Pistis Sophia De

February 17, 2018 | Author: Kali R. Rajovic | Category: Gnosticism, Christ (Title), Mary, Mother Of Jesus, Ancient Mediterranean Religions, Esotericism
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DIE GNOSTISCHEN MYSTERIEN DER

PISTIS SOPHIA

BETRACHTUNGEN ZUM ERSTEN BUCH DER PISTIS SOPHIA

VON

JAN VAN RIJCKENBORGH MIT EINEM VORWORT VON

CATHAROSE DE PETRI

2. AUFLAGE 2003 Rozekruis Pers/DRP Rosenkreuz Verlag – Haarlem/Birnbach Übersetzt aus dem Niederländischen Ursprünglicher Titel: DE GNOSTIEKE MYSTERIËN VAN DE PISTIS SOPHIA 1. Auflage 1992 Internationale Schule des Goldenen Rosenkreuzes LECTORIUM ROSICRUCIANUM Hauptsitz Bakenessergracht 11-15, Haarlem, Niederlande © 2003 Rozekruis Pers, Haarlem, Niederlande

Inhalt 5 7

Zum Geleit Vorwort

9

ERSTES BUCH DER PISTIS SOPHIA

13 15 18 20 22 24 25 26 27 28 32 33 34 37 40 41 44 47 51 52 53 56 57 58

Die Seelenrettung Das Lichtkleid Die große Verwirrung Die Umwendung der Äonen Die Reinigung des Lichtes durch Melchisedek Die Errettung der Seelen Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen Die Geschichte der Pistis Sophia Die Kraft mit dem Löwenkopf Die erste Reue: das Menschheitslied Die zweite Reue der Pistis Sophia: das Bewusstseinslied Der dritte Reuegesang: das Lied der Demut Der vierte Reuegesang: das Lied der Zerschmetterung Der fünfte Reuegesang: das Lied der Ergebung Der sechste Reuegesang: das Lied der Selbstübergabe Der siebte Reuegesang der Pistis Sophia: das Lied der Entscheidung Der achte Reuegesang: das Lied der Verfolgung Der neunte Reuegesang: das Lied des Durchbruchs Der zehnte Reuegesang: das Lied der Gebetserhörung Der elfte Reuegesang: das Lied der Glaubensprüfung Der zwölfte Reuegesang: das Lied der großen Prüfung Der dreizehnte Reuegesang der Pistis Sophia: das Lied der Überwindung Das erste Loblied der Pistis Sophia Das zweite Loblied der Pistis Sophia

63 BETRACHTUNGEN ZUM ERSTEN BUCH DER PISTIS SOPHIA 64

Pistis Sophia, Abschnitt 1

64

Kapitel 1

64

Die unkennbaren Mysterien

67

Pistis Sophia, Abschnitte 2 und 3

67

Kapitel 2

67

Fünf psychologische Prozesse

72

Kapitel 3

72

Die fundamentale Beunruhigung

76

Kapitel 4

76

Der Schüler am Scheideweg

1

80

Kapitel 5

80

Das Offenbarungsbewusstsein

84

Kapitel 6

84

Der magnetische Sturm

88

Kapitel 7

88

Ein neuer Himmel und eine neue Erde

92

Kapitel 8

92

Die Begegnung mit der Geistesschule

96

Pistis Sophia, Abschnitt 4

96

Kapitel 9

96

Das feurige Dreieck

102

Pistis Sophia, Abschnitte 5-7

103 Kapitel 10

103 Der Meister vom Stein 106 Kapitel 11

106 Die Archonten der Äonen 109 Kapitel 12

109 Die Johannes-Geburt 114

Pistis Sophia, Abschnitt 8

114 Kapitel 13

114 Die Kraft des kleinen Jaô, des Guten 117 Kapitel 14

117 Die Kraft des großen Sabaoth 121 Kapitel 15

121 Die fünf Helfer 125 Kapitel 16

125 Das Wunder des Uratoms 129 Kapitel 17

129 Blut, Feuer und Rauchdampf 132 Kapitel 18

132 Ihr seid es, welche die ganze Welt retten werden 138

Pistis Sophia, Abschnitt 9

138 Kapitel 19

138 Der Herr kennt uns alle beim Namen 142 Kapitel 20

142 Das östliche und das westliche Fenster 146 Kapitel 21

146 Das Lichtkleid der Erneuerung 149 Kapitel 22

150 Die Überwindung des Gesetzes der Schwerkraft 153 Kapitel 23

2

153 Die Archonten, Mächte und Engel fürchten sich sehr 159

Pistis Sophia, Abschnitte 12-15

159 Kapitel 24

159 Der Tierkreis – ein zwölffaches Gefängnis 164 Kapitel 25

164 Die Entthronung der vier Herren des Schicksals 169

Pistis Sophia, Abschnitte 16-18

169 Kapitel 26

169 Die frohe Botschaft der modernen Geistesschule 173

Pistis Sophia, Abschnitte 19-20

173 Kapitel 27

173 Die Mysterien des dreizehnten Äons 177 Kapitel 28

177 Die Schöpfung des dreizehnten Äons 184

Pistis Sophia, Abschnitt 21

184 Kapitel 29

184 Das Ende der Horoskope 189

Pistis Sophia, Abschnitte 22-23

189 Kapitel 30

189 Beseelung zum Tode und Beseelung zum Leben 197

Pistis Sophia, Abschnitte 24-28

197 Kapitel 31

197 Eine neue Sonne und ein neuer Mond 201

Pistis Sophia, Abschnitt 29

201 Kapitel 32

201 Die Betrübnis der Pistis Sophia 205 Die Geschichte der Pistis Sophia 206

Pistis Sophia, Abschnitte 30-31

206 Kapitel 33

206 Der Einfluss des Authades 209 Kapitel 34

209 Der magnetische Konflikt 214 Kapitel 35

214 Die Kraft mit dem Löwenkopf 217 Kapitel 36

217 Jaldabaoth: Feuer und Finsternis 221 Kapitel 37

221 Die dreizehnfache Reue 228

Pistis Sophia, Abschnitte 32-34

228 Kapitel 38 3

228 Erster Reuegesang: das Menschheitslied 233

Pistis Sophia, Abschnitte 35-36

233 Kapitel 39

233 Zweiter Reuegesang: das Bewusstseinslied 238

Pistis Sophia, Abschnitte 37-38

238 Kapitel 40

238 Dritter Reuegesang: das Lied der Demut 244

Pistis Sophia, Abschnitte 39-40

244 Kapitel 41

244 Vierter Reuegesang: das Lied der Zerschmetterung 249

Pistis Sophia, Abschnitte 41-42

249 Kapitel 42

249 Fünfter Reuegesang: das Lied der Ergebung 254

Pistis Sophia, Abschnitt 43

254 Kapitel 43

254 Das Mysterium des fünften Reuegesanges 259

Pistis Sophia, Abschnitte 44-45

259 Kapitel 44

259 Sechster Reuegesang: das Lied des Vertrauens 263 Kapitel 45

263 Das Mysterium der drei Lichtkräfte 269

Pistis Sophia, Abschnitt 46

269 Kapitel 46

269 Siebter Reuegesang: das Lied der Entscheidung 275

Pistis Sophia, Abschnitte 47-49

275 Kapitel 47

275 Achter Reuegesang: das Lied der Verfolgung 281

Pistis Sophia, Abschnitt 50

281 Kapitel 48

281 Neunter Reuegesang: das Lied des Durchbruchs 285 Kapitel 49

285 Die Mauer der zwölf Äonen 288 Kapitel 50

288 Die fundamentale Ursache der Krankheiten und des Todes 289 Kapitel 51

289 Die Strahlungskraft Christi 294

Pistis Sophia, Abschnitt 51

294 Kapitel 52

294 Jakobus, der Mensch, der die Gnosis besitzt 4

Zum Geleit

Die gnostische Schrift Pistis Sophia, die dem bekannten, in Alexandrien geborenen Gnostiker Valentinus zugeschrieben wird – er lebte im zweiten Jahrhundert nach Christus – wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von dem Londoner Arzt A. Askew entdeckt. Nach dessen Tod wurde die Schrift 1785 vom Britischen Museum in London erworben, wo sie seitdem unter der Bezeichnung Codex Askewianus auf bewahrt wird. Unsere deutsche Übertragung des ersten Buches der Pistis Sophia ist mit ausführlichen Betrachtungen versehen, die Jan van Rijckenborgh in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts hinzufügte. Sie erscheint in einer Zeit, in der die Frage nach Ursprung, Wesen und Ziel der Gnosis in zahlreichen Menschen lebt. Das Buch gibt im Licht der Gnosis eine direkte Antwort auf die Frage nach der wirklichen Bestimmung des Menschen und zeigt die Richtung, in der diese Bestimmung des Menschen – der lebende Seelenzustand – erreicht werden kann. In der Pistis Sophia wird über die beiden Ströme gesprochen, welche die beiden elektromagnetischen Wellen andeuten. Die eine Strömung wird als der Strom der Kenntnis, als Pistis, bezeichnet und die andere als Strom der Weisheit, als Sophia. Die eine Strömung verbindet sich völlig mit der gewöhnlichen menschlichen Kenntnis jeder Zeitenwende, so dass die gesamte Menschheit diese Emanation entdecken und darauf reagieren kann, ja muss. Die andere Strömung hält sich vollkommen abseits von dieser Welt, obwohl sie in diese Welt einstrahlt, damit der einzelne, der Gott suchende Mensch, schließlich der Natur entfliehen und die Sophia, die Weisheit, finden, ja, sogar selbst die Sophia sein kann. Wir sind jetzt in einer Zeitphase angelangt, in der viele gnostisch Empfängliche mit innerer Sehnsucht in unterschiedlichen Gradationen mehr oder weniger bewusst nach Befreiung verlangen. Sie prüfen, ob sie vielleicht den Quell ihrer Bewegtheit, das Ziel ihres Verlangens erkennen und sich ihm nähern können. Diese Menschen können die wirkliche Bedeutung der oft dunklen Worte der Pistis Sophia im gnostischen Licht der einmal von Jan van Rijckenborgh gegebenen Erklärungen verstehen. So sehen wir die beiden genannten Emanationen, die der Pistis und die der Sophia, die aus der Welt der Geistnatur stammen. Die Pistis erweckt und unterstützt die Bewegtheit der Masse im weitesten Sinn des Wortes und wirkt dadurch äußerst stark auf den menschlichen Verstand ein. Die Sophia, die zweite Emanation, wendet sich dagegen an die Auserwählten, um sie aus der Natur des Todes zu erretten und in die Gebiete des göttlichen Pleromas emporzuziehen, über die u.a. Paulus in seinem Brief an die Epheser, die Bewohner des Grenzlandes in seinen Tagen, spricht (Eph. 3/19). Die Sophia will den neuen Seelenzustand, das neue Seelenbewusstsein, das neue Seelendenken in den Auserwählten erwecken. 5

Die in diesem Buch benutzte Übertragung des ersten Buches der Pistis Sophia beruht auf der deutschen Übersetzung von Carl Schmidt in der Bearbeitung von Walter Till (Koptisch gnostische Schriften, I. Die Pistis Sophia, Berlin, 1962). Es wurden jedoch auch die englischen Übersetzungen von George Horner (Pistis Sophia, London, 1924) und von G. R. S. Mead (Pistis Sophia, a Gnostic Miscellany, London, 1955) benutzt wie auch die Übersetzung von Violet MacDermot, erschienen im Rahmen der Nag-Hammadi-Publikationen als Teil von The Coptic Gnostic Library, Nag Hammadi Studies IX, Leiden, 1978. Rozekruis Pers

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Vorwort

Dieses Buch konnte leider nicht vollendet werden, da der Autor Jan van Rijckenborgh (1896-1968) – während der Arbeit daran verstarb. Der Verfasser beschreibt in seinem Buch, wie es für einen Menschen möglich ist, genauso wie die Pistis Sophia bis hinter die Schleier des dreizehnten Äons durchzudringen. Er gibt uns eine vollständige Erklärung der neuen Lichtkraft, die wie ein Ruf, eine neue Lebensaufgabe, ein neuer Auftrag ist. Dieser Auftrag muss jedoch erfüllt werden, damit nicht der Tod, sondern das eine wahre Leben gewonnen werden kann. Viele Leser werden sich inzwischen gefragt haben: »Was sind denn die Mysterien des dreizehnten Äons?« Die Antwort lautet: Es sind die Mysterien der Universellen Bruderschaftskette Christi oder, wie Jakob Böhme sagt: »Es ist der Christus, der das Herz der gefallenen Natur angegriffen hat.« Der dreizehnte Äon oder das universelle Kraftfeld, durch das das fünfte Basiselement der Ursubstanz – der Feueräther oder elektrische Äther – zusammen mit den vier anderen Ätherzuständen zu göttlicher Lichtkraft entflammt wird, besteht ewig. Und aus diesem Ort, aus diesem Kraftfeld, wird keine Kraft hinweggenommen. Der Geist-Seelenmensch lebt und existiert durch diesen dreizehnten Äon. Allen, die Jesus, den Christus, annehmen, gibt Er die Kraft und die Macht, auf diesen dreizehnten Äon hin zu leben. Wie lebt der Mensch auf diesen dreizehnten Äon hin? Der Kandidat der gnostischen Mysterien steht vor dreizehn Seelen-Umwendungen, die er durchkämpfen muss, um die wahre Seelenwiedergeburt zu erreichen. Diese Seelenumwendungen nehmen gleichsam Gestalt an in den dreizehn Reuegesängen der Pistis Sophia: 1. Im ersten Gesang entdeckt die Pistis Sophia die Dialektik und die Verdammnis der Menschheit. Sie singt das Menschheitslied. 2. Im zweiten Gesang entdeckt sie ihren eigenen Naturzustand. Sie singt das Bewusstseinslied. 3. Auf dieser Basis singt sie das Lied der Demut dem einen wahren Licht gegenüber. 4. Dann folgt das Lied der Zerschmetterung. Das Ich wird zu Grabe getragen. 5. Das Lied der Ergebung ist die folgende Phase: Die Pistis Sophia steht in vollkommener Selbstübergabe. 6. Auf dieser Grundlage wird das Lied des Vertrauens gesungen. Das Licht wird voller Glaubensvertrauen erfleht. 7. Im siebten Reuegesang singt die Pistis Sophia das Lied der Entscheidung. Es ist der Auf- oder Untergang. 8. Daraufhin beginnt die Verfolgung. Die Äonen der Natur greifen die Pistis Sophia kraftvoll an, und sie singt das Lied der Verfolgung. 7

9. Nachdem sie das Lied des Durchbruchs gesungen hat, schüttelt sie ihre Verfolger positiv ab. 10. Dann singt die Pistis Sophia das Lied der Gebetserhörung. Sie sieht zum ersten Mal das Licht der Lichter. 11. Die Kraft des Glaubens wird nun einer Endprüfung unterworfen. Sie singt das Lied der Glaubensprüfung. 12. Zwölftens erfährt sie die große Prüfung, die man mit der Versuchung in der Wüste vergleichen könnte. Sie singt das Lied der großen Prüfung. 13. Schließlich singt die Pistis Sophia den dreizehnten Reuegesang, das Lied der Überwindung: Die Seele ist entstiegen, sie erkennt den Geist und begegnet ihm, ihrem Pymander. Auf dieser Basis kann der Leser sich einigermaßen auf die göttliche Weisheit und Kraft besinnen, die in darauf vorbereitete Menschen eintreten müssen. Weisheit und Kraft sind die ersten Voraussetzungen, um den Weg zur Befreiung der Seele wirklich in der Tat gehen und ihn zu einem guten Ende führen zu können. Die Tatsache, lieber Leser, dass Sie sich dazu auf die Universelle Lehre berufen können, die durch die Jahrhunderte hin bewahrt geblieben ist, beweist Ihnen, dass Sie bei Ihrem Streben niemals allein gelassen werden. Die Universelle Bruderschaftskette Christi ist Ihnen zu allen Zeiten nahe, um Ihnen dort zu helfen, wo es nützlich und notwendig ist. Durch dieses Buch Die gnostischen Mysterien der Pistis Sophia erklingt wiederum der göttliche Ruf zu Welt und Menschheit, doch vor allem das große Mysterium des Gottesreiches zu erkennen. Und wer diesen Ruf versteht, wird dazu befähigt, den Weg der Rückkehr zum ursprünglichen Feld des Lebens zu betreten. Dabei hat jeder Mensch die Sophia, die hohe göttliche Weisheit, als Wegweiser auf dem Pfad nötig, der vor ihm liegt. Durch all die Sphären der Äonen geht hin die Pistis Sophia, nachdem sie das Heiligtum des Körpers gereinigt hat auf Golgatha. Keine Macht des Bösen kann sie hindern, den Willen zu öffnen für den Geist. Sie tritt, die Siegeslieder singend, nun ein – in das ewige Liebesfest. 2. April 1990

CATHAROSE DE PETRI

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ERSTES BUCH DER PISTIS SOPHIA 1 Als Jesus von den Toten auferstanden war, verbrachte Er elf Jahre im Gespräch mit seinen Jüngern und belehrte sie nur bis zu den Bereichen des Ersten Gebotes und des Ersten Mysteriums hinter dem Schleier, also über den Inhalt des Ersten Gebotes. Das ist das vierundzwanzigste Mysterium von innen nach außen – jener, die sich im zweiten Raum des Ersten Mysteriums befinden, welches allen Mysterien voransteht: der Vater in Gestalt der Taube. Und Jesus sprach zu seinen Jüngern: »Ich bin hervorgekommen aus dem Ersten Mysterium, welches das letzte, nämlich das vierundzwanzigste Mysterium ist.« Die Jünger hatten weder gewusst noch verstanden, dass innerhalb dieses Mysteriums noch etwas anderes bestehe; denn sie dachten von diesem Mysterium, dass es das Haupt des Alls und das Haupt alles Bestehenden sei. Sie dachten, dass es die Vollendung aller Vollendungen sei, weil Jesus über dieses Mysterium zu ihnen gesagt hatte, dass es das Erste Gebot umschließt sowie die fünf Urideen und das große Licht und die fünf Helfer und die ganze Schatzkammer des Lichtes. Außerdem hatte Jesus seine Jünger nicht unterrichtet über den gesamten Umfang aller Bereiche des großen Unsichtbaren und der drei dreimal gewaltigen Kräfte, auch nicht über die vierundzwanzig Unsichtbaren und alle ihre Gebiete und Äonen und Ordnungen, wie sie sich ausgebreitet haben – nämlich die Emanationen des großen Unsichtbaren – auch nicht über ihre Ungezeugten, Selbstgezeugten und Gezeugten und ihre leuchtenden Sterne und ihre Ungepaarten und Archonten und Gewalten und Herrscher und Erzengel und ihre Dekane und ihre Diener und alle Wohnungen ihrer Sphäre und all ihre Ordnungen. Jesus hatte seine Jünger nicht über die ganze Entfaltung der Emanationen der Schatzkammer des Lichtes unterrichtet, auch nicht über ihre Ordnungen und wie sie entstanden sind; auch hatte Er ihnen nichts gesagt über deren Erlöser, wie sie gemäß der Ordnung eines jeden beschaffen sind. Auch hatte Er ihnen nicht gesagt, welche Wächter an jeder Pforte der Schatzkammer des Lichtes stehen. Auch hatte Er ihnen nichts gesagt über den Ort des Zwillingserlösers, der das Kindeskind ist. Auch hatte Er nichts gesagt über das Gebiet der drei Amen und in welche Bereiche sich ihre Macht erstreckt, noch hatte Er ihnen angedeutet, in welche Bereiche die fünf Bäume gepflanzt sind, noch etwas hinsichtlich der sieben anderen Amen, nämlich der sieben Stimmen, wo ihr Gebiet ist und wie sie sich ausbreiten. Jesus hatte seinen Jüngern nicht gesagt, von welcher Art die fünf Helfer sind und wo sie sich befinden. Auch hatte Er ihnen nicht gesagt, auf welche Weise sich das große Licht ausgebreitet hat oder in welche Bereiche es gelangte. Ebensowenig hatte Er ihnen etwas erzählt über die fünf Ideen und über das Erste Gebot und in welche Bereiche sie gelangten. Sondern Er hatte nur allgemein mit ihnen gesprochen, indem Er sie über deren Existenz belehrte; aber über ihren Umfang und die Ordnung ihrer Gebiete und wie sie beschaffen sind hatte Er nicht gesprochen. Darum haben sie auch 9

nicht gewusst, dass noch andere Bereiche innerhalb dieses Mysteriums bestehen. Er hatte zu seinen Jüngern nicht gesagt: »Ich bin aus diesen und jenen Gebieten hinausgegangen, bis ich in jenes Mysterium einging und wieder aus ihm hervorging.« Sondern Er hatte sie nur gelehrt: »Ich bin aus diesem Mysterium hervorgekommen.« Darum dachten sie von jenem Mysterium, dass es die Vollendung aller Vollendungen, das Haupt des Alls und das totale Pleroma sei. Denn Jesus hatte zu seinen Jüngern gesagt: »Dieses Mysterium umgibt alles, wovon ich zu euch gesprochen habe vom Tag unserer Begegnung bis zum heutigen Tag.« Darum dachten die Jünger, dass innerhalb dieses Mysteriums nichts anderes bestehe. 2 Als die Jünger zusammen auf dem Ölberg saßen, sprachen sie zueinander in großer Freude und Begeisterung über diese Worte: »Begnadet sind wir unter allen Menschen der Erde, weil der Erlöser uns dieses geoffenbart hat und wir die Fülle und die ganze Vollendung empfangen haben.« Als sie so zueinander sprachen, saß Jesus ein wenig entfernt von ihnen. Am fünfzehnten Tag des Mondes im Monat Tybi, am Tag des Vollmondes, als die Sonne ihre Bahn betrat, kam hinter ihr eine gewaltige Lichtkraft hervor, die außergewöhnlich hell strahlte, so dass es kein Maß gab für das Licht, das mit dieser Kraft verbunden war. Denn sie kam hervor aus dem Licht der Lichter und aus dem letzten Mysterium, dem vierundzwanzigsten – von innen nach außen – jener Mysterien, die sich in den Ordnungen des zweiten Raumes des Ersten Mysteriums befinden. Diese Lichtkraft kam auf Jesus herab und umgab Ihn ganz, während Er ein wenig entfernt von seinen Jüngern saß; und Er strahlte sehr in dem unermesslichen Licht, das an Ihm war. Die Jünger hatten Ihn nicht gesehen infolge dieses großen Lichtes, in dem Er sich befand, denn ihre Augen waren durch das große Licht, das Ihn umgab, geblendet. Sie sahen nur Licht, das viele Lichtstrahlen aussandte. Die Lichtstrahlen waren einander nicht gleich, sondern das Licht war von unterschiedlicher Beschaffenheit und Eigenschaft, von unten nach oben – ein Strahl unendlich vortrefflicher als der andere in einem großen, unermesslichen Lichtglanz, der von der Erde bis zum Himmel reichte. Als die Jünger dieses Licht sahen, gerieten sie in große Furcht und Erregung. 3 Als diese Lichtkraft auf Jesus herabkam, umhüllte sie Ihn allmählich ganz. Da stieg Jesus auf und fuhr in die Höhe, während Er im unermesslichen, blendenden Licht erstrahlte. Die Jünger blickten Ihm nach, und keiner sprach, bis Er den Himmel erreicht hatte, sondern sie verharrten in tiefem Schweigen. Das nun geschah am fünfzehnten Tag des Mondes, am Vollmondtag im Monat Tybi. Drei Stunden nachdem Jesus zum Himmel aufgefahren war, gerieten alle Kräfte des Himmels in große Aufregung, und alle bewegten sich gegeneinander, sie und all ihre Äonen und all ihre Gebiete und Ordnungen. Die ganze Erde mit ihren Bewohnern geriet in Erschütterung. Und alle Menschen auf der Erde und auch die Jünger gerieten in einen Zustand starker Beunruhigung und alle dachten, dass vielleicht die Welt zusammengerollt werden sollte. 10

Alle Kräfte des Himmels hielten an in ihrem Aufruhr, sie und die ganze Welt. Sie bewegten sich alle gegeneinander, von der dritten Stunde des fünfzehnten Tages im Monat Tybi bis zur neunten Stunde des folgenden Tages. Und alle Engel und ihre Erzengel und alle Kräfte aus der Höhe priesen das Innerste des Innersten, so dass die ganze Welt ihre Stimmen vernahm, unablässig, bis zur neunten Stunde des folgenden Tages. 4 Die Jünger saßen nun in Furcht beieinander und waren sehr aufgeregt und fürchteten sich sehr wegen des großen Erdbebens, das sich ereignete, und sie weinten und sprachen zueinander: »Was wird wohl geschehen? Wird der Erlöser vielleicht alle Orte zerstören?« Während sie so zusammen sprachen und weinten, öffneten sich um die neunte Stunde des folgenden Tages die Himmel, und sie sahen Jesus herniederfahren, außergewöhnlich strahlend, und es gab kein Maß für das Licht, in dem Er sich befand. Denn Er strahlte noch mehr als zu der Stunde, da Er zu den Himmeln aufgestiegen war, so dass die Bewohner der Erde das Licht, das an Ihm war, nicht fassen konnten. Es sandte Lichtstrahlen aus in Fülle, und seine Strahlen waren unermesslich. Dieses Licht war nicht gleichförmig, sondern unterschiedlich in Art und Beschaffenheit, während einzelne Strahlen unendlich viel leuchtender waren als andere. In seiner Gesamtheit bestand das Licht aus drei Arten, wobei eine unendlich viel leuchtender war als die andere. Die zweite oder mittlere Art war vortrefflicher als die erste oder unterste, und die dritte übertraf die beiden anderen. Der erste Strahl, der unterste von allen, ähnelte dem Licht, das über Jesus gekommen war, ehe Er zu den Himmeln aufgefahren war. Aber allein in seinem Licht war er jenem gleich. Die drei Arten des Lichtes waren von unterschiedlicher Beschaffenheit, jede unendlich vortrefflicher als die andere. 5 Als die Jünger das sahen, fürchteten sie sich sehr und gerieten in Verwirrung. Als Jesus, der Barmherzige und Sanftmütige, seine Jünger in so großer Aufregung sah, sprach Er zu ihnen: »Seid getrost. Ich bin es. Fürchtet euch nicht.« 6 Als die Jünger diese Worte gehört hatten, sagten sie: »O Herr, wenn Du es bist, so ziehe Deinen Lichtglanz an Dich, damit wir es ertragen können. Sonst werden unsere Augen geblendet, und wir sind aufgeregt, und auch die ganze Welt ist in Verwirrung wegen des großen Lichtes, das an Dir ist.« Hierauf zog Jesus den Glanz seines Lichtes in sich zurück. Als das geschah, fassten alle Jünger Mut, traten auf Jesus zu, fielen alle vor Ihm nieder, beteten Ihn in großer Freude an und sprachen zu Ihm: »Meister, wohin bist Du gegangen oder was für eine Aufgabe war es, die Du erfüllt hast? Und vor allem, warum haben all diese Bewegtheiten und all diese Erdbeben stattgefunden?« Da sprach Jesus, der Barmherzige, zu ihnen: »Freuet euch und jubelt von dieser Stunde an, denn ich bin zu den Gebieten gegangen, aus denen ich hervorgekom11

men war. Von nun an werde ich in aller Offenheit mit euch sprechen, vom Anfang der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung, und ich werde mit euch von Angesicht zu Angesicht und ohne Gleichnis reden. Von jetzt an werde ich nichts vor euch verbergen vom Mysterium der Höhe und vom Wesen des Gebietes der Wahrheit. Denn mir ist durch den Unaussprechlichen und durch das Erste Mysterium aller Mysterien die Macht gegeben, mit euch zu sprechen über den Beginn bis zur Vollendung und von außen nach innen und von innen nach außen. Hört nun, damit ich euch alle Dinge mitteile: Als ich ein wenig von euch entfernt auf dem Ölberg saß, dachte ich darüber nach, dass die Aufgabe des Auftrags, zu dem ich gesandt wurde, damit vollbracht war, und dass mir das letzte Mysterium – das vierundzwanzigste von innen nach außen – der vierundzwanzig Mysterien, die sich im zweiten Raum des Ersten Mysteriums in der Ordnung jenes Raumes befinden, mir mein Kleid noch nicht gesandt hatte. Als ich nun erkannte, dass die Aufgabe meines Auftrags, zu dem ich gesandt war, vollbracht sei und dass dieses Mysterium mir mein Kleid noch nicht gesandt hatte, das ich darin zurückgelassen hatte, bis die Zeit vollendet sei – das nun überdenkend, saß ich ein wenig von euch entfernt auf dem Ölberg. 7 Als nun die Sonne im Osten aufging, wurde mir durch das Erste Mysterium – das von Anfang an besteht und um dessentwillen das All entstanden ist und woraus ich selbst soeben gekommen bin, nicht in der Zeit vor meiner Kreuzigung, sondern jetzt – und durch den Befehl dieses Mysteriums mein Lichtkleid gesandt, das mir von Anfang an gegeben war und das ich im letzten Mysterium zurückgelassen hatte, dem vierundzwanzigsten – von innen nach außen. Diese vierundzwanzig Mysterien sind es, die sich in der Ordnung des zweiten Raumes des Ersten Mysteriums befinden. Dieses Lichtgewand nun hatte ich im letzten Mysterium zurückgelassen, bis die Zeit angebrochen sein würde, um es anzulegen und ich beginnen würde, zur Menschheit zu sprechen und ihr alles zu offenbaren vom Beginn der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung, und um mit ihr zu sprechen vom Innersten des Inneren bis zum Äußersten des Äußerlichen und vom Äußersten des Äußeren bis zum Innersten des Innerlichen. Freuet euch nun und jubelt und wachset in der Freude. Denn euch ist es gegeben, dass ich zuerst zu euch sprechen werde vom Beginn der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung. Denn ich habe euch ja von Anfang an durch das Erste Mysterium auserwählt.

