer schauen, wo ich bleibe. So lernte ich früh, mir Nischen zu suchen und dabei geschickt Raffinessen einzusetzen. Der innere Widerstand gegen das SED-Regime half mir, mich innerlich frei zu fühlen. Ich brauchte vor keiner Situation Angst zu haben und konnte risikofreudig agieren. Welche Grundprägungen oder persönliche Grundüberzeugungen halfen Ihnen in Drucksituationen? Mein Selbstvertrauen: »Wird schon gehen – und wenn nicht, das Leben geht weiter«. Dies kommt biografisch sicherlich aus der Zeit meiner Flucht aus der DDR. Wenn ich für internationale Personaler-Kongresse bekannte Referenten brauchte, bin ich selbstbewusst und mutig auf diese zugegangen. Ich sagte mir immer: »Versuch’s einfach, was kann schon passieren?« Und es klappte. Wie motivieren Sie sich zu Höchstleistungen? Ich hatte im Leben sehr viel Glück und kam dadurch öfter in Situationen, in denen ich vor neuen Herausforderungen stand. Ich habe das aber nie als Signal für Höchstleistung empfunden. Mein Mentor, Förderer und heutiger Freund, Prof. Dr. Zander, konnte immer fantastisch motivieren und sagte immer: »Lieber Knebel, Sie schaffen das schon!!!« Wie sind Sie mit Niederlagen umgegangen? Ich kann aus Niederlagen immer auch etwas Positives ziehen und bin schnell wieder handlungsfähig. Meine größte Niederlage war der Tod meiner ersten Ehefrau und Mutter meiner zwei Töchter. Nachdem wir vom Arzt erfahren hatten, dass der Krebs nicht operabel ist, war das natürlich ein Schock! Aber ich war nach dem Tod – in Verbindung mit der großen Trauer, ganz im Sinne meiner verstorbenen Frau, schnell wieder handlungsorientiert und habe bald angefangen zu überlegen, 222
Jan Kestner – »Das Blöde am Sterben ist, dass es an einem ganz normalen Tag beginnt«
zu diskutieren und die neue Zukunft zu planen. Nach dem Tod habe ich meine Trauer runtergeschrieben, indem ich viele Wochen und Monate fiktive E-Mails an meine Frau geschrieben habe. Meine Strategie in dieser sehr schweren Zeit: nicht vergraben, sondern anpacken und neue Ziele setzen!
Jan Kestner – »Das Blöde am Sterben ist, dass es an einem ganz normalen Tag beginnt« Jan Kestner, Krisen- und Sicherheitsberater. In welchen Bereichen mussten Sie situative Höchstleistungen erbringen? Bei der Beratung im Zusammenhang mit Krisensituationen (z. B. Entführung, Erpressung, Schiffsentführung) mit Geiselnehmern oder Piraten bei Schiffsentführungen, bei Evakuierungen aus Krisengebieten. In beiden Fällen gilt: Wenn es schiefgeht, sind Menschenleben in Gefahr oder es wird eine große Affäre, bei der die Weltöffentlichkeit via Fernsehen zusieht und die Firmenreputation nachhaltig gestört wird. Wie kann man sich solch eine Erst-Präsentation vorstellen? Der Ablauf ist immer gleich: Es ist etwas passiert, externe Hilfe wird angefordert, alle erwarten zum Beginn ein nachhaltiges Lösungskonzept. In dieser Situation werden die höchsten Erwartungen an mich gestellt: »Der weiße Ritter ist da und rettet uns.« Das Wichtigste in so einem Moment sind die ersten drei Sätze. Du musst allen authentisch vermitteln: Jetzt wird alles gut, wir kriegen das gemeinsam in den Griff! Was war Ihre wichtigste Höchstleistung? Von 1999–2002 war ich Kompanie-Chef im Wachbataillon beim Bundesministerium für Verteidigung. Vor wichtigen Staatsgästen gilt es gemeinsam mit 120 Soldaten eine Ehrenformation durchzuführen – Fehlertoleranz null! Wie schafften Sie es in dieser Situation und in anderen, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Drill bis zur Bewusstlosigkeit, das heißt bis alles im Unterbewusstsein abgespeichert ist. Mein Erfolgsrezept: viel Übung, viel Erfahrung und dadurch ein starkes Selbstbewusstsein. Meine Fitness und insgesamt mein guter Draht zum 223
Interviews 7
Körper machen auch meine mentale Stärke und Abrufbarkeit von Höchstleistungen aus. Benutzen Sie in diesen Drucksituationen Rituale oder Grundüberzeugungen? Ich agiere intuitiv und nutze meine umfassende Erfahrung. Meine Grundüberzeugung ist: »Ich kann das und ich schaffe das schon.« Setzen Sie sich Ziele, sozusagen geplante »Höchstleistungssituationen«? Ziele setze ich mir nicht, denn ich führe permanent »ein Leben in der Lage«. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Wenn zum Beispiel eine Präsentation nicht gut gelaufen ist, frage ich mich: »War ich schlecht vorbereitet?« Wenn ja, versuche ich, es nächstes Mal besser zu machen und hake alles schnell ab. Das Blöde am Sterben ist, dass es an einem ganz normalen Tag beginnt. Du startest in eine Besprechung und plötzlich steckst du in einer Extremsituation. Ich sage mir dann: »Okay, so ist es. Was machen wir jetzt daraus?« Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen, mit denen Sie Höchstleistungen in Sport und Freizeit erbracht haben, schon beruflich nutzen? Ich habe Schwimmen als Leistungs- also Wettkampfsport betrieben, außerdem trainiere ich seit Jahren Kampfsporttechniken. Dadurch kann ich gut mit Leistungs- und Erwartungsdruck umgehen.
Joachim Paege – »Sich quälen können« Joachim Paege, ehemaliger Personalleiter Vattenfall Europe. Was sind für Sie situative Höchstleistungen? Eine Höchstleistung ist für mich, unvorbereitet und spontan mit schwierigsten Situationen (z. B. Krisen) erfolgreich umzugehen und dabei die jeweiligen – oft sehr unterschiedlichen – Erwartungen von Gesprächspartnern zu erfüllen und einander anzunähern. Was waren Ihre wichtigsten situativen Höchstleistungen? Das war ein besonders schwieriges Auflösungsgespräch. Obwohl es von der Sache her für den Betroffenen hart war, hat er mir hinterher einen Rotwein geschenkt, weil er sich fair behandelt fühlte. 224
Joachim Paege – »Sich quälen können«
Ein anderes Mal musste ich – nach der Auswahl von etwa 300 schriftlichen Bewerbungen – drei Tage lang in England 40 Interviews für Nachwuchs-Ingenieure führen. Leider war mein Englisch nicht berauschend. Alle Interviewten zu klassifizieren und Talente zu identifizieren, war ein Knochenjob. Außerdem erinnere ich mich noch an eine Vollversammlung mit 200–300 außertariflichen Angestellten. Es ging um die Einführung eines neu gestalteten Gehaltssystems. Als Zuhörer mit dabei: zwei Vorstandsmitglieder, meine Kollegen und mehrere Betriebsratsmitglieder. Es war ein »Tanz auf Eiern«. Einerseits musste ich in der Diskussion spontan das Richtige sagen, damit der Vorstand sich darin wiederfand, andererseits musste es so formuliert sein, dass die Versammlung ruhig und der Betriebsart verhandlungswillig blieb. Haben Sie sich in besonderer Weise darauf vorbereitet? Ich habe viel mit meinen Mitarbeitern diskutiert und mich von ihnen inspirieren lassen. Daraus habe ich dann kurze Konzept-Skizzen angefertigt. Wie motivieren Sie sich zu Höchstleistungen? Mich motiviert Druck zu Höchstleistungen. Durch das Leistungsrudern in meiner Jugend konnte ich immer gut Belastungen wegstecken und über die Schmerzgrenze hinausgehen. Wie erreichen Sie große Ziele? Bei mir geht es meist über meinen Durchhalte-Willen und natürlich auf Basis guter Sachkenntnis und viel Erfahrung – und auch Glück. Jeder erlebt Niederlagen, wie gehen Sie damit um? Wegstecken, weitermachen. Häufig haben mich Niederlagen motiviert, mit Hartnäckigkeit doch mein Ziel zu erreichen. Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen, mit denen Sie Höchstleistungen in Sport und Freizeit erbracht haben, schon einmal auf berufliche Höchstleistungssituationen übertragen? In den 60er-Jahren habe ich auf deutschem Spitzen-Niveau gerudert. Dabei habe ich folgende Fähigkeiten erlernt: Hartnäckigkeit, Zähigkeit, totales Engagement, Einordnung ins Team, Fairness und sich quälen können.
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Interviews 7
Burghard von Cramm – »In der Ruhe liegt die Kraft« Burghard von Cramm, Geschäftsführer Übersee-Club Hamburg e.V. Davor unter anderem Daimler-Konzern, Schwerpunkt Vertrieb, zuletzt Niederlassungsleiter Mercedes-Benz Hamburg. Wie schaffen Sie es, unter hohem Druck Ihre individuellen Höchstleistungen abzurufen? Ich hatte immer schon gute Nerven. Je härter eine Auseinandersetzung und je größer die Höchstleistung, umso ruhiger werde ich. Bereiten Sie sich in besonderer Weise auf Höchstleistungen vor? Meine mentale Vorbereitung ist Laufen. Ich führe dabei Selbstgespräche und spiele taktische Varianten gedanklich durch, lege mir wichtige Strategien und Argumente zurecht. Wichtig für Höchstleistungen ist auch, dass man sich regelmäßig Erholungen gönnt. Ich kann auf der Jagd wunderbar entspannen oder in der Sauna. Außerdem gelingt es mir, mit spontanem Kurz-Schlaf meine Batterien wieder aufzuladen. Welche persönlichen Werte geben Ihnen besondere Kraft für Höchstleistungen? Siegeswille, Ehrgeiz, Zivilcourage und auch die Fähigkeit, zu Fehlern zu stehen. Durch mein Elternhaus habe ich die Sicherheit bekommen, nicht scheu oder ängstlich zu sein. Meine Mentalität ist »Think positive«. Benutzen Sie in Drucksituationen ein spezielles Motto? In der Ruhe liegt die Kraft. Wie gehen Sie mit Niederlagen um? Wieder ins Gleichgewicht bringe ich mich durch Laufen oder Sauna und auch ein gutes Bier. Wichtig ist die Bereitschaft, flexibel zu sein – und wenn nötig, Dinge zu verändern. Konnten Sie Fähigkeiten und Erfahrungen, mit denen Sie Höchstleistungen in Sport und Freizeit erbracht haben, schon einmal auf den Beruf übertragen und umgekehrt? Ja, Zielstrebigkeit und Positives Denken hilft im Beruf und im Sport – genauso Geduld, Ausdauer und Zuversicht. Bei der Jagd hilft mir auch, eine gute Übersicht zu haben. Meine Kraft einteilen zu können, nützt mir beim Laufen und im Beruf. 226
8.
Vertiefung
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
Die Entstehungsgeschichte »1995 war ich schwer krank. Ich hatte eine lebensbedrohliche Autoimmunerkrankung, die die Leber angriff, und musste mich schließlich einer Lebertransplantation unterziehen. Damals fing ich an, darüber nachzudenken, was sich Menschen am meisten in ihrem Leben wünschen, welche Anliegen ihr Verhalten beeinflussen und wie sich Menschen durch diese grundlegenden Bedürfnisse voneinander unterscheiden.«
So beschreibt Prof. Dr. Steven Reiss in einem Interview (Lipowski, Manager Seminare 140/2009) die Entstehungsgeschichte des Reiss-Profils. Der emeritierte Professor für Psychologie und Psychiatrie an der amerikanischen Ohio State University weiter: »Es gab in der Psychologie schon immer Wissenschaftler, die davon überzeugt waren, dass Lebensmotive eine zentrale Rolle für die Menschen spielen. Aber um diese Motive zu identifizieren, sind sie andere Wege gegangen. Sie beobachteten etwa Tiere oder leiteten ihre Theorien aus den eigenen Erfahrungen ab. Oft genug lagen sie damit falsch. Für unsere Theorie begannen wir mit einer langen Liste, die alle möglichen Ziele umfasste, die uns einfielen. Ich glaube, ursprünglich standen tatsächlich über 400 Posten auf der Liste, später waren es nur noch 328. Anhand dieser Zusammenstellung befragten wir dann in mehreren Wellen über 5.000 Menschen. Nach und nach konnten wir die Liste auf 16 zentrale Lebensmotive reduzieren. Damit hatten wir die erste wissenschaftlich fundierte Liste von Motiven auf der Basis von Befragungen. Daraus haben wir schließlich das Reiss-Profil entwickelt.«
227
Vertiefung
Das Besondere an diesem Verfahren ist, dass Prof. Dr. Reiss erstmals die Menschen selbst danach gefragt hat, was ihnen im Leben am wichtigsten ist. Zunächst scheint die Liste von 16 bestimmenden Lebensmotiven angesichts der Individualität des Menschen wenig. Aber durch die verschiedenen Ausprägungen gibt es über sechs Milliarden mögliche Motivkonstellationen. Diese große Bandbreite ist nötig. Wenn man Individuen beschreiben will, braucht man ein Instrument, das die individuellen Unterschiede so deutlich macht, dass Kultur, Herkunft oder Geschlecht nicht ins Gewicht fallen. Natürlich gibt es Motive, die eher bei Männern und welche, die eher bei Frauen dominieren. Beispielsweise sind die Motive »Eros« (im Business-Profil ist dieses Motiv – neutraler – durch »Schönheit« ersetzt) und »Rache/Kampf« häufiger bei Männern stark ausgeprägt. Durch Vergleichsstudien in Japan und Indien hat Reiss untersucht, wie stark der Einfluss der Kultur auf die Motive ist. Denn jeder weiß, dass in einigen Ländern das Motiv »Ehre« im Kontrast zu einer »Ziel-/Zweckorientierung« eine höhere Bedeutung hat als in anderen. Aber die Studien brachten die gleichen Ergebnisse wie auf den anderen Kontinenten. Die 16 Lebensmotive gelten offenbar unabhängig von Kultur und Herkunft des Menschen. »Das Reiss-Profile hilft zu verstehen, warum Menschen bestimmte Dinge tun, warum sie bestimmte Ziele und Werte im Leben haben«, erklärt Prof. Dr. Steven Reiss.
Was bringt uns die Beschäftigung mit Lebensmotiven?
