Skript Atombau und Periodensystem - Teil 1

September 4, 2017 | Author: Giftmischer | Category: Plato, Radioactive Decay, Aristotle, Science, Philosophical Science
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ATOMBAU UND PERIODENSYSTEM

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ATOMBAU UND PERIODENSYSTEM – Dr. Bernd Stange, Februar 2010

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INHALTSVERZEICHNIS 1.

EINFÜHRUNG

2.

HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES MODERNEN ATOMBILDES

2.1.

GRIECHISCHE NATURPHILOSOPHIE

2.1.1.

Einleitung

2.1.2.

THALES VON MILET

2.1.3.

ANAXIMANDER VON MILET

2.1.4.

ANAXIMENES VON MILET

2.1.5.

PARMENIDES VON ELEA

2.1.6.

HERAKLIT VON EPHESOS

2.1.7.

EMPEDOKLES VON AKRAGAS

2.1.8.

ANAXAGORAS VON KLAZOMENAI

2.1.9.

DEMOKRIT VON ABDERA AB1: GRIECHISCHE NATURPHILOSOPHIE

2.1.10.

PLATON AB2: DIE PLATONISCHEN KÖRPER

2.1.11.

ARISTOTELES

2.1.12.

Quellen Anhang I: Ausschnitt „Die Naturphilosophen“ aus JOSTEIN GAARDERs Buch „Sofies Welt“ Anhang II: Ausschnitt „Demokrit“ aus JOSTEIN GAARDERs Buch „Sofies Welt“

2.2.

A NEW SYSTEM OF CHEMICAL PHILOSOPHY: DALTONS ATOMHYPOTHESE

2.2.1.

2000 Jahre naturwissenschaftlicher Stillstand

2.2.2.

The atom reborn AB3: DALTONS ATOMMODELL

2.3.

ENTDECKUNG DER SUBSTRUKTUR DER ATOME

2.3.1.

Einleitung

2.3.2.

Entdeckung des Elektrons

2.3.3.

THOMSONs Atommodell: Plum pudding oder Rosinenkuchen?

2.3.4.

RUTHERFORDs Streuversuch AB4: RUTHERFORDS STREUVERSUCH AB5: BERECHNUNG DER KERNDICHTE

2.3.5.

Entdeckung des Protons

2.3.6.

Entdeckung des Neutrons

2.3.7.

Nuklide und Isotope AB6: NUKLIDE UND ISOTOPE

2.3.8.

Substruktur der Nukleonen

2.3.9.

Quellen

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2.4.

RADIOAKTIVITÄT

2.4.1.

Entdeckung der Radioaktivität

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AB7: RADIOAKTIVE STRAHLUNG IM ELEKTRISCHEN FELD

2.4.2.

Arten des radioaktiven Zerfalls

2.4.2.1.

𝛼-Zerfall

2.4.2.2.

𝛽-Zerfall

2.4.2.3.

𝛾-Zerfall

2.4.3

Natürliche Zerfallsreihen AB8: NATÜRLICHE ZERFALLSREIHEN

2.4.4.

Zerfallsgesetz und Halbwertszeit AB9: ZERFALLSGESETZ UND HALBWERTSZEIT

2.4.5.

Künstliche Radioaktivität

2.4.6.

Radioaktive Strahlung – Physiologische Wirkung und Schutz

2.4.6.1.

Messung von Radioaktivität

2.4.6.2.

Physiologische Wirkung und Strahlenschutz

2.4.6.3.

Radioaktivität – die pure Lebenskraft?

2.4.7.

Quellen

3.

DAS MODERNE BILD VOM ATOM

3.1.

ANFÄNGE DER QUANTENPHYSIK

3.1.1.

NATURA NON FACIT SALTUS – DIE SITUATION UM 1900

3.1.2.

QUANTISIERUNG DER ENERGIE

3.2.

NIELS BOHR UND SEIN ATOMMODELL

3.2.1.

KRITIK AM RUTHERFORDSCHEN ATOMMODELL

3.2.2.

3.3.

DAS ORBITALMODELL

3.4.

AUFBAU DER MATERIE: EINE ZUSAMMENFASSUNG

3.5.

QUELLEN

4.

DAS PERIODENSYSTEM DER ELEMENTE

4.1.

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ATOMBAU UND PERIODENSYSTEM 1. EINFÜHRUNG „If, in some cataclysm, all of scientific knowledge were to be destroyed, and only one sentence passed on the next generations of creatures, what statement would contain the most information in the fewest words? I believe it is the atomic hypothesis (or the atomic fact, or whatever you wish to call it) that all things are made of atoms – little particles that move around in perpetual motion, attracting each other when they are a little distance apart, but repelling upon being squeezed into one another.”

D

iese Aussage stammt aus den berühmten Vorlesungsmitschriften der „FEYNMAN Lectures on Physics“ des amerikanischen Physikers und Nobelpreisträgers RICHARD FEYNMAN (1918 – 1988, Nobelpreis 1965) und unterstreicht die Bedeutung der atomistischen

Idee, daß die Materie aus kleinsten Teilchen, den Atomen, besteht. Freilich weiß man seit etwa 100 Jahren, daß auch Atome eine innere Struktur (aus Protonen, Neutronen und Elektronen) besitzen und seit etwa 40 Jahren, daß auch subatomare Teilchen (Protonen und Neutronen) aus noch kleineren Partikeln (den sogenannten Quarks) zusammengesetzt sind – Elektronen sind demgegenüber nach heutigem Wissensstand tatsächlich elementar.

