Rétyi, Andreas von - Die unsichtbare Macht - Hinter den Kulissen der Geheimgesellschaften (2002, 257 S., Text)

April 6, 2017 | Author: flitzi4711 | Category: N/A
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1. Auflage September 2002 2. Auflage August 2003 3. Auflage Januar 2008 4. Auflage März 2011 Copyright © 2011, 2008, 2003, 2002 bei Kopp Verlag, Pfeiferstraße 52, D-72108 Rottenburg Alle Rechte vorbehalten Umschlaggestaltung: Angewandte Grafik/Peter Hofstätter Satz und Layout: Agentur Pegasus, Zella-Mehlis Druck und Bindung: CPI - Clausen & Bosse, Leck ISBN 3-930219-45-X

Gerne senden wir Ihnen unser Verlagsverzeichnis Kopp Verlag Pfeiferstraße 52 D-72108 Rottenburg Email: [email protected] Tel.: (0 74 72) 98 06-0 Fax: (0 74 72) 98 06-11 Unser Buchprogramm finden Sie auch im Internet unter: www.kopp-verlag.de

ANDREAS VON RÉTYI

DIE UNSICHTBARE

MACHT Hinter den Kulissen der Geheimgesellschaften

KOPP VERLAG

ÜBER DAS BUCH: Verschwörungen und hierzu aufgestellte Theorien werden von vielen Menschen belächelt. Sie können sich nicht vorstellen, daß hinter der Bühne der offiziellen Weltpolitik geheime Kräfte agieren, die über das Schicksal der Menschheit bestimmen. Andreas von Rétyi zeigt mit seiner so aktuellen wie beeindruckenden Faktenrecherche, daß Verschwörungen nicht nur Realität, sondern auch eine Bedrohung für die Zukunft und Freiheit der Menschheit sind. Er hebt den Schleier von einer geheimen Gruppe, die keine Grenzen und keine Gesetze kennt, die alle Aspekte der Politik und Wirtschaft kontrolliert. Diese Hintergrundkräfte, die auch als »Oktopus« bezeichnet werden, gewinnen zunehmend an globalen Dimensionen. Zu ihnen gehören die Bilderberger, die Trilaterale Kommission und verschiedene Geheimdienste, allen voran die CIA. Die Geheimdienste dienen dem »Oktopus« als Exekutive. Zahlreiche unliebsame Journalisten und Politiker wurden von ihnen bereits zum Schweigen gebracht. Konsequent verfolgt Andreas von Rétyi sämtliche Spuren, die der »Oktopus« in der düsteren Welt der Geheimgesellschaften hinterlassen hat. Über den Autor: Andreas von Rétyi, geboren 1963 in München, ist seit 20 Jahren Wissenschaftsjournalist und erfolgreicher Sachbuchautor. Neben populärwissenschaftlichen Publikationen sowie jahrelanger Tätigkeit als Chefredakteur eines führenden Magazins zur Weltraumforschung trat von Rétyi durch fesselnde Bestseller hervor, darunter auch seinen vielbeachteten Report über Geheimbasis Area 51 - Die Rätsel von Dreamland. Konsequent greift er seitdem immer wieder brisante Themen auf und verfolgt in weiteren Buchveröffentlichungen militärische Geheimprojekte, verborgene Vorgänge in den Reihen der Machtelite unseres Planeten sowie nicht zuletzt Widersprüche um Schlüsselereignisse der Weltgeschichte. Von Rétyis Arbeit wurde u.a. durch Who's Who in the World gewürdigt, seine Werke erschienen in mehreren Sprachen. Heute arbeitet er als freier Schriftsteller in Coburg.

INHALT

Vorwort zu einer Verschwörung ..................................................

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KAPITEL 1: Der Rat Ein Toter im Potomac ................................................................16 Geheimnisse eines Meisterspions ............................................18 Das Oktopus-Establishment .....................................................21 Szepter der Mächtigen ...............................................................24 Der alte Schurke .........................................................................27 Totale Kontrolle ..........................................................................30 KAPITEL 2: Geheime Gipfeltreffen Fürstliche »Schildbürger« .........................................................35 Die betrogene Armee .................................................................37 Treffen auf Jekyll Island ............................................................39 Der gezähmte Präsident ............................................................42 Gespräche am runden Tisch .....................................................45 Die Welt-Elite unter sich ...........................................................49 Hinter verschlossenen Türen ....................................................53 Verschworene Theorien ............................................................58 KAPITEL 3: Tödliche Neugierde Ein-Stich ins Wespennest ..........................................................64 »Blutbad«.....................................................................................68 Treffpunkt Sheraton ...................................................................74 Reise ohne Wiederkehr..............................................................76

Das Lied vom Tod ..................................................................... 81 Beseitigte Beweise ..................................................................... 83 KAPITEL 4: »Selbstmord« im Namen des Kraken David gegen Goliath ................................................................. 86 Warnzeichen .............................................................................. 88 Group 13 ..................................................................................... 90 Exitus bei Exit 95 ....................................................................... 94 Der aufrechte Tote ..................................................................... 96 Schlafende Hunde weckt man nicht ..................................... 100 Der Wilcher-Brief .................................................................... 102 Korrupte Gerichtsmediziner.................................................. 108 Gefährliche Spuren ................................................................. 110 Die »Schwarze Rose« .............................................................. 114 KAPITEL 5: Fluchtpunkt Arkansas Eine verborgene Agenda ........................................................ 120 Cocaine Importation Agency ................................................. 123 Die Jungs auf den Schienen ................................................... 125 Suizid-Doktor Malak .............................................................. 128 Mauern des Schweigens ......................................................... 133 »Wir wissen doch, wohin das führt!« ................................... 137 KAPITEL 6: Wackenhut Das Geheimnis von Coachella Valley .................................. 143 Spezialtrupps für die Schwarze Welt ................................... 147 Ein obskures Genie ................................................................. 151 CIA innerhalb der CIA ........................................................... 155 Desinformation? ...................................................................... 157 Rätsel um BO-105 .................................................................... 162

KAPITEL 7: Eine geheimnisvolle Gruppe Das »Secret Team« ................................................................... 166 Carlyle ....................................................................................... 170 Ein neues Machtzentrum ........................................................ 173 CIA-Airlines ............................................................................. 177 Ein Wunsch liegt in der Luft .................................................. 180 Der Fall Hatfield ...................................................................... 182 »USA, Inc.« ............................................................................... 185 Der Orden ................................................................................. 189 KAPITEL 8: Welt-Manipulation Des Kraken neue Kleider ........................................................ 194 Die Australien-Connection ..................................................... 198 Die Kuba-Akte ......................................................................... 203 Amerikas düsterster Tag ........................................................ 211 KAPITEL 9: Planet Rockefeller Doktor Eisenbart ...................................................................... 220 »Gott hat mir mein Geld gegeben!« ...................................... 222 Der erste Milliardär ................................................................. 224 Das Imperium schlägt zu........................................................ 226 Anhang: »Operation Northwoods«: Die Dokumente ................................. 229 Literatur............................................................................................. 245 Register .............................................................................................. 247

Gewidmet Kevin Ives, Don Henry, Tony Casolaro, und all den anderen, die sterben mußten, weil sie der unsichtbaren Macht zu nahe kamen. Denen, die zufällig Zeugen wurden, und denen, die ihr Leben ließen, weil sie die düsteren Machenschaften der Schattenregierung ans Licht bringen wollten.

VORWORT ZU EINER VERSCHWÖRUNG Im Weltraum existiert eine bislang unbekannte Materieform. Erst seit kurzem wissen Astronomen von ihr, denn diese Materie leuchtet nicht. Sie ist unsichtbar. Dennoch läßt sie sich mit detektivischem Spürsinn nachweisen, denn ihre Gegenwart wirkt sich auf ihre Umgebung aus. Schwarze Löcher in den größten Tiefen des Universums lassen Energiemonster im All, sogenannte Quasare, hell leuchten. Wenn dieses unvorstellbar ferne Licht an riesigen Galaxienhaufen vorbeizieht, wird es von deren Schwerefeld abgelenkt. Doch die Ablenkung ist viel stärker, als Astronomen aufgrund der leuchtenden Materie vermuten würden. Also muß noch eine exotische »dunkle Materie« existieren. Obwohl sie unseren Augen verborgen ist, verrät sie sich also doch. Nicht anders verhält es sich mit der »dunklen Macht«, nach deren Pfeife unsere gesamte Welt tanzt. Mit diesem Buch möchte ich Sie zu einer ungewöhnlichen Reise einladen. Diese Reise soll Sie an diejenigen Orte führen, an denen die unsichtbare Macht Spuren hinterlassen hat, an denen sie das Licht der Welt ähnlich wie die kosmische dunkle Materie hin zur Finsternis krümmt und sich dem aufmerksamen Betrachter verrät. Die Frage wurde schon oft gestellt: »Wer regiert die Welt?« Vier simple, an sich harmlose Wörter ergeben eine kurze Frage, einen kurzen Satz. Sein Inhalt ist jedoch weit mehr als die Summe seiner Teile. Die Kombination jener vier Worte bildet echten Zündstoff, so als ob Wasserstoff und Sauerstoff in einer Knallgasreaktion detonieren. Genauso verhält es sich mit vielen Geheimnissen. Sie setzen sich häufig aus zahllosen Fakten zusammen, die an sich nicht sonderlich aufregend sind. Viele Teilgeheimnisse

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kursieren als öffentlich zugängliche Informationen, ob nun in Zeitschriftenartikeln, Büchern oder im Internet. Wer nun die richtigen Daten aus der unüberschaubaren Flut herausfischt, kann dabei unter Umständen unter Tausenden von Glassplittern einen unschätzbar wertvollen Rohdiamanten finden. Nun liegt es aber in der Natur der Sache, daß nur die Insider geheimer Projekte und weitreichender Verschwörungen auch genau wissen, welche der reichhaltig kursierenden Informationen auch zuverlässig und welche wertlos sind. Sollten aber solche Insider beginnen, ihr intimes Wissen an Unberechtigte weiterzugeben oder sollten gelegentlich übereifrige Außenseiter, vor allem investigative Journalisten, brisante Entdeckungen machen, dann wird es gefährlich, wenn es um Enthüllungen über die abgründigsten, schwärzesten Machenschaften dieser Erde geht, keine Frage. Und nicht immer gelingt es, allzu neugierige Probleme, pardon, Personen so zu »entsorgen«, daß keine Verdachtsmomente aufkommen. So makaber es klingen mag, nicht selten können die investigativen Nachfolger - und die wird es immer geben - aus dem »Fundus des Todes« schöpfen und aus Unstimmigkeiten und Widersprüchen, wie sie bei solchen unnatürlichen Todesfällen fast die Regel sind, auf mögliche Hintergründe schließen. Auf die Frage »Wer regiert die Welt?« wurden schon viele Antworten gegeben, die mehr oder weniger befriedigend waren. Da war die Rede von uralten mysteriösen Bünden, von mörderischen Geheimgesellschaften und skrupellosen politischen Mächten, von hinterhältigen Schattenregierungen und supermächtigen Familien. Letztlich wissen wir alle, wer die Welt regiert. Für die Antwort reichen sogar schon vier Buchstaben: Geld! Eine Binsenweisheit. Kann das die Antwort auf alle Verschwörungen und Geheimnisse dieses Planeten sein? Ja und nein zugleich. Denn natürlich geht es ewig um die harmonische Ehe von Geld und Macht mit dem Trauzeugen »Wissen«. Doch hinter allem stehen Menschen, und das macht die Sache erst kompliziert. Denn selbstverständlich möchten wir herausfinden, wer es wirklich ist, der Krone und Szepter der Welt in seinen blutigen Händen hält!

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Tatsächlich treffen viele der Antworten, die auf die Frage nach den Herren dieser Welt gegeben wurden, im Grunde bereits zu. Viele aber orientieren sich zu sehr an den Mächten früherer Jahrhunderte, die zwar in die heutige Zeit hineinwirken, aber eben doch von neuen Kräften geformt wurden. Wesentlich ist meiner Meinung nach, die neuen tragenden Säulen der Macht aufzuspüren, um sie dann beim Namen nennen zu können und zu erkennen, wo enge »Verwandtschaften« bestehen und wer heute das Familienoberhaupt ist. Das sind die eigentlich interessanten und wichtigen Fragen, die allerdings in einem schier unendlichen Wirrwarr an Fakten und Vorfällen verborgen sind. Auf unserer abenteuerlichen Reise werden wir zahlreichen Geheimnissen nachspüren und geradezu unglaubliche Querverbindungen aufdecken. Wir werden einem unterschwelligen, verborgenen und sehr komplexen Netz auf den Grund gehen, das so fein gewoben und so widerstandsfähig ist wie das Radnetz einer Spinne. Es ist ein Netzwerk aus niedrigster Korruption, Verrat, Betrug, Mord, Drogengeschäften, politischen Verbrechen aller Art, Spionage, Abhöraktionen, Täuschungsmanövern, Desinformation, Waffenhandel, Intrigen. Wir werden einer düsteren Machtstruktur nachspüren, die sich wie ein Chamäleon anzupassen versteht, um bei minimaler öffentlicher Präsenz maximale Gewaltausübung zu betreiben. Die unsichtbare Macht manifestiert sich in gewaltigen Institutionen, Organisationen, Untergrundgruppen und Einzelpersonen. Bereits in meinen beiden Büchern über geheime Projekte der Vereinigten Staaten von Amerika bin ich einigen speziellen Fragen zur Schattenregierung nachgegangen und kann rückblikkend sogar feststellen, daß ich ihren Zentren mehr oder minder zufällig manchmal bereits näher war, als ich damals je vermutet hätte. Eines freilich ist schon lange klar: Der militärisch-industrielle-geheimdienstliche Komplex untersteht letztlich den höchsten Finanzkräften dieses Planeten. Stück für Stück haben engagierte und mutige Journalisten in den vergangenen Jahren versucht, die ungezählten Fäden zu entwirren, deren Gewebe aus Verschwö-

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rung und düsteren Machenschaften gesponnen ist. Viele derjenigen, die vor allem in den USA recherchierten und auf wertvolle Hinweise stießen, haben dafür noch vor Beendigung ihrer Arbeit auf meist sehr jähe Weise mit dem Leben bezahlt. Auch ernst zu nehmende Informanten starben überdurchschnittlich oft zu einem, nun, sagen wir einmal »geeigneten« Zeitpunkt. Die unheimliche Schattenregierung wurde schon vor Jahren vereinzelt ins Visier genommen und sehr treffend als Oktopus bezeichnet, als ein alles umschlingender, alles verschlingender Krake, vor dem nichts sicher ist. Er lauert stets im Hintergrund, versteckt vor den Blicken der Öffentlichkeit. Nur einige wenige mächtige Gruppierungen um ihn herum wissen überhaupt von diesem Moloch, einem so uralten wie modernen Götzen, dem sie um der Macht und des Geldes willen huldigen. Es gibt viele andere Namen für den zentralen Machtfaktor der Welt. Wir werden diese von Menschen geschaffene Kreatur in diesem Buch nun auch im Licht der Gegenwart betrachten. Mancher mag sich fragen, ob dies alles nicht das überzogene Gedankengebilde eher schon sehr weltfremder Phantasten und Verschwörungstheoretiker ist, das nur noch wenig mit der Realität gemein hat. Gewiß, ein vorsichtiger Umgang mit dieser exotischen »dunklen« Materie ist angebracht. Denn hier, in dieser obskuren Schattenzone kursieren tatsächlich viele unglaubliche, sogar unglaubhafte und unbewiesene Stories. Doch abgesehen davon, daß es einen meilenweiten Unterschied zwischen »unbewiesen« und »widerlegt« gibt, der bei der Wahrheitssuche meistens übersehen wird und ihr einen selektiven Charakter aufprägt, nun, einmal ganz abgesehen davon gibt es eben viele sehr gut belegte, weil präzise verfolgbare Spuren und Hinweise auf die reale Existenz des Oktopus. Wir können Daten, Namen und Örtlichkeiten der »Oktopus-Operationen« oft präzise nennen. Daß er uns als trotzdem kaum greifbares Phantom erscheint, liegt in der Natur der Sache. Schließlich pflegt er ja gerade als seine vornehmste Eigenschaft, sich so weit wie möglich dem neugierigen öffentlichen Blick zu entziehen, die Öffentlichkeit aber seiner-

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seits global fest im Visier zu behalten und stets gezielte Kontrolle auf die Welt auszuüben. Nein, es ist keineswegs der Orwell-Staat, in dem wir heute leben, das ist längst schon weit überholte Geschichte. Bereits lange vor »1984« herrschte eine Situation, von der George Orwell nicht einmal in seinen kühnsten (Alp-)Träumen eine Vorstellung visioniert hätte. Der Orwell-Staat ist Vergangenheit, viel eher schon ist es der äußerlich sehr flexible, im tiefen Inneren aber stets gleiche Riesenkrake, ist es die Welt jener »Oktopus«-Schattenregierung, die nicht zuletzt die Medien nachhaltig beeinflußt in dem, was uns erzählt werden darf, und dem, was besser nie ans Tageslicht dringen sollte. Selten, und nur, wenn wir aufmerksam sind, finden wir bemerkenswerte Meldungen als lediglich kleine Notiz in eher weniger renommierten Blättern, während sich große angesehene Magazine und Tageszeitungen ausschweigen. Meinungen und Wahrheiten wurden schon immer gemacht, auch indem andere unterdrückt wurden. Und das um so mehr in unserem glorreichen Zeitalter der Kommunikationstechnologie und der global bald schon in Sekundenschnelle agierenden und reagierenden Medien. Wie schon angedeutet, der Oktopus ist ein sehr komplex gebautes Lebewesen. Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht? Doch hier hat der Wahnsinn Methode, denn Transparenz wäre das Allerletzte, was eine geheime Weltregierung gebrauchen könnte. Sie folgt da schon eher dem Prinzip der Entropie, die in der Physik, grob gesagt, das Maß der Unordnung und die Zahl der möglichen Zustände beschreibt. Dieser entropische Oktopus hinterläßt aber eben auch Lebenszeichen, kein Wunder bei einem derart ausladenden Ungeheuer. Genau an diesem Punkt kommt ihm jedoch seine enorme Wandlungsfähigkeit zu Hilfe. Im Wesen immer gleich und stets bösartig, zeigt es sich im Laufe der Zeit wieder und wieder in neuem Gewand. In diesem Buch werden wir versuchen, seine Geheimnisse auszuleuchten. Ihr Ursprung liegt fast immer in den Abgründen der menschlichen Psyche, im Morast einer von Macht besessenen

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Subgesellschaft, deren Regeln fern jeglicher Moral und Humanität geboren wurden. Mir als Autor dieses Buches wird sicher, und das nicht zum ersten Mal, vorgeworfen werden, überall Verschwörungen zu sehen, auch dort, wo gar keine sind. Ich bin derart pauschale Kategorisierungen hinreichend gewöhnt, wobei mich vor allem das Schubladen- und Scheuklappendenken, diese Blindheit gegenüber dem Offensichtlichen, immer schon zutiefst verwundert hat. Natürlich ist mir klar, wie angenehm und einfach pauschales Negieren ist. Doch so leicht lassen sich eben weder die behandelten Themen fassen noch diejenigen einordnen, die oft als »Verschwörungstheoretiker« tituliert wurden. Wie Sie noch sehen werden, befindet man sich mit diesem Titel in gar nicht so schlechten Gesellschaft! Gewiß sehe ich nicht an allen Ecken und Enden Verschwörungen. Nur lebe ich immer noch mit einer gewissen Überzeugung: Dort, wo welche sind, sollte man den Versuch nicht scheuen, sie auch zu nennen und ans Tageslicht zu bringen. Es gibt sie im Kleinen wie im Großen, seien es Lebensmittelskandale, die unter den (Eß-)Tisch gefegt werden sollen, seien es politische Geheimnisse wie der Barschel-Mord, die Akte Strauß oder auf höchster Ebene das seit Jahrzehnten ungeklärte Mysterium um die Kennedy-Monroe-Connection, sei es der Tod von Lady Di, die Vernebelung von Abhör- und Spendenaffären, Wahlbetrug, Pillenschwindel, CIA-Drogengeschäfte, BSE-Skandal... Verehrte Leser, jeder von Ihnen wird diese kleine, absichtlich völlig spontan hingeschriebene Liste mit Leichtigkeit um viele zusätzliche Beispiele erweitern können! Zu Anfang erhalten wir über die Medien ein paar fragmentarische Informationen über brisante Vorfälle, dann, wenn die große Flut der Entrüstung abgeklungen ist, sinkt die jeweilige Geschichte meist allzu schnell wieder ins Vergessen. Große Geheimnisse »gefrieren« über Jahrzehnte und noch länger ein, bleiben eben ungeklärte Rätsel. So ist es schön! Nur sehr wenige, sehr direkt involvierte Personen, die durch ihr gefährliches Wissen immer wieder auch selbst in

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mancherlei Bedrängnis geraten und schnell vom Täter zum Opfer werden können, sind in die wahren Umstände eingeweiht. Wir müßten allerdings wirklich Gemüt und Seele eines Klosterschülers haben, um globale Verschwörungen ins Reich der Phantasie zu verbannen. Und selbst der argloseste Klosterschüler dürfte sehr bald schlauer sein. In den folgenden Kapiteln werden wir wie gesagt versuchen, die aktuellen Organe des Oktopus freizulegen und das virtuelle Knäuel der Verschwörungen ein wenig zu entwirren. Viele Fäden laufen hier zusammen, so daß wir uns nur sehr vorsichtig an diese Aufgabe herantasten können, manchmal über Seitenwege, manchmal, indem wir mehrere Fäden gleichzeitig greifen müssen. Letztlich aber wird sich aus allem deutlicher und durchaus schlüssig herauskristallisieren, wer als unsichtbare Macht hinter den Kulissen der heutigen Geheimgesellschaften und jener unvergleichlichen Schattenagenda steckt. Einige Namen werden wieder und wieder fallen, sie ziehen sich wie der berühmte rote Faden durch dieses Buch. Und genau dann, immer wenn dieses gewisse, blutige Rot aus dem Knäuel herausschimmert, sind wir dem Oktopus besonders nahe. Dieses Buch baut neben persönlichen Recherchen auf den Arbeiten zahlreicher Journalisten auf, die manchmal Kopf und Kragen für ein winziges Detail riskiert haben. Hätte es nie Menschen gegeben, die eine gute Nase für Ungereimtheiten und Andeutungen sinistrer Aktivitäten entwickelten, dann wäre es um die geschichtliche Wahrheit auf dieser Welt noch weit schlimmer bestellt, als es leider ohnehin schon der Fall ist. Gibt es tatsächlich noch Zeitgenossen, die alles glauben, was in unseren Nachrichtenblättern steht oder in Geschichtsbüchern? Wenn wir die Weltgeschichte einmal so lesen dürften, wie sie sich auch wirklich auf unserer Welt zugetragen hat, dann wäre das aber eine Geschichte! Wir würden dabei unsere Welt schlichtweg nicht wiedererkennen!

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Kapitel 1

DER RAT Ein Toter im Potomac Es war ein nebliger Montagmorgen im Mai 1996, als ein Angestellter des Maryland Department of Natural Ressources die grausige Entdeckung machte: Am sumpfigen Ufer des Wicomico River, rund 60 Kilometer südlich von Washington, D.C., stieß er auf den aufgedunsenen Körper eines alten Mannes, der mindestens schon einige Tage lang im Wasser gelegen haben mußte und nun wieder an Land geschwemmt worden war. Damit hatte sich offenbar ein schrecklicher Verdacht bestätigt, denn bereits seit über einer Woche waren Suchmannschaften unterwegs, um nach einem seit dem 28. April 1996 verschollenen älteren Herrn zu fahnden. Die Obduktion und Identifizierung des Toten im gerichtsmedizinischen Institut von Baltimore ergab letzte Sicherheit - es handelte sich eindeutig um die vermißte Person. Jener Tote, den Suchmannschaften aus dem Seitenfluß des Potomac fischten, war kein Geringerer als William Colby, CIA-Direktor unter den US-Präsidenten Nixon und Ford! Colbys Leben war so ungewöhnlich und mysteriös wie sein Tod. Was geschah am Abend seines Verschwindens? Der Ex-CIAChef war leidenschaftlicher Kanufahrer, und so soll er angeblich seinem Hobby zum Opfer gefallen sein. Andere Untersucher zweifeln allerdings stark an dieser offiziellen Erklärung eines Bootsunglücks. Und das aus guten Gründen ... Colby hatte es sich am bewußten Aprilabend in seinem Haus in Rock Point, Maryland, gemütlich gemacht. Er rief seine zu der Zeit nicht anwesende Frau Sally an und sagte ihr, daß er nach dem Abendessen vorhabe, noch eine heiße Dusche zu nehmen und danach zu Bett zu gehen. Tatsächlich muß er bald nach dem

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CIA-Chef William Colby (rechts) im Gespräch mit Nelson A. Rockefeller (links) und Brent Scowcroft (Mitte). Telefonat seine Mahlzeit aus Quahogmuscheln zubereitet haben, doch er aß nicht zu Ende. Offenbar wurde er jäh aus seiner Ruhe gerissen. Colby war als ein außergewöhnlich methodischer und ordentlicher Mann bekannt, das hatte schon sein Beruf mit sich gebracht. Hätte er sich freiwillig entschlossen, zu jener fortgeschrittenen Stunde noch aus dem Haus zu gehen, würde er alles sauber aufgeräumt zurückgelassen haben. Doch hier bot sich ein ganz anderes Bild. Auf dem Tisch stand ein halb geleertes Glas mit Weißwein, und die Muscheln lagen überall herum. Damit nicht genug der Unordnung - ein Zustand, den Colby normalerweise abgrundtief haßte. Als der CIA-Mann verschwand, waren die Lichter im Haus noch an, das Radio spielte und der Computer lief mit gleichmäßigem Summen. Kaum vorstellbar, daß der keineswegs senile Colby kurz entschlossen alles stehen und liegen gelassen hatte, um ganz spontan noch eine Kanufahrt zu unternehmen, vor allem, da es bereits dunkel war und ein kräftiger Wind kräftig wehte. Bei der polizeilichen Rekonstruktion der letzten Momente vor dem Verschwinden des ehemaligen Geheimdienstlers blieben dessen Freunde und Angehörige mit einem Kopfschütteln zurück. Niemand vermochte den Charakter William Colbys in jenem erratischen Verhalten, in diesem urplötzlichen und völlig ungeordneten Aufbruch wiederzuerkennen. Das Verschwinden des

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»Alten Grauen Mannes der CIA« wurde noch von vielen weiteren Ungereimtheiten begleitet. Er hatte ja noch nicht einmal die Haustüre abgeschlossen! Und die Schwimmweste war im Haus geblieben - doch der erfahrene und vorsichtige Segler Colby war nie zuvor ohne diese »Lebensversicherung« aufgebrochen. So gibt es einige Gründe für die Annahme, daß der hohe Geheimnisträger ganz und gar nicht freiwillig auf seine letzte Fahrt ging, sondern eine wirksame »Nachhilfe in Sachen Tod« erhielt, von Leuten, die eine Rettungsweste nur als Hindernis betrachten konnten. Als das Verschwinden des mächtigen Mannes bekannt wurde, konnte sich der Journalist Jim Quinn aus Pittsburg die Bemerkung nicht verkneifen: »Oh, Mr. Colby wird schon wieder aus dem Wasser auftauchen, sobald jemand die an seine Füße gebundenen Betonklötze abschneidet!« William Colby nahm viele Geheimnisse mit in sein naßkaltes Grab, und das war wohl auch Zweck der Übung. Bei allen Begleitumständen noch an die offizielle Erklärung zu glauben, der Geheimdienstler habe eine Herzattacke erlitten und sei aus seinem Kanu ins Wasser geglitten, wäre wohl sträflich naiv. Daß ein Direktor des US-Auslandsnachrichtendienstes sein Leben lang auch mächtige Feinde hat, die zu allem bereit sind, dürfte kaum jemanden wundern. Und Colby hatte eine Menge Feinde, noch aus alter Zeit, aber durchaus auch aus den eigenen Reihen.

Geheimnisse eines Meisterspions Colby war in gewisser Weise ein fast etwas widersprüchlicher Hardliner, was sich früher oder später auf jeden Fall kontraproduktiv auf den Fortbestand seines Lebens auswirken mußte. Während des Vietnam-Krieges trug er die Verantwortung für ein Massaker, bei dem tausende Vietnamesen gefangen, gequält und hingerichtet wurden.

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Der Journalist David Talbot traf Colby im Jahr 1984, um eine Geschichte über drei »Ikonen« des Vietnamkrieges vorzubereiten: Robert McNamara, McGeorge Bundy und eben William Colby. Während die anderen sichtlich mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen hatten, blieb Colby ungerührt. Talbot erinnert sich noch genau: »1984 war Colby derselbe aufgeräumte, kalte, eulenhafte Mann, der das berüchtigte CIA-Phoenix-Programm in Vietnam geleitet hatte, das die Leben von 20.000 Viet-Cong-Verdächtigen forderte. Obwohl er in jenen Jahren zusammen mit Atomkraftgegnern und Pazifisten auftrat, schwor er seiner Vergangenheit nie ab. Da lag vielmehr ein frostiger Stolz in seiner monotonen Stimme, als er mir sagte, daß Phoenix, sogar laut Eingeständnis der nordvietnamesischen Führung selbst, >die erfolgreichste Einzelaktion war, die je gegen sie unternommen wurdeTodesschwadronen< in Vietnam unterhalten zu haben. Er saß dann auf dem Podium, nahm die verbalen Schläge ruhig entgegen und erwiderte ebenso gelassen, ja, es habe da einige >Exzesse< gegeben, aber nein, das sei kein Todesschwadronen-Programm gewesen. >Wir haben Leute arrestiert, weil sie uns lebendig ganz offensichtlich mehr wert waren als totinternationale Banken Bezug genommen. Dieser kleine Zirkel mächtiger Bankleute lenkt unsere Regierung offenbar zu ihrem eigenen Selbstzweck.« Diese Bemerkungen zeigen, wie lange das Bild vom Oktopus bereits existiert. Eigentlich umso erschreckender, daß eben dieses Bild seit diesen vielen Jahrzehnten nicht schon viel weiter ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt ist. Noch immer wissen nur verhältnismäßig wenige davon, daß diese Gruppierungen eine wirklich ernstzunehmende Realität darstellen. Viele, denen die einen oder anderen Informationen zu Ohren kommen, halten sie entweder für leere Gerüchte oder alte Geschichten: »Das mag es ja einmal gegeben haben, aber wo ist denn der böse große Oktopus heute?« Keine Frage, er lebt, nach wie vor zurückgezogen, aber nachweisbar. Verweilen wir noch ein wenig beim Council on Foreign Relations, um die blutige Spur von da aus wieder aufzunehmen.

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Szepter der Mächtigen Gerade ein Jahr, bevor John Hylan seine Sorgen äußerte, wurde der CFR gegründet, um von diesem Zeitpunkt an das hauptsächliche Bindeglied zwischen der US-Regierung und der Schattenregierung des Establishments zu bilden. Sein Vorgehen ist an sich simpel, bestehend aus Kanalisation und Infiltration. Wer die Karriereleiter wirklich hoch aufsteigen will, muß irgendwann ganz offenbar unweigerlich durch dieses Nadelöhr hindurch. Sprößlinge aus den reichsten Familien des Landes besuchen Elite-Universitäten wie Harvard, Princeton oder Yale, sie treten ein in Verbindungen und nehmen erste Tuchfühlung auf zu geheimen Bündnissen und Brüderschaften wie Skull and Bones an der Yale-Universität. Von vornherein gibt es da also eine mehr oder minder natürliche Selektion - so zumindest hätte es der große englische Naturforscher Charles Darwin wohl ganz arglos genannt. Nur wenige, die sich in der gegebenen, familiär gewachsenen Situation befinden, um an jene Zentren der Macht zu gelangen, werden sich diesem ganz besonderen Zauber entziehen können. Weltweit existieren sichere Heimathäfen, um als Elite auch in der Elite weiterzukommen. Die hellsten Köpfe der renommierten US-Universitäten setzen ihre Studien im Ausland fort, als Rhodes-Stipendiaten; so an der Oxford-Universität. Wer sich danach in die politische Richtung bewegt, wird in gewaltigen Denkfabriken wie der Brooking s Institution, der RAND Corporation, Global Options oder dem Middle East Policy Council weiterarbeiten und von dort wiederum in die Gremien der größten Stiftungen eindringen. Wer politisch wirklich in die obersten Spitzen aufsteigen will, für den ist der Weg durchs Nadelöhr des CFR geradezu Pflichtprogramm. Seine Einflußnahme ist extrem. Hier werden Politiker geformt und dann in Position gebracht. Völlig gleich, ob Demokraten oder Republikaner, das Kabinett eines US-Präsidenten wird in erster Linie aus dem »Fundus« des CFR bezogen, so stellt der PulitzerPreisträger Theodore White fest, und der bekannte US-Autor

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David Halberstam, gleichfalls Pulitzer-Preisträger und selbst aus den Reihen des CFR stammend, bemerkt zu den CFR-Karrieristen in ironischem Ton: »Sie gehen als raffsüchtige Geschäftsleute durch eine Türe hinein und kommen durch die andere als staatsmännische Gestalten wieder heraus. « So gelangten im Laufe der Jahre Hunderte von CFR-Leuten in hohe politische Ämter. Der CFR selbst hält sich jedoch fein aus der aktiven Rolle heraus. Immer wieder betonten seine Autoren in Artikeln von Foreign Affairs, jenem Organ des Council on Foreign Relations, daß der CFR die Außenpolitik nicht beeinflusse. Und natürlich wird Offenheit groß geschrieben. Man sei pluralistisch, Foreign Affairs verbreite vielfältige Ideen und Konzepte. Doch selbst die New York Times, in verschiedener Hinsicht ein massiv kontrolliertes, selektierendes Medium zur Steuerung öffentlicher Meinungen, mußte die sehr einseitig ausgerichtete Philosophie des CFR zugeben. Verstärkt wird der Effekt noch durch die doch recht interessante Tatsache, daß neue Mitglieder nur auf Vorschlag bereits gewählter Mitglieder in den erlesenen Kreis aufgenommen werden. Das Ergebnis ist im Prinzip Vetternwirtschaft auf höchster Ebene, was stellenweise auch in den Listen der CFR-Angehörigen zu erkennen ist, wenn dort offenbar komplette Clans aufscheinen. Das nicht gerade auf dem Silbertablett präsentierte, aber dennoch intern erklärte Ziel des Council on Foreign Relations ist die absolute Uniformität, zu erreichen in Form einer alle Grenzen überschreitenden Weltregierung. Diese Idee geht so weit, sogar die Identität der Vereinigten Staaten für die über allem stehende Globalmacht zu opfern - die berühmte Neue Weltordnung unter dem Szepter der Allermächtigsten. Auf den ersten Blick mag dieser Gedanke sogar ein wünschenswertes Ziel sein, denn alle Völker wären zu einer großen Weltnation vereint. So heißt es auch bereits in der zweiten Ausgabe der Foreign Affairs: »Offensichtlich wird es für die Menschheit so lange weder Frieden noch Wohlergehen geben, wie sie in fünfzig oder sechzig voneinander unabhängige Staaten aufgeteilt ist ... Das wahre Problem von

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heute ist die Weltregierung.« Der letzte Satz kann so oder so gesehen werden. Denn so schön dieser Grundgedanke auch ist, entweder entstammt er purster Naivität, die von einem utopischen Paradies träumt, oder aber - was natürlich ungleich wahrscheinlicher ist - hinter ihm steht die Idee, die Macht über einen gesamten Planeten auf eine sehr kleine Gruppe von Menschen zu übertragen. Wie sollen unterschiedliche Ziele weltweit denn friedlich durchgesetzt werden? Das Unverkennbare einer Nation zu pflegen, heißt noch lange nicht, nationalistisch zu denken; Völker der Erde so einander anzunähern, daß sie sich gegenseitig kennen und respektieren lernen, ist etwas ganz anderes als eine radikale Gleichschaltung, wie sie die perfekte Globalisierung mit sich brächte. Weder ist es menschlich wünschenswert noch friedlich durchsetzbar, derart diverse Kulturen, wie sie auf der Erde glücklicherweise existieren, in einen Topf zu werfen, um dort gewissermaßen ein Super-Amerika zusammenzubrauen. Das wäre auch den wenigsten US-Bürgern recht. Bevölkerungsstruktur, soziale Schichtung, auch klimatische und geographische Unterschiede, viele naturgegebenen Faktoren wären schon Problem genug, um von einem einheitlichen, zentral gesteuerten »Regierungsprozessor« bewältigt zu werden. Doch was ist mit den Religionen? Die Globalisierung würde einen Weltkrieg des Glaubens entfachen. Am Ende der so hehren CFRIdee würde das absolute Chaos stehen, eine vielleicht sogar durch nukleare Gewaltanwendung weitgehend entvölkerte Erde, die von einigen Top-Privilegierten langsam wieder in die Gänge gebracht würde, allerdings extrem eingleisig. Das Ganze würde einer Art abstrusem Welt-Sozialismus gleichen, der in diesem Fall fast voll und ganz von US-amerikanischem Boden ausging. Nonsens? Es wäre nicht das erste Mal, daß der Vorwurf des »weichen« Kommunismus an den CFR erging. Oder versteht der »Rat« als Beweis seiner verblüffenden Diversität vielleicht gar, daß sich unter den Autoren von Foreign Affairs zahlreiche Marxisten und Sozialisten finden?

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Seltsam, äußerst seltsam. Da schrieben beispielsweise ein gewisser Leon Trotzkij, dann ein Nikita Chruschtschow und ein Josip Broz Tito. Waren das nur Namensvetter, Pseudonyme von CFR-Scherzbolden oder aber die »Originale«? Natürlich traf letzteres zu. Sogar Wladimir Iljitsch Lenin war ein begeisterter Leser des Magazins. In der ersten Ausgabe unterstrich er zahlreiche Textpassagen. Dieses Heft befindet sich heute im Archiv des CFR. In der Tat erklärte der »Rat« diese ungewöhnlichen Fakten allesamt als deutliches Zeichen der Offenheit und Vielfalt, die beim CRF gepflegt werde, und wies auch auf die vielen sehr kritischen Darstellungen zum Kommunismus hin. Diese Veröffentlichungen stammen vorwiegend aus der Zeit des Kalten Krieges. Im Prinzip steuert der CFR einfach in die Richtung, das alte Kommunismus-Problem durch die Eine-Welt-Regierung zu beseitigen. Alle nötigen Bausteine, die vielleicht schon zum Teil vorhanden waren, sollten entsprechend zusammengetragen und die gesamte Konstruktion sollte verstärkt werden, um Herr über die Welt und den Kommunismus zu werden. Doch bei genauerer Betrachtung löst sich dessen Schrecken anscheinend in den höchsten Reihen ohnehin in Wohlgefallen auf. Die allergrößten Kapitalisten der Staaten unterhielten Geschäftsbeziehungen mit der roten Macht. Jahrzehntelang herrschte zwischen den ultrareichen Rockefellers und kommunistischen Nationen reger Austausch, Kredite flössen somit von den USA hinter den ansonsten unüberwindlichen Eisernen Vorhang. In den 1970er Jahren gingen Dollarmilliarden über die Chase Manhattan Bank, einem Unternehmen des Rockefeller-Imperiums, nach Rußland. Militärlaster der so aufgebauten Truck-Fabrik am Kama-Fluß wurden später umgebaut und zum Militäreinsatz nach Afghanistan verfrachtet.

Der alte Schurke Wie konnten Erzkapitalisten und Erzkommunisten miteinander so eng kooperieren, anstatt sich gegenseitig die Köpfe einzuschla-

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gen? Der amerikanische Autor James Perloff versucht in seinem Buch »Shadows of Power«, das sich fast ausschließlich um die Verstrickungen des CFR dreht, genau diese Frage zu erklären. Für ihn konnte die ungewöhnliche Kooperation entstehen, da hier Führungseliten mit im Grunde ähnlicher Philosophie aufeinandertrafen, völlig abgekoppelt von den Bedürfnissen der Bevölkerung. Sowohl das kommunistische System zeigte sich in der Praxis als absolutes Monopol ebenso wie das geradezu absolutistische System der Megakapitalisten jenes unvergleichlichen Rockefeller-Clans: »Kommunismus ist - in der Praxis - ein System, in dem die Regierung die totale Gewalt besitzt«, erklärt Perloff in seinem Buch, »nicht nur politische Gewalt, sondern auch die Gewalt über die Wirtschaft, über die Erziehung, Kommunikation, etc. ... Das amerikanische System des freien Unternehmertums war, so wie es ursprünglich beschaffen war, ziemlich das Gegenteil des Kommunismus ...Es ist völlig normal anzunehmen, daß reiche Kapitalisten, die ihr Glück auf dem freien Markt gemacht haben, Verfechter jenes Systems sein würden. Historisch betrachtet, ist dies jedoch so nicht der Fall gewesen. Freies Unternehmertum bedeutet Wettbewerb: Es bedeutet in seiner reinsten Form, daß jeder die gleichen Möglichkeiten hat, um es auf dem Markt zu schaffen.« Wie Perloff weiter ausführt, waren Rockefeller und andere Superreiche sehr mächtige Monopolisten: »Ein Monopolist versucht den Wettbewerb zu eliminieren. Tatsächlich äußerte Rockefeller einmal: >Wettbewerb ist eine Sünden Diese Männer waren keine Verfechter des freien Unternehmertums. « Der alte, füchsisch schlaue John D. Rockefeller, bei dessen beinern hartem Anblick einem geradezu ein Frösteln den Rücken runtergeht, wußte, daß er seine wirtschaftliche Position nur dann beibehalten und weiter stärken konnte, indem er auch politische Macht an sich riß. In alter Schurkenmanier, die ihm ohnehin nie fremd war, bestach er Kongreßabgeordnete, um seine Pläne bald in die Tat umsetzen zu können. Jetzt nämlich hatte er an der richtigen Stelle beflissene Handlanger, die schon wußten, wann wel-

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che Schritte zu unternehmen waren, um die von ihm ins Leben gerufene Standard Oil florieren zu lassen. Ziel des monopolistischen Strebens des Rockefeller-Clans ist letztlich, im Monopoly-Spiel »Eine Familie regiert die Welt« als Sieger hervorzugehen. Und genau zu diesem Zwecke gründete diese Familie auch nichts anderes als den Council on Foreign Relations. Im zweiten Band seines legendären Werkes »Die Insider«, das in den 1970er Jahren erschien, zitiert der Journalist Gary Allen den Admiral a. D. Chester Ward zur Frage, was die Rockefellers mit dem CFR erreichen wollen. Er war als steiler Aufsteiger in die Reihen des CFR aufgenommen worden, um einen weiteren von starkem Ehrgeiz geprägten, fähigen Kopf auf einen linientreuen Kurs zu bringen. Doch Ward ließ sich nicht beeindrucken. Er blieb vielmehr seiner ganz persönlichen Linie treu und erkannte schnell, welchen Sinn die Organisation an der Spitze des Establishments hat: »Das Ziel der einflußreichen Mehrheit der Mitglieder des CFR hat sich seit seiner Gründung im Jahr 1922 vor 50 Jahren nicht geändert ... Unser nationales Ziel sollte sein, unsere Nationalität abzuschaffen. Alle gefühlsmäßigen Vorbehalte dagegen wurden weggewischt... Obwohl der CFR im Innern gewiß nicht der Monolith ist, als den ihn einige Mitglieder und die meisten Nichtmitglieder ansehen, durchsetzt diese Lust an der Aufgabe der Souveränität und Unabhängigkeit der Vereinigten Staaten den größten Teil der Mitgliedschaft und besonders die Führerschaft der diversen Cliquen.« Fast alle führenden Mitglieder des Rates wissen, daß das Hauptziel in einer allmächtigen Regierung über die ganze Welt liegt, also eine Weltherrschaft ausgeübt werden soll. Diese Weltregierung würde natürlich nicht von unabhängigen Politikern geleitet, vielmehr sollte sie voll und ganz von den Superreichen und im Grunde vom Rockefeller-Imperium kontrolliert werden. Um eine wirksame Infiltration zu gewährleisten, muß sich das Gedankengut des so uniformen, zentralen CFR natürlich über verschiedene Kanäle verbreiten können, schleichend, aber eben

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präsent. So stehen viele Bereiche schon jetzt unter massiver Einflußnahme.

Totale Kontrolle Die Familie Rockefeller erkannte schon vor langer Zeit, wie wichtig es ist, die Medien zu steuern und seine Leute unter anderem auch in den Hochschulen sitzen zu haben. Ein hervorstechender Name aus den Listen des CFR ist der »Vater der Atombombe«, J. Robert Oppenheimer, Leiter des Manhattan-Projektes zum Bau der ersten US-Nuklearbombe. Ein Ausschuß zur Psychopolitik, ein sogenannter Gray Board, empfahl 1954, den genialen Physiker nicht mehr als Regierungsberater zu Fragen der Atomenergie einzusetzen, da Oppenheimer sich aufgrund seiner genauen Kenntnis der damit verbundenen Gefahren als Atomkraftgegner erwies. Dem CFR seinerseits lag es allerdings daran, den »friedlichen Nutzen« der Atomenergie zu popularisieren und eine Welt zu schaffen, in der Nukleartechnologie zum konventionellen modus operandi werden sollte. Die Gray Board übrigens sind nach dem CFR-Mitglied Gordon Gray benannt, der das Psychological Strategy Board einführte. Der CFR schließt abtrünnig gewordene oder mißliebige Angehörige, wie Oppenheimer einer geworden war, natürlich nicht gleich aus. Denn ein derart plumpes Gebahren würde Beobachtern viel schneller verraten, daß eine größere Streubreite der Meinungen innerhalb des CFR entgegen aller Beteuerungen eben überhaupt nicht erwünscht ist. Man wird nur dafür sorgen, daß die Möglichkeiten der betreffenden Person deutlich eingegrenzt werden. Der Name Oppenheimer führt den geneigten Interessenten unmittelbar auch hin zum berühmten Institute for Advanced Study in Princeton, New Jersey. Oppenheimer war zur Zeit der CFRQuerelen bereits sieben Jahre lang Direktor dieses hochrenommierten Institutes, an dem Größen wie Albert Einstein wirkten.

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Das Gray Board versuchte das Institut dazu zu bewegen, Oppenheimer abzulösen, doch wollte man dort auf ihn nicht verzichten. Ein derartiges Physikgenie zu feuern, dazu hätte es wirklich auch sehr klarer und vorzeigbarer Gründe bedurft. So blieb er weitere zwölf Jahre in seiner dortigen Stellung. Vor allem aber als der öffentliche Druck auf ihn größer wurde, begann er ausgiebig zu trinken und hatte den Rest seines Lebens Alkoholprobleme. Interessanterweise nur ein Jahr, bevor der Gray-Ausschuß des CFR sich gegen Oppenheimers Wiedereinsetzung aussprach, 1953, wurde Oppenheimer angeschuldigt, kommunistische Sympathien zu hegen. Das stimmte zwar definitiv, doch spielte diese von ihm selbst nie bestrittene Tatsache früher keine sonderliche Rolle. So verlor er dann auch seine Sicherheitsfreistellungen und damit gleichzeitig jeglichen politischen Einfluß im wissenschaftlichen Bereich. 1967 starb er 62jährig an Kehlkopfkrebs. Das Institute for Advanced Study lebte weiter und blieb das, was es immer war, eine elitäre Forschungseinrichtung für echte Größen der Wissenschaft. Natürlich konnte sich der CFR dieses einzigartige Zentrum geistiger Produktivität nicht entgehen lassen. Im Grunde wurden dort alle Koryphäen von Physik und Mathematik des zwanzigsten Jahrhunderts heimisch, sie wurden dort auch vom CFR kontrolliert und beeinflußt. Jenes renommierte Institut in Princeton stellt auch einen kleinen Teil der Machtstruktur zwischen dem CFR und seinem britischen Ableger dar, dem Royal Institute of International Affairs (RIIA). In der Schleuse des CFR finden sich also nicht nur Persönlichkeiten der Politik, sondern ebenso zahlreiche Vertreter anderer Sparten, die zur Erreichung des lange erklärten Zieles nützlich sein können. Ein Beispiel aus der Gegenwart ist die Physik-Ikone Murray Gell-Mann, seines Zeichens Entdecker der allerkleinsten Grundbausteine der Materie - der sogenannten Quarks. Jeweils drei dieser Teilchen ergeben ein Kernteilchen. Fast könnten sie auch für die drei Buchstaben des »Eine-Welt-Vereins« stehen. Der Lebenslauf von Gell-Mann liest sich wie eine schillernde Lobes-

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hymne. Mit 19 Jahren schon, im Jahr 1948, machte er an der Yale-Universität seinen Bachelor in Physik, um zweieinhalb Jahre später am Massachusetts Institute of Technology zu promovieren. Seitdem war er Mitglied im Institute for Advanced Study, Princeton, danach Inhaber zahlreicher angesehener Professuren und Mitglied verschiedenster wichtiger Organisationen sowie Ehrenzirkel wie Phi Beta Kappa und Sigma Xi. Seit 1985 bis heute zählt er zu den Fellows der CSICSOP, dem Komitee zur wissenschaftlichen Untersuchung von Behauptungen über paranormale Phänomene (Committee for Scientific lnvestigation of Claims of the Paranormal), und findet sich zwischen 1993 und 1995 im Direktorat des geheimnisvollen Lovelace-Institutes. GellMann ist zehnfacher Ehrendoktor; in der Liste der zahlreichen Titel, Ämter und Würdigungen geht sein Physik-Nobelpreis aus dem Jahr 1969 fast schon unter, ebenso die Mitgliedschaft im Council on Foreign Relations, die seit über einem Vierteljahrhundert kontinuierlich besteht. Sich solcher Persönlichkeiten in den eigenen Reihen sicher zu wissen, das ist schon etwas! Auch die Verbindung zu den Medien ist, noch gelinde gesagt, sehr eng. Ein CFR-Mitglied im Übergangsbereich zwischen Wissenschaft und Medien ist Ann Druyan, die Frau des wohl berühmtesten Astronomen der Gegenwart, Carl Sagan, der im Jahr 1996 verstarb. Ann Druyan hat sich in verschiedenen Bereichen der Medien engagiert und wissenschaftliche TV-Programme geschrieben sowie produziert. Sie war wesentlich mitbeteiligt an der mit dem Emmy- und Peabody-Preis ausgezeichneten Fernsehserie COSMOS, die von Carl Sagan moderiert wurde, ebenso trug sie zur Gestaltung und Realisierung der multimedialen Botschaft bei, die an Bord des NASA-Raumschiffs »Voyager« in eher symbolischer Weise ins All geschickt wurde, um in ferner Zukunft einer fremden kosmischen Intelligenz möglichst umfangreiche Informationen über Erde und Menschheit zu vermitteln. Ann Druyan spielte nicht zuletzt eine wichtige Rolle zur Entwicklung eines seismischen Netzwerks in der ehemaligen So-

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wjetunion, um so zu überprüfen, ob die Bedingungen unterirdischer Nukleartests eingehalten werden. Sie beteiligte sich an vielen gemeinsamen Projekten zwischen der ehemaligen Sowjetunion und den USA, um nukleare, chemische und biologische Waffen abzubauen. Letztlich ist damit jedoch auch wieder ein deutlicher Infor-mationsgewinn für den CFR verbunden. Druyan gehört genau wie Gell-Mann sehr wahrscheinlich zu der eher kleinen Gruppe von Mitgliedern, die wegen ihres bedeutenden Namens einfach von Seiten des CFR eingeladen wurden, um Mitglieder zu werden, die aber selbst weder nach der Neuen Weltordnung streben noch die großen politischen Ziele des CFR durchschauen. Sicher aber besteht von der anderen Seite wiederum die Gefahr einer Infiltration. Ann Druyan wurde von 1988 an auch auf zehn Jahre als Schriftführerin der Federation of American Scientists (FAS) gewählt. Diese Organisation besteht aus rund fünftausend Wissenschaftlern und Ingenieuren, darunter rund 50 Nobelpreisträger. Direktor der FAS ist der führende Verteidigungs- und Geheimdienstexperte John E. Pike, selbst CFR-Mitglied. Die umfangreiche Homepage der FAS (http://www.fas.org/) enthält eine Unzahl hochinteressanter Informationen über Militärprojekte der USA und beleuchtet viele Sachverhalte durchaus kritisch. Sie enthält unter anderem Satelliten-Bilder geheimer militärischer Anlagen und verblüffende Regierungsdokumente. Doch muß die Arbeit der FAS unter dem Blickwinkel betrachtet werden, daß hier nicht die wirklich brisanten Geheimnisse enthüllt werden, auch wenn der Eindruck absoluter Offenheit entsteht. Immerhin zeigen die Satellitenaufnahmen, wie auch Mitarbeiter der FAS ohne weiteres zugestehen, ja keine aktuelle Situation, so daß sie für militärische oder terroristische Aktionen nicht geeignet sind. Vielleicht sollten wir auch nicht vernachlässigen, daß diese Seiten demonstrieren, wo und wieviel Nachholbedarf zur Absicherung dieser Anlagen noch besteht. Denn das, was hier veröffentlicht wird, sind allgemein zugängliche Fakten. Und jeder, der sich auf den FAS-Seiten umsieht, kann sich schnell ein

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Bild davon machen, wo massive Maßnahmen unternommen werden müssen. Daß dies unter den Augen der Öffentlichkeit und sogar im World Wide Web geschieht, hat den wunderbaren Nebeneffekt von blütenweißer Ehrlichkeit. Der CFR ist in fast allen großen US-Medien vertreten, kaum eines, in dem nicht zumindest ein führender Mitarbeiter auch in den Listen der CFR-Mitglieder auftaucht. Ob TV-Sender wie CBS, NBC, CNN oder PBS, ob Tageszeitungen wie Boston Globe, Dallas Morning News, The New York Times, The Los Angeles Times oder The Washington Post, sie und sehr viele andere stehen unter der Kontrolle des CFR. Nicht zu vergessen mächtige Banken und Konzerne. Wir finden hier die Bank of New York genau wie die Bank of Tokyo, wir finden Flugzeugkonzerne wie Boeing und Lockheed, wir finden die Estee Lauder Companies, The Coca-Cola Company, Xerox und Viatel. Wir finden auch die Deutsche Bank, die Hypo-Bank, Bertelsmann, die BMW (US) Holding Group und Mercedes-Benz of North America. Und nicht zuletzt, wer würde etwas anderes erwarten, entdecken wir freilich auch: die Begründer des CFR, The Rockefeller Group.