Aber warum sollen wir uns damit beschäftigen, was bringt das? »Erstens ist es nützlich zu wissen, was Menschen in ihrem Leben wirklich wollen, was sie antreibt. Denn das hilft zu verstehen, was sie glücklich macht«, sagt Prof. Reiss. Es hilft zu erkennen, was sie wirklich motiviert und was sie in Privatleben und Beruf erreichen wollen. »Zweitens kann der Ansatz Führungskräften helfen, ihre Mitarbeiter zu begeistern. Und sie davon abhalten, Reden zu halten, die nur sie selbst begeistern«, so Steven Reiss weiter. Beispiel: Ein Fußballtrainer, der gerne an die Ehre appelliert, würde seine Mannschaft viel besser ansprechen, wenn er wüsste, dass das Motiv Ehre bei den meisten Spielern keine Priorität hat. In der Praxis ist das Profil in erster Linie ein Instrument, um die richtigen Menschen zusammenzubringen oder für sie die richtige Aufgabe zu finden. »So ist es gut, wenn ein Verkäufer eine starke Ausprägung des Motivs Beziehung hat, also, 228
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
wenn er gerne mit Menschen zu tun hat und gesellig ist«, erklärt Reiss. Schlecht ist, wenn die persönlichen Lebensmotive des Verkäufers nicht zu den Werten der Marke passen. »Nehmen wir etwa die Marke Jaguar. Sie spricht Romantiker und Ästheten an, also Menschen mit einem sehr ausgeprägten Eros-Motiv. Wenn der Jaguar-Verkäufer hier selbst eine geringe Ausprägung hat, ist sein Job für ihn schwer«, so Dr. Reiss weiter. »Er hat keinen Sinn dafür, wie gut sich das Leder der Sitze anfühlt oder wie angenehm die Fahrgeräusche klingen. Also genau die Produkteigenschaften, die einen potenziellen Käufer ansprechen, sind dem Verkäufer gleichgültig«, erklärt Prof. Dr. Reiss.
Die Philosophie
Natürlich kann man auch Reiss-Profile von ganzen Teams erstellen und vergleichen. Mit diesem Werkzeug können Führungskräfte von vornherein sehr gut harmonierende und effektiv arbeitende Teams zusammenstellen. Haben sie diese Möglichkeit nicht, da sie ein bestehendes Belegschaftsteam übernehmen, gibt ihnen das Reiss-Profil zumindest die Möglichkeit, mit einzelnen Mitarbeitern zu sprechen und auf mögliche Diskrepanzen aufmerksam zu machen. Also, könnte zum Beispiel der Jaguar-Verkäufer in Zukunft bewusst darauf achten, die Schönheit des Autos zu betonen. Das kann er einfach trainieren. Das Reiss-Profil hilft dabei zu erkennen, wo mögliche Reibungspunkte liegen und wo Training ansetzen kann. Allerdings ist es kein Instrument, um Menschen zu ändern, wie es die Psychologie oft zum Ziel hat. »Man kann vielleicht Symptome reduzieren, aber man kann Persönlichkeiten nicht verändern«, sagt Steven Reiss. »Unsere grundlegende Botschaft ist deshalb: Suche dir Bedingungen, unter denen du dich entfalten kannst. Schaffe für andere Bedingungen, unter denen sie sich entfalten können. Bringe dein Unternehmen in eine Situation, in der es prosperieren kann. Kurz: Verändere die Situation nach deinen Vorstellungen, bevor du versuchst, dich selbst oder andere zu ändern.«
Das Konzept der 16 Lebensmotive
Das Konzept der 16 Lebensmotive ist eine der wenigen Persönlichkeitstheorien, die vollständig empirisch überprüft wurden. Dabei hat das Reiss-Profil sehr gute Werte für seine Validität und seine Zuverlässigkeit erhalten. 229
Vertiefung
Macht Teamorientierung Neugier Anerkennung Ordnung Sparen/Sammeln Ziel- und Zweckorientierung Idealismus Beziehungen Familie Status Rache/Kampf Schönheit Essen Körperliche Aktivität Emotionale Ruhe
hoch
Abb. 28: Mustermann-Profil 230
Durchschnitt
niedrig
2,0
1,7
0,8
0,4
0,0
-0,4
-0,8
-1,7
-2,0
Der Fragebogen umfasst 128 Aussagen, wie zum Beispiel »Es beunruhigt mich zutiefst, wenn mein Herz schnell schlägt« oder: »Ich ärgere mich sehr, wenn ich in aller Öffentlichkeit einen Fehler mache«. Reiss-Probanden bewerten jede dieser Aussagen auf einer Skala von –2 bis +2, also von völlig falsch bis komplett zutreffend. Jeweils acht Aussagen sind einem der 16 Lebensmotive gewidmet und eruieren so, wie stark oder schwach das jeweilige Motiv ausgeprägt ist. Mittels einer lizenzierten Software werden die Antworten ausgewertet und in Form des Reiss-Balkendiagramms (inklusive ausführlichem schriftlichen Report) dargestellt, das der Testteilnehmer in einem Rückmeldegespräch von einem zertifizierten Reiss Profile Master erklärt bekommt.
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
Das Balkendiagramm verrät den Testpersonen, welche Themen für sie im Leben eine eher hohe, eine durchschnittliche oder eine geringe Priorität haben. Das Lebensmotiv »Macht«, das für die Eigeninitiative in der Entscheidungsfindung steht, gibt beispielsweise an, wie stark jemand selbst entscheiden möchte. Bei – 2 wird man eine eigene Entscheidung zumeist vermeiden, bei + 2 wird man so gut wie immer entscheiden wollen. Liegt der Wert dazwischen, wird man, in Abhängigkeit von der Situation, manchmal selbst entscheiden und sich manchmal lieber an den Entscheidungen anderer orientieren wollen. Dies zu wissen, ist aber nicht nur für die Testteilnehmer selbst interessant, sondern zweifellos auch für ihre Führungskraft vorteilhaft: Führungskräfte können sowohl im täglichen Umgang als auch bei der Verteilung von Aufgaben, Projekten und Positionen die Motivausprägung ihrer Teammitglieder berücksichtigen. Geht es beispielsweise um die Auswahl eines entscheidungsstarken Projektmanagers, sollte eine Führungskraft auf einen Mitarbeiter mit zum Beispiel hoher Ausprägung beim Lebensmotiv »Macht« setzen. In roter (niedriger) Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/Hang zu …
Lebensmotiv
In grüner (hoher) Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/Hang zu …
… Orientierung an Menschen, andere zu unterstützen, nicht zu entscheiden bzw. mit anderen zu entscheiden …
Macht
… Einfluss, Erfolg, Leistung, steuern, gestalten, entscheiden, dominieren, kontrollieren …
… Freiheit, Autarkie, Selbstgenügsamkeit, Selbstbestimmung, Unabhängigkeit von anderen …
Team-Orientierung
… Team- und Gruppenzugehörigkeit, Verbundenheit mit anderen, Gemeinsamkeit, WirGefühl …
… praktischem Handeln, Umsetzung, Wissen, wenn es angewendet werden kann …
Neugier
… neuem Wissen, Dinge verstehen, intellektueller Auseinandersetzung …
… zeigen von Selbstbewusstsein, beweisen, dass man alles schaffen kann …
Anerkennung
… sozialer Akzeptanz, Zugehörigkeit, positivem Selbstwert durch Wertschätzung und Anerkennung von außen …
231
Vertiefung
In roter (niedriger) Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/Hang zu …
Lebensmotiv
In grüner (hoher) Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/Hang zu …
… Flexibilität, Veränderung, Kreativität, frei sein von Strukturen, Regeln und Ordnung …
Ordnung
… Klarheit, Struktur, Stabilität, Organisation, Systematik, Ordnung, Sauberkeit, Regeln …
… materieller Freiheit, Großzügigkeit …
Sparen/Sammeln
… Anhäufung materieller Güter, sammeln, bewahren …
… Loyalität, Moralität, Prinzipientreue, Tradition, Leben von Werten, Tugend …
Ziel- & Zweck orientierung
… Ergebnis-, Ziel- und Nutzenorientierung, Eigennutzen …
… Gerechtigkeit für sich selbst …
Idealismus
… sozialer Gerechtigkeit, Fairness, Altruismus …
… Zeit für sich selber, zum Alleinsein, sozialer »Ruhe«, Zurückgezogenheit …
Beziehungen
… Freundschaft, Nähe zu anderen, Spaß mit anderen, Kontakt, Austausch …
… partnerschaftlicher Umgang mit Kindern, frei sein von Kindern …
Familie
… Familienleben, Erziehung eigener Kinder, fürsorgliche, behütende, beschützende Beziehung zu den eigenen Kindern …
… Genügsamkeit, Bescheidenheit, gleich sein mit anderen, nicht hervorgehoben sein …
Status
… Prestige, öffentlicher Aufmerksamkeit, Ansehen, elitäre Unterscheidung von anderen …
… Harmonie, Kooperation, Win-Win, Konfliktvermeidung, Ausgleich …
Rache/Kampf
… Vergleich, messen mit anderen, Wettbewerb, gewinnen, Durchsetzung, Konkurrenz, Kampf, Vergeltung …
… Askese …
Schönheit
… Ästhetik, schönen Dingen …
… Essen als Nahrungsaufnahme …
Essen
… Essen als Genuss, Freude am Essen, Freude an der Beschäftigung mit Essen …
… körperlicher Ruhe …
Körperliche Aktivität
… Bewegung, Fitness …
232
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
In roter (niedriger) Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/Hang zu …
Lebensmotiv
In grüner (hoher) Ausprägung zu verstehen als Streben nach …/Hang zu …
… Abenteuer, Veränderung, Herausforderung, Risiko, Unternehmungslust, Neues ausprobieren …
Emotionale Ruhe
… Entspannung, emotionaler Sicherheit, Vorhersehbarkeit von Konsequenzen, Vermeidung von Veränderung …
Abb. 29: Kurzbeschreibung der 16 Lebensmotive nach Steven Reiss (von Ute Rohrschneider, 2011)
Lebensmotive im Berufsleben
Ohne Unterstützung durch das Reiss-Profil sind die Motive eines Menschen nicht leicht erkennbar. Sie lassen sich jedoch ansatzweise erschließen. So können Führungskräfte beispielsweise im Gespräch die Motivstruktur ihrer Mitarbeiter erkunden. Die Business-Coaches Frauke Ion und Markus Brand (Ion/Franke Manager Seminare 140/2009) empfehlen vor allem offene Fragen. Etwa: »Wie haben Sie Ihren letzten Urlaub verbracht?« (Lebensmotive Neugier, Beziehungen, emotionale Ruhe) »Wie wichtig ist es Ihnen, im Team zu arbeiten?« (Teamorientierung) »Motiviert es Sie, bei Ihrer Arbeit mit Kollegen zu konkurrieren?« (Rache/ Kampf ) Die Führungskraft sollte sehr aufmerksam zuhören und versuchen, die Welt mit den Augen ihres Gegenübers zu sehen. Die Antworten des Mitarbeiters allerdings sollten vorsichtig bewertet werden, denn sie werden durch das, was sozial oder in der jeweiligen Firmenkultur erwünscht ist, beeinflusst. Auch kann es sein, dass ein Mitarbeiter seine Wünsche nicht gut in Worte fassen kann. Die kontinuierliche Beobachtung eines Mitarbeiters kann weitere Anhaltspunkte über seine Motive liefern. Dabei können Führungskräfte aus verschiedenen Bereichen neue Erkenntnisse gewinnen: Auf welche Weise und über welche Themen redet mein Mitarbeiter mit mir und mit anderen? Redet er gern und viel über Essen, seine Familie, seine Erfolge oder Sport? 233
Vertiefung
Wie exakt plant der Mitarbeiter seine Arbeit? (Ordnung) Sucht er Kontakt zu Kollegen? (Beziehungen, Unabhängigkeit) Arbeitet er sich schnell und bereitwillig in neue Gebiete ein oder bleibt er lieber beim Alten? (Neugier, emotionale Ruhe) Wie reagiert er auf Kritik bzw. Lob? (Anerkennung) Steht mein Mitarbeiter oft beim Arbeiten, nimmt er lieber den Fahrstuhl als die Treppe? (körperliche Aktivität) Gibt es am Arbeitsplatz meines Mitarbeiters Fotos seiner Familie? (Familie) Sammelt er Akten, hebt er alles auf? (Sparen/Sammeln) Welches Auto fährt er? (Status) All diese Beobachtungen geben Hinweise. Allerdings stellen sie immer nur eine Annäherung an die wahren Bedürfnisse und Lebensmotive der Mitarbeiter dar. Ein Verhalten lässt sich eben kaum eindeutig interpretieren: Kauft sich ein Mitarbeiter ein neues, prestigeträchtiges Auto, kann er dies entweder tun, um die Anerkennung anderer zu bekommen und seinen gehobenen Status offen zu zeigen, oder aber weil er das Design des Autos besonders schön fand, er also eine starke Ausprägung des Motivs Eros (beziehungsweise Schönheit) hat.
Motivorientiertes Führen am Beispiel Macht
Für alle 16 Lebensmotive und ihre verschiedenen Ausprägungen gibt es konkrete Ansätze, die Führungskräften helfen können, motivorientiert zu führen. Motivorientierte Führung arbeitet dafür auf zwei Ebenen. Auf der Kommunikationsebene geht es in erster Linie um die Frage: Auf welche Weise und über welche Themen kann ich als Führungskraft mit meinem Mitarbeiter sprechen, um ihn ganzheitlich wertzuschätzen und langfristig zu motivieren? Auf der Handlungsebene geht es darum, welche Maßnahmen eine Führungskraft ergreifen kann, um dem Mitarbeiter einerseits motivierende Aufgaben zu übertragen und andererseits das Umfeld, in dem sich der Mitarbeiter bewegt, seiner Motivation anzupassen. Zur Erklärung beschränke ich mich an dieser Stelle auf das Lebensmotiv Macht, das den Wunsch nach Einflussnahme und Gestaltung beschreibt. Menschen mit einem stark ausgeprägten Machtmotiv streben nach Erfolg, Leistung, Führung 234
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
und Dominanz, während Menschen mit einem niedrigen Bedürfnis nach Macht sich häufig an Service, Dienstleistung und Personen orientieren. Dabei wird über das Machtmotiv keine Aussage getroffen, wie gut jemand führen kann, sondern nur, ob er es gern tut. Auch der Führungsstil an sich wird nicht über das Machtmotiv definiert, sondern über die gesamte Motivkonstellation geprägt.