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Die Seelenrettung Freuet euch daher und jubelt, denn als ich mich zur Welt aufmachte, führte ich von Anfang an zwölf Kräfte mit mir, wie ich es euch von Beginn an gesagt habe, Kräfte, die ich von den zwölf Erlösern der Schatzkammer des Lichtes gemäß dem Gebot des Ersten Mysteriums empfangen habe. Diese Kraft stieß ich in den Schoß eurer Mütter, als ich in die Welt kam, und es sind jene Kräfte, die sich heute in euren Körpern befinden. Denn diese Kräfte wurden euch geschenkt für die ganze Welt, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden. Damit ihr imstande seid, die Bedrohung der Archonten der Welt und die Schmerzen der Welt und ihre Gefahren und all ihre Verfolgungen, welche die Archonten aus der Höhe über euch bringen werden, zu ertragen. Denn ich habe euch oft gesagt, dass ich die in euch anwesende Kraft aus den zwölf Erlösern genommen habe, die sich in der Schatzkammer des Lichtes befinden. Aus diesem Grund habe ich euch von Anfang an gesagt, dass ihr nicht von dieser Welt seid. Auch ich bin nicht von ihr. Alle Menschen dieser Welt haben ihre Seelen aus der Kraft der Archonten und Äonen empfangen. Die Kraft dagegen, die sich in euch befindet, ist von mir. Denn eure Seelen gehören zur Höhe. Zwölf Kräfte der zwölf Erlöser von der Schatzkammer des Lichtes habe ich gebracht, die ich jenem Teil meiner Kraft entnommen habe, den ich zuerst empfing. Als ich zu dieser Welt unterwegs war, gelangte ich mitten unter die Archonten der Sphäre in der Gestalt Gabriels, des Engels der Äonen. Die Archonten der Äonen haben mich nicht erkannt, denn sie dachten, dass ich der Engel Gabriel wäre. Als ich in die Mitte der Archonten der Äonen gelangt war, blickte ich auf Gebot des Ersten Mysteriums auf die Menschenwelt herab. Ich fand Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers, ehe sie ihn empfangen hatte. Und ich säte eine Kraft in sie, die ich vom kleinen Jaô, dem Guten, der in der Mitte ist, empfangen hatte, damit Johannes imstande sein würde, mein Vorläufer zu sein, mir den Weg zu bereiten und zu taufen mit dem Wasser der Schuldvergebung. Diese Kraft ist es, die sich im Körper des Johannes befindet. Außerdem fand ich statt der Archontenseele, die er hätte empfangen sollen, die Seele des Propheten Elias in den Äonen der Sphäre. Und ich nahm ihn auf, entnahm seine Seele und brachte sie zu der Jungfrau des Lichtes. Diese gab sie weiter an ihre Paralemptoren des Lichtes. Buchstäblich »Empfänger«. Siehe auch Fußnote Seite 197. Jene brachten sie zur Archonten-Sphäre und stießen sie in den Schoß Elisabeths. Somit sind die Kraft des kleinen Jaô, der in der Mitte ist, und die Seele des Propheten Elias im Körper Johannes des Täufers gebunden. Daher wart ihr einmal im Zweifel, als ich zu euch sagte: Johannes sprach: Ich bin nicht der Christus, und ihr habt mir erwidert: «Es steht geschrieben in der Schrift: Wenn der Christus kommen wird, so kommt Elias vor Ihm und bereitet Ihm den 13

Weg.» Ich aber gab euch zur Antwort: Elias ist bereits gekommen und hat alles vorbereitet, wie geschrieben steht: Und sie haben an ihm nach ihrem eigenen Willen gehandelt. Als ich erkannte, dass ihr nicht verstanden habt, was ich euch von der Seele des Elias, die in Johannes dem Täufer gebunden ist, gesagt habe, gab ich euch im offenen Gespräch Antwort von Angesicht zu Angesicht: Wenn ihr bereit seid, Johannes den Täufer anzunehmen: er ist Elias, von dem ich gesagt habe, dass er kommen wird.« 8 Jesus fuhr in seiner Rede fort und sagte: »Als ich auf Befehl des Ersten Mysteriums auf die Welt der Menschen hinabsah, fand ich Maria, die dem stofflichen Leib nach «meine Mutter» genannt wird. Ich sprach mit ihr in der Gestalt Gabriels, und als sie sich zu mir in die Höhe gewandt hatte, stieß ich in sie die erste Kraft, die ich von Barbelo empfangen hatte, nämlich die Kraft des Körpers, den ich in der Höhe getragen habe. Anstelle der Seele stieß ich in sie die Kraft des großen Sabaoth, des Guten, der sich im Bereich zur Rechten befindet. Die zwölf Kräfte der zwölf Erlöser der Schatzkammer des Lichtes, die ich von den zwölf Dienern in der Mitte empfangen hatte, stieß ich in die Sphäre der Archonten. Und die Dekane der Archonten und ihre Diener dachten, dass es Seelen der Archonten wären. Und die Diener brachten sie und banden sie in die Leiber eurer Mütter. Als eure Zeit angebrochen war, wurdet ihr in der Welt geboren, ohne dass Seelen der Archonten in euch sind. So habt ihr einen Teil empfangen aus der Kraft, welche der letzte Helfer in diese Welt geblasen hatte. Es ist die Kraft, die nun mit allen Unsichtbaren und allen Archonten und allen Äonen vermischt ist, mit einem Wort, vermischt mit dieser Welt des Verderbens. Diese Kraft, die ich am Anfang aus mir selbst hervorgebracht habe, stieß ich ins Erste Gebot. Und das Erste Gebot stieß einen Teil davon in das große Licht. Das große Licht stieß einen Teil dessen, was es empfangen hatte, in die fünf Helfer. Der letzte der Helfer nahm einen Teil dessen, was er empfangen hatte, und stieß ihn in die Vermischung. Und dieser Teil befindet sich nun in allen, die in der Welt der Vermischung leben, wie ich es euch soeben gesagt habe.« So sprach Jesus zu seinen Jüngern auf dem Ölberg. Und Er fügte hinzu: »Freuet euch und jubelt, denn die Zeiten sind vollendet. Freuet euch und jubelt und fügt Freude an Freude, denn die Zeiten sind vollendet, um mich mit dem Kleid zu bekleiden, das von Anfang an für mich bestimmt war und das ich im letzten Mysterium zurückließ, bis die Zeit der Vollendung gekommen wäre. Die Zeit der Vollendung ist die Zeit, in der mir durch das Erste Mysterium befohlen wird, mit euch über den Beginn der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung und vom Innersten des Inneren bis zum Äußersten des Äußeren zu sprechen, dadurch euch die Welt gerettet werden wird. Freuet euch und jubelt, denn ihr seid gesegnet vor allen Menschen auf der Erde, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden.« 14

9 Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesprochen hatte, fuhr Er wiederum in seiner Rede fort: »Seht, nun habe ich mein Kleid angetan, und es ist mir alle Macht gegeben durch das Erste Mysterium. Noch eine kleine Weile, und ich werde zu euch vom Mysterium des Alls und der Fülle des Alls sprechen. Von dieser Stunde an werde ich euch nichts verbergen, sondern ich werde euch in aller Fülle vollenden und in aller Vollendung und in allen Mysterien. Sie sind die Vollendung aller Vollendungen und das Pleroma aller Pleromata und die Gnosis aller Gnosis, welche sich in meinem Kleid befinden. Alle Mysterien, vom Äußersten zum Innersten, werde ich euch mitteilen. Doch hört: damit ich euch alle Dinge sagen werde, die mir geschehen sind.

Das Lichtkleid 10 Als die Sonne im Osten aufgegangen war, kam eine große Lichtkraft herab, in der sich mein Kleid befand, das ich im vierundzwanzigsten Mysterium zurückgelassen hatte, wie ich euch soeben gesagt habe. Und ich fand ein Mysterium in mein Kleid geschrieben nach der Art jener, die in der Höhe sind, und zwar in fünf Worten: Zama zama ozza rachama ozai. Sie bedeuten: O Mysterium, geoffenbart in der Welt, Ursache des Alls, Du bist der vollkommene Ausgang und Eingang, aus dem alle Emanationen und was sich in ihnen befindet, hervorgingen, und durch dessen Willen alle Mysterien und all ihre Gebiete entstanden sind, komme zu uns. Denn wir sind Deine Mitgefährten. Wir sind ganz eins mit Dir. Wir sind ein und dasselbe. Du bist das Erste Mysterium, das von Anfang an im Unaussprechlichen bestand, ehe Er sich offenbarte, in dessen Namen wir alle zusammen sind. Jetzt erwarten wir Dich alle an der äußersten Grenze, also beim letzten Mysterium von innen, das selbst ein Teil von uns ist. Wir haben Dir jetzt Dein Kleid gesandt, das Dir von Anfang an gehört, welches Du an der letzten Grenze, dem letzten Mysterium von innen, zurückgelassen hast, bis dass die Zeit auf Befehl des Ersten Mysteriums vollendet sei. Siehe, die Zeit ist nun erfüllt. Ziehe das Kleid an und komme zu uns. Denn wir alle erwarten Dich, um Dich auf Befehl des Ersten Mysteriums mit seiner Pracht zu bekleiden. Denn das Erste Mysterium hat uns das Kleid, bestehend aus zwei Gewändern, gegeben, um Dich damit zu bekleiden, abgesehen von dem, das wir Dir bereits gesandt haben. Denn Du bist ihrer würdig, da Du höher stehst als wir und bereits vor uns warst. Darum hat Dir das Erste Mysterium durch uns das Mysterium seines vollen Glanzes gesandt, bestehend aus zwei Gewändern. Im ersten befindet sich die volle Herrlichkeit aller Namen aller Mysterien und aller Emanationen der Ordnungen und Räume des Unaussprechlichen. Im zweiten Gewand befindet sich die volle Herrlichkeit des Namens aller Mysterien und aller Emanationen der Ordnungen und der beiden Räume des Ersten Mysteriums. In dem Kleid, das wir Dir jetzt gesandt haben, befindet sich der Glanz des Namens des Mysteriums des Verkünders, welcher das Erste Gebot ist, sowie das Mysterium 15

der Fünf Kennzeichen und das Mysterium des großen Gesandten des Unaussprechlichen, des großen Lichtes und das Mysterium der Fünf Lenker, der fünf Helfer. Weiter befindet sich in diesem Kleid der Glanz des Namens des Mysteriums aller Ordnungen der Emanationen der Schatzkammer des Lichtes und ihrer Erlöser und ihrer höchsten Ordnungen, der sieben Amen und sieben Stimmen, der fünf Bäume und der drei Amen und des Zwillingserlösers, des Kindes der Kinder. Auch befindet sich darin das Mysterium der neun Wächter an den drei Toren der Schatzkammer des Lichtes. Außerdem befindet sich in diesem Kleid der volle Glanz des Namens aller, die sich zur Rechten, und jener, die sich in der Mitte befinden. Weiter ist in ihm der ganze Glanz des Namens des großen Unsichtbaren, des großen Allvaters, sowie das Mysterium der drei Dreimalgewaltigen und das Mysterium ihres gesamten Bereichs sowie das Mysterium all ihrer Unsichtbaren und jener, die sich im dreizehnten Äon befinden, sowie der Name der zwölf Äonen und ihrer Archonten und all ihrer Erzengel und Engel und aller, die sich in den zwölf Äonen befinden. Auch steht darin das ganze Mysterium des Namens aller, die sich im Schicksal und in allen Himmeln befinden, und das ganze Mysterium des Namens aller, die in den Sphären sind, und ihrer Firmamente und all ihrer Bewohner und ihrer Gebiete. Siehe, wir haben Dir dieses Kleid gesandt, das niemand vom Ersten Gebot abwärts gekannt hat; denn der Glanz seines Lichtes war darin verborgen. Die Sphären und alle Bereiche vom Ersten Gebot abwärts haben es bis jetzt nicht erkannt. Ziehe nun eilends dieses Kleid an und komme zu uns. Denn wir nahen uns Dir, um Dir auf Befehl des Ersten Mysteriums Deine beiden Gewänder anzuziehen, die für Dich von Anfang an im Ersten Mysterium bestimmt waren, bis die vom Unaussprechlichen festgesetzte Zeit vollendet sei. Siehe, die Zeit ist nun vollbracht. Komme nun eilends zu uns, damit wir Dich damit bekleiden, so dass Du den ganzen Auftrag der Vollendung des Ersten Mysteriums vollendest, wie es vom Unaussprechlichen festgesetzt ist. Komme nun eilends zu uns, damit wir Dich dem Befehl des Ersten Mysteriums gehorchend damit bekleiden. Denn nur kurze Zeit, äußerst kurze Zeit, und Du wirst zu uns kommen und die Welt verlassen. Komme nun schnell, damit Du Deinen Glanz, den Glanz des Ersten Mysteriums, in Vollkommenheit empfangen mögest. 11 Als ich das Mysterium all dieser Worte in dem mir übersandten Kleid sah, legte ich es sogleich an. Das Licht strahlte außergewöhnlich von mir. Ich fuhr in die Höhe und kam zum Tor des Firmaments, strahlend von dem unermesslichen Licht, das mich umgab, und die Tore des Firmamentes kamen in Bewegung und öffneten sich alle gleichzeitig. Alle Archonten und Gewalten und darin befindlichen Engel gerieten in Verwirrung wegen des großen Lichtes an mir. Sie erblickten das strahlende Lichtkleid, das ich trug, und sie sahen das Mysterium, das ihre Namen enthielt, und fürchteten sich sehr. 16

Alle Bande, mit denen sie gebunden waren, lösten sich. Und ein jeder verließ seine Ordnung. Sie fielen vor mir nieder, beteten mich an und sprachen: «Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?» Alle zusammen priesen sie das Innerste des Inneren. Mich selbst aber sahen sie nicht, sondern sie sahen nur das Licht. Und sie waren in großer Furcht und sehr verwirrt und priesen das Innerste des Inneren. 12 Danach ließ ich diesen Ort hinter mir und ging hinauf zur ersten Sphäre, die überaus leuchtete und zwar neunundvierzigmal stärker als damals, als ich im Firmament war. Als ich zum Tor der ersten Sphäre gelangte, kamen die Tore in Bewegung und öffneten sich alle gleichzeitig. Ich trat ein in die Häuser der Sphäre, überaus leuchtend in unermesslichem Licht, und alle Archonten und alle Bewohner der Sphäre gerieten in Verwirrung. Sie sahen das große Licht, das mich umgab, und sie erblickten mein Kleid und sahen darauf das Mysterium ihres Namens. Und sie gerieten noch mehr in Aufregung und Furcht und riefen: «Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?» All ihre Bande und Bereiche und Ordnungen lösten sich auf. Und ein jeder verließ seine Ordnung. Sie fielen vor mir nieder, beteten mich oder mein Lichtgewand an und priesen das Innerste des Inneren in großer Furcht und Verwirrung. 13 Nachdem ich jenen Ort hinter mir gelassen hatte, stieg ich auf zum Tor der zweiten Sphäre, der des Schicksals. Auch hier gerieten alle Tore in Bewegung und öffneten sich gleichzeitig. Ich trat in die Häuser des Schicksals ein, außergewöhnlich strahlend in einem unbeschreiblichen Lichtglanz; denn ich strahlte dort noch neunundvierzigmal stärker als in der ersten Sphäre. Alle Archonten und alle, die sich in der Sphäre des Schicksals befanden, gerieten in Verwirrung und fielen übereinander her und waren in größter Furcht, als sie mein großes Licht sahen. Sie erblickten mein Lichtkleid und sahen das Mysterium ihres Namens darin und gerieten noch mehr in Verwirrung. Voller Furcht sprachen sie: «Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?» Und alle Bande ihrer Gebiete und Ordnungen und Häuser zerbrachen. Sie kamen alle zugleich, fielen nieder, beteten mich an und priesen das Innerste des Inneren, während sie in großer Furcht und Verwirrung waren. 14 Ich ließ auch dieses Gebiet hinter mir und stieg auf zu den großen Äonen der Archonten. In einem unbeschreiblichen Lichtglanz kam ich vor ihre Schleier und Tore. Als ich die zwölf Äonen erreicht hatte, gerieten ihre Schleier und Tore gegeneinander in Aufruhr. Die Schleier schoben sich von selbst beiseite, und ihre Tore taten sich nacheinander auf. Ich trat mitten unter die Äonen, überaus strahlend, und es war kein Maß für das Licht, das mich umgab, und das wieder neunundvierzigmal stärker war als in den Häusern des Schicksals. 17

Alle Engel der Äonen und ihre Erzengel, ihre Archonten, ihre Götter, ihre Herrscher, ihre Gewalten, ihre Tyrannen, ihre Kräfte, ihre Lichtfunken, ihre leuchtenden Sterne, ihre Ungepaarten, ihre Unsichtbaren, ihre Patriarchen und Dreimalgewaltigen, sie alle erblickten mich in diesem unermesslichen Lichtglanz. Sie gerieten in Aufruhr gegeneinander, und große Furcht befiel sie, als sie mein großes Licht sahen. In ihrer großen Verwirrung und Furcht zogen sie sich zurück zum Gebiet des großen, unsichtbaren Patriarchen und der drei großen Dreimalgewaltigen. Wegen ihrer großen Furcht und Verwirrung lief der große Patriarch jedoch in seinem Gebiet ständig hierhin und dorthin und ebenso die drei Dreimalgewaltigen. Wegen der großen Furcht, in der sie sich alle befanden, konnten sie ihre Gebiete nicht abschließen. Sie bewegten alle ihre Äonen, Sphären und Ordnungen gleichzeitig voller Furcht und Zittern wegen des großen Lichtes, das mich umgab und das von anderer Beschaffenheit war als jenes, das mich umgab, als ich mich auf der Erde der Menschen befand. Denn die Welt hätte die Fülle dieses Lichtes nicht ertragen können. Es hätte die Welt und alles, was darin ist, unverzüglich vernichtet. Das Licht aber, das an mir war inmitten der zwölf Äonen, war 8700 Myriaden Mal stärker als jenes, das mich bei euch auf der Erde umgab.

Die große Verwirrung 15 Als nun alle, die sich in den zwölf Äonen befanden, das große Licht an mir sahen, gerieten sie in Aufruhr und liefen in den Äonen hierhin und dorthin. Alle Äonen und Himmel und ihre gesamte Ordnung bewegten sich gegeneinander aus großer Furcht, da sie das Mysterium, das sich ereignete, nicht kannten. Adamas, der große Tyrann, und alle in den Äonen wohnenden Tyrannen begannen vergeblich, gegen das Licht zu kämpfen. Und sie wussten nicht, gegen wen sie kämpften, da sie nichts sahen als das alles überwältigende Licht. Als sie gegen das Licht ankämpften, erschöpfte sich ihre gemeinsame Kraft. Sie stürzten in die niederen Äonen hinab und waren tot und ohne Lebenshauch wie die Bewohner der Erde. Ich nahm von allen ein Drittel ihrer Kraft, damit sie nicht in ihrer Bosheit fortfuhren und damit sie ihre bösen Taten nicht vollenden konnten, wenn die Menschen auf der Erde sie in ihren Mysterien anrufen würden – in jenen nämlich, welche die Engel, die gesündigt haben, auf die Erde brachten, also ihre Magie. Das Schicksal und die Sphäre, über die sie herrschen, habe ich umgewendet und bewirkt, dass sie sechs Monate nach links gewendet ihre astralen Einflüsse ausüben und sechs Monate nach rechts blickend ihre astralen Einflüsse ausüben. Aber auf Befehl des Ersten Gebotes und auf Befehl des Ersten Mysteriums hatte sie Jeû, der Wächter des Lichtes, so eingesetzt, dass sie fortwährend nach links blickten und ihre astralen Einflüsse ausübten.« 18

16 »Als ich zu ihrem Gebiet gekommen war, widersetzten sie sich und kämpften gegen das Licht. Und ich nahm ein Drittel ihrer Kraft, damit sie nicht ihre bösen Taten vollenden könnten. Das Schicksal und die Sphäre, über die sie herrschen, habe ich so umgewendet und eingesetzt, dass sie sechs Monate nach links blickend ihre astralen Einflüsse ausüben und die folgenden sechs Monate nach rechts gewendet ihre astralen Einflüsse vollbringen.« 17 Als Jesus das zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er zu ihnen; »Wer Ohren hat, der höre.« Als Maria den Erlöser diese Worte sagen hörte, starrte sie eine Stunde lang in die Luft und sprach: »Mein Herr, befiehl mir, dass ich offen rede.« Jesus, der Barmherzige, antwortete Maria: »Maria, du Begnadete, die ich in allen Mysterien der Höhe vollenden werde, sprich offen, du, deren Herz mehr als das deiner Brüder auf das Königreich der Himmel gerichtet ist.« 18 Da sprach Maria zum Erlöser: »Mein Herr, das Wort, welches Du zu uns gesprochen hast: «Wer Ohren hat zu hören, der höre», sagtest Du, damit wir Dein Wort recht begreifen. Höre nun, mein Herr, da ich offen reden will. Du hast gesprochen: «Ich habe ein Drittel der Kraft der Archonten und aller Äonen genommen, und ich habe ihr Schicksal und die Sphäre, über die sie herrschen, umgewendet, damit sie von dieser Stunde an nicht mehr imstande sind, ihre schändlichen Taten zu vollenden, wenn die Menschen sie in ihren Mysterien anrufen, welche die gefallenen Engel sie gelehrt haben, um ihre bösen und schändlichen Taten im Mysterium ihrer Magie zu vollenden.» Weil Du ihnen ihre Kraft genommen hast und die ihrer Horoskopsteller, Sterndeuter und Wahrsager, damit sie von dieser Stunde an die kommenden Dinge nicht mehr vorhersagen können. Denn Du hast ihre Sphären gewendet und hast sie sechs Monate nach links gewendet und sechs Monate nach rechts gewendet ihre astralen Einflüsse ausüben lassen. Bezüglich dieses Wortes nun, Herr, hat die im Propheten Jesaias befindliche Kraft in einem geistigen Gleichnis, in seiner Vision über Ägypten einst folgendes verkündet: «Wo sind nun, o Ägypten, deine Wahrsager und Sterndeuter und jene, die aus der Erde aufrufen und jene, die aus ihrem Schoß aufrufen? Dass sie dir von nun an die Dinge verkündigen könnten, die der Herr Sabaoth, der Herr der Heerscharen. tun wird.» Ehe Du gekommen bist, hat die durch den Propheten Jesaias wirkende Kraft über Dich prophezeit, dass Du die Kraft der Archonten der Äonen nehmen und ihre Sphären und ihr Schicksal wenden wirst, damit sie fortan nichts mehr wissen sollten. Darum wurde auch gesagt: «Nicht werdet ihr nun wissen, was der Herr der Heerscharen tun wird.» Das bedeutet, niemand von den Archonten wird wissen, was Du fortan tun wirst. Die Archonten sind gleichzusetzen mit 'Ägypten‘, weil sie Materie sind. Einst hat die Kraft im Propheten Jesaias über Dich vorhergesagt: «Von jetzt an wer19

det ihr nicht mehr wissen, was der Herr der Heerscharen tun wird.» Hinsichtlich der Lichtkraft, die Du von Sabaoth, dem Guten, genommen hast, der sich im Gebiet der Gerechtfertigten befindet und die nunmehr in Deinem stofflichen Körper ist, hast Du, Herr Jesus, zu uns gesagt: «Wer Ohren hat, zu hören, der höre», damit Du erfährst, wessen Herz sehnend auf das Königreich der Himmel gerichtet ist.« 19 Als Maria geendet hatte, sagte Er: »Gut gesprochen, Maria. Du bist begnadet vor allen Frauen auf Erden, weil du die höchste Fülle und höchste Vollendung sein wirst.« Als Maria den Erlöser diese Worte sagen hörte, war sie sehr erfreut. Sie trat vor Jesus hin, fiel zu seinen Füßen nieder, betete Ihn an und sprach: »Mein Herr, höre auf mich und lass mich Dich befragen über das, was Du gesprochen hast, bevor Du mit uns über die Gebiete redetest, zu denen Du gegangen bist.« Jesus antwortete Maria: »Rede offen und fürchte dich nicht. Alles, was du fragst, werde ich dir offenbaren.« 20 Maria sprach: »Herr, werden die Menschen, die das Mysterium der Magie aller Archonten aller Äonen kennen sowie die Magie der Archonten des Schicksals und der Sphären, in denen die sündigen Engel sie unterwiesen haben, wenn sie diese in ihren Mysterien anrufen, um gute Taten zu verhindern, werden sie diese fortan vollenden oder nicht?« Jesus antwortete Maria: »Sie werden sie nicht auf die Weise vollbringen, wie sie sie zu Beginn vollbracht haben, weil ich ein Drittel von ihrer Kraft hinweggenommen habe. Aber sie werden von denen Kraft erbitten, welche die Mysterien der Magie des dreizehnten Äons kennen. Und wenn sie die Mysterien der Magie jener anrufen, die sich im dreizehnten Äon befinden, werden sie diese weise und sicher vollbringen, weil ich, übereinstimmend mit dem Befehl des Ersten Mysteriums, aus diesem Gebiet keine Kraft hinweggenommen habe.«

Die Umwendung der Äonen 21 Als Jesus diese Worte gesprochen hatte, fragte Maria erneut: »Herr, werden denn die Horoskopsteller und Wahrsager künftig den Menschen nicht mehr länger vorhersagen können, was geschehen wird?« Jesus antwortete ihr: »Wenn die Horoskopsteller die Sphäre des Schicksals und die erste Sphäre nach links gewendet antreffen, wie es zu Beginn der Fall war, dann werden ihre Worte richtig sein, und sie können die kommenden Dinge vorhersagen. Wenn sie diese jedoch nach rechts gerichtet antreffen, können sie keine Wahrheit sagen, weil ich ihre astralen Einflüsse, ihre Quadrate, Dreiecke und Achtecke umgewendet habe. Denn ihre astralen Einflüsse, Quadrate, Dreiecke und Achtecke waren von Anfang an beständig nach links gewendet. 20

Jetzt aber habe ich sie sechs Monate nach links gerichtet und sechs Monate nach rechts. Wer sie nun berechnen will von der Zeit der Umwendung an – indem ich sie sechs Monate auf ihre linken Bahnen und sechs Monate auf ihre rechten Bahnen gerichtet sein lasse, – wer sie nun auf diese Weise befragt, wird genau ihre astralen Einflüsse kennen und alle Dinge voraussagen, die sie tun werden. » Ebenso werden die Wahrsager, wenn sie die Namen der Archonten anrufen und sie nach links gewendet antreffen, alles genau sagen können, wonach sie ihre Dekane befragen. Wenn sie diese jedoch nach rechts gewendet antreffen, so werden sie nicht auf sie hören, da sie anders gerichtet sind, als es zuvor der Fall war in der Position, die Jeû ihnen gegeben hatte. Da ihre Namen, wenn sie nach rechts gewendet sind, sich von denen unterscheiden, die nach links gewendet sind. Wenn sie diese anrufen, während sie nach rechts gewendet sind, werden sie ihnen nicht die Wahrheit offenbaren, sondern werden sie in Verwirrung bringen und sie bedrohen. Jene also, die ihre Bahn, wenn sie nach rechts gewendet ist, nicht erkennen und ebenso wenig ihre Dreiecke, Quadrate und anderen Figuren, werden keine Wahrheit finden, sondern in große Verwirrung geraten und getäuscht werden. Denn ich habe die Werke, die sie früher in ihren Quadraten, Dreiecken und Achtecken nach links gewendet ausführten, nunmehr umgekehrt und lasse sie sechs Monate nach rechts gewendet verbringen, damit sie in vollem Umfang in Verwirrung geraten. Außerdem habe ich sie sechs Monate verbringen lassen, in denen sie nach links gewendet sind, wenn sie ihre Werke und astralen Einflüsse und alle ihre Stellungen vollbringen, damit die Archonten in den Äonen und in ihren Sphären und Himmeln und all ihren Gebieten in Verwirrung gebracht und getäuscht werden, sodass sie Irrwege gehen und ihre eigenen Bahnen nicht mehr verstehen.« 22 Als Jesus diese Worte ausgesprochen hatte, saß Philippus bei ihm und schrieb alle Worte Jesu auf. Danach trat Philippus nach vorn, fiel vor seinen Füßen nieder, betete Ihn an und sprach: »Mein Herr und Erlöser, erlaube mir, Dich über das Wort zu befragen, das Du gesprochen hast, ehe Du mit uns über die Gebiete redest, zu denen Du aufgrund Deines Auftrages gegangen bist.« Der barmherzige Erlöser antwortete und sagte zu Philippus: »Es ist dir erlaubt zu sagen, was du willst.« Philippus antwortete Jesus: »Herr, welches Mysterium gab Dir Anlass, die Gebundenheit der Archonten und ihrer Äonen, ihres Schicksals und ihrer Sphäre und all ihrer Gebiete umzuwenden, sie auf ihrer Bahn in Verwirrung zu bringen und in ihrem Lauf zu täuschen? Hast Du ihnen das angetan um der Errettung der Welt willen oder nicht?« 23 Jesus antwortete und sprach zu Philippus und allen Jüngern: »Ich habe ihre Bahn zur Errettung aller Seelen umgewendet. Wenn ich ihre Bahn nicht umgewendet hätte, würde eine Vielzahl an Seelen zugrunde gehen, und es würde sehr viel Zeit verloren gehen, wenn die Archonten der Äonen und die Archonten des Schicksals und der Sphäre und all ihrer Gebiete und ihrer Himmel und ihrer Äonen nicht vernichtet werden würden. 21

Die Seelen müssten lange Zeit außerhalb dieser Welt zubringen. Und die Vollendung der Zahl der vollkommenen Seelen, die durch die Mysterien zu den Erben der Höhe und denen der Schatzkammer des Lichtes gerechnet werden, würde sich sehr verzögern. Darum habe ich ihre Bahn umgewendet, damit sie in Verwirrung und Aufruhr geraten und die Kraft herausgeben, die sich in der Materie ihrer Welt befindet, aus der sie sich Seelen erschaffen, damit jene, die gerettet werden können, sich eilends reinigen und aufwärts steigen können, sie und die ganze Kraft, und damit jene, die nicht gerettet werden können, schnellstens vernichtet werden.« 24 Nachdem Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, trat Maria vor, die aufrecht Sprechende und Gesegnete. Sie fiel Jesus zu Füßen und sprach: »Herr, habe Geduld mit mir und lass mich zu Dir sprechen. Sei nicht verstimmt, wenn ich Dich so oft mit Fragen belästige.« Der Erlöser antwortete ihr voller Mitleid: »Sprich die Worte, die du sagen willst, und ich werde sie dir freimütig erklären.« Maria sprach zu Jesus: »Herr, auf welche Weise würden die Seelen außerhalb dieser Welt aufgehalten werden und wie würde sich eilends ihre Reinigung vollziehen?«