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Kapitel 2

GEHEIME GIPFELTREFFEN Fürstliche »Schildbürger« »Im Dunkeln ist gut munkeln«, heißt es so schön im Volksmund. Und das trifft vor allem auch auf die Großen und Mächtigen dieser Welt zu. Gegen Ende des Jahres 1910 trafen sich der aus Deutschland stammende Bankier Paul Warburg und Senator Nelson Aldrich mit führenden Vertretern des Rockefeller-Clans und der ebenfalls mächtigen Familie Morgan. Das geheime Meeting fand in deren Jagdclub auf Jekyll Island vor der Küste Georgias statt - in der Abgeschiedenheit dort konnte man ungestört Pläne für die Zukunft der Staaten schmieden. Hier kamen wirklich mächtige Leute zusammen. Warburg, der 1902 in die Staaten ausgewandert war, hatte schnell im Kreis der nordamerikanischen Elite geheiratet: Schon bald nach seiner Ankunft in der »Neuen Welt« stieg er ins Bankgeschäft der führenden Firma Kuhn, Loeb and Company ein, um nach kurzer Zeit Nina Loeb, die Tochter von Solomon Loeb zu heiraten, eines der Firmengründer also. Bei genauerem Hinsehen finden sich zahlreiche Verbindungen der reichsten Familien untereinander. Oft bestehen schon alte Beziehungen und mehrfache Verwandtschaften aufgrund einer Heiratspolitik, wie sie früher vor allem vom Adel betrieben wurde. Nun war es der Geldadel, der durch eine identische Vorgehensweise familiäre Bande im ausgewählten Kreis herstellte, um die Schätze damit möglichst gut für sich abzusichern. Wohl auch eher aus pragmatischen Beweggründen heraus dürfte Solomon Loeb die Schwester von Abraham Kuhn geheiratet haben, der seinerseits Loebs Schwester zur Frau nahm. Und, nicht zu vergessen, da war dann noch Jacob Henry Schiff, der 1875 Loebs Tochter aus erster Ehe heiratete. Aus dieser Beziehung ging Frie-

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da Schiff hervor, die später bei Felix Warburg unter die Haube kam, dem Bruder von Paul Warburg. Durch dieses Wirrwarr wurde Felix nun zum Onkel seines eigenen Bruders. Als Solomon Loeb 1885 starb, übernahm Jakob Henry Schiff die Führung der Investmentfirma, in die er zwanzig Jahre zuvor nach einem Treffen mit Abraham Kuhn eingetreten war. Jenem fähigen jungen Geschäftsmann, der mittlerweile an der Spitze eines mächtigen Hauses stand, dürfte der Geruch des Geldes sicher nie sonderlich fremd gewesen sein, war er selbst doch ein Enkel der legendären, unermeßlich reichen Rothschilds. Die Geschichte dieser Dynastie wiederum ist trotz vieler Heimlichkeit mittlerweile hinreichend bekannt und somit schnell erzählt: Meyer Amschel Bauer, Stammvater der Rothschilds, wurde am 23. Februar 1744 in Frankfurt geboren. Als junger Mann studierte er Hashkala, eine Kombination aus Religion und Recht, um Rabbi zu werden. Doch als seine Eltern starben, mußte Bauer die Schule verlassen und trat ins Bankwesen ein. Sehr schnell lernte er, worauf es hier ankam, und stieg zum Finanz-Hofagenten bei Wilhelm von Kassel auf. Wie es heißt, liegen in dieser Verbindung auch die Wurzeln für den immensen Reichtum, den Amschel Bauer ansammeln konnte. Wilhelm selbst hatte aus England große Summen erhalten, um hessische Soldaten im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg einzusetzen. Die Investitionen sollte der geschickte Amschel Bauer realisieren. Ihm und seinem Sohn Nathan in London gelang es, mit diesem Geld auch im eigenen Interesse wirksam zu operieren. In jener Zeit änderte Bauer auch den Familiennamen in »Rothschild«, da am Haus seiner Vorfahren ein roter Schild als Emblem angebracht war. Von Anfang an verfolgten die Rothschilds den Kurs des internationalen Banking - also unter anderem: Gelder an Regierungen zu verleihen. Denn hier ging es stets um große Summen, verbunden mit weit besseren Möglichkeiten, eine Rückzahlung auch zu gewährleisten. Außerdem befand man sich damit sehr unmittelbar am Zentrum von Macht und Einfluß. Der Staat konnte seinem mächtigen Geldgeber andere wesentli-

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che Ausgleiche für eventuelle finanzielle Einbußen garantieren, in erster Linie wichtige Privilegien in Form politischer Einflußnahme. Die Rothschilds versuchten erfolgreich, europaweit Fuß zu fassen. Einer der fünf Söhne Amschels blieb in Deutschland, um hier die Hausbank weiterzuführen, während die anderen vier Sprößlinge ihre jeweiligen Filialen in England, Frankreich, Italien und Österreich gründeten. So blühte das Rothschild-Imperium und wurde zur größten Macht hinter dem Thron. Die wirklich Reichen sind sehr bescheidene Leute. Zumindest, wenn es darum geht, genauere Informationen über ihr Vermögen preiszugeben. Auch ihre Aktionen und Transaktionen sollen möglichst unauffällig vonstatten gehen. Ob Vanderbilt, Rothschild oder Rockefeller, man zeigt sich in der Öffentlichkeit äußerst zurückhaltend. Wenn es sich um eine Schätzung des Gesamtvermögens drehte, stapelten die Rockefellers stets geradezu unverschämt tief. Die Firmenstruktur wiederum ist so gigantisch und noch absichtlich kompliziert gestaltet, daß nur eine Handvoll Juristen sich überhaupt eine gewisse Vorstellung von den Vorgängen machen kann. Die Rothschilds versuchten gleichfalls unauffällig zu agieren.

Die betrogene Armee Seit Mitte des neunzehnten Jahrhunderts arbeiteten die britischen Mitglieder der Familie mit dem amerikanischen Finanzier Junius Spencer Morgan zusammen. Sein 1837 geborener Sohn John Pierpont Morgan studierte an der Universität Göttingen, an der schon vor dieser Zeit geheime Zirkel aktiv waren, mit denen auch Morgan in Kontakt kam. Nach seiner Rückkehr in die Staaten lieferte John Pierpont Morgan ein ganz besonderes Husarenstück, das einmal mehr bewies, daß Ehrlichkeit nicht immer am längsten währt und der Grundstein der meisten Imperien auf betrügerischen Machenschaften fußt.

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Morgan war gerade 24 Jahre alt, als er dem in St. Louis, Missouri, stationierten Commander der Bundesarmee im Jahr 1861 ein Kontingent von 5000 Gewehren zum Kauf anbot. Pro Stück verlangte Morgan 22 Dollar. Das Geschäft kam zustande. So weit, so gut. Doch als die Waffen eintrafen, legte sich die Freude des Militärkommandanten, denn die Gewehre befanden sich in einem völlig unakzeptablen Zustand, oft sogar wäre ein Umgang mit den defekten Flinten gefährJohn Pierpont Morlich gewesen - das aber vor allem für den gan im Jahr 1904. Schützen! So wurde Morgan die Zahlung verweigert. Er aber zog vor Gericht, verklagte die Armee und konnte sein »Recht« sogar geltend machen. Er erhielt 109 912 US-Dollar! Ein Jahr später stellte eine Untersuchungskommission des Kongresses fest, daß Morgan definitiv betrogen hatte. Die ganze Wahrheit erweist sich als Gipfel der Unverfrorenheit. Morgan hatte einen gewissen Simon Stevens beauftragt, die desolaten Büchsen aus einem New Yorker Armee-Arsenal aufzukaufen, für nur 3,50 Dollar das Stück. Erst als er mit seinem Kunden in St. Louis handelseinig wurde, war er überhaupt in der Lage, sich das Geld für den Waffenkauf in New York zu leihen. Im Endergebnis hatte der skrupellose Morgan also der US-Regierung ihre eigenen Waffen zum mehr als Sechsfachen des Einkaufspreises wiederverkauft. Dieser Betrug brachte dem »Jungunternehmer«, der sich auf dem besten Weg zum »robber baron«, zum Räuberbaron befand, über 90 000 harte Dollars Gewinn. Sein eigenes schlichtes Fazit aus der Sache dürfte wohl nur die Erkenntnis gewesen sein, daß sich gutes Geld mit etwas Geschick und wenig Skrupeln ohne weiteres Risiko verdienen ließ. Außerdem hätte sich der Armeekommandant die Waffen ja vorher erst einmal ansehen können - war er da nicht selbst schuld?

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Auch die nächsten »Geschäfte« von J. P. Morgan liefen gut, so daß sich der Konzern als Finanzier der US-Regierung betätigen konnte - nach den Rothschilds in Europa stieg die Familie Morgan zum einflußreichsten Bankhaus der Welt auf. Und die Kooperation zwischen den beiden Familien war zudem sehr eng. Im Interesse der Unauffälligkeit engagierte das Haus Rothschild ihren Partner Morgan als verdeckten Agenten für die USA-Geschäfte. Zwar gab es einen offiziellen Rothschild-Vertreter für Amerika, doch in vielen Fällen erwies es sich als durchaus weise, wenn noch jemand die Interessen der mächtigen Familie vertrat, ohne daß das bekannt war. 1907 begann J. P. Morgan unablässig Gerüchte zu verbreiten, daß die Knickerbocker-Bank und die Trust Company of America zahlungsunfähig sei und führte damit eine völlig künstliche, aber wirkungsvolle Panik herbei. Morgan hatte schon Jahre zuvor erfolgreich ähnliche Kurzschlüsse im System hervorgerufen, um davon zu profitieren. Damals, im Herbst jenes Jahres, herrschte bereits eine unsichere Gesamtlage, und John Pierpont Morgan wirkte hier wie ein Brennglas. Der Präsident der Trust Company erklärte später, daß sein Bankhaus in jenen Tagen nur gemäßigte Abhebungen erfahren habe und der richtige Ansturm dann erst nach den Gerüchten Morgans einsetzte. Das Ziel dieses Finanzpiraten war schlichtweg die Durchsetzung eines zentralen Banksystems für die Vereinigten Staaten, das von den mächtigen, internationalen Bankiers kontrolliert werden sollte. Das alles natürlich zum Wohle und zur Sicherheit der Bevölkerung.

Treffen auf Jekyll Island Nach der Panik von 1907, mit der Morgan & Co ein deutliches Exempel statuierten, formierten sich die Kräfte. Paul Warburg, der 1902 aus Deutschland eingewanderte Bankier, begann nunmehr über die »Reform« des Bankwesens zu schreiben und Vor-

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träge über die dringend nötige Einrichtung einer Zentralbank zu halten. Seine Auftraggeber von der Kuhn-Loeb-Company zahlten ihm dafür ein jährliches Salär von 500 000 US-Dollar, und das für einen Zeitraum von sechs Jahren. Die Wohltäter der Menschheit ließen sich die Werbung also wirklich etwas kosten. Reichlich Unterstützung erhielt Warburg von seinem Sprachrohr im Kapitol, dem republikanischen Senator von Rhode Island, »Whip« Nelson Aldrich. Der Name läßt aufhorchen, erinnert er doch sehr an Nelson Aldrich Rockefeller! Tatsächlich heiratete die Tochter des Senators John D. Rockefeller, Jr. Das Ehepaar entschloß sich, ihren Sohn, der 1974 sogar Vize-Präsident der USA wurde, nach dem Großvater zu benennen. Mit dem Bankier Paul Warburg und dem Senator Nelson Aldrich sind wir - nach einer größeren Runde durch die Geschichte und das Beziehungsgewirr der Superreichen - wieder bei jenem geheimen Treffen auf Jekyll Island. Der Name der Insel erinnert in fast schon schicksalhafter Ironie an die 1886 erstmals erschienene, von dem englischen Erzähler Robert Louis Stevenson verfaßte Geschichte »Der seltsame Fall von Dr. Jekyll und Mr. Hyde«. - Jene weltberühmte Story, die mehrfach verfilmt wurde und mit ihrem genialen Blick in die seelischen Abgründe eines jeden Menschen viel tiefsinniger ist, als die meisten Leser ahnen, konzentriert die Handlung auf eine künstlich hervorgerufene Persönlichkeitsspaltung. Mit einem selbst gebrauten Psycho-Elixier entfesselt ein wohltätiger Arzt das unterdrückte Böse in sich und verliert schließlich die Kontrolle über seine Experimente, wobei sein wüstes alter ego sich zunehmend verselbständigt und ihn in den Tod führt. Wenn wir mit den Worten spielten, könnten wir fragen »Who hydes on Jekyll Island?« - »Wer versteckt sich auf Jekyll Island?« Die heimliche Versammlung galt der Planung und Etablierung eines mächtigen, zentralisierten Banksystems, der Federal Reserve. Nach außen hin versprach auch dieses System, ein guter Dr. Jekyll zu sein, doch in seinem Inneren lauerte ein selbstsüchtiger Mr. Hyde.

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Ein Vierteljahrhundert nach dem Treffen enthüllte Teilnehmer Frank Vanderlip, damaliger Chef von Rockefellers National City Bank, einige Umstände der geheimen Zusammenkunft. Er erinnerte sich: »Als das Jahr 1910 sich dem Ende neigte, gab es ein Vorkommnis, bei dem ich so verschwiegen - in der Tat so verstohlen - wie jeder Verschwörer war... Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich von unserer geheimen Expedition nach Jekyll Island als dem eigentlichen Beginn dessen spreche, was schließlich das Federal-Reserve-System wurde.« Trotz der zahlreichen alten und sogar familiären Verbindungen, die zwischen einzelnen Mitgliedern der mächtigen Teilnehmer bestanden, waren die Bedingungen am Ort des Treffens von massiver Geheimhaltung geprägt. Wie Vanderlip schrieb, sollten die Teilnehmer koordiniert in zeitlichen Abständen anreisen, um dann möglichst unauffällig vom Küstengebirge zur Insel gebracht zu werden. Jeder mußte seinen Familiennamen gewissermaßen an der Haustüre abgeben. Für den Tag der Abreise waren die Gäste dann auch angehalten, ein gemeinsames Abendessen zu vermeiden. »Wir wußten«, so erläutert Vanderlip, »daß wir nicht entdeckt werden dürften, andernfalls wären all unsere Zeit und Anstrengungen verschwendet gewesen.« Es sollte noch eine Weile dauern, bis der Plan einer Federal Reserve realisiert werden konnte. Direkt nach dem Jekyll-IslandTreffen stellte Senator Aldrich den neuen Vorschlag dem Kongreß vor, doch offenbar erregte seine enge Verbindung zur BankElite dort einigen Verdacht, so daß die Eingabe scheiterte. In einem zweiten Anlauf funktionierte es dann aber doch, und die Federal Reserve wurde im Dezember 1913 gesetzlich verankert, drei Jahre nach dem verschwörerischen Jekyll-Meeting. Damit sollten nun auch stabilere wirtschaftliche Verhältnisse gewährleistet und neue Panik-Ausbrüche verhindert werden. Wie jedermann weiß, war natürlich alles andere als das der Fall. Der Kongreßabgeordnete Louis McFadden stellt später bedauernd fest: »Als der Federal Reserve Act ratifiziert wurde, nahmen die Bürger dieser Vereinigten Staaten nicht wahr, daß hier ein

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Weltbanksystem zu entstehen im Begriff war. Ein Super-Staat, kontrolliert von internationalen Bankern und internationalen Industriellen, die miteinander agierten, um die Welt zu ihrem persönlichen Vergnügen zu versklaven. Der >Fed< unternahm jede Anstrengung, seine Macht zu verbergen, doch die Wahrheit ist er usurpierte die Regierung.« Die heimliche Infiltration war bestens gelungen. Niemand denkt daran, daß das System trotz der Bezeichnung »Federal« keine Bundesinstitution ist, sondern sich in privater Hand befindet, mit seiner eigenen, von Präsident und Kongreß abgekoppelten Politik. Das über die neuen Kanäle ausgeweitete Bankgebilde versetzte seine Schöpfer in die vorteilhafte Lage, das Geld der Regierung zu kontrollieren und wirtschaftliche Stimmungen massiv zu beeinflussen. Mit dem Jahr 1913 wurde auch die Einkommensteuer in den USA eingeführt. So konnte die Fed gewaltige Summen an die Regierung vergeben und hatte als Sicherheit zur Rückerstattung - die neue Steuer. Ein Jahr später brach der zweite Weltkrieg aus und gab bald willkommenen Anlaß für die Regierung, Gelder vom Fed zu leihen. Manche Beobachter der damaligen Entwicklung wollen nicht an ein zufälliges Zusammentreffen der Ereignisse glauben.

Der gezähmte Präsident Im Jahr 1913 stand auch ein neuer US-Präsident ins Haus. Dieser Wechsel war ebenfalls hoch willkommen, denn der bisherige Chef der Nation, William Howard Taft, opponierte gegen die Pläne einer Zentralbank. Zwar hatte der Publizist und Jurist Woodrow Wilson gleichfalls erkannt, wer die Macht wirklich innehat, und auch er stellte sich gegen diese Schattenregierung. Doch war er offenbar formbarer und außerdem bereits bald selbst zu stark in Abhängigkeit von den »Kräften hinter den Kulissen« geworden. Die Präsidentschaftswahlen wären zu Gunsten des Republikaners Taft ausgegangen. Um Wilson siegreich aus dem Rennen

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hervorgehen zu lassen, arbeitete die verborgene Macht nun nach dem alten Prinzip »Teile und herrsche!«. Die republikanischen Stimmen mußten auf zwei Kandidaten verteilt werden. Niemand anderes als der erzverschlagene J. P. Morgan finanzierte eine umfangreiche Kampagne für Theodore »Teddy« Roosevelt, wodurch Wilson trotz nur 42 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt wurde. Die beiden Jahre zuvor hatte Wilson schon erlebt, wie er sehr Präsident Woodrow schnell vom Direktoratsposten der Wilson Princeton-Universität zum Gouverneur von New Jersey und zum US-Präsidentschaftskandidaten emporstieg. Das Establishment hatte Wilson an eine kurze Leine gelegt, die Bestechungsaktion traf ins Schwarze. Vielleicht zielte man mit Bedacht auf ihn ab, um den ursprünglichen »Störfaktor Wilson« für die eigenen Interessen zu manipulieren. Immerhin hatte sich der demokratische Präsidentschaftskandidat den Progressivisten angeschlossen. »Diese Reformströmung, die in beiden großen Parteien über mehr und mehr Anhänger verfügte, warb für eine Demokratisierung der politischen Praxis, für sozialstaatliche Maßnahmen, Umweltschutz und für Wirtschaftsreformen, die der Bildung solcher Machtkonzentrationen - Kartellen und Monopolen - Einhalt gebieten sollten, die dem freien Markt geschehen nicht mehr unterworfen waren«, so schreibt der deutsche Geschichtsprofessor Klaus Schwabe in »Die amerikanischen Präsidenten«. Schwabe sieht in Wilsons Beteiligung am Progressivismus einen Versuch, seine Wahlchancen zu verbessern. Das mag sein, doch scheint er die Rolle der Federal Reserve völlig zu verkennen. Professor Schwabe schreibt nämlich nur einen Absatz weiter: »Diesmal enttäuschte Wilson seine Anhänger nicht. Das Reformwerk, das er unter dem Schlagwort

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>Neue Freiheit innerhalb eines Jahres nach seiner Wahl mit viel Geschick durch den Kongreß brachte, konnte sich sehen lassen: Die amerikanischen Zölle wurden gesenkt, das Banken- und Geldwesen grundlegend modernisiert und einer (vorher nicht vorhandenen!) zentralen Lenkungsbehörde (dem Federal Reserve Board) unterstellt ...« - Vor dem Hintergrund der schon geschilderten Entstehung der »Fed« grenzt diese Bemerkung an pure Ironie. Von einem »Einhalt« gegenüber den Monopolen nicht die Rede, vielmehr wurden sie dadurch ja erst zementiert! Wilson war gezähmt und folgte dem von der unsichtbaren Macht vorprogrammierten Kurs, der vor allem eben darin bestand, die Federal Reserve zu unterstützen, die Einkommensteuer einzuführen, sich bei der Besetzung seines Kabinetts beraten zu lassen und ebenso Empfehlungen zu folgen, sollte ein Krieg in Europa ausbrechen. Interessant. J. R Morgan sowie John D. Rockefeller und der Bankier Andrew Mellon waren es dann, die den sorgfältig aufgebauten und psychologisch konditionierten Präsidenten Woodrow Wilson schließlich dazu bewegten, 1917 den US-Eintritt in den Ersten Weltkrieg zu verkünden. Bei alledem war es geradezu ein Wunder, daß Wilson noch im ersten Jahr seiner Präsidentschaft eine sehr bemerkenswerte Äußerung über die Schattenregierung veröffentlichte. In seinem Buch mit dem Titel »The New Freedom« schreibt er: »Einige der größten Männer in den Vereinigten Staaten, auf den Gebieten von Handel und Produktion, haben Angst vor etwas. Sie wissen, daß es irgendwo dort eine Macht gibt, so organisiert, so subtil, so wachsam, so verknüpft, so komplett, so durchdringend, daß sie deren Verdammung besser nie anders als hauchend leise aussprechen. « Möglicherweise gab man Wilson wegen seiner guten Einblikke in die Zusammenhänge einen sehr engen Vertrauten an die Hand: Colonel Edward M. House, den Wilson als seine »zweite Persönlichkeit« bezeichnete. Wo auch immer der Präsident weilte, stets war Colonel House nicht fern, ein Colonel übrigens, der

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nie in militärischen Diensten gestanden und seinen Oberst-Titel rein ehrenhalber erhalten hatte. Die Zentralisierung der Macht war für die meisten unbeobachtbar vonstatten gegangen, allerdings lag sie weniger in der Hand der Regierung, als daß sie die Regierung selbst in der Hand hatte! Nun mußte schrittweise zunehmend auch dafür gesorgt werden, die allgemeine Stimmung weiter in Richtung einer Weltregierung zu bewegen.

Gespräche am runden Tisch Im Pariser Majestic-Hotel versammelten sich am Abend des 30. Mai 1919 wieder einmal die wahren Herrscher. Um ihr globales Ziel zu erreichen, beschlossen sie die Gründung eines Institute of International Affairs. In den USA nahm es durch den am 29. Juli 1921 ins Leben gerufenen Council on Foreign Relations unheimliche Gestalt an, in England entstand der ebenfalls schon kurz erwähnte Partner in Form des Royal Institute of International Affairs (RIIA). Dieses Institut fußte auf der 1910 vom englischen Diamant-Magnaten Cecil Rhodes beziehungsweise seiner Treuhand gegründeten Geheimgesellschaft namens Round Table Groups, die sich bis 1915 in sieben verschiedenen Ländern heimlich etabliert hatte. Wesentliches Ziel dieser Groups war die Bewahrung und Ausdehnung des britischen Empire. Cecil Rhodes, der vor allem für die Rhodes-Stipendien bekannt ist, wurde 1853 als Sohn des Vikars von Bishop's Stortford geboren und begab sich mit 26 Jahren nach Südafrika, wo ein Bruder von ihm eine Baumwollfarm betrieb. Schon bald zog ihn das Diamantenfieber in seinen Bann, das in jener Region grassierte und beinahe jeden packte. Mit den ersten Erfolgen gründete Rhodes die Firma de Beers Consolidated Mines, Ltd. Der Charakter von Verschwiegenheit und Geheimniskrämerei fließt auch in die Namensgebung. Rhodes verwendete hier nicht seinen eigenen Namen, sondern den der ursprüng-

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lichen Minenbesitzer. Mit alten Traditionen geheimer Zirkel wurde Rhodes vorwiegend an der traditionsreichen englischen OxfordUniversität konfrontiert, wo er die folgenden acht Jahre studierte, um zwischendurch immer wieder im südafrikanischen Kimberley nach Diamanten zu suchen. Haupteinfluß auf Rhodes nahm in Oxford der Professor der Schönen Künste John Ruskin, ein pathologischer und unglücklicher Mann, der sich mit zahlreichen esoterischen Schriften sowie mit geheimen Gesellschaften befaßt hatte. Der Professor war geradezu besessen von den Werken des griechischen Denkers Plato und seiner Idee des perfekten Staates. Cecil Rhodes seinerseits war auf dem besten Wege, zusammen mit Britanniens Hohem Kommissar in Südafrika, Sir Alfred Milner, die Grundlagen für jene nach der Tafelrunde König Arturs benannten Round Tables zu schaffen. Rhodes war durch seine Diamantengeschäfte ein reicher Mann geworden, ein Monopolist mit 90 Prozent eigenem Anteil am weltweiten Handel mit den edlen Steinen. Ganz ohne fremde Hilfe konnte das dem vielversprechenden Geheimniskrämer Rhodes allerdings nicht gelungen sein. Tatsächlich stand ihm die Familie Rothschild hilfreich bei seinem Unternehmen zur Seite. Denn so wie Morgan ihr verdeckter Agent in den USA war, so war es Rhodes in Südafrika. Was die »Round Tabler« anging, so schrieb der britische Geheimdienst-Offizier: »Ausgestattet mit einem immensen Reichtum, den sie durch die Kontrolle über Gold, Diamanten und Drogen ansammelten, fächerten sich die Round Tabler über die ganze Welt auf um die Kontrolle über Steuer- und Geldpolitik zu übernehmen sowie die politische Führerschaft in allen Ländern, in denen sie tätig waren.« In einem ähnlichen Zusammenhang werden wir später noch einmal an diese Worte erinnert! Wenn wir vom CFR, dem RIIA und den Round Tables sprechen, dürfen wir bei allem nicht vergessen, daß seit den 1980er Jahren auch eine europäische Schattenregierung in Form des European Round Table of Industrialists (ERT) existiert. Diese erst 1983 - ausgerechnet in Paris - gegründete Organisation hat

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ihren Sitz in der ruhigen Avenue Henri Jaspar 113 in Brüssel. Ins Leben gerufen hatte den ERT der schwedische Industrielle Pehr Gyllenhammar. Der Chef des ins amerikanische Ford-Imperium übergegangenen Volvo-Konzerns, der die Fahrzeugverkäufe um 70 Prozent steigerte, versammelte einen privaten Zirkel von 17 europäischen Industriellen um sich, zum Zweck, die WettbewerbsFähigkeit der europäischen Wirtschaft in der Welt deutlich zu stärken. Was wiederum wunderbar klingt, entspricht deutlich den Prinzipien des CFR. 1985 startete der ERT ein internes Trainingsprogramm für Manager und übte außerdem Druck auf Politiker aus, einem vereinfachten Programm zuzustimmen, mit dem eine Einheitswährung durchgedrückt werden könne. Der frisch gewählte Vorsitzende Wisse Dekker, ein Mann aus der Philips-Führung, verlegte den Sitz des ERT nach Brüssel. Ähnlich wie der CFR begann der ERT auch, die Kontakte zu Universitäten zu verstärken. So entstand 1988 ein University-Industry-Forum. Im selben Jahr schloß sich die junge, mittlerweile vom belgischen Staat völlig legalisierte Gesellschaft mit der Groupe des Présidents zusammen, wodurch die Mitgliederzahl auf 29 anstieg. Auch dieser Akt war längst vorausbestimmt und im Prinzip eine Farce, denn FIAT-Chef Giovanni Agnelli, der Pate bei der Schaffung des ERT stand, war in den 1960er Jahren auch Begründer der Groupe des Présidents. Mit dem nächsten Schritt, einer Festigung der Verbindungen zur Europäischen Kommission, übte der ERT weiteren Druck für die Schaffung einer einheitlichen Währung aus. Europa sollte neu organisiert werden - erinnert das nicht wieder deutlich an die Pläne, wie sie auch in den Vereinigten Staaten geschmiedet worden waren? Nach zusätzlichen Anstrengungen in diese Richtung und der Veröffentlichung verschiedener Statusberichte kümmerte sich der ERT weiterhin um die europäische Bildung. Um sie zu reformieren, organisierte die mittlerweile 45 Mitglieder umfassende Gesellschaft eine internationale Gruppe von Industriellen der G7-Länder. Sie sollten eine globale Informations-Gesell-

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schaft aufbauen - oder müßte man besser von einer Desinformations-Gesellschaft sprechen? Wahrscheinlich. Wie bei vielen Treffen der Mächtigen geht es geheim und in privater Atmosphäre zu. Alle sechs Monate finden sich die Spitzen der europäischen Wirtschaft im ERT-Büro in Brüssel ein, um zu tagen - Brüsseler Spitzen, einmal ganz anders! Nach gegenwärtigen Angaben des ERT sind es 44 Mitglieder, die Nummer 45 mußte ausscheiden, weil sie nicht regelmäßig an den Geheimkongressen teilnahm: Jürgen Schrempp wurde 1999 nicht mehr als Mitglied weitergeführt. Aktuelle Vorsitzende sind Gerhard Cromme von ThyssenKrupp und Morris Tabaksblat vom niederländischen Medien-Riesen Reed Elsevier. Persönlich vertreten sind unter anderem Großkonzerne wie Fiat, Renault, Siemens oder Bayer. Ebenfalls unter den Mitgliedern: Repräsentanten der Deutschen Lufthansa, der Telekom, von Nokia, Bertelsmann, Vodafone, Unilever, Pirellli, BP und andere. Im April 2001 berichtete das gegen den Euro gerichtete Blatt DeutschlandBrief über das »mächtigste außerparlamentarische Machtzentrum der EU« und seine Aktionen: »ERT-Mitglieder sind allerdings nie die Konzerne, sondern immer nur die Bosse persönlich. Alles ist informell, unbürokratisch und clubmäßig - nicht anders als in den kleinen Machtzirkeln der USA, wo man sich nach abgehakter Agenda auch gerne mal vollaufen läßt und dann im Dunkeln an die Bäume pinkelt. Das soll nicht heißen, daß der ERT keine Verdienste hat. Er stellt die Weichen für Privatisierung und Liberalisierung in Europa (freilich nicht zu Gunsten des Mittelstandes), er entwirft Pläne, setzt Ziele und Termine und übermittelt diese den Regierungen. In vielen Fällen hat er auch schon über den Inhalt der Politikvorschläge entschieden, die von der EU-Kommission an die nationalen Regierungen gehen. Wahrscheinlich sind die Politiker sogar dankbar dafür, daß ihnen die Denkarbeit abgenommen wird.« Allerdings scheint die Macht der Brüsseler Schattenregierung teilweise bereits bedrohliche Dimensionen angenommen zu haben. So heißt es in dem Bericht weiter: »1999 meinte der engli-

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sche Guardian, der ERT habe die Politiker in Brüssel im >eisernen Griffneuen Europäer< ist, an dessen Schaffung die Konzernherren in ihrem unauffälligen Brüsseler Büro gegenwärtig arbeiten.« In einem weiteren Bericht über »Die unheimliche Macht der Konzerne in der EU«, der im DeutschlandB rief vom Februar 2002 erschien, wird unmißverständlich herausgestellt: »Die Arbeitsund Einflußmethoden des ERT sind identisch mit denen des amerikanischen Council on Foreign Relations, das die Strategie der US-Außenpolitik formuliert.« Wieder streben die Hintermänner nach den gleichen Zielen, wieder planen und beeinflussen elitäre Zirkel politische Aktionen. Kein Wunder, denn hinter allem stehen dieselben Kräfte. Keith Richardson, ehemaliger Generalsekretär des ERT, erklärte dazu freiweg: »Wir arbeiten zusammen, besprechen die Themen mit der Kommission. Wir treffen sie ab und zu und senden ihnen Papiere, um sicherzustellen, daß sie wissen, was wir denken. Und ich glaube, sie wissen sehr genau, worin unsere Anliegen bestehen.«

Die Welt-Elite unter sich Unter verschiedenen Namen bilden sich inner- und außerhalb der USA, an wichtigen Schaltstellen des Weltgeschehens, also einflußreiche kooperierende Gruppierungen aus, um die totale Kontrolle zu erreichen. Wir werden immer wieder feststellen, daß die Schattenmacht auf geschickte Weise bereits vorhandene Institutionen infiltriert, neues Territorium erobert und unter einer Vielzahl verschiedener Namen tätig wird. Wenn bestimmte Gruppierungen zu sehr ins öffentliche Licht rücken, läuten die Alarmglocken. Dann ist es Zeit, neue geheime Zirkel ins Leben zu rufen oder andere Kanäle zu schaffen, die als unauffällige Filialen

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oder sogar Zentralen des Oktopus dienen. Geheimgesellschaften, Denkfabriken und mysteriöse Privatkonzerne spielen sich dabei gegenseitig die Bälle zu. Alles in allem begegnen wir bei diesem Spiel auch einer geschickten Gratwanderung zwischen elitärem, verschworenem Schweigen einerseits und jovialer, scheinbar grenzenloser Offenheit andererseits. Man darf über Interviews, Berichte und Internetseiten eben gerade soviel erfahren, daß der »Beruhigungseffekt« eintritt, über die Aktivitäten der »Verantwortlichen« wohl informiert zu werden. Interessant sind auch die personellen Übereinstimmungen zwischen dem ERT und einer anderen hoch elitären Gruppe, die vor allem durch Verschwiegenheit von sich Reden macht: die berühmten Bilderberger. Wenn wir den Spuren der geheimen Macht einigermaßen konsequent folgen wollen, dürfen wir die Bilderberger keinesfalls unerwähnt lassen. »Insider« der Materie, vor allem Kenner der sogenannten Verschwörungsliteratur werden natürlich über viele Einzelheiten bereits bestens Bescheid wissen, doch kommt es bei der Betrachtung bekannter Details eben oft auf den Kontext mit unbekannten Details oder ganz allgemein auf die Einordnung in die aktuelle Situation an. In späteren Kapiteln wird sich auf der Grundlage der älteren Strukturen auch die Bewertung der gegenwärtigen Strukturen des Oktopus und seiner vielfältigen Aktivitäten einfacher gestalten. Auf morbide Weise faszinierend ist eben auch das gewachsene Gesamtbild, die Entwicklung vergleichbarer Kräfte über die Zeit. Im Umfeld des Council on Foreign Relations und der Bilderberger jedenfalls recht neu ist der ERT. Mit Blick darauf stellt der schon erwähnte Artikel vom Februar 2002, der im Deutschland!! rief erschienen ist, folgende rhetorische Frage: »Wo liegt der gemeinsame Nenner dieser Organisationen ?« - Die Antwort folgt freilich auf dem Fuße: »Erstens geben transnationale Konzerne den Ton an; Unternehmen, die vor allem auf nationaler Ebene operieren, bleiben ausgeschlossen. Zweitens teilen sie alle den sogenannten Washington Konsensus - den Glauben an

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einen globalisierten, grenzenlosen, freien Markt ohne Rücksicht auf kulturelle Unterschiede, nationale Eigenheiten und Souveränitäten. Drittens operieren sie verdeckt, informell, neben und über den nationalen Regierungen - also ohne demokratischen Auftrag.« So kommt der Beitrag schließlich zu der Folgerung: »Wirkliche Macht definiert sich dadurch, daß niemand ihre Soziologie schreibt, daß ihre Strukturen der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt bleiben. Als der prominente CSU-Europaabgeordnete Ingo Friedrich in einem Interview nach dem ERT gefragt wurde, antwortete er, er habe noch nie von dieser Organisation gehört. Zugunsten von Friedrich wollen wir annehmen, daß die Antwort nicht ernst gemeint war.« Obwohl immer wieder davon die Rede ist, daß die im finstermysteriösen Licht der Macht stehende Bilderberg-Gruppe im Jahr 1954 gegründet wurde und ihren Namen vom Hotel Bilderberg im niederländischen Oosterbeek ableitet, in dem die erste Versammlung stattfand, obwohl offenbar also recht genau fixiert ist, wo und wann dieser Eliteclub entstand, liegen die eigentlichen Wurzeln doch eher in dunkleren Gefilden. Der umstrittene britische Autor David Icke veröffentlichte hierzu 1995 eine möglicherweise interessante Information. Sie könnte zeigen, daß eine derartige heimliche Gruppierung schon recht lange geplant war. Icke hatte von der englischen Wissenschaftlerin Dr. Kitty Little eine Geschichte vernommen, die auf das Jahr 1940 zurückgeht. Damals nahm Dr. Little, die während des Zweiten Weltkriegs für das britische Ministerium zur Flugzeugproduktion arbeitete und später mit Forschungen zur Atomenergie zu tun hatte, am Treffen einer »Studiengruppe« der LabourParty teil. Man versammelte sich an jenem Abend in den Räumen der Oxford University, um gespannt den seltsamen Ausführungen eines jungen Referenten zu folgen, der freiweg erklärte, Teil einer Verschwörung zu sein. Wie er ausführte, war ein »Marxistischer Putsch« geplant, mit dem man die Kontrolle über Großbritannien, Europa und Regionen Afrikas gewinnen wolle. Die Gruppe, die diesen Umsturz ausführen wollte, trage keinen Na-

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men, um ihre Existenz zu vernebeln. Der Vortragende vermittelte einige Informationen über die Vorgehensweise der Gruppe und erklärte schließlich, er sei zum Kopf ihrer politischen Sektion bestimmt worden. Er werde eines Tages zum Premierminister des Vereinigten Königreiches ernannt. Als der junge Referent derart hochtrabende Äußerungen von sich gab, ging natürlich ein amüsiertes, ungläubiges Raunen durch den Saal. Nur, die Worte des Mannes, eines gewissen Harold Wilson, bewahrheiteten sich zumindest dahingehend, daß er in den 1960er und 1970er Jahren tatsächlich als Premierminister fungierte. Was betraf die anderen, recht ungewöhnlichen und beängstigenden Prognosen? Wilson hatte sich auf keine andere Gruppe bezogen als die Bilderberger, deren offizieller Name bis heute nicht bekannt ist. In den 1940er Jahren hatte es immer wieder geheime Treffen der europäischen Spitzen gegeben, die in der Vorbereitungsphase des engen Zirkels angesiedelt waren. Wie meist, waren auch hier mehrere Hintergrundkräfte wirksam, die zur Schaffung der Bilderberger führten. Ihre eigentliche Geburtsstunde wurde von Prinz Bernhard der Niederlande eingeläutet, doch hinter ihm standen Personen aus einer verschworenen Ahnenreihe, die uns kaum mehr in Erstaunen versetzen kann. Als Teilhaber der Dutch Shell Oil traf Prinz Bernhard geradezu automatisch auf den englischen Lord Victor Rothschild - die Rothschilds hatten es ab dem neunzehnten Jahrhundert geschafft, Adelstitel für sich zu erhalten -, und so wirkten die Nachfahren des Meyer Amschel Bauer schließlich mit an der Legung des Grundsteins für den über alles erhabenen Debattierclub. Die entscheidende Persönlichkeit aber war in diesem Falle sogar jemand anderes. Als geistiger Vater der Bilderberger nämlich gilt der aus Polen stammende Sozialist Dr. Joseph Hieronim Retinger. Als Retinger nach Amerika kam, gelangte er wiederum über den CFR ziemlich unmittelbar in die alten Kreise um die Rockefellers und der J.-P.-Morgan-Zöglinge. Zusammen mit CFR-Direktor George Franklin und Allen Dulles, CFR-Mitglied und künftigen Chef des US-Auslandsgeheimdienstes, der Central Intelligence Agency (CIA), hatte Retinger

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schon das Amerikanische Komitee für ein Vereinigtes Europa gegründet. Nun ging es darum, die weltweite Führungselite regelmäßig an einen Tisch zu bringen. Geburtshilfe leistete auch C. D. Jackson, der Verleger des Time-Magazins, der gleichfalls über Verbindungen in die CIA hinein verfügte und schon unter Präsident Eisenhower als Spezialberater in Sachen psychologischer Kriegsführung diente. Finanziert von CIA und dem Konzern Unilever trat dann unter Vorsitz von Prinz Bernhard der »Bilderberger-Club« im Jahr 1954 erstmals ins Sein. »In der Tat sind die Bilderberger eine Art von inoffiziellem CFR, ausgedehnt auf eine internationale Skala«, so bringt es der Autor Neal Wilgus kurz und bündig auf den Punkt.

Hinter verschlossenen Türen Bis auf Ausnahmen - 1955 und 1957, als sich die Bilderberger jeweils sogar zweimal trafen, und 1976, in dem keine Versammlung stattfand - begegnen sie sich jedes Jahr einmal in den nobelsten Herbergen der Welt, um im erlesenen Kreis über die Weltpolitik zu diskutieren. Jedermann dürfte sich allerdings ohne weiteres vorstellen können, daß die Ergebnisse und Empfehlun-

Das erste der Treffen der Bilderberger im Jahr 1954.

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gen dieser Gruppe niemals inoffiziell und ohne essentielle Wirkung auf die globale Strategie sind. Einige Autoren vertreten die Ansicht, daß auch die Bilderberger-Elite nicht ganz über einen goldenen Kamm geschoren werden kann. Auch hier gibt es weniger und mehr involvierte Persönlichkeiten. Ohne Zweifel zur Spitze zählt Lord Peter Carrington als Ex-Nato-Generalsekretär zwischen 1984 und 1988 und Präsident des Royal Institute of International Affairs. Er hält seit 1991 den Vorsitz über die Bilderberger inne. Zum kleinen Steuerungskomitee der Bilderberger zählen auch Henry Kissinger und David Rockefeller. Die meisten amerikanischen Besucher des mächtigsten Kaffee-Kränzchens der Welt sind auch in den Mitgliedslisten des CFR zu finden. Vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2002 trafen sich die Bilderberger zum fünfzigsten Mal seit ihrem Bestehen. Ihre Wahl des diesmaligen Tagungsortes fiel auf das noble »Westfields Mariott« in Chantilly, Virginia, nur wenige Meilen von Washington, D.C., entfernt. So nahe hatte man sich noch nie bei der Regierungsmetropole Foyer des »Westfields Mariott«, jüngster getroffen. Es war insTreffpunkt der Bilderberger. gesamt das achte Treffen in den Vereinigten Staaten und fand unter noch schärferen Sicherheitsbedingungen als je zuvor statt. Doch immer schon herrschten bei den Meetings der Bilderberger selbstverständlich sehr massive Schutzvorkehrungen. Sie sind so ziemlich das einzige, was man von den Zusammenkünften mitbekommt. In Publikumszeitschriften wird kaum über die Treffen berichtet, und wenn, dann nur nach dem Ereignis, nie aber zuvor. Es

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gibt nahezu keinen Journalisten, dem der Termin und die Lokalität vorher offenbart wird. Die Bunte-Autorin Beate Wedekind erhielt im April 1987 die Gelegenheit, die edle Peripherie des 35. Bilderbergertreffs am Comer See journalistisch zu begleiten. Damals begegnete man sich in der vornehmen Villa d' Este. An der Tagung nahm auch Königin Beatrix der Niederlande teil, die Tochter von Prinz Bernhard, der 1976 den Vorsitz abgegeben hatte, als er wegen der so genannten Lockheed-Affäre in die Schlagzeilen geriet. Lockheed hatte mit Bestechungsgeldern versucht, den Verkauf seiner Flugzeuge in den Niederlanden mit Hilfe des Prinzen zu fördern. Königin Beatrix war mit ihrem Gatten Prinz Claus erschienen. In den Reihen der Gäste fanden sich Größen wie der Österreicher Hannes Androsch, Fiat-Chef Giovanni Agnelli, der italienische Politiker Giulio Andreotti oder Egon Bahr. Auch der zwei Jahre später unter mysteriösen Hintergründen ermordete Bankier Alfred Herrhausen und Erbprinz Hans-Adam von Liechtenstein finden sich auf der Anwesenheitsliste. Neben dem mächtigen Henry Kissinger durfte natürlich auch David Rockefeller nicht fehlen. Zumindest nach außen hin fand die verschwiegene Konferenz zum Thema »Der Effekt Gorbatschow« statt. Die Teilnehmer versammelten sich in den prachtvollen Salons der Villa d' Este und ließen die Türen hinter sich sachte, aber wirksam schließen, während sich um das aristokratische Anwesen herum unzählige Sicherheitskräfte postiert hatten, um jeden dingfest zu machen, der es wagen sollte, sich dem Gelände auch nur zu nähern. Beate Wedekind faßt die Ereignisse zusammen: »Alljährlich im Frühsommer - letztes Jahr im abgelegenen schottischen GleneaglesHotel mit Gast Prinz Charles - trifft sich die Bilderberg-Elite unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Ein Hospital für Notfälle wurde eingerichtet. Scharfschützen sind rund um die Uhr in den benachbarten Häusern postiert. 1200 schwerbewaffnete Beamte der italienischen Sicherheitseinheiten Guardia di Finanza, der Carabinieri und der Polizei hatten die Villa d' Este hermetisch abgeriegelt. Der Polizeihubschrauber beobachtete das Ge-

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lande aus der Luft, vier Polizeiboote riegelten das Hotelufer ab, Taucher suchten im See nach Bomben, die kleine Gemeinde Cernobbio wirkte wie ein Besatzungsgebiet... Tage vorher waren an die Fischer und Bootsverleiher am Corner See Handzettel verteilt worden, auf denen ihnen unter Androhung von Strafe verboten wurde, an besagten Tagen das Ufer auf Höhe der Villa d' Este näher als 300 Meter anzufahren. Alle hielten sich daran: Der See bei Cernobbio blieb bis auf die vier Polizeiboote gespenstisch leer.« In der Villa, die bereits im Jahr 1965 als Tagungsort der Bilderberger gedient hatte, war dafür gesorgt, daß jeder sich mit jedem besprechen konnte. Nach der anfangs alphabetischen Sitzordnung an einer langen Tafel im Ballsaal »Sala Impero« verteilten sich die über hundert Gäste an Zehnertischen. »Mahlzeit für Mahlzeit wurden andere Gruppierungen an Zehnertischen zusammengesetzt«, so Wedekind. Eine interessante Beobachtung am Rande des Geschehens, doch - so stellt die Autorin resümierend fest: »Die Ergebnisse der 35. Bilderberger-Konferenz sind nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Sie sind aber richtungweisend für die teilnehmenden Präsidenten von Weltfirmen wie Fiat, Xerox, Unilever, Exxon, IBM, Saab, Philips für ihre internationalen Entscheidungen. « Als sich die Bilderberger im Juni 2002 nur sieben Meilen vom Washingtoner Dulles Airport trafen, verschärften die Organisatoren noch einmal sämtliche Sicherheitsvorkehrungen. Denn hier, so nahe an der Schaltzentrale der US-amerikanischen Regierung, lag die Reizschwelle niedriger und das Gefahrenpotential höher als an sämtlichen anderen Orten der Welt. Die Bilderberger befürchteten Anschläge von Terroristen aus dem Mittleren Osten. Am Dulles und Washington Reagan National Airport herrschen weltweit die extremsten Sicherheitsstandards. Immerhin ist hier der »Durchsatz« an Kongreß-Abgeordneten und Inhabern hoher Ämter ganz besonders groß. Das Westfield-Hotel liegt wie gesagt nur wenige Meilen von den Flughäfen entfernt. Wenn die Zufahrt abgeriegelt wird, kann die Nobelherberge von außen nicht

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eingesehen werden. Auf dem Gelände gibt es einen eigenen Heliport, so daß die Supermächtigen direkt nach ihrer Ankunft per Hubschrauber vom Flughafen zum Hotel gebracht werden können - ein kurzer, effektiver Trip! Auffallender, aber dennoch sehr beliebt bei der Elite sind die langen schwarzen Limousinen mit ihren verdunkelten Scheiben. Eskortiert von Polizeifahrzeugen mit Lichtbalken und Sirene, legten viele Bilderberger mit jenen »black limos« aus dem WestfieldFuhrpark die kurze Strecke zum versteckten Exklusivhotel zurück. Jim Tucker, ein Journalist der Washingtoner Freien Presse, verfügt über eine dem zentralen Steuerungskomitee der Bilderberger sehr nahe und besorgte Quelle. Über ihn erfuhr Tucker auch, daß die nächste Zusammenkunft für Ende Mai, Anfang Juni 2002 geplant worden war, für das »Westfields Mariott« in Chan-tilly. Zum Schwerpunkt der geheimen Diskussionsrunde hatte man das Thema »Irak unter Saddam Hussein« gewählt und »die Frage, wie man den zögerlichen Westen überzeugen könne, eines der schwächsten Länder der Welt erneut anzugreifen« - so schreibt der Bilderberg-Beobachter Tony Gosling und ergänzt: »Bereits gezeichnet von zehn Jahren an Sanktionen und von einer Kindersterblichkeit, die gegenwärtig fünf- bis zehntausend im Monat erreicht, wird eine Attacke auf den Irak nichtsdestoweniger von der Elite als >notwendig< erachtet, um fortgesetzte Entsendung westlicher Truppen und die Kontrolle der Ölreserven des Mittleren Ostens zu rechtfertigen.« Die politische, finanzielle und militärische Vereinigung Europas unter der Kontrolle eines übergeordneten Organs stand außerdem im Mittelpunkt der Diskussion, so teilt Tuckers anonyme Quelle mit. Von Anbeginn der Gruppe förderten die Bilderberger die Entstehung der Vereinigten Staaten von Europa, wobei nicht gewählte Repräsentanten, sondern ernannte Kommissare das Ruder in die Hand zu nehmen hatten.