Wer nach Macht strebt, will Verantwortung
Mitarbeiter mit einem hoch ausgeprägten Machtmotiv sind vor allem dann langfristig motiviert und leistungsbereit, wenn ihnen durch ihre Führungskraft eine Plattform für Leistung durch Einfluss und Gestaltung bereitgestellt wird. Die Coaches Frauke Ion und Markus Brand empfehlen auf der Kommunikationsebene folgende Maßnahmen: Die Führungskraft sollte ihrem Mitarbeiter seinen Entscheidungsspielraum verdeutlichen: »Sie kennen das Ziel, treffen Sie die dafür notwendigen Entscheidungen.« Sie kann durch Reizwörter wie »Vorbild« oder »Leistungsträger« den Ehrgeiz des Mitarbeiters direkt ansprechen: »Als Leistungsträger erwarte ich von Ihnen ...« Mit den folgenden Handlungsweisen können Führungskräfte dem Wunsch des Mitarbeiters nach Eigenverantwortung nachkommen: Sie geben ihrem Mitarbeiter das Ziel vor, aber lassen ihn den Weg dorthin selbst wählen. Sie erlegen ihrem Mitarbeiter so wenig Einschränkungen wie möglich auf. Sie lassen ihm großen Entscheidungsspielraum oder lassen ihn bei wichtigen Entscheidungen zustimmen.
Wer Macht meidet, ist gerne Dienstleister
Bei einer gegenteiligen Ausprägung eines Lebensmotivs ist es übrigens nicht damit getan, die entsprechenden Maßnahmen »umzudrehen«. So ist es bei einem Mitarbeiter mit einem niedrigen Streben nach Macht für eine nachhaltige Motivation nicht ausreichend, darauf zu achten, dass er keine oder nur geringe Verant235
Vertiefung
wortung übernimmt. Ein solcher Mitarbeiter lässt sich gern von anderen anleiten und wird motiviert, wenn er sich an anderen Menschen orientieren und ihnen einen guten Service bieten kann. Es sollte also versucht werden, ihm eine Plattform für Leistung durch Dienstleistung zu bieten. Für die Kommunikationsebene lassen sich beispielsweise folgende Maßnahmen der motivorientierten Führung ableiten (Ion/Brand Manager Seminare 140/2009): Dem Mitarbeiter sollte die Art und Weise seiner Einbindung in Entscheidungswege erläutert werden: »Wir entscheiden gemeinsam auf Basis Ihrer Vorlage.« Um Orientierungspunkte zu geben, empfiehlt sich eine Strategie der kleinen Schritte: »Jeden Freitag besprechen wir den aktuellen Stand im Teammeeting.« Da Menschen mit geringem Streben nach Macht in der Regel eine ausgesprochene Personenorientierung auszeichnet, lohnt es sich, in der Zielvorgabe das »Für wen?« zu klären: »Frau Meier möchte Ihre Ergebnisse in ihre Kundenpräsentation einbinden.« Auf der Handlungsebene können folgende Maßnahmen zur langfristigen Motivation des Mitarbeiters beitragen: Die Übertragung von Zuarbeitungs- und Assistenzaufgaben, die dem Mitarbeiter erlauben, seine Dienstleistungsqualitäten zu leben. Die exakte Anleitung oder Schulung des Mitarbeiters sorgt für eine reibungslose Einarbeitung und wirkt Unsicherheit entgegen. Die klare Benennung von Ansprechpartnern und Supportmöglichkeiten. Die Vorgabe von Entscheidungskriterien in Form von Checklisten, Handbüchern etc.
Führungskräfte sollten ihre eigenen Motive kennen
Diesen Tipps stur zu folgen, reicht allerdings nicht aus, um wirklich motivorientiert zu führen. Aufseiten der Führungskraft setzt der Ansatz idealerweise auch eine gute Menschenkenntnis, zumindest aber eine echte Offenheit für die Werte und Prioritäten anderer Menschen voraus. 236
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
Die allerdings ist nicht selbstverständlich. Im Gegenteil: Jeder Mensch trägt eine individuelle und einzigartige Brille, die als Wahrnehmungsfilter ein Schema vorgibt, das ihn die Dinge so sehen und annehmen lässt, wie es ihm entspricht. Unbewusst geht jeder davon aus, dass seine eigene Sicht auf die Welt die richtige ist. Diese natürliche Tendenz, andere Personen gemäß den eigenen Wünschen und Interessen wahrzunehmen und ihre eigentlichen Bedürfnisse entsprechend umzuinterpretieren, wird nach Steven Reiss als »Selfhugging« (Selbstbezogenheit oder Selbstverliebtheit) bezeichnet. Will ein Chef motivorientiert führen, muss er sich diese Neigung, die im zwischenmenschlichen Bereich für viele Missverständnisse verantwortlich ist, also ganz deutlich bewusst machen. Um sie im Zaum halten zu können, braucht es allerdings noch mehr: Er muss sich selbst und seine eigene Lebensmotivkonstellation sehr gut kennen. Denn Menschen neigen dazu, eine positive Eigenwahrnehmung bezüglich der eigenen Motivausprägungen zu haben, während sie eine jeweils andere Ausprägung eines Lebensmotivs emotional nicht verstehen können und daher oft negativ betrachten. Also nur wenn sich Führungskräfte mit ihrer eigenen Motivation und deren Auswirkungen auf ihr Führungsverhalten auseinandersetzen, finden sie einen Ansatzpunkt, um ihre Führungsqualität nachhaltig zu erhöhen. Nach dem Credo: »Nur wer sich selbst führt, kann auch andere führen.«
Wie Lebensmotive unser Handeln bestimmen
Die wichtigste Voraussetzung, um sich selbst führen zu können, ist das Verständnis, wie die Lebensmotive aus dem Reiss-Profil unser Leben tatsächlich bestimmen. Sie müssen sich das wie eine Zwiebel mit mehreren Schichten vorstellen: Die äußerste Schicht ist Ihr reales Verhalten. Darunter liegt die Schicht mit Ihren Fähigkeiten. Darunter befindet sich die Schicht mit Ihrer Wahrnehmung, mit Ihrer Sicht auf die Welt. Noch tiefer in Ihrer Persönlichkeit verwurzelt sind Ihre Glaubenssätze und Einstellungen. Im Kern der Zwiebel liegen Ihre wahren Bedürfnisse – Ihre Lebensmotive. Die einzelnen Schichten beeinflussen sich gegenseitig – und zwar von innen nach außen: Unsere Lebensmotive beeinflussen unsere Glaubenssätze und Einstellungen. Die wiederum prägen unsere Sicht der Dinge, wie wir die Welt sehen und uns 237
Vertiefung
verhalten. Beispiel: Ein hoch ausgeprägtes Beziehungsmotiv kann in dem Glaubenssatz »besser gemeinsam, als einsam« münden und dazu führen, dass sich die Person lieber in Gruppen aufhält. Gleichzeitig wird er Menschen, die ihre Kraft aus dem Alleinsein schöpfen, vermutlich als introvertierte Einzelgänger wahrnehmen (Wahrnehmung). Auf der anderen Seite wird er durch das häufige Zusammensein mit anderen Menschen hoch ausgeprägte »Social Skills« wie etwa eine gute Kommunikationsfähigkeit ausbilden (Fähigkeiten). Sein konkretes Verhalten wird stark von den Themen »Team«, »Mitmenschen«, »Wir« und »Gemeinschaft« geprägt sein.
Verhalten Fähigkeiten Wahrnehmung/ wie wir die Welt sehen Glaubenssätze/ Einstellungen
16 Lebensmotive
Abb. 30: Zwiebelschalen-Modell: Dieses Modell geht zurück auf Frauke Ion und Markus Brand: Motivorientiertes Führen; Führen auf Basis der 16 Lebensmotive nach Steven Reiss, 2009, S. 42.
Unsere Motive nehmen wir als Endzweck des Handelns wahr, auch wenn vordergründig andere Ziele verfolgt werden. Beispiel: Das Ziel »Geld verdienen« nutzt zur Befriedigung des Motivs »Status« oder dem Motiv »Unabhängigkeit« oder sogar dem Streben nach »Emotionaler Ruhe«. Insofern dient das Ziel letztlich der Befriedigung unserer Lebensmotive, also dem Kern der Zwiebelschale. Motivation entsteht nach diesem Modell aus dem Zusammenspiel des Motivs und der konkreten Situation. Nehmen wir in einer Situation wahr, dass diese ei238
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
nes unserer Motive befriedigen könnte, entsteht die Motivation, etwas zu tun. Das Organisieren einer Firmenfeier kann also gleichzeitig die Motive »Beziehung« und »Anerkennung« befriedigen – wenn das keine Motivation ist! Auch unser Zusammenleben, das Verständnis für unsere Mitmenschen und Kollegen, wird stärker von unseren Lebensmotiven bestimmt, als viele ahnen. Ehrgeizige und erfolgsorientierte Menschen können nicht verstehen, warum aus ihrer Sicht ambitionslose Zeitgenossen nicht mehr tun, um ihre Lage zu verbessern. Dienstleistungsorientierte Menschen können nicht verstehen, warum erfolgsorientierte Menschen so viel Zeit für ihre Karriere opfern. Menschen mit klaren Regeln und Prinzipien verstehen ihre Kollegen nicht, die sich von Spontaneität, Zielorientierung und Nützlichkeit leiten lassen. Menschen mit traditionellen Prinzipien und ausgeprägtem Ehre-Motiv verstehen nicht, wie wenig Charakter zielorientiert handelnde Menschen zu haben scheinen. Diese wiederum wundern sich, wie Menschen mit Normen und traditionellen Werten so selbstgerecht auftreten können, ohne dazu aufgefordert worden zu sein. Die meisten Menschen können sicherlich auch nicht nachempfinden, weshalb ein Sportler so viel Zeit seines Lebens mit seiner Passion verbringt. Der Sportler wiederum denkt: »Wie kann man nur so viel Lebenszeit mit Faulenzen verplempern?«
So vermeiden Sie kommunikative Missverständnisse
Wie selbstverständlich geht man davon aus, selbst die besten, vernünftigsten und edelsten Werte und Motive zu haben. Und diese sollten natürlich auch für andere gelten. Je mehr man in solchen Eigenperspektiven verfangen ist (»Self-Hugging«) und hartnäckig an seinem Standpunkt festhält, desto größer wird die Gefahr, eigene Motive nach dem Motto »Was für mich gut ist, ist auch für andere gut« auf Partner, Freunde oder Kollegen unreflektiert zu übertragen und viele unnötige Missverständnisse und Konflikte zu schaffen. Leider sehr häufig zu beobachten ist der Versuch, andere von den eigenen Werte zu überzeugen, sie »hinbiegen« zu wollen. Dieser »Dauer-Versuch« läuft nicht nur in vielen Beziehungen und Ehen, sondern auch im Verhältnis der Eltern zu den Kindern. So versuchen Eltern, den Berufwunsch ihrer Sprösslinge zu beeinflussen, Männer mäkeln an dem Hobby ihrer Frau herum und umgekehrt und Kollegen verurteilen den Arbeitsstil eines vermeintlichen Außenseiters. Diese »Werte-Tyrannei« (Ion/Brand Manager Seminare 140/2009) geht selten gut, über kurz oder lang vergiftet sie jede Beziehung. 239
Vertiefung
Die Lösung liegt darin, zu verstehen, dass kommunikative Missverständnisse nie einseitig, sondern immer eine Sache von zwei Menschen sind. Wir können den anderen nur verstehen, wenn wir erkennen und akzeptieren, dass er anders ist. Für diesen Prozess ist das Reiss-Profil ein sehr effektives Werkzeug. Es erlaubt uns, die Struktur von zwei Menschen oder auch ganzen Teams sozusagen auf einen Blick zu erfassen. Danach können wir Punkt für Punkt, Motiv für Motiv erarbeiten und verstehen, wieso es zu Konflikten gekommen ist. Nach diesem Prozess können wir dafür sehr gezielt Lösungen entwickeln: Welche neuralgischen Punkte sollte der eine vermeiden, wo muss sich der andere im Sinne der guten Zusammenarbeit einfach etwas mehr anstrengen? Diesen Prozess möchte ich an einigen Beispielen aus meiner Coaching-Praxis verdeutlichen.
Praxisbeispiel: Konflikte im Team Zwei Führungskräfte einer Bank verstanden sich prächtig. Für beide völlig überraschend kam es zu einem großen Konflikt. Von diesem Eklat waren beide richtig geschockt. Mein Auftrag war, herauszufinden und zu analysieren: Wie konnte das passieren? Und wie können beide solche Konflikte in Zukunft vermeiden? Um was es genau ging, habe ich nicht erfahren. Es ist für meine Arbeit im Detail auch nicht wichtig. Entscheidend ist die Struktur des Konfliktes: Kollege A (heller Balken) hatte sehr autark und ohne sich abzustimmen entschieden. Kollege B (dunkler Balken) fühlte sich dadurch zu wenig eingebunden und empfand Kollegen A als verschlossen. Er vermutete, ihm würden Informationen vorenthalten. Er dachte Kollege A kocht da sein eigenes Süppchen. Aber Kollege A hatte gar nichts Böses im Sinn. Ganz im Gegenteil: Er wollte Kollege B schonen, ihn nicht mit Dingen belästigen, die aus seiner Sicht ohnehin klar und besprochen waren.
Die Analyse beider Reiss-Profile ergab eine auffällig hohe Übereinstimmung. Kein Wunder, dass beide Kollegen sich prinzipiell gut verstanden. In den Profilen waren aber zwei neuralgische Punkte erkennbar: Erstens beim Motiv »Teamorientierung«: Bei Kollege A war sie sehr hoch gewichtet, bei Kollege B unterdurchschnittlich gewertet. 240
1,2
1,6
2,0
0,8
1,7
0,4
0,8
0
0,4
-1,6 -1,2 -0,8 -0,4
0,0
-0,4
-0,8
-2
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-2,0
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
2
Macht Teamorientierung Neugier Anerkennung Ordnung Sparen/Sammeln Ziel- und Zweckorientierung Idealismus Beziehungen Familie Status Rache/Kampf Schönheit Essen Körperliche Aktivität Emotionale Ruhe
Abb. 31: Die Reiss-Profile der beiden Bank-Führungskräfte
Zweitens beim Motiv »Ziel- und Zweckorientierung«: Bei Kollege A sehr niedrig, bei Kollege B sehr hoch gewichtet. Meine Analyse: Kollege A mit der hohen Teamorientierung hat gleichzeitig eine niedrige Ziel- und Zweckorientierung. Er legt Wert auf Regeln und Prinzipien und tut sich mit Veränderungen schwer. Seine typischen Fragen sind: »Dürfen wir denn das? Ist das konform mit der Guideline?« Solche Gedanken waren Kollege B völlig fremd, er empfand sie als reine »Korinthenkackerei«. »Was bringt das jetzt?«, fragt er sich und lässt auch schon mal fünfe gerade sein. Er würde auch mal bei Rot über die Ampel gehen, sein Kollege aus Prinzip schon nicht. 241
Vertiefung
Die Lösung lag darin, dass beide erkannten, dass sie bei allen Gemeinsamkeiten auch zwei sehr unterschiedliche Wertvorstellungen haben. Denn jeder von beiden hatte es ja gut gemeint. Durch die Arbeit mit dem Reiss-Profil bekam jeder einen positiven Blick auf die Welt und die Werte des anderen. So konnten sie gegenseitige Toleranz entwickeln, Maßnahmen zur Konfliktvermeidung verabreden und haben dadurch Reibungspunkte vermieden.