Die Reinigung des Lichtes durch Melchisedek 25 Hierauf antwortete Jesus: »Ausgezeichnet, Maria. Du stellst eine vortreffliche Frage und prüfst alles sorgfältig nach. Ich werde fortan nichts mehr vor euch verbergen, sondern alles freimütig und wahrheitsgemäß erklären. Vernimm nun, Maria, und höret, ihr Jünger: Bevor ich allen Archonten der Äonen und allen Archonten des Schicksals und der Sphäre predigte, waren sie alle in ihren Banden, Sphären und Versiegelungen gebunden, so wie Jeû, der Wächter des Lichtes, sie von Beginn an gebunden hatte. Jeder von ihnen verharrte in seiner Ordnung und durchlief seine Bahn, so wie Jeû, der Wächter des Lichtes, sie eingestellt hatte. Als nun die Zeit der Zahl Melchisedeks, des großen Paralemptors des Lichtes, gekommen war, pflegte er mitten unter die Äonen zu gehen, mitten unter die an die Sphäre und das Schicksal gebundenen Archonten. Er nahm von allen Archonten der Äonen und allen Äonen des Schicksals und der Sphäre das Gereinigte des Lichtes und vernichtete alles, was sie in Verwirrung brachte. Und er setzte den Beschleuniger über ihnen in Bewegung und ließ sie ihre Kreise schneller drehen. Er [Melchisedek] nahm die Kraft, die in ihnen war, fort, den Hauch ihres Mundes, die Tränen ihrer Augen und den Schweiß ihrer Körper. Melchisedek, der Paralemptor des Lichtes, reinigte diese Kräfte und trug ihr Licht 22

zur Schatzkammer des Lichtes. Die Diener der Archonten der Äonen sammelten die Materie von allen ein. Die Diener der Archonten des Schicksals und der Sphäre unterhalb der Äonen nahmen diese Materie und formten sie zu Seelen für Menschen, Vieh, Reptilien, wilde Tiere und Vögel und schickten sie in die Welt der Menschen. Als die Paralemptore der Sonne und die Paralemptore des Mondes aufwärts schauten und die Konstellationen der Bahnen der Äonen und des Schicksals und die der Sphäre erblickten, nahmen sie die Lichtkraft von ihnen. Die Paralemptore der Sonne bereiteten sie zu und bewahrten sie, bis sie diese den Paralemptoren Melchisedeks, des großen Lichtreinigers, übergaben. Ihren stofflichen Abfall brachten sie zur Sphäre unterhalb der Äonen. Sie formten daraus Seelen für Menschen, Vieh, Reptilien, wilde Tiere und Vögel, dem Kreislauf der Archonten jener Sphäre und den Stellungen ihrer Umdrehung entsprechend, und stießen sie in die Welt der Menschheit. Und dort wurden sie zu Seelen, wie ich euch soeben gesagt habe. 26 Das vollbrachten sie beständig, ehe ihre Kraft verringert wurde und sie schwach und kraftlos wurden. Als ihre Kraft sich verminderte und schließlich ganz schwand, wurden sie machtlos. Das Licht ihrer Gebiete erlosch, ihr Reich wurde vernichtet, und das All wurde eilends emporgehoben. Als sie das zeitig erkannt hatten und als die Zahl der Ziffern Melchisedeks, des Paralemptors des Lichtes, erfüllt war, pflegte er wiederum zu erscheinen und in die Mitte all der Archonten aller Äonen und aller Archonten des Schicksals und der Sphäre zu treten. Er versetzte sie in Aufregung und bewirkte, dass sie ihre Kreisbahnen schnell verließen. Sie gerieten unmittelbar in Bedrängnis und warfen die Kraft aus sich heraus durch den Atem ihres Mundes, die Tränen ihrer Augen und den Schweiß ihrer Körper. Melchisedek, der Paralemptor des Lichtes, reinigte sie, wie er es immer tat, und trug ihr Licht zur Schatzkammer des Lichtes. Alle Archonten der Äonen und die Archonten der Äonen und die Archonten des Schicksals und die der Sphäre kehrten sich ihrem stofflichen Abfall zu und verschlangen ihn. Sie ließen nicht mehr zu, dass daraus Seelen für die Welt geformt wurden. Sie verschlangen ihre Materie, damit sie nicht schwach und kraftlos wurden, die Kraft ihnen nicht verloren ginge und ihr Reich nicht vernichtet würde. Sie verschlangen sie also, damit sie nicht zugrunde gingen und die Zeit bis zur Vollendung der Zahl der vollkommenen Seelen, die in der Schatzkammer des Lichtes bleiben, möglichst lang hinausgezögert wird. 27 Die Archonten der Äonen und die des Schicksals wirkten stets auf diese Weise, dass sie sich umwandten und ihren stofflichen Abfall verschlangen und nicht mehr zuließen, dass er als Seelen in der Welt der Menschen geboren wurde – mit dem Ziel, die Zeit ihrer Herrschaft möglichst lange hinauszuschieben und so die Kraft, die ihre Seele enthielt, lange Zeit jenseits dieser Welt zurückzuhalten. Es gelang ihnen, zwei Zyklen lang dabei zu verharren. Als ich nun in meinem Auftrag hinaufgehen wollte, zu dem ich durch den Befehl des 23

Ersten Mysteriums gerufen war, da kam ich mitten unter die Tyrannen der Archonten der zwölf Äonen, während mein Lichtkleid an mir von unermesslichem Glanz war. Als nun die Tyrannen das große Licht an mir sahen, begannen Adamas, der große Tyrann, und alle Tyrannen der zwölf Äonen gemeinsam, gegen das Licht meines Gewandes zu kämpfen, um es sich anzueignen und damit ihre Herrschaft fortzusetzen. Als sie das taten, wussten sie nicht, gegen wen sie kämpften. Während sie sich widersetzten und gegen das Licht kämpften, wendete ich auf Befehl des Ersten Mysteriums die Bahnen und den Kreislauf ihrer Äonen und die Bahnen ihres Schicksals und ihrer Sphäre. Und ich ließ sie sechs Monate nach links auf die Dreiecke, Quadrate, Achtecke und die anderen Aspekte, die links waren, blicken, genauso wie sie es früher zu tun pflegten.

Die Errettung der Seelen Aber dann wandte ich ihre Kreisläufe und Aspekte und ließ sie die folgenden sechs Monate auf die Werke ihrer astralen Einflüsse in den Quadraten, Dreiecken, Achtecken und anderen Aspekten, die rechts waren, blicken. Ich brachte die Archonten der Äonen und alle Archonten des Schicksals und der Sphäre dadurch in große Verwirrung und Täuschung. Ich brachte sie so in Aufregung, dass sie von dem Augenblick an nicht mehr imstande waren, sich zum Abfall ihrer Materie zu wenden und ihn zu verschlingen, um damit das Bestehen ihrer Gebiete zu verlängern und sich möglichst lange als Herrscher zu behaupten. Als ich nun ein Drittel ihrer Kraft genommen hatte, wandte ich ihre Sphären, so dass sie eine Zeitlang nach links blickend und eine weitere Zeitlang nach rechts blickend zubrachten. Ihre gesamte Bahn und ihren ganzen Lauf habe ich umgewendet, und die Bahn ihres Laufs habe ich beschleunigen lassen, damit sie schneller gereinigt würden und rasch aufsteigen könnten. Ihre Kreise habe ich verkleinert und ihren Pfad erleichtert, wodurch er beschleunigt wurde. So wurden sie auf ihrer Bahn in Verwirrung gebracht und waren nicht länger imstande, den Abfall der Materie, deren Licht gereinigt war, zu verschlingen. Außerdem habe ich ihre Zeiten und Perioden verkürzt, damit die Zahl der vollkommenen Seelen, welche die Mysterien empfangen und in der Schatzkammer des Lichtes sein sollen, vollendet würde. Wenn ich ihre Bahnen nicht umgewendet und ihre Perioden nicht verkürzt hätte, würden sie keiner einzigen Seele mehr die Gelegenheit gegeben haben, auf die Welt zu kommen, wegen des Abfalls ihrer Materie, den sie verschlingen, und sie hätten viele Seelen vernichtet. Darum habe ich einst zu euch gesagt: «Ich habe die Zeiten um meiner Auserwählten willen verkürzt. Sonst hätte keine einzige Seele gerettet werden können.» Ich habe also die Zeiten und Perioden verkürzt, um der Zahl der vollkommenen Seelen, der Auserkorenen willen, die der Mysterien teilhaftig werden sollen. Hätte ich ihre Zeiten nicht verkürzt, so könnte keine einzige stoffliche Seele gerettet werden, son24

dern alle würden im Feuer im Fleisch der Archonten verzehrt werden. Dieses ist nun das Wort, nach dem du mich so eingehend gefragt hast.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, fielen alle gleichzeitig nieder, beteten Ihn an und sprachen zu Ihm: »Wir sind gesegnet vor allen Menschen, da Du uns diese großen Werke geoffenbart hast.« 28 Jesus nahm wiederum das Wort und sprach zu seinen Jüngern: »Hört nun, was mir bei den Archonten der zwölf Äonen und allen ihren Archonten und ihren Herren, Gewalten, ihren Engeln und Erzengeln geschehen ist. Als sie und ihre Ungepaarten das Lichtkleid sahen, das mich umhüllte, erblickte ein jeder von ihnen das Mysterium seines Namens auf meinem Lichtkleid. Sie fielen alle zusammen nieder, beteten mein Lichtkleid an und riefen wie mit einer Stimme: «Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?» Sie priesen einstimmig das Innerste des Inneren. All ihre Dreimalgewaltigen und ihre großen Patriarchen und ihre Ungezeugten und Selbstgezeugten und Gezeugten, ihre Götter und Lichtfunken und leuchtenden Sterne, mit einem Wort, all ihre Großen sahen, dass die Kraft der Tyrannen in ihrem Ort vermindert und sie geschwächt waren. In maßloser Furcht starrten sie auf das Mysterium ihres Namens auf meinem Kleid und versuchten, näher zu treten, um das Mysterium ihres Namens auf meinem Kleid anzubeten. Wegen des großen Lichtes an mir waren sie jedoch dazu nicht imstande. Aber sie beteten es in einigem Abstand von mir an. So verehrten sie das Licht meines Gewandes und priesen das Innerste des Inneren.

Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen Als das nun mit den Tyrannen, die sich unter den Archonten befanden, geschehen war, wurde ihnen ihre Kraft genommen, und sie fielen in ihren Äonen zu Boden und glichen Toten, sie waren wie Menschen, die ihren letzten Atem ausgeblasen haben, so wie es auch geschah, als ich ihnen ihre Kraft nahm. Als ich daraufhin diese Äonen verließ, wurden alle, die sich in den zwölf Äonen befanden, in ihren Ordnungen gemeinsam gebunden. Sie vollbrachten ihre Werke nunmehr so, wie ich sie eingesetzt hatte, so dass sie sechs Monate nach links gewendet ihre Werke in ihren Quadraten, Dreiecken und anderen Aspekten vollbrachten und die folgenden sechs Monate nach rechts gerichtet in ihren Dreiecken, Quadraten und anderen Aspekten verbrachten. Ebenso werden künftig auch alle, die sich im Schicksal und in der Sphäre befinden, ihrem Weg folgen. 29 Als ich zu den Vorhängen des dreizehnten Äons aufstieg und dort angelangt war, schoben sie sich von selbst beiseite und öffneten sich vor mir. Ich trat in den dreizehnten Äon ein und fand die Pistis Sophia unterhalb des dreizehnten Äons ganz 25

allein, da niemand bei ihr war. Sie saß dort betrübt und voller Trauer, weil man sie nicht zum dreizehnten Äon, ihrem höheren Gebiet, zugelassen hatte. Sie war auch betrübt wegen der Qualen, die ihr Authades, einer von den Dreimalgewaltigen, zugefügt hatte. Sobald ich mit euch über seine Ausbreitung spreche, will ich euch das Mysterium erklären, wie ihr das geschehen konnte. Als die Pistis Sophia mich sah, der ich überaus leuchtete in einem unermesslichen Lichtglanz, geriet sie in große Aufregung und blickte auf das Licht meines Kleides. Sie sah darin das Mysterium ihres Namens und den vollen Glanz dieses Mysteriums. Denn sie hatte sich vorher im Ort der Höhe, im dreizehnten Äon befunden, wo sie das höhere Licht zu preisen pflegte, das sie innerhalb der Schleier der Schatzkammer des Lichtes gesehen hatte. Als sie fortfuhr, dieses Licht in der Höhe zu preisen, blickten alle Archonten bei den beiden großen Dreimalgewaltigen und ihr Unsichtbarer, der mit ihr verbunden ist, sowie alle die anderen zweiundzwanzig unsichtbaren Emanationen nach dem Licht. Denn die Pistis Sophia und ihr Verbundener, sowie die anderen zweiundzwanzig unsichtbaren Emanationen bilden zusammen die vierundzwanzig Emanationen, die von dem großen unsichtbaren Urvater und den beiden großen Dreimalgewaltigen emaniert wurden. 30 Als Jesus das zu seinen Jüngern gesagt hatte, trat Maria nach vorn und sprach: »Herr, ich habe Dich einst sagen hören, dass die Pistis Sophia selbst eine von den vierundzwanzig Emanationen ist. Warum befindet sie sich nicht in ihrem Gebiet? Denn Du hast gesagt, dass Du sie unterhalb des dreizehnten Äons gefunden hast.«

Die Geschichte der Pistis Sophia Jesus antwortete und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia sich im dreizehnten Äon befand, im Gebiet all ihrer Brüder, der Unsichtbaren, der vierundzwanzig Emanationen des großen Unsichtbaren, wandte sie auf Befehl des Ersten Mysteriums ihren Blick in die Höhe und sah das Licht im Vorhang der Schatzkammer des Lichtes. Sie sehnte sich danach, zu diesem Gebiet zu gelangen, aber sie war dazu nicht imstande. Sie hörte jedoch auf, das Mysterium des dreizehnten Äons zu vollbringen, sondern lobte das Licht in der Höhe, das sie im Lichtvorhang der Schatzkammer des Lichtes gesehen hatte. Als sie fortfuhr, das Gebiet in der Höhe zu preisen, da hassten sie alle in den zwölf Äonen lebenden Archonten, weil sie nicht mehr an ihren Mysterien teilnahm und danach verlangte, zur Höhe zu kommen und sich über sie alle zu stellen. Deswegen zürnten sie ihr und hassten sie. Ebenso hasste sie die große dreifache Kraft Authades, der dritte Dreimalgewaltige aus dem dreizehnten Äon, der ungehorsam gewesen war, weil er all das Gereinigte seiner inneren Kraft nicht ausgestrahlt, noch das Gereinigte seines Lichtes abgegeben hatte zur Zeit, da die Archonten ihr Gereinigtes abgaben, weil er Herrscher über den gesamten dreizehnten Äon sein wollte und über die, welche sich unterhalb von ihm befinden. Als nun die Archonten der zwölf Äonen sehr zornig auf die Pistis Sophia waren und 26

sie sehr hassten, da schloss sich die große dreifache Kraft Authades, von dem ich euch soeben erzählt habe, den zwölf Äonen an. Auch er zürnte der Pistis Sophia und hasste sie, weil sie zu einem Licht aufsteigen wollte, das höher war als er. Er schuf aus sich selbst eine große Kraft mit einem Löwenkopf, und aus der Materie in sich schuf er eine Menge anderer stofflicher, sehr mächtiger Geschöpfe. Er sandte sie zu den niederen Gebieten, zu den Orten des Chaos, um dort die Pistis Sophia zu bedrängen und ihrer Kraft zu berauben, weil sie danach verlangt hatte, zu der Höhe zu gehen, die über ihnen liegt, und weil sie außerdem aufgehört hatte, ihre Mysterien zu vollbringen sondern immer nur trauerte und sich nach dem Licht sehnte, das sie gesehen hatte. Auch die Archonten, die ihre Mysterien weiterhin vollbrachten, hassten sie, ebenfalls alle Wächter an den Toren der Äonen. Auf Befehl des Ersten Gebotes verfolgte der große, dreimalgewaltige Authades, der einer von den Dreimalgewaltigen ist, die Pistis Sophia im dreizehnten Äon, um sie dazu zu bewegen, in die niederen Gebiete zu blicken, so dass sie dort seine Lichtkraft – die mit dem Löwenkopf – sehen und begehren würde, zu jenem Ort zu gehen, so dass man ihr dort ihr Licht rauben könnte. 31 Als sie nach unten blickte und seine Lichtkraft in den unteren Gebieten wahrnahm, wusste sie nicht, dass es die Lichtkraft des dreimalgewaltigen Authades war. Sie dachte, dass sie aus dem Licht käme, das sie zu Beginn in der Höhe erblickt hatte, welches aus den Vorhängen der Schatzkammer des Lichtes stammte. Und sie dachte bei sich: «Ich will ohne meinen Verbundenen zu jenem Gebiet herabsteigen und das Licht nehmen, um daraus für mich selbst Lichtäonen zu schaffen, damit ich imstande bin, zum Licht der Lichter in der höchsten Höhe zu gehen.»

Die Kraft mit dem Löwenkopf Während sie das dachte, verließ sie ihr Gebiet, den dreizehnten Äon, und ging hinab zu den zwölf Äonen. Da verfolgten sie alle Archonten der Äonen, die wütend auf sie waren, weil sie an große Herrlichkeit gedacht hatte. Sie verließ aber auch die zwölf Äonen und kam in die Gebiete des Chaos hinab und näherte sich der Lichtkraft mit dem Löwenkopf, um sie zu verschlingen. Da umringten sie aber alle stofflichen Emanationen des Authades. Die große Lichtkraft mit dem Löwenkopf verschlang alle Lichtkräfte der Pistis Sophia. Man filterte ihr Licht und verschlang es. Ihre Materie wurde zum Chaos gestoßen. Dort befand sich ein Archont mit einem Löwenkopf, dessen eine Hälfte feurig und dessen andere Hälfte finster war, nämlich Jaldabaoth, von dem ich oft zu euch gesprochen habe. Als dieses geschehen war, wurde die Pistis Sophia sehr schwach, und die Lichtkraft mit dem Löwenkopf begann erneut, sie aller Lichtkräfte zu berauben, während alle stofflichen Kräfte des Authades sie einschlossen und in Bedrängnis brachten. 27

Die erste Reue: das Menschheitslied 32 Die Pistis Sophia schrie laut auf und rief zum Licht der Lichter, das sie zu Beginn gesehen und an das sie geglaubt hatte. Und sie sprach diese Worte der Reue: O Licht der Lichter, an das ich von Anfang an geglaubt habe, höre jetzt, o Licht, auf meine Reue. Rette mich, o Licht; denn böse Gedanken haben sich bei mir eingeschlichen. Ich hatte meinen Blick auf die niederen Gebiete gerichtet und sah dort ein Licht, das mich auf den Gedanken brachte, zu diesem Gebiet zu gehen, um mir jenes Licht anzueignen. Und ich ging. Doch ich geriet in die Finsternis im unteren Chaos, und ich war nicht imstande, mich zu erheben und zu meinem Gebiet zurückzukehren; denn die Geschöpfe des Authades bedrängten mich, und die Kraft mit dem Löwenkopf raubte mir mein inneres Licht. Ich schrie um Hilfe. Doch meine Stimme konnte die Finsternis nicht durchdringen. Und ich blickte zum Himmel hinauf, damit das Licht, an das ich geglaubt hatte, mir zu Hilfe käme. Aber als ich aufwärts schaute, sah ich die ganze Menge der Archonten der Äonen auf mich herabblicken und sich über mich belustigen, obwohl ich ihnen nichts Böses zugefügt hatte und sie mich ohne Grund hassten. Als die Geschöpfe des Authades die Schadenfreude der Archonten der Äonen sahen, wussten sie, dass die Archonten der Äonen mir nicht zu Hilfe kommen würden. Diese Geschöpfe fassten dadurch Mut und bedrängten mich mit Gewalt, indem sie mir das Licht, das nicht von ihnen stammt, nahmen. Darum, o Licht der Wahrheit, weißt Du, dass ich dieses in meiner Unschuld getan habe, weil ich dachte, dass das Licht mit dem Löwenkopf Dir gehöre. Und die Sünde, die ich begangen habe, ist Dir nun bekannt. Lass mich nicht in der Not, o Herr, denn ich habe an Dein Licht von Anfang an geglaubt. O Herr, Licht der Kräfte, lass mich nun nicht von meinem Licht getrennt werden. Denn um Deinetwillen und Deines Lichtes willen bin ich in diese Bedrängnis geraten, und Schande bedeckt mich. Um Deines Lichtes willen bin ich meinen Brüdern, den Unsichtbaren, und den großen Schöpfungen der Barbelo fremd geworden. Das alles ist mir geschehen, o Licht, weil ich feurig nach Deiner Wohnstätte gesucht habe. Der Zorn des Authades, der nicht nach Deinem Befehl gehandelt hat, um nach den Emanationen seiner Kraft zu erschaffen, ist über mich gekommen, weil ich mich in seinem Äon befand, ohne sein Mysterium zu vollbringen. Und alle Archonten der Äonen verspotteten mich. Ich weilte in diesem Gebiet in tiefer Traurigkeit und voller Verlangen nach dem Licht, das ich in der Höhe gesehen hatte. 28

Die Torwächter der Äonen suchten nach mir, und alle, die in ihren Mysterien ausharrten, verspotteten mich. Ich aber lenkte meinen Blick empor zu Dir, o Licht, und glaubte an Dich. Jetzt aber bin ich in Bedrängnis und in der Finsternis des Chaos, Licht der Lichter. Wenn Du nun kommen willst, um mich zu erlösen – denn groß ist Deine Barmherzigkeit – erhöre mich dann in Wahrheit und rette mich. Rette mich aus der Materie dieser Finsternis, damit ich darin nicht untergehe und von den Schöpfungen des Gottes Authades, die mich in die Enge treiben, errettet werde. Lass diese Finsternis mich nicht hinabziehen, und lass nicht zu, dass die Kraft mit dem Löwenkopf meine ganze Kraft verschlingt und das Chaos seine Kraft verschleiert. Erhöre mich, o Licht, denn Deine Gnade ist unendlich groß. Blicke auf mich herab in der großen Barmherzigkeit Deines Lichtes. Wende Dein Antlitz nicht von mir ab, denn ich bin in großer Not. Erhöre doch bald mein Gebet und rette meine Kraft. Erlöse mich von den Archonten, die mich hassen, denn Du kennst meine Bedrängnis und mein Leid und die Not um meine Kraft, die sie mir genommen haben. Die mir dieses alles angetan haben, sind Dir offenbar. Tue ihnen nach Deinem Gutdünken. Meine Kraft blickte aus der Mitte des Chaos und der Finsternis. Ich wartete auf meinen Verbundenen, dass er käme und für mich kämpfte, aber er kam nicht, obwohl ich erwartet hatte, dass er käme und mir Kraft verleihe. Aber ich habe ihn nicht gefunden. Als ich das Licht suchte, gaben sie mir Dunkelheit. Und als ich meine Kraft suchte, gaben sie mir Materie. Mögen denn nun, o Licht der Lichter, die Finsternis und die Materie, welche die Geschöpfe des Authades über mich gebracht haben, ihnen zum Fallstrick werden. Mögen sie sich darin verstricken. Vergilt es ihnen, entziehe ihnen selbst Deine Gnade, so dass sie nicht das Gebiet ihres Authades erreichen. Lass sie in der Finsternis bleiben und nicht das Licht erblicken. Lass sie für immer in das Chaos sehen und nicht in die Höhe. Ihre Rache komme über sie selbst, und Dein Gericht möge sie treffen. Schließe sie aus vom Gebiet ihres Gottes Authades und hindere seine Geschöpfe daran, zu ihren Gebieten zu gelangen; denn gottlos und schamlos ist ihr Gott. Er meinte, dass er diese Bosheiten aus eigener Kraft begangen habe, ohne zu wissen, dass er keine Macht über mich hätte, wenn ich nicht auf Deinen Befehl hin erniedrigt wäre. Doch als Du mich durch Deinen Befehl erniedrigt hattest, haben sie mich umso mehr verfolgt, und ihre Schöpfungen haben Leid zu meiner Erniedrigung hinzugefügt. Meine Lichtkraft nahmen sie mir und griffen mich erneut an, um mich in Bedrängnis zu bringen und mir all mein Licht zu rauben. Lass sie nicht zum dreizehnten Äon, dem Gebiet der Gerechtigkeit aufsteigen, weil sie mir das angetan haben. 29

Und lass sie nicht zu denen gerechnet werden, die sich selbst und ihr Licht reinigen. Lass sie nicht zu jenen gerechnet werden, die schnell Reue zeigen, um die Mysterien des Lichtes bald zu empfangen. Denn sie haben mir mein Licht genommen. Meine Lichtkraft erschöpft sich, und ich entbehre mein Licht. Darum, o Licht, das in Dir und mit mir ist, ich preise Deinen Namen, o Licht, in Herrlichkeit. Möge mein Lob Dir gefallen, o Licht, wie ein hervorragendes Mysterium, das in den Toren des Lichtes empfangen wird, und das ausgesprochen wird von den Reuevollen, deren Licht gereinigt wird. Möge alles, was stofflich ist, sich freuen! Sucht alle das Licht, damit die Kraft eurer Seele, die in euch ist, lebe! Denn das Licht hat die Materie erhört, und es wird keine Materie ungereinigt bleiben. Mögen die Seelen der Materie und alles, was sich in ihr befindet, den Herrn aller Äonen loben. Denn Gott wird die Seele aus aller Materie erretten. Es wird eine Stätte im Licht zubereitet werden, und alle Geretteten werden darin wohnen und sie ererben. Die Seelen jener, welche die Mysterien empfangen werden, und aller, welche die Mysterien in seinem Namen empfangen haben, werden dort weilen.« 33 Nach diesen Worten sprach Jesus zu seinen Jüngern: »Dieses ist der Lobpreis, den die Pistis Sophia in ihrem ersten Reuegesang ausgesprochen hat, weil sie ihre Sünde bereute und alles sagte, was mit ihr geschehen war. Nun denn: Wer Ohren hat, zu hören, der höre.« Wiederum trat Maria vor und sprach: »Herr, mein Lichtbewohner hat Ohren, und ich höre mit meiner Lichtkraft. Dein Geist, der mit mir ist, hat mich wachgerüttelt. Lass mich nun über den Reuegesang der Pistis Sophia sprechen, den sie über ihre Sünde aussprach. Einst hat Deine Lichtkraft darüber durch den Propheten David im 69. Psalm prophezeit: Erlöse mich, Gott, denn die Wasser sind bis an meine Seele gekommen. Ich bin im bodenlosen Schlamm versunken, wo ich nicht stehen kann. In die Tiefen des Meeres bin ich gekommen, wo eine Sturmflut mich überspült. Ich bin müde vom Rufen. Meine Kehle ist heiß, meine Augen sind schwach geworden vom Ausschauen nach meinem Gott. Sie, die mich ohne Grund hassen, sind zahlreicher als die Haare meines Hauptes. Mächtig sind meine Feinde, die mich vertilgen wollen; was ich nicht geraubt habe, fordern sie von mir zurück. Gott, Du kennst meine Torheit, und meine Sünden sind vor Dir nicht verborgen. Lass meinetwegen nicht beschämt werden, die auf Dich harren, Herr, Herr der Heerscharen. Lass nicht zuschanden werden, die Dich suchen, o Herr, Gott Israels. Denn um Deinetwillen bedeckt Schmach mein Angesicht. Meinen Brüdern bin ich fremd geworden und unbekannt den Söhnen meiner Mutter. Denn der Eifer für Deinen Tempel hat mich verzehrt; die Schmähungen jener, die Dich schmähen, sind auf mich gefallen. 30

Ich kasteite meine Seele durch Fasten, und es ward mir zur Schmach. Ich zog ein raues Gewand an und ward ihnen zum Gespött. Sie, die in den Toren sitzen, schwatzen über mich, ich werde zum Spottlied der Trinker. Aber mein Geist geht zu Dir, o Herr, o Gott. Erhöre mich rechtzeitig nach Deinem Wohlgefallen und rette mich nach der Größe Deiner Gnade. Rette mich aus diesem Schlamm, dass ich nicht versinke. Befreie mich von meinen Hassern und rette mich aus den tiefen Wassern. Lass die Wasserflut mich nicht überströmen, noch die Tiefe mich verschlingen, noch den Abgrund sich über mir schließen. Antworte mir, o Herr; denn Deine Gnade ist überwältigend. Wende Dich mir zu nach der Größe Deiner Barmherzigkeit. Verbirg Dein Antlitz nicht vor Deinem Diener, denn es ist mir bang zumute. Antworte mir eilends, nahe Dich meiner Seele und erlöse sie. Befreie mich von meinen Feinden, denn Du kennst meine Schande, Schmach und Scham. Alle, die mich bedrohen, stehen Dir vor Augen. Die Schmach hat mein Herz gebrochen. Ich harrte auf ein Zeichen des Mitleids, aber vergebens, auf Tröster, jedoch ich fand sie nicht. Sie gaben mir Galle zur Speise und löschten meinen Durst mit Essig. Ihr Tisch, der vor ihnen angerichtet ist, werde ihnen zur Falle, zum Stein des Anstoßes, zur Vergeltung und zum Schandfleck. Mögest Du für immer ihren Rücken beugen. Gieße Deinen Grimm über sie aus, und möge die Glut Deines Zorns sie ergreifen. Ihre Wohnstätte werde ihnen zur Wüste, kein Bewohner sei in ihren Zelten. Denn die, die Du geschlagen hast, werden von ihnen verfolgt. Sie vermehren den Schmerz ihrer Wunden. Sie fügen Schuld zu Schuld; lass sie nicht zu zu Deiner Gerechtigkeit. Mögen sie ausgelöscht werden aus dem Buch des Lebens und nicht mit den Gerechtfertigten aufgeschrieben werden. Denn ich bin elend vor Schmerz. Dein Heil, o Gott, beschirme mich. Gottes Namen will ich loben mit einem Lied und Ihn verherrlichen mit Gesang. Das wird Gott angenehmer sein als ein junger Stier mit Hörnern und Klauen. Mögen die Demütigen es sehen und sich freuen. Sucht Gott, damit eure Seelen leben mögen. Denn der Herr erhört die Not Leidenden und verachtet die Gefangenen nicht. Mögen Himmel und Erde den Herrn loben und die Meere und alles, was sich darin bewegt. Denn Gott wird Zion erlösen und die Städte Judäas aufbauen, damit sie dort wohnen und sie ererben. Der Same seiner Diener wird es ererben, und sie, die seinen Namen lieben, werden darin wohnen.« 34 Als Maria diese Worte im Kreis der Jünger zu Jesus gesprochen hatte, sagte sie: »Herr, dieses ist die Erklärung des Mysteriums des Reuegesanges der Pistis Sophia.« Als Jesus diese Worte Marias hörte, sprach Er: »Sehr gut, Maria. Du bist gesegnet, 31

die Fülle, die allen Segen umfassende Fülle, die von allen Geschlechtern gepriesen werden wird.«