Abb.1: Struktur der Materie nach heutigem Kenntnisstand mit Größenmaßstab1 1

METAG, VOLKER (2000): „Research Highlights from 30 years of GSI”. URL: http://www.gsi.de/portrait/Metag-Vortrag/ jubilaeumsvortrag.html (15.02.2010)

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Nur die allerwenigsten zweifeln heute noch an der Existenz von Atomen. Diese Erkenntnis ist ein Produkt der technischen Entwicklung in den letzten 150 bis 200 Jahren. Der Grundgedanke wurde jedoch schon vor mehr als 2500 Jahren im antiken Griechenland durch Philosophen gelegt, die allein mit Hilfe von theoretischen Überlegungen die Existenz von kleinsten Teilchen ableiteten. 2. HISTORISCHE ENTWICKLUNG DES MODERNEN ATOMBILDES 2.1. GRIECHISCHE NATURPHILOSOPHIE2 2.1.1. EINLEITUNG

E

s gilt als sicher, daß sich Menschen schon immer Gedanken über ihre Herkunft und den Ursprung der Welt gemacht haben, ebenso wie sie versucht haben, Naturphänomene, die sie beobachten konnten, zu erklären. Die Wiege der abendländischen

Philosophie (griech. θιλοζοθία, wörtlich: Liebe zur Weisheit) steht im Griechenland des 6. Jhd. vor unserer Zeitrechnung, also vor mehr als 2500 Jahren. Zum ersten Mal wird hier versucht, mit den Mitteln des selbständigen, vernunftmäßigen Denkens den Aufbau der Welt aus natürlichen Ursachen zu erklären, also weitgehend unbeeinflußt von theologischen Überlegungen oder gar Zwängen (wie beispielsweise später im Mittelalter). Im Mittelpunkt der Betrachtungen steht oft die Suche nach der arché (griech. άρτέ, Anfang, Ursprung), dem Urstoff. Die griechische Philosophie dieser Zeit macht keinen Unterschied zwischen Philosophie und Wissenschaft, daher auch die Bezeichnung Naturphilosophi e: Es geht um das Nachdenken über das Ganze des Seins. Da die apparativen Mittel jener Zeit sehr beschränkt waren, kann man die griechischen Naturphilosophen auch als „Erfinder“ des Gedankenexperimentes bezeichnen. Theorien und Hypothesen werden vielfach allein durch Überlegungen aufgestellt, viele davon haben Auswirkungen bis in die Neuzeit. Sie mußten jedoch in der Renaissance (frz. Wiedergeburt, ab dem 15. – 16. Jhd.) „wiederentdeckt“ werden und sich zunächst gegen die Anfeindungen der Kirche durchsetzen. Da die Epoche der Naturphilosophie etwa mit dem Tode SOKRATES‟3 im Jahre 399 vor unserer Zeitrechnung endet, nennt man deren Vertreter auch Vorsokratiker. Einige wenige (u.a. PLATON) haben auch nach

Abb.2: SOKRATES

2

Der Bayrische Rundfunk hat in seiner Reihe „Denker des Abendlandes“ auch einige Beiträge über die griechischen Naturphilosophen gesendet. Die einzelnen Folgen sind unter http://www.br-online.de/br-alpha/denker-des-abendlandes/ denker-lesch-vossenkuhl-ID1221136938708.xml (08.01.2010) abrufbar.

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SOKRATES wurde wegen angeblichen schlechten Einflusses auf die Jugend und Mißachtung der Götter zum Tode verurteilt.

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dieser wichtigen Zäsur naturphilosophische Überlegungen betrieben. Nachfolgend werden die wichtigsten Überlegungen der Naturphilosophen im Hinblick auf den Aufbau der Materie und andere Naturphänomene skizziert. Warum (Natur-)Philosophie im Chemie-Unterricht? Zum einen, um zu untermauern, daß sich die einzelnen Naturwissenschaften aus der philosophia naturalis entwickelt haben, zuerst die Physik, später die Chemie und letztlich die Biologie. Zum anderen, um zu verdeutlichen, daß viele Ideen, die zum revolutionären Fortschritt der Naturwissenschaften ab dem 17. Jahrhundert führten, bereits viele hundert Jahre alt waren, bevor sie wiederentdeckt oder „neu“ gedacht wurden. Außerdem gehör(t)en philosophische Kenntnisse seit jeher zur guten naturwissenschaftlichen Ausbildung. 2.1.2. THALES VON MILET (* 624, † 546)

D

er griechische Philosoph, Mathematiker und Arzt gilt traditionell als Begründer der griechischen Philosophie und zählt zu den Sieben Weisen des Altertums. Von THALES

selbst ist nichts Eigenschriftliches überliefert. Es ist nicht sicher, ob er selbst jemals etwas schriftlich fixiert hat und es ist somit unklar, welche ihm zugeschriebenen Erkenntnisse wirklich von ihm stammen. Die wenigen Quellenfragmente, die angeblich von ihm aufgestellte Erkenntnisse aufführen, stammen meist aus den Darstellun-

Abb.3: THALES VON MILET

gen von PLATON, ARISTOTELES oder dem Geschichtsschreiber HERODOT. Seine mathematischen Erkenntnisse sind heute Grundlage des Geometrie-Unterrichtes in der Schule (u.a. THALES-Kreis, Strahlensätze). ARISTOTELES bezeichnete THALES als den ersten Philosophen, der die Frage nach der arché stellte. Nach THALES muß der Urstoff ein allgemein verbreiteter Stoff sein, der zudem wandlungsfähig ist, um die vielfältigen Erscheinungen erklären zu können: das Wasser. „Alles ist Wasser“, sagt er und meint, daß alles aus dem Wasser entstanden ist. Wasser benötigt jedes Lebewesen und außerdem tritt es in verschiedenen Zustandsformen auf (gemeint sind selbstverständlich Eis, flüssiges Wasser und Wasserdampf). Darüber hinaus nahm er an, daß alle Dinge beseelt, „voll von Göttern“ seien, wie er sagt4. Wenn die Rede darauf kam, nahm er einen Nagel und einen Magneten aus der Tasche, um seinen staunenden Mitbürgern zu zeigen, daß auch der „Stein Eisen bewegen“ könne. 4

Die Denkweise, daß alle Dinge der Welt beseelt seien, nennt man H y l o z o i sm u s (nach griech. ὕλη, hylē, Stoff, Materie und ζοιε, zoe, Leben).