Praxisbeispiel: Der Kampf um Anerkennung Zwei Führungskräfte-Trainer, die als Team arbeiteten, kamen zu mir ins Coaching, da sie Probleme mit den Themen Kritik und Anerkennung hatten. Eine Analyse beider Reiss-Profile ergab: Bei dem einen Trainer (heller Balken) war das Motiv »Anerkennung« sehr hoch gewichtet, bei dem anderen dagegen sehr niedrig (dunkler Balken). Diese Konstellation führte in der Arbeitspraxis zu folgendem Konflikt: Dem Trainer mit der hohen Gewichtung von Anerkennung fehlte in der Zusammenarbeit einfach differenziertes Feedback von seinem Kollegen. Am liebsten hätte er natürlich mehr detailliertes Lob gehört, zumindest aber etwas Anerkennung für die geleistete Arbeit. Daran dachte der andere Trainer aber gar nicht, da er selbst kein Feedback braucht, weil es ihm nicht so wichtig ist. Im Gegenteil: Lob und Anerkennung findet er sogar schnell übertrieben und »schleimig«. Sein Motto: Das Ausbleiben von Kritik ist doch Lob genug! Aber über die ausbleibende Anerkennung war sein Kollege richtig frustriert. Hinzu kam noch ein anderer Aspekt: Der Trainer, dem Anerkennung so wichtig war, versuchte im Konfliktfall die Kritik an seinem Kollegen – so wie er es selbst am liebsten hatte – möglichst zart und sensibel zu formulieren. Aber das kam bei seinem nicht so dünnhäutigen Kollegen gar nicht an. Der nahm diese super vorsichtig formulierte Kritik nicht hinreichend ernst. »Merkt der denn gar nichts?«, fragte sich daraufhin sein Kollege.
Auch das ist ein sehr typisches Beispiel für gegenseitige Missverständnisse aufgrund unterschiedlicher Motiv-Konstellationen. Beiden half, ihre Unterschiedlichkeit erst einmal zu akzeptieren und konkret aufeinander zuzugehen: Der Trainer mit dem niedrigen Bedürfnis nach Anerkennung musste sich vornehmen, regelmäßig und vor allem auch differenziert zu loben. Sein Kollege mit dem hohen Bedürfnis nach Anerkennung musste lernen, Kritik klar und deutlich zu formulieren. 242
1,2
1,6
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Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
2
Macht Teamorientierung Neugier Anerkennung Ordnung Sparen/Sammeln Ziel- und Zweckorientierung Idealismus Beziehungen Familie Status Rache/Kampf Schönheit Essen Körperliche Aktivität Emotionale Ruhe
Abb. 32: Die Reiss-Profile der beiden Trainer
Praxisbeispiel: Wenn der Job zur Belastung wird Eine Top-Führungskraft einer Unternehmensberatung kam zu mir in die Praxis, da sie in einem wichtigen Aufgabenbereich ihrer Tätigkeit nicht erfolgreich war: Der Manager musste für seine Firma ständig neue Kunden akquirieren. Aber diese Vertriebstätigkeit lag ihm gar nicht, sie strengte ihn an, und er war auch nicht besonders gut darin. 243
2,0
1,7
0,8
0,4
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-0,8
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Vertiefung
Macht Teamorientierung Neugier Anerkennung Ordnung Sparen/Sammeln Ziel- und Zweckorientierung Idealismus Beziehungen Familie Status Rache/Kampf Schönheit Essen Körperliche Aktivität Emotionale Ruhe
hoch
Durchschnitt
niedrig
Abb. 33: Reiss-Profil Unternehmensberater
Nach Analyse seines Reiss-Profils konnte man sehr klar sehen, wo seine Konflikte lagen: Das Motiv »Beziehung« war bei ihm niedrig ausgeprägt. Somit fiel ihm das wichtige »Netzwerken« und Kontakte pflegen sehr schwer, es war anstrengend für ihn. Zudem hatte das Motiv »Rache/Kampf« nur eine geringe Ausprägung. Dadurch spornten ihn Performance-Vergleiche auch nicht so richtig an. Ihm fehlte die Motivation für die Vertriebsaufgaben. Und obendrein hatte das Motiv »Teamorientierung« bei ihm ebenfalls nur einen geringen Stellenwert. Dadurch gelang es ihm nur bedingt, sein Mitarbeiter-Team für die Aufgabe zu begeistern und richtig einzusetzen. Und zu guter Letzt war das Motiv »Ziel- und Zweckorientierung« bei ihm stark ausgeprägt. Dabei steht der persönliche Nutzen stark im Vordergrund. In Kombi244
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
nation mit seinem geringen Wunsch nach Kontaktaufnahme und Netzwerkpflege wirkte er im Umgang mit Menschen immer etwas schroff und eben nicht so smart, wie ein guter Verkäufer rüberkommen sollte.
Bei der gemeinsamen Auswertung des Profils war schnell klar, dass dem Manager aufgrund seiner Motivstruktur die dauerhaft motivationale Eignung für seine Kernaufgabe fehlte. Sie strengt ihn an und kostet ihn sehr viel Überwindung. Er überlegte daraufhin, ob firmenintern ein Aufgabenwechsel möglich war. Er versuchte die Vertriebsaufgaben an Kollegen abzugeben und dafür andere wichtige Sachthemen zu übernehmen: zum Beispiel Prozess-Optimierungen beziehungsweise Effizienzsteigerungs-Prozesse oder Veränderungs-Prozesse anschieben und durchsteuern.
Das Reiss-Profil im Spitzensport
Im Leistungssport wird schon lange und intensiv mithilfe des Reiss-Profils gecoacht. Die Liste der betreuten Top-Athleten und -Mannschaften ist umfangreich, unter ihnen: der Olympiakader der Gewichtheber mit Goldmedaillengewinner Matthias Steiner, die deutsche Handball-Nationalmannschaft unter Heiner Brand, die erfolgreiche deutsche Biathlon-Nationalmannschaft, sowie die Fußball-Teams FSV Mainz 05 unter Jürgen Klopp, Alemannia Aachen unter Dieter Hecking, SpVgg Greuther Fürth und Eintracht Braunschweig jeweils unter Leitung von Benno Möhlmann. Für Aufsehen sorgte die Arbeit von Cheftrainer Mirco Slomka. Auf Basis des Reiss-Profils formte er in den Jahren 2006 bis 2008 aus dem zusammengewürfelten Team von Fußballprofis die überaus erfolgreiche Mannschaft Schalke 04. Er ließ Profile von jedem Spieler erstellen und konnte so sehen, welcher Spieler besonders nervenstark und ein prädestinierter Elfmeterschütze sein könnte. Es war auch ersichtlich, welcher Fußballer sich als Führungsspieler eignete und wer nicht. Denn ein Trainer muss die Persönlichkeit des Athleten verstehen, um ihm die Leistungs- und Motivationsplattformen anbieten zu können, auf denen er sich optimal entfalten kann (Bernhart, Leistungssport 4/2009). Aus allen Einzelprofilen wurde außerdem ein Teamprofil erstellt. Aus dieser Matrix konnte Slomka ablesen, wie er sein Team ansprechen und motivieren musste. Hier einige Beispiele: 245
Vertiefung
Ist bei einem Spieler das Motiv »Unabhängigkeit« niedrig ausgeprägt, entsteht Leistung aus dem Streben nach Gemeinsamkeit. Der Spieler stellt sich gerne in den Dienst der Mannschaft, orientiert sich vorzugsweise an anderen. Motivierende Sätze vom Trainer zu diesem Spieler können sein: »Wir gehören alle zusammen« oder »Wir gewinnen zusammen, wir verlieren zusammen«, »Die Fans sind bei dir« und »Alle für einen, einer für alle.« Ist das Motiv »Anerkennung« bei einem Spieler stark ausgeprägt, dann will er Fehler vermeiden und immer perfekt sein, um die Anerkennung nicht zu gefährden. Im Wettkampf ist wichtig, dass der Trainer ihn dabei unterstützt und mögliche Selbstzweifel abbaut. Dafür empfehlen sich Sätze wie: »Ich glaube an dich« oder »Jeder hat gesehen, dass du das kannst«, »Konzentriere dich nur auf die nächste Situation« und »Das hast du schon häufig gezeigt«. Ist das Motiv »Familie« bei einem Spieler stark gewichtet, dann ist diese Kommunikation hilfreich: »Spiele so, dass du deinen Kindern davon erzählen kannst« oder »Deine Familie unterstützt dich«. Ist bei einem Spieler das Motiv »Status« hoch, dann könnten Ferraris als Dienstwagen angeschafft werden. Motivierende Botschaften sind: »Ohne dich können wir dies nicht tun«, »Du hast die Verantwortung für den Ruf der Mannschaft« und »Wir sind mit deiner Hilfe die Besten« (Bernhart, Leistungssport 4/2009). Auch die Auswertung der Teamprofil-Matrix der gesamten Mannschaft gibt dem Trainer äußerst wertvolle Hinweise für seine Arbeit. Wenn der Trainer die Mannschaft als Ganzes anspricht, dann sollte er nur die Emotionen ansprechen, die für möglichst viele Spieler relevant sind (Pichler, Wirtschaft und Weiterbildung 2/2010). So stellt er sicher, dass er die Mannschaft erreicht. Wichtig ist daher zunächst ein Überblick über die Motive mit häufig geringer Ausprägung im Team und die mit häufig hoher Ausprägung. Hier die Analyse des Teamprofils einer fiktiven Mannschaft: Das Motiv »Neugier« ist in der Team-Matrix niedrig. Das heißt, das Team hat viele Spieler, die als Praktiker und Macher einzuschätzen sind. Sie benötigen eine Sprache, die am Praktischen orientiert ist, damit sie den Trainer wirklich verstehen. Das Agieren mit Grundsätzen, Ideen und Prinzipien würde in diesem Fall nicht funktionieren. 246
Zu Kapitel 2.2: Das Reiss-Profil
Das Motiv »Anerkennung« ist ebenfalls niedrig gewichtet. Daran sieht der Trainer, dass das Team überwiegend aus selbstbewussten Spielern besteht, die sich eher über Kritik, als über Lob verbessern. Sie benötigen eine direkte und klare Fehleransprache, um eine mögliche Fehlereinschätzung oder gar Selbstüberschätzung zu korrigieren. Wenn das Motiv »Status« auch im Mannschaftsprofil stark gewichtet ist, dann bedeutet dies, dass sehr viele Spieler als elitär, wichtig und unverzichtbar wahrgenommen werden wollen. Ihnen ist es wichtig, in einer besonderen Mannschaft eine besondere Rolle zu spielen. Zum Eklat kann es kommen, wenn so ein »StarEnsemble« gegen eine »Underdog«-Mannschaft antreten muss. Denn ein Sieg gegen die »Underdogs« bietet für die Spieler keine Belohnung, wodurch die Gefahr einer verminderten Leistung steigt. Hier muss der Trainer mit selbst gesteckten Leistungsanforderungen gezielt dagegen arbeiten. Ist das Motiv »Rache/Kampf« im Teamprofil ausgeprägt, dann will ein Großteil der Mannschaft ungedingt gewinnen. Alles, was daran hindert, wie vermeintlich ungerechte Schiedsrichterentscheidungen oder Fouls der Gegenspieler, können starke Emotionsschübe hervorrufen. Der Trainer sollte das Team daher vor dem Spiel nicht zusätzlich pushen, da sonst mit Fouls, Meckern und den entsprechenden Sanktionen der Schiedsrichter zu rechnen ist. Die Auswertungsbeispiele zeigen: Die Methode liefert differenzierte Hinweise, wie einzelne Sportler oder eine ganze Mannschaft als Ganzes »ticken« und wie auf Basis dieser Erkenntnisse das Training optimiert werden kann. Im deutschen Spitzensport wird das Reiss-Profil in sehr unterschiedlichen Bereichen eingesetzt: So geht es bei der Biathlon-Nationalmannschaft vorrangig darum, das hohe Leistungsniveau zu halten und punktuell noch zu steigern. Im Olympiakader der Gewichtheber liegt ein Schwerpunkt auf der Steuerung des Wettkampfes. Die besondere Herausforderung für Bundestrainer Frank Mantek besteht darin, in der entscheidenden Situation kurz bevor der Athlet die Bühne betritt, die richtigen Worte zu finden und die Situation aus Sicht des Athleten optimal zu gestalten. »Gerade im Wettkampf, beim alles entscheidenden letzten Versuch, kommt es darauf an, dass der Athlet mit genau den richtigen Emotionen angesprochen wird, die ihn dazu bringen, das absolut Außergewöhnliche zu wollen und zu tun«, beschreibt Frank Mantek diesen Prozess (Bernhart, Leistungssport 4/2009). Die Olympischen Spiele 2008 in Peking, bei denen Matthias Steiner im letzten Versuch ein nie zuvor gestemmtes Gewicht meisterte, bestätigen dies eindrucksvoll. 247
Vertiefung
Die Handballnationalmannschaft mit Heiner Brand nutzte das Instrument im Vorfeld der erfolgreichen Weltmeisterschaft 2007. Auch in der Umbruchphase, kurz vor der Weltmeisterschaft 2009 in Kroatien, kam das Reiss-Profil zum Einsatz: Es ging um die Teambildung der stark veränderten und verjüngten deutschen Mannschaft. Die Arbeit mit dem Reiss-Profil half, die Neulinge schneller zu integrieren und das Zusammenwachsen des gesamten Kaders zu fördern.