Die zweite Reue der Pistis Sophia: das Bewusstseinslied 35 Jesus fuhr fort und sagte: »Danach sprach die Pistis Sophia ihren zweiten Reuegesang, indem sie sagte: O Licht der Lichter, an Dich habe ich geglaubt, lass mich nicht bis zum Ende meiner Tage in der Finsternis bleiben. Hilf mir und rette mich durch Deine Mysterien, neige Dein Ohr zu mir und erlöse mich. Möge die Kraft Deines Lichtes mich befreien und mich zu den höheren Äonen führen, denn Du wirst mich befreien und mich zur Höhe Deiner Äonen bringen. Rette mich, o Licht, aus der Hand der Kraft mit dem Löwenkopf und aus den Händen der Schöpfungen des Gottes Authades. Denn Du bist es, o Licht, an das ich geglaubt und dem ich vom Beginn an vertraut habe. Vom Augenblick meiner Erschaffung an habe ich daran geglaubt. Und Du selbst hast mich erschaffen lassen, und von Anfang an habe ich Deinem Licht vertraut. Und als ich an Dich glaubte, verspotteten mich die Archonten der Äonen und sagten: «Sie hat ihr Mysterium nicht vollbringen können.» Du bist mein Retter und Erlöser, Du bist mein Mysterium, o Licht. Mein Mund war erfüllt von Deiner Glorie, damit ich zu allen Zeiten das Mysterium Deiner Herrlichkeit rühmen konnte. Darum, o Licht, lass mich nicht im Chaos bis zum Ende meiner Tage; verlasse mich nicht, o Licht. Meine ganze Lichtkraft wurde mir geraubt, und alle Geschöpfe des Authades haben mich umringt. Sie wollten all mein Licht wegnehmen und stellten einen Wächter vor meine Kraft. Gleichzeitig sagten sie zueinander: «Das Licht hat sie verlassen. Lasst uns sie überwältigen und alles Licht, das in ihr ist, nehmen.» Überlasse mich darum nicht meinem Schicksal, o Licht. Wende Dich zu mir, o Licht, und erlöse mich aus den Händen der Unbarmherzigen. Mögen sie, die es auf meine Kraft abgesehen haben, straucheln und kraftlos werden. Mögen sie, die meine Lichtkraft rauben wollen, in Finsternis gehüllt werden und kraftlos werden. Dieses nun ist der zweite Reuegesang, den die Pistis Sophia dem Licht darbrachte.« 36 Nachdem Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Versteht ihr, was ich zu euch sage?« Da sprang Petrus vor und sagte zu Jesus: »Herr, diese Frau ist für uns unerträglich, da sie uns die Gelegenheit nimmt, etwas zu sagen, weil sie selbst so oft spricht.« Jesus antwortete: »In welchem die Kraft des Geistes aufwallt, so dass er meine Wor32

te verstehen kann, der möge hervortreten und sprechen. Doch nun, Petrus, sehe ich, dass die Kraft in dir die Erklärung des Mysteriums des Reuegesanges der Pistis Sophia versteht. Wohlan, Petrus, sprich inmitten deiner Brüder die Gedanken dieses Reuegesanges aus.« Petrus antwortete Jesus: »O Herr, höre, was ich über ihren Reuegesang zu sagen habe. Darüber hat einst Deine Lichtkraft durch den Propheten David prophezeit, indem sie im 70. Psalm ihre Reue ausdrückte: Zu Dir, o Herr, nehme ich meine Zuflucht; lass mich niemals beschämt werden. Rette mich durch Deine Gerechtigkeit und befreie mich; neige Dein Ohr zu mir und erlöse mich. Sei mir wie ein starker Felsen und eine Festung, um mich zu retten; denn Du bist meine Kraft und meine Zuflucht. Mein Gott, befreie mich aus der Hand des Sünders und aus der Hand des Gottlosen und Frevlers. Denn Du, Herr, bist mein Harren und Hoffen von Jugend an. Vom Mutterschoß an habe ich mich auf Dich verlassen. Von Geburt an hast Du mich begleitet. Deiner werde ich stets gedenken. Vielen bin ich zu einem Narren geworden, doch Du warst meine Hilfe und meine Kraft; Du bist mein Erlöser, o Herr. Mein Mund ist erfüllt von Deinem Lob, den ganzen Tag rühme ich Deine Herrlichkeit. Verwirf mich nicht im Alter; verlasse mich nicht, wenn meine Seele erliegt! Denn meine Feinde reden Übles wider mich, und die meine Seele belauern, schmieden zusammen Ränke und sagen: »Gott hat ihn verlassen; verfolgt und ergreift ihn, denn da ist niemand, der ihn rettet!« O Gott, eile mir zu Hilfe! Mögen beschämt und vernichtet werden, die meiner Seele nachstellen. Mögen in Schande und Schmach gehüllt werden, die mein Unheil suchen. Das ist nun die Auslegung des zweiten Reuegesanges der Pistis Sophia.« 37 Der Erlöser antwortete: »Gut gesprochen, Petrus, das ist die Auslegung ihres Reuegesanges. Gesegnet seid ihr vor allen Menschen auf Erden, weil ich euch diese Mysterien geoffenbart habe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich werde euch vollenden in der Fülle der Mysterien vom Inneren zum Äußeren. Ich werde euch mit dem Geist erfüllen, damit ihr geistige Menschen genannt werdet, vollkommen in aller Fülle. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich werde euch alle Mysterien der Gebiete meines Vaters und aller Gebiete des Ersten Mysteriums geben, damit alle, die ihr auf Erden annehmen werdet, auch im Licht der Höhe angenommen werden; und alle, die ihr auf Erden ausstoßen werdet, auch im Reich meines Vaters, der in den Himmeln ist, ausgestoßen werden. Doch höret weiter auf alle Reuegesänge, welche die Pistis Sophia ausgesprochen hat. Sie fuhr fort und sprach ihren dritten Reuegesang:

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Der dritte Reuegesang: das Lied der Demut

O Licht der Kräfte, bewahre und erlöse mich. Mögen in Not und Finsternis geraten, die mir mein Licht nehmen wollen. Mögen sich zum Chaos wenden und beschämt werden, die meine Kraft rauben wollen. Mögen sie, die mich verfolgen und sagen: »Wir sind Meister über sie geworden«, bald zur Finsternis zurückkehren. Mögen alle, die das Licht suchen, sich freuen und jubeln, und jene, die Dein Mysterium herbeisehnen, sagen: »Möge das Mysterium sich erheben.« Rette mich nun, o Licht, denn ich entbehre das Licht, das sie genommen haben. Und ich sehne mich nach der Kraft, die sie mir geraubt haben. Du, o Licht, bist mein Erlöser und Retter. Befreie mich bald aus diesem Chaos, o Licht.« 38 Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesprochen hatte, sagte Er: »Dieses ist der dritte Reuegesang der Pistis Sophia. Möge der, in dem sich der Geist der Einsicht erhoben hat, vortreten und den Gedanken des Reuegesanges der Pistis Sophia aussprechen.« Noch bevor Jesus seine Worte beendet hatte, trat Martha vor, fiel vor seinen Füßen nieder, küsste sie und rief – in tiefer Demut heftig weinend – laut aus: »Herr, erbarme Dich meiner und habe Mitleid mit mir. Lass mich den Reuegesang der Pistis Sophia erklären.« Jesus reichte Martha die Hand und sprach zu ihr: »Selig ist jeder, der sich demütigt; denn er wird Barmherzigkeit erfahren. Wohlan, Martha, du bist eine solche Begnadete. Erkläre nun also den Gedanken des Reuegesanges der Pistis Sophia.« Martha antwortete Jesus inmitten der Jünger: »Über diesen Reuegesang der Pistis Sophia, o Herr, hat einst Deine Lichtkraft, die in David war, im 70. Psalm prophezeit: O Gott, eile mir zu Hilfe. Zuschanden werden und sich schämen sollen jene, die meine Seele belauern. Mögen jene, die mir zurufen: «Haha!» zurück weichen und zuschanden werden. Lass die, die Dich suchen, jauchzen und jubeln. Und mögen jene, die Dein Heil begehren, unaufhörlich sagen: «Gott ist groß.» Aber ich bin elend und arm. O Gott, hilf mir! Du bist mein Schutz und mein Schild. O Herr, lass mich nicht warten! Das ist die Bedeutung des dritten Reuegesanges der Pistis Sophia, als sie die Höhe pries.« 39 Als Jesus diese Worte hatte sagen hören, sprach Er: »Vortrefflich, Martha, deine Worte waren schön.«

Der vierte Reuegesang: das Lied der Zerschmetterung Jesus setzte sein Gespräch fort und sagte zu seinen Jüngern: »Die Pistis Sophia fuhr mit ihrem vierten Reuegesang fort, bevor sie zum zweiten Mal in Bedrängnis gebracht wurde, damit die Kraft mit dem Löwenkopf und alle stofflichen Geschöpfe, die Authades zum Chaos geschickt hatte, ihr nicht alles Licht, das ihr noch geblieben war, rauben sollten. Sie sprach also diesen Reuegesang: 34

O Licht, auf das ich vertraute, höre meine Reue an und lass meine Stimme Deine Wohnstätte erreichen. Verbirg Dein Lichtgewand nicht vor mir, sondern beschirme mich, wenn sie mich quälen. Rette mich eilends an dem Tag, da ich zu Dir rufe. Denn meine Tage sind wie ein Hauch verflogen, und ich bin zu Stoff geworden. Sie haben mein Licht genommen, und meine Kraft ist verdorrt. Das Mysterium, das ich einst treu erfüllte, habe ich vergessen. Durch die Stimmen der Angst und des Authades ist meine Kraft in mir verschwunden. Ich bin wie ein seltsamer Dämon, der in der Materie haust und in dem kein inneres Licht ist. Ich bin zu einem Widersacher-Geist geworden, der in einem stofflichen Leib wohnt und der keine Lichtkraft besitzt. Ich bin zu einem Dekan geworden, der sich allein in der Luft befindet. Die Emanationen des Authades haben mich in die Enge getrieben; und der mit mir Verbundene sagte zu sich selbst: «Anstelle des Lichtes, das sie früher erfüllte, haben sie sie mit Chaos angefüllt.» Den Schweiß meines Körpers und die Tränen der Angst meiner materiellen Augen habe ich verzehrt, damit meine Bedränger mir nicht auch noch diese wegnehmen. Das alles, o Licht, ist über mich gekommen auf Dein Gebot und Deinen Befehl hin. Und Deine Bestimmung ist es, dass ich mich hier befinde. Dein Gebot hat mich hinabgesandt, und ich bin herabgesunken wie eine Kraft des Chaos. Meine Kraft ist in mir erstarrt. Du aber, o Herr, bist das ewige Licht, und Du suchst stets die Bedrängten. Erhebe Dich, o Licht, und suche meine Kraft und die Seele, die in mir ist. Dein Befehl, den Du mir in meinem Elend auferlegt hast, ist erfüllt. Meine Zeit ist gekommen, da Du meine Kraft und meine Seele suchst. Und es ist die Zeit, die Du vorher bestimmt hast, um mich zu suchen. Denn Deine Erlöser haben die Kraft meiner Seele gesucht, da die Zahl vollendet ist und damit auch ihre Materie gerettet werde. An diesem Tag werden alle Archonten der materiellen Äonen Dein Licht fürchten. Und alle Emanationen des dreizehnten, materiellen Äons werden das Mysterium Deines Lichtes fürchten, damit die anderen das Gereinigte ihres Lichtes anziehen können. Denn der Herr wird die Kraft eurer Seele suchen. Er hat sein Mysterium geoffenbart. Er blickt auf den Reuegesang jener, die sich in den unteren Gebieten befinden. Und Er hat ihre Reuegesänge nicht missachtet. Das ist das Mysterium, das zum Vorbild geworden ist für das kommende Geschlecht. Und das Geschlecht, das dann geboren wird, wird der Höhe lobsingen. Denn das Licht sah herab aus der Höhe. Es wird herabschauen auf die gesamte Materie, um auf das Seufzen der Gebundenen zu hören und die Seelen aus ihrer Gebundenheit zu erlösen, damit das Licht seinen Namen in ihre Seele lege und sein Mysterium in ihre Kraft.« 35

40 Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Dieses ist der vierte Reuegesang der Pistis Sophia. Wer es verstehen kann, verstehe es.« Da trat Johannes vor, küsste die Brust Jesu und sprach: »Herr, möge es mir vergönnt sein, von Dir den Auftrag zu empfangen, die vierte Wehklage der Pistis Sophia zu erklären.« Jesus sprach zu Johannes: »Ich gebe dir den Auftrag und gestehe dir zu, den Reuegesang der Pistis Sophia zu erklären.« Johannes antwortete: »Herr und Erlöser, über diesen Reuegesang der Pistis Sophia hat einst Deine Lichtkraft durch David im 102. Psalm prophezeit: Herr, erhöre mein Gebet, lass meinen Hilferuf zu Dir gelangen. Verbirg Dein Antlitz nicht vor mir, neige Dein Ohr zu mir am Tag meiner Bedrängnis. Antworte mir eilends zur Stunde, da ich Dich anrufe. Denn meine Tage sind vergangen wie Rauch, und meine Gebeine sind verbrannt wie Stein. Ich bin versengt wie Gras, und mein Herz ist verdorrt. Ich habe vergessen, mein Brot zu essen. Vor lauter Seufzen klebt mein Gebein am Fleisch. Ich bin wie ein Pelikan in der Wüste, wie eine Steineule auf einem Steinhaufen. Wachend habe ich die Nacht verbracht und bin wie ein einsamer Sperling auf dem Dach. Den ganzen Tag verhöhnen mich meine Feinde, die gegen mich wüten, sie gebrauchen meinen Namen als Fluch. Ich esse Asche statt Brot, und mein Trank ist mit Tränen gemischt, aus Furcht vor Deinem Zorn und Deinem Grimm; denn Du hast mich emporgehoben und niedergeworfen. Meine Tage neigen sich wie lange Schatten, und ich verdorre wie Gras. Aber Du, o Herr, thronst in Ewigkeit, und Dein Name bleibt von Geschlecht zu Geschlecht. Erhebe Dich und erbarme Dich Zions, denn es ist Zeit, ihr gnädig zu sein, da die Stunde gekommen ist. Deine Diener lieben ihre Steine, sie werden sich ihres Landes erbarmen. Dann werden alle Völker den Namen des Herrn fürchten und alle Könige der Erde Deine Herrlichkeit. Denn der Herr wird Zion aufbauen und sich in seiner Herrlichkeit offenbaren. Er hat sich dem Gebet der Erniedrigten geneigt und ihre flehende Bitte nicht verworfen. Dies wurde aufgeschrieben für ein folgendes Geschlecht. Und das Volk, das dann geschaffen sein wird, wird den Herrn loben. Denn Er hat herabgesehen aus Seiner heiligen Höhe. Der Herr hat vom Himmel auf die Erde geschaut, um das Seufzen der Gefangenen zu hören, um die zum Tode Verdammten zu befreien, damit der Name des Herrn in Zion verkündet werde und sein Ruhm in Jerusalem. 36

Dieses, o Herr, ist die Erklärung des Mysteriums des vierten Reuegesanges, den die Pistis Sophia ausgesprochen hat.« 41 Als Johannes diese Worte zu Jesus inmitten der Jünger gesprochen hatte, sagte Jesus zu ihm: »Vortrefflich gesprochen, Johannes, du Reiner, der du im Lichtreich herrschen wirst.«

Der fünfte Reuegesang: das Lied der Ergebung Jesus fuhr in seinem Gespräch fort und sagte zu seinen Jüngern: »Die Geschöpfe des Authades fielen im Chaos wieder über die Pistis Sophia her und wollten sie all ihrer Lichtkraft berauben: Und noch war das Gebot, sie aus dem Chaos herauszuführen, nicht erfüllt. Auch war vom Ersten Mysterium nicht der Befehl gegeben, sie aus dem Chaos zu retten. Als alle stofflichen Geschöpfe des Authades sie angriffen, schrie sie auf und sagte ihren fünften Reuegesang: O Licht meines Heils, ich singe Dein Lob sowohl in der Höhe als auch im Chaos. Ich werde Dich preisen mit meinem Lobgesang, mit dem ich Dich in der Höhe gepriesen habe; und ich habe Dich damit gepriesen, als ich im Chaos war. Möge er Dich erreichen. Gib acht, o Licht, auf meine Reue. Meine Kraft ist von Finsternis erfüllt, und mein Licht ist zum Chaos herabgesunken. Ich selbst bin wie die Archonten des Chaos geworden, die hinabgesunken sind in die unteren Finsternisse. Ich bin zu einem stofflichen Leib geworden, der in der Höhe niemanden hat, der ihn erlösen wird. Ich bin geworden wie die Materie, aus der alle Kraft hinweggenommen ist, als sie im Chaos weggeworfen wurde, die Du nicht gerettet hast und die durch Dein Gesetz zugrundegegangen ist. Darum hat man mich in die unterste Finsternis gebracht, in Finsternis und Materie, die tot und ohne Kraft sind. Du hast Dein Gesetz und alles, was Du willst, über mich gebracht. Dein Geist ist gewichen und hat mich verlassen. Auf Deinen Befehl haben die Schöpfungen meines Äons mir nicht geholfen. Sie haben mich gehasst und sich von mir zurückgezogen. Jedoch noch bin ich nicht völlig vernichtet. Mein Licht wurde schwach, und mit dem Licht, das mir verblieb, habe ich zu Dir, o Licht, gerufen und meine Hände nach Dir ausgestreckt. Wirst Du nun, o Licht, Dein Gesetz im Chaos erfüllen? Und werden die Erlöser, die Deinem Gesetz zufolge kommen werden, sich dann in der Finsternis erheben und kommen und Deine Jünger sein? Werden sie das Mysterium Deines Namens dann im Chaos verkündigen? Oder werden sie vielmehr von Deinem Namen in der Materie des Chaos zeugen, wo Du nicht reinigend auftreten wirst? Ich» aber habe Dich gepriesen, o Licht, und mein Reuegesang wird Dich in der Höhe erreichen. Möge Dein Licht auf mich herabkommen. 37

Sie haben mein Licht von mir genommen, und ich bleibe im Schmerz um das Licht, seit ich geschaffen bin. Und als ich zum Licht empor und auf die Lichtkraft im Chaos herabgeblickt hatte, erhob ich mich und ging hinab. Dein Gesetz kam über mich, und die Schrecken, die Du für mich bestimmt hast, haben mich in Verwirrung gebracht. Sie haben mich umringt wie tobende Wasser; die ganze Zeit hielten sie mich in ihrem Griff. Wegen Deines Gesetzes konnten meine Mitgeschöpfe mir nicht helfen. Auch hast Du nicht zugelassen, dass der mit mir Verbundene mich aus meiner Not errettet. Das nun ist der fünfte Reuegesang, den die Pistis Sophia im Chaos aussprach, während alle stofflichen Geschöpfe des Authades sie weiterhin in Bedrängnis brachten.« 42 Als Jesus das zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er zu ihnen: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre. Und in wem der Geist aufwallt, der möge vortreten und die Gedanken des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia erklären.« Als Jesus diese Worte gesprochen hatte, trat Philippus vor, legte das auch, das er in Händen hielt, nieder – denn er war der Schreiber aller Worte, die Jesus sprach, und alles dessen, was Er tat – und sprach zu Ihm: »Herr, bin ich es denn allein, dem Du aufgetragen hast, für die Welt Sorge zu tragen und alles, was Du sagst und tust, aufzuschreiben? Du hast mir nicht die Gelegenheit gegeben, die Erklärung der Mysterien des Reuegesanges der Pistis Sophia zu geben. Oft wallte der Geist in mir auf, fühlte sich frei und spornte mich kräftig an, vorzutreten und die Reuegesänge der Pistis Sophia zu erklären. Aber ich konnte nicht vortreten, weil ich es bin, der alles Gesprochene aufschreiben muss.« Als Jesus Philippus angehört hatte, sprach Er zu ihm: »Philippus, du Begnadeter, höre, damit ich zu dir sprechen kann. Du, Thomas und Matthäus sind es, welchen durch das Erste Mysterium aufgetragen wurde, alle Worte, die ich spreche, und alles, was ihr sehen werdet, aufzuschreiben. Was dich betrifft, so ist die Zahl der Abhandlungen, die du aufschreiben sollst, noch nicht erfüllt. Sobald sie erfüllt ist, kannst du vortreten und sagen, was dir gefällt. Von jetzt an sollt ihr jedoch alle drei die Worte, die ich sagen, und alles, was ich tun werde, und alles, was ihr sehen werdet, aufschreiben als ein Zeugnis von allen Dingen des Königreichs der Himmel.« 43 Als Jesus dies gesagt hatte, sprach Er zu seinen Jüngern: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre.« Hierauf sprang Maria auf, trat in die Mitte, stellte sich neben Philippus und sprach zu Jesus: »Herr, das innewohnende Licht in mir hat Ohren, und ich bin bereit, mit meiner Kraft zu hören. Ich habe das Wort verstanden, das Du so richtig gesagt hast. Willst Du dann auf mich hören, Herr, damit ich die Worte, die Du zu uns gesagt hast, erkläre, denn Du hast zu uns gesagt: «Wer Ohren hat, zu hören, der höre.» 38

Zu Philippus hast Du gesagt: «Du und Thomas und Matthäus, ihr drei seid es, denen durch das Erste Mysterium aufgetragen wurde, alle Abhandlungen über das Lichtreich aufzuschreiben und davon zu zeugen.» Höre, damit ich die Bedeutung dieser Worte verkünde: Es ist das, was Deine Lichtkraft einst durch Moses prophezeit hat: «Durch zwei oder drei Zeugen soll jede Sache ohne Zweifel festgestellt werden.» Die drei Zeugen sind Philippus und Thomas und Matthäus.« Als Jesus diese Worte gehört hatte, sprach Er: »Vortrefflich gesprochen, Maria. Das ist die Bedeutung des Wortes. Jetzt aber tritt Du vor, Philippus, und gib die Erklärung des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia. Danach setze dich wieder und schreibe jedes Wort, das ich sprechen werde, auf, bis dein Anteil an den Worten über das Lichtreich, die du aufschreiben sollst, erfüllt ist. Danach kannst du aufstehen und sagen, was dein Geist fassen kann. Jetzt aber verkünde zuerst die Bedeutung des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia.« Philippus antwortete: »Herr, höre meine Erklärung ihres Reuegesanges, denn hierüber hat einst Deine Lichtkraft durch David im 88. Psalm prophezeit: O Herr, Gott meines Heils, bei Tag und bei Nacht habe ich zu Dir gerufen. Lass mein Gebet vor Dein Angesicht kommen, neige Dein Ohr meinem Rufen. Denn meine Seele ist gesättigt vom Elend, mein Leben ist dem Totenreich nahe. Ich werde zu denen gerechnet, die in die Grube niedergefahren sind; ich bin wie ein Mensch ohne Hilfe geworden. Die Freigewordenen unter den Toten sind wie Erschlagene, die im Grab liegen, an die Du nicht mehr denkst; die durch Deine Hand vernichtet sind. Man hat mich in eine tiefe Grube gelegt, in Finsternis und Todesschatten. Dein Grimm bedrückt mich, und all Deine Wogen sind über mich gekommen. Meine Bekannten hast Du von mir entfernt; ich bin ihnen zum Gräuel geworden. Eingeschlossen bin ich und kann nicht entkommen. Mein Auge wurde schwach vor Elend. Täglich rief ich zu Dir, o Herr, während ich meine Hände zu Dir ausstreckte. Wirst Du nun Wunder an den Toten tun? Oder werden nun Gespenster aufstehen, um Dich zu loben? Wird man nun Deinen Namen im Grab verkündigen und Deine Gerechtigkeit im Land Deines Vergessens? Aber ich habe zu Dir gerufen, o Herr, und bereits morgens kommt mein Gebet zu Dir. Verbirg Dein Antlitz nicht vor mir. Denn ich bin elend und in Not von Jugend auf. Aber als ich mich aufgerichtet hatte, habe ich mich gedemütigt und bin aufgestanden. Dein brennender Zorn geht über mich hin, und Deine Schrecken lassen mich zugrunde gehen. Sie umringen mich wie Wasser, sie ergreifen mich den ganzen Tag. Meine besten Freunde und Gefährten hast Du von mir entfernt; nur die Finsternis ist mein Gefährte. Das nun ist die Bedeutung des Mysteriums des fünften Reuegesanges, den die Pistis Sophia aussprach, als sie im Chaos bedrängt wurde.« 39

44 Als Jesus diese Worte des Philippus gehört hatte, sprach Er: »Sehr gut, geliebter Philippus. Komm und setze dich wieder und schreibe deinen Teil der Worte, die ich sprechen, und aller Dinge, die ich tun werde, und alles, was du siehst, auf.« Philippus nahm sogleich wieder Platz, um weiterzuschreiben.

Der sechste Reuegesang: das Lied der Selbstübergabe Danach nahm Jesus wieder das Wort und sagte zu seinen Jüngern: »Die Pistis Sophia rief zum Licht. Das Licht vergab ihr die Sünde, dass sie ihr Gebiet verlassen hatte und zur Finsternis hinabgegangen war. Sie sprach ihren sechsten Reuegesang aus und sagte: Ich habe Dich, o Licht, in der tiefsten Finsternis gepriesen. Höre meinen Reuegesang und lass Dein Licht auf die Stimme meiner flehenden Bitte achtgeben. O Licht, wenn Du meiner Sünde gedenkst, kann ich vor Dir nicht bestehen, und Du wirst mich allein lassen. Denn Du, o Licht, bist mein Befreier; um das Licht Deines Namens willen habe ich an Dich geglaubt, o Licht. Meine Lichtkraft vertraute auf Dein Mysterium. Meine Kraft hat auf das Licht vertraut, als sie in der Höhe war, und sie hat auch darauf vertraut, als sie unten im Chaos war. Mögen alle Kräfte in mir auf das Licht vertrauen, jetzt, da ich in tiefster Dunkelheit bin; und mögen sie auch darauf vertrauen, wenn sie in das Gebiet der Höhe gelangen. Denn das Licht ist voller Barmherzigkeit und erlöst uns. Im Licht ist ein großes, rettendes Mysterium. Es wird alle Kräfte aus dem Chaos erlösen um meiner Übertretung willen. Denn ich habe mein Gebiet verlassen und bin zum Chaos hinabgegangen. Wohlan, wessen Verstand dazu geadelt ist, möge es umfassen.« 45 Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er zu ihnen: »Versteht ihr den Sinn des Gesprochenen?« Andreas trat vor und sprach: »Herr, was die Bedeutung des sechsten Reuegesanges der Pistis Sophia betrifft, hat Deine Lichtkraft einst durch David im 130. Psalm gesprochen: Aus den Tiefen rufe ich zu Dir, o Herr. Höre auf meine Stimme. Lass Deine Ohren auf mein flehendes Gebet achten. Wenn Du, o Herr, meiner Ungerechtigkeiten gedenkst, wer soll dann bestehen? Aber bei Dir ist Vergebung. Um Deines Namens willen habe ich Dich erwartet, o Herr. Meine Seele hat auf Dein Wort geharrt. Meine Seele hofft auf den Herrn vom Morgen bis zum Abend. Möge Israel hoffen auf den Herrn vom Morgen bis zum Abend. Denn beim Herrn ist Gnade und große Erlösung. Er wird Israel aus all seinen Unge40

rechtigkeiten erlösen.« Jesus sagte zu ihm: »Vortrefflich, Andreas, du Begnadeter. Das ist die Bedeutung ihres Reuegesanges. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich werde euch in alle Mysterien des Lichtes, in alle Gnosis einleiten, vom Innersten des Inneren bis zum Äußersten des Äußeren; vom Unaussprechlichen bis zur dunkelsten Finsternis; vom Licht der Lichter bis zum Stofflichsten des Stofflichen; von allen Göttern bis zu den Dämonen; von allen Herren bis zu ihren Dekanen; und von allen Mächten bis zu den Dienern; von der Schöpfung der Menschen bis zur Schöpfung der Tiere, des Viehs und der Reptilien; damit ihr Vollkommene genannt werdet, vollendet zur vollkommenen Fülle. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: An dem Ort, an dem ich sein werde im Reich meines Vaters, werdet auch ihr mit mir sein. Sobald die vollkommene Zahl erfüllt ist, so dass die Welt der Vermischung aufgelöst werden wird, werde ich euch gebieten, alle tyrannischen Gottheiten, die das Gereinigte ihres Lichtes nicht ausgestrahlt haben, hierher zu bringen. Ich werde dem Feuer der Weisheit, das den Vollkommenen übertragen wird, befehlen, an jenen Tyrannen zu zehren, bis dass sie das letzte Gereinigte ihres Lichtes abgeben.« Nachdem Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Erfasst ihr den Sinn des Gesprochenen?« Maria sagte: »Ja, Herr, ich habe Dein Wort verstanden. Was nun Dein Wort betrifft, das Du gesprochen hast: «Bei der Auflösung der ganzen Welt der Vermischung wirst Du auf einem Lichtthron sitzen und Deine Jünger – also wir – werden zu Deiner Rechten sein, und Du wirst die tyrannischen Götter richten, die das Gereinigte ihres Lichtes nicht übergeben haben; und das Feuer der Weisheit wird an ihnen zehren, bis sie das Letzte ihres inneren Lichtes abgeben» – diesbezüglich nun hat Deine Lichtkraft einst durch David im 82. Psalm gesprochen: »Gott wird thronen in der Versammlung der Götter und wird über die Abgötter Gericht halten.« Jesus sagte zu ihr: »Vortrefflich, Maria.« 46 Jesus fuhr fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia den sechsten Reuegesang über die Vergebung ihrer Übertretung ausgesprochen hatte, wandte sie sich abermals zur Höhe, um zu sehen, ob ihre Sünden vergeben waren und ob man sie aus dem Chaos erheben würde. Auf Befehl des Ersten Mysteriums war es jedoch noch nicht gestattet, ihre Sünden zu vergeben und sie aus dem Chaos hinauszuführen.