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THALES gelangte dadurch zu der Überzeugung, daß es nicht auf das Sichtbare in der Welt ankommt, sondern auf das, was im Inneren der Dinge wohnt, also im Grunde auf das Unsichtbare, welches jedoch das Sichtbare erst zu dem macht, was es an sich ist5. 2.1.3. ANAXIMANDER VON MILET (* 611, † 546)

A

NAXIMANDER

gilt ebenso wie THALES als Vertreter der so-

genannten milesischen Schule . Es ist wahrscheinlich, daß sich beide Philosophen gekannt haben, möglicher-

weise sogar verwandt waren. ANAXIMANDER gilt nach heutigem Wissen als Schüler von THALES. Während nicht allzuviel von ANAXIMANDERs

Leben bekannt ist, wissen wir jedoch viele Details seiner

Ideen und Vorstellungen durch ARISTOTELES, PLATON und andere Philosophen, die Zugang zu seinen Originalschriften (von denen

Abb.4: ANAXIMANDER

nur Fragmente erhalten geblieben sind) hatten. „Der Ursprung der Dinge ist das Grenzenlose. Woraus sie entstehen, darin vergehen sie auch mit Notwendigkeit.“ lautet eines der Fragmente von ANAXIMANDER. Als Urprinzip der Welt und Ursache allen Seins bezeichnet ANAXIMANDER etwas Unendliches oder Unbegrenztes, das sogenannte ápeiron (griech. άπειρον, das Unendliche), das unveränderlich, unzerstörbar, unvergänglich, ständig bewegt und durchgehend belebt sei und aus dem die konkreten Erscheinungen hervorgingen und in das sie zurückkehrten. Keines der vier „Elemente“ Wasser, Luft, Erde und Feuer könne die Uressenz6 des Universums sein, weil die Überlegenheit eines Elementes das Verschwinden der anderen bedeuten würde. ANAXIMANDER war überzeugt, daß über die vier konkreten Elemente ein im natürlichen Zustand unsichtbares allmächtiges „Superelement“ herrsche. Das ápeiron müsse unendlich sein, weil nur so die Ewigkeit und Unendlichkeit des konkreten Werdens erklärbar und begründbar seien. Das ápeiron sei keine empirisch erfahrbare Ur- und Grundsubstanz – wie etwa das Wasser bei THALES. Durch Aussonderung gingen aus dem ápeiron zunächst das Kalte und Warme, dann das Flüssige und Feste und schließlich die einzelnen Erscheinungen hervor.

5

Siehe auch den Eintrag in der Internet Enyclopedia of Philosophy: http://www.iep.utm.edu/thales/. (06.01.2010)

6

E s s e n z (lat. essentia von lat. esse, sein) bezeichnet im Gegensatz zur E x i st en z (dem Dasein) das Wesen einer Sache.

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Nach ANAXIMANDER sei die Erde – die er frei im Raum schwebend denkt – zuerst in flüssigem Zustand gewesen und habe bei ihrer allmählichen Austrocknung die Lebewesen hervorgebracht. Diese lebten zunächst im Wasser und seien später auf das Land übergewechselt. Bekannt sind darüber hinaus seine Ansätze zur Erklärung von meteorologischen Erscheinungen wie Blitz und Donner, aber auch seine wichtigen Beiträge zur Geographie und Astronomie7.

Abb.5: ANAXIMANDERs Weltkarte

Seine Weltkarte einer zylindrischen Erde (Abb.5 rechts) gilt als eine der ersten Darstellungen überhaupt auf diesem Gebiet. 2.1.4. ANAXIMENES VON MILET (* 585, † 525)

D

er Schüler (?) ANAXIMANDERs steht seinen beiden Vorgängern an Bedeutung nach, er kritisiert seinen Lehrer aber dahingehend, daß aus dem ápeiron, einem Urelement,

dem keine qualitative Veränderung zukommt, die qualitative Vielfalt der Dinge nicht zu erklären sei. ANAXIMENES wird in seinen Überlegungen wieder konkreter und sieht die Luft als Urstoff, allerdings wohl nicht in wörtlichem Sinne, denn er begreift darunter (als belebenden Atem) auch die Seele. Alles Abb.6: ANAXIMENES entstehe infolge einer gewissen Verdichtung der Luft (die zu Wasser und Gestein führt) oder infolge von Verdünnung (führt zu Feuer). Damit führt er als erster den Begriff der Verwandlung eines Stoffes in die Philosophie ein, der in der späteren Philosophie eine zentrale Rolle spielen wird. Die verschiedenen Naturelemente unterscheiden sich nach Ansicht der Philosophen nur quantitativ und nicht qualitativ voneinander, da sie alle aus ein und demselben Urstoff entstanden seien. Wie seine beiden Vorgänger beschäftigte sich auch ANAXIMENES mit der Beobachtung von Naturerscheinungen und der Astronomie, ebenso wie diese lehrte er einen periodischen Wechsel von Entstehung und Zerstörung.