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Verschworene Theorien Trotz der für die gesamte Welt wesentlichen Entscheidungen im Bilderberg-Kreis blieb die Gruppe verborgen genug, um bis heute nur wenigen bekannt zu sein, vor allem den Interessenten an Verschwörungstheorien. Doch diese Theorien gelten im etablierten »Bilderberg«, wie ihn uns Historiker und Politologen von der Welt anbieten, als abwegige und gehaltlose Außenseitergespinste. Wer heute seine Augen auch einmal etwas abseits jener engen Gleise des sehr gut durchdachten Mainstreams richtet, gilt buchstäblich als abseitig. Aufgeschlossene Menschen, die noch in der Lage sind, Fragen zu stellen und den Einheitsbrei der Medien nicht vorbehaltlos als mikrowellentaugliche Fertignahrung schlukken, werden als verschrobene Zeitgenossen belächelt. Lächerlichmachung! Das ist ein gutes Stichwort - als hervorragendes Mittel zur Beseitigung mißliebiger Meinungen. Dieses Mittel ist nicht überall anwendbar, immerhin aber doch sehr oft. Nicht zuletzt kommt dann der günstige Begleitumstand eilfertig zur Hilfe, daß mit den Berichten über geheime Treffen oft sehr viel weitreichendere Erklärungen und Thesen verbunden sind. Auch sie, diese Extreme, mögen zum Teil auf faktischen Hintergründen beruhen, lassen sich aber in der Regel nicht verifizieren. Und genau dies ist dann ein idealer Ansatzpunkt, um alles in ihrem engeren und weiteren Umfeld mit einer jovialen Geste vom Tisch des Rationalismus zu fegen. Und schnell ist das Häuschen wieder sauber! Nicht umsonst bemerkt Tony Gosling: »Viele Journalisten oder andere, die von den Treffen hören, >schalten abgutes Geschäft< zu rechtfertigen. « Zusätzlich ist auch etwas anderes durchaus denkbar. Einige Medienvertreter könnten weniger aus Sorge vor der Nähe zur Verschwörungstheorie abschotten, sondern einem Warnruf ihres tiefsten Inneren folgen: »Finger weg! Sehr heiß!« Die große Berichterstattung unterliegt einem selektiven Verfahren. Die führenden Medien stehen doch längst unter der Kontrolle derjenigen, die genau wissen, wie die Richtschnur zu ziehen ist. Dabei geschickt vorzugehen, ist Pflichtprogramm. Natürlich müssen auch brisante Fragen ins Feld geführt werden. Doch das eigentliche Spiel, die eigentlichen Regeln, die Absichten und Ziele hinter Tausenden einzelner Facetten des Weltgeschehens bleiben im Dunkeln, vor allem aber auch die federführenden Kräfte, die sich einer Identifikation entziehen. Man darf möglichst nichts personell festmachen. Körperschaften können wechseln, doch der Geist dahinter nicht. Programme dürfen präsentiert werden, doch auf die Verkaufstaktik kommt es eben immer an. Die Öffentlichkeit darf zwar am vermeintlichen Festmahl schnuppern, doch sie bekommt es nicht zwischen die Kiefer - denn dann würde sie merken, daß die Brokken knochenhart sind. Wir, das »blökende Volk«, sollen in schönen Farben auf eine angeblich wunderbare Idee vorbereitet werden. Es ist wie bei jeder geschickten Verkaufsaktion, es ist wie beim Kleingedruckten, wie beim Nichtgesagten. Und welches einflußreichere Presseorgan ist denn überhaupt noch unabhängig? Zeitschriften werden von der Werbung getragen, die ihre Seiten ziert. Befolgt ein Magazin die Weisungen seiner einflußreichen Werbekunden nicht, beispielsweise, indem es eine interessante Enthüllungsstory über einen bestimmten Aspekt bringt, der diesem Wirtschaftszweig schädlich sein kann, dann wird der Kunde seine bisher regelmäßig geschalteten Anzeigen urplötzlich zurückziehen. Das kann

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gegebenenfalls zum Ruin des Blattes führen! Also schweigt es diesen Aspekt lieber tot, bevor es sich selbst mit einer brisanten Story tot redet\ Die Bilderberger ihrerseits sorgen weniger für Cover-Stories als für Deckgeschichten, die manchmal aber auch schon geradezu ungewöhnlich gewöhnlich waren. So mutierte die Konferenz des Jahres 2000, die in Genval bei Brüssel stattfand, schnurstracks zu einem sportlichen Ereignis, einem »internationalen CroquetTurnier« - nun, international war die Veranstaltung schon; wenn dann vielleicht auch noch Kroketten irgendwo auf dem Speisezettel standen, dann war die Geschichte vielleicht nicht einmal gelogen! Klären wird sich das nicht lassen, denn die unsportlichen Teilnehmer des Turniers lehnen jegliche Interviews kategorisch ab. Nicht nur Presse und Öffentlichkeit werden von der mitreißenden Informationspolitik der heimlichen »Gipfelstürmer« glatt verfehlt, sie führt auch andernorts zu empfindlichen Irritationen. Als ein belgischer Fernsehreporter den Bürgermeister von Genval im Jahr 2000 wegen eines bevorstehenden Besuches der niederländischen Königin befragte, erwiderte das Stadtoberhaupt sichtlich verärgert: »Wenn Königin Beatrix nach Genval kommen würde, dann hätte mir jemand etwas gesagt!« Woher der Reporter sein eigenes Wissen über ihre offenbar bevorstehende Visite bezogen hatte, bleibt dabei sein eigenes kleines Geheimnis. Zu den Bilderbergerschen Hausregeln zählt nach wie vor, keinem der Anwesenden die Enthüllung zu gestatten, welche Themen diskutiert wurden und woher sie ihre intime Kenntnis künftiger Weichenstellungen zur europäischen Entwicklung erhalten haben. Die Währungsunion mittels des Euro ist bereits in die Tat umgesetzt, nach Jahren der Vorbereitung. Sein geistiger Vater, der Wirtschafts-Nobelpreisträger Robert Mundeil beschäftigt sich gegenwärtig mit der Schaffung einer Weltwährung. Mundell hat schon einen Namen für sein nächstes Kind: Zum Euro soll bereits im Jahr 2007 der »Intor« stoßen. Das klingt zumindest nach

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Zukunft. Das Kunstwort setzt sich aus »International« und »Or« zusammen, dem französischen Wort für Gold. Der Euro-Gegner Bruno Bandulet schreibt in seinem DeutschlandBrief: »Derlntor würde vom Internationalen Währungsfonds überwacht und zunächst als freiwillige Weltwährung zirkulieren. Damit er Vertrauen gewinnt, plädiert Mundell für eine neue Art von Golddeckung. Dazu würden die Goldreserven der Zentralbanken benötigt. Der spannende Teil der Euro-Saga beginnt erst noch. Am 5. Juli startet... eine Serie von Treffen zwischen der Europäischen Zentralbank und der Federai Reserve. Thema: die künftige Koexistenz zwischen Euro und Dollar. « Die Kanalisierung der Macht durch das Nadelöhr der Bilderberger zeigt sich wohl auch darin, daß viele Persönlichkeiten nach ihren Begegnungen mit dieser Gruppe erst wirklich an die Spitze gelangten, unter ihnen auch der ehemalige Gouverneur von Arkansas, Bill Clinton, der ein Jahr nach seiner Einladung in den Spitzenclub zum US-Präsidenten aufstieg. Ein Kausalzusammenhang wird sich allerdings kaum nachweisen lassen. Jedenfalls sind auch hier so manche Ähnlichkeiten zum Council on Foreign Relations zu bemerken. Und ganz bestimmt steht hinter diesem Zufall: blanke Absicht!

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1. 2.

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5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 21. 22. 23. 24.

Die Treffen der Bilderberger Oosterbeek, Niederlande 29.-31. Mai 1954 Barbizon, Frankreich 18.-20. März 1955 Garmisch-Partenkirchen, Deutschland 23.-25. September 1955 Fredensborg, Dänemark 11.-13. Mai 1956 St. Simons Island, Georgia, USA 15.-17. Februar 1957 Fiuggi, Italien 4.-6. Oktober 1957 Buxton, England 13.-15. September 1958 Yesilköy, Türkei 18.-20. September 1959 Bürgenstock, Schweiz 28.-29. Mai 1960 St. Castin, Kanada 21.-23. April 1961 Saltsjöbaden, Schweden 18.-20. Mai 1962 Cannes, Frankreich 29.-31. Mai 1963 Williamsburg, Virginia, USA 20.-22. März 1964 Villa d' Este, Italien 2.-4. April 1965 Wiesbaden, Deutschland 25.-27. März 1966 Cambridge, England 31. März-2. April 1967 Mont Tremblant, Kanada Marienlyst, Dänemark Bad Ragaz, Schweiz Woodstock, Vermont, USA Knokke, Belgien Saltsjöbaden, Schweden Megive, Frankreich Cesme, Türkei

26.-28. April 1968 9.-11. Mai 1969 17.-19. April 1970 23.-25. April 1971 21.-23. April 1972 11.-13. Mai 1973 19.-21. April 1974 25.-27. April 1975

— Wegen des Lockheed-Skandals fand 25. 26. 27. 28. 29. 30. 31.

1976 keine Bilderberger-Konferenz statt (1976) Torquay, England 22.-24. April 1977 Princeton, New Jersey, USA 21.-23. April 1978 Baden, Österreich 27.-29. April 1979 Aachen, Deutschland 18.-20. April 1980 Bürgenstock, Schweiz 15.-17. Mai 1981 Sandefjord, Norwegen 14.-16. Mai 1982 Montebello, Kanada 13.-15. Mai 1983

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32. 33. 34. 35. 36. 37.

Saltsjöbaden, Schweden Rye Brook, New York, USA Gleneagles, Schottland Villa d'Este, Italien Telfs-Buchen, Österreich La Toja, Spanien

11.-13. Mai 1984 10.-12. Mai 1985 25.-27. April 1986 24.-26. April 1987 3.-5. Juni 1988 12.-14. Mai 1989

38. 39. 40. 41. 42. 43. 44. 45. 46. 47. 48. 49. 50.

Glen Cove, New York, USA Baden-Baden, Deutschland Evian-les-Bains, Frankreich Athen, Griechenland Helsinki, Finnland Zürich, Schweiz Toronto, Kanada Lake Lanier, Georgia, USA Turnberry, Ayrshire, Schottland Sintra, Portugal Genval, Brüssel, Belgien Goetheburg, Schweden Chantilly, Virginia, USA

11.-13. Mai 1990 6.-9. Juni 1991 21.-24. Mai 1992 22.-25. April 1993 3.-5. Juni 1994 8.-11. Juni 1995 30. Mai-1. Juni 1996 12.-15. Juni 1997 14.-17. Mai 1998 3.-6. Juni 1999 1.-4. Juni 2000 24.-27. Mai 2001 30. Mai - 2. Juni 2002

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Kapitel 3

TÖDLICHE NEUGIERDE Ein-Stich ins Wespennest »Wenn mir irgendetwas zustoßen sollte, dann glaube bitte nicht, daß es ein Unfall war!« Diese Worte bleiben dem Arzt Dr. Anthony Casolaro auf immer in Erinnerung. Sein Bruder Joseph Daniel, kurz »Danny« genannt, war ein lebenslustiger, künstlerischer Mensch, der für jeden ein offenes Ohr hatte und fast immer blendend gelaunt und zu Scherzen aufgelegt war. Danny Casolaro verfolgte viele Ziele und Ideen, Langeweile kannte er nicht, dazu hatte er viel zu viele Interessen - eine Eigenschaft, die seinem Beruf als Journalist nur zu Gute kommen konnte. Casolaros Familie stammte ursprünglich aus Italien und hatte sich in den Staaten gut etablieren können. Schon immer faszinierten Danny geheimnisvolle Vorgänge und Rätsel der Welt. Im Alter von 20 Jahren verließ er das College, um auf die Suche nach verschollenen Inkaschätzen zu gehen. Als er zurückkehrte, heiratete er und gründete eine eigene kleine Familie. Casolaro arbeitete weiterhin als Autor und führte alles in allem ein recht angenehmes Leben in Fairfax City, Virginia. Er veröffentlichte drei Bücher sowie viele Berichte in unterschiedlichsten Zeitschriften. Von familiärer Seite her ausreichend abgesichert, war für ihn der eher bescheidene Erfolg seiner Bücher nicht unbedingt sofort eine existentielle Bedrohung, doch suchte der Journalist ständig die eine wirklich große Story, eben die Story seines Lebens, die seiner Überzeugung nach irgendwann einfach kommen mußte. Zunächst aber blieb die große, packende, sensationelle Story noch aus. Casolaro mußte sich mit eher unspektakulären Berichten auseinandersetzen: Zehn Jahre lang arbeitete er für ein amerikanisches Computermagazin, dessen Teilhaber er später wurde. Computer waren ebenfalls eine seiner Leidenschaf-

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ten. 1990 verkaufte er dann seine Anteile, machte dabei aber ein schlechtes Geschäft, da er den Wert der Firma völlig unterschätzt hatte. In der nächsten Zeit wollte er mit Computerthemen nicht mehr viel zu tun haben, doch auf eine sehr ungewöhnliche Weise, die nur als Ironie des Schicksals bezeichnet werden kann, kam er von Chips und Bytes nicht los. Sie waren nämlich auch Bestandteil einer Story, die sein weiteres Leben bald voll und ganz in Anspruch nehmen sollte. Terry Miller, ein Freund und Mitarbeiter des Magazins, erzählte ihm eines Tages von einem Skandal, der sich mehr und mehr um eine gewisse Firma Inslaw auszuweiten schien. Deren Eigentümer, William »Bill« Hamilton, war von keiner geringeren Institution als dem US-amerikanischen Justizministerium nach Strich und Faden betrogen worden. Zu Dannys künstlerischem Talent gesellte sich eine investigative Neugierde hinzu. Und die schien nun geweckt. Bereits nach einem ersten Gespräch mit Inslaw-Chef Hamilton war Casolaro »elektrisiert«. Er spürte, daß diese Geschichte möglicherweise genau die Story sein könnte, nach der er jahrelang gesucht hatte, eine Geschichte, die ihm endlich auch zum ersehnten Durchbruch im Journalismus verhelfen könnte. Doch er ahnte nicht im geringsten, in welches Wespennest er da hineinstoßen würde, welche weltweiten Verstrickungen sich hier auftun würden und welche Konsequenzen das alles für ihn mit sich bringen sollte. Begonnen hatten die disaströsen Ereignisse um Inslaw beinahe schon ein Jahrzehnt zuvor. Damals, im Jahr 1982, erhielt Hamilton einen sehr lukrativen Auftrag. Das US-Justizministerium - Department of Justice, DoJ - hatte der Firma Inslaw eine Summe von zehn Millionen Dollar zugesichert, um ein von Hamilton entwickeltes Computerprogramm nunmehr den Anforderungen von US-Anwälten als Brücke zwischen verschiedenen Datenbanken anzupassen, so daß sie damit Kriminalfälle weit besser verfolgen könnten. Dieses vielversprechende Programm trug den Erfolg schon im Namen:

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PROMIS - wohinter sich das »Prosecutors Management Information System« verbirgt. Hamilton war ein hervorragender Ansprechpartner für die Aufgabe, eine solche Bearbeitung vorzunehmen. Immerhin hatten er und seine Frau dieses Programm gemeinschaftlich entwickelt. Damals wurden sie aus Fonds einer Behörde unterstützt, die Maßnahmen zur Exekutive unterstützt. Hamilton wußte, wie der Hase läuft oder zum Laufen zu bringen war. Nicht umsonst hatte er früher im technischen Geheimdienst der USA gearbeitet, der supergeheimen National Security Agency (NSA), von der man lange Zeit nicht einmal wußte, was die drei Buchstaben bedeuten. Im Einvernehmen mit dem DoJ verwandelten die beiden Hamiltons ihr Projekt in ein privates Unternehmen und erhielten sämtliche Rechte, eine erweiterte Version von PROMIS zu vertreiben. Erste Verbesserungen betrafen die Anwendbarkeit auf kleineren Rechnern bis hin zum damaligen DEC VAX-Minicomputer. Ursprünglich sollte diese neue Variante des Programms in beinahe 100 Büros der DoJ-Fahnder zum Einsatz kommen. Und Hamilton selbst sah darin lediglich den bescheidenen Anfang eines riesigen Geschäftes. Nach seinen Abschätzungen mußte ein extrem großer Bedarf an PROMIS bestehen, mit einem Gegenwert von fünf Milliarden Dollar. Es ging also ganz bestimmt nicht um Peanuts! Die Sache sah wirklich gut aus - Hamilton stand kurz davor, ein steinreicher Mann zu werden. Als Inslaw dann die fertiggestellte, abgewandelte Modifikation von PROMIS ans Justizministerium auslieferte, sollte er seine erste unangenehme Überraschung erleben. Denn man zahlte nicht, vielmehr wurde Inslaw bezichtigt, viel zu hohe Forderungen zu stellen. Die ausstehenden Beträge beliefen sich auf Millionenhöhe. Inslaw verfügte jedoch über einen erfahrenen Anwalt, den Watergate-erprobten Juristen Elliot Richardson. Er selbst war früher Attorney General, also eine Art Justizminister, und empfahl den Hamiltons nun, gegen das Justizministerium zu klagen. Schon zu jener Zeit spielten sich hinter der sauberen Fassade

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der ehrwürdigen Behörde eher weniger saubere Aktivitäten ab. Davon erfuhren bald auch die Hamiltons. Am 17. März 1987 traf sich Anthony Pasciuto, ein leitender Mitarbeiter des DoJ im Geheimen mit den beiden Geschäftsleuten. Er machte ihnen deutlich, daß Druck ausgeübt werde, Inslaw zu liquidieren. Intern hatte die Geschichte schon ihre Kreise gezogen. Im Ministerium fuhren dann einige Stellen den Kurs der Vernebelung und Verwirrung, denn bestimmte Aussagen, die bereits pro Inslaw getroffen worden waren, wurden zurückgezogen oder abgestritten. Da habe man wohl etwas verwechselt, denn es sei überhaupt nicht um die Inslaw-Akte, sondern um einen ganz anderen Fall gegangen. Bei Inslaw hingegen blieb man weiterhin unerbittlich. Nun selbst unter Druck gesetzt, zog auch Pasciuto all seine Darstellungen zurück, die Inslaw hätten weiterhelfen können. Doch das nützte ihm nichts mehr. Nur zwei Tage nachdem er sein revidiertes Statement abgegeben hatte, durfte er seinen Hut nehmen. Konkurs-Richter George F. Bason, dem der Fall Inslaw vorgetragen wurde, ließ sich dennoch nicht beirren, die erste Aussage Pasciutos als wahr zu erachten - sein Urteil ließ die Hamiltons aufatmen, offenbar herrschte doch noch Gerechtigkeit. Denn Bason befand die US-Regierung in Gestalt des Justizministeriums für schuldig, getrickst, getäuscht und betrogen zu haben. Das DoJ habe die PROMIS-Software in einem »betrügerischen Katz-und-MausSpiel« gestohlen. Beamte dort hätten in der Sache Meineid geleistet, so daß nun ein auswärtiger Beamter ernannt werden müsse, um den Fall zu behandeln. Diesen Vorschlag unterbreitete Bason auch schriftlich dem Justizminister Edwin Meese, der jedoch nie darauf antwortete. Das war - um es einmal prägnant auszudrükken - ziemlich mies. Daß Meese nicht reagierte, gab kein sonderliches Rätsel auf, denn wie sich bald zeigen wird, war er immens in die ganze Angelegenheit verwickelt, deren Tragweite nur wenige überblickten. Anfang 1988 erlegte Bason dem DoJ auf, eine Summe von insgesamt 7,8 Millionen Dollar an Inslaw zu zahlen, als Ausgleich für entgangene Einnahmen. Ende desselben Jahres kam

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dann auch für Bason das Aus. Ihm wurde mitgeteilt, daß ihm die Wiederernennung verweigert werde. Damit zählte er zu einem von vier Betroffenen, die in den vorausgegangenen vier Jahren nicht wieder zum Bundes-Konkursrichter ernannt wurden, von insgesamt 136 solcher Richter! Ein Jahr später, im Dezember 1989, verlangte Hamiltons Anwalt Richardson eine unabhängige Untersuchung des Falles und wies auf eine Verschwörung unter Freunden von Edwin Meese hin. Als Casolaro dies alles von Hamilton erfuhr, war er noch weit vom inneren Zirkel entfernt, der zahlreiche Geheimnisse im Umfeld von PROMIS hütete. Ein Computerprogramm, das heute uninteressant, weil längst überholt ist, führte einen wissensdurstigen, schon Jahre auf Erfolg hoffenden Journalisten offenbar direkt an die Quelle: an die Drahtzieher von illegalen CIA-Operationen im großen Stil, an eine winzige Gruppe spezialisierter, skrupelloser Menschen, die Geld durch verbrecherische Transaktionen scheffelt und die Geschicke der Welt vielfältig beeinflußt. Sie betreibt Waffenhandel und Drogengeschäfte im größten Stil und mordet, was das Zeug hält. Terry Miller schien recht zu haben, die Inslaw-Story war ein »dickes Ding«.

»Blutbad« Der Samstag war soeben erst angebrochen, gerade eine halbe Stunde alt. An jenem 10. August 1991 ist es zu so später Stunde totenstill im Sheraton Inn, nahe dem Highway 81 im kleinen Ort Martinsburg in West Virginia. Nur ein Zimmermädchen, das gerade seine Nachtschicht versieht, streift müde durch die langen Gänge im fünften Stock des Gebäudes. Ein Zufall, daß sie während ihrer nächtlichen Runde noch einmal den Raum 517 überprüfen will. Unsicher, ob das Zimmer augenblicklich besetzt oder ihr Service für den nächsten Tag noch nötig ist, klopft sie vor-

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sichtig und lauscht. Keine Antwort. Leise öffnet sie die unverschlossene Türe, um nach dem Rechten zu sehen. Das Bett sieht ordentlich und unbenutzt aus, doch die Oberdecke ist umgeschlagen und am Fußende liegen Kleidungsstücke. Doch niemand ist im Raum. Als die Sheraton-Angestellte einen zaghaften Blick ins Badezimmer riskiert, stockt ihr der Atem. Auf dem Boden sieht sie eine verschmierte Blutlache. Sofort ruft sie in der Rezeption an und verlangt nach ihrer Vorgesetzten, Mrs. Barbara Bittinger, die dringend nach oben kommen soll und in wenigen Minuten bei Nummer 517 eintrifft. Sie nähert sich dem Badezimmer nur zögerlich. Die Türe steht halb offen, auch der Duschvorhang blockiert die Sicht, doch die Blutspuren sind deutlich zu sehen. Mrs. Bittinger nimmt ihren Mut zusammen, sie ahnt eine noch schrecklichere Entdeckung und geht daher nur einen sehr bedächtigen Schritt weiter auf die unheimliche Szenerie zu. Aus der Badewanne ragt ein Paar knochiger Knie hervor. Mit einer unweigerlichen Bewegung weicht die schockierte Frau sofort zurück. Das blutige Wasser birgt einen Toten. Auf dem Rand der Badewanne liegt ein Aschenbecher, daneben eine Glasscherbe. Am Boden neben der Toilette eine geöffnete Rotweinflasche, halb leer. Die Wand ist mit Blutspritzern übersät. Während sich Mrs. Bittinger abwendet, um den Raum zu verlassen und die Polizei zu rufen, bemerkt sie noch zwei blutgetränkte Handtücher im Waschbecken. Was war hier geschehen? Hatte sich ein Hotelgast das Leben genommen? Nur wenige Minuten nach dem grausigen Fund waren bereits drei Streifen eingetroffen, kurz darauf auch Notärzte. Jede Hilfe kam zu spät, der blonde, etwa vierzigjährige Mann von Zimmer 517 war schon seit geraumer Zeit tot. An seinen Handgelenken fand sich rund ein Dutzend sehr tiefer Einschnitte, offenbar also wirklich eine Verzweiflungstat. Dafür sprachen auch zwei Müllbeutel, die im Wasser schwammen, und ein Schnürsenkel um den Hals des Toten. Der Mann mußte zuvor wohl versucht haben,

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sich mit den Plastiktüten zu ersticken. Als das nicht funktionierte, entschloß er sich dazu, die Pulsadern durchzuschneiden. Als die Leiche aus dem Wasser gehoben wurde, fanden die Untersucher unter dem leblosen Körper noch eine Bierdose, einen Papieruntersetzer des Hotels und eine Rasierklinge. Offenbar hatte der Mann sich mit dieser Klinge die tödlichen Wunden zugefügt. Selbstmord! Was der Polizei schließlich völlige Klarheit verschaffte, war eine handschriftliche Notiz, die am Nachttisch lag: »Denen, die ich am meisten liebe, bitte vergebt mir für das Schlimmstmögliche, was ich überhaupt machen konnte. Am meisten tut es mir leid für meinen Sohn. In meinem tiefsten Inneren weiß ich, daß Gott mich hineinlassen wird.« Das war überdeutlich. Um wen es sich bei dem Unglücklichen handelte, ließ sich unter den gegebenen Umständen leicht ermitteln, schließlich hatte kein räuberischer Mord auf offener Straße stattgefunden, sondern ein Hotelgast war aus dem Leben geschieden. Die persönlichen Daten, welche die Polizei in der Brieftasche fand, deckten sich mit den Angaben an der Rezeption. Der Tote hieß Joseph Daniel Casolaro! Noch bevor der von seiner neuen Story geradezu besessene Journalist die Recherchen abgeschlossen, geschweige denn ein Enthüllungsbuch dazu verfaßt hatte, schied er aus unbekannten Gründen freiwillig aus dem Leben! Ergibt das einen Sinn? Detective Sergeant Swartwood war der Erste, der die Familie vom Danny Casolaro wurde auf Tod ihres Angehörigen unterrichder Suche nach dem tete. Als Dr. Tony Casolaro davon »Oktopus« umgebracht.

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hörte, erinnerte er sich sofort an die Worte seines Bruders - »Wenn mir irgend etwas zustoßen sollte, dann glaube bitte nicht, daß es ein Unfall war!«. Und er konnte wahrhaftig nicht an Suizid glauben, auch wenn die Polizei von Martinsburg sich ihrer Sache ziemlich sicher war. Tony Casolaro erzählte Swartwood sofort von den ungewöhnlichen Recherchen seines Bruders. Er wußte auch, warum dieser sich im Martinsburg-»Sheraton« aufhielt: Danny wollte einen wichtigen Informanten sprechen. Das hatte er nur zwei Tage zuvor auch enthusiastisch seiner Kollegin Virginia McCullough erzählt. Aufgeregt rief er sie an jenem Abend an und sprach davon, er werde im »Sheraton Inn«, Martinsburg, mit einer Quelle zusammenzutreffen, die dem demokratischen US-Senator Robert C. Byrd aus West Virginia sehr nahe stehe. Casolaro schien überzeugt zu sein, daß ihm dieser Mann die Antwort für die Inslaw-Verschwörung »auf einem Silbertablett« präsentieren könne, so meinte er zu Mrs. McCullough. Sie hatte den Eindruck, daß Danny gestreßt und angespannt war, das aber nur, da er sich kurz davor befand, der Wahrheit ins Auge zu sehen. Einem anderen Bekannten sagte er rund eine Woche vor seinem Tod, er sei kurz davor, die Wahrheit über den Oktopus herauszufinden. Er erwähnte dabei erstmals auch eine Verbindung zu verschwundenen Kriegsgefangenen von Vietnam und Soldaten, die im Einsatz verschollen sind - also »Prisoners of War« (POWs) und »Missing in Action« (MIAs). Vieles spricht dafür, daß Danny Casolaro in jenen letzten Wochen und Tagen dem großen Geheimnis ganz nah war und sich auf vielleicht sogar mehreren heißen Spuren befand. Auf jeden Fall waren seine Recherchen brisant und gefährlich genug, um seinen Tod zur Folge zu haben. War er vielleicht schon länger auf der richtigen Spur? Die Frage nach der Identität seines Mörders konnte nicht geklärt werden und wird sich auch nicht klären lassen. Wir wissen nicht, ob die geheimnisvolle Quelle wirklich mit dem hartnäckigen Journalisten in Kontakt trat, um ihm die letzten, unentbehrlichen und alles erklärenden Puzzlestückchen zu übergeben, oder

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ob er ihn nur in eine Falle locken wollte. Casolaro machte den Fehler, vieles über ungesicherte Telefonleitungen zu besprechen. In der Praxis ist es jedoch heute beinahe unmöglich, eine intensive Recherche zu geheimdienstlichen Themen so zu betreiben, daß die »Gegenseite« nichts davon erfährt. Wie auch immer, man wußte jedenfalls recht genau, was Casolaro vor hatte und wie weit er mit seinen Nachforschungen schon gekommen war. Die »Notbremse« konnte jederzeit gezogen werden. Eher unwahrscheinlich ist ein Szenario, demzufolge Casolaro tatsächlich noch mit dem Informanten zusammentraf und ermordet wurde, nachdem er das ersehnte Material erhalten hatte. Warum sollte man es überhaupt erst zu diesem Treffen kommen lassen? Die Blutspuren im Badezimmer sprechen dafür, daß Casolaro an Ort und Stelle starb, was sich grundsätzlich auch mit der offiziellen Selbstmordgeschichte deckt. Natürlich kann sich Danny Casolaro zuvor anderswo mit der Quelle getroffen haben, um sich dann mit den Informationen - ganz gleich, ob sie nun in schriftlicher oder mündlicher Form weitergereicht worden waren - anschließend wieder auf sein Hotelzimmer zu begeben. Doch ergibt das keinen Sinn. Denn man hätte ein solches Treffen wie gesagt sicher noch zuvor verhindert. Dann aber hätte man Casolaro außer Gefecht setzen und ihn durch das Hotel auf sein Zimmer bringen müssen, um ihn dort endgültig zum Schweigen zu bringen. Außerdem spricht auch dagegen, daß bei der Autopsie keine anderen Spuren von Gewaltanwendung oder größere Mengen an Betäubungsmitteln gefunden wurden, was wohl zumindest der Fall hätte sein müssen, um Casolaro unbemerkt zu transportieren. Auch hat ihn niemand in Begleitung einer oder mehrerer Personen auf sein Zimmer gehen sehen. Und wir dürfen bei allem nicht vergessen, daß er zum Zeitpunkt der schrecklichen Entdeckung bereits mehrere Stunden tot war. Eine wie auch immer geartete Begegnung fand also zu einer noch recht »bürgerlichen« Uhrzeit statt, an der auf den Fluren des Hotels mit einigem Betrieb zu rechnen war. Doch es gibt keine Beschreibung, nicht von der Ankunft des Informanten und ebensowenig von der sei-

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nes Mörders. Jeder mußte äußerst vorsichtig und verstohlen in den fünften Stock des Sheraton Inn und dort in Zimmer 517 gelangt sein. Einen einzigen, leider sehr spärlichen Hinweis gibt es, daß sich in den fraglichen Momenten noch jemand bei Casolaro befunden hat. Ein Zimmermädchen machte die flüchtige Beobachtung, wie ein Mann den Raum verließ, konnte aber keinerlei Beschreibung von ihm abgeben. Alles in allem sieht es so aus, daß Casolaro seinen Mörder, den er für einen Top-Informanten hielt, auf seinem Zimmer empfing. Die Euphorie, die Casolaro in den letzten Tagen seines Lebens zeigte, muß wohl damit zusammenhängen, daß er seiner Quelle wirklich traute und sie wohl schon eine ganze Weile kannte. Sie kann ihn über längere Zeit bis zum Tod zunehmend mit Desinformation gefüttert haben, über die er auch am Telefon sprach. Er erwähnte aber keine Namen und selbst wenn, sicher wäre damit die Identität des Mörders nicht aufgeflogen. Aus dem Gesagten würde sich aber auch eine weitere Schlußfolgerung ergeben: Wir dürfen nicht davon ausgehen, daß Danny Casolaro wegen spezifischer neuer Informationen umgebracht wurde, über die er kurz vor seinem Tode hier und da auch redete. Die Andeutungen, die er zu den POWs und MIAs machte, mußten also nicht unbedingt eine heiße Spur sein, sie konnten eben gerade auch davon ablenken. Und was, wenn es doch Selbstmord war? Keinesfalls. Allein die eben erwähnte Euphorie Casolaros spricht absolut dagegen. Der ohnehin lebenslustige junge Schriftsteller befand sich in einer Hochphase, immerhin glaubte er, nun das Rätsel lösen zu können, das ihn so lange schon beschäftigte. Und genau in diesem Moment sollte er sich das Leben nehmen? Abgesehen von diesem sichtlichen Widerspruch gibt es im Fall Casolaro eine Menge von Ungereimtheiten, die insgesamt auf nichts anderes als Fremdeinwirkung schließen lassen. Sehr seltsam waren die blutgetränkten Handtücher im Waschbecken. Schnitt Casolaro sich also die Pulsadern auf, warf die

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Klinge in die Wanne und blieb selbst zunächst noch heftig blutend davor stehen, um anschließend wieder alles aufzuwischen und sich erst danach ins Wasser zu setzen? Kaum denkbar. Daß ein kaltblütiger Mörder sich nach der Tat um das noch warme Blut des Opfers kümmert, erscheint ebenfalls merkwürdig. Ob diese Handtücher letztlich genau wie die Plastiktüten und der Schnürsenkel um Casolaros Hals einfach nur für Verwirrung sorgen sollten, wird sich wohl nicht mehr erhellen. Doch reicht ein Schuhabdruck am blutigen Boden, damit der Mörder ein Handtuch nahm und über alles wegwischte. Er dürfte mit Sicherheit auch einige weniger auffällige Spuren hinterlassen haben. Nach offizieller Darstellung aber konnten die Ermittler nicht den geringsten Hinweis auf die Anwesenheit einer fremden Person finden.

Treffpunkt Sheraton Der Letzte, der Danny Casolaro lebend sah, war ein gewisser William »Bill« Turner. Dieser Mann hatte als Luftfahrt-Ingenieur beim Honeywell-Konzern in Virginia gearbeitet. Als seine Abteilung von Hughes Aircraft übernommen wurde, mußte er bald gehen. Das war im April 1990. Offenbar, um seinem »ArbeitNehmer« einen Denkzettel zu verpassen, wandte sich Turner an den nicht weit von ihm wohnenden Casolaro und versorgte ihn mit zahlreichen Details über einen mächtigen Betrug bei Hughes. Als er seine Vorgesetzten damals über seine Funde unterrichtete, starteten sie eine Vertuschungsaktion. Er legte dem Schriftsteller auch Dokumente vor, welche diese Geschichte, die Turner als »enorme Regierungsvertuschung« beschrieb, voll und ganz belegen sollten. Hughes Aircraft ist auch mit der supergeheimen Militäranlage »Area 51« am Groom Lake in Nevada eng verbunden, mit der sich Casolaro ebenfalls ausführlich befaßt hatte. Einige behaupten, Danny Casolaro mußte wegen seiner Nachforschungen zu Hughes Aircraft sterben.

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Casolaro hatte bei Turner zwei Aktenstöße zu lnslaw hinterlegt, wichtige Papiere, die er seiner Quelle zeigen wollte. Mit diesem Material sollte Bill Turner nach Martinsburg kommen. Die beiden hatten sich bereits wiederholt im Sheraton Inn getroffen. Wie Turner sagt, habe er das getan und die Unterlagen dort an Casolaro übergeben. Im Zimmer wurde davon nichts mehr gefunden. Ansonsten bestätigten er und andere, daß der junge Journalist keineswegs bedrückt wirkte. Tatsächlich hatte er Geldsorgen, doch, wie auch sein Cousin Jim Gualteri bestätigt, das war kein Grund, sich das Leben zu nehmen: »Die Familie hätte Danny niemals sitzen lassen. Die Bande sind da sehr eng geflochten!« Seiner Ansicht nach hätte Danny einen Selbstmord »nicht in einer Million« Jahren begangen. Ben Mason, ein enger Freund, ist ähnlicher Meinung. Casolaro brannte nur wenige Tage vor seinem Ende darauf, ihm einige Dokumente zu zeigen. Alles schien auf einen investigativen Höhepunkt hinzudeuten. Seine Arbeit hatte immer konkretere Formen angenommen, und Casolaro ging durchaus kompromißlos vor. Er beging den tödlichen Fehler, das Kind beim Namen zu nennen. In seinem geplanten Buch wollte er die Schatten- oder Parallelregierung nicht einfach pauschal als mächtige Organisation abhandeln, sondern seinen Lesern die führenden Köpfe namentlich präsentieren. So sprach er auch kurz vor seinem Tod davon, den »Kopf des Oktopus zurückzubringen«. Er hatte Ereignisse und Namen verknüpfen können, die seit den 1950er Jahren die Gemüter in der amerikanischen wie auch in der Welt-Öffentlichkeit bewegten, seien es die Absetzung von Präsident Nixon, der Mord an Präsident Kennedy, das Desaster in der Schweinebucht, die sogenannte »Oktober-Überraschung«, die Schaffung eines internationalen massiven Drogennetzwerks, der gewaltige BCCI-Bankskandal und andere beinahe unglaubliche Ereignisse, von denen bald noch die Rede sein wird. Nicht zuletzt natürlich ging der Diebstahl der PROMIS-Software auf das Konto des Kraken, der eine umgeformte Variante davon global verteilte und sie als sogenanntes

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»Trojanisches Pferd« nutzte, um in fremden Computersystemen bis hinein in die gegnerischen Reihen nach geheimen Daten zu spionieren. Die Namen, die hinter diesen Aktionen und Transaktionen standen, waren vor allem:



Richard Helms, Ex-CIA-Direktor, »der Mann, der die Geheimnisse wahrt«; • George Pender, Mogul der Mafia von Los Angeles; • John Philip Nichols, Ex-CIA-Mann; • Ray S. Cline, stellvertretender CIA-Direktor und CIA-Analytiker im Koreakrieg; • Robert Chasen, Ex-FBI-Mann und Vize-Präsident der mächtigen Security-Firma Wackenhut; • E. Howard Hunt, ehemaliger CIA-Agent, involviert in Watergate und möglicherweise in die Finanzierung des KennedyMordes; • Edwin O. Wilson, CIA-Mitarbeiter, der als Waffenhändler C4Sprengstoff an Gaddafi verkaufte; • Thomas Clines, CIA-Mann und Partner von Wilson; • Ted Shackley, hochrangiger CIA-Mitarbeiter, Chef der CIAStationen Laos und Saigon; • Oliver North, der US-Colonel, der seine Finger beinahe in jeder Verschwörung hatte. Reise ohne Wiederkehr So war Danny Casolaro nunmehr zur Spitze vorgedrungen und fieberte den ultimativen Enthüllungen entgegen, die er von seiner neuen Quelle erwartete, jener mysteriösen Quelle, mit der er sich in Martinsburg verabredet hatte. Die von Virginia McCullough bemerkte Angespanntheit im Verhalten des Schriftstellers schien allerdings noch andere Ursachen zu haben. Als sein Bruder Tony ihn am Montag, dem 5. August 1991, zum letzten Mal sah, wirkte Danny müde. Er erklärte, er habe mitten in der Nacht einige

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Drohanrufe erhalten, die ihm den Schlaf raubten. Schon seit rund drei Monaten gehe das so. Offenbar rückte man Casolaro immer näher auf den Leib, denn auch die Hamiltons äußerten die Vermutung, daß ein Mann namens Joseph Cuellar ihn in den letzten Tagen verfolgte und beobachtete. Cuellar seinerseits stand in »special services« der Armee und war ein Freund von Peter Videnieks - einer zentralen Figur im Inslaw-Fall und dabei im Justizministerium »Hauptbremse« gegen die Hamiltons. Trotz der Warnungen hatte sich der Journalist festgebissen und dachte überhaupt nicht ans Aufgeben. Trotz seiner Erschöpfung blieb er nach wie vor hartnäckig und begeistert am Fall seines Lebens, der tragischerweise auch zum »Fall seines Lebens« führte. An jenem Montag telefonierte Casolaro mit einem Ex-ArmeeOffizier aus Fairfax, Bill McCoy. Die beiden sprachen über den Oktopus, und der Schriftsteller machte die freudige Bemerkung, er habe nunmehr vom Time-Magazin grünes Licht für einen Artikel bekommen, den er über die Verschwörung schreiben sollte. Angeblich wollte die Time-Warner-Gruppe, die, ganz nebenbei notiert, Mitglieder im CFR besitzt, die Arbeit von Casolaro auch finanzieren. Euphorisch teilte er McCoy mit, er könne mit dem Vorschuß innerhalb von zwei Monaten dem Kraken an vielen Orten der Erde nachspüren. Er plante eine Weltreise, auf der er 13 Länder besuchen wollte. Als krönenden Abschluß sah er eine Interview-Visite jenes global aufs tiefste in heimliche Aktivitäten verstrickten Waffenhändlers Ed Wilson im Gefängnis von Illinois vor. Time-Warner - welch ein Name in diesem Kontext! stritt später natürlich ab, finanzielle und anderweitige Zugeständnisse je gemacht zu haben. Die einzige bezahlte Reise, auf die Casolaro bald gehen sollte, war eine ohne Wiederkehr. An jenem 5. August muß er auch einen geheimnisvollen Besucher empfangen haben. Olga, die Haushälterin, erinnerte sich, Casolaro zusammen mit einem recht voluminösen, dunkelhäutigen Mann bei einem Gespräch in der Küche getroffen zu haben. Der Mann, dessen Namen sie nicht kannte und den sie noch nie zuvor gesehen hatte, schien ihrer

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Meinung nach ein Inder zu sein. Nichts in den Tagen direkt vor Casolaros Tod deutet auf einen depressiven Gemütszustand oder Lethargie hin. Der vielmehr unermüdliche Journalist hatte sogar noch die Versicherungssumme für sein Haus bezahlt, obwohl er voll und ganz in seiner Arbeit aufging. Vom 5. auf den 6. August saß er ununterbrochen an der Schreibmaschine. Er gönnte sich bis zum Nachmittag keine Pause. Dann bat er Olga, ihm beim Packen der Sachen zu helfen. Während sie Kleidung und alle möglichen Reiseaccesoirs in eine schwarze Ledertasche packte, war Danny Casolaro damit beschäftigt, seinen Aktenkoffer mit Dokumenten regelrecht zu beschichten. Als er damit fertig war, sagte er zu ihr: »Ich habe hier all meine Papiere. Wünsch' mir Glück!« Auch Olga konnte keinerlei Gemütstrübung bei Danny Casolaro feststellen. Manchmal wurde behauptet, der Schriftsteller habe sich umgebracht, da er Multiple Sklerose hatte. Doch auch diese Erklärung greift nicht. Nach Aussagen von Familienangehörigen wußte Casolaro offenbar nicht einmal von der Erkrankung oder spürte zumindest keinerlei Symptome. Hinweise auf eine mögliche MS wurden erst bei Dannys Autopsie in seinem Gehirn entdeckt. Im Gegensatz zur Ansicht der Familie muß er wohl dennoch etwas geahnt oder sogar gewußt haben, denn er befragte einmal seine enge Freundin und Schwesternausbilderin Ann Marie Winfield über die Symptome. Sie erklärte ihm aber, wenn überhaupt, dann handele es sich in seinem Fall um eine sehr leichte und ungefährliche Ausprägung, die höchstens gelegentliche Desorientierung bewirken könne. Einen Grund zu wirklicher Beunruhigung stelle sie aber nicht dar. Mrs. Winfield bemerkte auch nicht, daß die Möglichkeit einer so milden MS ihren Freund beängstigte oder seine stets optimistische Lebenshaltung beeinträchtigte. Wer einen Selbstmord erwägt, wird jedenfalls nicht andererseits noch enthusiastische Recherchen betreiben und sich gerade dann umbringen, wenn er die Lösung für ein großes Rätsel soeben buchstäblich in Händen hält oder zumindest davon überzeugt ist, ein Geheimnis lüften zu können.

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Der Tod von Danny Casolaro wird ohnehin noch von einigen Merkwürdigkeiten begleitet. Die letzten Stunden des Enthüllungsautors verlieren sich in düsterem Nebel. Immerhin aber sind noch einige Details der Tage davor bekannt. Am Donnerstag, dem 8. August, bezog Casolaro das Hotelzimmer, in dem bald seine Lebenslinie ihr Ende finden sollte. Es war gegen Mittag, und der voller Erwartungen und Hoffnung angereiste Journalist begab sich in das nahe Restaurant Stone Crab Inn, um dort bis in den Nachmittag hinein zu bleiben. Anschließend begab er sich in einen Schnellimbiß, um etwas zu trinken. Die Bedienung erinnerte sich später noch gut an den blonden Mann, denn sie hatte ihm erklärt, ihn nur dann bedienen zu können, wenn er auch etwas zu essen bestelle. Das tat er also und flirtete außerdem noch eine Weile mit dem Mädchen. Gegen fünf Uhr desselben Nachmittags erschien er dann in der Hotelhalle und befand sich nach Aussagen von Angestellten in Begleitung eines dunkelhäutigen Mannes, möglicherweise ein Iraner oder Araber. An der Cocktailbar beklagte sich der Unbekannte über den schwerfälligen Service. Casolaro war die Situation offenbar unangenehm und er entschuldigte sich für seinen Begleiter. Er erklärte, der Gast habe einen anstrengenden Tag hinter sich. Nach einigen Bier verließen sie die Lounge. Casolaro kehrte eine halbe Stunde später alleine zurück, wobei ihn sein Zimmernachbar Mike Looney sah. Gegen acht Uhr abends begegneten sie sich zufälligerweise noch einmal. Looney sagte später aus, er habe Casolaro mit zwei blonden Frauen an der Bar gesehen. Nachdem sie gegangen waren, kamen die beiden Männer ins Gespräch, wobei der Autor davon zu erzählen begann, was ihn gegenwärtig am meisten beschäftigte. Es ging um den Oktopus und um den nun erwarteten Informanten. Looney war sich später nicht mehr ganz sicher, aber er glaubte, Casolaro habe von einem Araber gesprochen. Doch mit dem hatte er sich offenbar bereits getroffen - war es ein anderer? Oder etwa schon sein Mörder? Eine merkwürdige kleine Episode ergab sich aus einem Telefonat, das Casolaro führte, als der Zeitpunkt kam, an dem er seinen Informanten treffen sollte. Tatsäch-

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lich befand der Schriftsteller sich in diesen Augenblicken offenbar gerade in Gegenwart von Looney. Denn der berichtete, Casolaro sei zum Telefonieren gegangen, als die Quelle nicht erschien. Konnte Casolaro denn erwarten, daß der Informant, der wohl selbst aus den engen Zirkeln einer dunklen Schattenwelt kam, sich in Anwesenheit einer dritten Person zeigen würde? Nach dem Telefonat kehrte der Journalist zurück und meinte nur kurz, seine Quelle werde lediglich ein paar Reisedokumente dabei haben. Da dies nicht weiter aufregend sei, könne er sich jetzt noch einen Drink genehmigen. Alles schon etwas seltsam. Eigentlich hätte Casolaro nun eher enttäuscht sein müssen, doch wie Looney bestätigte, zeigte sich der Autor absolut enthusiastisch und von einer Verschwörung fest überzeugt. Gegen halb zwölf nachts trennten sich die beiden Zimmernachbarn. Erst am Nachmittag des folgenden Tages läßt sich die Spur von Danny Casolaro wieder aufnehmen. Da nämlich traf er am Parkplatz auf Bill Turner. Absichtlich wählte Casolaro nicht das Hotelzimmer als Ort dieser Begegnung, denn er ging davon aus, daß es abgehört würde. In den folgenden 45 Minuten tauschten die Männer einige Informationen aus, Turner erklärte, er habe dem Journalisten wie besprochen die Inslaw-Akten ausgehändigt sowie unter anderem Papiere über illegale Vorfälle bei Hughes Aircraft und im Pentagon. Genau wie Looney, erinnert sich Turner an einen in positiver Weise aufgeregten, enthusiastischen Casolaro. Die folgenden Stunden verbrachte dieser dann wieder im Stone Crab Inn, mit Krabbencocktail und Bud Lite. Der Bartender schilderte den Zustand seines Gastes als »vereinsamt und in sich gekehrt«. Was für jenen Stimmungswandel gesorgt hatte, wird sich nie klären lassen. Doch schien Casolaro nicht deprimiert zu sein, offenbar aber doch absolut auf das Kommende konzentriert. Vielleicht wurde ihm nun doch die Bedrohlichkeit der Situation bewußt, die Gefahr, die mit seinen intensiven Nachforschungen verbunden war. Hatte er sich nicht mit den Mächtigsten angelegt, denen, die im tiefsten Finstern noch hinter der US-Regierung und dem Präsidenten standen?

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Als er ging, machte er noch einige freundliche Bemerkungen, was seine Art war, und verabschiedete sich vom Barkeeper mit den Worten »Keep smiling!« Dann rief er von einer öffentlichen Telefonzelle am Interstate Highway 81 noch kurz bei seiner Familie an, daß er es nicht mehr schaffen werde, rechtzeitig zum Abendessen zu kommen. Das sollten die letzten Worte sein, die er mit seinen Angehörigen wechselte. Und immer noch wartete er auf den Informanten. Gegen zehn Uhr abends wurde Danny Casolaro noch ein letztes Mal lebend gesehen, wie er einen Becher Kaffee schlürfend in Richtung Sheraton Inn lief. Er war zuvor noch einigen Zeugen in Martinsburg aufgefallen, wie er hinter dem dortigen Finanzamt in seinem Wagen saß.