Der siebte Reuegesang der Pistis Sophia: das Lied der Entscheidung Als sie sich nun zur Höhe gewandt hatte, um zu sehen, ob ihre Reue angenommen würde, sah sie, dass alle Archonten der zwölf Äonen sie verspotteten und über sie frohlockten, weil ihr Reuegesang nicht angenommen wurde. Als sie sah, dass sie verspottet wurde, ward sie sehr bekümmert, und sie rief die Höhe in ihrem siebten 41

Reuegesang an und sprach: Dir, o Licht, habe ich meine Kraft übertragen, mein Licht. An Dich habe ich geglaubt. Lass mich nicht verachtet werden und dulde nicht, dass die Archonten der zwölf Äonen, die mich hassen, über mich frohlocken. Denn alle, die an Dich glauben, können nicht zuschanden werden. Mögen sie, die meine Kraft geraubt haben, in der Finsternis bleiben und keinen Vorteil aus der Kraft schöpfen, sondern sie soll ihnen genommen werden. O Licht, zeige mir Deinen Weg, damit ich auf ihm gerettet werde. Weise mir Deine Pfade, damit ich aus dem Chaos errettet werde. Führe mich in Deinem Licht und lass mich erkennen, o Licht, dass Du mein Retter bist. Auf Dich will ich stets vertrauen. Du wirst mich retten, o Licht; denn Deine Barmherzigkeit währt ewig. Was meine Sünde betrifft, die ich von Anfang an in Unwissenheit begangen habe, rechne sie mir nicht an, o Licht, sondern rette mich durch Dein großes Mysterium der Schuldvergebung um Deiner Gnade willen, o Licht. Denn gnädig und gerecht ist das Licht. Darum wird es mir einen Weg zur Erlösung aus meiner Sünde zeigen. Meine Kräfte, die durch Furcht vor den stofflichen Geschöpfen des Authades vermindert sind, wird das Licht seinem Befehl entsprechend leiten. Und es wird meinen Kräften, die durch Unbarmherzigkeit geschwächt sind, die Gnosis schenken. Denn die Gnosis des Lichtes ist Erlösung und Mysterium für alle, die nach den Gebieten des Erbes und der Mysterien des Lichtes streben. Um des Mysteriums Deines Namens willen, o Licht, vergib mir meine Sünde, denn sie ist groß. Jedem, der auf das Licht vertraut, wird das Licht das Mysterium geben, das er nötig hat. Seine Seele wird in den Gebieten des Lichtes wohnen. Und seine Kraft wird die Schatzkammer des Lichtes erben. Das Licht schenkt allen Kraft, die an das Licht glauben. Der Name seines Mysteriums wird denen geschenkt, die darauf vertrauen. Und es wird ihnen das Gebiet des Erbgutes, das in der Schatzkammer des Lichtes ist, gezeigt. Ich habe stets an das Licht geglaubt, und es wird meine Füße von den Fesseln der Finsternis befreien. Sei mir gnädig, o Licht, und rette mich; denn sogar mein Name wurde mir im Chaos genommen. Aller Emanationen wegen sind meine Schmerzen und meine Bedrängnisse zahlreich geworden. Erlöse mich von meinen Sünden und aus dieser Finsternis. Siehe auf die Qual meiner Bedrängnis und vergib mir meine Sünden. Siehe, wie sehr mich die Archonten der zwölf Äonen aus Eifersucht hassen. Wache über meiner Kraft und rette mich. Lass mich nicht in dieser Finsternis bleiben, denn an Dich habe ich geglaubt. Und sie haben mich für einen Narren gehalten, weil ich Vertrauen zu Dir hatte, o Licht. Nun, o Licht, errette meine Kräfte aus der Macht der Schöpfungen des Authades, die mich bedrängen. 42

Wer nüchtern im Urteil ist, sei nüchtern.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesprochen hatte, trat Thomas vor und sprach: »Herr, ich bin nüchtern, sehr nüchtern, und mein Geist ist sehr klar in mir, und ich freue mich, dass Du uns diese Worte geoffenbart hast. Doch bis jetzt habe ich meine Brüder geduldet, damit ich sie nicht erzürne; denn bei jedem von ihnen dulde ich den Vortritt, damit er die Erklärung des Reuegesanges der Pistis Sophia gebe. Nun denn, o Herr, bezüglich der Erklärung des siebten Reuegesanges der Pistis Sophia hat Deine Lichtkraft einst durch den Propheten David im 25. Psalm gesagt: Zu Dir, o Herr, erhebe ich meine Seele. Auf Dich vertraue ich. Lass mich nicht zuschanden werden, noch meine Feinde mich verspotten. Ja, alle, die auf Dich harren, werden nicht beschämt. Beschämt werden mögen jene, die ohne Ursache treulos an Dir handeln. Herr, mach mir Deine Wege bekannt und lehre mich Deine Pfade. Führe mich in Deine Wahrheit und unterrichte mich: denn Du bist der Gott meines Heils und auf Dich harre ich den ganzen Tag. Gedenke Deiner Barmherzigkeit, o Herr, und Deiner Gnadenbeweise; denn von Ewigkeit her sind sie. Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und Unwissenheit. Doch gedenke meiner nach Deiner Gnade und um Deiner Güte willen, o Herr. Gut und gerecht ist der Herr, darum zeigt Er den Sündern den Weg. Er lässt die Sanftmütigen im Recht wandeln, und Er lehrt die Demütigen seinen Weg. Alle Pfade des Herrn sind Gnade und Wahrheit für jene, die seine Gerechtigkeit und sein Zeugnis suchen. Um Deines Namens willen, o Herr, vergib mir meine Schuld, denn sie ist groß. Wer ist der Mann, der den Herrn fürchtet? Ihm zeigt Er den Weg, den er wählen muss. Seine Seele wird im Glück leben, und seine Nachkommen werden das Land erwerben. Der Herr ist Stärke für jene, die Ihn fürchten. Er entschleiert seinen Namen jenen, die Ihn fürchten. Er macht ihnen seinen Bund bekannt. Meine Augen sind stets auf den Herrn gerichtet. Denn Er wird meine Füße aus der Schlinge ziehen. Wende Dich mir zu und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und elend. Die Qualen meines Herzens haben sich vervielfacht. Befreie mich von meinen Ängsten. Blicke auf mein Elend und mein Leid und vergib mir alle meine Sünden. Siehe, wie zahlreich meine Feinde sind und mit welchem bösartigen Hass sie mich hassen. Bewahre meine Seele und rette mich. Beschäme mich nicht, denn bei Dir suche ich Zuflucht. Die Unschuldigen und Aufrechten haben sich mir angeschlossen, denn auf Dich harre ich, o Herr. O Gott, erlöse Israel aus all seiner Drangsal!« Als Jesus diese Worte des Thomas angehört hatte, sprach Er zu ihm: »Sehr gut, Thomas. Das ist die Bedeutung des siebten Reuegesanges der Pistis Sophia. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Alle Geschlechter werden euch selig preisen, weil ich euch dieses geoffenbart habe, weil ihr von meinem Geist empfangen habt und weil 43

ihr weise und geistlich geworden seid, da ihr versteht, was ich euch sage. Ich werde euch dann mit dem vollen Licht und der ganzen Kraft des Geistes erfüllen, damit ihr von jetzt an alles versteht, was euch gesagt wird und was ihr sehen werdet. Noch eine kurze Zeit, dann werde ich mit euch über alles sprechen, was die Höhe betrifft, von außen nach innen und von innen nach außen.« 47 Jesus fuhr in seiner Rede fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia ihren siebten Reuegesang im Chaos ausgesprochen hatte, war mir vom Ersten Mysterium noch kein Gebot erteilt worden, sie zu retten. Jedoch aus Barmherzigkeit habe ich sie aus mir selbst und ohne Befehl zu einem etwas offeneren Gebiet im Chaos geführt. Als die stofflichen Emanationen des Authades bemerkten, dass sie zu einem etwas offeneren Gebiet im Chaos gebracht war, ließen sie in ihrem Drängen ein wenig nach in der Annahme, dass sie ganz aus dem Chaos hinweggeführt würde. Die Pistis Sophia wusste nicht, dass ich ihr Helfer war. Sie erkannte mich absolut nicht und fuhr fort, das Licht der Schatzkammer des Lichtes zu loben, das sie einmal gesehen und an das sie geglaubt hatte. Sie meinte, dass es dieses Licht war, das ihr geholfen hatte und das sie in der Überzeugung gepriesen hatte, dass es das einzig wahre Licht sei. Weil sie an das Licht, das zur wahren Schatzkammer gehört, geglaubt hatte, wird sie aus dem Chaos hinausgeführt und ihre Reue wird angenommen werden. Aber der Befehl des Ersten Mysteriums, ihre Reue anzunehmen, war noch nicht ergangen. Doch hört nun, damit ich euch alles sage, was der Pistis Sophia geschehen ist: Als ich sie zu einem etwas offeneren Gebiet im Chaos gebracht hatte, hörten die Geschöpfe des Authades auf, sie zu bedrängen, da sie meinten, dass sie ganz aus dem Chaos hinweggeführt würde.

Der achte Reuegesang: das Lied der Verfolgung Als die Schöpfungen des Authades aber bemerkten, dass die Pistis Sophia nicht aus dem Chaos hinausgeführt wurde, kehrten sie sofort wieder um und griffen sie heftig an. Darum sprach sie ihren achten Reuegesang aus, weil sie zwar aufgehört hatten, sie zu bedrängen, sich aber wiederum gegen sie gewandt hatten, um sie heftig anzugreifen. Sie sprach diesen Reuegesang aus: Auf Dich habe ich gehofft, o Licht. Lass mich nicht im Chaos. Erlöse und rette mich entsprechend Deiner Gnosis. Bekümmere Dich um mich. Sei mein Erlöser, o Licht. Ja, rette mich und bringe mich zu Deinem Licht. Denn Du bist mein Erlöser, und Du wirst mich zu Dir führen. Um des Mysteriums Deines Namens willen führe mich und schenke mir Deine Gnade. 44

Du wirst mich vor der Kraft mit dem Löwenkopf retten, die sie mir zum Fallstrick gelegt haben; denn Du bist mein Erlöser. In Deine Hände will ich das Gereinigte meines Lichtes legen. Du hast mich gerettet, o Licht, nach Deiner Gnosis. Du hast denen gezürnt, die mich überwachen und mich doch nicht ganz überwältigen können. Ich aber habe an das Licht geglaubt. Ich will mich freuen und mich glücklich preisen, dass Du Dich meiner erbarmt und die Not, in der ich mich befinde, erkannt und mich gerettet hast, ja, Du wirst auch meine Kraft aus dem Chaos befreien. Du hast mich nicht in der Macht der Kraft mit dem Löwenkopf gelassen, sondern mich zu einem Gebiet geführt, in dem es keine Bedrängnis gibt.« 48 Nachdem Jesus dieses zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er wiederum zu ihnen: »Als die Kraft mit dem Löwenkopf bemerkte, dass die Pistis Sophia immer noch nicht aus dem Chaos hinweggeführt war, kam sie wiederum mit allen anderen stofflichen Schöpfungen des Authades, und sie fielen die Pistis Sophia erneut an. Als sie sie so bedrängten, rief sie in diesem nämlichen Reuegesang aus: Erbarme Dich meiner, o Licht, denn sie haben mich wiederum in große Bedrängnis gebracht. Deinem Gebot zufolge sind mein innerliches Licht, meine Kraft und meine Geistseele verdunkelt. Meine Kraft hat zu schwinden begonnen, als ich in solche Bedrängnis kam. Die Zahl meiner Zeit schwindet, während ich im Chaos bin. Mein Licht ist fast erloschen, da sie mir meine Kraft geraubt und alle Kräfte in mir vernichtet haben. Den Archonten der Äonen, die mich hassen, stehe ich machtlos gegenüber und ebenso den vierundzwanzig Emanationen, in deren Gebiet ich mich aufhielt. Und mein Bruder, der mit mir Verbundene, fürchtete sich, mir zu helfen, weil sie mich ergriffen hatten. Alle Archonten des Himmels hielten mich für Materie, in der kein Licht ist. Ich bin wie eine stoffliche Kraft geworden, die aus den Archonten gefallen ist. Und alle Bewohner der Äonen sagten: «Sie ist zum Chaos geworden.» Darauf haben mich die gnadenlosen Kräfte sogleich umringt und sich gesagt, dass sie mir all mein innerliches Licht nehmen würden. Dennoch habe ich auf Dich vertraut, o Licht, und gesagt: Du bist mein Erlöser. Das Geschick, das Du für mich bestimmt hast, liegt in Deinen Händen. Erlöse mich aus der Macht der Schöpfungen des Authades, die mich verfolgen und bedrängen. Sende Dein Licht zu mir; denn vor Deinem Antlitz bin ich nichts. Und rette mich nach Deiner großen Barmherzigkeit. Lass mich nicht verachtet werden, o Licht; denn Dich habe ich gepriesen. Möge das Chaos die Schöpfungen des Authades bedecken, und mögen sie in die Finsternis geworfen werden. Verschließe jenen den Mund, die arglistig versuchen, mich zu überwältigen, und sagen: «Lasst uns ihr das ganze innerliche Licht rauben», obwohl ich ihnen kein einziges Unrecht zugefügt habe.« 45

49 Als Jesus das gesagt hatte, trat Matthäus vor und sprach: »Herr, Dein Geist hat mich berührt, und Dein Licht hat mich nüchtern gemacht, so dass ich imstande bin, die Bedeutung des achten Reuegesanges der Pistis Sophia zu erklären. Denn darüber hat einst Deine Kraft durch David im 31. Psalm prophezeit: Auf Dich, o Herr, vertraue ich. Lass mich nicht beschämt werden Rette mich durch Deine Gerechtigkeit. Neige mir Dein Ohr, eilends rette mich. Werde mir zu einem sicheren Felsen, zu einer starken Festung, um mich zu bergen. Denn Du bist meine Stütze und meine Stärke. Um Deines Namens willen wirst Du mich führen und mich leiten. Du wirst mich aus der Schlinge ziehen, die man mir heimlich stellte, denn Du bist meine Zuflucht. In Deine Hände befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Herr, Du Gott der Wahrheit. Du hassest jene, welche ihr Vertrauen auf Eitelkeiten bauen. Ich aber vertraue auf den Herrn. Ich werde jubeln und mich freuen über Deine Gnade, weil Du auf mein Elend geblickt und meine Seele aus der Not befreit hast. Du hast mich nicht meinen Feinden ausgeliefert. Du hast meine Füße auf festen Grund gestellt. Sei mir gnädig, Herr, denn ich bin bedrückt. Vor Gram verkümmern mein Auge, meine Seele und mein Leib. Mein Leben flieht im Kummer dahin und meine Jahre in Seufzen; meine Kraft ist durch Elend gebrochen, und meine Gebeine sind verdorrt. Zur Schmach bin ich all meinen Feinden und Nachbarn geworden, zum Schrecken für meine Bekannten. Die mich erblicken, flüchten vor mir. Vergessen bin ich in ihren Herzen wie ein Toter. Wie ein zerbrochener Krug bin ich geworden. Denn ich höre die Verachtung vieler, die mich umringen. Während sie miteinander gegen mich beratschlagen, schmieden sie Pläne, um mir meine Seele zu nehmen. Aber ich vertraue auf Dich, o Herr, und sage: Du bist mein Gott. Mein Schicksal ist in Deiner Hand. Rette mich aus der Macht meiner Feinde und Verfolger. Lass Dein Angesicht über Deinem Diener leuchten; erlöse mich durch Deine Gnade, o Herr. Lass mich nicht beschämt werden; denn Dich rufe ich an. Mögen die Gottlosen beschämt und im Totenreich zum Schweigen gebracht werden. Mögen die Lügenlippen verstummen, die frech wagen, den Gerechten mit Stolz und Hohn zu quälen.« 50 Als Jesus diese Worte gehört hatte, sprach Er: »Sehr gut, Matthäus. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn die vollkommene Zahl erfüllt und das All zum Himmel erhoben ist, werde ich in der Schatzkammer des Lichtes thronen, und ihr werdet auf zwölf Lichtkräften sitzen, bis wir alle Ordnungen der zwölf Erlöser im Gebiet ihres jeweiligen Erbteils hergestellt haben.« Als Er das gesagt hatte, fragte Er: »Versteht ihr, was ich sage?« 46

Maria trat vor und sprach: »O Herr, diesbezüglich hast Du zu uns einst in einem Gleichnis gesagt: «Ihr habt mit mir in allen Anfechtungen ausgeharrt. Ich werde für euch ein Königreich aufrichten, wie mein Vater es für mich aufgerichtet hat, damit ihr essen und trinken möget an meinem Tisch in meinem Königreich; und ihr sollt auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten!»

Der neunte Reuegesang: das Lied des Durchbruchs »Vortrefflich, Maria«, sagte Jesus zu ihr, fuhr wiederum fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Schöpfungen des Authades die Pistis Sophia im Chaos wieder bedrängten, sprach sie ihren neunten Reuegesang aus: Schlage nieder, o Licht, die mir meine Kraft geraubt haben; nimm die Kraft jenen, die sie von mir genommen haben. Denn ich bin Deine Kraft und Dein Licht. Komm und rette mich. Möge tiefe Finsternis meine Verfolger bedecken. Sprich Du zu meiner Kraft: Ich bin es, der dich erlösen wird. Mögen alle, die es auf mein Licht abgesehen haben, ihre Kraft verlieren. Mögen alle sich zum Chaos kehren und kraftlos werden, die mir all mein Licht rauben wollen. Möge ihre Kraft zu Staub werden. Möge Dein Engel Jeû sie niederschlagen. Wenn sie sich zur Höhe wenden wollen, dann möge die Finsternis sie ergreifen; lass sie im Chaos versinken. Möge Dein Engel Jeû ihnen folgen und sie in die tiefste Finsternis werfen. Denn sie haben mir, ohne dass ich ihnen irgend etwas Böses antat, eine Kraft mit dem Löwenkopf zum Fallstrick gelegt, der das Licht genommen werden wird. Sie haben die Kraft in mir unterdrückt, die sie nicht wegnehmen konnten. Nimm nun, o Licht, das Gereinigte der Kraft mit dem Löwenkopf, ohne dass sie es weiß, und nimm – nach dem Gedanken des Authades, mir mein Licht zu nehmen – das seine weg. Möge das Licht der Kraft mit dem Löwenkopf, die mich belauert, weggenommen werden. Dann wird meine Kraft jubeln im Licht und sich freuen, weil das Licht sie retten wird. Und alle Teile meiner Kraft werden sagen: «Es gibt keinen anderen Erlöser außer Dir.» Denn Du wirst mich erlösen aus der Hand der Kraft mit dem Löwenkopf, die mir meine Kraft genommen hat. Und Du rettest mich aus den Händen jener, die mir meine Kraft und mein Licht genommen haben. Denn sie haben sich gegen mich erhoben, während sie mich belogen und sagten, dass ich das Mysterium des Lichtes in der Höhe, an das ich geglaubt habe, kennen würde. Und sie haben mich gezwungen und sprachen: «Nenne uns das Mysterium des Lichtes, das in der Höhe ist», das ich nicht kenne. Weil ich an das Licht in der Höhe glaube, haben sie mir all das Böse angetan und haben meiner Kraft alles Licht genommen. Aber als sie mich zwangen, saß ich in der Finsternis, während meine Seele unter Kummer gebeugt ging. 47

O Licht, das ich um Deiner selbst willen preise, rette mich. Ich weiß, dass Du mich retten wirst, weil ich Deinen Willen vollbracht habe, seit ich in meinem Äon war. Ich vollbrachte Deinen Willen wie die Unsichtbaren, die sich in meinem Gebiet befanden, und wie mein mit mir Verbundener. Unverwandt nach Deinem Licht ausschauend, trauerte ich und sehnte mich nach Deinem Licht. Dann wurde ich jedoch umringt von allen Schöpfungen des Authades, die über mich frohlockten und mich in Bedrängnis brachten, ohne dass ich sie kannte. Dann sind sie geflohen und haben mich verlassen. Und sie hatten kein Mitleid mit mir. Doch sie haben sich erneut gegen mich gewandt und mich geprüft. Sie haben mich wieder in große Bedrängnis gebracht. Zähneknirschend wollten sie mein letztes Licht von mir nehmen. O Licht, wie lange noch wirst Du zulassen, dass sie mich in Bedrängnis bringen? Rette meine Kraft vor ihren bösen Absichten. Erlöse mich aus der Hand der Kraft mit dem Löwenkopf; denn unter den Unsichtbaren bin ich allein in diesem Gebiet. Dich will ich loben, o Licht, inmitten aller, die sich gegen mich versammelt haben. Zu Dir will ich rufen inmitten aller, die mich bedrängen. Nun aber, o Licht, lass nicht länger zu, dass sie über mich frohlocken, die mir meine Kraft nehmen wollen, die mich hassen und deren Augen gegen mich Feuer sprühen, obwohl ich ihnen nichts getan habe. Als sie mich nach den Mysterien des Lichtes fragten, die ich nicht kenne, schmeichelten sie mir mit süßen Worten. Sie sprachen arglistig gegen mich und zürnten mir, weil ich an das Licht in der Höhe geglaubt habe. Sie rissen ihr Maul weit gegen mich auf und riefen: «Wir werden ihr Licht rauben.» O Licht, nun hast Du ihre Arglist erkannt. Dulde sie nicht länger und lass mir Deine Hilfe nicht fern bleiben. Richte mich, o Licht, und räche mich. Richte mich nach dem Maß Deiner Barmherzigkeit, o Licht der Lichter, lass sie mir nicht mein Licht nehmen. Lass sie nicht zu sich selbst sagen: «Unsere Kraft hat sich an ihrem Licht gesättigt.» Lass sie nicht sagen: «Wir haben ihre Kraft verschlungen.» Möge vielmehr Finsternis auf sie fallen, und mögen jene, die mein Licht rauben wollten, machtlos werden. Und mögen jene, die sagen: «Wir wollen ihr Licht und ihre Kraft rauben» mit Chaos und Finsternis bekleidet werden. Rette mich dann, damit ich mich freue: denn mein Verlangen ist auf den dreizehnten Äon gerichtet, den Ort der Gerechtigkeit. Und ich will an allen Tagen sprechen: Das Licht Deines Engels Jeû möge mit großer Herrlichkeit erstrahlen. Meine Zunge wird Dich während meiner ganzen Zeit im dreizehnten Äon in Deiner Gnosis loben.« 51 Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Wer unter euch klaren Geistes ist, möge die Bedeutung dieser Worte erklären.« Da trat Jakobus vor, küsste die Brust Jesu und sprach: »Herr, Dein Geist hat mich erleuchtet, und ich bin bereit, die Bedeutung zu erklären. Denn diesbezüglich hat Deine Kraft einst durch David im 35. Psalm prophezeit, als er, vergleichbar mit dem neunten Reuegesang der Pistis Sophia, sagte: 48

Streite, o Herr, gegen jene, die gegen mich streiten. Bekämpfe, die mich bekämpfen. Ergreife Waffen und Schild! Zu meiner Hilfe erhebe Dich! Ziehe das Schwert gegen meine Verfolger. Sage zu meiner Seele: Ich bin Deine Erlösung. Sollen schamrot und zuschanden werden, die nach meiner Seele suchen. Mögen beschämt zurückweichen, die Unheil gegen mich ersinnen. Lass sie wie Spreu vor dem Wind werden und der Engel des Herrn sie verfolgen. Ihr Weg sei finster und schlüpfrig. Und der Engel des Herrn stoße sie nieder. Denn grundlos haben sie mir heimlich eine Schlinge gelegt, die zu ihrem eigenen Verderben sein wird. Und grundlos haben sie meine Seele verleumdet. Möge das Verderben, das sie nicht kennen, über sie kommen, und das Netz, das sie mir heimlich stellten, sie selbst fangen. Meine Seele aber wird jubeln in dem Herrn und jauchzen über ihre Erlösung. All mein Gebein wird sagen: Herr, wer ist Dir gleich? Du rettest den Unterdrückten aus der Hand des Stärkeren, den Elenden und Bedürftigen aus der Hand dessen, der ihn beraubt. Falsche Zeugen sind aufgestanden; sie erfragten von mir, was ich nicht weiß. Sie vergalten mir das Gute mit dem Bösen und beraubten meine Seele. Ich kleidete mich in Sackleinen, als sie mich angriffen. Ich demütigte meine Seele mit Fasten. Und mein Gebet kehrte sich in meine Brust zurück. Als gelte es einem Nachbarn oder Bruder, so war ich ihnen gesinnt. Und ich demütigte mich wie einer, der trauert und den Kummer traf. Sie haben über mich frohlockt und sind zuschanden geworden. Streitlustig versammelten sie sich gegen mich, ohne dass ich es wusste. Sie wurden getrennt, aber in Aufregung gebracht. Sie haben mich verführt, mich zähneknirschend verspottet mit ihren Gehässigkeiten. Herr, wann wirst Du auf mich niederblicken? Erlöse doch meine Seele von ihren Bosheiten; rette meine einsame Seele vor dem Löwen. Dich will ich, o Herr, in Deiner großen Ekklesia loben, und mitten in einer Schar Unzähliger will ich Dich preisen. Dulde nicht, dass jene, die ohne Grund meine Feinde sind, über mich frohlocken, und jene, die mich grundlos hassen, mit den Augen zwinkern. Denn sie sprechen zu mir mit friedlichen Worten, aber in Wirklichkeit planen sie listige Bosheiten. Sie reißen ihr Maul weit auf wider mich und sprechen: «Ha, wir haben es mit eigenen Augen gesehen.» Du hast es gesehen, o Herr, schweige nicht. O Herr, bleibe nicht ferne von mir. Erwache, o Herr, und wache über mein Recht und meine Rache, mein Gott und Herr. Richte mich, o Herr, nach dem Maß Deiner Gerechtigkeit. Dulde nicht, dass sie über mich frohlocken, mein Gott. Lass sie nicht in ihrem Herzen sprechen: «Ha! Unser Verlangen.» Lass sie nicht sagen: «Wir haben sie verschlungen.» Lass sie, die sich über mein Unglück freuen, beschämt und zuschanden werden. Lass jene, die gegen mich prahlen, mit Schande und Schmach bedeckt werden. Lass jene, die meine Rechtfertigung begehren, jubeln und sich freuen. Und lass jene, die Frieden wünschen für den Dienstknecht des Herrn, aussprechen: «Groß und erhaben sei der Herr!» 49

Dann wird meine Zunge Deine Gerechtigkeit und Dein Lob verkünden den ganzen Tag.« 52 Als Jakobus das gesagt hatte, sprach Jesus: »Gut gesprochen, Jakobus. Das ist die Bedeutung des neunten Reuegesanges der Pistis Sophia. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet als Erste in das Königreich der Himmel eintreten, vor allen Unsichtbaren, Göttern und Archonten, die sich im dreizehnten Äon und im zwölften Äon aufhalten. Jedoch nicht ihr allein, sondern jeder, der meine Mysterien vollbringt.« Als Er das gesagt hatte, fügte Er hinzu: »Versteht ihr, was ich zu euch sage?« Erneut sprang Maria auf und sprach: »Ja, Herr, Du hast einst zu uns gesagt: »Die Letzten werden die Ersten sein, und die Ersten werden die Letzten sein!‘ Die Ersten nun, die vor uns erschaffen wurden, sind die Unsichtbaren, da sie ja vor den Menschen entstanden sind, sie und die Götter und die Archonten. Und die Menschen, welche die Mysterien empfangen werden, werden die Ersten sein im Königreich der Himmel.« Jesus sprach zu ihr: »Sehr richtig, Maria.« Er fuhr in seiner Rede fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia den neunten Reuegesang ausgesprochen hatte, wurde sie erneut von der Kraft mit dem Löwenkopf bedrängt, die versuchte, ihr alle Kräfte zu nehmen.« Sie rief wiederum zum Licht: »O Licht, an das ich von Anfang an geglaubt habe, um Deinetwillen habe ich die großen Schmerzen ertragen, rette mich.« In jener Stunde wurde ihre Reue angenommen. Das Erste Mysterium erhörte sie, und auf seinen Befehl wurde ich ausgesandt, um ihr zu helfen. Ich hob sie aus dem Chaos, weil sie Reue empfunden hatte und weil sie an das Licht geglaubt und große Leiden und Gefahren erduldet hatte. Sie war von der Gottheit Authades in die Irre geleitet worden. Sie war durch nichts anderes verführt worden als durch eine Lichtkraft, die Ähnlichkeit mit dem Licht vortäuschte, an das sie geglaubt hatte. Darum wurde ich auf Befehl des Ersten Mysteriums zu ihr gesandt, um ihr im Verborgenen zu helfen. Ich war jedoch noch nicht zum Gebiet der Äonen gegangen, sondern war nur von ihrer Mitte ausgegangen, ohne dass es auch nur irgendeine der Kräfte wusste, weder die vom Innersten des Innersten, noch die vom Äußersten des Äußersten, ausgenommen das Erste Mysterium. »Als ich im Chaos angelangt war, um ihr zu helfen, da sah sie mich. Sie bemerkte, dass ich Verständnis für sie hatte, hell strahlte und für sie von Barmherzigkeit erfüllt war. Denn ich war nicht grob gegen sie wie die Kraft mit dem Löwenkopf, die der Pistis Sophia die Lichtkraft geraubt und sie bedrängt hatte, um ihr alles innerliche Licht zu nehmen.