7

Siehe auch den Eintrag in der Internet Encyclopedia of Philosophy: http://www.iep.utm.edu/anaximan/. (06.01.2010)

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2.1.5. PARMENIDES VON ELEA (* 540/535, † 483/475)

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ARMENIDES,

Sohn angesehener und wohlhabender Eltern,

stammte aus Elea in Süditalien (siehe Abb.13) und gilt als Begründer der sogenannten Eleatischen Schule , zu der

auch der für seine Paradoxa bekannte ZENON VON ELEA8 (* 490, † 430) gehörte. Sein einziges Werk ist ein Lehrgedicht9 „Über die Natur“ (griech. περὶ θύζεως, perì phýseōs), das in Fragmenten überliefert ist. Dort ist PARMENIDES der (kühnen) Ansicht, daß es in Wahrheit weder Wer-

Abb.7: PARMENIDES

den noch Bewegung geben könne, sondern nur unveränderlich beharrendes Sein. Das Sein sei ewig, das Werden dagegen undenkbar.10 Für PARMENIDES bestand ein Dualismus zwischen Erscheinung und Wirklichkeit. Die beobachteten Phänomene der Bewegung und Veränderung waren für ihn nur Erscheinungsformen einer in Wahrheit statischen, ewigen Wirklichkeit. Unter Seiendem sei dabei Raumerfüllendes zu verstehen, leerer Raum könne nicht sein. Die Annahme einer Bewegung setze immer Nichtseiendes voraus – denn damit sich ein Körper an einen bestimmten Ort bewegen könne, müsse dort vorher dort leerer Raum, also nichts gewesen sein.11 PARMENIDES„ Ansatz zur Stoffvielfalt ist undeutlich, klar scheint nur, daß sie auf der Annahme zweier Prinzipien, Elemente oder eben Urstoffe beruht: Dem ätherischen, lichten, leichten Element des überall sich selbst gleichen Feuers tritt die dichte, dunkle, schwere Masse, aus der die Erde entstanden ist, gegenüber. Alle möglichen Erscheinungen sollen durch diese Elemente bzw. ihre Mischung erklärt werden.

8

Sehr berühmt ist das Paradoxon vom Wettlauf ACHILLES„ gegen eine Schildkröte; siehe auch: http://plato.stanford.edu/ entries/paradox-zeno/. (06.01.2010)

9

Man versuche sich vorzustellen, die Tradition, Wissen in lyrischer Form zu publizieren, hätte sich bis auf den heutigen Tag fortgesetzt!

10

Es ist wenig verwunderlich, daß diese defätistische Philosophie von vielen späteren Philosophen (u.a. von Aristoteles) stark kritisiert wurde.

11

„Nur das Seiende ist, das Nichtseiende ist nicht.“ sagt PARMENIDES in diesem Zusammenhang.

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2.1.6. HERAKLIT VON EPHESOS (* 540, † 475)

H

ERAKLIT

ist der genau entgegengesetzten Ansicht seines

Zeitgenossen PARMENIDES (beide werden gerne auch als „ungleiche Zwillinge“ bezeichnet): Nach seiner Ansicht sei

alles einer ständigen Veränderung unterworfen: „Alles fließt und steht nicht still.“ (griech. πάνηα ρεί καί ονδέν μένει, pánta rheí kaì ondèn ménei) ist ein Ausspruch, der ihm zugeschrieben wird12. Die Welt sei zudem aus Gegensätzen aufgebaut – Tag und Nacht, Krieg und Frieden usw. – die einander ständig abwechseln („Streit der Abb.8: HERAKLIT Gegensätze“). HERAKLIT sieht die Welt also in einem dialektischen Verhältnis von Sein und Werden. Die Elemente wie Wasser und Erde seien entstanden und entstünden fortwährend aus dem Feuer. Der Kosmos (griech. κόζμος, [Welt-]Ordnung) sei eine materielle Ausformung eines Weltfeuers, nicht im Sinne eines Schöpfungsmythos geschaffen und von ewigem Fortbestand. Das Weltfeuer selbst schlage materiell in andere Elemente um, aus denen sich der sichtbare Kosmos zusammensetze. Wegen der Schwierigkeit seiner Texte wurde HERAKLIT auch häufig „der Dunkle“ oder „der in Rätseln Redende“ genannt. 2.1.7. EMPEDOKLES VON AKRAGAS (* 500, † 428)

W

ährend von den verschiedenen philosophischen Schulen zuerst das Wasser, später die Luft, von den Eleaten die Erde und von HERAKLIT das Feuer als arché angesehen wurde13,

stellte der griechische Philosoph, Arzt, Politiker, Priester und Dichter EMPEDOKLES als erster diese vier Grundstoffe gleichberechtigt nebeneinander („Vier-Elemente-Theorie“, siehe Abb.10 auf der nächsten Seite). Als treibende und formende Kraft zwischen diesen Elementen erscheinen bei ihm die vereinigende Liebe (griech. θιλώηες, philótes) und der tren-

Abb.9: EMPEDOKLES

nende Hass (griech. νείκως, neíkos). Seine Lehre stellt gewissermaßen eine Verbindung von PARMENIDES und HERAKLIT dar: Das unveränderliche Sein ist der Stoff, das verändernde Werden die Kraft.

12

Ein weiterer sehr bekannter Ausspruch lautet: „Wer in dieselben Flüsse hinabsteigt, dem strömt stets anderes Wasser zu.“, kurz: „Man kann nicht zweimal in denselben Fluß steigen.“

13

Da diese Ansätze immer von e i n e m e i n z i g e n Urstoff ausgehen, spricht man auch von m o n i st i sc h en Philosophien.