Zu Kapitel 2.5: Der Vertrag mit sich selbst Aktivitäten und zeitliche Planung einzelner Ziele
1. Work-Life-Balance-Bereich, in dem ich etwas verändern möchte: a) Arbeit/Leistung/Karriere oder b) Familie/Beziehungen/Soziales oder c) Körper/Gesundheit oder d) Lebenskonzept/Sinn/Werte/persönliche, ethische, spirituelle Entwicklung 2. Was genau soll anders sein? _____________________________________________ _____________________________________________ 3. Was motiviert mich, das zu ändern? _____________________________________________ _____________________________________________ 4. Was genau möchte ich erreichen? Welches Ziel? Was, bis wann, mit wem, wie? In welchem Kontext? (= Zielformulierung nach SMART) S____________________________________________ M___________________________________________
248
Zu Kapitel 2.5: Der Vertrag mit sich selbst
A____________________________________________ R____________________________________________ T____________________________________________ 5. Woran genau erkenne ich, dass ich mein Ziel erreicht habe? _____________________________________________ _____________________________________________ oder: Stellen Sie sich vor, Sie hätten das Ziel erreicht. Was genau nehmen Sie dann mit Ihren Sinnen wahr? (schon drei »Sinnes-Sorten« reichen aus, um die Zielenergie zu »bahnen«) Sehen_________________________________________ Hören_________________________________________ Fühlen ________________________________________ Riechen _______________________________________ Schmecken_____________________________________ 6. Was bedeutet es für mich, dieses Ziel zu erreichen? (Welche Top-Werte stelle ich hierdurch sicher/befriedige ich?) Oder: Wofür/wozu lohnt es sich, dieses Ziel zu erreichen? _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ 7. Was bin ich bereit, dafür loszulassen, zu geben, einzusetzen? _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ 249
Vertiefung
8. Welche einzelnen Schritte sind zu tun? Was genau, wie genau, mit wem und warum? _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ 9. Welche meiner Ressourcen/Kraftquellen werden mich unterstützen auf dem Weg zu meinem Ziel? _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ 10. Welche Hindernisse erwarte ich? (NRP = Nebenwirkungen, Risiken, Preise) _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ 11. Wie löse oder überwinde ich diese Hindernisse (NRP)? _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ 12. Wer außer mir profitiert sonst noch vom Erreichen meines Zieles? Was haben andere davon? _____________________________________________ _____________________________________________ 250
Zu Kapitel 2.5: Der Vertrag mit sich selbst
13. Wie belohne ich mich für die Erreichung der Teilziele/Meilensteine? _____________________________________________ _____________________________________________ 14. Welches wird wann mein erster Schritt sein? _____________________________________________ _____________________________________________ _____________________________________________ Jetzt machen Sie ernst = Schließen Sie den Vertrag mit sich selbst! Diese Selbstverpflichtung erhöht Ihre Chancen, durchzuhalten. Vertrag:
Ich, (Vorname, Name)_____________________________ verpflichte mich dazu, ________mal pro Tag, Woche, Monat _____________________________________________ zu tun. Am _______________(Datum) werde ich überprüfen, wie weit ich gekommen bin. Wenn ich die ersten zwei, drei, vier Wochen durchgehalten habe, gönne ich mir ____________________________ als Belohung. ______________________ _______________________ Ort, Datum
Unterschrift 251
Vertiefung
Zu Kapitel 3: Deckerinnerungen (Biografie-Stress) Deckerinnerungen führen auf unbewusster Ebene zu emotionsbedingte Leistungs- und Konzentrationseinschränkungen. In Prüfungen oder prüfungsähnlichen Situationen (Vorstellungsgespräche, Auftritte, Präsentationen, Verhandlungen, Interviews) kann eine beliebige Verhaltensweise anderer (zum Beispiel: kritischer Blick, Rückfragen, Gegenstände, Geräusche, bestimmter Tonfall) das Unbewusste eines Menschen an einen emotionalen Stress in seinem Leben erinnern und ganz überraschend, unkontrollierbar und manchmal überhaupt nicht nachvollziehbar Blockaden beziehungsweise Stress auslösen. Die Erlebnisse oder Prägungen können sehr weit zurückliegen und hängen noch unverarbeitet und daher »nicht geheilt« im Limbischen System fest – wie wunde Punkte. Das Limbische System löst dann den »emotionalen Alarm« aus und auf kognitivem Wege sind diese früheren Erfahrungen nicht zu bearbeiten (vgl. Vössing 2005). Folgendermaßen beschreibt Heidrun Vössing, was bei nicht verarbeiteten Stresserlebnissen in unserem Gehirn passiert: »Man kann sich das Langzeitgedächtnis als ein Zimmer mit Schreibtisch und Aktenschränken vorstellen. Normalerweise gibt es da einen Mitarbeiter, der die Ablage macht und jedes Ereignis, das auf seinen Schreibtisch kommt, gewissenhaft sortiert, in eine Art Akte legt und in den »Erinnerungsschrank« räumt. Nur was in diesem Erinnerungsschrank liegt, bewertet unser Gehirn als vergangen. Wenn dagegen traumatische Erfahrungen oder unverarbeitete Stresserlebnisse auf diesem Schreibtisch landen, kann der Mitarbeiter kein passendes Fach finden und lässt es liegen. Und weil der Mitarbeiter kein passendes Fach im Erinnerungsschrank für die »Akte« findet, hält unser Gehirn die Stress-Akte für eine aktuell gegenwärtige Erfahrung. Das kann über einen langen Zeitraum so weitergehen und bedeuten, dass wir diese negative Erfahrung immer wieder erleben.« Im WingWave-Coaching finden (über den Muskeltest) und bearbeiten wir solche unverarbeiteten Stresserinnerungen und ermöglichen dadurch das Einsortieren in den »Erinnerungsschrank« (die übliche psychische und physische Belastungsfähigkeit für Coachings vorausgesetzt!).
252
Zu Kapitel 3: Wie »isolierte Blockaden« oder Phobien entstehen
Zu Kapitel 3: Wie »isolierte Blockaden« oder Phobien entstehen Es gibt unterschiedliche Erklärungsmodelle für die Ursachen »isolierter Blockaden« oder von Phobien. Zur Unterscheidung sei gesagt, dass »isolierter Blockaden« eher ein Coachingthema sind, da sie die allgemeine Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigen. Phobien hingegen können so stark beeinträchtigen, dass sie die Arbeitsfähigkeit mindern können. Hier finden Sie eine Zusammenfassung der unterschiedlichen Erklärungsmodelle zur Entstehung. Handelt es sich vielleicht um genetische, einprogrammierte Überbleibsel von Urängsten? Schließlich war (und ist es) in vielen Regionen der Welt für das Überleben ausgesprochen sinnvoll, Spinnen und Schlangen mit großem Respekt zu begegnen. Und etwas Vorsicht beim Klettern in schwindeligen Höhen kann auch sehr förderlich für die Gesundheit sein. Ausgehend von dem bekannten »Little-Albert-Experiment« 1920 an der JohnsHopkins-Universität in Baltimore in den USA nahmen Wissenschaftler zunächst an, dass es sich bei Phobien um das Ergebnis einer unglücklichen Konditionierung handeln müsse. In einer Vorstudie untersuchten die Forscher Watson und Rayner die Gefühlsreaktionen des damals neun Monate alten Albert (daher der Name »Little Albert«). Zum ersten Mal in seinem Leben zeigte man Little Albert eine weiße Ratte, ein Kaninchen, einen Hund, einen Affen, menschliche Masken mit und ohne Haaren, Baumwolle und Ähnliches. Albert zeigte nie Angst oder Furcht und griff stets neugierig nach den Dingen. Furcht zeigte das Kind aber, wenn hinter ihm mit dem Hammer auf eine Eisenstange geschlagen wurde. Im eigentlichen Experiment zeigte man Albert dann die weiße Ratte und gleichzeitig ertönte hinter ihm der laute Ton der Eisenstange. Er wimmerte leicht, als er die Ratte mit der Hand berührte. Nach zweimaliger Wiederholung weigerte sich Albert bereits, die Ratte anzufassen, nach sieben Wiederholungen zeigte er bereits eine massive Angstreaktion beim Anblick der Ratte. Schließlich zeigte er sogar Angst bei Reizen, die der Ratte nur ähnlich sahen wie Fell, Baumwollbüschel und weiße Bärte. Watson und Rayner gingen davon aus, dass die erlernten Reaktionen das ganze Leben über bestehen bleiben und die Persönlichkeit dauerhaft verändern. Das Experiment gilt heute nicht nur als ethisch äußerst fragwürdig, sondern ist auch wissenschaftlich umstritten (vgl. Wikipedia, Phobie). 253
Vertiefung
Häufig werden lerntheoretische Ansätze zur Erklärung von Phobien herangezogen. Sie gehen ebenfalls von einer klassischen Konditionierung, also dem früheren Erlernen der Angst aus, allerdings muss die Verbindung zwischen Angst und Angstauslöser nicht immer logisch sein, sondern kann auch zufällig geschehen. Das Grundprinzip dieses Lernvorgangs besteht darin, dass die Person einem Stimulus ausgesetzt ist, der naturgegeben Angst auslöst wie etwa ein lauter Knall, ein enormer Schreck oder ein Autounfall. Wenn beispielweise ein kleiner Junge mit seiner Schulklasse einen Kirchturm besteigt und in dem Moment der ohrenbetäubende Lärm der plötzlich läutenden Kirchenglocken dem Jungen einen Schreck einjagt, kann daraus ein konditionierter Reiz entstehen. Folge ist nach dieser Theorie eine Höhenangst, die man sich nur schwer logisch erklären kann (siehe Kap. 3). Nach der psychoanalytischen Theorie entstehen Phobien durch die Verschiebung von Angst auf einen Gegenstand oder eine Situation. Das ist ein psychischer Abwehrmechanismus. Eine zu belastende Angst wird verdrängt und tritt dann in veränderter Form, also beispielsweise als Angst vor Spinnen, Schlangen oder Höhenangst wieder auf. Wird man sich in der Therapie der ursprünglichen Angst bewusst, verschwindet im günstigen Fall auch die Phobische Störung. Es gibt weitere Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften zum Thema Phobien. Der TV-Sender Vox strahlte in Deutschland die britische Wissenschaftssendung »BBC Exklusiv« aus. In der Folge »Phobia – die nackte Angst« wurde versucht, mithilfe von Gehirnscan-Aufnahmen der Phobie auf die Spur zu kommen. Zeigt man Versuchspersonen angsteinflößende Bilder wie Horrormasken, wird die Amygdala aktiv – unsere Alarmglocke im Gehirn schrillt. Kurz nach der Darbietung »erlischt« die Amygdala jedoch sofort wieder (Besser-Siegmund/Siegmund 2010). Zeigt man jedoch Phobikern ein Bild, das mit ihrer Angst in Verbindung steht (zum Beispiel ein Blick in die Tiefe bei Höhenangst), leuchten im Gehirnscan die Amygdala und der linke Hippocampus gleichzeitig auf. In diesem Teil des Gehirns sitzt das Gefühlsgedächtnis. Bei anderen Versuchspersonen zeigte der Hippocampus bei den Angstbildern dagegen keine Reaktion. Bei einer Phobie haben sich offensichtlich Alarmglocke und Gefühlsgedächtnis zu einem fest vernetzten Team zusammengefunden. Es ist nicht mehr möglich, die Aufnahme mit dem Blick in die Tiefe anzuschauen, ohne dass die Alarmglocke schrillt und eine Überdosis an Stresshormonen ausgeschüttelt wird. Hinzu kommt, dass dieses unheilvolle Team ja auch noch einen Zeitvorsprung hat. Unsere Sinneswahrnehmungen müssen immer zuerst das Limbische System, un254
Zu Kapitel 4: Erfahrungsberichte
ser Gefühlsgehirn, passieren, bevor sie an den Cortex, unser Denkhirn, weitergeleitet werden. Dieses Weiterleiten dauert eine halbe bis dreiviertel Sekunde. Vorher bewertet der Thalamus vor dem gesamten Hintergrund unserer Erfahrungen den neuen Reiz und meldet umgehend der Amygdala, falls er diesen für bedrohlich hält (siehe auch Kapitel 3.2). Deswegen setzt auch der Schreck eine halbe bis dreiviertel Sekunde früher ein als unser Verstand. Ist der Schreck erst einmal ausgelöst, kann der Verstand seine einordnende und erklärende Wirkung nicht mehr wirkungsvoll entfalten (Besser-Siegmund/Siegmund 2010). Der Schreck ist uns bereits in die Glieder gefahren. Normalerweise haben wir ein wunderbares Gegenmittel gegen solche unglücklichen Emotionsverkettungen: den Schlaf und das Träumen. Beim Träumen verdauen wir einen großen Teil unserer Erlebnisse. Ist die Verkettung von Emotion und Angststress aber zu groß, kann der Traum seinen verarbeitenden Prozess nicht mehr richtig durchführen. Der Prozess bleibt an einer bestimmten Stelle hängen wie eine CD, die einen tiefen Kratzer abbekommen hat. Anstelle der wohltuenden Auflösung führt diese Traumblockierung im ungünstigen Fall zu quälenden Albträumen, die den Betroffenen aus dem Schlaf aufschrecken lassen (BesserSiegmund/Siegmund 2010).