Das Lied vom Tod In jenen schicksalhaften Abendstunden des 9. August 1991 klingelte das Telefon im Haus des Schriftstellers vier- oder fünfmal. Als Olga, die Haushälterin, den Hörer beim ersten Anruf gegen 21 Uhr abnahm, zischte eine männliche Stimme die unheimliche Drohung: »Ich werde ihn zerschneiden und den Haien zum Fraß vorwerfen!« Nur eine halbe Stunde später klingelte das Telefon erneut. Wieder ging Olga an den Apparat. Ein anderer anonymer Anrufer schimpfte nun: »Scher Dich zum Teufel!« und legte auf. Als es bald wieder läutete, zögerte die Haushälterin, den Hörer noch einmal abzunehmen, ging aber schließlich hin. Diesmal sagte niemand etwas, aus dem Telefon kam nur Musik. Bei einem vierten Anruf dasselbe, wieder spielte Musik im Hintergrund, sonst nichts. Um 22 Uhr schließlich klingelte es noch einmal. Als die verunsicherte Olga nun zum Hörer griff, konnte sie nichts vernehmen. Am anderen Ende der Leitung Stille. Totenstille. Diese Uhrzeit war ganz offenbar auch tatsächlich die Todesstunde von Danny Casolaro. Erst rund drei Stunden später, um 0.51 Uhr des frühen Samstagmorgen, entdeckte dann die Hotel-

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angestellte Barbara Bittinger den Leichnam des Journalisten. Als die Polizei eintraf, stellte sie bereits nach kurzem Augenschein eine Selbsttötung fest. Es habe keinerlei Anzeichen gegeben, die auf gewaltsame Fremdeinwirkung schließen ließen. Detective Sergeant George Swartwood war der erste, der die Familienangehörigen über den Todesfall unterrichtete. Als Dr. Tony Casolaro ihm von den besonderen Begleitumständen und den Dokumenten erzählte, suchten die Beamten noch einmal im Hotelzimmer, doch die Unterlagen tauchten nirgends auf. Allein dieses Faktum war für Tony Casolaro ein untrügliches Zeichen, daß mehr hinter dem Ableben seines ohnehin nicht depressiven Bruders stand. Aus seiner Euphorie heraus mußte dieser wohl wirklich kurz entschlossen ganz unvermittelt in die Laune geraten sein, sich etwas anzutun. Für diese Plötzlichkeit würde auch der sehr kurz gefaßte Abschiedsbrief stehen - der Schriftsteller, der stets wie ein Besessener geschrieben hatte, hinterließ nur ein paar Zeilen, in denen er seine Angehörigen nichts darüber wissen ließ, warum er seinem Leben ein derart jähes Ende setzen wollte. Sehr merkwürdig! Ganz offenbar wurde er dazu gezwungen, die Notiz zu hinterlassen. Natürlich konnte er sich weigern, da er ohnehin wußte, nun so oder so sterben zu müssen. Doch war es dennoch ein Leichtes, wirksam Druck auf ihn auszuüben. Schließlich hatte er die Verantwortung für seine Frau und seinen Sohn. Der Mörder brauchte nur drohen, auch der Familie etwas anzutun, um Casolaro selbst im Angesicht des Todes gefügig zu machen. Bemerkenswert war, wie locker man mit dem Fall Casolaro schon in den ersten Stunden von amtlicher Seite vorging. Ursprünglich war beispielsweise überhaupt keine Autopsie geplant. Tony Casolaro, der immerhin vom Fach war, sprach darüber mit Swartwood, der den Toten zur Gerichtsmedizin von Martinsburg bringen ließ, wo Coroner Sandra Bining eine erste Untersuchung durchführte.

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Beseitigte Beweise Als Tony Casolaro gegenüber Swartwood erwähnte, welche Recherchen sein Bruder betrieben hatte, wachte der Sergeant doch auf und eilte mit einigen Beamten noch einmal zurück ins Hotelzimmer, um Spuren zu sichern. Vielleicht war Swartwood wirklich ahnungslos und wollte nun handeln, vielleicht war ihm aber auch klar, daß er nun auch handeln durfte, da zwischenzeitlich ohnehin alle Verdachtsmomente beseitigt worden waren. Natürlich, das zu behaupten, wäre eine nicht beweisbare Unterstellung. Swartwood unternahm jedenfalls plötzlich all das, was sofort hätte geschehen müssen. Er ließ keine Möglichkeit aus: Die Beamten suchten nach Hinweisen für einen Einbruch in Zimmer 517, sie nahmen Fingerabdrücke, sogar vom näheren Bereich des Hoteldachs, falls jemand über die Außenwand und durch ein Oberlicht eingedrungen sein sollte. Selbst ein Spürhund kam zum Einsatz, um auf dem Highway Witterung aufzunehmen und eventuell doch noch die Papiere zu finden. Die ganze Aktion schien mit Blick auf die Hintergründe und die Verzögerung beinahe schon inszeniert. Und andere waren viel schneller gewesen. Schon eine halbe Stunde nachdem Danny Casolaro aufgefunden worden war, erinnerte kaum mehr etwas an den grausigen Zwischenfall, das Zimmer schien bereits fast schon wieder bezugsfertig für den nächsten Gast. Vor allem Sandra Bining und ihr Mann David, ein Feuerwehr-Lieutenant, waren übereifrig gewesen. Als die Polizeibeamten anrückten, hatte er schon die Badezimmertüre entfernen lassen, während Sandra Bining das Wasser ohne Filter aus der Wanne ausließ und dafür sorgte, daß der Tote sofort ins örtliche Beerdigungsinstitut geschafft wurde. Der Chef höchstpersönlich konservierte den Leichnam, offenbar ohne zunächst polizeiliche Anweisungen oder die Einwilligung der Familie abzuwarten. Das war gegen das Gesetz. Mit seiner Arbeit erschwerte er die später von Tony Casolaro durchgesetzte Autopsie. Als er mit Mrs. Bining sprach und ihr seinen Wunsch mitteilte, verwies sie ihn an den Gerichtsmediziner von West Virginia, einen Mann mit

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dem treffenden Namen James Frost. Als Tony Casolaro auch ihm von der Tätigkeit seines verstorbenen Bruders berichtete, willigte er in Anbetracht der anderen ungewöhnlichen Todesumstände in eine Autopsie ein, die auf folgenden Mittwoch anberaumt wurde. Schon Sandra Bining hatte den Toten oberflächlich untersucht und Blutproben direkt aus dem Herzen genommen. Sie befaßte sich natürlich auch mit den Schnittwunden und stellte sie als definitive Todesursache fest. Danny Casolaro hatte insgesamt etwa zehn bis zwölf tiefe Schnitte an den Armen und Handgelenken. Den ihm bekannten Ergebnissen nach schienen sie Dr. Casolaro zu tief, um noch von eigener Hand komplett ausgeführt worden zu sein. Dr. Frost bestätigte die Ergebnisse von Sandra Bining und fand keine Anzeichen für einen Kampf, auch nicht für einen künstlich herbeigeführten Todeskampf durch Drogeninjektion. Er fand zudem keinen Alkohol im Blut. Fast auch schon wieder ein wenig seltsam, denn warum sollte Casolaro, der alkoholische Getränke keinesfalls verabscheute, sich nicht betrunken haben, um leichter aus der Welt zu scheiden? Wenn er wirklich der Versager war, als den ihn der Anthropologe Steve Mizrach von der Universität Florida hinstellen möchte, dann hätte Casolaro sich bestimmt Mut antrinken müssen, um sich mehr als zehn derart massive Schnitte beizubringen und seinem Leben damit ein Ende zu setzen. Und dann war da noch die halbleere Weinflasche. Stand sie noch vom Vortag da? Wie gesagt, in Casolaros Blut wurde kein Alkohol gefunden. Die Flasche war offen, man hätte gut herausfinden können, wie lange sie schon geöffnet dort stand, man hätte nach Speichel suchen können und hätte damit vielleicht sogar einen genetischen Fingerabdruck des Täters gewinnen können, sollte er aus ihr getrunken haben. Ganz abgesehen davon, rein psychologisch verstärkte die am Boden stehende, halb geleerte Weinflasche zusammen mit den übrigen Gegenständen noch den Eindruck einer Verzweiflungstat - egal, ob das nun blanker Zufall war oder beabsichtigt. Im Blut von Danny Casolaro fand sich kein Alkohol, dafür aber Spuren von Codein aus Tylenol III und eines Antidepressivums. Hatte der Schriftsteller also doch

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Probleme mit seinem seelischen Gleichgewicht? Trotzdem erscheint der Fund seltsam, und das - schon wieder - aus mehreren Gründen. Vor allem wird ein potentieller Selbstmörder kaum zu Gegenmaßnahmen greifen, oder darf das Argument gelten, daß er sich das Leben nahm, als das Mittel nicht mehr weiterhalf? Tony Casolaro machte allerdings eine weitaus wichtigere Beobachtung. Zwar hatte Danny Casolaros Zahnarzt ihm ein Schmerzmittel namens Vicodin verschrieben, das sich in Form von Hydrocon ebenfalls im Blut des Toten nachweisen ließ, doch weder zu Hause noch im Hotel noch anderswo fand man Rezepte oder die Tablettenschachtel eines Antidepressivum-Präparats. Weitere Untersuchungen sollten möglichst bald vereitelt werden. So gaben die zuständigen Stellen Casolaros sterbliche Überreste in kürzester Zeit frei, der lästige Leichnam wanderte bemerkenswert schnell unter die Erde. Wie berichtet wird, erschienen zur Beerdigung zwei geheimnisvolle Unbekannte. Einer von ihnen soll eine Medaille auf Casolaros Sarg gelegt und salutiert haben, obwohl der Journalist nie dem Militär angehört hatte.

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Kapitel 4

»SELBSTMORD« IM NAMEN DES KRAKEN David gegen Goliath Danny Casolaro wurde ermordet. Die Fakten sprechen für sich. Mehr oder weniger zufällig war er einer immensen Verschwörung auf die Schliche gekommen, die über alles hinausging, was zu erwarten war, als Terry Miller dem umtriebigen Journalisten zum ersten Mal vom Inslaw-Fall erzählte. Was zunächst nach einem Firmenbetrug durch das US-Department of Justice aussah und allein dies wäre bereits ein beachtenswerter Skandal ersten Ranges gewesen -, entpuppte sich bald schon als eine Art Schlüsselloch, durch das ein Blick auf mörderische globale Machenschaften und deren Drahtzieher möglich wurde. PROMIS und seine Erben bildeten ein unvergleichliches Spionagenetz und führten zu jenen düsteren Gestalten, in deren Händen die Fäden von verbrecherischen Aktivitäten im großen Stil, vor allem Drogenhandel und Waffengeschäfte, mit Unterstützung von Geheimdiensten und Regierung zusammenliefen. Die Dimensionen und die Verstrickungen dieser Schattenmacht sind so gewaltig, wie sie noch von keinem Agententhriller erreicht wurden. PROMIS war natürlich nur eine Facette davon und ist längst überholt. Wir werden später noch andere Arme jenes auch von Casolaro als Oktopus bezeichneten Ungeheuers ein wenig ans Tageslicht holen, Tentakel, die sich bis in unsere heutige Gesellschaft hinein erstrecken. Dabei wird sich sogar auch zeigen, daß einige Ergebnisse und Ereignisse um Casolaro noch jetzt, über zehn Jahre nach seinem Tod, eine aktuelle Bedeutung haben. Das große Bild scheint sich sogar gerade bei gleichzeitigem Blick auf einige Details von damals und manche Vorgänge von heute abzurunden. Schon monatelang hatte der amerikanische Journalist Warnungen erhalten, seine Finger aus dem brisanten Spiel zu nehmen.

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Doch der ließ einfach nicht locker. So berichtete William Hamilton, der Inslaw-Chef, daß Casolaro vor hatte, eine spezifische Einrichtung in Washington, D.C., aufzusuchen. Es handele sich um eine geheime Anlage der US-Regierung, die sich unter der Kontrolle des Oktopus befinde und von mehreren seiner Mitglieder geführt werde. Danny war wirklich unvorsichtig. Seine teils stundenlangen Telefonate, bei denen er mit Leuten sprach, die durchaus Insiderwissen besaßen, dürften manch »schlafenden Hund« geweckt haben. Er holte telefonisch auch Erkundigungen über das Syndikat in Los Angeles ein, in dem damaligen Quellen zufolge zumindest ein Führungsmitglied des Kraken zu finden war. Und nun wollte Casolaro auch noch eine streng geheime Installation in Washington aufsuchen, um den Kopf des Oktopus auszuliefern. Konnte er sich nicht denken, daß dieser Kopf viel zu schwer war und ihn wie ein lästiges, winziges Insekt zerquetschen konnte, noch bevor er ihn überhaupt auch nur berührt hatte? Das Ganze glich dem biblischen Kampf zwischen David und Goliath ... Hamilton warnte den offenbar gar nicht mehr zu bremsenden Casolaro, daß allein der Besuch dieser Einrichtung den Tod für ihn bedeuten könne. Ohnehin hatte er sich bereits unentrinnbar in ein Netz verstrickt, über das er niemals einen wirklichen Überblick gewinnen konnte. Woher sollte er denn wissen, wem er trauen konnte und wem nicht? Er kam mit sehr vielen Informanten zusammen. Wie sollte er mit Sicherheit herausfinden, wer ihm die Wahrheit sagte und wer ihn in die Irre führte, wer ihm wohl gesonnen war und wer in Wirklichkeit gegen ihn war? Schnell konnte es geschehen, daß er sich dem Falschen anvertraute, der nur seinen Kontakt suchte, um ihn auszuhorchen. Man spürt durchaus, wenn man sich den Grenzen der Macht nähert, einem roten Bereich auf dem Drehzahlmesser der Information, an dem es untrüglich nach Blut zu riechen beginnt. Und wie ein Raubtier, das im rasenden Lauf der Beute nachstellt, kann es sehr schwer werden, die Begierde so kurz vor dem langersehnten Ziel zu kontrollieren. Der Urtrieb drängt einen weiter, im trügerischen Bewußt-

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sein, schon im nächsten Moment als Sieger aus dem Kampf hervorzugehen. Doch ist es nicht paradox, wenn eine Gazelle auf Löwenjagd geht? Dennoch, allein der Triumph, das Tier aus seinem Versteck getrieben zu haben und damit den Blicken aller preiszugeben, um damit zu warnen, scheint die Bedrohung wert. Nur wenige entkommen aber der Rache. Selbst wirklich gut gemeinte Warnungen aus »informierten Kreisen« sind trotz aller Gefahr meist in den Wind geschrieben, denn sie bedeuten einem investigativen Journalisten doch nichts anderes, als daß er auf der richtigen Spur ist. Immer wieder klingen die Worte in den Ohren - »Wenn du nicht dazu gehörst, dann halte deine Nase da raus. Es reicht, nur einmal dem Falschen die falsche Frage zu stellen, und man weiß nie, wann es soweit ist! Es ist alles gefährlicher, als du denkst!«

Warnzeichen Casolaro war offenbar dem Rausch und der Illusion erlegen, die komplette Wahrheit unbeschadet ans Licht bringen zu können, ohne daß sich sein mächtiger Gegner zur Wehr setzte. Der Enthüllungsautor machte sich nicht einmal die Mühe, seine eigenen Anstrengungen sicherheitshalber möglichst zu verhüllen. Vielleicht hatte er aber auch einfach schon etwas akzeptiert, das offenbar auch eine unvermeidliche Tatsache war: nämlich, daß die »Anderen« selbst bei größter Vorsicht stets mitbekamen, was Casolaro gerade tat, was er in Erfahrung brachte und was er als nächstes plante. Das Umfeld, in dem sich Casolaro bewegte, bestand zu einem Großteil aus wirklich schattenhaften Persönlichkeiten. Eine unter ihnen war ein gewisser Robert Booth Nichols, ein Mann, den Casolaro wegen einer entfernten Ähnlichkeit scherzhaft auch als »Clark Gable« bezeichnete. Nichols erwies sich als Person mit obskurer Vergangenheit, typischer Charakter eines undurchschaubaren Spions. Er war in dubiose Waffengeschäfte verwickelt,

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besaß manche Verbindungen in die Unterwelt und verfügte über Kontakte zur verbrecherischen Familie Gambino und zur Yakuza, der japanischen Mafia, die sich vor allem auch im Zentrum Chicagos fest etabliert hatte. »Clark Gable« vertrat auch die Interessen der arabischen Firma Ali & Fahd, als sie die von Howard Hughes begründete Summa Corporation erwerben wollte. Der dubiose Nichols besaß zahlreiche Kontakte, die sich im CIADunstkreis bewegten, und konnte sich laut Aussagen eines Zeugen als Regierungsagent und Angehöriger des Justizministeriums ausweisen. Casolaro war mit Hilfe der Hamiltons an Nichols geraten. Zunächst erfuhr er herzlich wenig über ihn. Erst zehn Tage vor seinem Tod erzählte ihm Richard Stavin, ein ehemaliger Beamter des Justizministeriums, der dort in einer Abteilung zur Bekämpfung des Organisierten Verbrechens zuständig war, mehr über Robert Booth Nichols. Erst jetzt erfuhr Casolaro von dessen mafiosen Verbindungen. Vielleicht stand Nichols, der sich jenem Zeugen gegenüber als Mitarbeiter des Justizministeriums identifizierte, selbst mitten in den Reihen der dortigen PROMIS-Verschwörer. Alles deutete sowieso darauf hin, daß das Organisierte Verbrechen längst das Justizministerium kontrollierte und nicht umgekehrt. Die betreffende Abteilung dort geriet zur Farce. Nun, Robert »Clark Gable« Nichols äußerte Casolaro gegenüber kurz vor dessen Ende eine sehr deutliche Warnung: »Wenn Sie diese Nachforschungen weiter durchführen, dann werden Sie sterben. « Oder war das eine Drohung? Richard Stavin bedauerte, Casolaro überhaupt vom äußerst »delikaten« Hintergrund der Person Nichols berichtet zu haben, und meinte, das neu erworbene Wissen um dessen MafiaKontakte könne mit zur Ermordung beigetragen haben. Doch ganz offenkundig rührte der Journalist in einer noch heißeren Giftbrühe. Massive Warnzeichen hatte es genug gegeben, und Danny Casolaro war keineswegs der erste, der in der Oktopus-Schlacht auf der Strecke blieb. Er selbst erfuhr von unnatürlichen Todes-

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fällen unter seinen Informanten. Diese schockierenden Ereignisse gingen selbstverständlich nicht spurlos an ihm vorüber und hätten seine Alarmglocken eigentlich genügend kräftig läuten lassen müssen.

Group 13 Wenn Casolaro überhaupt einmal niedergeschlagen und deprimiert war, dann in jenen Stunden, nachdem er vom Mord an seinem Hauptinformanten Alan David Standorf erfahren hatte. Das war im Januar 1991. Standorf hatte Casolaro die größeren Zusammenhänge der PROMIS-Story klar gemacht, beide Männer hatten oft telefoniert und sich auch in Martinsburg getroffen, um Dokumente zu kopieren. Der 34jährige Informant stammte aus Warrenton in Virginia und war als ziviler Mitarbeiter auf Vint Hill Farm tätig, einer streng geheimen Kommandozentrale und Überwachungsanlage der US-Armee unter Führung des technischen Geheimdienstes NSA. Er war dort zuständig für die Kontrolle und Reparatur der elektronischen Systeme. Standorf wurde zum letzten Mal am 2. Januar 1990 lebend gesehen. Seinen Leichnam entdeckte man vier Wochen später im Kofferraum seines Wagens. Das Fahrzeug war am Washington Airport geparkt. Joseph Young von der dortigen Flughafenpolizei bestätigte den grauDie Einfahrt zur Zentrale der National Security Agency, Fort George Meade, Maryland, USA.

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sigen Fund, den eine Wache am 29. Januar gemacht hatte. Der Gerichtsmediziner Stephen Sheehy kam zu dem Ergebnis, daß Standorf um den 4. Januar brutal geprügelt und durch einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf getötet worden sein mußte. Der Informationsfluß zum Tod des NSA-Mitarbeiters war allerdings sehr spärlich. Mehr, als daß Standorfs Überreste unter Gepäckstücken und einigen persönlichen Sachen im Kofferraum seines Wagens verstaut worden waren, ließ sich nicht herausbekommen. Innerhalb weniger Stunden zeigte sich die FlughafenPolizei nicht mehr aussagebereit. Als deren Lieutenant Norman Ford rund sechs Monate später auf den Mord an Casolaro angesprochen wurde sowie darauf, daß eine Verbindung zu Standorf bestanden hatte, stellte er nur noch fest: »Dies ist streng genommen keine polizeiliche Untersuchung mehr. Die Regierung ist ebenfalls involviert.« Und er gab noch zu, daß autorisiertes Personal von FBI und Armee mit Polizeibeamten am Flughafen und in Martinsburg kooperierten. Schon kurz nachdem Casolaro seine Nachforschungen zum Oktopus begonnen hatte, ereignete sich ein anderer bizarrer Mord. Am 31. März 1990 wurde der 28jährige Engländer Jonathan Moyle unter mysteriösen Umständen tot in einem Hotel in Santiago de Chile aufgefunden - es war also wieder einer jener ungewöhnlich häufigen ungeklärten »Hotelmorde«. Moyle, ein ehemaliger Kampfjägerpilot, war mittlerweile Redakteur des Magazins Defense Helicopter World und befand sich in Südamerika, um als Gast an einer Flugshow der chilenischen Luftwaffe teilzunehmen und darüber zu berichten. Ein Zimmermädchen fand Moyle an seinem eigenen T-Shirt hängend in einem Schrank. Über den Kopf des Toten war ein Kissenbezug gestülpt. Den Angehörigen erklärte die chilenische Polizei, Jonathan Moyle sei bei fehlgeschlagenen »auto-erotischen Praktiken« ums Leben gekommen. Und wieder paßten hier einige Dinge überhaupt nicht zusammen. Die Hotelangestellte berichtete, Blut auf dem Bett von Moyle gesehen zu haben, wovon im Polizeibericht »merkwürdigerwei-

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se« nicht die Rede war. Diesem Dokument zufolge stand fest: Tod durch Selbstmord. Anthony Moyle, der Vater, ließ jedoch nicht locker und verlangte weitere Überprüfungen. Nach 17 Monaten wurde die Akte Moyle durch einen chilenischen Richter erneut geöffnet. Wie er erklärte, handelte es sich einwandfrei um Mord. Denn der junge Journalist war laut gerichtsmedizinischer Untersuchung unter Drogen gesetzt und mit einem Kissen erstickt worden. Nicht genug damit, injizierte man ihm auch noch eine tödliche Substanz in die Ferse, bevor er dann wenig dekorativ im Schrank aufgehängt wurde. Die Ermittler fanden deutliche Einstichspuren. Was sich am letzten Märztag 1990 in jenem Hotelzimmer zutrug, war alles andere als ein abnormes Sexspielchen mit Todesfolge. Und der Grund für die massiven Bemühungen, Jonathan Moyle zuverlässig aus der Welt zu schaffen? Nun, erwartungsgemäß läßt sich feststellen, daß der unglückliche Reporter weit weniger ein bizarrer Casanova als eine Art britischer Casolaro war. Denn auch er beschäftigte sich mit Machenschaften einer im Hintergrund operierenden Schattenagenda und Verbrechen im großen Stil. Moyle war illegalen Waffengeschäften auf die Schliche gekommen. Er recherchierte zu einer chilenischen Firma namens Industrias Cardoen. Deren Chef Carlos Cardoen stand in enger Verbindung mit Saddam Hussein und war eifrig damit beschäftigt, zivile US-Helikopter vom Typ Bell Jet Ranger in Kampfhubschrauber umzubauen, um sie an den Irak zu verkaufen. Mit verstrickt in die chilenischen Waffengeschäfte soll Mark Thatcher gewesen sein, Sohn der »Eisernen Lady«, Premierministerin Margaret Thatcher. Was sich hier abspielte, waren Manifestationen von Irakgate, bei denen der Westen eine verdeckte Wiederbewaffnung von Saddam Hussein betrieb. Anthony Moyle ist überzeugt, daß sein Sohn wegen seiner genau in diese Richtung gehenden Nachforschungen sterben mußte, und erwähnt auch zwei telefonische Warnungen, die Jonathan in der Woche vor seinem Tod erhalten hat-

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te. Tatsächlich war der junge Reporter auch in den Cardoen-Kreisen bereits aufgefallen, als er mit Vertretern jener dubiosen chilenischen Firma in Kontakt trat. Im November 1992 wurden drei Vertreter der britischen Maschinenbau-Firma Matrix Churchill verurteilt, militärisch nützliche Güter an den Irak transferiert zu haben, für die ein Ausfuhrverbot bestand. In diesem Zusammenhang wurde klar, daß Großbritannien tatsächlich Technologie über Cardoen an den Irak vermittelt hatte. Offenbar brauchte man einfach nur wieder ein paar Schuldige, eben jene drei Vertreter des Maschinenherstellers, um größeren Schaden von den eigentlichen Drahtziehern abzuwenden und eine reine Weste zu wahren. Meistens schlägt man dann gleich zwei Fliegen mit einer Klappe, indem man sich solcher Personen entledigt oder sie in Mißkredit bringt, die vielleicht ohnehin nur zum Problem werden könnten. Jonathans Vater jedenfalls war überrascht, daß der Name seines Sohnes in den Prozeßakten zu Matrix Churchill wieder auftauchte. Die britische Regierung mußte also selbst weit mehr über den Tod von Jonathan Moyle gewußt haben, als sie zugab. Angeblich soll ein streng geheimes Hinrichtungsteam, eng verbunden mit dem britischen Geheimdienst MI6, für die Ermordung von Moyle verantwortlich zeichnen. Diese sogenannte »Group 13« kooperiert verschiedenen Aussagen zufolge mit seinem amerikanischen Pendant 1-3. Über dieses US-Eliminierungsteam berichtete unter anderen auch der emeritierte amerikanische Harvard-Ökonom Prof. Dr. J. Orlin Grabbe - selbst allerdings eine Persönlichkeit mit leicht dubiosem Flair. Der auf Costa Rica lebende Wissenschaftler befaßte sich mit Finanzskandalen, Drogenoperationen und nicht zuletzt auch dem PROMIS-Fall, wobei die auf seiner Homepage eingestreuten Bilder ziemlich junger nackter Mädchen bei einigen Besuchern für Verwirrung und Aufregung sorgten. Professor Orlin Grabbe, schon als »Doctor Oral and Grab« verhöhnt, erklärte jedenfalls zu 1-3, diese Gruppe operiere aus den Reihen der NSA heraus. Die Existenz eines solchen international agierenden, supergeheimen Tötungskommandos bestätigte gleichfalls

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der ehemalige CIA-Angehörige Gene »Chip« Tatum und sprach vom »Pegasus-Team«. Möglicherweise laufen auch im Fall des Mordes von Jonathan Moyle die Fäden zwischen Waffenhandel und geheimdienstlichen Interessen zusammen. Aus einigen US-Dokumenten, die unter anderem von der CIA stammen, soll hervorgehen, daß jenes Hotel, in dem man Moyle umbrachte, kurz zuvor wiederholt von zwei Männern aufgesucht wurde, die bekannt für ihre Kontakte zum britischen Geheimdienst waren.

Exitus bei Exit 95 Nur rund drei Monate nach dem Mord in Chile kam ein Mann ums Leben, der sogar ein direkter Informant von Danny Casolaro war: Dr. Eric Roskos. Er wurde am Exit nach Imporia auf dem Interstate-Highway 95 überfahren. Dr. Roskos, der schon als Kind eine außergewöhnliche mathematische Begabung zeigte, hatte an der Vanderbilt-Universität promoviert und fand sich danach bald in den Reihen von CIA, NSA und einer der wohl geheimnisvollsten Behörden namens IDA. Hier gab es etwas Verwirrung mit dem Kürzel und gelegentlich war die Rede davon, es handele sich um die International Defense Agency, tatsächlich aber ging es um das Institute for Defense Analysis. Entstanden war es aus dem Project Focus, das die Schaffung einer interessanterweise privaten, unabhängigen Denkfabrik vorsah, welche der NSA bei der Lösung von schwierigen kryptologischen Aufgaben helfen sollte. Mit verwickelt in die Aktivitäten war unter anderem neben der geheimdienstlich stark unterwanderten Stanford-Universität auch die geradezu notorische Princeton-Universität. Innerhalb des IDA entstand darauf als ein »Think Tank« die Communications Research Division, CRD. Seit 1988 arbeitete Roskos dann am National Computer Security Center in der Savage Road auf Fort George Meade, dem Sitz der NSA, und war dort an einem auf drei Jahre ausgelegten

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Die Forschungs- und Entwicklungsabteilung der NSA auf Fort George Meade. Programm mit der Bezeichnung »The Trusix Papers« befaßt. Dabei ging es angeblich um Sicherheitssysteme für große Firmen, doch offenbar bestand die eigentlich Aufgabe darin, über diese geheime Hintertür, wenn sie erst einmal in den Firmencomputern installiert war, in die Systeme einzudringen und sie für die NSA auszuspionieren. Und genau in diesem Umfeld der »Trojanischen Pferde« bewegte sich auch PROMIS. Im Frühjahr 1990 sollte Roskos sich wohl selbst wegrationalisieren. Denn sein Arbeitgeber hatte ein Dokument, das er verfaßt hatte, mit einer ganzen Reihe von Fehlern gespickt und verlangte von dem Wissenschaftler, seine Urheberschaft per Unterschrift dennoch zu bestätigten. Roskos war außer sich. Er war bereits auf einige verdeckte Machenschaften gestoßen und hatte sich wohl dadurch schnell unbeliebt gemacht. Dann ging alles sehr rasch. Dr. Roskos rief am 27. Juni 1990 zu nachtschlafender Zeit - es war etwa gegen zwei Uhr früh - bei seinen Eltern an und erklärte ihnen: »Es ereignen sich seltsame Dinge, und ich werde ihnen auf den Grund gehen. Ich weiß, was ich zu tun habe.«

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Das waren die letzten Worte, die er mit seinen Eltern wechselte. Drei Tage später wurde er tot aufgefunden, wiederum unter mysteriösen Umständen. Man hatte ihn in jener Nacht gänzlich unbekleidet an der Gabelung des Highway umherirren sehen. Gegen halb vier Uhr früh lief er dann dort mitten in ein Auto hinein. Ob das wirklich das war, was er zu tun beabsichtige, bleibt jedoch sehr fraglich. Ein amerikanischer Computerwissenschaftler, der soeben dabei ist, geheime Machenschaften aufzudecken, läuft in aller Herrgottsfrüh nackt über die Autobahn und rennt vor ein Auto - natürlich: klarer Fall von Selbstmord! Dr. Roskos hatte am Vortag als völlig vernünftig wirkender Mensch in das »Comfort Inn« eingecheckt, um dort an einem Meeting teilzunehmen. Merkwürdig, im Hotelzimmer fanden sich keine Unterlagen, nichts, was noch an Roskos erinnerte. Auch seine Kleidung war spurlos verschwunden, die Schuhe fehlten und auch die Brille, ohne die der Forscher beinahe aufgeschmissen war. Hatte er sie verlegt und sich völlig hilflos während der verzweifelten Suche bis auf den Highway verirrt? Wohl kaum ... Als die Eltern das Fahrzeug ihres verstorbenen Sohnes in Virgina abholten und damit nach Hause fahren wollten, gab es ungewöhnliche Geräusche von sich. Eine Überprüfung in der Werkstatt ergab, daß am Vorderrad manipuliert worden sein mußte. Sie meldeten diesen Verdacht umgehend dem FBI und erhielten lediglich die Auskunft, sie sollten dem Bundesstaat Virginia zu ihrer eigenen Sicherheit fern bleiben. Virginia, tatsächlich ein gefährlicher US-Bundesstaat...

Der aufrechte Tote Nicht ganz zwei Jahre nach Casolaros geheimnisvollem Tod schlug die Schattenagenda erneut bei einem Mann zu, der an jenen gefährlichen Nachforschungen anknüpfte und offenbar sogar noch viel weiter zu den Wurzeln des Oktopus vordrang. Als am späten Vormittag des 22. Juni 1993 mehrere Polizeibe-

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amte das Apartment des schon seit einigen Tagen verschwundenen Juristen Paul Wilcher im Nordosten von Washington betraten, machten sie dort eine grausige Entdeckung. Auf der Toilette saß eine bereits verwesende Leiche. Die Polizei wies den Hausverwalter Mason O. Lidell, der die Wohnung mit ihnen zusammen betreten hatte, sofort an, nach draußen zu gehen. Wie er noch beobachtet hatte, war der Computer im Arbeitszimmer an. Auf dem Monitor befand sich ein Text, der offenbar eine brisante Nachricht enthielt, denn sobald die Beamten ihn gelesen hatten, riefen sie das FBJ. Der Raum wurde versiegelt, und rund eine Stunde später schaffte man den Toten weg. Als Lidell später noch einmal Gelegenheit hatte, das Zimmer zu betreten, fielen ihm auf dem Boden und einer Kommode Blutspuren auf, die zuvor noch nicht vorhanden gewesen waren. Man erklärte ihm nur soviel, daß sie während der Maßnahmen, den Körper zu entfernen, dorthin gelangt seien. Erst vier Stunden, nachdem der Leichnam wegtransportiert worden war, trafen die ersten FBI-Agenten ein, mittlerweile hatten auch Journalisten von dem Vorfall erfahren. Sarah McClendon, die prominente Reporterin des Weißen Hauses, versuchte, Zutritt zu dem Apartment zu erhalten, wurde aber abgewiesen. Ebenso ein NBC-Fernsehteam. McClendon selbst hatte die Behörden alarmiert, nachdem ihr die tagelange Abwesenheit ihres guten Bekannten unheimlich geworden war. Bereits 24 Stunden lang hatte sie die Behörden regelrecht beknien müssen, damit man dem Verschwinden Paul Wilchers überhaupt auf den Grund ging. Manche Beobachter waren erstaunt über die Tatsache, daß an jenem Tag wirklich niemand, weder die Medien noch Freunde Paul Wilchers, die Räume betreten durften, die dann aber schon am nächsten Tag für eine Säuberung freigegeben wurden. Vor allem dieser letzte Umstand erscheint seltsam. Man arbeitete offenbar außergewöhnlich schnell, sehr ähnlich wie im Fall Casolaro. Daß eine erstaunliche Übereinstimmung der beiden Fälle nicht so konstruiert ist, wie es bei einer ersten Betrachtung vielleicht noch erscheinen könnte, wird sich bald zeigen.

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Sarah McClendon berichtete, immerhin acht FBI-Agenten am Schauplatz gesehen zu haben, die in zwei Gruppen zu je vier Leuten auftraten. Das FBI hielt sich rund drei Stunden dort auf. Zu den Vertretern der legendären Bundesagenten stieß laut Aussage von Lidell auch noch ein CIA-Mann hinzu, doch Lidell selbst begab sich, wie er sagt, wieder in seine eigene Wohnung und verfolgte die weiteren Vorgänge nicht mehr. Sarah McClendon ließ sich die Ausweise der Agenten zeigen und rief später auch beim FBI an, um sich zu informieren, warum die Bundespolizei sich offenbar so sehr für den Fall interessiere. Special Agent James V. Desarno, der ebenfalls im Apartment erschienen war, erklärte ihr daraufhin: »Wir sind an diesem Fall nicht interessiert«. Das war allerdings schon sehr merkwürdig und geradezu schamlos in Anbetracht dessen, daß es in Wilchers Apartment nur so von FBILeuten wimmelte und darüber hinaus auch noch die CIA einen Agenten geschickt hatte. Paul Wilcher war wohl offensichtlich doch recht bedeutsam. Um ein wenig Licht in die ganze Angelegenheit zu bringen, schrieb Dr. Garby Leon, ein Harvard-Absolvent, Mitarbeiter der kalifornischen Columbia Pictures und Freund von Wilcher, am 14. Juli 1993 einen Brief an die damalige Justizministerin Janet Reno, in dem er eine genaue Untersuchung aller Umstände des Falles Wilcher empfahl und die Parallelen zum Tod von Danny Casolaro betonte. »Ich schreibe Ihnen, da ich den Eindruck habe, der Tod von Paul Wilcher verdient Ihre höchste Aufmerksamkeit und sollte von Ihren vertrauenswürdigsten Beamten im Justizministerium untersucht werden«, so beginnt Leon seine Ausführungen und kommt sehr bald auf den Punkt: »Wenn Kritiker unserer Regierung aus obskuren Gründen tot in ihrem Badezimmer aufgefunden werden und die Regierung selbst keine Schritte unternimmt herauszufinden, warum dies geschah, dann ist unsere Freiheit in Gefahr - ebenso wie alle Bemühungen, diese Freiheit zu schützen. Wenn individuelle Nachforschungen und Kritik an der Regierung eingefroren oder zum Stillschweigen gebracht wird, dann verliert die Demokratie ihren allerwichtigsten Schutz. Um

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es anders auszudrücken: Wenn Danny Casolaros Tod eine wie auch immer geartete Botschaft war, dann ist Wilchers Tod eine noch furchteinflößendere Botschaft - sie legt nämlich nahe, das Casolaros Ableben kein Zufall war. Jeder, der den Drang spürt, die Pfade von Casolaro oder Wilcher weiterzuverfolgen, hat nun einen massiv verstärkten Grund, davor zurückzuschrecken.« In seinem Schreiben listet Leon eine ganze Reihe von seltsamen Details auf, die geradezu nach Verschwörung riechen. Seines Wissens hatte man weder Fingerabdrücke von dem toten Rechtsanwalt genommen noch Röntgenaufnahmen und Analysen des Gebisses gemacht. Nach einer eher oberflächlichen Autopsie wurde der Leichnam bereits eine Woche, nachdem man ihn entdeckt hatte, verbrannt und somit jede weitere kriminalistische Untersuchung verhindert. Wie Sarah McClendon erfuhr, erbrachte jene »vorläufige« Autopsie keinerlei Hinweise auf die Todesursache. Weder gab es medizinische Anzeichen für einen natürlichen Tod noch für Gewalteinwirkung. Wilcher war ein absolut gesunder Mann, noch keine 50 Jahre alt. Ein renommierter Pathologe aus Pennsylvania, den Sarah McClendon zu Rate zog, erklärte ihr, es sei sehr bemerkenswert, daß keine Todesursache ermittelt werden konnte - nach seinen Erfahrungen eine Seltenheit. Die Top-Reporterin erhielt später selbst Gelegenheit, einen Blick auf den Toten zu werfen, doch war sie nicht in der Lage, noch zu erkennen, ob es sich dabei wirklich um ihren Freund Wilcher handelte. Rein theoretisch existierte alles in allem nicht einmal ein Beweis, daß es sich bei dem Mann um den Anwalt handelte. Doch wer sollte es sonst sein? Wilcher tauchte nie wieder auf, und die Themen, mit denen er sich beschäftigte, waren definitiv lebensgefährlich. Zwei Wochen, bevor er zum letzten Mal lebend gesehen wurde, Ende Mai 1993, hatte er seiner guten Bekannten Marion Kindig gegenüber geäußert, ein »Gefahrensignal« geworden zu sein und Attacken auf sein Leben zu befürchten. Alles Einzelheiten und Umstände, die sehr an die letzten Wochen im Leben von Casolaro erinnern.

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Was möglicherweise am deutlichsten dafür spricht, daß Wilcher keines natürlichen Todes starb, wird durch die Fundumstände klar: Der Tote wurde in aufrechter Haltung auf der Toilette sitzend gefunden! Niemand stirbt so, ohne nicht anschließend das Gleichgewicht zu verlieren und auf den Boden zu fallen. Einige Kenner dieses »Un-Falles« haben daher spekuliert, ob Wilcher möglicherweise zunächst an einem Stuhl festgebunden, dann wie auch immer getötet und erst nach Eintreten der Totenstarre an seinen (vor)letzten Ort - oder in diesem Falle eher: Örtchen - verbracht wurde. Tatsächlich scheint es den »Spezialisten« aus dem Umfeld des Oktopus, die derart makabre Morde ausführen, daran zu liegen, immer wieder ein regelrechtes Schauspiel des Schreckens zu inszenieren. Sie scheinen damit sogar immer noch warnende, hintergründige Botschaften vermitteln zu wollen. Wenn ein Journalist beispielsweise eine Persönlichkeit aus dem Kreis der Schattengesellschaft des Drogenmißbrauchs bezichtigt, könnte es passieren, daß er selbst später als Opfer einer Überdosis aufgefunden wird ... Länger als vier Tage dürfte der tote Wilcher sich kaum auf der Toilette befunden haben, denn spätestens nach 96 Stunden löst sich die Totenstarre wieder. Doch die an Zynismus kaum zu überbietende Show verriet letztlich, daß der Washingtoner Anwalt wirklich ermordet wurde - vielleicht, weil er bis in den Tod hinein ein aufrechter Mann war.

Schlafende Hunde weckt man nicht Danny Casolaro und Paul Wilcher hatten noch eine Gemeinsamkeit: Beide machten kurz vor ihrem Tod durch ihr Verhalten massiv auf ihre Arbeit aufmerksam, jeder von ihnen stach noch einmal tief ins Wespennest, besser gesagt, zerrte kräftig an den Tentakeln des Kraken. Casolaro führte stundenlange Telefonate über seine aktuellen Recherchen und Wilcher schwamm offenbar

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nichtsahnend rund drei Wochen vor seinem Tod mitten in die unterseeische Höhle des Ungetüms. Um den 21. Mai 1993 hatte er ein umfangreiches Schriftstück fertiggestellt, einen über lOOseitigen »Brief«. Er enthielt eine Reihe präziser Informationen über großangelegte Vertuschungsaktivitäten der Regierung, ausgeführt von Mitarbeitern des Justizministeriums, die aus der soeben beendeten republikanischen Ära Reagan-Bush nun von der Regierung Clinton übernommen worden waren. Wilcher machte sich mit seinem Dokument auf den Weg, um es der neuen Justizministerin Janet Reno möglichst höchstpersönlich vorzulegen. Sarah McClendon meinte später, er hätte sich fest in den Kopf gesetzt, mit ihr über das Cover-up zu sprechen, obwohl er fast keine Chance haben würde, überhaupt nur in ihre Nähe zu gelangen. Erklärbar war sein Verhalten wohl damit, daß er extrem aufgebracht über all jene verbrecherischen Machenschaften der Regierung war. Natürlich wollten diejenigen, die Janet Reno vor jeglichen unautorisierten Besuchern abzuschotten hatten, genau wissen, worüber Wilcher mit ihr sprechen wollte. Er seinerseits hatte nicht das geringste Vertrauen in diese Beamten, die noch aus der Bush-Regierung stammten und im Amt geblieben waren. Was mit seinem lOOseitigen Enthüllungsbrief schließlich geschah, läßt sich nicht mehr feststellen. 1996 tauchte offenbar genau dieses Schriftstück in Kopie dann bei Tom Burkett und Beth George auf, den Gründern der Organisation Parents Against Corruption and Coverup, PACC. Ihr 21 jähriger Sohn, der undercover für die US-Drogenbehörde gearbeitet hatte, war 1991 ermordet und die Ermittlungen vertuscht worden. Auch dieser Todesfall wurde als Selbstmord bezeichnet. PACC versuchte, das übermittelte Schriftstück zu verifizieren, und zeigte es einer ungenannten Person, die den Inhalt des Originals kannte und seine Entstehung begleitete. Möglicherweise handelte es sich dabei um Sarah McClendon. Vor allem die hochbrisanten Enthüllungen über die sogenannte »October Surprise« (Oktober-Überraschung) enthalten viele verblüffende Details.

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Wilcher berichtete über seinen Zeugen, einen Mann namens Gunther Russbacher, der davon sprach, verfolgt zu werden. Der Grund: Russbacher war der Pilot, der den ehemaligen Präsidenten Bush im Jahr 1980 zu einem Treffen mit führenden Vertretern des Iran nach Paris flog. Dort ging es um einen skrupellosen Handel. Die zu jener Zeit in der amerikanischen Botschaft festgehaltenen 52 US-Geiseln nämlich sollten noch länger festgehalten werden - zumindest bis nach den Wahlen im November, damit der amtierende Präsident Carter nach einer gelungenen Befreiung nicht wiedergewählt werde. Dieser Triumph sollte dem neuen republikanischen Kandidaten Ronald Reagan vorbehalten werden. Mit Waffen und Millionensummen ließ sich der Angelegenheit schon beikommen. Was Wilcher über dieses Geschäft in seinem »Brief« ab Seite 67 schildert, liest sich wie ein sinistrer Agentenkrimi.

Der Wilcher-Brief »Ich habe in meinem endgültigen, auf den 20. Mai 1992 datierenden Brief an den Kongreßabgeordneten Lee Hamilton umfangreich und mit spezifischen Details dargelegt, was sich am Wochenende des 18. und 19. Oktober 1980 auf George Bushs geheimer Reise nach Paris, Frankreich, ereignete, und ich habe den weiteren historischen Kontext geschildert«, so beginnt Paul Wilcher seine Ausführungen. »Mein Klient hier ist Gunther Karl Russbacher, zeitlebens ein verdeckter Operateur des CIA und des Office of Naval Intelligence (ONI) [Marinegeheimdienst], der in den vergangenen 30 beziehungsweise 25 Jahren auf den höchsten Ebenen dieser beiden supergeheimen Organisationen tätig war. Aufgrund seiner extrem hohen Intelligenz, seiner außergewöhnlichen körperlichen Fähigkeiten, seines ausgiebigen Trainings, seiner fließenden Beherrschung von acht Sprachen, seines Könnens als einer der besten CIA-Piloten und Scharfschützen, und nicht zuletzt auch aufgrund der Tatsache, daß sein Vater (zu-

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sammen mit William Casey, >Wild Bill< Donovan und anderen) einer der ursprünglichen Begründer der Central Intelligence Agency im Jahr 1947 war, hat Gunther stets auf den höchsten Stufen dieser >Intelligenceschmutzigsten< Geschäften von CIA und ONIzu erledigen ... Für den Augenblick möchte ich mich jedoch auf ein zentrales Ereignis in Gunthers Karriere konzentrieren - die Tatsache, daß er der CIA-Pilot war, der George Bush und andere (unten aufgelistet) nach Paris flog, genau an jenem Wochenende der >October SurpriseWild Bill< Donovan, Gunthers Vater und anderen aus den Reihen der CIA; später wurde er Reagans (eigentlich Bushs) Director of Central Intelligence und starb an einer mysteriösen Gehirnblutung; #3) Donald Gregg, seinerzeit Vorsitzender des CIADisziplinarausschußes und später Präsident Bushs Botschafter in Südkorea;

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#4) Robert Gates, einer der Überwacher des geheimen CIAKrieges in Laos (während der Vietnam-Ära), als Gunther während seiner Rettungsversuche anderer POWs [Prisoners of War; Kriegsgefangener] in Laos gefangen genommen und selbst zum Häftling wurde ... Gates wurde später Bushs CIA-Direktor; #5) Robert McFarlane, damals ein Hauptberater von Senator John Tower im Armed Services Committee des Senats. Später war er Reagans Berater zur nationalen Sicherheit; #6) Robert Allen, Reagans erster Berater zur nationalen Sicherheit; #7) Earl Brian, bereits über lange Zeit hinweg ein verdeckter CIA-Agent, der zusammen mit Michael Riconosciuto (der unter Gunther arbeitete) half, die 40-Millionen-Dollar-Bestechung zu finanzieren, mit der Bush die Iraner in Paris bezahlte. Brian wurde als Belohnung für seine Anstrengungen auch erlaubt, Inslaws PROMIS-Software zu stehlen und sie (mit Hilfe von Riconosciuto) abzuwandeln, sie zu verbreiten, als wenn es sich um seine eigene Entwicklung handelte, und die meisten dieser illegalen Profite in die eigene Tasche zu stecken, obwohl sie rechtmäßig William und Nancy Hamilton gehörten, den Eignern der Inslaw Corporation; #8) Jennifer Fitzgerald, wie es heißt eine von Bushs LangzeitBuhlschaften; #9) Alan Michael May, ein Jurist, der Berichten zufolge in geheime CIA-Geldtransfers verwickelt war (zusammen mit Michael Riconosciuto) sowie in den Diebstahl großer Vermögenswerte aus dem Konkurs-Gericht in San Francisco. Er wurde ermordet; #10) Kongreßabgeordneter Daniel Rostenkowski (Demokraten Illinois), Vorsitzender im »Mittel-und-Wege-Komitee«; #11) Kongreßabgeordneter Dan Burton (Republikaner Indiana). Er war zu jener Zeit der einzige aus dem Kongreß stammende Berater, der aber seitdem aus eigenem Recht in den Kongreß gewählt wurde; #12) Senator Robert Byrd (Demokraten West Virginia), der Senatspräsident auf Zeit, der vor nicht langer Zeit versuchte, viele der CIA-Büros und -Funktionen aus dem Vorstadt-Virginia in sei-

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nen eigenen Heimat-Bundesstaat West Virginia zu verlegen. Senator Byrd wurde dokumentiert, wie er auf Senatsboden den Verrat der >October Surprise< in der schärfsten je vernommenen Sprache anprangerte. Doch scheinheiligerweise war er selbst eine der Schlüsselfiguren des ursprünglichen Verrats und war auch einer der Hauptbeteiligten hinter dem eisenharten Cover-up im Kongreß, das bis zum gegenwärtigen Moment fortbesteht. Hinzu kommt, daß Senator Byrds leitende Mitarbeiterin Barbara Viedenieks die Frau von Peter Videnieks ist, eines CIA-Agenten, der (zusammen mit Earl Brian, Edwin Meese und anderen) einer der Hauptmotoren im >PROMISOctober Surprise< und >Inslaw< dem Richterschafts-Komitee vorlege, werde er wegen falscher Beschuldigungen verhaftet und lebenslang aus dem Verkehr gezogen, außerdem würden er und seine Frau ihre Kinder (aus früherer Ehe) verlieren - all dies wurde nun auf Videnieks' Anweisungen in unversöhnlicher Vergeltung ausgeführt, um Rico-nosciuto für seine Aktivitäten als Whistle-Blower zu bestrafen. #13) Senator John Tower (Republikaner Texas), damals im >Armed Services-Committee< des Senats und später dessen Vorsitzender, saß auch der betrügerischen Untersuchung der >TowerCommission< vor, welche die Irangate- und Contragate-Skandale vertuschte. Senator Tower wurde später ermordet, indem man sein Privatflugzeug am Himmel sprengte. Tower war gerade im Land unterwegs, um sein neues Buch zu publizieren. Wie es heißt, mußte er sterben, weil er Freunde wissen ließ, daß er das Abschlußkapitel des Buches ändern wollte, um darin die wahren Fakten über die Verwicklung von Präsident Bush und anderen in die >October Surprise< und den Iran-Contra-Skandal zu enthüllen. #14) Senator John Heinz (Republikaner Philadelphia)-er wurde später ebenfalls ermordet, um ihn zum Schweigen zu bringen,

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wiederum, da er drohte preiszugeben, was er über die Involvierung von Präsident Bush in die >October Surprise< und andere Skandale wußte. Genau wie bei Senator Tower kam Heinz zu Tode, als sein Flugzeug am Himmel zerrissen wurde. Medienberichte vermeldeten damals, das Flugzeug des Senators sei mit einem Helikopterkollidiert. Was jedoch tatsächlich geschah: Der Hubschrauber feuerte eine Missile auf das Flugzeug von Heinz, was zur Explosion führte. Da der Helikopter-Pilot aber unerfahren war und nicht rechtzeitig ausstieg, fielen die Explosionstrümmer des Flugzeugs auf den Hubschrauber und verursachten auch dessen Crash. #15) Andere prominente Kongreß-Mitglieder, die Gunther noch nicht identifiziert hat. Er wird diese Personen jedoch nennen, sobald er volle Immunität und Schutz für sich und seine Familie erhalten hat (sowie die verbleibenden 15 verdeckten Agenten, die ebenfalls aussagen möchten, wenn sie Immunität und Schutz ihrer Familien erhalten). #16) Etwa fünf (5) Agenten des Secret Service. Es ist interessant, daß der Secret Service es nicht vermag (oder korrekter, nicht willens ist), Rechenschaft darüber abzugeben, wo Mr. Bush und diese Agenten sich während dieser so genannten 16- bis 18-Stunden-Periode aufhielten. George Bush und seine Sprecher haben nicht weniger als sechs oder sieben verschiedene und sich widersprechende Erklärungen darüber abgegeben, wo er sich befand und was er tat. Anscheinend führte der Secret Service doppelt oder sogar dreifach Buch für diesen Zeitraum, da bisher verschiedene Secret-Service-Dokumente aufgetaucht sind, die Bush am selben Datum und zur selben Zeit während dieser >missing period< an drei unterschiedlichen Orten ausweisen. #17) Weitere Personen - darunter Gunther selbst sowie sein Cousin und Co-Pilot Richard Brenneke, außerdem etwa fünf andere Mitglieder von Gunthers geheimem Navy-Seal s-Team? (die Gunther ebenfalls nicht kenntlich machen wird, bis ihm wie auch ihnen die Immunität vor Strafverfolgung gewährt ist, ebenso ihr und ihrer Familien Schutz).