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Der zehnte Reuegesang: das Lied der Gebetserhörung Die Sophia sah nun an mir, dass ich zehntausendmal heller leuchtete als die Kraft mit dem Löwenkopf und dass ich ihr große Barmherzigkeit erwies. Sie erkannte, dass ich aus der höchsten Höhe kam, an deren Licht sie von Anfang an geglaubt hatte. Daher schöpfte die Pistis Sophia Mut und sprach ihren zehnten Reuegesang aus. In meiner Not und Bedrängnis rief ich zu Dir, o Licht der Lichter, und Du erhörtest mich. O Licht, rette meine Kraft vor ungerechten und sündigen Lippen und vor arglistigen Fallstricken. Das Licht, das mir durch listige Nachstellung geraubt wurde, wird nicht zu Dir gebracht. Denn die Fallstricke des Authades und die Netze der Unbarmherzigen sind ausgebreitet. Wehe mir, dass meine eigene Wohnstätte weit entfernt liegt und ich mich in den Wohnstätten des Chaos befinde. Meine Kraft liegt in Gebieten, die nicht die meinen sind. Ich flehte die Unbarmherzigen um Gnade an, doch während ich flehte, fuhren sie fort, grundlos gegen mich zu streiten.« 53 Als Jesus so zu seinen Jüngern gesprochen hatte, sagte Er zu ihnen: »Jetzt möge der vortreten, den sein Geist dazu drängt, und die Erklärung des zehnten Reuegesanges der Pistis Sophia aussprechen.« Petrus antwortete und sprach: »O Herr, diesbezüglich hat Deine Lichtkraft einst durch David im 120. Psalm prophezeit, indem sie sprach: In der Not schrie ich zu Dir, o Herr, und Du erhörtest mich. Herr, rette meine Seele vor Lügenlippen und falschen Zungen. Was wird man dir geben, oder was soll man dir zufügen, du trügerische Zunge? Geschärfte Pfeile eines Helden, samt glühender Kohle aus der Wüste. Wehe mir, dass mein Wohnort fern war und ich in den Zelten von Kedar wohnte. Meine Seele war an vielen Orten ein Fremdling. Ich bin im Frieden mit denen, die den Frieden hassen. Aber wenn ich mit ihnen spreche, sind sie grundlos auf Streit aus. Dieses, Herr, ist die Bedeutung des zehnten Reuegesanges der Pistis Sophia, den sie aussprach, als die stofflichen Schöpfungen des Authades und die Kraft mit dem Löwenkopf sie bedrängten.« Jesus antwortete ihm: »Gut gesprochen, Petrus. Das ist die Bedeutung des zehnten Reuegesanges der Pistis Sophia.«

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Der elfte Reuegesang: das Lied der Glaubensprüfung 54 Jesus fuhr wiederum in seiner Ansprache fort und sagte zu seinen Jüngern: »Als die Macht mit dem Löwenkopf mich sah, wie ich in großem Glanz herabkam, um der Pistis Sophia zu helfen, ergrimmte sie noch mehr und brachte aus sich selbst eine Menge gewaltiger Geschöpfe hervor. Hierauf sprach die Pistis Sophia ihren elften Reuegesang: Warum hat diese mächtige Kraft wiederum an Bosheit zugenommen? Durch betrügerische Streiche hat sie mir fortwährend mein Licht genommen. Wie mit einem scharfen Schwert raubte sie mir meine Kraft. Ich begehrte zum Chaos hinabzusteigen, anstatt im Gebiet des dreizehnten Äons, dem Gebiet der Gerechtigkeit, zu bleiben. Sie versuchten, mich durch List irrezuführen, um all mein Licht zu verschlingen. Darum wird das Licht ihnen ihr Licht wegnehmen. Auch wird all ihre Materie vernichtet werden. Ja, das Licht wird ihr Licht holen und sie nicht länger im dreizehnten Äon, ihrer Wohnstätte, dulden. Und ihr Name wird nicht mehr im Gebiet der Lebenden gefunden. Die vierundzwanzig Schöpfungen werden sehen, was dir, o Kraft mit dem Löwenkopf, geschehen ist. Sie werden sich fürchten und nicht ungehorsam sein, sondern das Gereinigte ihres Lichtes abgeben. Sie werden dich sehen und sich darüber freuen und sprechen: Siehe, eine der Schöpfungen, die das Gereinigte ihres Lichtes nicht abgegeben haben, damit sie gerettet würden, sondern sich der Größe ihres Lichtes und ihrer Kraft rühmten, die sie nicht aus ihrer eigenen inneren Kraft hervorgebracht, sondern gesagt hatten: «Ich will das Licht der Pistis Sophia nehmen, das ihr geraubt wurde.» Jetzt soll der vortreten, dessen Kraft imstande ist, die Erklärung des elften Reuegesanges der Pistis Sophia zu geben.« Da trat Salome vor und sprach: »Herr, diesbezüglich hat Deine Lichtkraft einst durch David im 52. Psalm gesagt: Was rühmst du dich des Bösen, o Gewaltiger? Deine Zunge plant den ganzen Tag Verderben. Wie mit einem scharf geschliffenen Schermesser übt sie Betrug. Du liebst das Böse mehr als das Gute; Ungerechtigkeit stellst du über die Wahrheit. Dir liegt an verderblicher Rede und betrügerischer Zunge. Darum wird Gott dich völlig vernichten. Er wird dich ausreißen und dich aus deinem Zelt schleppen. Er wird dich entwurzeln aus dem Land der Lebenden. Die Gerechten werden es sehen, sich fürchten und, darüber lachend, werden sie sagen: «Siehe ein Mann, der seine Zuflucht nicht zu Gott nahm, sondern auf seinen großen Reichtum vertraute und sich in seinem Wahn für stark hielt.» Doch ich bin wie ein blühender Ölbaum im Tempel. Auf Gottes Gnade vertraue ich in alle Ewigkeit. 52

Ich will Dich loben, weil Du an mir wohl gehandelt hast. Die Barmherzigkeit Deines Namens werde ich verkünden in Gegenwart Deiner Heiligen. Dieses, Herr, ist die Bedeutung des elften Reuegesanges der Pistis Sophia. Da Deine Lichtkraft mich dazu bewogen hat, konnte ich sie Deinem Wunsch gemäß aussprechen.« Als Jesus die Worte Salomes gehört hatte, sprach Er: »Sehr richtig, Salome. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich werde euch an allen Mysterien des Königreiches des Lichtes teilhaben lassen.«

Der zwölfte Reuegesang: das Lied der großen Prüfung 55 Jesus fuhr fort und sprach zu seinen Jüngern: »Danach näherte ich mich in großem Glanz dem Chaos, um das Licht jener Kraft mit dem Löwenkopf zu nehmen. Da ich überaus strahlte, fürchtete sie sich und schrie zu ihrem Gott Authades, damit er ihr helfe. Sogleich blickte der Gott Authades aus dem dreizehnten Äon auf das Chaos herab. Er war sehr zornig und wollte seiner Kraft mit dem Löwenkopf beistehen. Die Kraft mit dem Löwenkopf und all ihre Schöpfungen umringten die Pistis Sophia, um ihr all das innere Licht wegzunehmen. Als sie die Sophia so bedrängten, rief sie zu mir in die Höhe um Hilfe. Als sie emporblickte, sah sie den sehr zornigen Authades, wodurch sie sich fürchtete und den zwölften Reuegesang wegen Authades und seiner Schöpfungen aussprach. Sie rief mich an und sprach: O Licht, vergiss nicht meinen Lobgesang. Denn Authades und seine Kraft mit dem Löwenkopf haben wiederum ihre Mäuler gegen mich aufgesperrt und mich hinterlistig behandelt. Sie haben mich umringt, um mir meine Kraft zu rauben. Und sie hassen mich, weil ich Dich lobe. Anstatt mich zu lieben, verleumden sie mich. Ich aber lobe Dich. Sie fassten den Plan, meine Kraft zu rauben, weil ich Dich, o Licht, gepriesen habe. Und sie hassen mich, weil ich Dich liebe. Möge die Finsternis über den Authades kommen, und mögen die Archonten der äußersten Finsternis ihm zur Rechten weilen. Nimm am Tag Deines Gerichts seine Kraft hinweg. Und nimm ihm auch das, was er plant, um mein Licht von mir zu nehmen. Möge all seine Lichtkraft schwinden. Und möge ein anderer der Dreimalgewaltigen seine Herrschaft empfangen. Mögen alle Kräfte seiner Schöpfungen finster werden. Und möge seine Materie ohne irgendein Licht existieren. Mögen seine Schöpfungen ans Chaos gebunden bleiben und daran gehindert werden, zu ihrem Gebiet zurückzukehren. Möge ihr innerliches Licht schwinden. Und erlaube ihnen nicht, zum dreizehnten Äon, ihrem Gebiet, zu gehen. 53

Möge der Paralemptor, der Reiniger des Lichtes der Lichtes, alles Licht, das sich in Authades befindet, reinigen und von ihm nehmen. Mögen die Archonten der äußersten Finsternis über seine Schöpfungen herrschen. Lass nicht zu, dass jemand ihn in einem anderen Gebiet aufnimmt. Und lass niemand der Kraft seiner Schöpfungen im Chaos gehorchen. Möge das Licht in seinen Schöpfungen weggenommen und ihre Namen aus dem dreizehnten Äon ausgelöscht werden. Ja, besser noch, möge sein Name für immer aus jenem Gebiet hinweggenommen werden. Möge die Kraft mit dem Löwenkopf mit der Sünde dessen beladen werden, der sie in Gegenwart des Lichtes erschaffen hat. Und möge die große Schuld der Materie, die ihn, den Authades, hervorgebracht hat, nicht ausgelöscht werden. Mögen ihre Sünden vor dem Angesicht des ewigen Lichtes bleiben. Möge es ihnen nicht gestattet sein, aus dem Chaos herauszublicken, und mögen ihre Namen aus allen Gebieten entfernt werden. Denn sie haben mich nicht geschont, sondern mich bedrängt und mein Licht und meine Kraft genommen. Schließlich haben sie mich hierher versetzt, um endlich mein ganzes Licht von mir zu nehmen. Sie begehrten, ins Chaos hinabzusteigen. So mögen sie dort bleiben und von jetzt ab nicht mehr hinausgeführt werden. Das Gebiet der Gerechtigkeit wollten sie nicht zur Wohnstätte, und so sollen sie von jetzt an nicht darin aufgenommen werden. Er hüllte sich in Finsternis wie in einen Mantel. Und die Finsternis durchdrang seinen Leib wie Wasser und floss in seine Kräfte ein wie Öl. »So lass ihn nun ewig das Chaos anziehen wie einen Mantel. Und möge er sich fortan mit der Finsternis umgürten wie mit einem ledernen Riemen. Möge das allen geschehen, die all dieses des Lichtes wegen über mich gebracht und gesagt haben: «Lasst uns ihre ganze Kraft wegnehmen.» Du aber, o Licht, erbarme Dich meiner um des Mysteriums Deines Namens willen und erlöse mich nach Deiner Güte und Gnade. Denn sie haben mich meines Lichtes und meiner Kraft beraubt. Meine innere Kraft wurde erschüttert, und ich konnte mich in ihrer Mitte nicht aufrecht halten. Ich bin zum versündigten Stoff geworden. Ich werde hierhin und dorthin geschleudert wie ein böser Geist in der Luft. Meine Kraft ist gewichen, weil ich des Heilsgeheimnisses nicht mächtig war. Und meine Materie ist verschwunden, weil sie mein Licht weggenommen haben. Sie verspotteten mich, zwinkernd schauten sie auf mich herab. Hilf mir nach Deiner Barmherzigkeit. Wohlan, wessen Geist bereit ist, der trete vor und sage die Erklärung des zwölften Reuegesanges der Pistis Sophia.« 56 Andreas trat vor und sprach: »Mein Herr und Erlöser, vergleichbar mit diesem Reuegesang, welchen die Pistis Sophia verkündete, hat Deine Lichtkraft einst durch David im 109. Psalm prophezeit: O Gott, zu dem mein Loblied aufsteigt, schweige nicht, denn der Mund der Bos54

heit und des Betruges öffnete sich wider mich. Mit Lügenzungen redeten sie gegen mich. Mit Worten des Hasses haben sie mich umringt, und sie bekämpften mich grundlos. Statt mir Liebe zu zeigen, verleumdeten sie mich. Ich aber habe gebetet. Sie haben mich mit Bösem statt mit Gutem beladen und statt mit Liebe mit Hass. Stelle einen Sünder über sie als Richter, und der Teufel stehe zu ihrer Rechten. Vor Gericht gebracht werde er schuldig befunden, und sein Gebet gelte als Sünde. Mögen seine Tage verkürzt werden und ein anderer sein Amt empfangen. Seine Kinder mögen zu Waisen werden und sein Weib zur Witwe. Mögen seine Kinder vertrieben werden und betteln, mögen sie verjagt werden aus ihren verwüsteten Häusern. Der Gläubiger nehme seine Habe an sich und Fremde mögen plündern, was er mit Mühe erwarb. Da sei keiner, der ihm beisteht und sich seiner Waisen erbarmt. Mögen seine Nachkommen ausgerottet und der Name seines Geschlechts in einer Generation ausgelöscht werden. Die Ungerechtigkeit seiner Väter bleibe dem Herrn im Gedächtnis, und die Sünde seiner Mutter werde nicht ausgelöscht. Möge der Herr sie beständig vor Augen haben und die Erinnerung an ihn auf Erden getilgt werden, weil er nicht daran dachte, Liebe zu zeigen, sondern den Bedrängten, Notleidenden und Elenden bis zum Tod verfolgt hat. Er liebte den Fluch – und er komme über ihn! Den Segen wollte er nicht – er bleibe ihm fern. Er zog den Fluch an wie ein Gewand, und er dringe wie Wasser in sein Innerstes vor, wie Öl in seine Knochen. Sei er ihm also wie ein Kleid, in das er sich hüllt, und wie ein Gürtel, den er immer tragen muss. Das möge der Lohn sein für alle, die mich verleumdeten vor dem Herrn und meiner Seele Unrecht taten. Du aber, Herr, sei mir gnädig, um Deines Namens willen rette mich. Denn ich bin arm und elend, und mein Herz krampft sich in meinem Innersten zusammen. Wie ein sich neigender Schatten gehe ich dahin. Wie eine Heuschrecke werde ich abgeschüttelt. Meine Knie wanken vom Fasten; mein Leib ist ausgezehrt und abgemagert. Dadurch bin ich ihnen zum Gespött geworden; wenn sie mich sehen, schütteln sie den Kopf. Hilf mir, o Herr, mein Gott, und erlöse mich nach Deiner Gnade. Mögen sie erkennen, dass es Deine Hand ist, und dass Du, o Herr, sie selbst geschaffen hast. Das ist nun die Bedeutung des zwölften Reuegesanges, den die Pistis Sophia aussprach, als sie sich im Chaos befand.«

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Der dreizehnte Reuegesang der Pistis Sophia: das Lied der Überwindung 57 Jesus setzte seine Rede fort und sprach zu seinen Jüngern: »Danach rief die Pistis Sophia mich erneut an und sprach: O Licht der Lichter, ich habe gesündigt gegen die zwölf Äonen, und ich bin aus ihnen hinabgestiegen. Deswegen habe ich die zwölf Reuegesänge – für jeden Äon einen – ausgesprochen. Wolle nun, o Licht der Lichter, meine Sünde vergeben; denn sie ist sehr groß, weil ich die Gebiete der Höhe verlassen und in den Gebieten des Chaos meine Wohnstätte gewählt habe. Als die Pistis Sophia das gesagt hatte, fuhr sie fort mit ihrem dreizehnten Reuegesang: Erhöre mich, da ich Dir ein Loblied singe, o Licht der Lichter. Höre mich an, da ich den Reuegesang des dreizehnten Äons ausspreche, des Gebietes, aus dem ich hinabgegangen bin, damit der dreizehnte Reuegesang des dreizehnten Äons, den ich verlassen habe und aus dem ich hinabgegangen bin, vollendet werde. Darum, o Licht der Lichter, höre mich an, da ich nun Dein Lob im. dreizehnten Äon singe, dem Gebiet, aus dem ich fortgegangen bin. Rette mich, o Licht, in Deinem großen Mysterium und vergib meine Sünde nach Deiner großen Duldsamkeit. Taufe mich, vergib meine Sünden und reinige mich von meinen Übertretungen. Meine Übertretung ist die Kraft mit dem Löwenkopf, die niemals vor Dir verborgen bleiben wird; denn ihretwegen bin ich hinabgegangen. Unter den Unsichtbaren, in deren Gebiet ich mich befand, habe ich allein gesündigt und bin allein in das Chaos hinabgestiegen. Vor Dir habe ich gesündigt, damit Dein Gesetz erfüllt werde. So sprach die Pistis Sophia. Jetzt möge der, den sein Geist dazu treibt, ihre Worte zu verstehen, vortreten und ihren Gedanken erklären.« Martha trat nach vorn und sprach: »Herr, mein Geist drängt mich, die Bedeutung des Reuegesanges, den die Pistis Sophia gesprochen hat, zu erklären. Im Vergleich dazu hat einst Deine Kraft durch David im 51. Psalm prophezeit: Sei mir gnädig, o Gott, nach Deiner Gnade. Lösche meine Sünde aus in Deiner großen Barmherzigkeit. Wasche mich rein von meiner Ungerechtigkeit. Denn meine Sünde steht mir immer vor dem Geist. Damit Du gerechtfertigt werdest in Deinem Urteil und unüberwindlich in Deinem Gericht. Das nun ist die Bedeutung der Worte, welche die Pistis Sophia gesprochen hat.« Jesus sprach zu ihr: »Sehr richtig, Martha, Du Gesegnete.« 58 Jesus setzte seine Ansprache fort und sagte zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia diese Worte gesagt hatte, war die Zeit erfüllt, um sie aus dem Chaos emporzuziehen. Aus mir selbst, ohne das Erste Mysterium, sandte ich eine Lichtkraft aus 56

und richtete sie auf das Chaos, damit sie die Pistis Sophia aus den tiefsten Gebieten des Chaos emporhebe und zu den höheren Gebieten des Chaos hinaufführe, um dort den Befehl des Ersten Mysteriums abzuwarten und sie dann vollends aus dem Chaos zu befreien. Und meine Lichtkraft führte die Pistis Sophia hinauf zu den höchsten Gebieten des Chaos.

Das erste Loblied der Pistis Sophia Als die Schöpfungen des Authades bemerkten, dass die Pistis Sophia zu den höheren Gebieten des Chaos emporgehoben war, verfolgten sie sie auch nach oben, weil sie sie wieder zu den untersten Gebieten des Chaos bringen wollten. Und meine Lichtkraft, die ich gesandt hatte, um die Pistis Sophia aus dem Chaos zu führen, strahlte außergewöhnlich. Als nun die Schöpfungen des Authades die Sophia verfolgten, weil sie zu den höheren Gebieten des Chaos geführt worden war, da sang sie erneut mein Lob, rief mich an und sprach: Ich will Dich loben, o Licht, denn ich sehnte mich danach, zu Dir zu gelangen. Ich will Dich preisen, o Licht, denn Du bist mein Erlöser. Lass mich nicht allein im Chaos, sondern rette mich, o Licht der Höhe, denn Du bist es, das ich gepriesen habe. Aus Dir selbst hast Du mir Dein Licht gesandt und hast mich gerettet. Du hast mich zu den höchsten Gebieten des Chaos emporgehoben. Mögen die Schöpfungen des Authades, die mich verfolgen, wieder in die untersten Gebiete des Chaos hinabsinken. Lass sie nicht zu den höheren Gebieten kommen, damit sie mich nicht sehen. Möge große Finsternis sie bedecken und tiefe Nacht über sie kommen. Lass nicht zu, dass sie mich sehen im Licht Deiner Kraft, die Du mir zur Rettung gesandt hast, damit sie nicht erneut Macht über mich erhalten. Lass ihren Plan, mir meine Kraft zu rauben, nicht gelingen. Und so sie sich verabredet haben, um mir mein Licht zu nehmen, so nimm das ihre. Sie haben versucht, mir all mein Licht wegzunehmen, aber dazu waren sie nicht imstande, weil Deine Lichtkraft bei mir war. Da sie ohne Dein Gebot beratschlagt haben, o Licht, konnten sie mir mein Licht nicht nehmen. Weil ich an Dein Licht geglaubt habe, werde ich mich nicht ängstigen. Das Licht ist mein Erlöser, und ich werde mich nicht fürchten. Jetzt möge der, dessen Kraft sich erhoben hat, die Bedeutung dieser Worte der Pistis Sophia erklären.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, trat Salome vor und sprach: »Herr, meine Kraft drängt mich, die Bedeutung der Worte der Pistis Sophia auszusprechen. Deine Kraft hat einst durch Salomo prophezeit mit den Worten: Der fünften Ode Salomos entnommen. Ich will Dir danken, o Herr, denn Du bist mein Gott. Verlass mich nicht, o Herr, denn Du bist meine Hoffnung. 57

Du hast mir Dein Reich umsonst gegeben, und durch Deine Hand bin ich gerettet. Lass meine Verfolger zur Erde stürzen und lass sie mich nicht sehen. Möge eine Rauchwolke ihre Augen bedecken und ein Nebel ihren Blick verdunkeln. Lass nicht das Tageslicht über ihnen aufgehen, damit sie mich nicht ergreifen. Mögen ihre Beschlüsse kraftlos werden, und was sie aushecken, möge über sie selbst kommen. Sie haben Pläne ersonnen, doch es hat ihnen keinen Nutzen gebracht. Trotz ihrer Macht sind sie besiegt. Und was sie arglistig planten, ist über ihr eigenes Haupt gekommen. Meine Hoffnung liegt im Herrn, und ich werde mich nicht fürchten, denn Du bist mein Gott, mein Erlöser.« Als Salome mit diesen Worten geendet hatte, sprach Jesus zu ihr: »Sehr gut, Salome, das ist die Bedeutung der Worte der Pistis Sophia.« 59 Jesus sprach weiter zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia diese Worte im Chaos ausgesprochen hatte, ließ ich die Lichtkraft, die ich ihr zur Rettung gesandt hatte, zu einem Lichtkranz auf ihrem Haupt werden, damit die Schöpfungen des Authades sie fortan nicht mehr überwältigen könnten. Als sie zum Lichtkranz auf ihrem Haupt geworden war, wurden alle unheiligen Stoffe in ihr in Bewegung gebracht und gereinigt. Sie wurden vernichtet und im Chaos gelassen, während die Schöpfungen des Authades es sahen und sich darüber freuten. Und das Gereinigte des strahlenden innerlichen Lichtes der Sophia verstärkte das Licht meiner Lichtkraft, die zu einem Kranz auf ihrem Haupt geworden war.

Das zweite Loblied der Pistis Sophia Als das reine Licht der Pistis Sophia sie umhüllte, wich ihr reines Licht nicht aus dem Kranz der Kraft der Lichtflammen, weil die Schöpfungen des Authades sie nicht mehr rauben konnten. Danach begann die reine Lichtkraft in der Sophia ein Loblied zu singen. Sie huldigte meiner Lichtkraft, die ihr zu einer Krone auf ihrem Haupt geworden war. Und sie sagte: Das Licht ist zu einem Kranz auf meinem Haupt geworden, und ich werde mich nicht mehr von ihm trennen, damit die Schöpfungen des Authades es mir nicht rauben. Sogar wenn alle Materie in Bewegung gerät, werde ich unbewegt bleiben. Und wenn all meine Materie zugrunde geht und im Chaos zurückbleibt, nämlich die Materie, die von den Schöpfungen des Authades gesehen wird, werde ich selbst nicht zugrundegehen. Denn das Licht ist mit mir, und ich bin mit dem Licht. So sprach die Pistis Sophia. Wer von euch den Sinn dieser Worte versteht, der trete vor und gebe ihre Erklärung.« Da trat Maria, die Mutter Jesu, vor und sprach: »Mein Sohn dieser Welt nach, mein 58

Gott und Erlöser der Höhe nach, gebiete mir, die Erklärung der Worte, welche die Pistis Sophia gesprochen hat, zu sagen.« Jesus antwortete ihr und sprach: »Du selbst, Maria, bist es, welche die Gestalt, die aus der Barbelo war, dem Stoff nach empfangen hat. Ebenso hast du die Ähnlichkeit der Lichtjungfrau dem Licht nach empfangen, du und ebenso Maria, die Begnadete. Und euretwegen ist die Finsternis entstanden. Der stoffliche Körper, in dem ich mich dann befand, den ich gereinigt und geläutert habe, ist aus dir hervorgekommen. Ich gebiete dir, die Erklärung der Worte der Pistis Sophia zu verkünden.« Maria, die Mutter Jesu, antwortete: »Herr, vergleichbar diesen Worten hat einst Deine Lichtkraft durch Salomo in der 19. Ode Lies: »in der ersten Ode«. In dem Manuskript, das der Autor der Pistis Sophia vor sich hatte, gingen den Oden Salomos die achtzehn Psalmen Salomos voran. Die Oden wurden dann weiter durchnummeriert. prophezeit: Der Herr ist auf meinem Haupt wie ein Kranz. Ich werde nicht von Ihm weichen. Der Kranz der Wahrheit ward mir geflochten, und er hat Deine Zweige in mir aufsprießen lassen. Denn er gleicht nicht einem verdorrten Kranz, der nicht mehr aufsprießt, sondern Du bist voller Leben auf meinem Haupt, und Du bist auf mir entsprossen. Deine Früchte sind reif und voll und erfüllt von Deinem Heil.« Als Jesus seine Mutter Maria diese Worte sagen hörte, sprach Er zu ihr: »Du hast sehr gut gesprochen. Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, man wird dich selig preisen von einem Ende der Erde bis zum anderen, denn das Unterpfand des Ersten Mysteriums ist dir anvertraut. Dieses Unterpfand wird alle, die auf der Erde und in der Höhe sind, erlösen. Es ist der Beginn und das Ende.« 60 Jesus setzte seine Ansprache fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia den dreizehnten Reuegesang ausgesprochen hatte, war das Gebot aller Heimsuchungen, die der Pistis Sophia bestimmt waren, in diesem Augenblick vollendet. Denn es stimmte überein mit dem Willen des Ersten Mysteriums, das von Beginn an besteht. Und es war die Zeit gekommen, um sie aus dem Chaos zu erlösen und sie aus aller Finsternis hinauszuführen. Denn ihre Reue war vom Ersten Mysterium angenommen worden. Dieses Mysterium sandte mir eine große Lichtkraft aus der Höhe, damit ich der Pistis Sophia helfen und sie aus dem Chaos emporführen sollte. Ich blickte daher zu den Äonen in die Höhe und sah die Lichtkraft, die das Erste Mysterium mir gesandt hatte, um die Pistis Sophia aus dem Chaos zu erretten. Als ich die Lichtkraft aus den Äonen herauskommen und auf mich herabeilen sah – ich selbst befand mich über dem Chaos – da kam aus mir selbst eine andere Lichtkraft hervor, damit auch sie der Pistis Sophia helfe. Die Lichtkraft, die durch das Erste Mysterium aus der Höhe gekommen war, strömte herab auf die Lichtkraft, die von mir ausgegangen war. Sie begegneten einander und wurden zu einem großen Lichtstrom.« 59

Als Jesus dieses zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Versteht ihr, was ich zu euch sage?« Wiederum trat Maria eilig nach vorn und sprach: »Herr, ich verstehe, was Du sagst. Was die Erklärung dieser Worte betrifft, so hat Deine Lichtkraft einst durch David im 85. Psalm prophezeit: Gnade und Wahrheit sind einander begegnet. Gerechtigkeit und Friede küssten sich. Die Wahrheit entspross der Erde, die Gerechtigkeit blickte vom Himmel herab. Die Gnade ist also die Lichtkraft, die durch das Erste Mysterium herabgekommen ist; denn das Erste Mysterium hat die Pistis Sophia erhört und sich ihrer erbarmt in all ihrer Qual. Die Wahrheit dagegen ist die Kraft, die aus Dir hervorgekommen ist; denn Du hast die Wahrheit erfüllt, damit sie die Pistis Sophia aus dem Chaos erlöst. Weiter ist Gerechtigkeit die Kraft, die aus dem Ersten Mysterium hervorgekommen ist, um die Pistis Sophia zu begleiten. Ferner ist Friede die Kraft, die aus Dir hervorgekommen ist, damit sie in die Schöpfungen des Authades eindringen und von ihnen die Lichter nehmen konnte, die sie der Pistis Sophia geraubt haben, damit Du sie wieder in der Pistis Sophia konzentrieren und sie in Übereinstimmung mir ihrer Kraft bringen konntest. Wahrheit dagegen ist die Kraft, die aus Dir hervorkam, als Du Dich in den unteren Gebieten des Chaos aufhieltest. Darum hat Deine Lichtkraft einst durch David gesprochen: »Die Wahrheit entspross der Erde, weil Du Dich in den unteren Gebieten des Chaos befandest. Gerechtigkeit jedoch, die aus der Höhe herabblickte, ist die Kraft, die vom Ersten Mysterium aus der Höhe herabgekommen und in die Pistis Sophia eingedrungen ist.« 61 Als Jesus diese Worte gehört hatte, sprach Er: »Sehr richtig, Maria, du Begnadete, die du das ganze Lichtreich ererben wirst.« Darauf trat auch Maria, die Mutter Jesu, nach vorn und sprach: »Mein Herr und mein Erlöser, gebiete auch mir, dass ich dieses Wort auslege.« Jesus sprach: »Wessen Geist Einsicht erlangt hat, den will ich nicht hindern, sondern ich ermutige ihn, den ihn bewegenden Gedanken auszusprechen. Wohlan, Maria, meine Mutter dem Stoff nach, der ich anvertraut war, ich bitte auch dich, den Gedanken des gesprochenen Reuegesanges auszulegen.« Da antwortete Maria und sprach: »Herr, was dieses Wort betrifft, hat Deine Kraft durch David prophezeit: «Gnade und Wahrheit begegneten einander. Gerechtigkeit und Friede küssten sich. Wahrheit entspross der Erde, und Gerechtigkeit blickte vom Himmel herab!» So hat Deine Kraft mit diesem Wort einst über Dich selbst prophezeit. Als Du noch klein warst, und der Geist noch nicht über Dich gekommen war, kam, während Du Dich mit Joseph in einem Weingarten befandest, der Geist aus der Höhe und trat in mein Haus. Er glich Dir, und ich erkannte ihn nicht und dachte, dass Du es seist. 60

Und der Geist sprach zu mir: «Wo ist Jesus, mein Bruder, damit ich ihm begegne?» Als er mir das gesagt hatte, war ich verwirrt und glaubte, dass es ein Phantom sei, das mich prüfen wollte. Darum griff ich ihn und band ihn an den Pfosten des Bettes in meinem Haus, damit ich selbst zu Dir und Joseph aufs Feld gehen konnte; und ich fand euch auf dem Weinberg auf dem Joseph beschäftigt war. Als Du mich dieses alles Joseph erzählen hörtest und die Worte sogleich verstandest, da freutest Du Dich sehr und sagtest: «Wo ist er, damit ich ihn sehe, sonst erwarte ich ihn hier!» Als Joseph Dich diese Worte hatte sprechen hören, erschrak er, und wir gingen zusammen zurück, traten ins Haus und fanden den Geist ans Bett gebunden. Wir schauten Dich und ihn an und fanden, dass er Dir glich. Der ans Bett Gebundene wurde befreit, er umarmte und küsste Dich, und auch Du küsstest ihn. Und ihr wurdet zu Einem. Dieses ist nun das Wort und seine Erklärung: Gnade ist der Geist, der durch das Erste Mysterium aus der Höhe geoffenbart wurde. Denn dieses hat sich des Menschengeschlechtes erbarmt und seinen Geist gesandt, damit er die Sünden der ganzen Welt vergäbe und der Mensch die Mysterien empfange und das Lichtreich ererben würde. Wahrheit dagegen ist die Kraft, die mir anvertraut wurde. Als sie sich von der Barbelo gelöst hatte, ist sie zu Deinem stofflichen Körper geworden und hat über das Reich der Wahrheit gepredigt. Gerechtigkeit aber ist Dein Geist, der die Mysterien aus der Höhe gebracht hat, um sie dem Menschengeschlecht zu überbringen. Friede jedoch ist die Kraft, die in Deinem stofflichen Leib der Welt nach eingekehrt ist, die das Menschengeschlecht getauft hat, so dass der Mensch sich der Sünde entfremdet und mit Deinem Geist in Harmonie gebracht hat und mit den Schöpfungen des Lichtes in Frieden lebt; das bedeutet: «Gerechtigkeit und Friede küssten einander!» Es wird gesagt: «Die Wahrheit entspross der Erde». Dann ist die Wahrheit Dein stofflicher Körper, der aus mir hervorkam in Übereinstimmung mit der Menschenwelt, der vom Reich der Wahrheit gepredigt hat. Und wenn es heißt: «Gerechtigkeit blickte vom Himmel herab», dann ist Gerechtigkeit die Kraft, die aus der Höhe herabkam und dem Menschengeschlecht die Mysterien des Lichtes schenken wird, damit die Menschen gerecht und gut werden und das Lichtreich ererben.« Als Jesus diese Worte Seiner Mutter gehört hatte, sprach Er: »Sehr schön, Maria.« 62 Da trat die andere Maria vor und sagte: »Herr, ertrage mich und sei nicht ungehalten über mich. Doch seitdem Deine Mutter mit Dir über die Erklärung dieser Worte sprach, drängt mich meine Kraft vorzutreten um diese Worte ebenfalls zu erklären.« Jesus sprach zu ihr: »Ich bitte dich, ihre Erklärung zu sagen.« Maria sprach: »Mein Herr, Gnade und Wahrheit begegneten einander. Gnade nun ist der Geist, der über Dich gekommen ist, als Du von Johannes die Taufe empfangen hast. Gnade ist Gottes Geist, der über Dich gekommen ist, Er hat sich des 61