Zu Kapitel 4: Erfahrungsberichte Erfahrungsbericht eines Teilnehmers am Examens-Coaching, Steuerberater bei Ernst & Young GmbH: »Sowohl das Identifizieren kleinster Blockaden sowie das Sezieren dieser Blockaden hat mir sehr gut gefallen und dafür gesorgt, dass von Beginn an ein sehr zielorientiertes Coaching stattfinden konnte. Teilweise ist es erschreckend, welche Themen/Ereignisse noch in einem selbst »nicht abgeschlossen« herumgeistern und einen in der Vorbereitung möglicherweise hemmen. Auch der »TÜV« für potenziell Stressendes unmittelbar vor den Klausuren und der mündlichen Prüfung hat diverse Aha-Erlebnisse geliefert und war Gold wert. Wir haben damit noch weitere unbewusste Stress-Themen gefunden und aufgearbeitet, die mich sonst im Ernstfall möglicherweise den Kopf gekostet hätten. Und zwar trotz aller fachlicher Vorbereitungen! Inzwischen nutze ich die SMART- und NRP-Techniken, die WingWave-CD und viele andere Selbst-Coaching-Instrumente für viele andere berufliche Herausforderungen.« 255
Vertiefung
Erfahrungsbericht eines Klienten, der sich »heimlich« Einzelcoaching für sein Wirtschaftsprüfer-Examen gebucht hat, Wirtschaftsprüfer bei KPMG AG: »Das Coaching gab mir einen deutlichen Schub nochmals meine Selbstorganisation zu überdenken, detaillierter zu planen und unter Druck gelassen zu bleiben. Ich erhielt Kniffe zum besseren Lernen, mentale Stärke und mehr Selbstvertrauen. Wenn ich dies gewichten sollte, sind die beiden letzten Punkte wohl das Wichtigste und Schwierigste. Dies liegt daran, dass ich mentale Stärke und Selbstvertrauen allein nur sehr schwierig verbessern konnte. Auch wenn ich zu Beginn des Coachings nicht unbedingt das Gefühl hatte, dass ich hier ein Problem hätte, hat es mir unterm Strich sehr geholfen! Als ich von dem Muskeltest das erste Mal hörte und auch las, konnte ich mir nicht so recht etwas darunter vorstellen. Tatsächlich war die Arbeit mit dem Test und den künstlichen REM-Phasen dann aber absolut beeindruckend und unglaublich effizient.«
Zu Kapitel 4: Weitere Details zum Selbst-Coaching-Tipp: »Ressourcen ankern« Zunächst zu den einzelnen Bestandteilen: »Ressourcen« dienen der Erreichung unserer Ziele und sind vielfältig: Es können andere Menschen sein, deren Anwesenheit oder Rat uns guttut. Speziell »Rollenmodelle« (siehe Kapitel 2.3) dienen dem Lernen von Vorbildern und sind insofern auch eine Ressource (z. B. können wir uns von anderen, sehr guten Rednern etwas abschauen und uns fragen, wie diese wohl Herausforderungen meistern und ihr Erfolgsprinzip schlichtweg »nachmachen«). Aber auch bestimmte Orte, die uns guttun, stärken uns: zum Beispiel ein guter Arbeits- oder Lernort. Genauso können es bestimmte Kleidungsstücke sein, in denen wir uns in Höchstleistungssituationen besonders wohlfühlen. Innere Ressourcen sind beispielsweise all unsere Erfahrungen, Fähigkeiten, Talente oder auch positive Glaubenssätze (»Ich schaffe das schon!«). Außerdem sind Referenzerfahrungen wichtige Ressourcen – also positive Vorerfahrungen in vergleichbaren oder auch übertragbaren Situationen (vgl. auch Heidrun Vössing, NLP in der Coaching-Praxis, 2005). »Anker« sind Auslöser für zuvor daran gekoppelte Emotionen beziehungsweise Befindlichkeiten oder Verhalten. Wir »programmieren« oder »konditionieren« uns also mit Ankern, bestimmte »Ressourcen« empfinden beziehungswei256
Zu Kapitel 5: Kagami
se abrufen zu können und damit eine gewünschte mentale Verfassung zu haben. Jeder unserer Sinneskanäle kann dafür einen Anker darstellen: Zum Beispiel kann uns das Betrachten eines Fotos von einer wichtigen Präsentationssituation visuell schnell in die positiven Empfindungen und Erinnerungen »zurückkatapultieren«, uns dadurch in einen günstigen Zustand versetzen und Freude, Zuversicht, Spaß etc. erleben lassen. Ein »olfaktorischer« Anker (Geruch) verknüpft – zum Beispiel mit einem Parfum – bestimmte Ressourcen. Vielleicht benutzen Sie in bestimmten Situationen oder Stimmungen immer ein spezielles Parfum oder Aftershave: Dann tragen Sie dieses vor einer wichtigen Situation auf und Sie werden bewusst oder unbewusst an die Ressourcen erinnert, die hiermit in Ihrem vergangenen Erleben abgespeichert waren. Genauso können Sie es mit einem besonderen Geschmack machen (gustatorischer Anker): Vielleicht kann Ihnen das unauffällige Kauen eines Kaugummis oder das Lutschen eines Bonbons sogar in einer wichtigen Situation Ressourcen zugänglich machen. Alternativ können Sie vor oder in einer wichtigen Situation »erprobte« Dinge essen oder trinken und damit nicht nur Ihren Körper stärken, sondern auch positive Emotionen oder Erinnerungen wachrufen. »Auditive Anker« sind Dinge, die wir hören oder nur vor dem inneren Ohr auditiv erinnern: zum Beispiel ein bestimmtes Musikstück, das uns an Ressourcen erinnert. Fußballprofis und andere Sportler nutzen solche beim Einzug ins Stadion oder in den Box-Ring. Welches Musikstück könnten Sie in der gedanklichen und emotionalen Einstimmung auf eine besondere Situation hören? Wir können genauso gut innerlich die motivierend-aufmunternde Stimme einer angenehmen Person hören, die uns mit einer Äußerung »anfeuert« (»Hey – gib Gas, gib alles!«) oder beruhigt (»Hey – ruhig, das schaffst du schon. Ich glaube an dich!« oder »Leicht und locker darf es sein!«).
Zu Kapitel 5: Kagami Zur Verdeutlichung, was Kagami-Übungen sind und wie sie wirken, im Folgenden ein Beispiel aus einem Fachartikel (Golftime, 2011) von Sabana Crowcroft, Kagami-Erfinderin und Kagami-Golftrainerin, ehemalige Profigolferin auf der European Ladies Tour, Management-Trainerin, Executive-Coach; Inhaberin KAGAMI® Golf & Leadership Academies: 257
Vertiefung
»Der pyhsische Grund für einen getoppten Schlag ist normalerweise, dass der Körper nach oben geht und sich im Treffmoment zum Ziel hin öffnet, sodass entweder der Schläger die obere Seite des Balls und/oder von außen nach innen mit einem geöffneten Schlägerkopf trifft. Wie auch immer, dies ist nur ein Teil der Geschichte – warum passiert dies? Um Antworten zu finden, müssen wir woanders schauen. Je mehr Sie sich darauf fokussieren, was sein könnte, bevor es passiert, desto mehr werden Sie Stress, Spannung und schlechte Resultate erfahren. Während des Schwungs muss Ihre Aufmerksamkeit vollkommen auf die jetzt stattfindende visuelle oder körperliche Wahrnehmung gerichtet sein, jedoch ohne intellektuelle Gedanken oder Anweisungen! So haben Sie die beste Chance auf ein gutes Ergebnis. Zielorientierung ist wichtig, sie muss aber vor dem Schwung stattfinden. Die Korrektur unterstützen – »Was macht das Tee?« Diese Kagami-Übung ist sehr effektiv und für Golfer aller Spielstärken (vom Anfänger bis zum Profi) geeignet. Sie schaltet den Intellekt aus, bringt Sie ins JETZT und hat zudem noch große Auswirkungen auf die Schwungtechnik: Teen Sie den Ball auf und fragen Sie sich selbst während des Schwungs: »Was macht das Tee gleich nach dem Treffmoment?« Wenn Sie das Tee nicht sehen, wissen Sie, dass sich Ihr Kopf zu frühzeitig bewegt hat und Ihre Augen den Flug des Balles verfolgt haben. Das bedeutet, es hat eine Kopf- und Körperbewegung stattgefunden, bevor der Ball getroffen wurde. Diese veränderte Körper- und Schlägerposition im Treffmoment hat erhebliche Auswirkungen auf das Ergebnis des Schlags. Wichtig ist, dass Sie Ihren Geist trainieren, beim Schwingen im JETZT zu bleiben. Lernen Sie, das Tee zu sehen! So können Sie sicher sein, dass keine frühzeitige Bewegung des Kopfes im Treffmoment die Schwungachse von Kopf und Wirbelsäule destabilisiert.« (Mehr Kagami-Übungen unter www.KlimmerCuT.de oder im Buch KAGAMI von Sabana Crowcroft: Kagami-Golf, Die ganzheitliche Lernmethode für Körper und Geist, 2011)
258
Zu Kapitel 5: Höchstleistungs-Prozess-Ebenen
Zu Kapitel 5: Höchstleistungs-Prozess-Ebenen Das Folgende erläutert die im Kapitel 5 bereits abgebildeten »HöchstleistungsProzess-Ebenen« im Detail.
1.
2.
Sinnesreize
»Filter« (Wahrnehmungsfilter)
Über unsere Sinneskanäle entstehen Sinnesreize: Visuell, Auditiv, Körpergefühl, Geruch, Geschmack Grundeinstellung, Wertvorstellung, Glaubenssätze (Grundüberzeugungen), Lern-/Vorerfahrungen, Erinnerungen, Selbstzweifel etc.wirken wie Wahrnehmungsfilter. D.h. einige Reize nehmen wir bewusst gar nicht wahr. Andere erhalten entsprechende Bedeutungen und sind uns dadurch präsent.
3.
Emotionen
Das limbische System im Gehirn (Emotionszentrum) verknüpft die Reize mit positiven oder negativen Emotionen (z.B. Wut, Unsicherheit, Schamgefühl oder Zuversicht, Begeisterung, Entschlossenheit etc.)
4.
Emotional-mentaler Zustand
Positiv, negativ, in Balance, instabil, (Un)konzentriert, ggf. hohes »Arousal«, Produktion Stresshormone. Leichtes Level: anregend; Überdosis hemmt Denken + Planen
5.
Körpergefühle
Stark oder schwach wahrnehmbar, angenehm/unangenehm (z.B. Herzklopfen, Schweißausbruch, Druckgefühl, flauer Magen oder Kraft, strömende Energie …)
6.
Körper-Reaktionen
Einfluss auf Bewegungsabläufe, Feinmotorik, Muskeltonus (z.B. Griffdruck, Muskelspannungen, Zittern etc.)
7.
Schwung-Ausführung
8.
Ergebnis
Veränderungen (und sei es nur minimal!) von Rhythmus, Tempo, Richtung Ballflug, Schlaglänge (führt z.B. zu Yips, Slices, Pulls, getoppte/zu kurze/lange Bälle, zu weit rechts/links u.v.m. oder optimale Präzision durch genauere Muskelkontrolle.) Schlechtes oder gutes Schlag-Ergebnis: Top oder Flop!
Abb. 34: »Höchstleistungs-Prozess-Ebenen«
1. Sinnesreize: Über unsere Sinneskanäle nehmen wir Dinge aus dem Umfeld wahr: Wir hören Kirchturmglocken, Mähmaschinen, Worte von Flight-Partnern, riechen Dünger, sehen aufrückende, drängelnde Nachfolge-Flights, sehen Flight259
Vertiefung
Partner, die in der Putt-Linie stehen, sehen »komische Blicke« von anderen, sehen eine sehr schwierige Lage unseres Balles im Rough oder im Bunker oder unter einem Baum, fühlen Hunger im Bauch, Kopfschmerzen, Müdigkeit und so weiter. 2. Filter (Wahrnehmungsfilter): Je nachdem, was wir über Sinneskanäle wahrgenommen haben und wie stark der Reiz ist, greifen nun unsere »Filter« beziehungsweise »Wahrnehmungsfilter«: Grundeinstellungen, Wertvorstellungen, Glaubenssätze (Grundüberzeugungen von uns, anderen, der Welt, unseren Fähigkeiten etc.), Lern-/Vorerfahrungen, Erinnerungen, Selbstzweifel und so weiter. 3. Emotionen: Das Limbische System verknüpft den Reiz mit (starken oder schwachen) positiven oder negativen Emotionen: Traurigkeit, Hass, Wut/Ärger, Unsicherheit/ Zweifel, Hilflosigkeit, Schock, Peinlichkeit/Schamgefühl und so weiter. Oder auch Freude, Spaß, Zuversicht, Begeisterung, Entschlossenheit (Hinweis: WingWave Grundlagenforschung an der Sporthochschule Köln hat 2011 ergeben, dass die Emotion Freude im Vergleich zu Angst und Trauer signifikant mehr physische Kraft im Körper bewirkt). Beispiele für die Wirkung »überschäumender« Emotionen: Wenn unsere Vorerfahrung ist, bislang von Bällen in schwieriger Lage immer misslungene Schläge zu produzieren, dann bekommen wir in einem wichtigen Turnier vermutlich eine der genannten negativen Emotionen, sobald wir einen Ball in schwieriger Lage sehen: zum Beispiel im Rough, unter Bäumen, im Bunker. Umgekehrt: Wenn wir in einem Turnier auf unserer Scorekarte irgendwann sehen, dass sich ein positives Ergebnis an das andere reiht, dann werden wir möglicherweise so freudig aufgeregt, dass auch diese Emotionen einen instabilen emotional-mentalen Zustand auslösen. Auch dieses müssten wir im Selbst-Coaching auf der Golfrunde dann über WingWave regulieren (siehe Kap. 6.3). 4. Emotional-mentaler Zustand: Dieser kann positiv oder negativ sein. Abhängig von der Emotionsstärke ist das »Arousal« dann gegebenenfalls zu hoch (was auch zur Produktion von StressHormonen führt) und lässt einen eher instabilen Zustand entstehen. Bei einem leichten Anstieg von Stress-Hormonen fühlen wir uns positiv angeregt und werden leistungsfähiger. Bei einer Überdosis wird der emotional-mentale Zustand nicht nur instabil, sondern unser Denken und Planen ist beeinträchtigt. So kann 260
Zu Kapitel 5: Höchstleistungs-Prozess-Ebenen
es auch kommen, dass wir auf einer Golfrunde unkluge Entscheidungen fällen (zum Beispiel riskante Schläge, risikoreiche Schlägerwahl). Wenn wir bei einem instabilen emotional-mentalen Zustand über Automatismen und eingeübte beziehungsweise »einprogrammierte« Reaktions- oder Interventionsweisen unbewusst oder bewusst über Selbst-Coaching keinen Einfluss nehmen (siehe Kap. 5.7), läuft die Prozesskette »ungehindert« fort: 5. Körpergefühle: Diese wären stark/schwach und unangenehm oder unangenehm – zum Beispiel Herzklopfen, Schweißausbruch, Druckgefühl, flauer Magen. Oder zum Beispiel Kribbeln im Bauch und erhöhter Herzschlag und beschleunigte Atmung, wenn wir in Vorfreude auf einen »schon vor uns liegenden Sieg« oder »ein sehr gutes Turnier-Ergebnis« den extrem positiven Emotionen ungehindert Raum lassen – oder schon im Geiste die Siegerrede vorformulieren. Wenn der emotional-mentale Zustand hingegen positiv ist, dann empfinden wir eher Körpergefühle wie Kraft, strömende Energie, angenehme Wärme. 6. Körperreaktionen: Dies wären insbesondere ein Einfluss auf Bewegungsabläufe, Feinmotorik, Muskeltonus. Zum Beispiel Griff-Druck, Muskelverspannungen oder -entspannungen, Atmung und so weiter. 7. Schwungausführung: Diese wäre emotional beeinflusst und dadurch verändert. Dies führt beispielsweise zur Richtungsveränderung (Ballflug) und zu Änderungen von Schlaglänge, Bewegungsrhythmus, Schlaggeschwindigkeit. Dadurch entstehen auch die gefürchteten Yips, Slices, Pulls, getoppte Bälle, zu kurze/lange Bälle oder zu weit rechts oder links geschlagene Bälle. Im positiven Prozessverlauf führt eine genauere Muskelkontrolle zu optimaler Präzision. 8. Schwung-Ergebnis: Dieses ist dann ungeplant schlechter beziehungsweise anders – bis hin zu TotalDesastern. Das Abrufen von Höchstleistungen hat dann nicht geklappt. Kurz: Top oder Flop.