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Abb.10: Vier-Elemente-Lehre des EMPEDOKLES

Zusätzlich schrieb EMPEDOKLES den Elementen aber noch eine Eigenart zu, die unseren heutigen Elementen aus dem Periodensystem der Elemente entspricht: Er nahm an, die vier Elemente wären ewig existierende und unveränderliche Grundsubstanzen, die durch Vermischung die Vielfalt der Stoffe bilden EMPEDOKLES lehrte darüber hinaus, daß der Entwicklung der höheren Lebewesen die niederen Organismen vorausgingen. 2.1.8. ANAXAGORAS VON KLAZOMENAI (* 495, † 435)

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as System des aus Kleinasien stammenden ANAXAGORAS gilt als das komplizierteste der vorsokratischen Philosophie. Die Komplexität seines Denkens rührt sicherlich

daher, daß er zwei unterschiedlichen Denktraditionen gerecht werden will: Einerseits möchte er wie die ionischen Denker die Welt durch die Entwicklung aus einem einzigen Urstoff beschreiben, andererseits ist er offensichtlich durch die eleatische Schule zu stark beeinflußt, um zu einer „naiven“ Welterklärung milesischen Abb.11: ANAXAGORAS Typs zurückkehren zu können.

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In seinem Werk „Über die Natur“ vertritt er die Ansicht, daß die Welt aus einer Vielzahl winziger, unzerstörbarer und unveränderlicher, gleichartiger Teilchen (Homoiomerien, griech. ὁμοῖος, hōmóios, ähnlich und μέρος, méros, Teil) mit einer qualitativen Mannigfaltigkeit bestehe, die durch einen unpersönlichen Weltgeist, dem sogenannten nous (griech. νοσς, Geist, Vernunft) zu den uns bekannten Substanzen zusammengebracht würden. Der monistischen Tendenz, aber auch der Vier-Elemente-Theorie des EMPEDOKLES setzt er einen extremen Pluralismus entgegen, darüber hinaus stellt er die These einer unendlichen Teilbarkeit auf. Wie Liebe und Streit bei EMPEDOKLES wird auch der Geist bei ANAXAGORAS als ein Prinzip von Bewegung angesehen, das in der milesischen Naturphilosophie nicht zu finden ist. 2.1.9. DEMOKRIT VON ABDERA (* 460, † 371)

D

er thrakische Schüler des LEUKIPP gilt als der letzte große Naturphilosoph. Der Sohn reicher Eltern verwendete sein Vermögen für ausgedehnte Reisen. Wie er sich selbst

rühmte, habe er dabei von allen Menschen seiner Zeit das meiste Land durchirrt und die meisten unterrichteten Männer unter den Lebenden gehört. Seine Kenntnisse erstreckten sich, wie das erhaltene Verzeichnis seiner überaus zahlreichen Schriften zeigt, über den ganzen Umfang Abb.12: DEMOKRIT des damaligen Wissens. Sogar über die Kriegskunst soll er wissend gewesen sein, sodaß ihn darin unter den folgenden Philosophen der Antike nur ARISTOTELES übertroffen zu haben scheint. Von seinen Schriften selbst sind allerdings auch nur Fragmente erhalten. DEMOKRITs Namen verbinden wir heute mit seiner Atomtheorie, deren erste Entwürfe aber schon sein Lehrer LEUKIPP (5. Jhd. v. Chr.) entworfen haben dürfte. Die Hypothese als solche war jedoch äußerst revolutionär. Hätte es damals schon eine Boulevardpresse gegeben, hätte sie auf seine Erkenntnisse möglicherweise mit einem reißerischen Artikel auf der Titelseite (siehe AB1) reagiert. Der Atomismus wurde von einigen wenigen Philosophen weiterentwickelt, unter anderem von EPIKUR (341 – 271/270). Von (natur-)wissenschaftlichem Standpunkt geriet die Idee aber spätestens mit Aufkommen des Christentums (und der Glorifizierung ARISTOTELES„ als höchster philosophischer Autorität, siehe auch Abschnitt 2.1.11.) in Vergessenheit.

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Abb.13: Lebensdaten und Wirkstätten wichtiger Vorsokratiker14 14

Abb.13 modifiziert nach ANDEREGG (2007), URL: http://www.anderegg-web.ch/phil/philinhalt-frame.htm. (15.02.2010)

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ΠΕΡὶ Φ΢ΕΩ΢ Athen – 9. August 410 v. Chr. 1 Drachme

AB1: GRIECHISCHE NATURPHILOSOPHIE – Dr. Bernd Stange, Februar 2010

Jetzt amtlich: Atom entdeckt! Abdera (dpa). Die Spekula-

tionen haben ein Ende: Nicht Wasser ist der Urstoff, auch nicht Feuer oder Luft – die Welt besteht aus sogenannten Atomen. Das jedenfalls behauptet der thrakische Philosoph DEMOKRIT, Schüler des LEUKIPP. Er tritt folgenden Beweis an: Wenn man einen Gegenstand immer weiter teilt, erhält man irgendwann ein kleinstes Teilchen, das sich nicht mehr teilen lässt. Diese unteilbaren Teilchen nennt DEMOKRIT „Atome“. Sie sind unvergänglich und unveränderlich, bestehen alle aus demselben Stoff, unterscheiden sich aber in Größe und Masse. Die vielfältigen Eigenschaften der Materie beruhen auf Unterschieden in Gestalt, Lage, Größe und Anordnung der Atome. In den einzelnen Dingen ist neben den Atomen in unterschiedlichem Maße Leere vorhanden. Enthalten sie viel Leere sind sie weich, sonst fest. „In Wahrheit gibt es nur Atome und den leeren Raum.“, wird DEMOKRIT zitiert. „Das ist das Ende der Naturphilosophie.“, entgegnen DEMOKRITs Kollegen in Athen und anderswo. SE

AUFGABE: Fertigen Sie zum Abschnitt „Griechische Naturphilosophie“ eine MindMap an. JOSTEIN GAARDER stellt in seinem Buch „Sofies Welt” einen Vergleich zwischen den Atomen DEMOKRITs und LEGO-Steinen an. Welche Parallelen erkennen Sie? (Erst überlegen, dann eventuell im Anhang nachlesen.)