Menschengeschlechtes erbarmt, kam herab und ist der Kraft Sabaoths, des Guten, begegnet, die in Dir ist und über die Gebiete der Wahrheit gepredigt hat. Weiter wird gesagt: «Gerechtigkeit und Friede küssten einander.» Gerechtigkeit ist der Geist des Lichtes, der über Dich gekommen ist und die Mysterien der Höhe gebracht hat, um sie dem Menschengeschlecht zu geben. Friede dagegen bezieht sich auf die Kraft Sabaoths, des Guten, die in Dir ist, jene Kraft, die getauft und dem Menschengeschlecht vergeben hat. Und diese Kraft hat die Menschen mit den Kindern des Lichtes ausgesöhnt. Ferner hat Deine Kraft durch David gesagt: «Wahrheit entspross der Erde». Das bezieht sich auf die Kraft Sabaoths, des Guten, welche aus Deiner Mutter Maria, der Erdbewohnerin, hervorspross. »Gerechtigkeit, die vom Himmel herabblickte», ist dagegen der Geist in der Höhe, der alle Mysterien aus der Höhe herabgebracht und dem Menschengeschlecht gegeben hat. Die Menschen wurden gerecht und gut und erbten das Lichtreich.« Als Jesus Maria diese Worte hatte sagen hören, sprach Er: »Vortrefflich, Maria, du Erbin des Lichtes.« Es trat wiederum Maria, die Mutter Jesu, vor, fiel vor seinen Füßen nieder, küsste sie und sprach: »Mein Herr, mein Sohn und mein Erlöser, vergib mir, wenn ich die Erklärung dieser Worte noch einmal vortrage. «Gnade und Wahrheit begegneten einander». Ich bin Maria, Deine Mutter; und da ist Elisabeth, die Mutter des Johannes, der ich begegnet bin. Gnade nun ist die Kraft des Sabaoth, die sich in mir befand und die aus mir hervorgegangen ist, aus welcher Du geworden bist. Du hast Dich des ganzen Menschengeschlechtes erbarmt. Wahrheit dagegen ist die Kraft, die sich in Elisabeth befand und zu Johannes geworden ist, der gekommen ist und über den Weg der Wahrheit gepredigt hat: Das bist Du, er hat vor Dir her gepredigt. Und ferner: »Gnade und Wahrheit begegneten einander», das bist Du, mein Herr, der Du dem Johannes begegnet bist an dem Tag, da Du die Taufe empfangen solltest. Du aber und Johannes, ihr seid wiederum «Gerechtigkeit und Friede, die sich küssten.« »Wahrheit entspross der Erde, und Gerechtigkeit blickte vom Himmel herab.« Das bezieht sich auf die Zeit, in der Du Dir selbst gedient und die Gestalt Gabriels angenommen und auf mich vom Himmel herabgesehen und mit mir gesprochen hast. Und nachdem Du mit mir gesprochen hattest, bist Du in mir aufgesprossen. Es bedeutet also, Wahrheit ist die Kraft des Sabaoth, des Guten, die sich in Deinem stofflichen Körper befindet. Das ist die »Wahrheit, die der Erde entspross.« Als Jesus seine Mutter diese Worte hatte sagen hören, sprach Er: »Vortrefflich und schön. Dieses ist die Erklärung aller Worte, über die meine Lichtkraft einst durch den Propheten David gesprochen hat.« 62

BETRACHTUNGEN ZUM ERSTEN BUCH DER PISTIS SOPHIA ffffff

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Als Jesus von den Toten auferstanden war, verbrachte Er elf Jahre im Gespräch mit seinen Jüngern und belehrte sie nur bis zu den Bereichen des Ersten Gebotes und des Ersten Mysteriums hinter dem Schleier, also über den Inhalt des Ersten Gebotes. Das ist das vierundzwanzigste Mysterium von innen nach außen – jener, die sich im zweiten Raum des Ersten Mysteriums befinden, welches allen Mysterien voransteht: der Vater in Gestalt der Taube. Und Jesus sprach zu seinen Jüngern: »Ich bin hervorgekommen aus dem Ersten Mysterium, welches das letzte, nämlich das vierundzwanzigste Mysterium ist.« Die Jünger hatten weder gewusst noch verstanden, dass innerhalb dieses Mysteriums noch etwas anderes bestehe; denn sie dachten von diesem Mysterium, dass es das Haupt des Alls und das Haupt alles Bestehenden sei. Sie dachten, dass es die Vollendung aller Vollendungen sei, weil Jesus über dieses Mysterium zu ihnen gesagt hatte, dass es das Erste Gebot umschließt sowie die fünf Urideen und das große Licht und die fünf Helfer und die ganze Schatzkammer des Lichtes. Außerdem hatte Jesus seine Jünger nicht unterrichtet über den gesamten Umfang aller Bereiche des großen Unsichtbaren und der drei dreimal gewaltigen Kräfte, auch nicht über die vierundzwanzig Unsichtbaren und alle ihre Gebiete und Äonen und Ordnungen, wie sie sich ausgebreitet haben – nämlich die Emanationen des großen Unsichtbaren – auch nicht über ihre Ungezeugten, Selbstgezeugten und Gezeugten und ihre leuchtenden Sterne und ihre Ungepaarten und Archonten und Gewalten und Herrscher und Erzengel und ihre Dekane und ihre Diener und alle Wohnungen ihrer Sphäre und all ihre Ordnungen. Jesus hatte seine Jünger nicht über die ganze Entfaltung der Emanationen der Schatzkammer des Lichtes unterrichtet, auch nicht über ihre Ordnungen und wie sie entstanden sind; auch hatte Er ihnen nichts gesagt über deren Erlöser, wie sie gemäß der Ordnung eines jeden beschaffen sind. Auch hatte Er ihnen nicht gesagt, welche Wächter an jeder Pforte der Schatzkammer des Lichtes stehen. Auch hatte Er ihnen nichts gesagt über den Ort des Zwillingserlösers, der das Kindeskind ist. Auch hatte Er nichts gesagt über das Gebiet der drei Amen und in welche Bereiche sich ihre Macht erstreckt, noch hatte Er ihnen angedeutet, in welche Bereiche die fünf Bäume gepflanzt sind, noch etwas hinsichtlich der sieben anderen Amen, nämlich der sieben Stimmen, wo ihr Gebiet ist und wie sie sich ausbreiten. Jesus hatte seinen Jüngern nicht gesagt, von welcher Art die fünf Helfer sind und wo sie sich befinden. Auch hatte Er ihnen nicht gesagt, auf welche Weise sich das große Licht ausgebreitet hat oder in welche Bereiche es gelangte. Ebenso wenig hatte Er ihnen etwas erzählt über die fünf Ideen und über das Erste Gebot und in welche Bereiche sie gelangten. Sondern Er hatte nur allgemein mit ihnen gesprochen, indem Er 63

sie über deren Existenz belehrte; aber über ihren Umfang und die Ordnung ihrer Gebiete und wie sie beschaffen sind, hatte Er nicht gesprochen. Darum haben sie auch nicht gewusst, dass noch andere Bereiche innerhalb dieses Mysteriums bestehen. Er hatte zu seinen Jüngern nicht gesagt: »Ich bin aus diesen und jenen Gebieten hinausgegangen, bis ich in jenes Mysterium einging und wieder aus ihm hervorging.« Sondern Er hatte sie nur gelehrt: »Ich bin aus diesem Mysterium hervorgekommen.« Darum dachten sie von jenem Mysterium, dass es die Vollendung aller Vollendungen, das Haupt des Alls und das totale Pleroma sei. Denn Jesus hatte zu seinen Jüngern gesagt: »Dieses Mysterium umgibt alles, wovon ich zu euch gesprochen habe vom Tag unserer Begegnung bis zum heutigen Tag.« Darum dachten die Jünger, dass innerhalb dieses Mysteriums nichts anderes bestehe. ffffff

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Pistis Sophia, Abschnitt 1 Kapitel 1

Die unkennbaren Mysterien Mit den in diesem Buch enthaltenen Besprechungen wollen wir Sie vor das älteste und authentischste Evangelium stellen, das wir besitzen, nämlich vor das Evangelium der Pistis Sophia. Hiermit wollen wir Ihnen beweisen, dass das aktuelle Wunder, das uns berührt hat, in der Universellen Lehre aller Zeiten seinen Niederschlag findet. Die Pistis Sophia ist die Gestalt des Denkers, der mit seinem dialektischen Denken am Ende – nach der befreienden Weisheit strebt. Die Pistis Sophia wird dargestellt als eine Frau, die nach Einweihung sucht und, der Pistis, dem Verstandesdenken nach zerschlagen, diese Einweihung nun durch die Sophia, die göttliche Weisheit, empfangen will. Die Pistis Sophia ist ein äußerst gnostisches Evangelium. Die gesamte geoffenbarte Weisheit aller Zeiten ist darin gebündelt und in eine neue Sprache gebracht. Und doch wird diese Weisheit so ausgedruckt, dass kein Unbefugter sie verstehen oder den Inhalt verfälschen kann. Wir zitieren aus dem ersten Kapitel: „Als Jesus von den Toten auferstanden war, verbrachte Er elf Jahre im Gespräch mit seinen Jüngern und belehrte sie nur bis zu den Bereichen des Ersten Gebotes und des Ersten Mysteriums hinter dem Schleier, also über den Inhalt des Ersten Gebotes. Das ist das vierundzwanzigste Mysterium von innen nach außen – jener, die sich im zweiten Raum des Ersten Mysteriums befinden, welches allen Mysterien voransteht: der Vater in Gestalt der Taube. Und Jesus sprach zu seinen Jüngern: »Ich bin hervorgekommen aus dem Ersten Mysterium, welche das letzte, nämlich das vierundzwanzigste Mysterium ist.« Die Jünger hatten weder gewusst noch verstanden, dass innerhalb dieses Mysteriums 64

noch etwas anderes bestehe; denn sie dachten von diesem Mysterium, dass es das Haupt des Alls und das Haupt alles Bestehenden sei. Sie dachten, dass es die Vollendung aller Vollendungen sei.“ Wer den Sinn dieser Worte entdecken will, muss zuerst auf dem eigenen Daseinsniveau mit seiner Untersuchung beginnen. Das dialektische Lebensfeld ist naturwissenschaftlich in zwölf Ansichten, in zwölf Zuständen zu sehen. Aus dem zwölffachen Zodiak der Dialektik entwickelt sich die zwölffache Naturoffenbarung. Jede dieser zwölf Ansichten besitzt ein Spiegelbild, eine Projektion, eine Spiegeldomäne, eine Spiegelsphäre. Daher kann man sagen, dass es in unserem Lebensfeld vierundzwanzig Naturansichten gibt. Zwölf gehören zur Stoffsphäre und zwölf zur Spiegelsphäre. Und jeder, der es wünscht, kann diese vierundzwanzig Ansichten mystisch oder okkult studieren. Das Rad unseres Lebens dreht sich darin. Es sind vierundzwanzig Mysterien, die vom Menschen vollkommen erfasst werden können. Es sind vierundzwanzig Mysterien der Dialektik, des Wahns. Ihnen wird es klar sein, wenn die Pistis Sophia sagt, dass Jesus diese vierundzwanzig Mysterien mit keinem Wort erwähnt hat und dass Er selbst aus ihnen nicht hervorgegangen ist. Wenn der Naturmensch seinen Weg durch die eigenen Mysterien geht, gelangt er an eine Grenze, an das Ende seines Weltalls, seines elektromagnetischen Universums. Dann steht er – nach den Worten der Pistis Sophia – vor einem Gebot, welches auch der größte Magier nicht zu durchdringen vermag, denn er steht vor dem »bis hierher und nicht weiter.« Dann erreicht er sein erstes wirkliches Mysterium, das unauflösbar ist. Die Seelenwelt bleibt für ihn verschlossen. Über diese Gebiete des ersten Gebotes und des ersten wirklichen Mysteriums – vor dem der Naturmensch steht wie vor einer Mauer – belehrte Jesus seine Jünger. Um das noch einmal deutlich zu unterstreichen, wiederholt die Pistis Sophia, dass Jesus über das er-ste Gebot sprach, welches das vierundzwanzigste Mysterium von innen nach außen ist. Es ist also der Punkt, an dem das dialektische Naturfeld endet und ein anderes Lebensfeld beginnt, das absolut außerhalb der Spiegelsphäre liegt. Wenn Sie vielleicht jemals gedacht haben, dass die moderne Philosophie des Rosenkreuzes dem Gehirn eines modernen Menschen entsprossen ist, dann werden Sie hier durch eine Sprache von vor zweitausend Jahren korrigiert, die bereits damals eine Synthese aus der Weisheit von hunderttausend Jahren zuvor bildete. Dort, wo die Grenze des endlichen Strebens liegt, dort denkt der primitive Mensch sich seinen höchsten Gott, denn jedes Gebiet des von ihm Erreichbaren hat er mit Abgöttern bevölkert, die er ausbeutet. Jedoch dem Gott hinter dieser Grenze zollt er eine dumme, nichtssagende Ehrfurcht. Jesus unterweist seine Schüler dagegen in den unkennbaren Mysterien, denn sie sind die einzige Wirklichkeit der Befreiung. Ich bin hervorgekommen aus dem Ersten Mysterium hinter dem Schleier, sagt Er. Die Lebensdomäne des Christus ist ebenfalls ein Feld mit vierundzwanzig Ansichten. Es sind zwölf positive magnetische Räume mit ihren zwölf Reflexen. 65

Aus dem Reflex eines dieser Räume strahlt der Vater in der Gestalt einer Taube. Die Taube ist in der Gnosis eines der großen Symbole des heiligen Siebengeistes, des siebenfachen Mikrokosmos, des siebenfachen Universums, wie auch die sieben Amen oder die sieben Donnerschläge. In der Pistis Sophia wird ebenfalls von den sieben Vokalen gesprochen, die zusammen den Namen Gottes bilden. Für den Naturmenschen, der am Ende seines Könnens steht, an der Grenze des ersten Gebotes, vor dem wirklich Unkennbaren, strahlt aus diesem Unkennbaren der heilige Siebengeist. Es ist das Anrufen des heiligen Namens Gottes durch diesen Namen selbst. Darum heißt es in der Pistis Sophia (Kapitel 143): „Es gibt kein Mysterium, das vortrefflicher ist als diese Mysterien, nach denen ihr mich fragt, da sie eure Seelen zum Licht der Lichter führen werden [...]. Nichts ist vortrefflicher als diese Mysterien außer dem Mysterium der sieben Stimmen und ihrer neunundvierzig Kräfte.“ Von den Grenzen unseres Daseinsfeldes kommen diese sieben Strahlen und bilden hier ihre Brennpunkte. In einem neuen Krisismoment in der Weltgeschichte erklingt erneut die Stimme, das Geheimnis der sieben Vokale und ihrer neunundvierzig Kräfte. Wir haben Sie bereits mehrmals ausführlich über die siebenfache Weltbruderschaft mit ihren neunundvierzig Strahlen, also sieben mal sieben Ansichten informiert (Siehe unter anderem DEI GLORIA INTACTA, Teil: Orientierung, Kap. VII und Teil: Die Saturn-Einweihung des ersten Siebenkreises, Kap. IV, Rozekruis Pers, Haarlem 2003). Strengen Sie sich an, wenn Sie den Rosenpfad gehen wollen, und geben Sie sich völlig dem heiligen Werk hin. Es geht darum, erneuerte Seelen zum Licht der Lichter zu führen. ffffff

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Als die Jünger zusammen auf dem Ölberg saßen, sprachen sie zueinander in großer Freude und Begeisterung über diese Worte: »Begnadet sind wir unter allen Menschen der Erde, weil der Erlöser uns dieses geoffenbart hat und wir die Fülle und die ganze Vollendung empfangen haben.« Als sie so zueinander sprachen, saß Jesus ein wenig entfernt von ihnen. Am fünfzehnten Tag des Mondes im Monat Tybi, am Tag des Vollmondes, als die Sonne ihre Bahn betrat, kam hinter ihr eine gewaltige Lichtkraft hervor, die außergewöhnlich hell strahlte, so dass es kein Maß gab für das Licht, das mit dieser Kraft verbunden war. Denn sie kam hervor aus dem Licht der Lichter und aus dem letzten Mysterium, dem vierundzwanzigsten – von innen nach außen – jener Mysterien, die sich in den Ordnungen des zweiten Raumes des Ersten Mysteriums befinden. Diese Lichtkraft kam auf Jesus herab und umgab Ihn ganz, während Er ein wenig 66

entfernt von seinen Jüngern saß; und Er strahlte sehr in dem unermesslichen Licht, das an Ihm war. Die Jünger hatten Ihn nicht gesehen infolge dieses großen Lichtes, in dem Er sich befand, denn ihre Augen waren durch das große Licht, das Ihn umgab, geblendet. Sie sahen nur Licht, das viele Lichtstrahlen aussandte. Die Lichtstrahlen waren einander nicht gleich, sondern das Licht war von unterschiedlicher Beschaffenheit und Eigenschaft, von unten nach oben – ein Strahl unendlich vortrefflicher als der andere in einem großen, unermesslichen Lichtglanz, der von der Erde bis zum Himmel reichte. Als die Jünger dieses Licht sahen, gerieten sie in große Furcht und Erregung. Als diese Lichtkraft auf Jesus herabkam, umhüllte sie ihn allmählich ganz. Da stieg Jesus auf und fuhr in die Höhe, während Er im unermesslichen, blendenden Licht erstrahlte. Die Jünger blickten ihm nach, und keiner sprach, bis Er den Himmel erreicht hatte, sondern sie verharrten in tiefem Schweigen. Das nun geschah am fünfzehnten Tag des Mondes, am Vollmondtag im Monat Tybi. Drei Stunden nachdem Jesus zum Himmel aufgefahren war, gerieten alle Kräfte des Himmels in große Aufregung, und alle bewegten sich gegeneinander, sie und all ihre Äonen und all ihre Gebiete und Ordnungen. Die ganze Erde mit ihren Bewohnern geriet in Erschütterung. Und alle Menschen auf der Erde und auch die Jünger gerieten in einen Zustand starker Beunruhigung und alle dachten, dass vielleicht die Welt zusammengerollt werden sollte. Alle Kräfte des Himmels hielten an in ihrem Aufruhr, sie und die ganze Welt. Sie bewegten sich alle gegeneinander, von der dritten Stunde des fünfzehnten Tages im Monat Tybi bis zur neunten Stunde des folgenden Tages. Und alle Engel und ihre Erzengel und alle Kräfte aus der Höhe priesen das Innerste des Innersten, so dass die ganze Welt ihre Stimmen vernahm, unablässig, bis zur neunten Stunde des folgenden Tages.

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Pistis Sophia, Abschnitte 2 und 3 Kapitel 2

Fünf psychologische Prozesse Wir haben Ihnen im vorigen Kapitel erklärt, wie die Universelle Lehre aller Zeiten die moderne Weisheitslehre präzisiert und ihr den Glanz des Klassischen verleiht. Wir legten Ihnen dar, wie Jesus der Herr in der Pistis Sophia sagt, dass er ein Abgesandter aus einem Lebensfeld ist, das in den vierundzwanzig Feldern der Dialektik 67

nicht enthalten ist. Das dialektische Lebensfeld ist durch seine elektromagnetischen Konditionen begrenzt. Es besitzt zwölf Ansichten und zwölf Reflexe oder Spiegelbilder, die sich zueinander wie positiv und negativ verhalten. Es ist dem Naturmenschen gegeben, wenn er es wünscht, all diese vierundzwanzig Räume zu erkennen. Wenn er jedoch alle diese Räume erforscht und erfasst hat, dann steht er schließlich vor einer unwiderruflichen Grenze. Dann steht er vor dem wirklichen Ersten Mysterium, vor dem wirklich Unkennbaren, vor dem Unerreichbaren. Darum nennt er dieses Unerreichbare »Gott«, den absolut Unsichtbaren. Darum erweist er diesem Unsichtbaren eine stumme, dumme Ehrerbietung und verliert sich weiter in den eigenen Mysterien. Er überlässt sich den vierundzwanzig Naturfeldern, ist dann wie in einem Spinnennetz gefangen und schafft sich darin seine Abgötter, denen er dient. Die Pistis Sophia erklärt am Anfang nachdrücklich, dass Jesus Christus nicht aus dieser Weltordnung gekommen ist, sondern aus dem für alle Natur Unkennbaren gesandt wurde. Aber mit weichem Ziel? Was hat das für einen Sinn? Wenn der Mensch vor dem wirklich göttlichen Mysterium wie vor einer Mauer steht, und nur in den eigenen vierundzwanzig Feldern umherzuirren vermag, um darin eine Imitation der Wirklichkeit zu erschaffen, was hat es dann für einen Sinn, dass Jesus kommt, um aus der göttlichen Wirklichkeit zu zeugen und ihm den Vater zu erklären? Welchen anderen Sinn könnte es haben, als den, dass der Naturmensch nach dem Ablegen seiner Täuschungen und der Regeneration seines Mikrokosmos durch die Pforten des Unkennbaren in sein wirkliches Vaterland zieht, in das unbewegliche Königreich, das nicht von dieser Welt ist? Dazu ist Jesus der Herr gekommen. Dazu steigt die Bruderschaft Christi zur Menschheit herab. Das Evangelium, so wie Sie es kennen, enthält nur den ersten Beginn der Christusoffenbarung. Wo Ihr Evangelium endet, da beginnt die Pistis Sophia von Christus und seiner Sendung zu berichten und sich denen zu erklären, die dafür offen sind. Darum beginnt es nach der Auferstehung. Es wird so dargestellt, dass Jesus zu seinen Jüngern spricht und sagt: »Als ich bei euch war im gewöhnlichen Leben, vor meiner Auferstehung, habe ich niemals zu euch über die vierundzwanzig Naturmysterien gesprochen. Denn ich bin aus dem für alle Naturmenschen unbekannten wirklichen ersten göttlichen Mysterium. Ich bin vom Ersten Mysterium ausgegangen, das auf der Grenze des vierundzwanzigsten Naturmysteriums liegt. Ich habe in meiner ersten Offenbarung nur allgemein über das ursprüngliche Leben gesprochen.« Wenn wir nun weiter in der Pistis Sophia lesen, erkennen wir unter der Verschleierung einige gewaltige psychologische Prozesse, die von den Schülern erkannt wer68

den, die reif dafür sind. Der erste Prozess bezieht sich auf eine Ansicht der modernen Geistesschule, die Ihnen sehr bekannt und vertraut vorkommen muss. Wir sprechen zu Ihnen im Namen der Universellen Bruderschaft, die aus dem anderen Reich ist, von zwei Naturordnungen, von der Gottesordnung und der dialektischen Naturordnung. Das ist das erste Werk, das Jesus ausgeführt hat. Er ist unter uns erschienen als einer, der mit einer kaum bemerkbaren neu-magnetischen Radiation sehr elementar an unser Geistfunkenatom appelliert. Er gibt uns Suggestionen vom ursprünglichen Leben. Er stellt es philosophisch und ohne Präzision dar. Denn eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Man kann das ursprüngliche Leben nur kennen, wenn man dazugehört. Dennoch spricht dieses ursprüngliche Leben den Menschen stark an. Es zeugt auf mächtige Weise in ihm, es verursacht in ihm eine große Sicherheit auf der Basis des Uratoms. Dann kann man jemand sagen hören: »Ich verstehe es nicht, aber ich weiß, dass es wahr ist, und ich kann nicht mehr anders.« Gleichzeitig wird in dieser ersten Berührung der zweite psychologische Prozess zur Entwicklung gebracht. Die Natur, in der Sie leben, wird vor Ihnen demaskiert als eine Natur des Todes, mit der Ihre eigene Natur wesenseins ist. Nichts wird unversucht gelassen, um diesen zweiten Prozess so stark wie möglich auf Sie einwirken zu lassen. Nun kommt es darauf an, ob diese beiden psychologischen Prozesse Sie wirklich angreifen können und in Ihnen verankert werden. Wenn das geschieht, dann entwickelt sich ein sehr verständlicher dritter Prozess: Sie verlangen mit allem, was in Ihnen ist, immer mehr nach dem Zauber des Unbeweglichen Königreichs. Dann erfahren Sie das Leben der Natur stets mehr als ein Fremdling und lassen es immer mehr hinter sich. Wenn dieser Prozess nicht einsetzt, dann ist das Geistfunkenatom in Ihnen noch zu sehr wie eine Knospe verschlossen. Dann wollen Sie die Natur des Todes nicht als solche erkennen. Sie leben dann noch im Wahn. Sie glauben dann auch nicht an das neue Leben und hoffen nicht darauf wie mit einem unauslöschlichen Feuer, und Sie können die Schule so unmöglich lieben. Im Gegenteil, – der Schule wird widersprochen. Das ist sehr verständlich. Wenn wir zu Ihnen immer wieder über Themen sprechen, die Sie nicht wollen, wenn wir stets ein Weltbild vor Sie stellen, das Sie so nicht annehmen können, wenn wir Sie mit Vehemenz und Nachdruck vor Konsequenzen stellen, dann müssen Sie sich empören. Und das ist ein psychologischer Prozess, der von der Schule wirklich nicht beabsichtigt, aber dennoch sehr erklärlich ist. Das Tragische dabei ist, dass solche Menschen die Schule nicht verlassen, sondern 69

sich besonders an sie klammern, während sie doch tatsächlich verbrannt werden. Die Ursache dafür ist, dass sie im tiefsten Wesen die Schule nicht missen können und diesen Verbrennungsprozess nötig haben. Es gibt jedoch – Gott sei Dank – viele Schüler in der Schule, welche die drei Prozesse kennen und darin wachsen, die selbst wissen, dass sie sich in einem dieser Stadien befinden: 1. Konfrontation mit dem neuen Leben als Mysterium, 2. Demaskierung des dialektischen Lebens, 3. Glauben an das neue Leben, darauf hoffen und sich damit vereinigen, 4. die Schule und ihre Arbeit lieben, sowie eine stets mehr um sich greifende Entfremdung vom dialektischen Leben. Wenn ein Schüler so weit gekommen ist, bleibt die Schule der Christus-Hierophanten jedoch nicht dabei stehen. Sie geht weiter. Sie offenbart einen vierten Prozess. Sie sagt zu Ihnen: Nun soll die Glorie und Majestät des neuen Lebens Ihnen geoffenbart werden. Künftig soll nicht mehr abstrakt mit Ihnen darüber gesprochen werden, sondern konkret. Sie werden nun auf positive Weise damit konfrontiert; denn Sie müssen auf die Reise gehen! Die Zeit ist da! Und Ihre erste Reaktion ist Freude und Begeisterung: »Als die Jünger zusammen auf dem Ölberg saßen, sprachen sie zu einander in größer Freude und Begeisterung über diese Worte: »Begnadet sind wir unter allen Menschen der Erde, weil der Erlöser uns dieses geoffenbart hat und wir die Fülle (das Pleroma) und die ganze Vollendung empfangen haben.« Wir haben diese Freude oft bei unzähligen Schülern wahrgenommen, und Sie kennen sie wahrscheinlich selbst. Auf diesen vierten Prozess der Dankbarkeit und Freude folgt nun ein fünfter Prozess, der scheinbar so sehr im Gegensatz zum vierten steht, dass der Kandidat in der Enttäuschung darüber meint, alles verloren zu haben, und zwar so definitiv, dass die Bitterkeit und die Angst deswegen an seinem Wesen nagen. Wenn der Kandidat aus der Sicherheit seines Glaubens zum Erkennen aus erster Hand erhoben wird, dann muss das alles im Zusammenhang mit einem neuen elektromagnetischen Vermögen geschehen, das wird Ihnen klar sein. Ein neues magnetisches Feld berührt den Kandidaten, und das hat sehr merkwürdige Folgen: Am fünfzehnten Tag des Mondes im Monat Tybi, am Tag des Vollmondes, a/s die Sonne ihre Bahn betrat, kam hinter ihr eine gewaltige Lichtkraft hervor, die außergewöhnlich hell strahlte, so dass es kein Maß gab für das Licht, das mit dieser Kraft verbunden war. Denn sie kam hervor aus dem Licht der Lichter und aus dem letzten Mysterium, dem vierundzwanzigsten – von innen nach außen – jener Mysterien, die sich in den Ordnungen des zweiten Raumes des Ersten Mysteriums befinden. Diese Lichtkraft kam auf Jesus herab und umgab Ihn ganz, während Er ein 70

wenig entfernt von seinen Jüngern saß [...]. Die Jünger hatten Ihn nicht gesehen infolge dieses großen Lichtes, in dem Er sich befand, denn ihre Augen waren durch das große Licht, das Ihn umgab geblendet. Sie sahen nur Licht, das viele Lichtstrahlen aussandte. Die Lichtstrahlen waren einander nicht gleich, sondern das Licht war von unterschiedlicher Beschaffenheit und Eigenschaft, von unten nach oben – ein Strahl unendlich vortrefflicher als der andere in einem großen, unermesslichen Lichtglanz, der von der Erde bis zum Himmel reichte. Als die Jünger dieses Licht sahen, gerieten sie in große Furcht und Erregung. Als diese Lichtkraft auf Jesus herabkam, umhüllte sie Ihn allmählich ganz. Da stieg Jesus auf und fuhr in die Höhe, während Er im unermesslichen, blendenden Licht erstrahlte. Die Jünger blickten Ihm nach, und keiner sprach, bis Er den Himmel erreicht hatte, sondern sie verharrten in tiefem Schweigen. Das nun geschah am fünfzehnten Tag des Mondes, am Vollmondtag im Monat Tybi. Drei Stunden nachdem Jesus zum Himmel aufgefahren war, gerieten die Kräfte des Himmels in große Aufregung, und alle bewegten sich gegeneinander, sie und all ihre Äonen und all ihre Gebiete und Ordnungen. Die ganze Erde mit ihren Bewohnern geriet in Erschütterung. Und alle Menschen auf der Erde und auch die Jünger gerieten in einen Zustand starker Beunruhigung und alle dachten, dass vielleicht die Welt zusammengerollt werden sollte. Alle Kräfte des Himmels hielten an in ihrem Aufruhr, sie und die ganze Welt. Sie bewegten sich alle gegeneinander, von der dritten Stunde des fünfzehnten Tages im Monat Tybi bis zur neunten Stunde des folgenden Tages. Und alle Engel und ihre Erzengel und alle Kräfte aus der Höhe priesen das Innerste des Innersten, so dass die ganze Welt ihre Stimmen vernahm, unablässig, bis zur neunten Stunde des folgenden Tages.“ Wenn für den Kandidaten die Zeit dazu angebrochen ist, das heißt, wenn seine Liebe für das wirkliche Leben als Folge des Feuers des Glaubens und der Hoffnung wirklich groß genug geworden ist, wenn seine Entfremdung von der dialektischen Natur ein solches Angreifen ermöglicht, wenn also der Mond im Monat Tybi gekommen ist, wird der Mikrokosmos von einer großen elektromagnetischen Kraft berührt und umgeben. Diese Berührung ist intensiv und so fremd, so völlig ungewohnt, dass zuerst große Erschütterung und Verzweiflung entstehen. Wenn das Strahlungsfeld der siebenfachen Weltbrüderschaft so auf die Menschen einstürmt, verursacht es Erschütterung. Große Furcht ergreift sie, und sie meinen, eher der Vertilgung als der Erlösung nahe zu sein. Ist es nicht verständlich, dass das Licht vom Menschen zuerst als Finsternis erfahren 71

wird? Zeugen nicht alle Berichte von derselben Erfahrung? Diese Erfahrung entsteht aus der Tatsache, dass durch die Heftigkeit der neuen magnetischen Berührung das Ich der Natur gleichsam gelähmt, also wirkungslos wird und ein neues Bewusstsein, ein neues Ich, noch nicht vorhanden ist. Aus dieser Erfahrung der bestürzten Seele und aus der Freude über die Ankündigung, aus dieser fünften psychologischen Erfahrung entwickelt sich der weitere Prozess der aktuellen, wiederherstellenden Befreiung.