261
Anhang
KURZ-UMFRAGE »Persönliche Höchstleistungen: Mit welcher Strategie sind Sie erfolgreich?« Bei einer XING-Kurz-Umfrage von Valentin Nowotny (Geschäftsführender Gesellschafter futureformat DGME®) haben sich im Zeitraum vom 4.8.–3.10.2011 361 Personen beteiligt – im Schwerpunkt Fach-/Führungskräfte. Jede Person hatte genau einen Klick. Mit welcher Strategie gelingt es Ihnen am besten, Ihre persönliche Höchstleistung im Beruf abzurufen? 361 abgegebene Stimmen Ich setze mir klare Ziele
18,84 %
Ich bin spontan am besten
8,03 %
Ich nutze gezielt Vorbilder
0%
Ich lerne Schlüsselsätze auswendig
0%
Ich bereite mich im Team darauf vor
1,11 %
Ich arbeite mit einem Coach/Mentor
1,11 %
Ich motiviere mich mit Belohnungen
0,83 %
Ich mache mir einen schriftlichen Plan
4,16 %
Ich brauche Stress, um wirklich gut zu sein
10,25 %
Ich arbeite mit Disziplin und Hartnäckigkeit
7,76 %
Ich setze nur auf gute fachliche Vorbereitung
2,77 %
Ich muss mich körperlich wohl und fit fühlen
5,54 %
Ich versuche in emotionaler Balance zu bleiben
4,43 %
Ich befolge die Ratschläge, die mir mein Chef gibt
0,28 %
263
Anhang
Ich schöpfe Kraft aus meinen persönlichen Werten
5,26 %
Ich greife auf meine Intuition und Erfahrung zurück
14,96 %
Ich versuche die Situation vorher im Kopf durchzuspielen
8,31%
Ich übe und trainiere, um meine Schwächen auszugleichen
1,39 %
Ich nutze bestimmte Rituale (z. B. bestimmte Kleidung, Glücksbringer)
0,55 %
Ich mache mir keinen Druck – ich bin zufrieden, wenn ich 80 % erreiche
1,39 %
Keiner der genannten Punkte
3,05 %
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264
Glossar Anker: Sinnesspezifische (Hören, Sehen, Fühlen, Riechen, Schmecken) Auslöser für zuvor daran gekoppelte Zustände. Z. B. rufen bestimmte Fotos oder Musikstücke spezifische »Urlaubsgefühle« auf. Arousal: Erregungszustand des gesamten Nervensystems. Wird maßgeblich durch das > Limbische System organisiert. Ist das Arousal zu hoch, können uns auch scheinbar kleine und »unwichtige« Ereignisse oder Reize aus der Bahn werfen. Deckerinnerung: Erinnerung an ein unwichtiges Ereignis meist aus der Kindheit, »das einem früheren und bedeutsameren Erlebnis ähnelt und die Erinnerung daran zudeckt.« (Wikipedia) Biografie-Stress: Erfahrungen, Schlüsselsituationen, Traumatisierungen aus der persönlichen Lebensgeschichte, die in der Gegenwart noch Stress auslösen – obwohl die Ereignisse schon lange abgeklungen sind. Das Stressgedächtnis tut so, als hätten diese Stresserlebnisse gerade erst stattgefunden. EMDR: Abkürzung für »Eye Movement Desensitization and Reprocessing«. Klinische Psychotrauma-Therapie, von der Psychologin Francine Shapiro begründet. Es nutzt wache REM-Phasen. Glaubenssätze: »Grundüberzeugungen und Vorannahmen, die unsere Einstellungen, Gefühle und Wahrnehmung (meist unbewusst) steuern. Z. B. »Ich bin ein Verlierer«, »Die Welt ist schlecht« oder auch »Ich bin ein erfolgreicher Mensch«, »Ich habe es verdient, zu gewinnen«, »Alles wird gut«. Sie können günstig oder ungünstig auf unseren emotional-mentalen Zustand wirken und insofern Erfolg begünstigen oder verhindern. Limbisches System: Mittlerer Teil unseres Gehirns, der das emotionale Bewertungssystem für Sinnesreize darstellt. NLP: Abkürzung für »Neuro Linguistisches Programmieren«. Es kann als »Gebrauchsanweisung« für das Gehirn bezeichnet werden. Es ist eine Methodensammlung zur Veränderung unseres Befindens und Verhaltens. »Neuro« steht für 265
Glossar
unser Gehirn und unsere Gehirnzellen, die unser Erleben und Verhalten organisieren. »Linguistisch« steht für genaues Hinhören und gezieltes Sprechen. Ebenfalls für die Erreichbarkeit der neuronalen Strukturen durch Sprache bzw. durch einzelne Wörter. »Programmieren« steht für Lernen bzw. für das Steuern und Verändern von Verhalten. Unsere Strategien bzw. »Programme« sind mehr oder weniger nützlich und können verändert werden. Die Grundannahmen und Methoden des NLP können in allen Bereichen menschlicher Kommunikation eingesetzt werden. Reframing: Durch Umdeutung wird einer Situation oder einem Geschehen eine andere Bedeutung oder ein anderer Sinn zugewiesen. Man versucht, die Situation in einem anderen Kontext (oder »Rahmen«) zu sehen. Z. B. »Scherben bringen Glück«. REM-Phasen: Abkürzung für »Rapid Eye Movement«. Diese besonders schnellen Augenbewegungen haben wir in den Schlafphasen, in denen wir besonders intensiv träumen und Emotionen verarbeiten. Ressourcen: Kraftquellen des Menschen, die positive Zustände auslösen (Fähigkeiten, Erinnerungen, andere Menschen, > Glaubenssätze etc.). Thymusdrüse: Drüse unter dem Brustbein, die eine wichtige Rolle bei der Versorgung des Nervensystems mit allgemein entstressenden Botenstoffen spielt. Durch leichtes Klopfen auf das Brustbein erfahren wir einen messbaren Zuwachs an Kraft und Stärkung des Immunsystems. WingWave®: Ein Kurzzeit-Coaching-Instrument, das von den beiden Psychologen Cora Besser-Siegmund und Harry Siegmund entwickelt wurde. Es ist ein geschütztes Verfahren, dass wache > REM-Phasen mit > NLP und einem Muskeltest kombiniert. WingWave®-CD: CD bzw. MP3-Download mit entspannender Musik inkl. auditiver rechts-links-Stimulation der Gehirnhälften. Dies fördert die Koordination der Gehirnhälften bzw. unterschiedlicher Gehirnareale. Allgemeine Stressregulation und Selbst-Coachings über künstliche > REM-Phasen sind hiermit möglich.
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Anmerkungen 1 Hier und im Folgenden des Kapitel 2: Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB): Quartalsmeeting 03/2009 2 Wenn nicht anders vermerkt, sind Inhalte und Zitate hier und im Folgenden des Kapitel 3 entnommen aus: Besser-Siegmund, Cora; Siegmund, Harry: WingWave-Coaching: wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, Junfermann, 2010.
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Literatur Akademie für neurowissenschaftliches Bildungsmanagement (AFNB): Quartalsmeeting 03/2009. Bauer, Joachim: Warum ich fühle, was du fühlst. Intuitive Kommunikation und das Geheimnis der Spiegelneurone, Hoffmann und Campe, 2005. Bauer, Joachim, »Neurowissenschaften und Supervision – ein Überblick«, in: Knopf, Wolfgang; Walther, Ingrid (Hrsg): Beratung mit Hirn – Neurowissenschaftliche Erkenntnisse für die Praxis von Supervision und Coaching, facultas.wuv Universitätsverlag, 2010. Bernhart, Ilona: »Die Ursprünge der Motivation. Das Persönlichkeitsinstrument Reiss Profile im Leistungssport«, in: Leistungssport 4/2009. Besser-Siegmund, Cora; Siegmund, Harry: Coach Yourself. Persönlichkeitskultur für Führungskräfte, Junfermann, 2003. Besser-Siegmund, Cora; Dierks, Marie L; Siegmund, Harry; Komponist: Linek, Lars: Sicheres Auftreten mit der WingWave-Methode. Wirkungsvolle Interventionen bei Auftrittsangst und Lampenfieber, Junfermann, 2007. Besser-Siegmund, Cora; Siegmund, Harry: WingWave-Coaching: wie der Flügelschlag eines Schmetterlings, Junfermann, 2010. Brand, Heiner / Löhr, Jörg: Projekt Gold. Wege zur Höchstleistung – Spitzensport als Erfolgsmodell, Gabal, 2008. Eilert, Dirk W. & Besser-Siegmund, Cora: WingWave-Coaching: die Profi-Box, Junfermann 2011 Caspary, Ralf (Hrsg.): Lernen und Gehirn. Der Weg zu einer neuen Pädagogik. Mit Beiträgen von Stern, Elsbeth / Bauer, Joachim / Herrmann, Ulrich / Hüther, Grald / Kraus, Josef / Roth, Gerhard / Schirp, Heinz / Schumacher, Ralph / Spitzer, Manfred:, Herder, 2010. Covey, Stephen R; Merrill, A. Roger; Merrill, Rebecca R.: Der Weg zum Wesentlichen. Zeitmanagement der vierten Generation, Campus 2003. Covey, Stephen R.: Der 8. Weg. Von der Effektivität zur wahren Größe, Gabal 2006. Covey, Stephen R.: Die 7 Wege zur Effektivität; Prinzipien für persönlichen und beruflichen Erfolg, Gabal, 2005. Crowcroft, Sabana: Kagami Golf. Die ganzheitliche Lernmethode für Körper und Geist, buchwerft-verlag. de, 2011. Csikszentmihalyi, Mihaly: Flow – das Geheimnis des Glücks, Stuttgart 1995 Donner, Paul; Bandler, Richard: Die Schatztruhe. NLP – Das neue Paradigma des Erfolgs, Junfermann, 2010. Eichhorn, Christoph: Gut erholen – besser leben, Klett-Cotta, 2006. Gronwald, Silke; Ochsmann, Frank: »Spitzenleistungen im Kopf trainieren«, in: Stern 30/2010. Heuler, Oliver: Jenseits der Scores. Der Weg des Meisters beim Golfspiel, Books on Demand, Juli 2002. Hüther, Gerald: Biologie der Angst; Wie aus Stress Gefühle werden, Vandenhoeck & Ruprecht, 2011. Ion, Frauke; Brand, Markus: Motivorientiertes Führen. Führen auf Basis der 16 Lebensmotive nach Steven Reiss, Gabal, 2009. Ion, Frauke und Brand, Markus: »Motivation für jeden Geschmack. Führen via Lebensmotiv«, in: Manager Seminare, Heft 140, November 2009 Lipkowski, Sylvia: »Interview mit Steven Reiss« in: Manager Seminare, Heft 140, 2009. 269
Literatur
Pichler, Martin: »Von wegen Freunde. Reiss Profile im Spitzensport«, in: Wirtschaft und Weiterbildung 2/2010 Nicosia, G.: A mechanism for dissociation suggested by the quantitative analysis of electrocephalography. Paper presented at the International EMDR Annual Conference, Sunnadale, CA, März 1994. Nilsson, Pia; Marriott, Lynn; Sirak, Ron: Every Shot Must Have a Purpose, Gotham Books, 2005. Nowotny, Valentin: Die neue Schlagfertigkeit, Business Village, 2009. Reiss, Steven: Das Reiss-Profile. Die 16 Lebensmotive. Welche Werte und Bedürfnisse unserem Verhalten zugrunde liegen, Gabal, 2009. Rohrschneider, Uta: Macht, Neugier, Team ... Mitarbeiter individuell führen und motivieren mit dem Reiss Motivationsprofil, Gabler, 2011. Rotella, Bob: Der 15. Schläger, Copress Sport, 2009. Roth, Gerhard: Fühlen, Denken, Handeln. Wie das Gehirn unser Verhalten steuert, Suhrkamp, 2010. Rückerl, Thomas; Rückerl, Torsten: Coaching mit NLP-Werkzeugen, Wiley, 2008. Shapiro, Francine: EMDR. Grundlagen und Praxis. Handbuch zur Behandlung traumatisierter Menschen. Junfermann. 1998. Siegel, Daniel J.: Wie wir werden, die wir sind. Neurobiologische Grundlagen subjektiven Erlebens. Die Entwicklung des Menschen in Beziehungen, übersetzt von Theo Kierdorf, Junfermann, 2010. Spitzer, Manfred: Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Spektrum Akademischer Verlag, 2006. Spitzer, Manfred: »Lernen und Denken – Motivation, Innovationen. Für das Leben lernen – aber wie?«, in: Tiefbau 5/2004. Vössing, Heidrun: NLP in der Coaching-Praxis, Junfermann 2005. Von Münchhausen, Marco: So zähmen Sie Ihren inneren Schweinehund! Vom ärgsten Feind zum besten Freund, Piper, 2005.
270
Danksagung Dieses Buch ist mir ein großes Anliegen und hat mir sehr viel Spaß gemacht. Aber dieses Buch neben meiner vollen beruflichen Tätigkeit fertigzustellen, war auch für mich eine persönliche Höchstleistung. Ich möchte allen danken, die mich dabei unterstützt haben: meiner Familie, meinem Mann, meinen Freunden für vielfältige Unterstützungen auf unterschiedlichen Ebenen, meinen Interviewpartnern für ihre Zeit, ihr Vertrauen und ihre Offenheit in den Interviews, meinen Kunden für ihr Vertrauen, ihre Offenheit und Wertschätzung in meinen Trainings und Coachings, dem Journalisten Rainer Thide für die Beratung und redaktionelle Unterstützung.