Er hat‟s herausgefunden: DEMOKRIT VON ABDERA (51)

Atom

Seine Idee: Teilung z.B. eines Steines bis zu seinen kleinsten Bestandteilen, den Atomen. Diese sind nicht mehr teilbar.

AB 1 ZENTRALGEWERBESCHULE

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AB1: GRIECHISCHE NATURPHILOSOPHIE – Dr. Bernd Stange, Februar 2010

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AB1: GRIECHISCHE NATURPHILOSOPHIE – Dr. Bernd Stange, Februar 2010

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2.1.10. PLATON (* 428/427, † 348/347)15

P

LATON

16

wuchs in einer wohlhabenden Familie in Athen auf

und wurde mit 20 Jahren Schüler des SOKRATES. Um das Jahr 387 v. Chr. gründete er die Akademie, die erste Philo-

sophenschule Griechenlands. PLATONs Werke – die nahezu alle erhalten sind – sind literarische Dialoge, meist zwischen einer Hauptfigur (häufig SOKRATES) und verschiedenen Gesprächspartnern, deren Mittelpunkt meist ein Thema ist17.

Abb.14: PLATON

Seine Naturlehre (neben der Beschäftigung mit kosmologischen und mathematischen Fragen) stellt PLATON im Dialog Timaios 18 (um 360 v. Chr.) dar. An dieser Stelle wollen wir den Fokus aber lediglich auf die platonische Sichtweise von Elementen und Atomen richten. Ausgangspunkt sind die vier Elemente Feuer, Erde, Luft und Wasser. PLATON läßt Timaios19 die Entstehung dieser Elemente thematisieren, die damit also nicht wirklich grundlegend seien, sondern aus einer Art geometrischer Atome, nämlich bestimmten Elementardreiecken bestünden, die sich in den Elementen zu regelmäßigen Körpern (Polyedern ) anordneten. Aufgrund ihrer geometrischen Verwandtschaft wandelten sich die Elemente ineinander um. Durch Zusammenstöße könnten sich die Elemente Feuer, Luft und Wasser aufspalten und entsprechend der Anzahl und den geometrischen Eigenschaft ihrer Elementardreiecke neu kombinieren. Die sinnlich wahrnehmbaren Unterschiede in den Qualitäten realer Objekte wie beispielsweise die Aggregatzustände des Wassers oder die Abstufungen von Erde zu Stein seien auf verschiedene Größen und Zusammensetzungen der Elementpolyeder und der Elementardreiecke zurückzuführen. Gewissermaßen wird in PLATONs Naturphilosophie die Grundlage für einen mathematischen Atomismus gelegt; vergleichbar hatten zuvor nur die Pythagoräer diskutiert (Zahlen als kleinste Bausteine). 15

Der Größe eines PLATON oder eines ARISTOTELES in so kurzen Abschnitten auch nur annähernd gerecht zu werden, ist ein aussichtsloses Unterfangen. Die Vielseitigkeit ihrer Begabungen und die Originalität ihrer wegweisenden Leistungen als Denker und Schriftsteller machen beide Philosophen zu den bekanntesten und einflußreichsten Persönlichkeiten der Geistesgeschichte. Ihre Wirkung reicht bis in die heutige Zeit und ist nach wie vor Forschungsgegenstand.

16

Möglicherweise war sein Geburtsname eigentlich ARISTOKLES, der Name PLATON soll ihm wegen seiner breiten Stirn (πλαηύς, platýs, griech. breit) verliehen worden sein. Diese Ansicht ist aber umstritten.

17

Diese Literaturform wurde später auch von anderen Gelehrten zur Verbreitung ihrer Ideen benutzt, u.a. von GALILEI in seinem „Dialogo sopra i due massimi sistemi“ (ital. Dialog über die beiden hauptsächlichen Weltsysteme).

18

Online verfügbar als deutsche Übersetzung z.B. unter http://www.e-text.org/text/Platon - Timaios.pdf. (15.02.2010)

19

Bei dem Hauptredner handelt es sich um TIMAIOS 5. vorchristlichen Jahrhunderts.

VON

LOKROI, einem vermeintlichen pythagoreischen Philosophen des

AB 2 ZENTRALGEWERBESCHULE

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AB2: DIE PLATONISCHEN KÖRPER – Dr. Bernd Stange, Februar 2010

Es ist eine außerordentlich herausfordernde Aufgabe für Textverständnis und Vorstellungskraft, die tatsächliche Gestalt der fünf heute platonisch genannten Körper abzuleiten. Lassen wir PLATON bzw. Timaios einmal persönlich zu Wort kommen: Daß zunächst nun Feuer und Erde und Wasser und Luft Körper sind, das ist wohl jedem klar; zum Wesen jedes Körpers gehört es aber, daß er räumliche Ausdehnung besitzt. Und ferner muß die räumliche Ausdehnung unbedingt eine Oberfläche um sich herum haben; die rechtwinklige Grundfläche aber besteht aus Dreiecken. Alle Dreiecke jedoch gehen ursprünglich auf zwei zurück, von denen jedes einen rechten und zwei spitze Winkel hat. Von diesen zeigt das eine auf beiden Seiten die Hälfte eines rechten Winkels, der durch zwei gleiche Seiten auseinandergehalten ist; das andere hat ungleiche Teile eines rechten Winkels, zugeteilt an ungleiche Seiten.