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b) Auf

diesem Flug befanden sich insgesamt 25 bis 30 Perso-

nen ... c) Der Flug verließ die Andrews Air Force Base nahe Washington, D.C. (Abflug gegen 7.00 Uhr Ortszeit, am Samstag, dem 18. Oktober 1980) und landete am LeBourget-Flughafen in Paris, Frankreich (gegen 9.40 früh nach europäischer Zeit, am Sonntag, dem 19. Oktober 1980). d) Gunthers enger Freund und verdeckter CIA-Mitarbeiter Heinrich Ruppflog eine Grumman Gulfstream-Maschine, die sich über der amerikanischen Seite des Atlantik zu Gunthers BAC-111 hinzugesellte und dann mit ihr in enger Formation über den Atlantik flog. Gunther schaltete seinen Transponder aus, so daß das Bodenradar nur Rupps Flugzeug erfassen konnte - alles, um die >plausible Leugbarkeit< schützen zu können, daß die BAC111 (und damit George Bush sowie alle anderen dieser Tour) diesen geheimen Trip nach Paris vermutlich nie unternommen hatten. e) Sobald das Flugzeug auf dem LeBourget-Airport gelandet war, stieß am abgelegenen Ende der Rollbahn (in einiger Distanz vom Tower, der Ankunftshalle und jedem, der etwas hätte beobachten können) ein Konvoi von Limousinen der iranischen und amerikanischen Botschaften dazu. f) Bush und seine Begleitung teilten sich in kleine >Unterkomitees< auf, und jedes von ihnen wurde in getrennten Limousinen zu einem anderen Hotel in der Innenstadt von Paris gebracht, wo sie ihre iranischen Pendants trafen. g) Später, nachdem der gesamte Rest der Gruppe von den Iranern abgeholt worden war, wurden Gunther, Brenneke und ein US-Luftwaffen-Major, der die dritte Person im Cockpit war, mit einer Limousine der amerikanischen Botschaft zu ihrem eigenen Hotel gefahren. h) Gunther wartete dann mehrere Stunden in seinem Hotelzimmer und verfolgte über Funk die Verhandlungen, wie sie in einem anderen Hotel von Bush und Casey mit den Iranern geführt wurden. i) Der Kern dieser Absprachen und das eigentliche Geschäft

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war, daß Bush und Casey den Iranern 40 Millionen US-Dollar bar zahlten (anfänglich sollten es 62 Millionen sein, doch mit der Zeit griffen viele der Amerikaner in die Kasse, so daß schließlich nur noch 35 Millionen für die Iraner übrig waren), grundsätzlich als Bestechungsgeld, dazu das Versprechen von weiteren fünf Millionen Dollar an illegalen Waffenverkäufen und Ersatzteilen, mit sofortiger Wirkung. (Tatsächlich wurden illegale Waffen und Teile vom mehrfachen Wert dieses Betrages von den USA während des Iran-Irak-Krieges an die Iraner verkauft und ausgehändigt), im Austausch mit der Einwilligung der Iraner, die 52 amerikanischen Geiseln, die am 4. November 1979 in Teheran gefangen genommen wurden, NICHT [Hervorhebung durch Wilcher, Anm. d. V. ] vor der US-Präsidentschaftswahl am 4. November 1980 freizulassen - um die Demütigung und Niederlage des damals amtierenden Präsidenten Jimmy Carter sowie den Sieg von Ronald Reagan und George Bush zu gewährleisten.« Soweit Paul Wilchers Enthüllungsbericht, wie er auf den Seiten 67 bis 71 seines Briefes an Janet Reno zu finden ist. Der Jurist aus Washington war überzeugt, daß die neue Regierung eine weiße Weste hatte und nichts von den mörderischen Machenschaften der Reagan-Bush-Administration wußte. Er unterschätzte allerdings die »Überparteilichkeit« des Oktopus. Deutlich wird diese über alle Grenzen hinausgehende Verknüpfung nicht zuletzt in Form des Council on Foreign Relations, das mit seiner pluralistischen Einstellung in Wirklichkeit nichts anderes als eine global ausgedehnte Machtposition verbindet. Nicht umsonst findet man auf dem Logo des CFR-Magazins Foreign Affairs das lateinische Wort »ubique« - man ist eben »überall«!

Korrupte Gerichtsmediziner Die Verschwörungen und Vertuschungen setzten sich in gleicher Weise auch nach dem Regierungswechsel fort. Und als Paul

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Wilcher die heiligen Hallen des Justizministeriums betrat, war ihm offenbar doch nicht klar, wie weit die Arme des Kraken reichten. Janet Reno jedenfalls war sicherlich nicht die geeignete Ansprechpartnerin. Unter ihrer acht Jahre währenden Amtszeit brachen lose Zeiten in der Gerichtsbarkeit an. Bestechung und Drogenhandel nahmen noch zu. Reno wurde von Gore Vidal, einem Verwandten des Vize-Präsidenten Al Gore, auch bezichtigt, für das Waco-Massaker vom 19. April 1993 verantwortlich gewesen zu sein. Sie habe das »größte Massaker unter Amerikanern seit Wounded Knee«. ausgelöst. Doch das ist eine andere Geschichte. Daß sämtliche Anstrengungen in Richtung DoJ in eine manchmal sogar tödliche Sackgasse führen mußten, zeigte sich bald. Auch das Schreiben, das Garby Leon an Janet Reno richtete, um eine genaue Untersuchung des Todes seines Freundes Paul Wilcher zu erwirken, führte nicht zur erwünschten Resonanz. Der Leichnam wurde eiligst verbrannt, der Fall hingegen schnell eingefroren. Welche Pfade wären überhaupt noch verfolgbar gewesen? Leon erwähnte in seinem Schreiben die Wichtigkeit zusätzlicher medizinischer Analysen und daß Wilchers Körperflüssigkeiten zu einer Analyse an das Armed Forces Institute of Pathology am Walter-Reed-Hospital gesandt worden waren. Wie er erklärte, stieß man dort auf keinerlei Hinweise auf die Todesursache des unglücklichen Juristen. »Offenbar befindet sich Gerichtsmediziner Dr. Kim immer noch im Besitz von Wilchers Herz«, so schrieb Garby Leon an Reno. Was damit letztlich geschah, erhellte sich nicht, allerdings wurde das Organ nie zu weiteren Untersuchungen herausgerückt. Sarah McClendon versuchte, die zuständige leitende Gerichtsmedizinerin Dr. Joyce Carter zur Herausgabe dieses Beweismittels zu bewegen. Ebenfalls ohne jeden Erfolg. Joyce Carter geriet Jahre später in die Schlagzeilen: 1997 ging Dr. Elizabeth Johnson, eine Mitarbeiterin des Instituts, vor Gericht und an die Öffentlichkeit. Dr. Carter hatte sie entlassen, weil Dr. Johnson sich weigerte, Beweise zu fälschen. Sie berichtete von illegalen Vorgängen, Cover-ups und Sabotage in der Gerichtsmedizin. Bis zum Jahr 2001 hatten sich die Beweise gegen

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Dr. Carter so angehäuft, daß die korrupte Medizinerin ihren Job verlor. Wer ungeschickt operiert oder enttarnt wird, ist natürlich auch für den Oktopus wertlos. Ersatz gibt es ohnehin genug. Die aktuelleren Entwicklungen um die Person Dr. Joyce Carter zeigen jedenfalls, daß Wilchers Herz nicht unbedingt in die Obhut ehrbarer Leute gelangt war. Der Fall Paul Wilcher ist zu den Akten gelegt und zur Zufriedenheit der verschwörerischen Zirkel jeder Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit völlig entrückt. Wilchers Überreste landeten in jener staubigen, düsteren und riesigen Gruft, in der sie alle liegen - die kleinen Verrückten, die glaubten, den Moloch vernichten zu können. Obwohl Wilchers Tod nie aufgeklärt werden konnte, zeichnen sämtliche Umstände doch ein klares, logisches Bild der Hintergründe.

Gefährliche Spuren Casolaro und Wilcher mußten beide sterben, weil sie zu viele Pfade zu den einzelnen Armen des Kraken verfolgten und dabei auch noch laut ausposaunten, was sie gerade taten. Vor allem Tony Casolaro ließ keinerlei Spur aus, die in Richtung der kleinen, hochgefährlichen Machtgruppe wies. Später stellte der Reporter Harry V. Martin vom Napa Sentinel eine Liste zusammen, welche die wesentlichen Themen aufführt, mit denen sich Casolaro während seiner Nachforschungen befaßte. Da waren beispielsweise die CIA-Operationen auf autarkem Indianerterritorium - hier betrieb »man« undercover Waffenproduktion und -Schmuggel, Drogengeschäfte, Herstellung biologischer und chemischer Kampfstoffe, Schmuggel mit Edelmetallen. Casolaro richtete sein Augenmerk dabei auf die PapagoIndianer in New Mexico, die Menominee-Indianer und die Cabazon. Von letzteren wird noch ausführlicher die Rede sein. Casolaro verfolgte natürlich den PROMIS-Skandal und einzelne Namen wesentlich Beteiligter, die immer wieder auftauchten, darunter fast schon selbstverständlich Peter Videnieks und

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Earl Brian. Casolaro spürte auch dem Tod des Journalisten Don Boyles nach, der Jahre zuvor bei der Explosion seines Autos in Arizona ums Leben gekommen war, und sprach mit Alan Michael May, der auf dem geheimen Flug nach Paris dabei gewesen war. Später berichtete der Napa Sentinel über die Verbindung Mays zur October Surprise, vier Tage danach starb May. Zuerst hieß es, er sei einer Herzattacke erlegen, dann war die Rede davon, daß in seinem Blut polypharmazeutische Substanzen gefunden wurden, wie sie als natürliche Drogen in der indischen Medizin verwendet werden. Die Liste der Themen, mit denen sich Casolaro auseinandersetzte, war noch sehr lang. Er befaßte sich beispielsweise mit der Geschichte psychedelischer Drogen, mit dem menschlichen Genomprojekt, mit gewaltigen Bankskandalen, mit dem Sicherheitskonzern Wackenhut, mit der geheimnisumwitterten Militäranlage Area 51 in Nevada, mit betrügerischen Aktionen im Hughes-Konzern, mit Goldschmuggel in Vietnam, den Drogenkönigen des Goldenen Dreiecks und anderen wirklich heißen Geschichten. Nach Dannys Tod gingen andere diesen Spuren nach, die immer wieder zu den Oktopus-Verschwörern führten. Im Jahr 1996 brachten die beiden Autoren Kenneth Thomas und Jim Keith das Buch »The Octopus« heraus, das mittlerweile nicht mehr erhältlich ist und die Wege des in Martinsburg ermordeten Journalisten Unmarkierter Helikopter über dem Dugway-Testgelände, USA, mit seinen Labors zu Experimenten mit chemischen und biologischen Kampfstoffe.

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verfolgt. Thomas und Keith hatten auch eigene, weiterführende Nachforschungen zum Oktopus durchgeführt. 1999 kam dann Jim Keith auf wiederum zumindest merkwürdige Art und Weise ums Leben. Er war bereits seit langem hinter der ultimativen Regierungsverschwörung her und wurde wie viele andere auch in ein verwirrendes Reich aus Information und Desinformation hineingezogen. Ein Buch widmete er der »Streitkraft für die Neue Weltordnung«, den Sichtungen und Aktivitäten der mysteriösen Schwarzen Helikopter, wie sie in den gesamten Vereinigten Staaten immer wieder gesehen wurden. Diese dunklen, unmarkierten Hubschrauber stehen in Verbindung mit ultrageheimen Operationen. Wie gesagt, das Thema füllt ein eigenes Buch. Keith war mit einigen Aussagen sicherlich zu weit gegangen, auch ließen sich die Quellen nicht immer leicht verifizieren, doch enthielt sein Buch eine Menge Wahrheiten. Keith verfolgte ähnlich wie Casolaro die Schattenregierung und die Vorbereitung einer Neuen Weltordnung. Anfang September 1999 nahm Keith an einer ziemlich ausgefallenen Party in Nevada teil. Dort fand in der Black-Rock-Wüste ein Kunstfestival statt. Keith fiel von der Bühne und erlitt einen Knochenbruch am Bein. Man brachte ihn ins Washoe County Medical Center in Reno, Nevada, und unterzog ihn dort einer Routineoperation. Jim Keith überlebte diesen Klinik-Aufenthalt nicht. Ein Blutgerinnsel soll zum Tod geführt haben. Selbstverständlich birgt jeder chirurgische Eingriff ein gewisses Risiko. Doch ist es schon merkwürdig, daß so viele Autoren, die sich im Umfeld des Oktopus bewegen, eines unnatürlichen Todes sterben. Es sind in der Tat zu viele, um das Schlagwort »Zufall« noch gelten zu lassen. Einige würden in diesem Zusammenhang vielleicht von einer merkwürdigen »Resonanz« sprechen, was allerdings sehr vorsichtig ausgedrückt wäre. Ken Thomas ist überzeugt, daß sein Freund und Kollege Keith im Kra(n)kenhaus starb, weil er sterben sollte, und bemüht sich seitdem darum, die wahren Hintergründe dieses tragischen Vorfalls zu ergründen. Er will herausbekommen, ob auch sein Co-

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Autor ein Opfer des Oktopus wurde. Jim Keith wurde 49 Jahre alt, also genau wie Paul Wilcher. Als Kenner der Verschwörungsmaterie meinte der Autor einmal prophetisch: »Alle Verschwörungs-Autoren müssen unter mysteriösen Umständen sterben« und nannte diese Feststellung kurz und bündig »Keiths Gesetz«. Sein eigenes Schicksal stellte dieses Gesetz erneut unter Beweis. Ken Thomas und Jim Keith hatten bei ihren Recherchen auch herausgefunden, daß der Krake in seiner ursprünglichen personellen Konfiguration schon viel länger existiert, als wohl selbst Casolaro bei seinen Forschungen angenommen hatte. Schon während des Zweiten Weltkrieges tauchen einige Mitglieder der zentralen Gruppe gewissermaßen in erster Formation auf. Damals betrieb das Office of Strategie Services (OSS) eine Abteilung namens Detachment 202 in China. Mit dabei sind bekannte Namen wie E. Howard Hunt, Richard Helms und Ray S. Cline. Ebenfalls mit von der Partie war General Mitchell Livingston WerBell III, »Antiterrorismus«-Trainer in Powder Springs, Georgia, ein Mann mit CIA-Hintergrund sowie internationaler Drogenhändler. CIA und Drogen, eine alte Ehe, gewissermaßen Goldene Hochzeit im Goldenen Dreieck! Unter OSS-Leuten von damals befand sich auch Major General John Singlaub, der später zusammen mit William Colby die Hinrichtungsaktion »Operation Phoenix« in Vietnam anführte. Nur zur Erinnerung, Colby war jener CIA-Chef, der einen nächtlichen und wohl nicht ganz freiwilligen Bootsausflug am Potomac im Jahr 1996 mit dem Leben bezahlte. Nach den ersten Begegnungen des »Dreamteams« gab es bald genügend Anlässe für häufige Zusammenarbeit auf weltweitem Parkett. Mit der Albanienaktion versuchte die geheime Gruppe die Abkopplung eines Landes des sowjetischen Blocks von Moskau. Die Wurzeln des Oktopus schienen in antikommunistischen Unternehmungen zu liegen, durchgeführt von OSS-Leuten und CIA-Männern der »ersten Stunde«. Sie sahen sich bald in einer immens vorteilhaften Position, was unter anderem ihrem weltweiten Aktionsradius zu verdanken war, und hatten überall dort

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ihre Finger im Spiel, wo durch verschwörerisches, geheimes Handeln wirklich große Profite zu machen waren. Ihre Machtposition wuchs sich ins Unheimliche aus. Hinrichtungsaktionen, internationaler Waffen- und Drogenhandel, Bankenkontrolle, das Ölgeschäft und die mit allem verbundene massive Kontrolle von Regierungen ließ sie selbst unkontrollierbar werden. Der Krake samt ausführender Organe konnte seine Tentakel einfach nicht von der Macht lassen und werkelte insgeheim am Staatsstreich in Guatemala 1954 oder auch an vielen Entwicklungen in Kuba.

Die »Schwarze Rose« Bis 1959 liefen über die Antilleninsel gewaltige Drogengeschäfte ab, bei denen Mafia und CIA sich gegenseitig die Hände rieben. Immerhin hatte man sich seit »Operation Underworld« 1936 recht gut verstanden. Auch der berühmte General George S. Patton, Kommandant der Seventh Army, profitierte von der Mafia, als deren sizilianischer Boss Calogero Vizzini ihm den Weg aufs italienische Eiland freihielt. Wie auch immer, am 1. Januar 1959 änderte sich die Situation auf Kuba mit der Machtübernahme durch Fidel Castro, der zunächst keine kommunistische Gesinnung zeigte, allerdings absolut gegen die USA eingestellt war. Unter anderem Theodore Shackley und Thomas Clines, zwei Angehörige der Schattenregierung, arbeiteten an Aktionen gegen Kuba. Casolaro sowie Thomas und Keith zeigten sich auch überzeugt, daß der Oktopus die Kraft hinter dem Mord an John F. John F. Kennedy, hier mit Nikita Kennedy war. Sie stelChruschtschow

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len die Frage, warum sich ausgerechnet die Adresse des späteren CIA-Chefs und US-Präsidenten George Bush im Telefonbuch des als Kontroll-Agent auf Lee Harvey Oswald angesetzten CIA-Mannes George DeMohrenschild befand. Den beiden Autoren zufolge nehmen George Bush, Sr., E. Howard Hunt und Richard Helms - alle drei Mitglieder des Oktopus - auch eine Schlüsselposition bei der Ermordung von JFK ein. Schon lange kursierten Gerüchte über eine CIA-Beteiligung am Mord vom 23. November 1963. Denn Kennedy versprach nach der CIA-Geheimaktion zur Invasion Kubas, die im April 1961 in der »Schweinebucht« scheiterte, die Central Intelligence Agency in tausend Stücke aufzulösen und in alle Winde zu zerstreuen. Das paßte den Herrschaften natürlich gar nicht. Insofern hatten sie allein deshalb durchaus ein Motiv.

Präsident Kennedy in Dallas. Die letzten Augenblicke, bevor die tödlichen Schüsse fielen. 1975 brachte der Aktivist Dick Gregory diesen Zusammenhang noch einmal ins Spiel und sorgte für Aufsehen, als er erklärte, es gebe Fotos, die zwei Watergate-Verschwörer und ehemalige CIAAgenten kurz nach dem Attentat in unmittelbarer Nähe zeigten: E. Howard Hunt und Frank Sturgis.

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US-Präsident Gerald Ford setzte ein eigenes Komitee zur Untersuchung der CIA-Inlandaktivitäten ein, allerdings war auch dieses Komitee nichts als Augenwischerei. Der Gruppe stand der damalige Vize-Präsident Nelson Rockefeller vor, und bald wurde sie als die »Rockefeller-Kommission« bekannt. Sie kam letztlich zu dem Ergebnis, daß keine glaubwürdigen Beweise gefunden worden seien, welche die CIA oder irgendjemand anderen außer Lee Harvey Oswald mit der Ermordung Kennedys in Verbindung hätten bringen können. Währenddessen agierte der Oktopus global weiter und war überall präsent, wo es um Macht, Geld, Drogen, Waffen etc. ging. Ein dubioses, anonymes und nicht als Beweismittel gültiges Schriftstück, das als »Com-12-Briefing« bekannt wurde, nennt eine Organisation der »Schwarzen Rose«, die mit Hilfe von Drogengeldern eine »Schwarze Weltregierung« betreibt. Ganz fern der Wahrheit ist diese Darstellung dennoch wohl nicht. Zumindest diesem ungewöhnlichen Papier zufolge soll niemand anderes als George H. W. Bush, Mitbegründer des geheimen Zirkels sein. Com-12 kommt auch auf Casolaro zu sprechen, der mit seinem plötzlichen Interesse am Schicksal von Pan-Am-Flug 103 einen von vielen Fehlern gemacht habe, die schließlich für ihn tödlich enden mußten. Pan Am 103 ist besser bekannt als der Anschlag über Lockerbie, Schottland. In dem anonymen Bericht heißt es: »An Bord dieses Fluges getötet wurden neben vielen anderen Ron Laviviere, Bill Leyere und Dan Q'Connor - alle-

Mußten Unschuldige auch an Bord von Pan Am 103 wegen CIA-Machenschaften sterben?

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samt CIA-Operateure der Station Beirut. Ebenfalls getötet wurde Matthew Gannon, Stationschef der CIA im Büro von Beirut... Verantwortlicher Einsatzleiter des Teams war ein Nachrichtenoffizier der US-Armee mit Namen Charles McKee, einer der auch bei den Antiterror-Maßnahmen im Mittleren Osten Verantwortlichen. Ein Teil der Informationen, die zusammen mit den nun verstorbenen Personen [auf dem] Flug transportiert wurden, war Material, das hätte benutzt werden können, um >Das Unternehmern zu vernichten. Eingeschlossen darin war die Verbindung zum syrischen Drogenschmuggel-Ring und zu einem Mann mit Namen Manozar Al-Kassar. Kassar war tief verstrickt in den Deal >Drogen und Waffen für Geiseln< mit Secord, North, Pointdexter, Hakim und all den anderen der Black Rose Group.« Mit anderen Worten: Da jede Facette der gigantischen Verschwörung, mit der sich Casolaro auseinandersetzte, auch mit der gefährlichen Insider-Gruppe zu tun hatte, gab es entsprechend viele Gründe, ihn aus der Welt zu schaffen. All die Geschichten um weltweite Drogengeschäfte führten auch zu der unvergleichlichen BCCI-Bank, der Bank of Credit and Commerce International. Sie war gewissermaßen die Sparkasse des Oktopus, eine internationale Geldwaschanlage, in der jeder Großverbrecher ein Konto hatte. Die in pakistanischem Besitz befindliche BCCI fungierte als Kreditinstitut für Regierungen, die geheime Waffengeschäfte tätigten, und kannte keine Grenzen, weder moralisch noch geographisch. Als dieses mächtige Gebilde genau in Casolaros Todesjahr aufflog, 1991 also, schlossen rund 400 Filialen in 62 Ländern. Der kleine Vorgänger der BCCI war die australische Nugan Hand Bank, und ganz zufälligerweise stoßen wir hier wieder auf den Toten aus dem Potomac - CIA-Chef William Colby, der ausgerechnet zum Beraterstab von Nugan gehörte. Bei genauem Hinsehen ist in der Welt der Macht, des Geldes und der Verbrechen tatsächlich alles miteinander verknüpft. Colby beispielsweise war auch Generaldirektor der Household Bank. Und als deren Eigner wiederum erweist sich ein ganz eigener Staat: der Vatikan. Von

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hier aus öffnet sich bereits wieder ein eigenes Netzwerk der Verschwörungen, in das sich in erster Linie der »Bankier Gottes« verstrickte, Roberto Calvi, der am 18. Juni 1982 in London ermordet wurde. Auch sein Tod war angeblich Selbstmord, doch ist das schwer zu glauben, denn man fand den in alle möglichen geheimen Aktionen verwickelten Bankier unter einer ThemseBrücke hängend, die Beine ins Wasser getaucht. In Hose und Jacke fanden sich fünf Kilogram Steine. Schon ohne sie hätte der 120 Kilogramm schwere Mann nie das Gerüst unter der Brücke erreichen können. Außerdem hätte Calvi beim Sprung ins Wasser einen Weg von 1,5 Metern zurücklegen müssen, bevor das Seil sich spannte. Bei dieser Fallstrecke erfolgt die Abbremsung bereits so wuchtig, daß im Halsbereich schwerste Verletzungen auftreten müßten, was bei Calvi nicht der Fall war. Nun, die Selbstmorde haben es bei genauer Betrachtung meistens ganz schön in sich! Die Untersuchung des Falles Calvi enthüllte unfaßbare Machenschaften und eine Kooperation zwischen Vatikan und Mafia. Wir sehen immer wieder, nichts ist unmöglich! Bei vielen Eskapaden des Oktopus spielen geheime Drogenoperationen eine wesentliche Rolle. Auch Colby hatte über die heroinanbauenden Hmong-Guerilleros in Asien eng mit Drogenabwicklungen zu tun. Er hätte auch hierzu möglicherweise CIAKronjuwelen verraten können. Das Jahr 1996, in dem Colby umgebracht wurde, erlebte zufälligerweise auch den Höhepunkt der so genannten AndreucettiAffäre. Sie war wieder ein deutliches Beispiel für die Kooperation von Justizbehörden mit der Unterwelt. Um eine komplizierte Sache einigermaßen kurz zu machen: 1980 entstanden vier große Apartment-Gebäude in Addison, einer westlichen Vorstadt von Chicago, Illinois. In jenem als »Kingspoint Condominiums« bekannten Komplex tummelte sich bald das Organisierte Verbrechen, hier wurden Drogengeschäfte und Geldwäsche in großem Stil abgezogen. Der Sumpf war perfekt in seiner ganzen Undurchschaubarkeit, vor allem, als das FBI von Chicago dem berichteten Drogenumschlag im Bereich um Kingspoint absolute Immu-

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nität gewährte. Der Eigentümer jenes Sündenpfuhls, Joseph Andreucetti, war von Banken mächtig übers Ohr gehauen worden und legte Forderungen in Höhe von rund 50 Millionen Dollar vor. 1983 stellte eine Bundes-Ausgleichsbehörde 58,4 Millionen Dollar als Ausgleich in die Household-Bank, deren Chef William Colby war. 1988 verschwanden dann plötzlich exakt 50 Millionen Dollar spurlos, fast genau wie acht Jahre später der in das düstere Netzwerk tief verwickelte William Colby, um allerdings bald wieder im Dunstkreis des Kraken aufzutauchen ...

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Kapitel 5

FLUCHTPUNKT ARKANSAS Eine verborgene Agenda »Es waren unsere besten und tapfersten Männer. Und hier ist, was ich wissen möchte: Wer nur konnte diese Männer davon überzeugen, daß das, was sie taten, im Interessen unseres Landes sei? Welche gültigen Gründe könnte es für den Sicherheitsapparat unseres Landes geben, in die Drogenindustrie involviert zu sein?« Der amerikanische Journalist und NBC-Produzent Daniel Hopsicker, der diese Fragen stellte, war wie die meisten Rechercheure mehr oder minder zufällig in das unglaubliche Netzwerk geraten, das sich unter der sichtbaren Oberfläche dieser Welt erstreckt. So erlebte auch er, wie angebliche Verschwörungstheorie sich schlagartig in bittere Verschwörungspraxis wandelte. Während seiner Nachforschungen zum »Geheimen Herzschlag von Amerika« wurde er in den 1990er Jahren von einer Person aus den Reihen der Insider an einen geheimnisvollen Ort gebracht, an dem die Schattenregierung möglicherweise noch heute eine »Filiale« besitzt. Den nächtlichen Ausflug zu dieser Einrichtung wird er wohl nie vergessen. Hopsicker legt einiges Gewicht in seine Worte, wenn er sagt: »Ich bin überzeugt davon, daß das, was ich dort in jener Nacht sah, eine voll funktionstüchtige und operationelle geheime Regierungsanlage war. Damit aber meine ich nicht einfach eine geheime Installation der Regierung, oh nein. Was ich glaube, gesehen zu haben, und was, ich glaube, heute noch in Mena, Arkansas, existiert, ist eine Einrichtung der geheimen Regierung, welche die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika lenkt.« Mena, Arkansas - diese amerikanische Kleinstadt war lange das Washington einer verborgenen Agenda, spezialisiert auf CIADrogenoperationen im großen Stil. Daniel Hopsicker geht nach

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alledem, was er in Erfahrung bringen konnte, davon aus, daß die eigentliche Regierung der USA und letztlich unseres Planeten definitiv weltweit ein über jedes industrielle Maß hinaus lukratives Geschäft der Drogenproduktion und des Drogenhandels betreibt. Und: »Ich bin beispielsweise bis in die Tiefen meines Herzens davon überzeugt, daß es im Jahr 1963 in den Vereinigten Staaten einen Staatsstreich gab, und daß die >bösen Jungs< dabei nie geschnappt wurden — und daß sie, so wie es aussieht, immer noch am Ruder sind.« Es muß nicht extra betont werden, daß Hopsicker mit »1963« den Kennedy-Mord anspricht. Dieses komplexe Thema kann hier kaum berührt werden. Doch die Verwicklung des Oktopus in Form von hochrangigen CIA-Leuten wie E. Howard Hunt, George Bush und anderen hat sich bereits gezeigt. 2001 veröffentlichte Daniel Hopsicker ein Buch mit dem Titel »Barry & The Boys«. Darin verfolgt er die Pfade des CIA-Agenten Adler Berriman Seal, kurz Barry Seal, und seiner Kollaborateure. Seal, auch bekannt als »Gorgo« oder »Fat Man«, war der jüngste Boeing-747-Pilot der Welt, aber auch der größte Drogenschmuggler der Vereinigten Staaten. Die Basis seiner Operationen befand sich in Mena. Als er begann, einige seiner Geheimnisse preiszugeben, wurde er ermordet. Das war im Jahr 1986. Angeblich starb mit ihm auch die Drogenmafia von Mena, doch davon sind keineswegs alle Kenner der Hintergründe überzeugt. In seinem Buch erwähnt Hop-sicker einleitend übrigens auch Danny Casolaro und stellt fest, der in Martinsburg umgebrachte

CIA-Agent und Drogenhändler Barry Seal.

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Journalist sei an seinem Todestag mit einem Mann verabredet gewesen, der ihm Informationen über die verbrecherischen Vorgänge in Mena übermitteln wollte und damit auch über den zentralen Apparat des Oktopus. Danny sollte diese bekanntlich Informationen bekanntlich nie erhalten. Barry Seal hatte bei Mena, in jener gebirgigen Region des westlichen Arkansas, Flugzeuge stationiert, die Waffen nach ZentralSeal wurde im Jahr 1986 in seinem Auto erschossen. amerika flogen und mit Drogen zurückkamen. Die Operationen waren von Natur her so geheim wie verbrecherisch, doch ließen sie sich in ihrem Ausmaß nicht mehr durchführen, ohne auch aufzufallen. Anwohner der Region begannen sich in der Hochzeit der Transfer über Flugzeuge zu beklagen, die mitten in der Nacht in geringer Höhe über die Stadt flogen. Sie zogen ohne Beleuchtung über den Himmel und trugen eine kostbare, doch teuflische Fracht. Das Drogengeschäft in den USA ist keineswegs zu unterschätzen; das sind keine »Peanuts«, nicht einmal gemessen an einem Staatshaushalt. »Der Markt an Opium, Heroin, Kokain und Marihuana in den Vereinigten Staaten von Amerika erzeugt ein Gesamthandelsvolumen von über 130 Milliarden US-Dollar pro Jahr, womit Import, Verkauf und Verbreitung von Drogen ein Unternehmen schaffen, das mehr Einkünfte erzeugt als jede der größten multinationalen Körperschaften in der Welt. Dieser Markt läßt das Gesamtvolumen an illegalen Drogen in den Vereinigten Staaten größer werden als das Bruttosozialprodukt aller bis auf ein Dutzend Nationen der Welt«, so Hopsicker im Jahr 1997. Wer versucht, sich diesem Geschäft in den Weg zu stellen oder es in Gefahr bringt, wird eiskalt beseitigt. Eine pervertierte Ideo-

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logie, deren Götzen »Geld« und »Macht« über alle Grundwerte hinweggehen, eine Gesellschaft, in der Skrupel schlichtweg keine Existenzberechtigung besitzen, rollte schon seit langem wie ein geisterhafter Panzer über alles hinweg und wuchs sich zu diesem Giganten aus.

Cocaine Importation Agency Der amerikanische Autor William Blum hat eine verblüffende Chronologie der CIA-Drogengeschichte zusammengestellt. Blum verließ im Jahr 1967 das State Department, da er nicht billigte, was die USA in Vietnam anrichteten. Noch heute ist das Vietnam-Trauma im amerikanischen Bewußtsein hellwach. Doch wie so oft wird das Grauen nur aus dem eigenen Blickwinkel erlebt. Schnell vergessen Menschen, daß im Krieg auf beiden Seiten Vertreter ihrer Art stehen. Nicht nur die US-Veteranen des Vietnamkrieges gingen durch die Hölle. Wer nur einmal die blutigen Bilder aus notdürftig ausgestatteten Krankenhäusern gesehen hat, in denen erschöpfte, hoffnungslos überforderte Ärzteteams um das wie auch immer geartete Überleben grauenhaft verstümmelter vietnamesischer Kinder kämpfen, wird sie so schnell nicht wieder vergessen - von Bomben zerrissene Unterleiber, zerfetzte augenlose Gesichter. Aus blutigem Fleisch, das vor kurzem noch ein Arm oder Bein war, ragen gesplitterte Stümpfe. Überall das entsetzliche Geräusch der Knochensägen. Weinen, wo noch Tränen sind, Schreie, wo noch Stimme ist. Leben ertränkt in Blut, Schmerz und Hoffnungslosigkeit. William Blum wußte, daß keine Begründung der Welt eine Rechtfertigung liefern könne - vor Gott nicht oder vor wem auch immer. Er wußte, daß die CIA von unbegrenzter Skrupellosigkeit war und daß sie auf ihre Weise versuchte, die Welt zu beherrschen. 1969 enthüllte er Namen und Adressen von 200 CIA-Agenten. Und er zeichnete die düsteren Wege nach, welche die »Agency«, deren Kürzel schon scherzhaft mit der Langform »Cocaine Importation Agency« bedacht

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wurde, beinahe seit ihren ersten Tagen im Drogengeschäft verfolgte. Bereits in den frühen 1950er Jahren, kurz nach der Gründung der CIA, begannen sehr nützliche Geschäfte mit der Unterwelt. Korsische Syndikate im französischen Marseille wurden vom amerikanischen Auslandsgeheimdienst mit Waffen und Geld ausgestattet, um Kontrolle über die dortige kommunistische Partei zu erhalten und Marseille in die westliche Drogenmetropole jener Zeit zu verwandeln. Es dauerte nicht lange, als die CIA auch in Asien aktiv wurde. Im Goldenen Dreieck, das Teile von Burma, Thailand und Laos umfaßt, blühte das weltweit größte Drogengeschäft. Mit der im Besitz der CIA befindlichen Fluglinie Air America waren Drogen in ganz Südostasien »mobil« geworden, in einem CIA-Labor in Nordlaos wurde Heroin verarbeitet und nach einer zehnjährigen militärischen US-Präsenz mit all ihren Folgen kamen 70 Prozent des illegalen Opiums aus Südostasien. In seiner Chronologie erwähnt Blum zu den Jahren 1973 bis 1980 auch die australische Nugan-Bank, die bis auf ihren Namen sprichwörtlich »durch die Bank« zur CIA gezählt habe. »Unter ihren Vertretern befand sich ein Netzwerk an US-Generälen, Admiralen und CIA-Leuten, darunter auch der ehemalige CIA-Direktor William Colby, der auch einer ihrer Juristen war. Mit Filialen in Saudi-Arabien, Europa, Südost-Asien, Südamerika und den USA, finanzierte die Nugan Hand Bank Drogenschmuggel, Geldwäsche und internationale Waffengeschäfte. Im Jahr 1980, als sich mysteriöse Todesfälle häuften, kollabierte die Bank mit 50 Millionen US-Dollar Schulden.« In dieser Zeit ist auch der »starke Mann von Panama«, General Manuel Noriega, ein hochbezahlter CIA-Kollaborateur. Und das, obwohl die US-Drogenbehörden bereits seit 1971 davon wissen, daß der General massiv in Drogenhandel und Geldwäsche verstrickt ist. Erst als sich herausstellt, daß Noriega manches Geheimnis sowie persönliche Dienste unter anderem an Kuba vermittelt, schlägt die Stimmung um, das Blatt wendet sich. Im Dezember 1989 kommt es zur Panama-Invasion durch die USA.

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Offiziell begründet sich die Aktion schlichtweg dadurch, daß ein Land von seinem diktatorischen Machthaber befreit werden müsse. Wenige Tage später stellt sich Noriega. In den Staaten erwartet ihn ein Prozeß wegen Drogenschmuggels. Seltsam: Nach der US-Invasion nahm der Drogenhandel in Panama noch zu. Über die jüngere Zeit und die Afghanistan-Connection schreibt Blum schließlich: »CIA-unterstützte Mudschaheddin-Rebellen, die nun, im Jahr 2001, Teil der Nordallianz sind, beteiligten sich stark am Drogenhandel, während sie gegen die sowjetunterstützte Regierung kämpften sowie gegen die Pläne, die sehr reaktionäre afghanische Gesellschaft zu reformieren. Hauptklient der Agency war Guldbuddin Hekmatyar, einer der führenden Drogenbarone und ein Heroin-Aufbereiter. Von der CIA gestellte Trucks und Lasttiere, die Waffen nach Afghanistan getragen hatten, wurden nun benutzt, um Opium zu Laboratorien entlang der Landesgrenze Afghanistan - Pakistan zu schaffen. Die Produktion lieferte die Hälfte des jährlich in den Vereinigten Staaten verbrauchten Heroins und drei Viertel des europäischen Bestandes. 1990 gaben Vertreter der US-Drogenbehörden zu, bei einer Untersuchung und einem Eingreifen in die Drogenoperationen versagt zu haben, aus dem Wunsch heraus, ihre pakistanischen und afghanischen Alliierten nicht zu kränken. 1993 bezeichnete ein Repräsentant der DEA /Drug Enforcement Agency, US-Drogenbehörde] Afghanistan als das neue Kolumbien der Drogenwelt.« Drogen und der CIA beherrschen die Welt. Wer sich dennoch zur falschen Stunde am falschen Ort befindet und auch nur zufällig sieht, was er nicht sehen darf, hat sein Leben verwirkt.

Die Jungs auf den Schienen Es war der Abend des 22. August 1987. Die beiden Teenager Don Henry und Kevin Ives aus dem Ort Alexander bei Little Rock, Arkansas, bereiteten sich voller Freude darauf vor, die Nacht ge-

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meinsam im Freien zu verbringen. Wie sie sagten, wollten sie mit ihren Taschenlampen auf Hirschjagd gehen und draußen übernachten. Sie kehrten nicht mehr zurück. Am Morgen des nächsten Tages schon wurden sie tot auf einem Bahngleis aufgefunden, sie waren vom Zug überfahren worden. Hatten sie auf ihrem nächtlichen Ausflug nicht aufgepaßt, konnte es wirklich sein, daß sie beide die nahende Lok nicht bemerkten? Die grausame Szenerie am Fundort sprach schnell gegen einen Unfall. Die beiden toten Körper lagen parallel nebeneinander über den Schienen, Seite an Seite, gerade so, als ob sie überrollt werden sollten. Nichts im Verhalten der beiden Jungen hatte jedoch nur den geringsten Anhaltspunkt darauf gegeben, daß sie deprimiert waren und absichtlich aus dem Leben scheiden wollten. Von keinem der beiden wäre ein einziger Grund bekannt gewesen. Im Gegenteil war ihre gesamte Stimmung voller Unternehmungslust. Doch um 4.25 Uhr morgens, als der Frachtzug der UnionPacific-Gesellschaft seine Strecke in nördliche Richtung befuhr und an Little Rock vorbeidonnerte, lagen die Körper ruhig auf den Schienen. Der Lokführer hätte niemals rechtzeitig bremsen können, selbst wenn mehr zu sehen gewesen wäre. Als ein dunkles Bündel auf den Gleisen im Licht auftauchte, wurde es auch schon vom Zug überrollt. Eine Untersuchung durch den Staatlichen Gerichtsmediziner von Arkansas, den aus einer ägyptischen Familie stammenden Dr. Fahmy Malak, führte zu merkwürdigen Schlußfolgerungen. Dr. Malak erklärte, es habe sich um einen Unfall gehandelt, die beiden Jungen seien nach dem Genuß von mindestens 20 Marihuana-Zigaretten eingeschlafen und völlig bewußtlos gewesen, als der Zug kam. Sie legten sich demnach also im Drogenrausch ganz ordentlich und ausgerechnet auf Eisenbahngleisen nebeneinander. Weder für die Eltern noch konsultierte Ärzte noch jeden einigermaßen vernünftig denkenden Menschen konnte diese Erklärung akzeptabel sein. Die Familien Henry und Ives gingen gemeinsam an die Öffentlichkeit und gaben eine Pressekonferenz, um die offizielle Beurteilung des Falles ans Licht zu brin-

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gen und anzufechten. Mit dieser Aktion gelang es den Angehörigen, die so traurige wie mysteriöse Geschichte in Arkansas bekannt zu machen und weitere Untersuchungen in Gang zu bringen. Der unabhängige Pathologe Joseph Burton aus dem US-Bundesstaat Atlanta stellte nach einer zweiten Obduktion fest, daß die Jungen unter Gewaltanwendung gestorben waren. Sie seien bewußtlos geschlagen oder sogar ermordet worden, bevor sie der Zug erfaßte. Einem Sanitäter, der sich am Unglücksort befand, fiel sofort etwas Ungewöhnliches auf. Er berichtete der Familie Ives später, das Blut der Jungen sei »nicht in Ordnung« gewesen. Es war sehr dunkel und teerig geworden, was darauf schließen ließ, daß die beiden Teenager schon Stunden, bevor der UnionPacific-Zug anrollte, gestorben waren. Außerdem hatten alle, die zunächst an dem grausigen Schauplatz eintrafen, von einem dunkelgrünen Stofftuch berichtet, das über die beiden leblosen Körper gelegt war. Später erklärte das Sheriff-Office, diese Beobachtung sei eine »optische Illusion« gewesen. Das war eine schamlose Lüge. Larry Ives, der Vater eines der beiden Jungen, arbeitete seit 31 Jahren für Union Pacific und kannte das Personal an Bord des Todeszuges gut. »Die Crew brachte die Hilfssheriffs sogar noch dorthin, wo das Tuch gelandet war, sie zeigten es ihnen«, bemerkte Ives später zornig. Polizeiliche Untersuchungen der Kleidung beider Jungen ergaben laut offizieller Aussage ebenfalls keinerlei Spuren von Gewebe, die von einer Abdeckung hätten herrühren können. Nachforschungen brachten dann allerdings zutage, daß solche Untersuchungen nie stattgefunden hatten. Man log also, daß sich die Gleise bogen! Linda Ives, die alle Hebel in Bewegung setzte, um den bis heute noch nicht abgeschlossenen Falles der »Boys on the Tracks« aufzuklären, stieß bald auf weitere grauenhafte Details. Alle wiesen auf eine Vertuschung von mehreren Seiten hin, die Vertuschung an einem überaus brutalen Doppelmord.

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Suizid-Doktor Malak Nützliches Werkzeug der Vertuschung von gerichtsmedizinischer Seite her war Fahmy Malak, dessen Autopsie-Bericht ein einziges Lügengebilde war. Von den Angehörigen aufgestellte Suchmannschaften entdeckten am 25. August Kevins abgetrennten Fuß in dessen Turnschuh, der auf offenem Gelände lag. Dr. Malak hatte nichts davon erwähnt, daß einem Jungen der Fuß fehlte. Er erwähnte in seinem Bericht auch nicht, was für Joseph Burton eindeutig war: Don Henry war bereits Stunden, bevor der Zug ihn und seinen Freund erfaßte, massiv geprügelt und brutal in den Rücken gestoßen worden. Kevin Ives wurde das Gesicht durch einen sehr harten Schlag regelrecht zertrümmert. Burton konnte sogar den Gegenstand identifizieren. Es war der Kolben eines Gewehres vom Kaliber 0.22, das die beiden Jungen mit sich geführt hatten und das laut FBI-Akte #166C-LR-35380 in mehreren Stücken vorgefunden worden war. Malak aber stellte lapidar und geradezu zynisch fest, er glaube nicht, daß irgend jemand Kevin oder Don auch »nur mit einem Finger berührt habe«. Dr. Fahmy Malak hatte bereits in vielen anderen Fällen die unglaublichsten Expertisen abgegeben und sollte dies auch noch lange Jahre tun. So erklärte er 1985 im Fall eines gewissen Raymond P. Allbright, es handele sich um Selbstmord. Demnach hätte sich Allbright aber fünfmal hintereinander mit einem 45er Colt in die Brust schießen müssen! Auch ein James Milam, der im Mai 1987 geköpft aufgefunden wurde, zählte zu Malaks »Patienten«, von denen sich aus naheliegenden Gründen nicht ein einziger je beklagte. Gerüchten zufolge sei James Milam Zeuge einer Drogenoperation von Mena geworden und mußte daher zum Schweigen gebracht werden, laut Dr. Malak aber starb er eines natürlichen Todes. Milam litt an einem perforierten Magengeschwür, mehr allerdings ließ der »Suizid-Doktor« nicht verlauten. Den am Fundort fehlenden Kopf der Leiche habe Milams kleiner Hund verzehrt. - Kommentar überflüssig.

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Seite 2 aus dem zensierten FBI-Report über den Doppelmord an Don Henry und Kevin Ives.

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Seite 3 des deutlich zensierten FBI-Berichtes.

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FBI-Bericht, Seite 4 mit Angaben zum 0,22-Kaliber-Gewehr.

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So ging es un-munter weiter mit den Expertisen des Doktors. Trotz zahlreicher offensichtlicher Fehlurteile, die nicht allein auf Inkompetenz beruhten, sondern in Anbetracht der oft sehr klaren Sachlage unweigerlich beabsichtigt sein mußten, genoß Dr. Malak den Schutz von oberster Stelle. Auch der damalige Gouverneur von Arkansas hatte seine Finger bei der Sache mit im schattigen Spiel. Der Name dieses Gouverneurs: William Jefferson Clinton, späterer US-Präsident. Nachdem ein Geschworenengericht im Fall Ives-Henry entgegen der Darstellung Dr. Malaks nunmehr eindeutig von Mord sprach, setzte Clinton zwei Pathologen ein, die Malaks Arbeit überprüfen und beurteilen sollten. Sie erklärten später, Malak sei korrekt vorgegangen und er habe eine Gehaltserhöhung verdient - sie selbst erhielten aus einem Fond Clintons jeweils 20.000 Dollar für ihr Gutachten. Interessanterweise stellte sich heraus, daß die beiden Pathologen keine systematische Analyse von Malaks Fällen durchführen sollten. Als Malak einige Jahre später auf Anweisung von Bill Clinton eine Gehaltserhöhung von 41,5 Prozent erhalten sollte, gründete Linda Ives eine Organisation, um Unterschriften zur Amtsenthebung des skrupellosen Gerichtsmediziners zu sammeln, dieses Mannes, der offenbar zum eigenen Nutzen stets bereit war, jede noch so wahrheitswidrige Aussage zu treffen, selbst wenn damit die größten Verbrechen gedeckt wurden. Linda Ives gab der Organisation einen Namen, der ihre ganze Stimmung deutlich zum Ausdruck brachte: VOMIT - »Victims Of Malak's Incredible Testimony«, also »Opfer von Malaks unfaßbaren Gutachten«. Drei Jahre lang weigerte sich Clintons Stab, dem Gouverneur diese Petition vorzulegen. Welche Hintergründe hatte diese unfaßbare Zähigkeit und letztlich auch Clintons eigene Haltung, mit der er sich stets schützend vor Malak stellte? Hier kommt nun Clintons Mutter Virginia Dwire Kelley ins Spiel, die durch Malaks Gutachten einer Verurteilung entging. Als am 27. Juni 1981 die 17jährige Susan Deer mit einer Kopfverletzung stark blutend in das Ouachita Memorial Hospital eingeliefert wurde und in den OP kam, war Virginia Kelley die Anästhesie-Schwester. Das

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Mädchen war bei einer Auseinandersetzung zwischen Jugendlichen von einem Stein getroffen worden. Lebensgefahr bestand nicht. Doch während des an sich harmlosen Eingriffs gelang Mrs. Kelley die Intubation nicht rechtzeitig - die Patientin starb. Dr. Malak wurde als Gutachter eingesetzt und stellte fest, daß Susan Deer infolge der Verletzungen verstarb. Der Mann, der den Stein geworfen hatte, wurde daraufhin wegen Totschlags verhaftet. Mit dieser Geschichte ist eine jahrelange Protektion Malaks durch Clinton verbunden. Erst 1991, als ihm der Gerichtsmediziner doch zu heiß wurde, sollte Malak einen anderen Posten im Gesundheitsministerium bekommen. Doch auch dort ging es ihm blendend, und eine Gehaltskürzung wurde schnell durch zusätzliche Vereinbarungen aufgewogen, die gutes Geld brachten. So sollte ausgerechnet Malak als Experte in mehr als 100 zur Verhandlung stehenden Todesfällen aussagen ...