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Über die Autorin Marion Klimmer wurde 1968 geboren und lebt in Hamburg. Sie hat in ihrem ersten Studium die Fächer pädagogische Psychologie, Französisch, Religion mit dem 1. Staatsexamen abgeschlossen. Nach ihrem Trainee-Programm bei der Beiersdorf AG hat sie ein berufsbegleitendes Studium Marketing-/BWL zum »Master of Marketing« (Oestrich-Winkel/Uni Basel) abgeschlossen. Sie hat 10-jährige Erfahrung als Fach- und Führungskraft im Marketing/Vertrieb bei Beiersdorf, Vattenfall und Otto gesammelt. Seit 2004 ist sie selbstständig als Führungskräfte-Trainerin und Business-Coach und Inhaberin von KLIMMER COACHING & TRAINING – Spezialistin für Höchstleistungen. Projektbezogen arbeitet sie mit einem ausgesuchten Kreis weiterer Trainer und Coaches zusammen. Foto: Herbert Morck
Ihr besonderer Schwerpunkt liegt in der Vorbereitung ihrer Kunden auf »Höchstleistungsmomente«. Sie hat erstmalig ein modulartiges Examens-Coaching-Programm zur erfolgreichen Reduzierung der hohen Durchfallquoten in den Steuerberater- und Wirtschaftsprüfer-Examina konzeptioniert und eingeführt: »KLIMMER E/C/P – Examens-Coaching-Programm®«. Die Wirksamkeit ihrer Coachings beruht auf einem vielfältigen Methoden-Mix, der Erkenntnisse moderner Gehirnforschung effizient umsetzt. Der punktuell zusätzliche Einsatz der WingWave®-Technik erlaubt ihr das schnelle Entdecken und Auflösen auch unbewusster Stresserlebnisse oder Leistungsblockaden – eine Voraussetzung für situative Höchstleistungen. Marion Klimmer ist ausgebildet und zertifiziert bei namhaften Trainern und Instituten als Personal- und Management-Trainerin, Business-Coach, NLP-Business273
Über die Autorin
Master, WingWave®-Coach, Reiss-Profil® Master, Trainerin Transaktionsanalyse, Huthwaite-International Trainerin für SPIN®-Verkaufstrainings, Verhandlungen und Akquisitionsstrategien. Fortbildungen bei Friedemann Schulz v. Thun runden ihr Methodenspektrum ab. Für den dvct – Deutscher Verband für Coaching & Training – führt sie Trainerund Coach-Zertifizierungen durch. Zu ihren Kunden zählen Mittelständler, namhafte Großkonzerne, Einzelpersonen – wie auch Amateur- und Profigolfer. Kontaktmöglichkeit: KLIMMER COACHING & TRAINING Rothenbaumchaussee 3 20148 Hamburg Telefon: 040 600 14 872 Fax: 040 600 14 871 E-Mail:
[email protected] www.KlimmerCuT.de Informationen über WingWave®, WingWave-Coaches, die WingWave-CDs oder die WingWave-MP3-Download-Funktion und über das Reiss-Profil® finden Sie ebenfalls auf www.KlimmerCuT.de Weitere Informationen zum Buch finden Sie auf www.höchstleistungs-coaching.de.
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Stichwortverzeichnis
A A-B-C-Technik 112, 113, 185 Abschaltknopf 146, 147, 160 Amygdala (Mandelkern) 45 ff., 261 Anerkennung 38, 40, 230, 231, 234, 239, 241, 242 ff., 247 Anker 104, 105, 138, 147, 156, 159, 166, 167, 186, 187, 253, 265 Arousal 69, 70, 122, 151, 163, 259 f., 265 Aufregung 19, 67, 112 Augenbewegung 23, 70 ff., 87, 101, 157, 164, 166, 172, 183, 266 Augenturnen 181, 183, 192 B Balance, emotional-mentale 11, 12, 21, 24, 25, 79, 115, 117, 131, 141, 146, 156, 165, 173, 175, 176 Belohnung 42, 49, 50, 56 f., 111, 247, 263 Beziehung 38, 39, 40, 49, 50, 54, 55, 119, 228, 230, 232 ff., 239, 241 ff., 248 Biografie-Stress 20, 69, 87, 100, 107, 252, 265 Blackout 19, 20, 30, 90, 104, 112, 113, 125, 132, 199, 200 Blockade 12, 20, 23, 24, 67 ff., 77, 80, 87, 114, 144, 155, 159, 165, 175, 252 f.
Burn-out 76, 118 Butterfly-Methode 78, 183 C Challenge 36, 37 Charisma 40 C-Kriterien 36 Commitment 36, 37 Confidence 36, 37 Consequenz 113 Control 36, 37 Controlling 56, 58, 59, 60, 114 Cortex (Großhirnrinde) 45, 255 Cortisol 69 Crowcroft, Sabana 142 ff., 154, 165, 257 f. Csikszentmihalyi, Miahly 143, 269 D Deckerinnerung 82, 85, 155, 160, 162, 163, 182, 252, 265 Denkhirn 19, 255 Desensibilisierung 71, 72 Dialog, innerer 69, 112, 113, 115, 121, 131, 132, 143, 169, 175, 185, 208 Disziplin 40, 49, 56, 111, 112, 138, 263 Dopamin 49, 50, 120 Durchhaltevermögen 51, 57, 58
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Stichwortverzeichnis
E Ehre 38, 40, 228, 239 EMDR 12, 23, 71 ff., 78, 163, 265 Emotionszentrum 19, 107, 151, 155, 259 Erfolgsanker 116 Erfolgsbilder-Galerie 160, 161, 166, 189 ff. Erfolgsfilm 184, 185 Erfolgstagebuch 59, 156 Erinnerungsanker 112, 167 Eros 38, 228, 229, 234 Essen 38, 40, 92, 121, 122, 230, 232, 233, 241, 243, 244 F Familie 37, 38, 40, 54, 55, 140, 207, 214, 215, 221, 230, 232, 233, 241, 244, 246, 248 Fehltritt 84 Filter 107, 149, 151, 158, 255, 256 Fitness 25, 26, 53, 122, 125, 215, 223, 232 Flugangst 20, 23, 24, 74, 76, 79, 80 ff., 87 Fokussierung 25, 32, 113, 135, 143, 169, 203, 208 Freundschaftshormon 49 Führungskraft 13, 17, 22, 24, 26, 56, 97, 98, 162, 165, 201, 202, 207, 219, 228, 229, 233 ff., 240, 263 G Gedankenmobil 192 Gehirnkino 133, 141 Gesundheit 25, 26, 40, 53, 55, 116, 118, 214, 248, 253 276
Glaubenssatz 112, 116, 117, 119, 147, 152, 154, 159, 166, 167, 169, 170, 174, 176, 182, 185, 238, 259, 265 Glück 27, 28, 40, 46, 111, 143, 225 Glücksbringer 105, 121, 264 Glücksdroge 49, 50 Grohirn 19, 67, 68, 75, 78 Großhirnrinde 45 H Helikopter-Blick 115, 186 Hippocampus 45, 46, 47, 261 Höchstleistungspendel 144, 145, 147, 152, 165, 168 Höchstleistungs-Prozess-Ebene 113, 147, 151, 170, 255 f. Höhenangst 20, 23, 24, 67, 73, 74, 79, 80, 84 ff., 254 Hypothalamus 45 I Idealismus 38, 40, 230, 232, 241, 243, 244 K Kagami 142, 143, 146 ff., 152, 154, 166, 168, 169, 175, 254 f. Kampf 38, 41, 48, 75, 228, 230, 232 ff., 247 Kino-Brille 186, 187 Klaustrophobie (Platzangst) 20, 79 Körper 26, 55, 89, 100, 104, 118, 119, 127, 143, 144, 167, 175, 200, 202, 204, 223, 248, 253 ff. Körpergefühl 101, 104, 107, 143, 149, 151, 152, 158, 167, 170, 174, 177, 184, 190, 259 f.
Stichwortverzeichnis
Körperhaltung 89, 187, 189 Konferenz, interne 191, 192 Konflikt 61, 62, 137, 189, 204, 239, 240, 244 Konfliktfähigkeit 61 Konfliktgespräch 22 Konfliktsituation 61, 62, 65 Konfliktstabilität 19, 69 Konfliktvermeidung 232, 242 Konzentration 25, 32, 115, 125, 127, 131, 132, 135, 136, 139, 140, 142, 143, 147, 162, 166, 180, 181, 197, 202, 203, 208, 217 Kreativität 19, 20, 40, 48, 107, 129, 194, 232 L Lampenfieber 19 Lebenskonzept 55, 248 Lebensmotiv 13, 25, 227 ff. Leistung 19, 35, 47, 48, 55, 67, 95, 98, 141, 144, 180, 199, 231, 234 ff., 246 ff. Leistungsfähigkeit 19, 20, 79, 87, 103, 118, 119, 125, 181, 199 Leistungsniveau 35, 69, 169, 247 Leistungsstress 12, 23, 67, 69 M Macht 38, 39, 40, 119, 230, 231, 234 ff., 241 ff. Mandelkern 45 ff. Maßnahmenplan 114, 119 Mentalcoaching 131 Mentaltechnik 132, 183 Mentaltraining 122, 135, 152, 164, 183, 188 Mitgefühl 40, 44, 91
Motivation 22, 25, 29, 48 ff., 57 ff., 107, 113, 121, 194, 204, 211, 234 ff., 244 Muskeltest (Myostatiktest) 23, 73, 74 ff., 82, 85 ff., 100, 101, 107 f., 149, 155 f., 159, 174, 252, 256, 266 N Nebenwirkung 54, 55, 60, 111, 120, 184, 250 Neugier 38, 41, 164, 168, 194, 230, 231, 233, 234, 241, 243, 244, 246 Niederlage 18, 25, 26, 29, 31, 33, 63, 93, 94, 117, 124, 126, 128, 139, 140, 178, 181, 194, 198, 201, 204, 208, 212, 215, 217, 219, 221, 222, 224 ff. NLP 23, 73, 187, 265 f. NRP (Nebenwirkungen, Risiken, Preise) 54, 56, 111, 120, 184, 250, 255 O Opioide, endogene 49 Ordnung 38, 41, 42, 230, 232, 233, 241, 243, 244 Oxytocin 49 P Panik 19, 30, 68, 80, 82, 84, 86, 112, 112, 131, 181, 185 Partnerschaft 39, 69, 193, 196 Phobie 80, 86, 87, 259 ff. Plan 30, 35, 51 ff., 56 ff., 106, 110, 120, 124, 141, 175, 184, 263 Platzangst 79, 80 Preis 54, 55, 60, 111, 112, 120 Pre-Shot-Routine 138, 146, 160, 166 Prüfungsangst 19, 74, 182 277
Stichwortverzeichnis
Q Qualifizierung 97, 154 Qualität 41 R Rache 38, 41, 228, 230, 232, 233, 241, 243, 244, 247 Reiss-Profil 13, 37, 39, 40, 41, 50, 76, 114, 141, 208, 227, 229, 231, 233, 237, 240, 241 ff., 273, 274 Reiss, Steven 37, 38, 204, 227 ff., 233, 237, 238 REM-Phasen 23, 70 ff., 78, 87, 164, 165, 172, 189, 256, 266 Ressource 12, 99, 102, 104, 105, 114, 118, 121, 183, 250, 256 ff., 266 Ressourcen-Anker 121 Risiko 197, 205, 233 Ritual 30, 92, 94, 138, 140, 148, 180, 196, 197, 213, 220, 221, 224, 264 S Sammeln 38, 41, 121, 230, 232, 234, 241, 243, 244 Schlafmangel 69 Schlafphase 70, 76, 266 Schlagfertigkeit 19, 20, 97, 107 Schönheit 38, 41, 228, 229, 230, 232, 234, 241 ff. Schriftlichkeit 58, 204 Schutzmantel 158, 167 Schweinehund 52, 53, 54, 58, 118, 191, 192 Selbstkommunikation 25, 26 Selbstreflexion 37, 39, 40 Selbstvertrauen 25, 26, 59, 109, 110, 120, 171, 185, 202, 205, 212, 222, 252 Shapiro, Francine 70 ff., 265 278
Sieg 11, 18, 21, 31, 33, 131, 137, 141, 148, 149, 182, 204, 247, 257 Siegertyp 35, 50, 60 Siegesmoment 99 Siegeswille 226 Sinn 46, 47, 55, 68, 77, 99, 102, 117, 248, 266 Sinneseindruck 43, 100, 161 Sinnhaftigkeit 19 Sinneskanal 46, 57, 72, 78, 104, 105, 134, 151, 167, 173, 184, 257, 259 f. Sinnesreiz 19, 107, 149, 151, 152, 153, 158, 169, 259, 265 Sinneswahrnehmung 57, 58, 150, 261 Sparen 38, 41, 230, 232, 234, 241, 243, 244 Spiegelneuronen 44, 45, 46, 70 Spitzensport 26, 131 ff., 141, 175, 245, 247 Spontaneität 19, 195, 203, 239 Status 38, 41, 55, 64, 207, 230, 232, 234, 238, 241, 243 f., 246 f. Stress-Management 25, 26 Stresspegel 20, 163 System, Limbisches 20, 45 ff., 67, 265 T Teamorientierung 38, 41, 230, 233, 240, 241, 243, 244 Thalamus 45, 261 Thymusdrüse 74, 75, 120, 157, 181, 266 U Unabhängigkeit 38, 41, 211, 231, 234, 238, 246 Unsicherheit 19, 69, 93, 107, 121, 143, 151, 166, 168, 236, 259
Stichwortverzeichnis
V Verlierertyp 35, 60 Versagensangst 19 W Wachzustand 76 Wahrnehmungsfilter 76, 107, 146, 151, 158, 236, 255, 256 Werte 13, 23, 25, 37, 38, 39, 41, 49, 55, 58, 94, 126, 178, 206, 209, 216, 217, 220, 226, 228, 232, 236, 239, 242, 248 Winken 71, 77, 159, 163 Work-Life-Balance 37, 55, 76, 106
Y Yips 151, 256, 258 Z Ziel-Controlling 128, 205 Ziel-Management 25, 35 Zielereichung 42, 54, 57 ff., 120, 184 Zielorientierung 239, 254 Zweckorientierung 38, 41, 228, 230, 241, 243 f.
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