Den Anfang wird denn also die erste Art machen, diejenige, die aus den kleinsten Teilen zusammengesetzt ist; ihr Bauelement ist das Dreieck, dessen Hypotenuse doppelt so lang ist wie die kleinere Kathete. Wenn nun je zwei dieser Art (zu einem Viereck) mit der Hypotenuse als Diagonale zusammengelegt werden und wenn das dreimal in der Weise gemacht wird, daß die drei Diagonalen und die drei kurzen Katheten alle in einem Punkt wie in einem und demselben Zentrum zusammenstoßen, so hat sich damit aus den sechs Dreiecken ein einziges, gleichseitiges ergeben. Vier solche gleichseitige Dreiecke aber, mit je drei Flächenwinkeln zusammengefügt, bilden zusammen einen stereometrischen Winkel (Raumwinkel), der (nach seiner Größe) unmittelbar auf den stumpfsten der (vier) flächenhaften Winkel folgt. Sind nun aber vier solche Winkel gebildet, so ergibt sich daraus die erste Art eines stereometrischen Gebildes, das die Eigenschaft hat, die gesamte Oberfläche einer (umschriebenen) Kugel in gleiche und ähnliche Stücke zu teilen. Die zweite Raumfigur ergibt sich aus den selben Dreiecken, wobei sich aber je acht zu einem gleichseitigen Dreieck vereinigt und zusammen einen einzigen stereometrischen Winkel aus vier flächenhaften gebildet haben; hat man dann sechs dieser Art entstehen lassen, so wurde damit der zweite Körper vollendet. Der dritte aber ergab sich aus der Zusammenfügung von zweimal sechzig Grunddreiecken und zwölf geometrischen Winkeln, wobei jeder von fünf Flächen aus gleichseitigen Dreiecken umfaßt wird; er bekam so zwanzig gleichseitige Dreiecke als Grundflächen. Nachdem nun das eine der beiden Grunddreiecke diese (drei Körper) hervorgebracht hatte, war es seiner Aufgabe ledig. Dagegen brachte nun das gleichschenklige Dreieck die Natur des vierten Körpers hervor: je vier solche traten zusammen; ihre rechten Winkel vereinigten sich im Mittelpunkt und bildeten so ein einziges gleichseitiges Viereck. Wenn man aber sechs dieser Art zusammenfügte, ergaben sich acht stereometrische Winkel, deren jeder aus drei rechtwinkligen Flächen zusammengefügt war. Quelle: PLATON, Timaios, 53c ff.

AUFGABE: Leiten Sie die geometrischen Formen der vier im Text genannten Körper ab.

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Die Elementardreiecke der genannten Körper bestehen entweder aus Dreiecken in Form halber Quadrate (rechtwinklig-gleichschenklig) oder Dreiecken halbierter gleichseitiger Dreiecke (rechtwinklig und Hypotenuse doppelt so lang wie die kürzere Kathete). Bei richtiger Lösung ergibt sich als erster Körper ein Tetraeder, als zweiter ein Oktaeder, der dritte Körper ist ein Ikosaeder, der vierte der allgemein bekannte Würfel. Die Zuordnung zu den vier Elementen zeigt Abb.15. Die Elemente20 lassen sich z.T. ineinander umwandeln, sagt PLATON, zwei Feuer- sollen beispielsweise ein Luft-Partikel oder ein Wasser- fünf Feuer-Teilchen21 ergeben. Lediglich die Erde läßt sich wegen der quadratischen Grundflächen in kein anderes Element umwandeln. Der fünfte regelmäßige Körper ist das Dodekaeder. PLATON wies diesem – da es sich nicht aus den beiden Dreieckformen zusammensetzen läßt und daher nicht mit den vier Elementen in Beziehung gebracht werden kann – den Kosmos zu.

Abb.15: Die fünf platonischen Körper

20

Als Elementbegriff verwendete PLATON den Ausdruck ζηοιτειον, stoicheion, griech. Grundstoff ( Stöchiometrie).

21

Zwei Feuer-Körper enthalten acht Elementardreiecke, ebenso wie ein Oktaeder, eine entsprechende „Umrechnung“ gilt für das zweite oder weitere Beispiele.

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2.1.11. ARISTOTELES (* 384, † 322)

N

ach dem Tode ARISTOTELES„ im Jahre 322 vor unserer Zeitrechnung dauerte es rund 2000 Jahre, bis die Welt wieder einen ihm auch nur annähernd ebenbürtigen Phi-

losophen hervorbrachte, schreibt RUSSELL in seiner „Philosophie des Abendlandes“. 2000 Jahre galt alles, was ARISTOTELES gesagt hatte, als unanfechtbares Dogma, er war eine nahezu ebenso unbestrittene Autorität wie die Kirche, was für den Fortschritt der Wissenschaft wie der Philosophie ein ernsthaftes Hindernis war. Wer war dieser Abb.16: ARISTOTELES Mann, der sich zu fast jedem zu seiner Zeit bekannten Wissenschaftsgebiet geäußert hat und eine so nachhaltige Rezeption erfuhr? ARISTOTELES wurde 384 v. Chr. in Stageira als Sohn des Leibarztes des makedonischen Königs geboren. Als Siebzehnjähriger trat er PLATONs Akademie bei und bliebt dort 20 Jahre, zunächst als Schüler, später als Lehrer. Er unterrichtete ALEXANDER DEN GROSSEN und gründete 335/334 eine eigene Schule, das Lykeion (der Begriff hat in Lyzeum als alternative/antiquierte Bezeichnung für das Gymnasium überlebt). ARISTOTELES war zudem äußerst produktiv: Antike Verzeichnisse schreiben ihm etwa 200 Titel zu. Die aristotelische Elementenlehre baut ebenfalls auf EMPEDOKLES auf: Die vier Grundelemente ergeben sich jedoch aus dem Miteinander von vier Grundqualit äten, von denen jedes Element zwei besitze (siehe Abb.17 rechts): Das Feuer sei trocken und warm, die Erde trocken und kalt, die Luft feucht und warm, das Wasser feucht und kalt. Das fünfte Element (lat. quinta essentia  Quintessenz), der Äther , soll den vier stofflichen Elementen als unwandelbares und ewiges Wesen zugrundeliegen und sie durchdringen. Bestimmte Elementarübergänge (heute Phasenübergänge) ließen sich so als Qualitätsübergange oder Transformationen erklären, z.B. Schmelzen als

ein

Übergang

feucht/kalt.