Mauern des Schweigens Malaks dubiose Vergangenheit darf nicht vernachlässigt werden, wenn es um die Beurteilung seiner Rolle im besonders brutalen Mordfall Ives-Henry geht. Doch nach all diesen Erläuterungen bleibt nach wie vor die Frage, was in jener unruhigen Nacht in der Einsamkeit von Arkansas geschah und warum die beiden Teenager sterben mußten. Linda Ives hörte sich um, bald schon hatten ohnehin diverse Gerüchte die Runde gemacht, der Doppelmord habe mit den Drogenoperationen zu tun, die in jener Gegend auch noch Jahre nach dem Tod von Barry Seal unter dem Schutz der Regierung abliefen. Freunde der Jungen machten einige Andeutungen in diese Richtung, ohne Näheres zu wissen oder sagen zu wollen. Hatten sich die beiden Teenager am Abend des 22. August vielleicht auch auf einen abenteuerlichen Marsch zu den nächtlichen Rätseln von Saline County begeben, weil sie eine der geheimen Drogenoperationen beobachten wollten? Oder waren sie wirklich nur rein zufällig in der Gegend? Tatsache ist jeden-

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falls, daß sie in der Nähe eines Punktes gefunden wurden, der bei den Drahtziehern der obskuren Aktionen als A-12 bekannt war. Er zählte zu den geheimen und abgelegenen Orten, an denen die kostbare Fracht von Flugzeugen abgeworfen und von Bodenteams abtransportiert wurde. Bei diesen »drug drops« fielen pro Woche rund neun Millionen Dollar vom Himmel. Wenn die Maschinen der Drogenschmuggler auf dem kleinen Airport von Mena landeten, waren sie »clean«. Möglicherweise wurde den Jungen auch zum Verhängnis, daß die Leute am Boden während jener Tage in höchster Alarmbereitschaft waren. Denn kurz zuvor mußte irgend jemand Wind von einer Aktion bekommen und die wertvollen Pakete weggeschafft haben, noch bevor das eigentliche Bergungsteam zur Stelle war. Eine reife Leistung. Der 16jährige Don Henry und sein nicht einmal ein Jahr älterer bester Freund Kevin waren in der fraglichen Nacht nicht die einzigen, die die Gegend bei A-12 durchstreiften. Ein damals zwölfjähriger Junge wurde Augenzeuge, wie die beiden ermordet wurden. Erst sechs Jahre später begann er vorsichtige Andeutungen zu machen. Keith Coney wußte ebenfalls mehr über den Doppelmord, kam aber im Juli 1988 selbst bei einem MotorradUnfall ums Leben, noch bevor er sein Wissen zu Protokoll geben konnte - nicht bestätigten Berichten zufolge wurde er von einem schnell hinter ihm her rasenden Fahrzeug in den Tod gejagt. Wenige Monate später starb ein anderer Informant, Keith McKaskle, der mit dem Messer niedergestochen wurde. Der Auftragsmörder Robert Shane Smith wurde gefaßt und zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Im Januar 1989 wurde Gregory Collins durch einen Schuß ins Gesicht getötet. Auch er besaß Informationen zu Henry und Ives. Wiederum nur drei Monate später fand man den verstümmelten Körper von Jeff Rhodes auf einer Müllhalde. Wie Collins hatte man auch ihn mit einem Schuß in den Kopf umgebracht. Der oder die Mörder ließen ihrem sadistischen Trieb freien Lauf. Ihnen reichte nicht, daß Rhodes tot war, sie schnitten ihm noch die Gliedmaßen ab und verbrannten den Leichnam.

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Noch andere offenbare Zeugen der verbrecherischen Vorgänge vom August 1987 mußten wegen ihrer Kenntnisse sterben. Zum doppelten Entsetzen der Familien zeigte sich mehr und mehr, daß offizielle Stellen in die Drogenoperationen und die Morde verwickelt waren. So stießen die Angehörigen bei den lokalen wie bei übergeordneten Behörden auf Ignoranz, Ablehnung und eherne Mauern des Schweigens. Während TV-Aufnahmen, die Dan Hopsicker mit Linda Ives machte, erklärte sie: »Wir mußten erfahren, daß die Sheriffs uns bezüglich der Fasertests an den Kleidungsstücken der Jungen belogen hatten. Wir erfuhren, daß Don Henry geschlagen und Kevins Gesicht mit einem Gewehrkolben eingeschlagen worden war, daß das Gewicht ihrer mit Blut gefüllten Lungen vom ersten Moment an ein deutlicher Beweis dafür war, daß sie nicht von dem Zug getötet worden waren. Aber das Unglaublichste, was wir erfuhren, war, daß Kevin und Don wegen einer sehr umfangreichen DrogenschmuggelAktion getötet worden waren, die Vertreter öffentlicher Behörden und öffentliche Korruption mit einschloß ...Es gab Zeugen des Mordes an meinem Sohn, Zeugen, die den FBI-Test mit dem Lügendetektor bestanden. Sie sprachen davon, daß Vertreter der Regierung gemeinsam mit jenen Jungen auf den Bahngleisen anwesend waren, bevor sie ermordet wurden.« Sind das lediglich hochemotionale Mutmaßungen einer verständlicherweise aufgebrachten, verzweifelten und haßerfüllten Mutter? Verschiedentlich versuchten Behörden, das tatsächlich so darzustellen. Doch Linda Ives kann belegen, was sie sagt. Jean Duffey war seinerzeit Staatsbevollmächtigte einer vom Bund getragenen Drogen-Einsatzgruppe für Saline County in Arkansas. Die für sie tätigen Undercover-Agenten trugen ihr bald Informationen zu, daß die beiden Teenager ermordet worden waren. Doch auch diese Ansätze einer Klärung des Falles verliefen größtenteils in Sackgassen. Ihre Informanten kauften sich über Drogen in das Geschäft ein und versuchten, in der Hierarchie weiter nach oben zu gelangen, um die Drahtzieher zu ermitteln. Duffey hatte sieben jener Leute im Einsatz. Die Verbindungen,

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die sie aufbauen konnten, führten allerdings »beinahe unmittelbar zu Staatsbeamten, die den Drogenhandel entweder schützten oder aber selbst aktiv in ihn involviert waren«, so resümiert Mrs. Duffey und läßt keinen Zweifel an der Pervertierung des Systems, das sie von einer Verfolgung der Verbrechen abhielt: »Das FBI hat Augenzeugen für die Morde ... Aber bis heute ist nichts geschehen! ... Unsere Drug Task Force war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Genau an dem Tag, als ich als Leiterin dieser Drug Task Force ernannt worden war, kam mein Chef Gary Arnold in mein Büro, starrte mich mit hartem Blick an und instruierte mich, die Drug Task Force nicht zu benutzen, um Staatsbeamte in die Untersuchungen mit einzuschließen.« Das Ganze war nach Jean Duffeys eigener Erkenntnis ein massives Coverup. Ihrer Task Force wurde eiskalt der Riegel vorgeschoben, da sie bereits gefährlich nahe an die Wahrheit herangerückt war. Und das durfte sie nicht. Einer ihrer verdeckten Mitarbeiter, der anfänglich eine intensive Beschäftigung mit dem Ives-Henry-Fall anregte, erklärte Duffey, daß noch nicht eine einzige wirkliche Untersuchung der Angelegenheit stattgefunden habe und man den Fall durchaus lösen könne. Bald begann eine Hetz-Kampagne gegen Jean Duffey. Nach acht Monaten im Amt wurde sie entlassen, nachdem Vorwürfe von Mißmanagement und Kindesmißbrauchs gegen sie erhoben worden waren. Dummerweise konnten keinerlei Beweise vorgebracht werden. In dieser Hinsicht entlastet, wurde Mrs. Duffey nunmehr vorgeladen, um die Namen ihrer Informanten preiszugeben. Da sie dies aber unmöglich tun konnte, erschien sie nicht und verließ den Bundesstaat. Den Zeitungen stellte man das so dar, daß Jean Duffey flüchtig sei. Eingeleitet worden war die Jagd sowie die gesamte Schmierkampagne gegen sie von einem gewissen Dan Harmon, der als Staatsanwalt gewählt worden war, allerdings erst mit Wirkung ab Januar 1991. Jean Duffeys Ermittler hatten Verbindungen zwischen Harmon und der Drogenmafia von Arkansas gefunden, und da er bereits Ziel behördlicher Nachforschungen der US-Staatsanwaltschaft war, reagierte sie nicht auf seine Angriffe. Denn wie

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ihr versichert wurde, stand eine Anklageerhebung gegen ihn ohnehin kurz bevor. Plötzlich aber gab es eine »Wachablösung« in der Behörde, und ein neuer US-Staatsanwalt erklärte, daß weder gegen Harmon noch gegen andere Beamte irgendwelche drogenbezogenen Beweise existierten. Es werde auch keine Verhaftungen in Verbindung mit den Toden von Kevin Ives und Don Henry geben. So schnell wendet sich das Blatt.

»Wir wissen doch, wohin das führt!« In die Ermittlungen ebenso wie in deren Behinderungen waren noch unzählige andere Personen verwickelt. Eine interessante Figur in diesem teuflischen Spiel ist Staatspolizist L. D. Brown, vor allem, da er zeitweilig als Sicherheitsmann für Bill Clinton tätig war und außerdem - wie er selbst behauptete - kurz auch für den CIA-Mann und Mena-Drogenboß Barry Seal gearbeitet hatte. Er will den damaligen Gouverneur Bill Clinton auf Seals Machenschaften angesprochen haben, der daraufhin aber nur einen anderen bedeutenden Namen der Drogenmafia von Arkansas erwähnte - Drogenhändler Dan Lasater, ehedem ein guter Freund von Clinton. Die Firma Lasater & Company mit Sitz in Little Rock erwies sich als »waschechte« Geldwaschanlage. Als Brown die Vorgänge in Mena gegenüber Clinton ansprach, meinte der Gouverneur lediglich, das sei »Lasaters Geschäft« und er solle sich keine Gedanken darüber machen. Allmählich aber fokussierte sich die gesamte Angelegenheit um Harmon, Lasater und dessen Freunde Jay Campbell und Kirk Lane, offiziell als Betäubungsmittel-Fahnder aktiv. Mehrere Zeugen wollen zwei Polizisten - mit hoher Wahrscheinlichkeit Campbell und Lane - gesehen haben, wie sie die beiden Jungen in der Nähe eines kleinen Einkaufsladens schlugen. 1993 überzeugte Linda Ives den Sheriff John Brown, nicht zu verwechseln mit obigem Brown, den Fall noch einmal aufzurollen. Sehr schnell meldete sich bei ihm ein hoher Staatsbeamter,

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der ihm nahelegte, den Fall lieber ruhen zu lassen. So schnell wollte Detective Brown allerdings nicht aufgeben. Er stieß auf einen neuen Augenzeugen, der Dan Harmon in der betreffenden Nacht auf den Schienen gesehen hatte, genau dort, wo die Jungen später tot aufgefunden wurden. Harmon stritt dies natürlich ab. Der Zeuge aber hatte das FBI unterrichtet, das ihn überraschenderweise sofort in Schutzhaft nahm und mit dem Lügendetektor überprüfte. Anschließend traten die Bundespolizisten an John Brown heran und erklärten, da sie den Fall übernehmen würden, müsse er ihnen alles dazu aushändigen, was er habe. Das FBI kontaktierte auch Linda Ives vielfach und bat nun gleichfalls Jean Duffey um Mithilfe. Die Agenten erklärten ihr, eine neue Untersuchung der Todesfälle und öffentlichen Korruption sei im Gange. Nach 18 Monaten aber brach das FBI seine Kommunikation ab und zog sich von dem Fall zurück. Bei der letzten Begegnung mit FBI-Beamten sagte Agent Bill Temple zu Linda Ives: »Es ist Zeit für Sie zu erkennen, daß ein Verbrechen niemals verübt wurde.« Offensichtlich beteiligte sich das FBI selbst an dem Cover-up und hatte alle wesentlichen Informationen an sich gerissen. John Brown traf noch mit einem Piloten zusammen, der an Drogenabwürfen über A-12 beteiligt war, bald aber wurde dem Detective die Angelegenheit auch zu heiß. Immerhin war er mehrfach mit dem Tode bedroht worden, und Unbekannte hatten sich dreimal Zutritt zu seinem Haus verschafft. Brown behauptete später, auch County Sheriff Judy Pridgen sei von dem, was sie zwischenzeitlich in Erfahrung gebracht hatte, zu Tode geängstigt. Am 15. August 1994, knapp sieben Jahre nach dem abscheulichen Verbrechen bei A-12, fragte sie Brown: »Wir beide wissen doch, wohin das führt. Möchten Sie wirklich versuchen, den Präsidenten der Vereinigten Staaten zu stürzen?« Am nächsten Tag legte Brown sein Amt nieder. Ähnlich wie Pridgen äußerte sich Linda Ives: »Der Grund, warum diese Nachforschungen nirgendwohin geführt haben, liegt, wie ich glaube, in den Verbindungen der beiden Beamten, die beobachtet wurden, wie sie die Jungen

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schlugen und traten - in den Verbindungen von Kirk Lane und Jay Campbell zu Dan Lasater bis hin zu Bill Clinton.« Tatsächlich führten einige Pfade zu Clinton. Seine Unterstützung von Fahmy Malak ging soweit, daß er andere Pathologen zur Bestätigung von Malaks haarsträubendem Gutachten bezahlte. Der von Bill Clinton eingesetzte Robert Shepherd störte drei eigenständige Untersuchungen des Doppelmords und schüchterte John Brown ein. Jean Duffey berichtet auch, daß Clinton log, als er von Sarah McClendon zu Mena befragt wurde. Er erklärte ihr: »Der örtliche Strafverfolger führte eine Untersuchung auf Grundlage dessen durch, was innerhalb der Rechtsprechung des Bundesstaates lag.« Doch die Wahrheit sah anders aus, denn als der örtliche Strafverfolger finanzielle Mittel für die Nachforschungen anforderte, gab Clinton lediglich ein Lippenbekenntnis ab, ohne daß daraufhin je Geld eintraf. Jean Duffey sah auch den massiven Bruch des FBI für den Zeitpunkt voraus, ab dem die Verbindung zwischen dem Ives-Henry-Doppelmord und Mena unzweifelhaft werden würde. Als sie ihre Prognose gegenüber einem FBI-Agenten erwähnte, meinte dieser ungläubig zu ihr: »Wer hat die Macht, einen FBI-Fall zu schließen?« und Duffey stellte die bedeutungsschwangere Gegenfrage: »In der Tat, wer?« Auf einer Pressekonferenz wurde Bill Clinton nach seinen Beziehungen zu Barry Seal befragt und antwortete darauf, er wisse nur sehr wenig über diesen Mann. Ebenfalls eine bemerkenswerte, da strittige Auskunft. Etliche Leute nämlich hatten Clinton mit Seal zumindest speisen sehen, in Bill Clintons Lieblingslokal »Fu Lin's« in Little Rock. Merkwürdig auch, daß Clinton sämtliche Fragen zu Seal und Mena William Jefferson Clinton, während der Präsidentschaftskampagne als Bundesangelegenheit von 42. Präsident der USA.

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sich wies. Als er dann in das Weiße Haus eingezogen war, versuchte ein Sprecher, dieselben Fragen ins Lächerliche zu ziehen und nannte sie »Das dunkelste Abwasser der Verschwörungstheorien.« Das dunkelste Abwasser! In diesem trüben Wasser tauchten bald auch die im vorigen Kapitel erwähnten, während der Andreucetti-Affäre verschwundenen 50 Millionen US-Dollar wieder auf, mitten in Little Rock, Arkansas. Der Abgeordnete Dan Burton aus Indiana weiß genau, wie Clinton das Geld von dort dann außer Landes schaffte, hin zu einer »bekannten Waschanlage für Drogengelder in der Karibik«. Am 29. Dezember 1988 wanderte diese riesige Summe von der Arkansas Development and Finance Authority (ADFA) auf die Fuji Bank, Ltd., CaymanInseln. Manchmal kann es sich lohnen, in trüben Wassern zu fischen! Mara Leveritt, Autorin eines Buches über die Mena-Morde, versuchte über das Gesetz zur Informationsfreiheit - den so genannten Freedom of Information Act (FOIA) - an offizielle Informationen über Barry Seal sowie den Doppelmord an Don Henry und Kevin Ives zu gelangen. Sie richtete ihre Anfrage an das FBI und erhielt daraufhin die Antwort »no records«. Demnach gab es also keinerlei FBI-Dokumente zu diesen Fällen. Daß dies einfach nicht stimmen konnte, wußte Mrs. Leveritt und legte Widerspruch ein, der allerdings völlig ignoriert wurde. In der Hoffnung, eine gerichtliche Auseinandersetzung mit dem FBI zu umgehen, wandte sich die Autorin nun an eine Reihe von Kongreßabgeordneten. Ein einziger von ihnen antwortete. Wie sich herausstellte, versuchte dieser Abgeordnete, Vic Snyder, zusammen mit seinem Team schon seit drei Jahren, an Informationen über Arkansas heranzukommen und konnte mittels verschiedener Kanäle schließlich ein völlig neues Statement des FBI erwirken. Mit einem Male teilten FBI-Repräsentanten mit, sie hätten nunmehr 17 000 Seiten über den Fall Henry-Ives lokalisieren können! Von Null auf 17 000 in so kurzer Zeit, das war schon eine Leistung! Noch ist wenig Material über den Mord verfügbar, doch bemü-

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hen sich Angehörige und Ermittler, die Unterlagen in die Hände zu bekommen, was auch nicht ganz billig ist. Zu Barry Seal tauchten nun ebenfalls Akten auf. Sie sind stark zensiert, oft fehlen komplette, viele Seiten lange Abschnitte, oder aber einzelne Seiten wurden von unten bis oben geschwärzt. Begründungen für diese Zensur stehen als Kürzel daneben; vor allem beliebt dabei ist »B7C«. Diese Klausel des FOIA betrifft die Wahrung der Privatsphäre einer in der betreffenden Passage genannten Person. Schon jetzt steht also beinahe unumstößlich fest, daß die Zensur der FBI-Dokumente eine wirkliche Aufklärung des Doppelmordes von Saline County nicht zulassen wird. Letztlich steckt auch das FBI selbst viel zu tief in der Verschwörung um Mena. Wohl gemerkt, in der Verschwörung, nicht in der Verschwörungstheorie. State Trooper Welsh, ein unerschrockener Polizist, der als Experte des Drogenschmuggels von Arkansas gilt, spürt den damit verbundenen Geheimnissen schon seit Jahren nach. 1987, im Todesjahr von Henry und Ives, erhielt er Besuch von zwei FBIAgenten, Floyd Hayes und Thomas W. Ross. Sie erzählten ihm von einer CIA-Operation in Mena, und Ross zeigte Welch sogar ein als geheim eingestuftes FBI-Dokument, das vom Chicagoer Büro nach Little Rock gesandt worden war. Damit wollte er ihm beweisen, daß jene laufende CIA-Aktion in Gefahr war, kompromittiert zu werden, wenn Welch seine Nachforschungen nicht einstellen sollte. Später leugnete Ross sowohl das Gespräch ab als auch, jenes Dokument je gezeigt zu haben. Genau dieses Schriftstück aber gelangte in die Hände des Autors Terry Reed, der für den Nachrichtendienst der Luftwaffe arbeitete, in der FBI-Gegenspionage tätig war, den CIA unterstützte und von Colonel Oliver North in die Mena-Operation aufgenomTrooper Rüssel Welch.

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men wurde. Reed spricht von Thomas Ross als Barry Seals FBIKontakt und als dem Mann, der Spuren verwischte, indem er FBIDokumente verschwinden ließ. In dem FBI-Telex ging es eindeutig um den bereits verstorbenen »CIA-Operative« Barry Seal und die Sorge der Regierung darüber, daß die Medien den Mena-Airport ins öffentliche Licht rücken könnten. Hier läßt sich gleichfalls sehr deutlich nachlesen: »Auch mit dem Ableben Seals setzt sich die Aktivität auf dem Flughafen fort.« Die Rede ist von ständigem Luftverkehr von C130-Frachtmaschinen der HERC Airlift Corporation, außerdem vom dort lokalisierten Konzern Fokker und der Firma Goodner Brothers, geleitet von einem mysteriösen George Reeb. Eine der Fokker-Maschinen sei von Zeugen in einem Ostblock-Land wiedergesehen worden. Dieses Telex stammt vom 18. August 1987. Nur einige Tage später, in der Nacht vom 22. auf den 23. August geschah der Mord an den Teenagern. Das Dokument enthüllt zusätzlich, warum die »Leute von Mena« in jenen Tagen besonders nervös waren, abgesehen von der Situation, daß ihnen ein »drug drop« von Unbekannten direkt vor der Nase weggeschnappt worden war. Seit 1982 war Rüssel Welch auf Seal angesetzt, doch wurde auch er durch die ehrlichen Versuche, den verbrecherischen Aktivitäten in Mena auf die Spur zu kommen, persönlich geschädigt. Dafür sorgten unter anderem ein FBI-Agent, der ihn wegen illegaler Bandmitschnitte festnehmen wollte, sowie eine AnthraxAttacke. Der Mann, der Daniel Hopsicker auf die nächtliche Fahrt nach Mena mitnahm, war übrigens niemand anderer als Russell Welch.

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Kapitel 6

WACKENHUT Das Geheimnis von Coachella Valley Wer den Highway 10 von Arizona aus kommend durch die große Mojave-Wüste nach Kalifornien fährt, vorbei an den Eagle Mountains und den Little San Bernardino Mountains, nähert sich oberhalb des Salton Sea nach langer Fahrt durch sehr einsames Territorium wieder einigen größeren Ansiedlungen. Südlich von Indio, an der Gabelung des Highway mit der 86 South trifft der überraschte Besucher auf ein Spielcasino. Das Land hier untersteht den Cabazon-Indianern und ist damit unabhängig von der kalifornischen Gerichtsbarkeit, die Glücksspiel verbietet. Im Cabazon-Reservat besuchen Gäste das Bowling-Center, Boxkämpfe, die Casinos, das Cabazon-Kultur-Museum oder auch Konzertveranstaltungen - fast schon ein Las Vegas im Miniformat. Das Reservat, das im Jahr 1876 eingerichtet wurde, zählt zu den kleinsten, den am geringsten besiedelten der Staaten. Nicht einmal 40 Cabazon-Indianer gehören dem Reservat an, das sich über knapp 700 Hektar Fläche erstreckt. Nur wenige Besucher kennen die geheimnisvolle Geschichte dieses Reservats. Sie wissen nichts von den unheimlichen Vorgängen, die dieses Land und die Cabazon eng mit den Aktivitäten der Schattenregierung verbindet. Begonnen hatte alles damit, daß im Jahr 1978 ein weißer Mann aus Florida im Coachella Valley eintraf, dem Tal, in welchem das Cabazon-Reservat liegt. Jener Mann, ein Dr. John Philip Nichols, trat in Verhandlungen mit den Indianern ein und schaffte es in kurzer Zeit, ihr Land in eine Goldgrube zu verwandeln. Schon Anfang der 1980er Jahre hatte er dort eine völlig eigene Infrastruktur errichtet und brachte das Casino-Gewerbe im großen Stil zum Blühen. Wer war Nichols? Die Hintergründe seiner Herkunft

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Übersichtskarte über das Cabazon-Reservat in Kalifornien.

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liegen ebenso in einer Dunkelzone wie seine eigentlichen Auftraggeber, die er zweifellos hatte. Seine Karriere hatte anscheinend seltsame Haken geschlagen. Er erklärte den Indianern, ein Experte im sozialen Gesundheitswesen und in ökonomischer Planung zu sein. Ursprünglich Doktor der Theologie und ordinierter Priester, habe er mit verschiedenen Firmen zusammengearbeitet, darunter Pro Plan International, die mit ökonomischen Entwicklungsprojekten befaßt sei. Nichols führte zudem seine Tätigkeit als Brauer in Milwaukee, als Direktor eines »Mental Health Program« in Kentucky, Wisconsin und Michigan sowie seine Arbeit als Manager einer Coca-Cola-Fabrik in Sao Paulo, Brasilien, als Stationen an. Doch ließ er auch vieles weg, was man besser nicht wissen sollte. Ganz offenbar hatte er allerdings nie einen Doktor in Theologie gemacht. Als Mitglied der Arbeiterorganisation wurde er wegen unlauteren Umgangs mit deren Geldern festgenommen und schien in einige verbrecherische Aktivitäten verwickelt gewesen zu sein. Über zehn Jahre lang hielt er sich in verschiedenen chilenischen Provinzen auf und brüstete sich zeitweilig damit, in den Mord an Präsident Carlos Allende sowie den Mordversuch an Castro verwickelt gewesen zu sein, der unter CIAÄgide gestanden hatte. Jedoch wollte er in späteren Jahren von all dem nichts mehr wissen und stritt ab, solche Behauptungen je verbreitet zu haben. Seine Verbindungen zur »Firma« sind allerdings kaum zu bestreiten. Zahlreiche Kontakte hatte Nichols seinem Geschäftspartner G. Wayne Reeder zu verdanken, der für die CIA tätig war und seinerseits mit Neil Mallon Bush kooperierte, einem Bruder des gegenwärtigen Präsidenten der Vereinigten Staaten, George Bush II. So fügten sich langsam, aber sicher auch hier wieder mächtige Steine aufeinander, um ein neues ungewöhnliches Gebäude entstehen zu lassen. Ein eigenes Imperium auf dem Land der Cabazon. Nichols entfaltete tatsächlich sehr geschäftige Aktivitäten dort. So entstand die Cabazon Gas & Oil Corporation, die Cabazon Trading Company, die Cabazon Security Corporation und die

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Cabazon Arms Corporation. Die Pläne des dubiosen »Priesters« gingen in verschiedenste Richtungen, doch Einflußnahme, Macht, Geld und obskure Geschäfte spielten eine ständige Rolle dabei. Nichols setzte dazu auch Leute ein, die nicht aus dem CabazonReservat stammten, und zog sich damit einigen Unwillen bei den Indianern zu. Doch seine Unternehmungen brachten Geld und hatten das Reservat aufblühen lassen. Ganz von selbst konnte das alles nicht entstanden sein, Nichols hatte unsichtbare Hintermänner. Ein Vorsitzender der Cabazon meinte zu all dem: »Alles wird von außenstehenden Kräften kontrolliert. Diese armen Indianer sind gehirngewaschen. Sie wollen das Geld nicht verlieren, das sie erhalten.« In Anbetracht der geradezu explosiven geschäftlichen Entwicklungen im Reservat gingen bald auch verschiedenste Gerüchte um. Die Cabazon seien Teil eines großangelegten Geheimprojektes, das auf Indianer-Territorium durchgeführt werde: Yellow Lodge. Im Rahmen dieses Projektes entwickele man neue Waffentechnologien und tödliche Viren. Hartnäckig hielten sich auch die Gerüchte über geheime Operationen auf dem Gebiet der Jicarilla-Apachen und Ute-Indianer von New Mexico. Auf deren Gelände solle die US-Regierung mit einer nicht von der Erde stammenden Zivilisation kooperieren und eine gemeinsame supergeheime Untergrundanlage »D6« im Inneren eines als Archuleta Mesa bekannten Tafelberges betreiben. Ob Gerüchte über die Präsenz fremder Besucher aus dem All zutreffen, sei dahingestellt, doch daß in vielen Regionen der USA unterirdische Tunnelsysteme und Versuchsanlagen existieren, steht außer Frage. Allein die offiziell bestätigte Anlage von Yucca Moun-tain, in der radioaktive Abfälle gelagert werden, besitzt ein Tunnelnetz mit einer Gesamtlänge von 73 Meilen. Tatsache ist auch, daß einige Eigenheiten um die direkt bei dem Ort Dulce gelegene Archuleta Mesa existieren, die möglicherweise auf immer noch dort ablaufende geheime Operationen hindeuten. Wer sich zu sehr für jenen »heiligen Berg« der Indianer interessiert, wird verfolgt und beobachtet. Definitiv hat jemand ein Auge auf Personen, die sich im näheren Umfeld der Archuleta Mesa bewegen und sich

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länger dort aufhalten. Soll das mystische und notorische Element um die »Aliens« nur dazu dienen, eine »spukige« Atmosphäre zu schaffen, um von den eigentlichen Geheimnissen abzulenken? Einige behaupten das. Wie auch immer, was aber hatte es mit den Gerüchten um die Cabazon-Aktivitäten auf sich? War das alles nur heiße Luft, vielleicht auch Neid, weil hier ein weißer Mann und eine kleine Gruppe von Indianern offenbar gute Geschäfte machten? Wie schon erwähnt, hatten einige Persönlichkeiten der geheimen Maschinerie in der Tat schnell erkannt, wie sinnvoll es ist, Indianer-Reservate für »besondere Zwecke« zu nutzen. Hier gelten eigene Regeln, und Zugriffe von außen sind schlecht möglich. Weder muß man sich mit Prüfungen durch die Umweltbehörden auseinandersetzen, die mit »EIS« - dem »Environmental Impact Statement« - einen Lagebericht über Einhaltung von Schutzbedingungen aufstellen, noch muß man sich mit den Regulatorien und Einschränkungen zum Waffenhandelsgesetz herumschlagen, die ihrerseits in der »International Traffic In Arms Regulation« (ITAR) festgehalten sind. Interessanterweise betreffen sie auch kryptologische (Codierungs-)Computerprogramme, die vom State Department als »Waffe« betrachtet werden. Die Souveränität des Gebietes ermöglicht außerdem Steuererleichterungen für Investoren.

Spezialtrupps für die Schwarze Welt Das auch geographisch günstig gelegene Cabazon-Reservat bot sich förmlich an, um dort verdeckt und ruhig operieren zu können. Nichols wußte, wo er sich da einnistete. Schon 1979 startete er von dort aus dann die Zusammenarbeit mit einer Firma namens Wackenhut Corporation, um gemeinschaftlich mit ihr die schon oben erwähnte Cabazon Arms Corporation zu gründen. Wackenhut ist nicht irgendeine Firma. Sie zählt zu den größten Sicherheitsgesellschaften der Welt. 1954 wurde sie von dem

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ehemaligen FBI-Agenten George Wackenhut und drei seiner ebenfalls aus der Bundespolizei stammenden Freunde gegründet. Auch Wackenhut war jemand mit hervorragenden Verbindungen, die immer nötig sind, wenn es darum geht, eine Idee zu einem großen Erfolg werden zu lassen. Die Wackenhut Corporation Wackenhut Services Incorporated wurde ein großer Erfolg. Ihre Leute arbeiten unter Vertrag in den verschiedensten Bereichen. Sie werden als Sicherheitskräfte und Wachpersonal eingesetzt, als polizeiliche Trupps, für Trainingsaufgaben und zur Feuerbekämpfung, sie arbeiten bei medizinischen Noteinsätzen, übernehmen Flughafen-Management, verfügen über Bergungsteams für abgestürzte Flugzeuge, sind für die Sicherung von Nuklearanlagen und den Transport von radioaktivem Material ausgebildet, operieren mit hochspezialisierten Helikopterteams und übernehmen Aufgaben zur Sicherung der geheimsten Regierungsanlagen. Zusätzlich sind sie auch mit Wartung und Betrieb großer und entsprechend komplexer Anlagen vertraut. Kein Wunder, daß eine solche Gesellschaft im Jahr 2001 schließlich im FortuneMagazine in die Liste von »Amerikas meistbewunderten Unternehmen« eingereiht wurde sowie in die Forbes-Platin-400-Liste von »Amerikas besten Großunternehmen«. Die Wackenhut-Aktivitäten sind allerdings nicht nur auf die USA beschränkt, sondern dehnen sich auf rund 80 Länder weltweit aus. Schon 1966 besaß Wackenhut Büros in Caracas und Venezuela. George Wackenhut hatte ein riesiges Unternehmen ins Leben gerufen. Viele der Führungsmitglieder von Wackenhut waren früher beim FBI oder auch der CIA und anderen Geheimdiensten. Hier finden sich der ehemals stellvertretende CIA-Direktor und Reagan-Verteidigungsminister Frank C. Carlucci, der ehemalige stellvertretende CIA-Chef und NSA-Direktor Vizeadmiral Bobby Ray Inman, der Ex-CIA-Chef William Rabor sowie FBI-Chef Clarence Kelly. Eine Bande von Geheimniskrämern zum Schutz der geheimsten US-Projekte. Auch alle möglichen verdächtigen Personen wurden sorgsam unter die Lupe genommen. George Wackenhut hatte eine regelrechte Vorliebe dafür und trat in die

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Fußstapfen des berühmt-berüchtigten Langzeit-FBI-Chefs J. Edgar Hoover, der ebenfalls riesige Bestände von Personendaten anhäufte. Die Wackenhut-Leute tauchten meistens dort auf, wo größere Geheimnisse nicht weit waren. Sie arbeiteten bei den Silos der Titan-Missiles auf Cape Canaveral ebenso wie für die CIA und riesige militärische Komplexe, vor allem die Nevada Test Site. Hier war es auch, daß der Name »Wackenhut« besonders stark ins Bewußtsein der Öffentlichkeit drang. In Nevada nämlich ist auch die Schattenwelt, die Schwarze Welt, noch am deutlichsten sichtbar. Die Wackenhuts bewachten dort eine mysteriöse militärisch-geheimdienstliche Anlage, deren Existenz von offizieller Seite lange komplett negiert wurde und die noch heute nicht wirklich zugegeben wird - die legendäre Area 51. Die seit kurzem wieder starken zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen unterzogene Einrichtung am Groom Dry Lake und eine zweite offenbar am Papoose Lake unter dem Namen S-4 bestehende Geheimanlage zählen zum Geheimsten, was die USA zu bieten haben. Ein Blick auf die Gebäude ist nur aus einer Distanz von 42 Kilometern von einem hohen Berggipfel aus möglich. Das rund 35 mal 40 Kilometer große Gelände wird von Sensoren, Kameras und eben Sicherheitstrupps bestens bewacht. Der Luftraum ist selbst für Militärflugzeuge gesperrt. Statt dessen tauchen am Himmel über Area 51 ungewöhnliche Lichterscheinungen auf, die für UFO-Meldungen sorgen. Verstärkt wurde die gesamte Diskussion um Area 51 durch einen Mann namens Robert Scott Lazar, der 1989 an die Öffentlichkeit ging und behauptete, er habe in versteckten Berghangars von S-4 den Antrieb eines nicht-irdischen Raumschiffs analysiert. Bob Lazar erklärte, Physiker zu sein und am Massachusetts Institute of Technology (MIT) sowie am California Institute of Technology (CalTech) studiert zu haben. Doch ähnlich wie bei John Philip Nichols konnten Rechercheure an diesen Hochschulen keinerlei Dokumente finden, die das bestätigen. Lazar wurde übrigens in Coral Gables geboren, einer Vorstadt von Miami, aus der auch die ehemalige

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Justizministerin Janet Reno stammt und wo sich nicht zuletzt der Sitz von Wackenhut befindet. Die Wackenhuts stellten gut gesicherte Sicherheitstrupps, die ständig um die Sperrzone von Area 51 patrouillierten, bis später der supergeheime Konzern EG&G aus Las Vegas dieses Handling übernahm. EG&G zählte zu den kontrollierenden Hauptkräften von Area 51 und legte also schließlich die Überwachung der Anlagen in eigene Hände. EG&G wird uns indirekt im Kontext mit der Schattenregierung später noch begegnen. Area 51 ihrerseits ist eine zentrale Einrichtung dieser düsteren Schattenregierung, sie vereint die geheimsten Konzerne, Nachrichtendienste und Militäroperationen in sich, als über Jahrzehnte betriebene Teststätte für TopSecret-Flugzeuge und modernste Kriegstechnologie. Neues EG&G-Wachfahrzeug vor Area 51. Hier verliert sich die Bürokratie im Dunkel, Budgetlisten des Pentagon, die bei offenen Programmen zahlreiche Details und Einzelsummen ausweisen, sind hier fehl am Platze und werden durch ein Schwarzes Budget in Milliardenhöhe ersetzt, das keine Angaben über die Projekte macht. Nur noch Kürzel und Codenamen beherrschen das Bild. Schwarze Projekte beginnen meist dort, wo die Legalität »problematisch« wird, wo Projekte nicht mehr den gesetzesmäßigen Standards entsprechen. Wie es heißt, existiert innerhalb des bereits zensierten, kodierten und undurchsichtigen Black Budget wiederum noch ein eigenes Schwarzes Budget. Dichte Nebel legen sich hier über die Unternehmungen der Regierung und noch mächtigeren Hinter-

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grund-Regierung, die ihre Finanzen aus Quellen bezieht, von denen niemand in der Öffentlichkeit etwas wissen darf. Hinter den Fassaden der mächtigen Behörden, die allesamt natürlich nur zum Wohle der Bevölkerung undercover arbeiten müssen, können sich, ähnlich wie in den Indianerreservaten, fern jeglicher Kontrolle die ungeheuerlichsten Machenschaften abspielen. Das Netzwerk der Schwarzen Welt, geheime Untergrundanlagen und abgelegene, hoch gesicherte Geheimbasen, dienen als operative Knotenpunkte der Schattenregierung. Da finden sich beispielsweise in mächtigen alten Atomlagern, die von Wackenhuts bewacht werden, illegale Drogen. Ein obskures Genie Der Wackenhut-Konzern verwaltet gleichfalls die »Zentrale Trainings-Akademie« des Atomenergie-Ministeriums - die mitten auf der Kirtland-Luftwaffenbasis gelegene Central Training Academy (CTA), die sich um die Sicherung aller Nuklearwaffen dort kümmert. Was eine direkte Wackenhut-Verbindung zu Drogen-

Testanlagen auf der Kirtland Air Force Base.

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Operationen betrifft, so gehen schon lange verschiedene Gerüchte darüber um. Wackenhut wurde eine extensive Beteiligung an Waffen- und Drogenoperationen einer verschworenen Gruppe nachgesagt, die unter dem Namen »Black Rose« agiert und von der schon im Zusammenhang mit dem COM-12-Briefing die Rede war. Vielleicht geht die »Verschwörungstheorie« hier ein wenig zu weit, vielleicht ist aber auch ein kleiner Exkurs zur Rose angebracht. Denn dieses Symbol taucht wiederholt bei den Themen auf, die hier zur Diskussion stehen. Daß die Anwaltskanzlei, der sich Bill Clintons Frau Hillary anschloß und die deutlich in den Mena-Skandal verwickelt war, ausgerechnet »Rose Law Firm« hieß, ist blanker Zufall. Denn sie wurde 1865 nach dem Juristen und Linguisten U. M. Rose so benannt. Daß aber beispielsweise ein Schiff im Besitz korrupter Beamter des Chicagoer Finanzamtes in »California Rose« umbenannt wurde, könnte mehr bedeuten. Die »California Rose« war gleichermaßen schwimmendes Casino und Geldwaschanlage im zentralen Dunstkreis der Drogenmafia. Die Rose als Symbol verdeckter Drogenoperationen und Verschwörungen? Immerhin wurden im alten Griechenland die Gäste an Festen zu Ehren des Rauschgottes Dionysos mit Rosen bekränzt, denn sie sollten den Kopf kühlen und den Angeheiterten davor bewahren, Geheimnisse preiszugeben. Durch diesen Brauch wurde die Rose zum Symbol der Verschwiegenheit. Nicht umsonst finden sich an Beichtstühlen oft fünfblättrige Rosen, wobei unter der lateinischen Redewendung »sub rosa« schlicht »unter dem Siegel der Verschwiegenheit« gemeint war. Der Barockdichter Wolf Helmhard von Hohberg mahnte aber auch: »Gleich wie die Rose nie ohn Dörner wird gesehn, so pflegts auch in der Welt gemeiniglich zu gehen. Mit Bösen sind vermischt die Frommen; diese kennen Der Herr wird als sein Volck, wann jene müssen brennen.« »Black Rose«, Drogen und Waffen dirigieren uns auch wieder zurück zu den heimlichen Vorgängen auf dem Terrain der

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Cabazon-Indianer. Sie führen uns auch zu einem Namen, der in diesem Buch bereits immer wieder genannt wurde: Michael James Riconosciuto. Dieser Mann ist eine jener typischen zwielichtigen und schillernden Erscheinungen, wie sie entweder einem schlechten Thriller oder einer echten Story entstammen. Riconosciuto bewegt sich ständig in einer schattenhaften Übergangszone, in der nie klar ist, was noch wahr und was bereits erdichtet ist. Viele seiner Aussagen, selbst die unglaublicheren, haben sich aber doch bestätigt. Sein exzellentes Insider-Wissen verblüffte immer wieder, er kannte die Geheimdienste und ihre Ränke sehr genau. Und er bewies schon als Kind eine überragende Intelligenz. Riconosciuto bastelte bereits im Alter von zehn Jahren erstaunliche Geräte und haute sogar Telefongesellschaften übers Ohr, weil er die Technik dahinter verstand und für die eigenen Zwecke nutzte. Schon damals faßte er wohl diese Art von Betrug gewissermaßen als das »Recht des Klügeren« auf. Als Teenager bastelte er an der Lichtverstärkung durch stimulierte Strahlungsemission - mit anderen Worten, er baute einen funktionierenden Laser. Der Nobelpreisträger Arthur Schalow erinnert sich gut, als er Riconosciuto damals begegnete, und meint: »Man vergißt doch keinen Sechzehnjährigen, der mit seinem eigenen Argon-Laser erscheint!« Die Familie Riconosciuto hatte schon lange mit Technik, chemischen Experimenten und geheimnisvollen Aktionen zu tun. Bereits im neunzehnten Jahrhundert hatten Vorfahren von Michael James eine Dynamitfabrik in Kalifornien betrieben Hercules Powder. Sie wurde im Ersten Weltkrieg zum größten Hersteller von Trinitrotoluol, jenem hochexplosiven konventionellen Sprengstoff, der besser unter seinem Kürzel TNT bekannt ist. Marshall Riconosciuto, sein Vater, und Michael selbst führten später dann die Hercules Research Corporation und waren als Freunde von Präsident Richard Nixon politisch aktiv. Michael James Riconosciuto betätigte sich in vielerlei Hinsicht technisch und spielte geradezu mit unglaublichen Erfindungen. Samuel Cohen, der »Vater der Neutronenbombe« (1958),

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soll über ihn gesagt haben: »Er ist ein außergewöhnlich intelligenter Kerl. Ich habe auch ein Gefühl, welches ich jedoch nicht belegen kann, daß beide [Riconosciuto und sein Partner Lavos] für die CIA arbeiten.« Etwas zynisch gesagt, das paßte auch hervorragend zu seiner Anfälligkeit für Drogen. Michael James hatte sich ein eigenes Drogenlabor eingerichtet. Schon immer war sein Weg von ziemlich undurchsichtigen Aktivitäten gekennzeichnet. Von der Stanford-Universität kommend, zog Riconosciuto nach Haight-Asbury in San Francisco. Dort arbeitete er für eine Untergrundzeitung und gelangte in den Besitz einiger Fotos, die angeblich einen Drogenbeauftragten beim Sex mit einer Minderjährigen zeigten. Das Blatt veröffentlichte die Bilder, und Riconosciuto kam für zwei Jahre ins Gefängnis - wegen Herstellung psychedelischer Drogen. Er spricht von der Rache des Drogenbeauftragten. Nach der Entlassung ging es bald weiter mit obskuren Aktivitäten. Riconosciuto behauptet, er sei Forschungs-Chef bei dem Joint Venture gewesen, das zwischen den Cabazon beziehungsweise John Philip Nichols und Wackenhut bestand und mehrere Aufgabenbereiche verfolgte. Michael James will im Reservat mit der Veränderung der PROMIS-Software beschäftigt gewesen sein. Das erzählte er auch dem Inslaw-Chef Bill Hamilton, den er erstmals am 18. Mai 1990 anrief. Laut Riconosciuto hatte der damalige Justizminister Edwin Meese die Software an Dr. Earl Brian und Peter Videnieks gegeben, die das Projekt Cabazon-Wackenhut beaufsichtigten. Und dann kam eben Computergenie Riconosciuto ins Spiel. Er kam somit natürlich gleichfalls ins Spiel von Danny Casolaro. Ihm erzählte er auch, er sei unschuldigerweise ins Gefängnis gekommen, nur weil sich der Drogenbeauftragte damals an ihm rächen wollte. Nach allem, was Casolaro mit der Zeit über Riconosciuto und seine Aktivitäten mitbekommen hatte, glaubte er ihm zumindest diese Geschichte nicht. Dennoch betrachtete auch er ihn als wichtige Person und wesentlichen Informanten über die Ränke des »Oktopus«. Immerhin hatte ihn Riconosciuto mit anderen bedeutenden Zeugen zusammenge-

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bracht, unter anderem mit dem dann schon im Januar 1991 umgebrachten NSA-Mann Alan David Standorf. Die gestohlene Software, die zu Spionagezwecken umfunktioniert wurde, war nicht das einzige streng geheime und illegale Projekt, das unter dem Schutz des Reservats bei den Cabazon durchgeführt wurde. Hier ging es auch um die Produktion fortschrittlicher Waffentechnologie, darunter hochenergetischer Sprengstoffe wie die fuel-air-explosives, kurz: FAX, und biologischer wie chemischer Waffen. Riconosciuto sagte unter Eid aus, daß die Cabazons und Wackenhut als Mittelspersonen zwischen der Pentagon-Behörde DARPA (Defense Advanced Research Projects Agency) und den Stormont Laboratorien bei Woodland nahe Sacramento dienten. Stormont gab später zu, mit Biowaffen gearbeitet zu haben. Das relativ kleine Labor des Dr. Clyde J. Stormont, eines emeritierten Professors der Universität of California, UC Davis, erwies sich ohnehin als ein düsteres, undurchschaubares Kabinett. Schockierte Landbesitzer nahe der UC Davis hatten auf dem Terrain vergrabene tote Beagle-Hunde gefunden, die radioaktiv verstrahlt waren. Stormont wurde darauf unter Verdacht auf Strahlenexperimente angeklagt.

CIA innerhalb der CIA Bei der Produktion von Waffen und Explosivstoffen auf Cabazon konnte Riconosciuto offenbar nicht nur auf seine »familiären« Erfahrungen zurückgreifen, sondern auch darauf, daß er mit Gerald Bull von der Space Research Corporation zusammenarbeitete, so behauptete der drogenbesessene Computerfreak zumindest. Gerald Bull für seinen Teil war ein waffenbesessener kanadischer Wissenschaftler, der »Superkanonen« für den Irak bastelte, nachdem er vorher für Israel und Südafrika gearbeitet hatte. Bulls Aktivitäten erwiesen sich als mehr denn nur störend, folglich mußte er bald den Weg des Vergänglichen gehen. Der Autor und Ex-Mossad-Agent Victor Ostrovsky berichtete darüber:

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»Die psychologische Abteilung des Mossad hatte die Lage, in der Dr. Bull sich befand, sehr genau studiert und alles, was über seinen Charakter bekannt war, analysiert. Man war zu dem Ergebnis gekommen, daß er unter Drohungen seine Arbeit nicht aufgeben, sondern ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit weitermachen würde. Das hieße allerdings nicht, daß er gelassen bliebe. Im Gegenteil kam man zu dem Schluß, daß man ihn durch die Drohungen sehr wohl in Schrecken und starken Streß versetzen könnte. Aber, wie gesagt, er würde nicht aufgeben.« Also mußte er weg. Für Exekutionen gibt es ein spezielles MossadKommando: ein sogenanntes Kidon-Team (»Bajonet«-Team). Bull wurde im März 1991 - offenbar ein gefährliches Jahr - in einem Fahrstuhl in Brüssel durch einen Genick- und Kopfschuß getötet ... Die hochexplosiven FAX-Waffen von Cabazon wurden, wie es heißt, in Zusammenarbeit mit der Firma Meridian Arms auf der riesigen Nevada Test Site erprobt, dort, wo auch die geheimnisvolle Area 51 liegt. Und wer entpuppte sich als Chef von Meridian Arms? Vielleicht erinnern Sie sich noch an den Namen Robert Booth Nichols. Das war jener dubiose Clark-Gable-Verschnitt, den Danny Casolaro über die Hamiltons kennengelernt hatte, ohne zunächst von dessen CIA-Hintergrund zu wissen bis zehn Tage vor seinem Tod. Wie Sie sicherlich schon vermutet haben, ist dieser Nichols mit jenem anderen »Cabazon-Nichols« eng verwandt, er ist nämlich dessen Sohn. Der Apfel fällt eben meistens nicht weit vom Stamme. Und damit sich der Kreis auch wirklich schön schließt, stellte sich heraus, daß R. B. Nichols kräftig beim Drogenschmuggel aus dem Libanon heraus mitmischte, zusammen mit Harold Okimoto, einem hohen Tier der japanischen Mafia. Dieser Okimoto seinerseits hatte lange für die CIA-Größe Frank C. Carlucci gearbeitet. Und der stand bekanntlich an der Spitze der Wackenhut Corporation, die auch als »CIA innerhalb der CIA« gilt. Dieses Verwirrspiel immer wiederkehrenden Namen, das die unfaßbaren Verflechtungen illustriert, das sich aber im Grunde

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niemand auf Dauer einprägen muß, wird später auf verblüffende Weise noch einmal auftauchen. Es wird automatisch mit dazu beitragen, die heutigen Zentralen des Oktopus enger einzukreisen. Was Riconosciuto, Casolaro und Robert Booth Nichols anging, so stand der Journalist wirklich zwischen zwei Fronten, wobei der eine ihn jeweils vor dem anderen warnte. Riconosciuto sprach von Nichols als gefährlichem Mann, Nichols wieder von Riconosciuto, den auch Casolaro selbst als den »Danger Man« betitelt hatte. Tatsache ist, daß der in Martinsburg umgebrachte Autor sich im Zuge seiner Recherche zunehmend ebenso für Mena wie auch für die Wackenhut-Cabazon-Thematik interessiert hatte. Er plante, dem Reservat bald selbst einen Besuch abzustatten, konnte das jedoch nicht mehr realisieren. Hätte er es getan, vielleicht wäre es ihm nicht besser ergangen. Ken Thomas und sein unter zumindest merkwürdigen Umständen verstorbener Co-Autor Jim Keith berichten von einem anonymen CIA-Informanten, der behauptete, daß Wackenhut bereits seit 1959 auf dem CabazonReservat präsent sei und daß »Leute dort unten schon seit langem verschwinden«.

Desinformation? An einem schönen, sonnigen Nachmittag saß der CabazonStammesvertreter Fred Alvarez vor seinem Haus in Rancho Mirage. Mit von der Partie war seine Freundin und ein gemeinsamer guter Bekannter. Es war an jenem Nachmittag still dort draußen, sehr still. Denn die drei waren allesamt tot, erschossen. Für jenen 1. Juli 1981 war Alvarez mit einem Juristen und ehemaligen Vorsitzenden der Cabazon verabredet, der auch die Leichen fand. Bei dem geplanten Gespräch sollte es darum gehen, wie man das Reservat wieder der Kontrolle durch Nichols entziehen könne. Später kam über James »Jimmy« Hughes, den persönlichen Wackenhut-Bodyguard von Nichols heraus, daß dieser den

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Auftrag zum Mord gegeben hatte, in den ehemalige Vertreter der Green-Beret-Einheit verwickelt waren. Nichols selbst erklärte Hughes: »Es gibt eine verdeckte Aktion der US-Regierung.« Der Sicherheitsmann ergänzte noch: »Druck von Seiten unbekannter Regierungsbehörden aus Washington, D.C., hat eine potentielle Schließung des Falles [Alvarez] bewirkt.« Thomas und Keith erinnern auch noch einmal an die beiden jungen Frauen, mit denen Casolaro kurz vor seinem Tod geflirtet hatte, und spekulieren darüber, ob sie auf ihn angesetzt waren. Wackenhuts spezieller »Detektivservice« setzt immer wieder auch junge Frauen ein, um Informationen zu erhalten. Möglicherweise versuchten die beiden Damen im »Sheraton Inn«, aus Casolaro herauszukitzeln, wieviel er schon wußte und was er möglicherweise weitergegeben hatte - und an wen. Riconosciuto fütterte den ohnehin daran interessierten Casolaro auch mit UFO-Informationen, womöglich auch, um ihn immer mehr zu verwirren. Diese Facette der Geschichte erinnert ein wenig an den Fall des Dr. Paul F. Bennewitz, eines brillanten Technikers und Inhabers der Thunder-Laboratorien direkt am Eingang zur riesigen Kirtland-Luftwaffenbasis. Nachdem er berichtet hatte, eine ungewöhnliche geheime Kommunikation aufgefangen zu haben, die seiner Ansicht nach aus der »Alien«-Basis unter der Archuleta-Mesa in Dulce stammte, wurde er von der CIA systematisch in den Verfolgungswahn getrieben. Offenbar scheint es in Dulce tatsächlich ein bedeutenderes Rätsel zu geben. Verblüffend ist auch, einmal ganz nebenbei bemerkt, wie oft wir den Auslandsgeheimdienst CIA bei nationalen Aktivitäten ertappen. Casolaros Interesse an der in vielerlei Hinsicht zentral an mit der Schattenregierung verbundenen Geheimbasis in Nevada, jener Area 51, schlug sich auch in verschiedenen seiner Notizen nieder. Einige davon sind allerdings unklar geblieben. So erwähnte er einen kleinen Ort in Pennsylvania - Tonoma - und einen Einwohner namens Fred Dick. Doch nichts dergleichen läßt sich verifizieren. Wer dieser Mr. Dick war, ließ sich nicht herausfin-

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den, auch nicht mit Hilfe späterer Notizen, in denen nun von Tonomopah in Nevada die Rede war. Ein »Tonomopah« gibt es allerdings dort nicht, doch sehr wohl eine Stadt mit dem Namen Tonopah - und die war wohl auch gemeint. Hier befindet sich eine weitflächige Testeinrichtung, die in gewisser Verbindung mit Area 51 steht. War Mr. Dick vielleicht hier zu suchen? Doch bisher ließ sich seine Spur nicht aufnehmen. Als Riconosciuto wegen seiner Drogengeschichten wieder im Gefängnis landete, fing er an, immer unglaublichere Dinge zu erzählen. Das war bereits nach dem Tod Casolaros.

Zufahrt zum Tonopah Range. Bei einem Gespräch mit dem amerikanischen Reporter Michael Lindemann erwähnte Riconosciuto ebenfalls eher ungewöhnliche Geschichten. Er bezog sich auch auf den Absturz eines Helikopters über der Nevada Test Site. Dieser Zwischenfall hatte sich nur wenige Tage vor dem Tod Casolaros ereignet, am 24. Juli 1991. Damals erschien in der Los Angeles Times auch ein Artikel darüber. Bei dem Unglück kamen fünf Menschen ums Leben. Riconosciuto will die Hintergründe des Fluges gekannt haben. Wie er sagt, war er eingeweiht, daß dabei Geheiminformationen aus der Basis herausgeschmuggelt werden sollten. Im folgenden einmal ein Ausschnitt aus jenem Telefon-Interview:

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M. L.: Ich habe vom Absturz gehört. Sagen Sie, daß das eine Gruppe von, nennen wir sie einmal so, von Abtrünnigen innerhalb [der Geheimhaltung] war, die versuchten, sich aus dem Staub zu machen, und daß Wackenhut sie abgeschossen hat? Ist das Ihre Behauptung? M. R.: Ja! M. L.: Gibt es mehr, als Sie darüber sagen können? M. R.: Nicht am Telefon. M. L.: Wußten Sie davon, bevor es sich ereignete? M. R.: Ja, ich erzählte es einer Handvoll Leuten und daß wir hofften, einen großen Stoß von Informationen von dort rauszuschaffen. M. L.: Wollten sie aus Nellis heraus? M. R.: Nicht aus Nellis, aus der Nuclear Test Site. M. L. Und auf was bezogen sich die Informationen, die Sie versuchten rauszuschaffen? M. R.: Raten Sie! Ich möchte nicht einmal drüber sprechen. Das Schlimmste! M. L.: Das Allerschlimmste? M. R.: Ja. Waren das Anspielungen auf verschiedene Gerüchte über die unheimlichen Experimente in geheimen Untergrundbasen? Wollte Riconosciuto wirklich andeuten, daß daran irgend etwas Wahres sei? Oder gar das, was man landläufig als »Alien Technology« bezeichnete? Lindemann, der sich seinerseits sehr für diese Themen interessiert, fragte weiter: M.L.: Jemand aus Ihrem Kreis schien anzudeuten, daß dort eine Technologie in Betrieb sei, die das Erscheinungsbild einer »fliegenden Untertasse« besitzt, aber absolut irdischen Ursprungs ist. Können Sie das kommentieren? M. R.: Sicher, wir hatten einige Antriebssysteme, die, lassen Sie es mich so ausdrücken, ziemlich erstaunlich waren. M. L.: Funktioniert dieses Zeug auch? M. R.: Oh, ja, das funktioniert.

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M. L.: OK, also, es gibt dort Fahrzeuge. Zählten sie zum Arsenal oder war das eine Art abgefahrene und verrückte Randgruppen-»Wissenschaft«? M. R.: Nein, nein, sie sind Bestandteil des Arsenals. Das ist kein Spinnerkram, es ist alles gut fundiert, alles sehr real. Ich habe an Teilen davon gearbeitet. Ich war bei Teams tätig, die an diesen Dingen gearbeitet haben, und ich habe sie mit meinen eigenen Augen gesehen. Das einzige, wovon ich abgeschirmt worden bin, das ist jeder WIRKLICHE (außerirdische) Kontakt. Daß ich niemals damit in Kontakt gebracht wurde, nun, dieser Teil der Angelegenheit ist mir gegenüber tatsächlich minimiert worden. M. L.: So, wie Sie das sagen, bekomme ich den Eindruck, als nähmen sie an, daß es dort Extraterrestrische gibt. M. R.: Ich habe kein direktes Wissen darüber, OK? Das ist alles. Es gibt dort eine Menge seltsamer Technologie, eine Menge extra massiver Sicherheitsmaßnahmen, OK? Jeder, der bis zu einem bestimmten Punkt dieser Absicherung vordringt, ist entweder sofort tot oder verschwindet. Ein in der Tat ungewöhnliches Gespräch. Hatte der ohnehin dubiose Riconosciuto nun jeden Realitätsbezug verloren? Vielleicht wollte er auch nur von den tatsächlichen Geheimnissen ablenken. Es ist wohl müßig, Fragen um die »außerirdische Komponente« klären zu wollen. Dazu kursieren zu viele Desinformationen und Berichte, die sich nicht einmal von einer staatlich bezahlten Organisation recherchieren und auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersuchen lassen könnten. Astronomen sind zwar überzeugt, daß es irgendwo im All andere intelligente Lebensformen gibt, doch in Anbetracht von Distanzen, Energien und Zeiträumen sagt die Gegenwartsphysik »Nein« zur Möglichkeit, daß fremde Wesen unseren Planeten besuchen. Wir können die interessanten Zeugenberichte sowie offizielle Dokumente sichten und sammeln, wir können sie anekdotisch hinnehmen, aber wir können augenblicklich keine Beweise liefern. Und das ist die Crux.

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Und wieder sind wir an den Unterschied zwischen »unbewiesen« und »widerlegt« erinnert. Die meisten Geschichten über UFOs und Außerirdische entstammen eindeutig dem Reich der Phantasie. Es gibt jedoch einen durchaus verblüffenden »Bodensatz« an gut belegten Informationen, die sich nicht leicht erklären lassen. Daher steht auch niemandem zu, sich lustig über das Thema selbst zu machen, nur weil offizielle Beweise ausstehen. Der deutsche Astronom Prof. Dr. Erich Übelacker nahm zu dieser Frage im Frühjahr 2002 eine ausgewogene Haltung ein, als er resümierend feststellte: »Trotzdem sind nicht alle UFO-Erscheinungen so einfach erklärbar. Es gibt leuchtende Scheiben, die Elektronik von Flugzeugen beeinflussen oder auf Radar reagieren. Auch behaupten Menschen immer wieder, von Außerirdischen entführt und verletzt worden zu sein, ein Phänomen, das übrigens schon sehr alt ist und auch im Mittelalter vorkam. Bei allen diesen Dingen kann es sich um das Wirken ferner Zivilisationen, aber auch um Naturerscheinungen oder psychopathische Phänomene handeln, die heute noch nicht erklärbar sind ... Immer wieder wird gefragt, warum sich die Außerirdischen, wenn es sie gibt, nicht besser zu erkennen geben. Eine Antwort auf diese Frage ist die sogenannte Zoo-Hypothese, nach der wir wie Tiere im Gehege nur beobachtet, aber nicht beeinflußt werden. Auch kommt immer wieder die Frage auf warum irgendeine Nachbarwelt nicht einige tausend Jahre weiter als wir ist und längst große Teile unserer Galaxie besiedelt hat. Sind ausgerechnet wir am weitesten fortgeschritten, oder sind wir ganz einfach doch alleine im All? Vielleicht wird das neue Jahrtausend eine Antwort auf diese auch in unserer fortschrittlichen Zeit verbliebenen Fragen bringen.«

Rätsel um BO-105 Auch wenn der geniale Michael James Riconosciuto viele Geheimnisse über den DoJ-Software-Klau, über Drogenoperationen,

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die Schwarze Welt, den Oktopus oder das Cabazon-WackenhutUnternehmen kennt, scheint er oft auch falsche Informationen eingestreut zu haben und zu Überzeichnungen zu neigen. So sind auch seine Geschichten über die Vorgänge auf Area 51 nicht bewiesen. Was den Hubschrauber-Absturz selbst betraf, so gab es jedenfalls schon einige Ungereimtheiten. Der Helikopter vom Typ Eurocopter BO-105 raste in einem abgelegenen Bereich des Testgeländes nordwestlich von Las Vegas in eine Starkstromleitung hinein und stürzte dabei ab. An Bord befanden sich zwei Piloten, die bei einem Vertragspartner des Atomenergie-Ministeriums DOE (Department of Energy) beschäftigt waren - dem auf Area 51 federführenden Konzern EG&G beziehungsweise seiner Abteilung Energy Measurements. Außerdem waren drei Security-Leute von Wackenhut an Bord. Ungewöhnlich war der sehr geringe Bodenabstand von nur rund 40 Metern und die demgegenüber hohe Fluggeschwindigkeit von über 150 Stundenkilometern. Nicht zu vergessen, der Vorfall ereignete sich in der Nacht, die Piloten steuerten den Helikopter mit Unterstützung von Anvis-6-Nachtsichtgeräten. Man versuchte jene seltsamen Daten später zwar durch Mißmanagement des DOE und auf der Test Site zu erklären, doch befriedigt diese Auslegung nicht. Tatsächlich schien es so, als ob die Piloten versuchten, die Maschine eiligst aus dem Sperrgebiet herauszufliegen. Über Abfangjäger, die möglicherweise die Verfolgung aufnahmen, ist nichts bekannt. Es gibt noch etwas Seltsames an jenem Flug. In einem ganz anderen Zusammenhang existiert eine kleine NASA-Notiz über den Kunstmaler James L. Cunningham. Er hatte Bilder mit kosmischen Motiven für die amerikanische Weltraumbehörde gemalt. Zehn Jahre lang war er am Kunstprogramm der NASA beteiligt. Sein letztes Bild trug den Titel »Flug, Raum und Zeit«. Wie es in der NASA-Meldung heißt, kam Cunningham am 24. Juli 1991 bei einem Hubschrauber-Absturz ums Leben. Er habe sich auf dem Rückflug von einem NASA-Kunstauftrag befunden. Diese Information ist verwirrend. Offenbar waren keine weiteren Personen an Bord des

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B0-I05-Hubschraubers. Gab es einen zweiten Helikopter-Absturz am 24. Juli jenes Jahres? Davon ist zumindest nichts bekannt. Wenn aber Cunningham tatsächlich mit dem Eurocopter über der Test Site unterwegs war, dann muß er wohl noch einen anderen Job gehabt haben als den eines Kunstmalers. Fraglich ist auch, um was für einen NASA-Auftrag es sich gehandelt hatte. Man sollte dem Absturz vom 24. Juli 1991 wohl einmal genauer nachgehen. Vielleicht wird sich die Geschichte nur als eine von tausend Sackgassen erweisen, wie sie jede Recherche kennt, vielleicht aber wird sie auch zusätzlich Licht ins Gewirr um den geheimen Oktopus bringen. Der 24. Juli 1991 war noch in anderer Hinsicht ein ungewöhnlicher Tag. Während vor allem die Entdeckung des Massenmörders Jeffrey Dahmer aus Milwaukee landes weit für Aufsehen sorgte, gab es noch einige stillere Enthüllungen. An jenem ereignisreichen Tag sagte der ehemals für die Steuerbehörde IRS tätige Ermittler William Duncan aus, daß Juristen der Behörde ihm empfohlen hatten, den Kongreß hinsichtlich eines IRS-Topmannes zu belügen. Diese Führungskraft sei bestochen worden, eine Bundesuntersuchung zum Entgleisen zu bringen, die Barry Seals Aktivitäten in Mena zum Inhalt hatte. Daraufhin verließ Duncan den IRS im Jahr 1988. Am 24. Juli 1991 sagte er dann über das Maß der unethischen Praktiken innerhalb des IRS aus. Er habe in den vergangenen 18 Monaten Beweise gesammelt, die zeigten, daß der Flughafen von Mena geradezu ein Dreh- und Angelpunkt für illegale Drogentransporte und Waffenschiebereien war. Kurz vor Casolaros Tod war also noch einiges los ... Der Journalist mußte sterben, der Oktopus aber lebte munter weiter. Seinen neueren Auswüchsen werden wir bald begegnen. Und der verbrecherische John Philip Nichols, der das CabazonWackenhut-Projekt ins Leben gerufen hatte? Was wurde aus ihm, der laut Casolaro gleichfalls Mitglied des Oktopus war? Nichols überlebte den neugierigen Reporter um rund zehn Jahre und starb am 19. Mai 2001 in einem Krankenhaus, das ausgerechnet nach einem der berühmtesten Opfer des Kraken benannt war - im John

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F. Kennedy Hospital in Indio. Über die Todesursache ist nichts Näheres bekannt, doch seine Familie sprach davon, daß er schon lange krank war. Nichols, so scheint es, starb eines ganz natürlichen Todes.

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Kapitel 7

EINE GEHEIMNISVOLLE GRUPPE Das »Secret Team« Anfang der 1970er Jahre veröffentlichte der am 5. Juni 2001 verstorbene amerikanische Colonel L. Fletcher Prouty, seines Zeichens absoluter Pentagon-Insider, ein wahrhaft sensationelles Buch mit dem schlichten Titel »The Secret Team«. Dieses Buch befaßt sich vorwiegend mit der Situation im Zweiten Weltkrieg und den darauf folgenden beiden Jahrzehnten. Das Bild, das Prouty hier von der Entwicklung einer supermächtigen Gruppe in den Reihen der CIA zeichnete, entspricht sehr genau dem, das auch Casolaro und andere sich vom »Oktopus« machten. Bekannt ist er schon lange und wird mit den unterschiedlichsten Namen angesprochen. Seine Agenten entstammen einem engen Umfeld mit dennoch großer Streubreite; über die Jahre ändern sich die Namen der Hauptakteure und Organisationen, die jene Schattenregierung führen. Die Ziele bleiben jedoch gleich. Vor allem, wer nicht nur das Ungetüm an sich beschreiben will, sondern auch die aktuellen Namen der mit ihm verbundenen Individuen nennt, macht sich beim »Oktopus« oder »Secret Team« nicht gerade beliebt. Proutys beeindruckendes Buch fand auch größtes Interesse ganz diColonel Fletcher Prouty. rekt bei seinem eigenen Hauptthema und wurde noch vor dem Druck ausspioniert. Ein hochrangiger Militär kaufte gleich eine ganze Auflage auf, weniger aber, um den Autor zu ehren oder das Werk zu verbreiten, sondern, um es

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möglichst schnell vom Markt verschwinden zu lassen. Denn hier »plauderte« ein Insider, hier berichtete ein Mann, der jahrzehntelang für CIA-Operationen und Pentagon-Information zuständig war, über den »modus operandi«, dem die Schattengesellschaft folgt. In einem späteren Vorwort zu einer über das Internet einsehbaren Neuausgabe seines Buches (http://www.ratical.com/ ratville/JFK/ST/ST.html) schreibt Prouty 1997: »Ob man es mag oder nicht, wir leben nun im Zeitalter der >Einen WeltSecret Teams< und seiner Meister. Wir sind nun, trotz einer allgemein gegensätzlich lautenden Mythologie, die abhängigste Gesellschaft, die je gelebt hat...« Colonel Prouty gibt zu bedenken, daß wir allesamt sofort hilflos sind, wenn dieses System einmal plötzlich zusammenbricht, und zeigt ein uraltes Gesetz auf, während er Rudyard Kipling zitiert: »Transport ist Zivilisation« - im Umkehrschluß ergibt sich ein Rückfall in den Zustand der Barbarei, sobald keine Transportmöglichkeiten mehr existieren. Wir sind abhängig von Nahrungsketten. Sobald der nächste Großmarkt keine Nahrung mehr im Regal hätte, wüßten wir nicht mehr, woher wir unsere Grundversorgung beziehen könnten. Wir sind allesamt abhängig, abhängig von Nahrung, von Wasser, von Strom. Alle, die wir uns so unabhängig wähnen, die wir uns andauernd so selbständig preisen, die wir freudig kaufen, weil man uns einredet, daß wir es uns wert seien - wir, die wir zu einer dümmlich egomanen Gesellschaft erzogen werden, merken nicht, daß wir armen Würstchen an einer unsichtbaren Nabelschnur hängen. Und diese Nabelschnur versorgt uns, solange das im Willen der Mächtigen liegt.

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Die bittere Wahrheit ist: Niemand von uns ist unabhängig. Das ist nur das »geheime Team«. Und wer diese Tatsache negiert, indem er die bloße Feststellung als Verschwörungstheorie anspricht, mag schlichtweg nur nicht bereit sein, den Tatsachen ins finstere Auge zu blicken. Auch möglich, allerdings sehr viel seltener der Fall: Der Skeptiker gehört selbst zu den Mächtigen. »Es agiert unabhängig. Es ist gesetzlos«, so sagt Colonel Prouty. »Es operiert überall mit den besten aller unterstützenden Einrichtungen spezieller Waffensysteme und fortgeschrittener Kommunikation, mit der Versicherung, daß seine Mitglieder nie strafverfolgt werden. Es untersteht der Machtelite und wird von ihr geschützt. Die Machtelite muß kein Hochadel sein in unseren heutigen Tagen. Sie erreicht ihn oder aber ist sogar noch besser.« Der über die Hintergründe gut informierte Oberst erinnert an die subtile Vorgehensweise der Mächtigen, wie sie schon immer beliebt war, und an einen Satz, den König Heinrich II. aussprach, als er sich des Erzbischofs von Canterbury, Thomas Beckett, entledigen wollte: »Wer befreit mich von diesem Mann?« Das war der indirekte Auftrag zum Mord, doch ohne explizit zu werden Lieder ohne Worte. Es war ein »Wunsch, der in der Luft schwebte, nicht mehr«, so drückt Prouty es aus. Und dieser Wunsch war immerhin vier Rittern König Heinrichs Befehl. So wird's gemacht! Und so machen es auch die Mächtigen von heute, beispielsweise ein Direktor der CIA. Wie definiert Prouty die Ausführenden der Unsichtbaren Regierung? »Das Secret Team besteht«, so beginnt der Colonel seine Darstellungen, »aus Einzelpersonen mit Sicherheitsfreistellungen innerhalb und außerhalb der Regierung, die geheime, nachrichtendienstliche Daten erhalten, wie sie von der CIA und der National Security Agency (NSA) gesammelt worden sind, und die auf diese Daten reagieren, sobald es ihnen angemessen erscheint. Das geschieht mit halbmilitärischen Plänen und Aktivitäten ... Die Mitgliedschaft in diesem Team, gewährt auf einer >need-to-knowWild Bill< William J. Donovan, und in der CIA. Die Macht des Teams stammt von seiner gigantischen, innerhalb der Regierung liegenden Undercover-Infrastruktur und seinem direkten Verhältnis zur großen Privatindustrie, zu Stiftungen und Investmentfirmen, zu Universitäten und den Nachrichtenmedien inklusive aus- und inländische Verlagshäuser. Das Secret Team unterhält sehr enge Verbindungen mit Machtelementen in mehr als sechzig Ländern und ist nach Belieben dazu in der Lage, beinahe überall in der Welt Regierungen zu stürzen, Regierungen zu schaffen und Regierungen zu beeinflussen ... Das Secret Team liebt Kritik nicht, auch keine Nachforschungen oder die Historie, und es ist stets anfällig dafür, die Welt in zwei Lager aufgespalten zu sehen - >sie< und >uns< ...Im Herzen des Teams findet sich natürlich eine Handvoll von Top-Ausführenden der CIA und des National Security Council (NSC), vor allem der Chef-Berater des Präsidenten im Weißen Haus zum Thema Außenpolitik. Darum kreist eine Art innerer Ring von Präsidialbeamten, Zivilisten und Militärs aus dem Pentagon und Karriere-Professoren aus der Intellektuellen-Gemeinde. Es ist oft ziemlich schwer, exakt zu sagen, wieviele dieser Männer es wirklich gibt. Denn einige von ihnen tragen eine Uniform und den Rang eines Generals und stehen in Wirklichkeit im Dienst der CIA, und andere mögen ganz unverdächtig als Assistent irgendeines leitenden Stellvertreters eines Kabinett-Beamten fungieren.« Damit ist die Kernregion des geheimen, global ungehindert operierenden Teams erfaßt. Nach außen, so Prouty, schließt sich diesem Ring ein Netzwerk von Regierungsvertretern an, die für Spezialbereiche zuständig sind, welche Fragen nationaler Sicherheit betreffen oder sich mit Außenangelegenheiten befassen. Auch hier spielen Personen eine Rolle, die von Berufs wegen gute Einblikke in wichtige Strukturen der Welt besitzen - höchstrangige Ge-

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schäftsleute, Analytiker von Denkfabriken (»Think Tanks«), spezialisierte Akademiker mit Fachkenntnissen zu bestimmten Techniken oder geographischen Gebieten und so fort.

Carlyle So bleibt die Gesamtstruktur des Kraken undurchschaubar und komplex, sie ist dynamisch und vielfältig. Beteiligt sind letztlich zahlreiche Einzelpersonen sowie viele eigene, machtvolle Organe. Federführend aber sind schon seit langem relativ wenige Personen in CIA-Spitzenpositionen, Leute, die oft auch als Mitglieder des Council on Foreign Relations zu finden sind. Natürlich entdecken wir »ehemalige« Repräsentanten der CIA auch wieder als Vorsitzende von Hightech-Konzernen mit meist recht geheimnisvollen Verbindungen, Vertragspartnern und Aufgabengebieten. Die Symbiose ist weitreichend. Militär, Industrie und Geheimdienste arbeiten in einigen Bereichen Hand in Hand. Die mysteriöse Area 51 ist als Kind der CIA ein wesentliches Beispiel für eine multifunktionelle Einrichtung, in der verschiedene Organe vertreten sind. Abgesehen von der CIA selbst sind hier die US-Luftwaffe, die Marine, die NSA, der Satelliten-Geheimdienst NRO (National Reconnaissance Office) sowie Konzerne wie Lockheed-Martin, Northrop, Hughes Aircraft, Bechtel, Raytheon, E-Systems oder EG&G vertreten. EG&G hatte lange die Fäden von Area 51 in der Hand - mittels EG&G Technical Services; dann, im August 1999 wurde EG&G von der Carlyle Group übernommen. Damit hatte sich Carlyle in den Kern von Area 51 eingekauft. Während sich der Oktopus laut Casolare in den 1960er Jahren vor allem in der gewaltigen Bunge Corporation wohnlich eingerichtet haben soll, hat er sich nun ganz offenbar in Gestalt der Carlyle Group ein angemessenes neues Zuhause fürs 21. Jahrhundert geschaffen. Nachdem besonders die aus dem RockefellerZirkel entstammenden geheimnisvollen Organisationen wie -

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allen voran - der CFR mehr und mehr in die Schlagzeilen geraten sind, erschloß sich das »Secret Team« andere, möglichst unrela-tiviert wirkende Wege. Unter anderem bestanden sie darin, sich in privaten Konzernen zu manifestieren, besonders da das Mißtrauen in Regierungsinstitutionen und verwandte Gebilde wie den CFR immer größer wurde. Die Carlyle Group ist ein milliardenschweres Unternehmen. Ihre Story ist die eines unglaublich steilen Erfolges, eines Erfolgs, der ihr in allerkürzester Zeit zuteil wurde. Es war zufälligerweise dasselbe Jahr, in dem auch der Ives-Henry-Mord stattfand und die Mena-Drogenküche auf Hochtouren kochte, als die Carlyle-Gruppe gegründet wurde. Ein Carter-Mitarbeiter des Weißen Hauses, David M. Rubenstein, legte im Jahr 1987 zusammen mit zwei Investment-Spezialisten den Grundstein für dieses Unternehmen, das sie schlichtweg nach ihrem Lieblingshotel in New York benannten. Ihr damals noch vergleichsweise »schmaler« Geldbeutel spuckte 100 Millionen US-Dollar für das Projekt aus. Heute bringt es Carlyle auf einen satten Umfang von etwa 13 Milliarden Dollar. Vor allem im Verteidigungsbereich ist Carlyle hochaktiv. Im Jahr 2001 fand die jährliche Konferenz des Erfolgskonzerns im feinen »Ritz-Carlton«-Hotel in Washington statt. Der Zufall wollte es scheinbar, daß ihr Termin auf den »düstersten Tag Amerikas« fiel, den 11. September 2001. Und mit dem Niederbrechen der beiden mächtigen Türme des World Trade Centers einerseits schnellten die sicheren Aussichten auf neue Milliardengeschäfte bei Carlyle andererseits in die Höhe. Denn bekanntlich wurden sofort gewaltige zusätzliche Summen für die Verteidigung sowie den »War On Terrorism« locker gemacht, und Carlyle befand sich in der allerbesten Position, diese Gelder in Empfang zu nehmen. Nach Angaben des New Yorker Journalisten Mark Fineman konnte Carlyle allein im Monat Dezember 2001 durch Geschäfte mit United Defense Industries - dem fünftgrößten Armee-Kontraktor der USA - rund 237 Millionen US-Dollar einnehmen. Schon die Adresse des Carlyle-Konzerns ist Ausdruck seiner

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Bedeutung: Er residiert in der Pennsylvania Avenue in Washington, D.C., mitten im Regierungsviertel und ziemlich genau auf halbem Weg zwischen Weißem Haus und Kongreß. In beide Richtungen sind es nur rund fünfzehn Minuten zu Fuß. Wir erinnern uns dabei auch an die Worte von Fletcher Prouty, daß sich die zentralen Organe des »Secret Team« tatsächlich auch stets im Washingtoner Regierungsumfeld befinden.

Das Kapitol. Hier, im Regierungsviertel von Washington, finden sich auch wichtige Organe des »Oktopus«. Und stille Zurückhaltung im Interesse geheimer Aktionen, das ist ohnehin ein Markenzeichen der Schattenagenda. Möglichst nicht exponiert sein, ähnlich zurückhaltend im Hintergrund verbleiben, wie der CFR dies jahrzehntelang bewerkstelligte, ist allgemeiner Leitsatz. Schlagzeilen, vor allem negative, sind nicht gut fürs Geschäft. So griff der Konzern sofort durch, als einer seiner Angestellten in Seoul, ein gewisser Peter Chung, im Mai 2001 eine unbedachte Äußerung per E-Mail an einige Freunde sandte. Seine Mail ging von dort aus dann plötzlich an Tausende anderer Adressen! Chung hatte einen derben Spruch darüber losgelassen, daß er in den beiden Jahren seiner Tätigkeit in Seoul nicht eine »heiße Braut« auslassen wolle. Nachdem seine unzwei-

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deutige Absichtserklärung über die »hot chicks« von Seoul die Runde gemacht hatte, verlieh Carlyle auch ihm selbst Flügel und feuerte den unvorsichtigen Gockel gnadenlos. Carlyle hat mächtige Leute im Nacken, deren Credo offenbar in diskreter Skrupellosigkeit besteht, ohne die niemand an die Spitze der (Schatten-)Gesellschaft hätte treten können. Die vielzitierten »Illuminaten« - sie sind in Wirklichkeit düstere Höhlenbewohner, auch wenn sie sich dort luxuriös eingerichtet haben.

Ein neues Machtzentrum Ein Blick auf die Namen in der Carlyle-Führung lassen den neugierigen Kundschafter bald ehrfurchtsvoll erstarren. Vorsitzender ist der ehemalige Verteidigungsminister Frank Charles Carlucci, als Berater sind unter anderen James Addison Baker, III., ehemals US-Außenminister, und sein ehemaliger Chef höchstpersönlich tätig: kein Geringerer als George Herbert Walker Bush! Wenn wir uns einmal in den Reihen der mächtigen »Hintermänner« von Carlyle umsehen, fällt auf, daß zahlreiche Spitzenkräfte unter anderem auch Mitglieder im Council on Foreign Relations sind. Hier eine kleine Liste:



George Herbert Walker Bush, Ex-Präsident der Vereinigten Staaten und Ex-CIA-Chef, CFR, • Frank Charles Carlucci III, Ex-CIA-Vize und Ex-US-Verteidigungsminister, CFR, • Colin Luther Powell, US-Außenminister, CFR • James Addison Baker III., ehemals US-Außenminister, CFR, • Donald Henry Rumsfield, US-Verteidigungsminister, CFR, • George Soros, Soros Fund Management, Milliardär und Autor des Buches »Open Society: Reforming Global Capitalism« (2000), CFR, • Robert Gates, Ex-CIA-Chef, CFR. Wir erkennen hier offenbar eine kleine, mächtige Kerngruppe

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um Führungskräfte der Regierung, CIA und CFR. Doch Carlyle operiert international, und entsprechend gehen die Verbindungen weiter. Hier finden sich unter den Beratern laut Recherche verschiedener US-Journalisten der ehemalige Premierminister von Großbritannien John Major, der Ex-Präsident der Philippinen, Fidel Ramos, der ehemalige thailändische Premier Anand Panyarachun, der Bundesbankpräsident Karl Otto Pohl, der Saudi-Prinz Alwaled bin Talal bin Abdul Aziz Alsaud und nicht zuletzt sogar die reiche Familie des Osama bin Laden (Binladin). Hier scheinen alle unter einem Dach vereint, die Angehörigen des mächtigen »Ehernen Dreiecks« von Industrie, Regierung und Militär. Die beiden Guardian-Reporter Oliver Burkeman und Julian Borger sprechen davon, daß John Major für eine 28tägige Mitarbeit im Jahr rund 105 000 Pfund von Carlyle erhielt, George Bush für jede öffentliche Rede im Namen von Carlyle mindestens 80 000 US-Dollar. Peter Eisner, Chef des Center for Public Integrity, einer unabhängigen »Denkfabrik«, erklärt zur Situation bei Carlyle: »Es sollte ein Grund tiefer Besorgnis sein, daß ein so straff geführter Konzern wie Carlyle simultan Direktoren und Berater haben kann, die Geschäfte betreiben und Geld machen und gleichzeitig den Präsidenten der Vereinigten Staaten beraten. Das Problem entsteht, wenn private Geschäfte und öffentliche Politik miteinander verschmelzen«. Carlyles Wege sind unergründlich. Burkeman und Borger zur Ausnutzung der politischen Kontakte: »Als Carlucci 1989 hinzu kam, brachte er eine Phalanx an früheren CIA-Untergebenen und Leuten aus dem Pentagon mit... Erfolg brachte mehr Investoren, einschließlich des internationalen Finanziers George Soros und 1995 die sehr wohlhabende saudi-arabische Binladin-Familie, welche betont, längst alle Verbindungen zu ihrem berüchtigten Verwandten abgebrochen zu haben. Der erste Präsident Bush hat, wie es heißt, die Binladin-Familie zweimal in Saudi-Arabien besucht, im Interesse der Firma [Carlyle].« Diese letzte Bemerkung geht auf einen Ermittler des Los Angeles Police Department zurück, der sich später dem Journalismus zu-

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wandte, Michael Ruppert. Er warf der Bush-Administration und CIA-Angehörigen vor, deutlichen Profit aus dem Umfeld der Anschläge vom 11. September gezogen zu haben. Zur Presse hat die Carlyle-Gruppe keinen sonderlich herzlichen Draht. In Washington existiert kein eigenes Büro für Öffentlichkeitsarbeit, und wie die beiden Guardian-Journalisten ausführen, werden vor allem Fragen zur Bin-Laden-Beziehung an eine außenstehende, mit den Fakten vertraute Quelle weitergeleitet. Diese anonyme Quelle stellte zum Ende Oktober 2001 fest: »Ich kann die Tatsache bestätigen, daß jede Binladen-Group-lnvestition in die Carlyle-Gruppe beendet worden ist oder gegenwärtig beendet wird. Sie [die Beziehung Carlyle - Bin-LadenGruppe, Anm. Verf.] gipfelte in einer Investition von zwei Millionen US-Dollar in den Carlyle Ii-Fonds, was übrigens nur einen sehr kleinen Teil eines 1,3-Milliarden-Dollar-Fonds ausmachte. Im Schema der Investitionen und im Schema der Geschäfte beider Parteien war das sehr wenig. Wir müssen das in der richtigen Perspektive sehen.« Die Beziehung zwischen diesen beiden Partnern währte demnach sechs Jahre, von 1995 bis 2001. Die Verbindung der Bushs zu Carlyle währt schon länger. 1990 wurde der gegenwärtige Präsident Bush in den Vorstand der damals vom Konzern übernommenen Caterair gewählt und blieb dort zwei Jahre, bevor er Gouverneur von Texas wurde. Nachdem er in dieser Funktion später für die Wahl von Mitgliedern eines Komitees zur Kontrolle eines Rentenfonds für texanische Lehrer verantwortlich war, entschied jene von ihm ausgesuchte Gruppe dann, die Summe von 100 Millionen US-Dollar in Carlyle zu investieren. Ein Betrag, der immerhin dem Gründungsaufkommen von 1987 entsprach. Die Verwicklungen rund um die Carlyle Group, den Bush-Clan und die Familie Bin Laden sind so umfangreich, daß sie ohne weiteres ein eigenes Buch füllen könnten. Es sind geradezu schicksalhafte Zusammenhänge, die sowohl von unglaublichen Fakten geprägt sind wie auch ein weites Feld für Spekulationen bieten. Es ist schon seltsam. Wir haben hier eine Gruppe, in deren

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Führung die mächtigsten Männer der Welt versammelt sind, Personen, die größtenteils auch eng mit der CIA und dem CFR in Verbindung stehen. Diese Gruppe verdient an der Verteidigungsindustrie ein bald unüberschaubares Vermögen, sitzt mitten im Regierungsviertel, zählt zu den 50 Top-Vertragspartnern der USMarine, hat sich in das Zentrum der Schwarzen Welt eingekauft und steht mit der Familie des Pentagon-WTC-Attentäters Osama Bin Laden in Verbindung! Ist das der Stoff, aus dem die Alpträume sind? Interessant ist neben vielem anderem noch ein weiteres Detail: 1998 erhielt die neue Firma Bioport Corporation den Zuschlag für einen Vertrag des Verteidigungsministeriums, einen weitgehend noch nicht erprobten Anthrax-Impfstoff herzustellen. Gegründet worden war diese Firma Berichten zufolge in erster Linie von einem Saudi-Finanzier namens Fuad El-Hibri, der, wie es ebenfalls heißt, in geschäftlicher Beziehung mit der Bin-Laden-Familie stand. Zusammen mit El-Hibri besetzen verschiedene hochrangige US-Persönlichkeiten den Vorstand von Bioport, darunter Admiral William J. Crowe, der sowohl im Reagan-Stab wie auch als Clinton-Berater fungierte. Er war ebenso Vorsitzender der Vereinigten Stabs-Chefs im Pentagon und Berater der schon im ersten Kapitel erwähnten industriellen Denkfabrik Global Options, zu deren Mitgliedern wiederum Ex-CIA-Chef R. James Woolsey zählte ... Im März 1999 berichtete der ABC-News-Korrespondent Howard L. Rosenberg: »Laut Aussagen des ehemaligen Militäranalytikers Patrick Eddington, könnte die auf 60 Millionen USDollar Gegenwert geschätzte Menge an Anthrax-Impfstoff, wie er von Bioport innerhalb der nächsten fünf Jahre für das Verteidigungsministerium hergestellt werden soll, nur den Anfang darstellen. Das Pentagon hat ein 322-Millionen-Dollar-Programm für zehn Jahre aufgestellt, das dazu dienen soll, mindestens drei, vielleicht aber auch bis zu einem Dutzend zusätzlicher Impfstoffe für den biologische Krieg herzustellen... Sie wurden nie getestet. Und, was am bedeutendsten ist, niemand hat je Daten zur Verfü-

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gung gestellt, anhand derer sich die Bedrohung abschätzen ließe.« Geht es bei dem Ganzen also lediglich um Augenwischerei und ein großes Geschäft der Verteidigungsindustrie? Interessant ist, daß ein bedeutender Teilhaber von Bioport ausgerechnet die Carlyle-Group ist! Über sie sind also unter anderem die Bushs auch mit der einzigen US-Firma verbunden, die zur Herstellung eines Anthrax-Impfstoffes befugt ist. Nun kann man je nach Position jedes dreidimensionale Ding von mehreren Seiten sehen. Auch bei der Carlyle-Bioport-Anthrax-Frage läßt sich anhand der von verschiedenen Journalisten ins Feld geführten Argumente entweder ein überflüssiges, aber gutes Geschäft sehen oder aber eine hoch notwendige Maßnahme im Kampf gegen künftige Formen des Terrors. Ein gutes Geschäft für die Beteiligten ist es jedenfalls allemal.

CIA-Airlines Bei den Spitzenkräften von Carlyle, die mit der Führung der Schattenregierung und den Köpfen der CIA beinahe identisch sind, verbinden sich noch zahlreiche sehr ungewöhnliche Hintergründe. Vor allem freilich ihre prominentesten Repräsentanten, die Bushs, sind immer stärker ins Kreuzfeuer geraten. Als die Mena-Drogen-Operationen liefen, war George H. W. Bush Präsident der Vereinigten Staaten. Unter seiner Präsidentschaft nahm das Drogenproblem trotz der Kampagne seiner Frau Barbara drastisch zu. Daniel Hopsicker erwähnt einen Zeugen, der von den Zeiten erzählte, als Barry Seal seine scherzhaft als »AirCocaine« bezeichneten Schmuggel-Flugzeuge betrieb. Dieser Zeuge enthüllte: »Wir fanden einen in mexikanischem Gewässer vertäuten Bohrturm. Als wir am Tammiani-Airport in Südflorida eine polizeiliche Operation starteten, wurde sie von viel weiter oben und in letzter Minute abgebrochen - aufgrund der Entdeckung, daß die beiden Bush-Brüder in der King-Air-Maschine einflogen, die wir

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soeben verfolgten.« Die beiden »Bush-Brüder«, das waren Jeb Bush und George W. Bush, der gegenwärtige Präsident der Vereinigten Staaten. Doch Hopsicker erwähnt auch, daß die gesamte Angelegenheit nicht einfach ein Skandal war, der lediglich auf eine Partei beschränkt gewesen sei. Fast schon könnte man sagen: Wer etwas auf sich hielt, der war auch dabei! Die CIA machte sich Eine amerikanische Familie: George zu eigen, was sie in dem H. W. Bush mit Frau Barbara und schmutzigen Geschäft Kindern im Jahr 1964. Oberhalb der nur konnte. So infiltrierMutter: der gegenwärtige Präsident te sie die US-Post- und George W. Bush. die US-Forstbehörde und nutzte sie als Deckmantel für geheime Aktionen. Der ehemalige CIA-Pilot und Jurist Gary Eitel fand außerdem heraus, daß die »Firma« auch damit beschäftigt war, australische C-130-Frachtmaschinen in den privaten Sektor zu übernehmen und sie für den Drogenschmuggel zu verwenden. Einige dieser Maschinen tauchten unvermittelt in Mena, Arkansas, wieder auf. Er berichtete über seinen sichtlich in die CIA-Drogengeschäfte verwickelten Ex»Kollegen« Woody Grantham: »Als Grantham Arizona unentdeckt verlassen wollte, mietete er einen Hangarraum auf einem Indianer-Reservat, wo der Zoll nicht operiert. Er flog häufig in Area 51 hinein, und auf seinen Abstechern zurück von Lateinamerika landete er auf der El-Toro-Marinestation in Kalifornien.« Die Indianerreservate haben es eben in sich! Und nicht nur im Kontext mit ungewöhnlichen Flugobjekten,

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auch im Umfeld verdeckter Drogenoperationen der CIA erscheint der Name der geheimnisvollen Area 51 auffallend häufig. Als der CIA-Mann Eugene Hasenfus im Oktober 1986 an Bord der »Fat Lady«, einer C-123, abgeschossen wurde und als einziger überlebte, soll er an Bord ebenfalls Logbücher gefunden haben, die eine Verbindung zu Area 51 herstellten. Diese allerdings unbelegte Information geht auf einen Penthouse-Artikel »The Crimes of Mena« aus dem Jahr 1995 zurück. Als zentrale CIA-Basis von höchster Geheimhaltung, versteckt hinter hohen Bergzügen, ausgestattet mit einer hervorragenden Infrastruktur und riesigen Landepisten würde sie sich aus naheliegender Logik besonders gut für derartige Operationen eignen. Auf dem gewaltigen, sich im Westen anschließenden und sogar noch schlechter einsehbaren Gelände der Test Site existieren - das zeigen moderne Satellitenaufnahmen - noch einige geheime Strukturen, deren Sinn und Zweck sich Eugene Hasenfus, bis heute noch nicht erschlossen hat. einziger Überlebender Auch gibt es dort weniger gut ausgeeines Flugzeugabbaute Landepisten. Auf unbefestigten schusses, wird gefan- Bahnen könnten beispielsweise Maschigengenommen. nen vom Typ Fokker-F28-»Fellowship« landen, wie sie mit überlackierten Emblemen der Airlines auf einem Platz in unmittelbarer Nachbarschaft des geheimen Airshuttle-Terminals der JANET-Flotte am McCarran Airport von Las Vegas stehen. Vielleicht ist das nur ein Zufall, ebenso, daß Daniel Hopsicker bei seiner nächtlichen Fahrt mit Russell Welch eine Reihe von Fokker-Maschinen auf dem Flughafen von Mena sah. Doch noch einmal zurück zu den Informationen von Gary Eitel, der von Drogenoperationen auf der El-Toro-Basis sprach. Dessen Behauptungen bestätigte auch der CIA-Pilot Tosh Plomley,

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der später in einer amerikanischen Fernsehsendung zugab, Tausende von Kilogramm Kokain im Auftrag der CIA mit den harmlos wirkenden C-130-Maschinen des Forest Service auf jene Basis geflogen zu haben. Die »Cocaine Importation Agency« hatte wieder gewaltig zugeschlagen. Und das auch noch in einem anderen Sinne. Bald nämlich kam der damals zuständige Chef der »Air Operations« von El Toro den verdeckten Abwicklungen auf die Schliche.

Ein Wunsch liegt in der Luft Als Colonel James »Jim« Sabow klar war, was auf der Basis geschah, äußerte er am Abend des 21. Januar 1991 einem Kollegen gegenüber, er werde diesen Fall von Drogenschmuggel enthüllen und vor ein Militärgericht bringen. Am Morgen des 22. Januar lag er tot im Vorgarten. Ergebnis der sehr hastigen offiziellen Untersuchung: natürlich Selbstmord! Der Colonel soll sich erschossen haben. Der dafür angegebene Grund ist geradezu lächerlich: Sabow war angeblich wegen Anschuldigungen verzweifelt, ein Militärflugzeug, in dem er mitflog, habe Lautsprecher und Poster auf eine Militärbasis an seinen Sohn geliefert! Gegen derartige Vorgänge sind Drogenoperationen freilich nichts als ein Kavaliersdelikt! Die Parallelen zu anderen Fällen sind eklatant. Abgesehen davon, daß er im selben Monat desselben Jahres starb wie Danny Casolaros Informant Alan David Standorf, der ja ebenfalls den Machenschaften der geheimen Regierung auf der Spur war, gab es viele Facetten, die eindeutig bewiesen, daß Sabow ermordet wurde. Ohne in die Details des Falles zu gehen, läßt sich mit einem Satz sagen, sie entsprechen absolut dem »Schema F« der in so vieler Hinsicht hoch praktikablen Selbstmorde. Und seien Sie dessen ver(un)sichert: Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen. Der Fall des Colonel Sabow erinnert ein wenig an die Todes-

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Umstände des höchsten Mannes in der US-Marine-Hierarchie: Admiral Jeremy »Mike« Boorda soll sich 1996 angeblich umgebracht haben, da er zwei kleine Abzeichen unrechtmäßig trug. Allerdings hatte er am selben Tag noch einen Termin mit zwei Presseleuten, und bekannt war in diesem Kontext, daß Boorda vorher noch erwähnte, er werde ihnen nun »alles erzählen«. 1996 gab es ohnehin wieder eine Menge mysteriöser »Selbstmorde«. Damals kam auch Clintons Handelsminister Ron Brown unter mysteriösen Begleitumständen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Nicht einmal einen Monat später wurde William Colby vom Wicomico River verschluckt, und zwei Monate darauf erhängte sich der Großbankier Amschel Rothschild im Pariser »Bristol«-Hotel. Zumindest in Washington machte bei einigen Pressestellen schon das Wort vom »verdächtigen Todessyndrom« die Runde. In dasselbe Jahr fällt neben dem Tod von Oktopus-Mitglied und CIA-Mann Ray S. Cline auch die Verhaftung von Oktopus-Mitglied und CIA-Mann Dr. Earl Brian. »Wachablösung« in der Höhle des Kraken? Bald konnte man wirklich den Eindruck gewinnen, daß im engen Zirkel der Akteure neue, frischere oder geeignetere Kräfte ans Ruder sollten - vielleicht auch, weil sich eine enge Gruppe möglicherweise zu Enthüllungen entschlossen hatte, was aber, um das deutlich zu betonen, reine Spekulation ist. Doch egal, ob tatsächlich ein Wechsel in einigen Segmenten des Oktopus stattfand oder nicht, der übliche Kurs wurde fortgesetzt: Unliebsame Mitwisser und unbeugsame Nörgler mußten den Weg des Vergänglichen stets besonders schnell gehen. Es gab immer jemanden, der merkte, wann der »Wunsch in der Luft lag« und ein Mächtiger glücklich zu machen war, indem er von einem weniger mächtigen Störenfried befreit wurde. 1996 - schon wieder jenes Jahr! - machte der langjährige CIAVeteran und »Drogen-Insider« John Millis abfällige Bemerkungen über den damaligen CIA-Direktor John Deutch. Er sei »der schlimmste CIA-Direktor aller Zeiten« und gab ihm dafür gleichzeitig den »ersten, zweiten und dritten Preis«. Nachdem Millis

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auch später nicht ruhig blieb, half man nach - die bald absolut handelsübliche Szenerie: ein Hotel in Virginia, diesmal Anfang Juni 2000. Genau zwei Wochen später wurde ein erst 28jähriger CIA-Spezialist und Nukleartechniker aus einem langsam an ihm vorbeifahrenden Auto heraus ermordet. Ein gezielter Schuß zertrümmerte seinen Schädel, in trauriger Analogie zum Namen dieses CIA-Mannes: Er hieß John Muskopf. Bei alledem muß man sich stets vor Augen halten: Sämtliche Fälle entstammen keineswegs abwegigen Phantasien der Autoren übertriebener Spionagethriller, sondern leider der - sehr blutigen - Realität.

Der Fall Hatfield Eine eigenartige Geschichte rankt sich um den aktuellen Fall des Autors James Howard Hatfield, der das erstmals im Oktober 1999 erschienene Buch »Fortunate Son« (dt.: »Das Bush Imperium«) verfaßt hatte. Das Buch sorgte für gewaltige Furore, sein Verfasser aber nahm sich am 18. Juli 2001 das Leben. Die ganze Angelegenheit ist mehr als verworren, und die Wahrheit liegt möglicherweise irgendwo in der Mitte. Das Buch hat den gegenwärtigen US-Präsidenten George W. Bush zum Gegenstand. Es geht vorrangig darum, wie Bush überhaupt Präsident werden konnte. So heißt es auf dem Klappentext der deutschen Ausgabe: »Ist es die Macht des Öls, sind es die Seilschaften in den Großkonzernen, in der US-Armee und in der CIA, die aus dem Ölspekulanten George W. Bush zunächst den Gouverneur von Texas und dann den 43. Präsidenten der USA gemacht haben?« Es geht auch um die Geschichte der Verhaftung des »Fortunate Son« wegen Kokainbesitzes im Jahr 1972, ein Vorfall, der später von den Veranstaltern der Wahlkampagne zum Präsidenten natürlich massiv dementiert worden ist. Wie sagte Bill Clinton, als er auf Drogen angesprochen wurde? »Ich habe nie inhaliert«! Das war eine seiner typischen spitzfindigen Formulierungen, die geradewegs in

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die Geschichte eingingen und in keiner Biografie fehlen. Sich nur auf die Frage zu konzentrieren, ob Bush Junior Kokain besaß oder nicht, das könnte fast schon dem Versuch gleichzusetzen sein, einen Brand mit der Wasserpistole zu löschen - in Anbetracht der viel weiter reichenden Zeugenaussagen, wie sie kursieren, und der überparteilichen Drogenverbindungen seit Jahrzehnten! Doch die Bush-Familie ist zu mächtig geworden, um noch ihre Unschuld beweisen zu müssen. Nun gab es aber auch andererseits einigen Wirbel um Autor Hatfield selbst. Kurz nachdem sein umfangreiches Buch im New Yorker Verlag St. Martin's erschienen war, enthüllte die Zeitung Dallas Morning News in einem Beitrag, daß Hatfield 1987 wegen Anstiftung zum Mord an seinem Chef verurteilt worden sei und fünf Jahre im Gefängnis zugebracht habe. Hatfield soll damals einen Sprengsatz im Wagen seines Vorgesetzten anbringen lassen haben. Das Auto flog nicht in die Luft, dafür aber flog die Sache auf. Die Folgen jenes Artikels waren enorm. Nachdem die Vorwürfe offenbar wirklich nicht ganz aus der Luft gegriffen waren, zog St. Martin's Press die komplette Auflage vom Markt ab und terminierte den Vertrag mit Hatfield. Denn die neuen Hintergründe bedeuteten eine radikal veränderte Situation, die den Verlag jeder Bindung enthoben. Das Buch war auf dem besten Wege, ein sehr guter Erfolg zu werden, an den man auch geglaubt hatte. Immerhin bestand jene komplette Auflage aus fast 100 000 Exemplaren! Damit war aber noch nicht Schluß. Das Buch bekam bei Soft Skull Press, einem unabhängigen Verlag, seine zweite Chance. Doch das von zwei Journalisten verfaßte, wie es heißt inkriminierende Vorwort sorgte für eine Klage gegen Verlag und Autor. Die Auflage müsse eingezogen werden. Schließlich lief das Buch im Jahr 2001 noch einmal vom »Stapel«, ohne das betreffende Vorwort. Bei der Autoren-Biografie der deutschen Ausgabe heißt es abschließend: »Der Fall Hatfield/Fortunate Son zeigt die Methoden, die den Mächtigen zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, ihre Kritiker mundtot zu machen. Was das Buch betrifft, ist es nicht gelungen, doch der Autor - beruflich ins Aus gesetzt

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und wirtschaftlich ruiniert - nahm sich am 18. Juli 2001 das Leben.« James H. Hatfield selbst hatte von einer Verwechslung mit einem Mann gleichen Namens gesprochen und alle Vorwürfe gegen sich abgestritten. George W. Bush nannte die Story seinerseits einfach »Science fiction« und erklärte, wenn Hatfield wirklich ein Verbrecher sei, »reflektiere das seine Glaubwürdigkeit. Aber überhaupt war für mich seine Glaubwürdigkeit gleich Null. Seine Geschichte war total lächerlich.« Ein Sprecher des Department for Criminal Justice in Texas, wo Hatfield seinerzeit gelebt hatte, legte Dokumente vor, die zeigen, daß ein Mann namens James H. Hatfield im Jahr 1988 wegen Anzettelung eines Auftragsmordes verurteilt worden war und fünf Jahre in einem Gefängnis in Texas Dienste leistete. Alter und biografische Informationen decken sich mit denen jenes Autors. Tatsächlich also scheint es so, als ob der BushBiograf Hatfield eine düstere eigene Geschichte hatte. Was vielleicht als seltsamer Beigeschmack haften bleibt, ist die Beobachtung, daß offenbar der letzte Beweis für die Identität nicht erbracht wurde - zur letzten Absicherung wäre es leicht möglich gewesen, Fingerabdrücke des toten Hatfield mit denen des damals Inhaftierten zu vergleichen. So aber werden sich bestimmt weiter Gerüchte um den Selbstmord von James Howard Hatfield ranken. Die augenblickliche Sachlage allerdings spricht in diesem Fall insgesamt ausnahmsweise eher gegen als für den betroffenen Autor. Im Nachhinein kann von hoher Seite aus immer sehr schnell von Unterstellungen die Rede sein. Aussagen und Unterlagen werden in die Diskussion gebracht, und selbst wenn am Ende nur Unklarheit steht, ist die nötige Entlastung bereits bewirkt. Daß jeder US-Präsident auch Feinde hat, die keineswegs immer mit astreinen Methoden versuchen, ihn in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken, ist auch eine altbekannte Tatsache. Viele Anschuldigungen gegen Clinton beispielsweise entstanden offenbar genau auf diese Weise. Spezielle Verlage publizierten Hetzliteratur, und eigens gegründete Zeitschriften hatten nichts anderes zum

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Ziel, als ein negatives Bild von »Slick Willy« zu schaffen, der sich aber geschickt aus jeder unangenehmen Situation dirigierte. Sonderermittler Kenneth Starr hatte sich wie ein aggressiver Hund an ihm festgebissen und konnte dennoch am Ende keinen Sieg erringen. Und genau dort, wo Clinton nach vielen gut untermauerten Berichten zu packen gewesen wäre, nämlich bei den Operationen von Mena, da durfte Starr nicht zubeißen, denn Mena betraf alle gleichermaßen. Und nur bei Wunden im eigenen Fleisch spürt man auch den Schmerz. So war die ganze Geschichte um den Sonderermittler eigentlich, nun, fast könnte man sagen: ein einziger Wund-Starr-Krampf. Im Fall der Bushs wurden bis dato so viele sich gegenseitig stützende Informationen bekannt, daß jeder unabhängige Beobachter oder Journalist zu dem Schluß kommen dürfte, daß viele Anschuldigungen definitiv zutreffen. Man kann die Indizien und Dokumente, die Organisationen und personellen Verbindungen, die Aussagen, Bestätigungen und Vorfälle anführen - doch das letzte Wort haben immer die Mächtigen. Der Ex-Präsident und Carlyle-Berater George Bush Senior soll allerdings selbst einmal eingestanden haben: »Wenn die Leute jemals herausfinden würden, was wir getan haben, dann würden wir die Straßen hinunter gejagt und gelyncht werden!« Erstaunlich freimütige Worte, die wohl leichter als Pseudo-Zitat interpretiert und in Frage gestellt werden könnten, hätte sie nicht die schon mehrfach erwähnte Reporterin des Weißen Hauses, Sarah McClendon, wiedergegeben.