von

trocken/kalt

hin

zu

Abb.17: Aristotelische Elementenlehre

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2.1.12. QUELLEN DE CRESCENZO, LUCIANO (1985): „Geschichte der griechischen Philosophie – Die Vorsokratiker“. Zürich: Diogenes. DE CRESCENZO, LUCIANO (1988): „Geschichte der griechischen Philosophie – Von Sokrates bis Plotin“. Zürich: Diogenes. GAARDER, JOSTEIN (1993): „Sofies Welt“. München: Herder. GADAMER, HANS-GEORG (1988): „Philosophisches Lesebuch. Band 1“. Frankfurt: Fischer. KNIERIM, THOMAS (2009): „Pre-socratic Greek Philosophy“. URL: http://www.thebigview.com/greeks/. (10.02.2010) RAPP, CHRISTOF (1997): „Vorsokratiker“. München: C.H. Beck. RUSSELL, BERTRAND (1950): „Philosophie des Abendlandes“. 2.Aufl. Zürich: Europa. STÖRIG, HANS JOACHIM (1996): „Kleine Weltgeschichte der Philosophie“. Frankfurt: Fischer. WEISCHEDEL, WILHELM (1975): „Die philosophische Hintertreppe“. 23. Aufl. München: dtv. WIKIPEDIA – DIE (10.02.2010) WIKIPEDIA – DIE (10.02.2010)

FREIE

WIKIPEDIA – DIE (10.02.2010) WIKIPEDIA – (10.02.2010) WIKIPEDIA – (10.02.2010)

ENZYKLOPÄDIE (2010): „Anaximander“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Anaximander. ENZYKLOPÄDIE (2010): „Anaximenes“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Anaximenes.

FREIE

DIE

DIE

WIKIPEDIA – DIE (10.02.2010)

ENZYKLOPÄDIE (2010): „Anaxagoras“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Anaxagoras.

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ENZYKLOPÄDIE (2010): „Aristoteles“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Aristoteles.

FREIE

FREIE

FREIE

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(2010):

„Demokrit“.

URL:

http://de.wikipedia.org/wiki/Demokrit.

ENZYKLOPÄDIE (2010): „Empedokles“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Empedokles.

WIKIPEDIA – DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE (2010): „Epikur“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Epikur. (10.02.2010) WIKIPEDIA – DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE (2010): „Heraklit“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Heraklit. (10.02.2010) WIKIPEDIA – DIE (10.02.2010)

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ENZYKLOPÄDIE (2010): „Parmenides“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Parmenides.

WIKIPEDIA – DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE (2010): „Platon“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Platon. (10.02.2010) WIKIPEDIA – DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE (2010): „Thales“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Thales. (10.02.2010) WIKIPEDIA – DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE (2010): „Timaios“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Timaios. (10.02.2010) WIKIPEDIA – DIE FREIE ENZYKLOPÄDIE (2010): „Vier-Elemente-Lehre“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/VierElemente-Lehre. (10.02.2010) WIKIPEDIA – DIE (10.02.2010)

FREIE

ENZYKLOPÄDIE (2010): „Vorsokratiker“. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Vorsokratiker.

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ANHANG I: AUSSCHNITT „DIE NATURPHILOSOPHEN“ AUS JOSTEIN GAARDERS BUCH „SOFIES WELT“ Dem norwegischen Schriftsteller JOSTEIN GAARDER (gesprochen ˈju:staɪn ˈgɔːrdər) gelang 1991 mit dem Jugendbuch Sofies verden (Sofies Welt, 1994) der internationale Durchbruch. Seine Bücher zeichnen sich häufig durch einen philosophischen Hintergrund aus22. Zum Inhalt von „Sofies Welt“: Die vierzehnjährige Sofie Amundsen erhält eines Tages einen mysteriösen Brief, in dem sie gefragt wird, wer sie sei. Dadurch angeregt, beginnt sie über sich selbst und ihr Verhältnis zur Welt nachzudenken. Im Laufe der folgenden Wochen bekommt sie regelmäßig neue Briefe mit weiteren Fragen und Denkaufgaben. Es stellt sich heraus, daß ein älterer Mann namens Alberto Knox der Verfasser dieser Briefe ist. Er möchte Sofie auf diese Weise einem Philosophiekurs unterziehen, jeder Brief ist einer wichtigen Epoche der Philosophie oder einem bekannten Denker gewidmet. Im Laufe der Erzählung kommt es zu Verflechtungen in der Art einer Geschichte in der Geschichte, die zum Nachdenken über Realität und Illusion anregen soll.

1

Weitere Bücher sind u.a. „Das Kartengeheimnis“, „Durch einen Spiegel, in einem dunklen Wort“ und „Maya oder das Wunder des Lebens“.

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ANHANG II: AUSSCHNITT „DEMOKRIT“ AUS JOSTEIN GAARDERS BUCH „SOFIES WELT“

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