»USA, Inc.« Ein Mann, der durchaus Fakt von Fiktion zu unterscheiden weiß und selbst an wesentlichen Operationen mitwirkte, ist Colonel James »Bo« Gritz, ein Top-Mann des US-Militärs. Gritz war Aufklärungschef der Delta Force und zwischen 1964 und 1969 Commander der legendären Green-Berets in Südostasien. Am

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1. Februar 1988 schrieb er einen ausführlichen Brief an den damaligen US-Vizepräsidenten, George H. W. Bush. Dieser Brief bringt wiederum viele altbekannte Namen ins Spiel um düstere Geschäfte und zeigt, wie ernst die Vorwürfe genommen werden dürfen, die Bush mit CIA-Drogenoperationen in Verbindung bringen. Hier einige der wesentlichen Passagen: »Sir: Warum scheint es, daß Sie zu illegalem Rauschgift in Amerika >JA < sagen ? Ich habe Ihrem N[ational] S[ecurity] C[ouncil]Stabsassistenten, Tom Harvey, im Januar 1987 Videobänder übergeben, auf denen General Khun Sa, Oberherr von Asiens >Goldenem DreieckEs gibt kein Interesse hier, dies zu tun. < General Khun Sa bot auch an, US-Regierungsbeamte zu identifizieren, die seit über 20 Jahren mit Heroin handeln, wie er sagt.« Anschließend berichtet Gritz von etlichen Verwicklungen, als er 1986 nach Burma flog und Informationen verifizieren wollte beziehungsweise sollte. Es hieß auch, Khun Sa sei mittlerweile ermordet worden, was sich als falsch herausstellte. Als Gritz mit dem Videomaterial in die Staaten zurückkehrte, erhielt er allerdings keine Auszeichnung dafür, daß er sich für den Einfuhrstopp von Drogen eingesetzt hatte. Wie er in seinem Brief an Bush schildert, war er zusammen mit einem Scott Weekly nach Burma geflogen. Dieser Weekly besaß selbst dubiose und betrügerische Hintergründe, von denen Gritz nicht wußte. Später wurde ihm das massiv angekreidet. AllerColonel Bo Gritz. dings wurde man auch ihm selbst gegenüber recht deutlich. Er erhielt Drohungen und man sagte ihm: »Wenn Sie nicht alles auslöschen und vergessen, was Sie gefunden haben, dann schaden Sie der Regierung.« Ihm sei auch eine

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Gefängnisstrafe von 15 Jahren in Aussicht gestellt worden, so Gritz. Bei einem zweiten Interview mit Khun Sa filmten sie ihn bei der Aussage über Personen aus Regierungskreisen, die mit Drogen- und Waffengeschäften verbunden gewesen seien. Gritz leitete das Material an verschiedene Kongreßabgeordnete und Senatoren weiter. »Nichts wurde mit diesen Beweisen unternommen, die zeigten, daß jede Autorität, einschließlich Sie selbst, beabsichtigten etwas anderes zu tun als Richard Armitage [ExCIA, Drogenhändler in Bangkok] zu schützen.« Gritz führt noch weitere ungewöhnliche Vorfälle auf und nennt recht bekannte Namen wie Oliver North, jenen berüchtigten Iran-Contra-Colonel, der übrigens kurioserweise als Decknamen unter anderem »Carlucci« verwendete. Gritz richtete sich mit einer »Bürgerklage wegen Fehlhandlungen von Regierungsbeamten« an Justizminister General Edwin Meese, III, wobei er gerade den Richtigen ansprach. Das von Gritz übermittelte Dokument war plötzlich im Büro von Meese »verloren« gegangen. Der hoch dekorierte Colonel erklärte in seinem Brief an Bush: »Wenn Sie ein Mann mit guten Absichten sind, dann bete ich darum, daß Sie mehr tun werden, als auf diesen Brief antworten. Ich bitte Sie, die Möglichkeit sehr ernsthaft zu betrachten, daß Ihnen nahe, ernannte Politiker schuldig sind, unseren Verfassungs-Prozeß umgangen zu haben und, zur Förderung von illegalen verdeckten Operationen im Handel von Rauschgift und Waffen konspirierten. Bitte beantworten Sie mir, warum ein geachteter amerikanischer Bürger wie Mister H. Ross Perot Ihnen einen Stoß von Beweisen über Vergehen durch Armitage und andere vorlegen kann und Sie, laut TIME-Magazine, ihm nicht nur keine Unterstützung anbieten, sondern Ihren Verteidigungsminister, Frank Carlucci, Mr. Perot ausrichten lassen, die Verfolgung von Mr. Armitage zu beendenThe Christic Institute< (Washington, D.C.) gesammelt worden sind und die bezeugen, daß Armitage nicht nur mit Heroin handelte, sondern dies auch unter dem Vorwand tat, ein Offizier zu sein, der damit

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beauftragt sei, unsere POWs nach Hause zu bringen.« Gritz scheut sich nicht, Bush in seinem Schreiben noch mit einigen ungewöhnlichen Informationen zu konfrontieren, unter anderem dem mysteriösen Tod eines CIA-Agenten in Bangkok, der offensichtlich mit Armitage zu tun hatte. Gegen Ende seiner Ausführungen fügt Gritz hinzu: »Ich bin ein eingetragener Republikaner. Ich habe zweimal für Sie gestimmt. Ich werde dies nicht mehr tun. Wenn Sie in Ihrem Herzen noch irgendeine Liebe oder Loyalität für diese Nation tragen... dann tun Sie etwas Positives, um den Wahrheitsgehalt dieser sehr ernsthaften Beschuldigungen zu bestimmen. Sie waren CIA-Direktor im Jahr 1975, während einer Zeit, zu der-wie Khun Sa sagt - Armitage und CIA-Beamte mit Heroin handelten. Als Direktor des Nachrichtendienstes waren Sie gegenüber dem amerikanischen Volk verantwortlich für die Aktivitäten Ihres Assistenten - geradeso wie Sie wissen sollten, was einige genau der gleichen Leute tun, die Ihnen als unserem jetzigen Vize-Präsidenten nahe stehen, da ich das Gefühl habe, daß diese Figuren einer >Parallelregierung< von Ihnen gefördert werden ... Ich füge einige Dokumente bei... hauptsächlich einen Brief von Khun Sa an das Justizministerium, datiert auf den 28. Juni 1987, in dem Richard Armitage zusammen mit Theodore Shackley (Ihrem ehemaligen stellvertretenden CIA-Direktor verdeckter Operationen) und andere genannt werden. Bitte nehmen Sie auch zur Kenntnis, daß William Stevensons Artikel >Bank der Intrigen - Zirkel der Macht< Sie, Armitage und General Secord hervorstechend nennt.« Hier scheinen wir wieder die damaligen Führungs-Persönlichkeiten der Schattenregierung vor Augen zu haben, wie sie uns bereits einige Male in diesem Buch begegnet sind. Der Brief endet mit dem bemerkenswerten Satz: »Ich zumindest bin nicht für eine >USA, Inc[orporated]< mit Ihnen oder irgend jemand anderem als Vorsitzendem.« Die USA unter Kontrolle einer einzigen gewaltigen Über-Korporation! Und außerdem klingt der ungewöhnliche Konditionalsatz in den Ohren, jenes »Wenn Sie in Ihrem Herzen noch irgendeine Liebe oder Loyalität für diese Nati-

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on tragen ...« Ein US-Präsident ohne Loyalität für sein Land? Beißt sich das nicht ein wenig? Doch wie sieht es aus mit den sehr weitreichenden Ideen des Council on Foreign Relations, das die Einflußnahme über das Nationale und auch über die USA hinaus zu einem globalen Superamerika ausweiten möchte? Bush propagierte genau das, als er von der »Neuen Weltordnung« New World Order, NWO - sprach. Der Göttinger Professor für Politikwissenschaften Peter Lösche schreibt in dem schon erwähnten Werk »Die amerikanischen Präsidenten« im Beitrag zu Bush: »Was er unter der von ihm proklamierten >neuen Weltordnung< eigentlich verstanden wissen wollte, blieb unklar.« Wie klar auch sollten die damit verbundenen Aktivitäten werden, wenn eine Gruppe Mächtiger hinter allem stand und steht, die alles andere als Klarheit und Publicity sucht? Eine Gruppe, die in geheimnisvollen Elite-Organisationen zu Hause ist wie beispielsweise dem CFR, der selbst heute nur relativ wenigen Amerikanern ein Begriff ist.

Der Orden Wie schon gesagt, bei weitem nicht alle CFR-Mitglieder nehmen den gleichen Status ein, sind gleichermaßen konspirativ orientiert. So schreibt der Wissenschaftler Professor Anthony C. Sutton: »Die meisten CFR-Mitglieder sind nicht in eine Verschwörung involviert und haben kein Wissen über irgendeine Verschwörung ... Allerdings gibt es eine Gruppe INNERHALB [Hervorhebung durch den Autor, Anm. Verf.] des Council on Foreign Relations, die einer geheimen Gesellschaft angehört, zur Geheimhaltung verpflichtet, und die mehr oder weniger den CFR kontrolliert.« Der mächtige CFR, der seinerseits kontrolliert wird? Wir begeben uns damit also noch mehr zu den Zentren der Macht. Der altbewährte Zwiebelschalenaufbau ist auch hier immer wieder vertreten - das Schachtelprinzip, für das wir schon einige Beispiele auch aus der geheimen Struktur erhalten haben:

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ein »Schwarzes Budget« innerhalb des »Schwarzen Budgets, eine CIA innerhalb der CIA, eine Regierung innerhalb der Regierung und nun auch ein CFR innerhalb des CFR.

Wer kontrolliert den CFR? Professor Sutton - und nicht nur er - glaubt, die Instanz hinter der Instanz entdeckt zu haben: eine im 19. Jahrhundert mit jedoch älteren Wurzeln gegründete Geheimgesellschaft, die unter verschiedenen Namen und eher vorgehaltener Hand immer wieder in meist verschwörungsbezogener Literatur Erwähnung gefunden hat. Da ist die Rede von der »Bruderschaft des Todes«, der »Sektion 322«, »The Order - Der Orden« oder auch »Skull and Bones«, »S&B«. Geht spätestens jetzt das fröhliche Buchdeckelschlagen um, weil das alles doch pure Verschwörungstheorie ist? Und wenn nicht? Bei alledem, was wir heute immerhin doch über die geheimen Aktivitäten der Mächtigen in Erfahrung bringen konnten, sollte uns eigentlich kaum mehr etwas verwundern. Riskieren wir also doch noch einen Blick in diese geheimen Zirkel, um zu sehen, wer hinter dem grandiosen Mummenschanz steht, der letztlich nicht nur um der Geheimniskrämerei willen betrieben wird, sondern möglicherweise auch ein wenig dazu, diese Materie jenem zweifelhaften Licht des Okkulten auszusetzen und jegliche ernsthafte Untersuchung ins Lächerliche zu treiben. Die Fährten, die manche aufgenommen haben, um zu sagen, daß unter den Mitgliedern von Skull and Bones tatsächlich ein okkulter Glaube existiert, sollen hier nicht verfolgt werden. Skull and Bones wurde im Jahr 1832 an der ehrenwerten YaleUniversität gegründet, von General William Huntington Russell und dem angesehenen Richter Alphonso Taft, Vater des 27. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Die Yale-Universität in New Haven, Connecticut, besitzt gewissermaßen die Exklusivrechte auf Skull and Bones, wenn man so sagen darf. Jedenfalls wurde

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S&B hier nicht nur gegründet und etabliert, Yale ist auch die einzige Universität, an der S&B zu finden ist. Schon damals ging es wirklich nicht gerade zimperlich in den feinsten Kreisen der USA zu. Russells Familie und ihre Firma Russel and Company war mit Sklavenhandel und Opiumschmuggel zu Reichtum gekommen. Wie die meisten anderen, die schließlich zur Spitze der Machtpyramide vorstießen, waren also auch die Russells solide Großbürger, Ehrenmänner mit Stock und Zylinder, die sich ihre Schätze allerdings nach Art der Raubritter und Freibeuter erwarben. Hauptsache, die Kasse »russelte«. So wurde spekuliert, ob dieses wilde Geschäftsgebahren auch der Hintergrund für das Knochenklappern im Wappen war, für jenen Totenkopf mit den gekreuzten Gebeinen, wie er auch die auf allen sieben Meeren gefürchtete schwarze Piratenflagge ziert. Nicht nur der Hintergrund der Russell-Familie, sondern die gesamte Skull-and-Bones-Society war nach Ansicht verschiedener Autoren von Opiumgeschäften geprägt und dazu von einem bitteren Kampf um die politische Kontrolle über die Staaten. Natürlich gab es auch an den anderen großen Universitäten elitäre Clubs, beispielsweise den Ivy Club und den Cottage Club der Princeton-Universität oder den Porcelian Club an der HarvardUniversität. Und an der Yale-Universität selbst existierten noch weitere geheime Gruppierungen wie Wolf's Head oder Scroll and Key. Doch war eben S&B das absolute Nonplusultra. Seine Mitglieder rekrutieren sich laut Sutton aus rund 20 bis 30 der ältesten amerikanischen Familien, jener, die noch im 17. Jahrhundert in der neuen Welt ankamen. Dazu durften in diese Kreise auch diejenigen eintreten, »welche innerhalb der letzten hundert Jahre zu großem Reichtum gelangten, ihre Abkömmlinge an die Yale-Universität schickten und rechtzeitig noch beinahe Familien der alten Linie wurden, wie Harriman, Rockefeller, Payne, Davison.« Das ist gewissermaßen der amerikanische »Uradel«, nach europäischem Maßstab allerdings ein recht junger Adel, wenn man bedenkt, daß die Urwurzeln und Gründerväter der ältesten noblen Familien hier manchmal nur wenige Jahrhun-

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derte nach Christi Geburt zu finden sind! Trotzdem gibt sich der amerikanische Geldadel in seinem »jugendlichen Leichtsinn« natürlich höchst arrogant. Die schon als Pseudo-Blaublüter bezeichneten Mitglieder versuchen - sehr ähnlich, wie es der europäische Adel in früheren Jahrhunderten praktizierte -, ihr Blut, vor allem aber ihr Geld und ihre Macht durch Heiraten untereinander in möglichst engen, »gleichwertigen« Kreisen bewahren zu wollen. Diese Bindungen werden gepflegt und man unterstützt sich gegenseitig. Einigkeit macht stark, vor allem wenn Familie Goliath und Familie Herkules sich verbinden. Wie meistens bei verschworenen Gesellschaften, gelten auch hier alle Nicht-Mitglieder als »Heiden« oder »Vandalen«. Selbst von den Yale-Studenten werden nur wenige auserkoren, dem Club beizutreten. Jährlich sind es gerade mal fünfzehn an der Zahl. Skull and Bones, das ist vor allem auch Gehirnwäsche und Infiltration. Von hier geht es weiter in die Think Tanks, in die Gruppen wie Bilderberger, CFR und andere. Schlagwort Einflußnahme. Was nach außen vielleicht gerade noch wie eine verschroben-spukige Studentenverbindung aussehen könnte, wird in seinem Kern zur kollektiven Bedrohung. So sehen es die beiden Autoren Webster G. Tarpley und Anton Chaitkin, denen zufolge einflußreiche, anglophile amerikanische Familien S&B zu einer wirkungsvollen politischen Rekrutierungs-Agentur machten. Besonders die Familien Vanderbilt und Rockefeller nahmen sich dieser Aufgabe offenbar hingebungsvoll an. Laut Anthony C. Sutton hat »The Order« beinahe jede bedeutungsvolle Organisation in den Vereinigten Staaten ins Leben gerufen oder durchdrungen, sei es im Bereich Forschung, Politik oder Medien. Der Autor Jim Marrs zitiert einen Bericht aus dem Jahr 1980, der sogar von einem Senats-Komitee für Regierungs-Angelegenheiten veröffentlicht wurde. Hier heißt es unter anderem: »FinanzInstitutionen, entweder Teil des Morgan-Rockefeller-Komplexes oder extensiv mit ihm verwoben, sind die dominierende Kraft innerhalb der Ökonomie.« J. P. Morgan war selbst zwar kein Mitglied im »Knochenclub«, doch konnte er seine Interessen über

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eine ganze Reihe für ihn tätiger Mitarbeiter in den Club einbringen und ihn als Multiplikator einsetzen. Manchmal stellt sich allerdings die Frage, wer überhaupt wen kontrolliert. Wie Sutton berichtet, wurde die reiche Ford-Familie geradezu von S&B ausgesaugt, ohne daß je ein Familienangehöriger zu diesem düsteren Yale-Club gehörte - oder vielleicht gerade eben deshalb. Unzweifelhaft mit dabei waren seit langem schon die Bushs. Sowohl der gegenwärtige Präsident George W. Bush als auch sein Vater George H. W. und der Großvater Prescott Bush gehörten dem geheimen Yale-Elitebund an. Deutlich ist auch die Verbindung zum Gründer Russell, dessen Treuhand-Finanzen von John B. Madden Jr., einem Mitarbeiter von Prescott Bush, verwaltet wurden. Auch die CIA ist eng mit Skull and Bones verbunden, viele CIA-Angehörige entstammen den Reihen von S&B. Dazu zählten natürlich George H. W. Bush, Richard Bisseil, William Bundy, James Buckley, F. Trubee Davison oder Hugh Cunningham. So zeigt sich, daß die in jungen Jahren in die verstaubten Gewölbe des geheimen »Schädel-und-Knochenbundes« eintretende Elite später in geschlossener Formation und mit allen erdenklichen Mitteln ausgestattet die Zentren der »Schattenregierung« bevölkert.

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Kapitel 8

WELT-MANIPULATION Des Kraken neue Kleider Es war Anfang der 1970er Jahre, als der ultra-verborgene Körper des »Kraken« allmählich an die Wasseroberfläche stieß. Wer aufmerksam hinsah, konnte beobachten, wie der Kopf des mächtigen Tieres zwischen den Wellen hervorlugte, jenen Wellen, die der Oktopus möglichst wenig wogen lassen wollte. Was da aber auftauchte, das reichte zumindest aus, damit sich ein Teil der bis dahin ahnungslosen Welt erstmals der Gefahr bewußt wurde, die in den Weiten des globalen Ozeans lauerte. In jenen Tagen veröffentlichte der Stanford-Historiker und Journalist Gary Allen zwei beeindruckende Werke, die in ihrer englischen Originalausgabe zum Welterfolg geworden sind und in Deutschland unter dem Titel »Die Insider« in zwei Bänden erschienen. Gary Allen hatte im einleitenden Werk »None Dare Call it Conspiracy« den von der Rockefeller-Familie ins Leben gerufenen Council on Foreign Relations erstmals ans Tageslicht gebracht. Und so erhielt damit auch die »breite Öffentlichkeit« die Gelegenheit, sich ein Bild von verschworenen Organisationen zu machen, welche von einem deutlichen Weltmacht-Streben beseelt sind. Die Nähe zu der umstrittenen und von »etablierter Seite« her aber aus nicht nur einem Grund heraus - natürlich als anrüchig erachteten Thematik der Geheimgesellschaften führte zu einem erstaunlichen Effekt. Obwohl Allens Bücher sowie auch andere Werke, die sich mit diesen und ähnlichen Hintergründen auseinandersetzten, zum Teil beachtliche Erfolge wurden und durchaus weite Verbreitung fanden, stempelten die großen Medien und die für historische, politische und ökonomische Fragen zuständigen Instanzen sie schnell als lächerliche Randgruppen-Literatur ab,

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gerade gut genug, um die Paranoia einiger Verschwörungstheoretiker zu befriedigen. Natürlich wissen wir spätestens nach der aufgeschlossenen Lektüre der wirklich relevanten »RandgruppenLiteratur«, warum das so ist. Sie trug eben Früchte, die Infiltration. Und sie erwies sich als so subtil, daß gewiß viele der honorigen Historiker und Verschwörungsgegner infolge ihrer vom »Mainstream« und dem universitären Curriculum geprägten Ignoranz gar nicht erkannten, wie sehr sie selbst zu Opfern oder gar Werkzeugen des gesamten Systems geworden waren. Sie handeln in dem uneingeschränkten Glauben, den Stein der Weisen zu besitzen - eben genau in Form der herrschenden, an den Hochschulen in langer Tradition verbreiteten Lehre. Und wer nach langen Mühen erst einmal seinen akademischen Abschluß in der Tasche hat, wird sich doch auf sein gutes Recht berufen dürfen, nun auch wirklich zu wissen, was Sache ist! Alles in allem ist in Anbetracht des dahinter stehenden, hoch ausgefeilten Systems nur zu verständlich, warum selbst gut belegte Informationen jenseits der etablierten Strukturen, Denkmuster und Lehren sich kaum durchsetzen können. Damit gelang es erstaunlicherweise auch, den Bekanntheitsgrad des Council on Foreign Relations bis zum heutigen Tag auf einem niedrigen Level zu halten. Und wenn davon die Rede war, daß diese Organisation eine »Weltverschwörung« plante, dann war das Amusement der auf dem Boden gebliebenen Vernunftsmenschen zumeist gewaltig. Gary Allens Werk allerdings hinterließ Spuren. Der CFR war mit dieser Publikation bereits zu sehr aus der Schattengesellschaft ins Bewußtsein der »Allgemeinheit« gedrungen. Also bestand Handlungsbedarf. Kurz nachdem das Buch erschienen war, rief David Rockefeller, damals gleichzeitig Vorsitzender des CFR sowie der Chase Manhattan Bank, eine neue abgeschottete Organisation ins Leben, die Trilaterale Kommission (Trilatéral Commission, TC). Sie sollte aber nicht nur eine neue, jungfräuliche, unbekannte Gruppe sein, sondern natürlich auch einem neuen zusätzlichen Zweck dienen. Der CFR hatte nunmehr seit über dreißig Jahren das Ziel

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der »Atlantic Union« verfolgt, also eine bilaterale Union zwischen Amerika und Europa. Nun war es Zeit, auch Asien mit einzubinden und damit eben genau die trilaterale Union zu schaffen. Nach Darstellungen verschiedener Insider war die Trilaterale Kommission gänzlich das geistige Kind von David Rockefeller, der bei der Ausarbeitung des Konzeptes von Zbigniew Brzezinski unterstützt wurde. Brzezinski lehrte damals als Professor an der Columbia-Universität und arbeitete unter anderem auch für den mächtigen »Think Tank« der Brookings Institution. Der Professor steuerte voll und ganz den Globalisierungskurs: »Nationale Souveränität ist kein länger gangbares Konzept«, erklärte er. Brzezinski hatte 1970 ein Buch mit dem Titel »Zwischen zwei Zeitaltern: Amerikas Rolle in der technetronischen Ära« veröffentlicht. Hier zeigt er seine Vision einer Gesellschaft auf, die »kulturell, psychologisch, sozial und ökonomisch durch den Einfluß von Technik und Elektronik vor allem im Bereich der Computer und der Kommunikation geformt ist.« Er sagt auch, daß »schließlich eine Gemeinschaft entwickelter Nationen geformt werden muß, wenn die Welt wirksam auf zunehmend ernste Krisen reagieren soll ...« Letztlich zielen alle Argumente auf die Ausprägung einer globalisierten Welt hin. Die Gründung der Trilateralen Kommission wurde in Abstimmung mit dem CFR und den Bilderbergern realisiert. Sie wurde in der Zeit zwischen dem 23. und 24. Juli 1972 geboren, als sich eine Reihe mächtiger Personen aus Amerika, Europa und Asien auf dem riesigen Rockefeller-Anwesen in Pocantino Hills, Tarrytown, New York traf. Neben David Rockefeller und Zbigniew Brzezinski waren unter anderem der Brookings-Chef Henry Owen, McGeorge Bundy, Karl Carstens und weitere hochrangige Vertreter von Politik und Wirtschaft anwesend. Die offizielle Gründung fand dann ein knappes Jahr später statt, am 1. Juli 1973. Den Vorsitz übernahm David Rockefeller, mit Brzezinski als Direktor für Nordamerika. Mitglieder der ersten Stunden waren außerdem unter anderen auch Jimmy Carter, damals Gouverneur von Georgia, TIME-Chefredakteur Reginald Maudling und FIAT-

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Chef Giovanni Agnelli, einer der mächtigsten Männer dieser Erde. Unter den nunmehr insgesamt rund 100 Mitgliedern, eine Zahl, die ungefähr den Bilderbergern entspricht, finden sich auch Bill Clinton und George Bush. Es ist völlig klar, daß die Repräsentanten der recht neuen Gruppe jede verschwörerische Absicht negieren. Die Trilaterale Kommission verfolge einzig und allein sehr friedliche Absichten. David Rockefeller äußerte sich 1996 zu den Anschuldigungen, die TC unterwandere die amerikanische Freiheit, das »ist so absurd - ich kann mir nicht helfen, aber zu einem gewissen Grade finde ich das amüsant.« Nun, es kommt eben auf die Perspektive, den Standpunkt und die eigene Rolle im Spiel an. Auf dem 1995 von Michael Gorbatschow gegründeten »State-of-theWorld«-Forum erklärte Brzezinski: »Wir David Rockefeller können nicht in einem einzigen schnellen Schritt zur Weltregierung springen ... [Dieses Ziel] erfordert einen Prozeß, bei dem die Reichweite demokratischer Kooperation stufenweise erweitert wird, ... eine Erweiterung, Schritt für Schritt, Stufe für Stufe, Stein für Stein, der existierenden, relativ engen Zonen der Stabilität. Die Voraussetzungfür eine letztendliche Globalisierung - echte Globalisierung - ist eine fortschreitende Regionalisierung, da wir uns hierdurch in Richtung großer, stabilerer und kooperativerer Einheiten bewegen.« Dies alles entspricht absolut den Zielen des CFR und der Trilateralen Kommission. Einer muß schließlich das Kommando haben, und immerhin steht doch schon in der Bibel »Macht euch die Erde Untertan!« Vielleicht hat da jemand etwas falsch verstanden?

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Die Australien-Connection Das weltweite Netzwerk, in dem die »Exekutive des Kraken« in Form verschiedener Geheimdienste, Organisationen und Einzelpersonen agiert, haben wir schon in mancherlei Hinsicht kennengelernt. Ein Kontinent, der dabei zumindest beiläufig auch immer wieder ins Spiel kam, ist das geheimnisvolle Australien mit seinen unerschlossenen Weiten. Daß geheime Operationen und Institutionen US-amerikanischer Nachrichtendienste auch in diesem fernen Land zu finden sind, wird gegenwärtig vor allem in einer Region des abgelegenen Northern Territory klar. Dort, auf dem McDonnell Range, befindet sich eine geheime Anlage der National Security Agency, am besten bekannt unter dem Namen Pine Gap. Natürlich arbeitet man auch hier »undercover«. Die mit dem Namen »Merino« codierte Installation wird offiziell als Forschungsstätte ausgewiesen, die Joint Defense Space Research Facility, also eine Einrichtung zur Verteidigungs- und Weltraumforschung. Doch tatsächlich ist sie integraler und wesentlicher Bestandteil des weltweiten NSA-Abhörnetzes, das mit dem Computerprogramm »Echelon« nach relevanten Informationen sucht. Das Ganze ähnelt einer Art geheimen Internets, wobei unser offizielles Internet ebenfalls auf anfangs geheimen Entwicklungen der Pentagon-Behörde DARPA beruht und ursprünglich DARPA-Net hieß. Genau, wie wir im World Wide Web per Suchmaschinen ganz bestimmte Begriffe eingeben und eben weltweit nach Seiten fahnden können, auf denen sie erwähnt werden, sind die NSA-Teams in der Lage, ihre Computer mit ständig aktualisierten Listen von »Hit-Words«, also »Treffer-Wörtern« zu füttern und dann nach ihnen zu fahnden. Sie überwachen Faxe, Telefonate, E-Mails, die gesamten Kanäle der Kommunikation. Und wenn hier eines oder mehrere dieser Hit-Words erscheint, beginnt der Automatismus der Überwachung, ganz abgesehen von Verbindungen, die von vornherein gezielt belauscht werden. In seinem umfangreichen zweiten Buch zur National Security Agency

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schreibt der NSA-Experte James Bamford: »Nachdem die NSA die Suchlisten mit den Schlüsselbegriffen, Namen, Redewendungen, Telefon- und Faxnummern in Empfang genommen hat, teilen ihnen Analytiker vierstellige Zahlen zu - Suchcodes - und reichen sie dann über das Echelon-Computersystem an die verschiedenen UKUSA-Horchposten weiter. Dort sucht ein Computer mit der Code-Bezeichnung Dictionary [Wörterbuch] unter den Millionen von Nachrichten, die durch die Abhörantennen passieren, nach diesen Wörtern und Zahlen.« UKUSA, das ist ein Abkommen zur Fernmeldeaufklärung zwischen den USA und Ländern des United Kingdom. Pine Gap wurde schon als »australische Area 51« bezeichnet, denn auch über ihr ist der Luftraum gesperrt und das ganze Gebiet bestens bewacht. Die »Merino«-Basis allerdings ist viel kleiner als Area 51 und ließ sich damit relativ einfach einzäunen. Hier ist es eine doppelte Barriere, die jene 18 Quadratkilometer von der Außenwelt abschottet. Hinter dem hohen Zaun arbeiten rund 500 Menschen in einer Atmosphäre striktester Geheimhaltung und richten ihre künstlichen Ohren in alle Himmelsrichtungen. Neben einer größeren Zahl von flachen Gebäuden finden sich auf dem Territorium etliche silberweiß glänzende Kuppel strukturen, wie sie so typisch sind für die NSA-Abhöranlagen. So sieht man sie natürlich in großer Zahl im beeindruckenden NSA-Zentrum auf Fort George Meade in Maryland, USA, ebenso in der weitläufigen und wichtigen Anlage von Menwith Hill in North Yorkshire, England, oder auch hierzulande, im bayerischen Bad Aibling. Die gerade so wie überdimensionierte Golfbälle aussehenden Strukturen bergen in ihrem Inneren leistungsfähige Radarschüsseln, welche die Satellitenkommunikation überwachen und mit einer Anzahl von Spionage-Satelliten in Verbindung stehen. In Australien manifestierten sich aber noch andere amerikanische Geheimnisse als der global wirksame Abhör-Geheimdienst NSA. Hier operierte in den 1980er Jahren auch der noch Verhältnis-

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Die Radome der NSA-Anlagen von Menwith Hill in Nordengland. mäßig kleine Vorgänger der »Geldwaschanlage« BCCI. Wie bereits beschrieben, steht hinter BCCI die Bank of Commerce and Credit International, was wirklich seriös klingt. Bushs CIA-Direktor und Oktopus-Mann Robert Gates titulierte sie in der typischen Scheinheiligkeit der Verschwörer selbst als »Bank of Crooks and Criminals International«, also die »Internationale Bank der Gauner und Kriminellen«, doch da war der Zug für BCCI schon abgefahren, und man erschloß sich neue Wege. In den kleinen BCCI-Bruder von Australien, die Nugan Hand Bank und ihre Machenschaften, will auch Michael Riconosciuto, der geniale Computer- und Rauschgift-Guru der Cabazon-Aktion verwickelt gewesen sein. Bei Nugan, die gute Verbindungen zur CIA hatte, will er Drogen-Gelder aus dem Goldenen Dreieck »gesäubert« haben. Bekannt ist, daß die australische Bank in der Heroin-Hochburg Chiang Mai, Thailand, eine Filiale besaß. Und Tatsache ist, daß »man« die Drogengelder, die zur Finanzierung von verdeckten Operationen genutzt werden konnten, mit Scheingeschäften wusch. Bei Nugan begegnen uns wieder einige notorische Namen. Zweifelhaften Ruhm erlangte das wirklich mehr als frag-

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würdige Unternehmen vor allem mit dem Tod seines Gründers Frank Nugan, der diese Bank 1976 mit der stolzen Summe von 5, in Worten: fünf, Dollar Eigenkapitel gegründet hatte. Offenbar hatte sich der Rechtsanwalt Nugan 1986 das Leben genommen. Man fand ihn damals mit der Waffe in der Hand am Steuer seines goldenen Mercedes, der auf einer Landstraße bei Sydney geparkt war. In der Westentasche Nugans steckte eine Visitenkarte von William Colby, der dann zehn Jahre später gleichfalls »Selbstmord« im Wicomico River beging. Die amerikanische Komponente der Bank stellte ein gewisser Michael Hand dar, immerhin ehemaliger Green Beret, der in Vietnam für die CIA tätig gewesen war. Genau wie Colby stand er in engem Kontakt mit den dortigen Opium-Produzenten, den Hmong. Dort traf Hand auch mit dem CIA-Chef von Laos und Saigon zusammen: Theodore Shackley. Und somit stoßen bereits wieder einige interessante Persönlichkeiten des Secret Team aufeinander. Hand brachte es schnell zu beachtlichem Erfolg. Innerhalb von nur zwei Jahren hatte er international zwölf Filialen einrichten können. Und genau in dem Jahr, in dem Frank Nugan tot aufgefunden wurde, konnte Michael Hand sein Unternehmen auf dem Steuerparadies der britischen Cayman-Inseln in der Karibik etablieren. Mit Hilfe des US-Geheimdienstlers Bernard Maurice Houghton gewann Hand eine ganze Reihe höchstrangiger Persönlichkeiten für seine Bank. Houghton stellte seinerseits wiederum die Brücke dar, über die sich ein regerer Austausch zwischen Nugan Hand und der CIA-Gruppe um den ebenfalls tief in den »Oktopus« der Schattenregierung verstrickten Edwin O. Wilson entfalten konnte. Ed Wilson, der von 1976 an hochexplosiven C-4-Sprengstoff an Libyens Staatschef, Oberst Gaddafi, lieferte und zudem die passenden Zünder aus CIA-Produktion beisteuerte, kannte kaum Skrupel. Auch das CIA-Drogenspiel sollte fortgesetzt werden. Michael Hand und Bernard Houghton planten, die Hmong-Drogenbauern auf einer Karibik-Insel anzusiedeln. Ur-Mitglied des Kraken und

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Drogenhändler Mitchell L. WerBell III. sollte bei den Vermittlungen helfen, der Hand-Bank eine zu Haiti zählende Insel namens Jacmel zu verpachten. Das klappte jedoch nicht. Daraufhin kam Hand-Präsident Admiral Earl Yates auf die an sich glorreiche Idee, einen ehemaligen Marine-Stützpunkt auf den karibischen Türks- und Caicos-Inseln für das Projekt zu verwenden. Sowohl Infrastruktur als auch geographische Lage boten sich hervorragend für illegale Drogengeschäfte an. Die Dinge entwikkelten sich allerdings ungünstig. Mehrere Ereignisse führten dazu, daß die ganze Geschichte aufflog. Die beiden Organisateure setzten sich daraufhin schleunigst unter Mithilfe ihrer CIA-Freunde ab. In seinem äußerst lesenswerten Werk »Im Namen des Staates« berichtet auch der ehemalige deutsche Bundesminister für Forschung und Technologie, Andreas von Bülow, über die australischen CIA-Drogenmachenschaften. Interessant, was er über das Schicksal einiger der Drahtzieher im Hand-Skandal berichtet: »Ed Wilson wurde in der Folgezeit wegen seines illegalen Waffenhandels mit Libyen zu lebenslanger Haft verurteilt. Clines wurde wegen Betrugs in Höhe von acht Millionen Dollar zu Lasten der US-Regierung angeklagt. Der zuständige Staatsanwalt wies nach, daß Clines nur der Strohmann einer kriminellen Vereinigung gewesen war, mit einflußreichen Hintermännern wie Ted Shackley, US-General Richard Secord und anderen. Doch die Anklage verzichtete auf wesentliche Teile der Strafverfolgung und begnügte sich mit einem Schuldanerkenntnis und der Verpflichtung zur Wiedergutmachung des Schadens in Höhe von drei Millionen Dollar. Gegen eine Geldstrafe von 10 000 Dollar wurde auch Clines auf freien Fuß gesetzt. General Secord ließ sich mit vollen Bezügen zur Ruhe setzen.« Dazu muß kaum mehr gesagt werden, vielleicht nur ganz allgemein, daß die Absicherung der Mächtigen selbst meistens ziemlich mächtig ausfällt, außer es gibt noch Mächtigere, denen Gegenteiliges am Herzen liegt. Interessant ist auch das Beispiel der Involvierung von George H. W. Bush in den BCCI-Skandal. Ein Unterkomitee des US-Senats, das die Bereiche »Terrorismus«,

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»Rauschgift« und »Internationale Operationen« abdeckte, sollte die Angelegenheit unter dem Vorsitz von Senator John Kerry in Augenschein nehmen. Man konnte angeblich keine Beweise vorbringen. Teammitglied Jack Blum erkannte jedoch die fadenscheinige Arbeitsweise und schlug eine ernsthafte BCCI-Untersuchung vor. »Ich wurde zur Seite gekehrt«, stellt er lapidar zur weiteren Entwicklung fest und fügt hinzu: »Alles, was BCCI betraf, wurde durch ein auf hoher Ebene angesiedeltes Cover-up vertuscht, das plaziert wurde, nachdem der Zoll über deren Geldwaschaktion in Miami stolperte!«

Die Kuba-Akte Daß die CIA und ihr Secret Team nicht die geringsten Skrupel kennen, dürfte außer Frage stehen. Beredte Beispiele dafür füllen nicht nur dieses Werk. Wie verdeckt das Secret Team bei seinen Operationen zum Teil agiert, beschreibt Colonel Prouty in seinem gleichnamigen Buch. Als »Briefing Officer«, der aus zahlreichen Akten und Unterlagen prägnante Informationspapiere erarbeitete, wußte er über viele dieser Operationen Bescheid. Am Beispiel der gescheiterten CIA-Operation in der »Bay of Pigs«, dem berühmten Schweinbucht-Debakel vom Frühjahr 1961, demonstriert er ziemlich eindringlich, wie wenig manchmal selbst Spitzenleute über solche Aktionen gewußt haben: »Ich erinnere mich, den Vorsitzenden der Vereinigten Stabs-Chefs, General Lyman L. Lemnitzer, zu dem Thema der größten verdeckten Spezialoperation gebrieft zu haben, welche die CIA bis zu jenem Zeitpunkt durchgeführt hatte, und ich erinnere mich, gehört zu haben, wie er zu den anderen Chefs sagte: >Ich kann das einfach nicht glauben. Ich habe das niemals gewußt. < Hier stand der höchstrangige Militär der Nation, der Mann, der für die Operation verantwortlich gemacht worden wäre, sollte sie mißlingen oder kompromittiert werden, und ihm war nicht genug gesagt worden, um zu wissen, wie hier verfahren wurde. Das ist die Art

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Spiel, wie es vom >Secret Team< gespielt wird. Bald nachdem die unter dem CIA-Code >Operation Zapata< geführte Mission mißlungen war, forderte John F. Kennedy eine Untersuchung der Angelegenheit. Er feuerte auch drei hochrangige CIA-Leute, Allan Dulles, Richard Bisseil und Charles P. Cabell. Das war wohl ein gewaltiger Fehler.« Wie auch immer, Lemnitzer sagte im erst 1981 veröffentlichten Untersuchungsbericht gleichfalls klar aus: »Wir hatten keine Information. « Interessant ist nicht zuletzt die Verwirrungspolitik, die das Secret Team selbst gegenüber Spitzenleuten betrieb. Lemnitzer nämlich erklärte: »Wir wurden massiv desinformiert. Aber in entgegengesetzten Richtungen.« Doch auch Lemnitzer war keineswegs ein Unschuldsengel. Erst im Jahr 2001 wurden fast vierzig Jahre alte Dokumente freigegeben, die bis dahin als »Top Secret« eingestuft wurden und belegen, daß im Prinzip jede Verschwörung möglich ist. Sie sollten auch denen zu denken geben, die a priori jede abweichende Darstellung von der herrschenden Lehre als Verschwörungstheorie lächerlich zu machen versuchen. Nicht zu vergessen: Die Informationen, die in diesen Dokumenten zu finden sind, standen jahrzehntelang ebenfalls noch nicht in den Geschichtsbüchern, und es mag noch dauern, bis sie darin erscheinen werden, dennoch sind sie aufs erschreckendste wahr. Sie belegen, daß die USA schon einmal bereit waren, einen Krieg gegen ihr eigenes Volk zu führen. Über diese Pläne wußte Lemnitzer genauestens Bescheid. Die Stabschefs planten Terroraktionen, um Amerika, das heißt, die Öffentlichkeit, für einen Krieg gegen Kuba aufzuwiegeln. Diese Dokumente haben nach ihrer Deklassifizierung vor allem in »Verschwörungskreisen« Aufsehen erregt, wobei sie eigentlich noch weitaus mehr hätten bewirken müssen. Anstatt daß eine Woge des Entsetzens durch die großen Medien ging, auch außerhalb der USA, finden sich Hinweise auf dieses Material selbst im beinahe unendlichen Informationsozean des Internet vorwiegend auf »Konspirationsseiten«, obwohl das in Washington aktive

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Christic Institute diese Dokumente sogar auf seiner Homepage wiedergibt (http://www.geocities.com/knoxvillegreenparty/iran_ contra_christic_institute/christictlpj.html) - die Papiere sind auch im Anhang »Operation Northwoods« aufgeführt. Es besteht kein Zweifel an der Echtheit des Materials. Auch der schon erwähnte NSA-Experte James Bamford, auf den sich die meisten Quellen berufen, erwähnt die unfaßbaren Pläne der USA in seinem Buch »Body of Secrets« (dt.: »NSA - Die Anatomie des mächtigsten Geheimdienstes der Welt«): »Geheimen und lange unter Verschluß gehaltenen Dokumenten zufolge, die für dieses Buch eingesehen wurden, machte und verabschiedete der Vereinigte Generalstab Pläne, die vielleicht die schlimmsten waren, die je von einer USamerikanischen Regierungsinstanz produziert worden sind. Im Namen des Antikommunismus schlugen die Militärs einen geheimen und blutigen terroristischen Krieg gegen ihr eigenes Land vor, um die amerikanische Öffentlichkeit für den irrwitzigen Krieg zu gewinnen, den sie gegen Kuba führen wollten.« In der Einleitung seines an den Verteidigungsminister gerichteten Memorandums vom 13. März 1962 spricht Lyman L. Lemnitzer den Plan als »Cuba Project« an und erklärt: »Die Vereinten Stabschefs empfehlen, daß das vorgeschlagene Memorandum als eine vorläufige Einreichung weitergeleitet wird, die für Planungszwecke geeignet ist. Man nimmt an, daß es ähnliche Einreichungen von anderen Behörden geben wird und daß diese Eingänge als Basis zur Entwicklung eines zeitversetzten Planes gebraucht werden. Individuelle Projekte können dann auf einer fallbezogenen Basis erwogen werden.« Dann folgen zwölf Seiten, auf denen das als »Project Northwoods« beziehungsweise »Cuba Project« bezeichnete Geheimunternehmen in all seinen Details beschrieben wird. In der Diskussion auf Seite 2 findet sich die skrupellose und teuflische Grundidee: »Der vorgeschlagene Weg der Aktionen basiert auf der Voraussetzung, daß eine militärische Intervention der USA aus einer Periode erhöhter Spannungen zwischen den USA und Kuba resultiert, welche die Vereinigten Staaten in eine

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Position versetzt, gerechtfertigten Groll zu hegen. Die Weltmeinung und das Forum der Vereinten Nationen sollten in günstiger Weise beeinflußt werden, indem international das Bild einer wilden und unverantwortlichen kubanischen Regierung vermittelt wird, die eine alarmierende und nicht vorausberechenbare Bedrohung für den Frieden der westlichen Hemisphäre darstellt.« Und wie gedachte man all das zu realisieren? Die Antworten gibt das Dokument ab Seite 7. Hier heißt es unter anderem: »1. Da es wünschenswert scheint, legitimierte Provokation als Basis für die militärische Intervention der USA zu nutzen, könnte ein verdeckter Täuschungsplan ... als anfängliche Anstrengung ausgeführt werden, um kubanische Reaktionen zu provozieren. Schikanierung und Täuschungsmanöver würden betont werden, um die Kubaner von einer bevorstehenden Invasion zu überzeugen. Unsere militärische Haltung während der Ausführung des Planes wird einen schnellen Wechsel vom Training zur Intervention ermöglichen, wenn die kubanische Antwort dies rechtfertigt. 2. Eine Serie von gut koordinierten Zwischenfällen wird geplant, um dann in und um Guantanamo stattzufinden, zur Erwekkung eines authentischen Anscheins, von feindlichen kubanischen Streitkräften ausgeführt zu werden. a) Zwischenfälle, um eine glaubwürdige Attacke zu etablieren (nicht in chronologischer Reihenfolge): (1 ) Beginn, Gerüchte zu verbreiten (viele). Verborgenen Funk verwenden. (2 ) Freundlich gesinnte Kubaner in Uniformen »hinter dem Zaun« landen, um Angriff auf Basis zu inszenieren. (3 ) (Freundliche) Kubanische Saboteure innerhalb der Basis gefangen nehmen. (4 ) Aufruhr nahe dem Haupttor der Basis inszenieren (freundlich gesinnte Kubaner). (5 ) Munition in der Basis zur Explosion bringen; Feuer auslösen. (6 ) Flugzeuge auf der Basis in Brand setzen (Sabotage). (7 ) Mörsergranaten von außerhalb der Basis in die Anlage schleudern.

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Einiger Schaden an den Einrichtungen. (8 ) Angriffs- Teams gefangen nehmen, die sich von der See oder aus der Gegend von Guantanamo City nähern. (9 ) Militante Gruppen gefangennehmen, welche die Basis stürmen. (10 ) Sabotage-Schiff im Hafen; große Feuer - Naphtalin. (11 ) Ein Schiff in der Nähe der Hafeneinfahrt versenken. Beerdigungen für Schein-Opfer durchführen (könnte auf Punkt 10 folgen).

b) Die

Vereinigten Staaten könnten mit der Durchführung von offensiven Operationen antworten, um Wasser- und Energieversorgung zu sichern ... c) Beginnen mit groß angelegten Militäroperationen der Vereinigten Staaten. 3. Ein »Remember-the-Maine«-Zwischenfall [1898 zerstörte eine mysteriöse Explosion das US-Schlachtschiff >Maine< in Havana und führte zum Spanisch-Amerikanischen Krieg, Anm. d. Verf.] könnte in verschiedener Weise arrangiert werden: a. Wir könnten ein US-Schiff in der Guantanamo-Bucht sprengen und Kuba dafür verantwortlich machen. b. Wir könnten eine Schiff-Drohne (unbemannt) an beliebiger Stelle in den kubanischen Gewässern sprengen. Wir könnten es so arrangieren, daß sich der Zwischenfall in der Nähe von Havana oder Santiago ereignet, als ein spektakuläres Ergebnis einer kubanischen Attacke von der Luft oder vom Meer aus, oder beidem. Die Gegenwart von kubanischen Flugzeugen oder Schiffen, die lediglich die Absicht des Schiffs ergründen, könnte eine ziemlich zwingende Beweislage dafür liefern, daß das Schiff unter Attacke stand. Die Nähe zu Havana oder Santiago würde die Glaubwürdigkeit vor allem für diejenigen Leute verstärken, welche die Explosion gehört oder das Feuer gesehen haben könnten. Die USA könnten eine Luft-/See-Rettungsoperation folgen lassen, geschützt von US-Kampfjägern, um verbliebene Mitglieder der nicht-existenten Besatzung zu >evakuierenMAY DAYverkaufenthe Boys
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