Kapitel 3

Die fundamentale Beunruhigung Im vorigen Kapitel haben wir über die Art gesprochen, in der die Universelle Bruderschaft mit dem Schüler arbeitet. Ihre Aufmerksamkeit wurde durch diese Methode nicht auf einen Menschen gelenkt, der auf dem Pfad bereits etwas erreicht hat, so dass man von einem besonderen Menschen sprechen könnte. Es zeigte sich, dass niemand Gründe für Pessimismus, Minderwertigkeitsgefühle oder Unwürdigkeitswahn hatte und daher auch nicht behaupten konnte: »Ach, dem kann ich doch noch nicht entsprechen.« Nein, jeder konnte die Handreichung der Bruderschaft annehmen. Niemand braucht sich ausgeschlossen zu fühlen. Diese Handreichung gilt für alle! Sie brauchen nur an das Bild des Christian Rosenkreuz im Schacht der Todesnatur zu denken. Als das Seil der Errettung in diesen Schacht herabgelassen wird, ist es nicht persönlich ausgerichtet, ist nicht für einen bestimmt unter Ausschluss all der anderen, sondern alle, die das Seil ergreifen können, bleiben daran hängen und werden hinaufgezogen. Alle, die im Vorhof der Geistesschule des modernen Rosenkreuzes versammelt sind und die Mühe auf sich nehmen, einen Brennpunkt der Schule zu besuchen, können absolut wissen, wie sie selbst den Pfad vom ersten Schritt bis zur Befreiung gehen können, wenn sie sich nur intelligent besinnen wollen. Wenn Sie sich nun selbst anhand des Schemas dieses Prozesses prüfen, können Sie auch wissen, bis zu welchem Punkt Sie gelangt sind oder wo Ihre Entwicklung augenblicklich stagniert. Die erste Phase des Pfades bezieht sich auf die sehr elementare magnetische Strahlungskraft und den Einfluss, der von der Universellen Bruderschaft zu jedem Menschen ausgeht. Jeder, der ein Uratom besitzt, kann nicht nur reagieren, er muss es. Das ist das Seil, das in den Schacht herabgelassen wird und das er wahrnimmt. Dieses Seil wird auch als Ruf bezeichnet. Nicht wir in der Geistesschule rufen Sie. Wir sprechen nur über diesen Ruf. Wir versuchen, Ihnen diesen Ruf, der ohne unser Zutun zu Ihnen kommt, zu erklären. Es ist eine Kraft, die durch die Welt zieht und an Ihr Geistfunkenatom appelliert. Durch 72

diese Kraft erhalten Sie Suggestionen vom ursprünglichen Leben, wird Ihnen eine sonderbare Philosophie übertragen. Jeder, der ein Geistfunkenatom besitzt, erfährt dadurch eine außergewöhnliche Bewegtheit. Wenn Sie in Finsternis eingeschlossen sind und besitzen noch eine Erinnerung an das Licht, wenn Sie also ein gleichsam eingekapseltes Lichtprinzip in sich tragen, und es dringt ein Ruf des Lichtes zu Ihnen, oder es wird über das Lichtreich gesprochen, sollten Sie dann nicht reagieren? Sollten Sie sich dann nicht ergriffen fühlen? Dann achten Sie nicht so sehr darauf, was über das Licht gesagt wird, sondern Sie wissen nur, dass darüber gesprochen wird. Bereits das Wort, der Klang »Licht« bringt Sie aus Ihrem dialektischen Gleichgewicht. Diese spontane Reaktion enthält natürlich auch eine Gefahr, und viele stagnierten im Lauf ihres Lebens ernsthaft durch die Entwicklung dieser Gefahr. Um das deutlich zu erkennen, müssen Sie die Situation noch einmal gut überblicken. Es gibt eine magnetische Strahlung der Universellen Bruderschaft. Sie ist namenlos und klanglos. Sie hat die Aufgabe, Sie durch das berührte Uratom zu beunruhigen, so dass Sie die Natur des Todes nicht mehr annehmen können und zu suchen beginnen. Dann erheben sich die Stimmen Ihrer Mitmenschen. Sie sprechen und zeugen vom Licht. Und Sie neigen dazu, unmittelbar bei ihnen anzuknüpfen, wenn sie auch den größten Unsinn reden. Die Tatsache, dass sie aus derselben Unruhe des Herzens sprechen, die auch Sie erfahren, verursacht, dass Sie diese Menschen dann ohne weiteres als Brüder und Schwestern akzeptieren. Natürlich kann dadurch eine erhebliche Verzögerung entstehen. Denn viele geschickte Diener dieser Natur wissen nur zu gut: Wenn man zu Lichtsuchern viel über das Licht spricht, sie durch Organisationen und Kirchen blendet und mit Legionen von großen Worten und Spekulationen umringt, dann bleiben viele Arglose in diesem raffinierten Netz hängen. Kein Sterblicher im Himmel oder auf Erden ist in der Lage, das Uratom, die Rose der Rosen aus Ihrem Herzheiligtum zu reißen. Es ist jedoch möglich, die Reaktion der Rosenknospe, die sich aufgrund ihres natürlichen Zustandes zum ewigen Sonnenlicht wenden will, in den Wahn abzuleiten. So wie man Blumen in Räumen mit künstlichem Sonnenlicht zieht, so kann man auch die Rosenknospe mit dem flittergoldenen, falschen Licht der metaphysischen Spekulationen umgeben. Auf diese Weise kann Millionen Rosenknospenträgern Inkarnationen lang eine Scheinbefriedigung geschenkt werden. An dieser Seite des Schleiers geschieht das, indem man stets Wechsel auf die Zukunft im Jenseits zieht, wo angeblich der Himmel und Christus der Herr sein sollen. Ist der Mensch einmal von diesem Wahn ergriffen und gelangt so ins Jenseits, dann ist Reinkarnation absolut sicher, weil sie ein biologischer Prozess des Mikrokosmos 73

ist. Darum fällt diese ganze raffinierte Magie, die äonenalte magische Kultur der Dialektik über jedes Kind der Rose her, das für seine zarte Knospe das universelle Licht sucht. Diese Naturmagie benutzt alles und jeden, um ihren Zielen nachzujagen. Sie kann das. Sie kann dazu auch diese Schule und das transfiguristische Wort Jesu des Herrn oder der anderen Großen benutzen. Sie können von dieser Naturmagie in dem gleichen Moment ergriffen werden, in dem Sie sich auf die einzige Wirklichkeit besinnen. Wenn die moderne Geistesschule des Rosenkreuzes Sie in diesem Zustand, in dem Sie sich befinden, zur Zufriedenheit, zur innerlichen Ruhe gebracht hat, dann ist Ihre Rosenknospe bei der Versorgungskasse der Naturmagie angelangt. Denn es ist ausgeschlossen, dass eine Geistfunken-Entität Ruhe und Frieden in der Todesnatur finden kann. Ist das der Fall, dann ist etwas nicht in Ordnung. Wie kann ein Kind des Lichtes Ruhe und Frieden besitzen, wenn es noch nicht zum Licht heimgekehrt ist? Wir meinen damit nicht, dass bei einem solchen Menschen Sorge und Furcht oder eine fortwährende Unzufriedenheit vorhanden sein müssen, denn ein Kind des unsichtbaren Lichtes kann in der Sicherheit, sich auf dem Weg zum Vaterhaus zu befinden, sehr froh und höchst ausgeglichen sein. Aber die sanfte Ruhe und der wohlfeile Friede des Kompromisses mit dieser Natur sind vollkommen ausgeschlossen. Ein Kind des Lichtes kennt die Jesus-Erfahrung, keinen Platz für seinen Fuß und keinen Stein zu finden, auf dem es sein Haupt niederlegen kann. Das ist fundamental unmöglich. Wenn Sie ein Schüler der Geistesschule des Rosenkreuzes sind, müssen Sie sich daher fragen: »Was bewirkt die Schule in mir? Kann die Schule mich noch beunruhigen? Erweckt die Schule in mir noch das nach Atem ringende Verlangen? Oder gibt es keine Bewegtheit mehr? Geht die mir überbrachte Lehre zu dem einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus? Stehe ich noch im Prozess oder bin ich inzwischen durch meinen Satan – mein höheres Selbst – mein aurisches Wesen ausrangiert?« Sie müssen sich das selbst fragen, denn Sie müssen auch wissen, dass Sie in jeder Stunde in Gefahr sind. Wer das nicht einsieht und sagt: »Aber, aber, doch nicht so dramatisch«, besitzt nicht die Signatur des elementaren Schülertums. Wenn der Sohn der Rose auf die Welt kommt, wird er keine Anerkennung finden, er wird nichts sein eigen nennen können, er ist ein vollkommener Fremdling. Beginnt er nun die Befreiung zu suchen, um seine göttliche, natürliche Bestimmung wiederzufinden, dann wird man versuchen, ihn in den Orten der Fremdlingschaft festzuhalten, indem man ihn mit falschen Klängen und falschen Lichtfetzen in die Gewöhnung drängt. Das ist die Gefahr! Diese Gefahr, diese einzigartige Verblendungs- und Verfälschungsgefahr nimmt Gestalt an in der Einrichtung, die sich »Kirche« nennt, jedoch nicht die Kirche ist. Nun denkt der Schüler vielleicht: »Oh, damit habe ich keine Schwierigkeiten. Ich bin in der 74

Schule des Rosenkreuzes zuhause. Jedoch die magischen Polypenarme der Kirche reichen weiter, als Sie denken. Sie besitzen auch ein strahlendes Vermögen. Davon geht ein kristallisierender Einfluss aus, ein lähmender Einfluss zu allen, die Licht suchen. Der organisatorische Apparat ist nur eine Nebensächlichkeit. Durch alle Jahrhunderte hin ist eine Verschwörung am Werk gegen alle Menschen, welche die Rosenknospe zum Blühen bringen wollen. Und das ist eine Gefahr. Diese Gefahr ist in jeder Stunde akut. Wir suggerieren Ihnen keinen Teufelsglauben und wollen Ihnen auch keine Angst einjagen, sondern wir wollen Sie zu einer elementaren Selbsterkenntnis drängen. Fühlen Sie sich als wahrhaftige Lichtsucher noch immer beunruhigt? Wissen Sie noch immer, dass Sie ein Streitobjekt sind und daher in der Bewegtheit einer sehr großen Aktivität stehen, so dass sie von Ihnen leuchtet? Haben Sie noch etwas von der Spannkraft des Psalmendichters in sich, der in dem einen Augenblick jauchzt und sich im folgenden bis in die tiefsten Tiefen seiner Seele bedroht fühlt? Empfinden Sie die Mauern, die Sie umgeben – dann stehen Sie in der Gnade des lebendigen Schülertums. Ist nichts als Ruhe in Ihnen, sitzen Sie da ohne eine einzige lebendige Aktivität in sich, dann hat ein kristallisierender Einfluss Macht über Sie erhalten, die Ihrer Rosenknospe den Boden entzogen hat. Wenn Sie noch Kraft dafür haben, müssen Sie die Ursache herausfinden. Und wenn wir imstande waren, Sie, Leser, durch unsere Worte in die alte Beunruhigung zu jagen, wenn wir damit Erfolg hatten, dann sind wir sehr dankbar. Dann haben wir Sie aus dem Würgegriff Ihres privaten Feindes befreit. Jeder Mensch mit einer Rosenknospe wird im Herzen von der elementaren Strahlungskraft der Gnosis getroffen, und es entsteht in ihm eine große Beunruhigung. Nun gehen von der Gnosis Diener aus. Sie sprechen vom Licht, sie zeugen davon. Sie wollen jedoch Ihre Beunruhigung nicht stillen, sondern sie wollen ihr Richtung geben. Das ist die Signatur: den Betreffenden richtig auf den Pfad zu stellen. Denn hinter der Beunruhigung steht die Erfahrung der Fremdlingschaft, das Wissen, dass Sie nicht hierher gehören. Würde diese Beunruhigung hinweggenommen, dann hätte man unmittelbar die dynamische Energie ermordet, mit der Sie auf dem Pfad der Befreiung vorankommen können. Wer nicht mehr beunruhigt ist, wer akzeptiert, annimmt, zufrieden ist, wird vom gleichen Augenblick an ein Opfer der Kirche, die nicht die Kirche ist. Möge es darum so sein, dass wir Ihnen etwas zurückgegeben oder etwas in Ihnen erweckt haben von dieser so notwendigen Spannkraft, von dieser fundamentalen Beunruhigung, welche die Söhne und Töchter der Gnosis kennzeichnet.

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Kapitel 4

Der Schüler am Scheideweg Jeder Mensch mit einer Rosenknospe im Herzheiligtum wird von der elementaren Strahlungskraft der Gnosis getroffen. Das ist die Lichtkraft, die von der siebenfachen Weltbruderschaft ausgeht. Und wer von diesem Licht berührt wird, erfährt selbstverständlich eine intensive Beunruhigung, weil diese Lichtkraft, die vom Uratom im System aufgenommen wird, in jeder Hinsicht der dialektischen Natur entgegengesetzt ist. Man könnte es mit der Atmung in einer sehr fremden Atmosphäre vergleichen, und das gesamte System muss diese Atemsubstanz aufnehmen. Gleichzeitig gehen von der Gnosis Diener aus. Sie sprechen über das Licht, das alle Rosenknospenträger angreift. Sie zeugen davon. Sie wollen die sich entwickelnde Unruhe nicht stillen, denn diese Unruhe ist gerade der Beweis für eine Reaktion. Die Arbeiter der Gnosis wollen dieser Unruhe Richtung geben. Sie erklären das Ziel dieser Reaktion und stellen den Schüler »richtig« auf den Pfad, den er gehen muss. Wir haben diese Unruhe mit der Aufladung durch eine ganz neue dynamische Energie verglichen. Und diese Energie muss angewandt werden. Die beschriebene Unruhe ist eine Spannkraft. Daher muss ein Schüler der Schule des Rosenkreuzes prüfen, ob er diese Unruhe, die heilige Beunruhigung kennt oder gekannt hat. Kennt er sie, dann steht er in dem Prozess, den die Schule mit ihm durchführt. Dann ist er darin aufgenommen. Besitzt der Schüler die heilige Beunruhigung nicht oder nicht mehr, dann ist er tatsächlich kein Schüler mehr. Dann hat ein kristallisierender Einfluss Macht über ihn erhalten. Dann ist der Rosenknospe der Daseinsgrund genommen. Die Ursachen dieser Kristallisation, dieses traumlosen Schlafs des Uratoms hängen mit der Tatsache zusammen, dass der Betroffene sich vollkommen mit den Kräften der Natur verbunden hat. Wir wollen Sie nun auf die folgende Phase der heiligen Berührung hinweisen. Wer von den Radiationen der siebenfachen Weltbruderschaft bis ins Herz getroffen wurde und daher die heilige Beunruhigung erfährt – und wenn weiterhin dieser Unruhe von den Mitarbeitern der Bruderschaft eine Richtung, ein Ziel gewiesen wurde – für den gibt es zwei neue Möglichkeiten: Die erste ist die Entwicklung eines mächtigen Verlangens, an der Wirklichkeit des neuen Lebens teilzuhaben. Dieses Verlangen nennen wir Heilbegehren. Zweitens besteht die Möglichkeit, dass sich Widerstand und Feindschaft entwickeln, die schließlich zum absoluten Abweisen des Pfades führen. Daher wird jeder Schüler zu einem Scheideweg geführt, an dem eine entschiedene Wahl getroffen werden muss: 76

Entweder entsteht ein maßloses Verlangen nach dem neuen Leben, bei dem die erweckte Spannkraft der heiligen Beunruhigung dann für genügend Energie sorgt, um das Ziel zu erreichen, oder der Pfad wird abgewiesen mit der darauf folgenden Selbstneutralisation. Das Kraftfeld der Schule ist stark genug, um diese Reaktionen zu erwecken. Sie müssen darauf achten, ob Sie die Wahl, die jeder am Scheideweg angelangte Schüler treffen muss, ihrem tiefsten Wesen nach gut verstehen. Es geht hier nicht um eine Wahl, die Sie nach der einen oder anderen verstandesgemäßen Erwägung treffen müssen oder zu der Sie in emotionellen Momenten bereit sind. Nein, es geht hier um eine unvermeidliche psychologische Reaktion. Sie können dann nicht mehr anders, und zwar nicht im Sinn eines Selbstzwanges oder wegen eines Drucks, der von außen auf Sie ausgeübt wird, sondern aufgrund der unabweisbaren Manifestation einer innerlichen Wirklichkeit, bei der Wahn, Exaltation oder Suggestion völlig ausgeschlossen sind. Man könnte von einer Art Selbst-Ballotage sprechen, wobei mit einer solchen vollkommenen Sicherheit die innere Wirklichkeit ans Tageslicht gezogen wird, dass jeder Irrtum absolut ausgeschlossen ist. Man könnte zum Beispiel erwägen, ob jeder Schüler im Vorhof der Geistesschule auch auf seinem Platz ist. Man könnte sich darum sorgen. In einer lebendigen Schule wie der des Rosenkreuzes wird jedoch jeder Vorhofbewohner zu dem bewussten Scheideweg geführt. Und dann deklariert er sich selbst. Sie wissen es doch, die Universelle Lehre sagt, dass die Wahrheit und Wirklichkeit bei jedem Kandidaten an das Tageslicht kommt. »Die Wahrheit muss sich befreien!« So wollen wir feststellen, wie sich diese Selbstdeklaration entwickelt. Auf welche Weise entsteht das Verlangen nach dem neuen Leben, das Heilbegehren? 1. Sie werden von den elementaren Radiationen der siebenfachen Weltbruderschaft getroffen. Das ist die erste Handreichung der Bruderschaft. 2. Wenn Sie ein Geistfunkenatom besitzen und Ihr Lebensgang es ermöglicht, wird die heilige Beunruhigung über Sie kommen. 3. Die Mitarbeiter der Bruderschaft geben dieser Unruhe Ziel und Richtung, so dass Sie Ihren Seinszustand in der Welt der Dialektik, Ihren Zustand der Fremdlingsschaft erkennen. Sie verstehen dann, dass es ein ursprüngliches Leben gab und gibt und dass Ihre heutige mikrokosmische Offenbarung, mit dem Ursprünglichen verglichen, eine Karikatur ist. Wenn Sie das deutlich erkennen, dann wird Ihr Lebensgang bestimmen, ob als Resultat dieser innerlichen Erfahrung Verlangen entsteht. Es entwickelt sich dann etwas Einsicht, ein unzerstörbares Verlangen nach dem neuen Leben. Welcher Lebensgang bestimmt das Verlangen? Der Lebensgang der Erfahrung. Die wahre Einsicht muss aus der Erfahrung erwachen, die im Blut festgehalten wird. Philosophie, Autoritätsglaube, Annahme einer Anzahl Lehrsätze oder Anpassung an 77

Familienumstände können den erforderlichen psychologischen Zustand nicht hervorbringen. Nur Erfahrung kann das Verlangen erwecken. Ein Schüler muss die Philosophie der Schule durch Erfahrung bestätigt finden. Es ist natürlich möglich, dass bereits ein formidables Stück Erfahrung in Ihrem Unterbewusstsein, in Ihrem Blut als Resultat einer unermesslichen Vergangenheit vorhanden ist, so dass bereits bei Beginn Ihres Schülertums ein Erfahrungsbewusstsein anwesend ist. Aber wie auch immer, dieses Erfahrungsbewusstsein bezüglich der Universellen Lehre muss da sein, um das so notwendige Verlangen zu erwecken, damit der Zustand entsteht, der uns im 42. Psalm geschildert wird: Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu Dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue? Wenn dieses Verlangen vorhanden ist, dann ist das nicht die Folge eines Willensentschlusses oder eines Rates, sondern es geht dann um einen psychologischen Zustand, der das ganze Wesen bis in jede Faser erfüllt. Es ist ein inneres Drängen, ein Nicht-Anders-Können. Diese Reaktion wird auch in dem Werk „Die alchimische Hochzeit des Christian Rosenkreuz“ beschrieben. Darin wird der Kandidat vor die Wahl mehrerer Wege gestellt. Und in einem bestimmten Moment schlägt er spontan, wie von innen her getrieben, einen Weg ein, der zum innerlichen Tempel führt. Sie haben vielleicht schon oft erfahren oder empfunden, dass Sie in Ihrem Leben geführt werden, dass Sie einen Weg gehen. Das ist auch so, aber nicht in dem Sinn, dass äußere Kräfte Ihren Lebensweg dirigieren. Es ist der innerliche Zustand, der Ihr Wesen beherrscht, Ihr Blutszustand, der in Ihnen dominiert, er bestimmt Ihre Erfahrung. Wer also das geschilderte Verlangen besitzt, ruft magnetische Kräfte des neuen Lebens auf, die ihn unwiderruflich auf der bereits früher beschriebenen Basis das Ziel erreichen lassen. Wir wollen nun studieren, auf welche Weise sich die Abweisung des Pfades und die Selbstneutralisation entwickeln, wodurch der Betreffende, am Scheideweg angekommen, einen anderen Weg einschlägt. Wir folgen bei dieser Untersuchung wieder demselben Weg. Ein Mensch wird vom elementaren Licht der Bruderschaft getroffen, und die Beunruhigung entsteht. Daraufhin orientieren ihn die Mitarbeiter der Schule und stellen ihn auf die richtige Weise auf den Pfad mit dem einen, alles andere ausschließenden Rat: »Er, der Andere, muss wachsen. Das Ich der Natur muss untergehen. Mach Deine Pfade recht für 78

Deinen Gott.« So erreicht auch dieser Mensch den Scheideweg. Aber er wählt nicht den Pfad des Verlangens, sondern er geht einen anderen Weg. Warum? Weil sein Erfahrungsbewusstsein sich noch in andere Richtungen orientiert. Dieser Mensch kann den Pfad der Befreiung noch nicht gehen wegen eines gleichen innerlichen Übergewichtes, mit dem ein anderer es wohl kann. Beide sind mit einem Geistfunkenatom ausgerüstet, beide wurden durch das elementare magnetische Feld der Gnosis berührt, an beide hat die Geistesschule appelliert. Aber sie wählen jeder einen anderen Weg wegen des innerlichen Drängens, das aus dem Erfahrungsbewusstsein aufsteigt. Wenn man das weiß, wird man niemals enttäuscht sein, wenn ein Schüler die Schule verlässt, verlassen muss. Denn die Schule treibt einen solchen Menschen zur Selbstdeklaration, zu dieser Selbst-Ballotage. Man kann diesen Lauf der Dinge bedauern, aber es muss doch einmal der Zeitpunkt kommen, an dem die rechte Wahl getroffen werden muss, sobald der innere Zustand des betreffenden Menschen dafür reif ist. Wenn man die Wahl dieser Menschen zur Selbstneutralisation in jedem Fall untersucht, dann entdeckt man eine große Verschiedenheit der Motive: »Ich kann den Pfad nicht gehen, denn ich muss für meinen alten Vater sorgen, der meine ganze Zeit erfordert.« Ein Vaterkomplex verdrängt das Verlangen. – »Ich ziehe mich zurück, denn meine alte Mutter kann ich nicht vegetarisch ernähren, und sie will, dass ich mich ihr anpasse. Wenn ich Fleisch verweigere, würde ich ihr Kummer bereiten.« – »Ich kann nicht wegen meiner Frau.« Oder: »Mein Mann ist dagegen.« – »Die Erziehung meiner Kinder füllt mich völlig aus.« Eine andere Rubrik liegt auf dem Gebiet der enttäuschten Selbstverherrlichung, wobei man sich wegen der Demaskierung gegen die Schule wendet. Eine dritte Kategorie bilden die Menschen, die noch viel vom Leben erwarten und ihre Ambitionen befriedigen wollen. Es gibt auch solche, die zwar schon genug haben von der Natur des Todes, sich aber selbst zurückhalten durch Selbstvorwürfe und immer wieder auf ihren Lebensweg zurückblicken, überwältigt von Sündenbewusstsein. In all diesen Fällen wird der falsche Weg eingeschlagen. Eine spezielle Gruppe finden wir bei denen, die – zum Scheideweg weiter gedrängt – keine Wahl treffen können, sich neutral verhalten wollen und weder Verlangen noch Abweisung äußern. Bei diesen Menschen entwickelt sich eine Kristallisation, eine Versteinerung. Sie werden kalt. So erkennen wir dann schließlich die prächtige, lebendige Notwendigkeit, dass sich in der Geistesschule jeder deklarieren muss, auf welche Weise auch immer. Das ist eines der Ziele der Schule. Auf der Basis des eigenen psychologischen Zustands offenbart sich jeder Kandidat selbst, und es zeigen sich daher zwei Ströme: Einen Strom des befreienden Verlangens, der die Aufnahme in das neue Lebensfeld sichert, und einen Strom, der sich in einem bestimmten Augenblick umwendet und 79

zum Ausgangspunkt zurückführt. Sie werden verstehen, dass weder das »alles oder nichts« von Ibsen, noch das »Wer nicht alles verlässt, was er hat, und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein« von Jesus dem Herrn eine Lebenshaltung ist, zu der Sie sich in einem gegebenen Moment und mit dem Einsatz Ihres Willens entschließen können. Denn es ist eine Lebenshaltung, die aus Lebenserfahrung entsteht. Diesen Becher muss man bis zum letzten Tropfen austrinken. Er kann nicht an dem Menschen vorübergehen. Und wenn das Erfahrungsbewusstsein in einem bestimmten Augenblick vor Entscheidungen gestellt wird, dann wird die Art, die Qualität dieses Bewusstseins bestimmen, welchem Weg gefolgt wird. Diese Entscheidung steht immer im Voraus fest. Sie werden durch die Summe Ihrer Erfahrungsqualitäten im Blut geführt, und Sie werden – Gott sei Dank – von der Universellen Bruderschaft niemals losgelassen. Sie trifft Sie mit ihren Strahlen, sie zeugt von Ihnen und jagt Sie der Wegscheide entgegen. Viele Male wurden Sie zum Ausgangspunkt zurückgeführt, aber einmal werden Sie durchbrechen zur Hochebene des Verlangens und die neue Morgenstunde anbrechen sehen.

Kapitel 5

Das Offenbarungsbewusstsein Anhand der Pistis Sophia haben wir Sie nun in das Mysterium der neuen Menschwerdung eingeführt und zusammen die ersten Phasen des Pfades von verschiedenen Seiten aus studiert. Wir stellten fest, dass die elementare Basis der neuen Menschwerdung der Besitz des Geistfunkenatoms oder der Rosenknospe ist, des Prinzips, welches sich an der Spitze der rechten Herzkammer befindet. Jeder Mensch, der dieses Prinzip besitzt, noch besitzt, erfährt es durch einen elementaren Seinszustand, der den ganzen Charakter, das gesamte Verhalten eines solchen Menschen, oft von Jugend an, kennzeichnet. Diesen Zustand deuten wir als Beunruhigung an. Wir sprechen von heiliger Beunruhigung, denn dieser Zustand sollte heilbringend, genesend wirken. Er kann aus der Empfänglichkeit für eine bestimmte Gruppe elektromagnetischer Einflüsse erklärt werden, die nicht aus der Natur stammen, vom bewussten Geistfunkenatom aufgenommen und im ganzen System verbreitet werden. Diese elektromagnetischen Strahlungen werden von der Universellen Bruderschaft ausgesandt, die über ihre sieben Arbeitsfelder ein solches magnetisches Strahlungsfeld in unserem Lebensgebiet bewusst unterhält. Es ist sicher, dass jede Geistfunkenatom-Wesenheit darauf reagieren muss und da80

von beunruhigt wird. Das ist die nüchterne Wirklichkeit der rufenden Stimme Gottes, die nach mystisch-poetischer Auffassung zu jedem ausgeht. Es ist ebenfalls die nüchterne Wirklichkeit der persönlichen Reaktion Gottes auf das individuelle Verhalten jedes Menschen. Der kindliche Mystiker sagt: »Gott sieht alles und hört alles.« Darin liegt eine gewisse Wahrheit, denn jedes magnetische Feld reagiert sehr genau auf das Verhalten des Körpers, der vom Einfluss dieses Feldes getroffen wird. Die Handlung eines Menschen, der mit einem magnetischen Feld verbunden ist, bestimmt die Wirkungsweise dieses magnetischen Feldes. So stellen wir also fest, dass durch die Strahlung eines bewusst ausgesandten magnetischen Feldes, das wie ein Netz in die große Menschensee herabgelassen wird, jeder Rosenknospenträger berührt, also in die Beunruhigung gedrängt wird. Er wird nicht in Ruhe gelassen, weder bei Tag noch bei Nacht. So ein Mensch wird mit dem neuen Leben im Sinn eines Mysteriums konfrontiert. Das Mysterium umringt ihn, er kann sich nicht davon befreien. Also wird dieser Mensch zum Sucher. Er stellt Lebensfragen. Er ergründet die Ursachen des Daseins. Er weiß, dass er ein Fremdling auf Erden ist. Aufgrund seines Wesens ist er ein Romantiker, der das andere, den Anderen, das Wunderbare sucht. Wenn das Lebensfeld der Menschen so vorbereitet ist, gehen von der Universellen Bruderschaft Diener aus und gründen Schulen. Oder sie ziehen auf andere Weise Schüler an. Sie sprechen von der heiligen Beunruhigung und erklären ihre Bedeutung. Sie zeugen von der Gnosis, vom göttlichen Rufen und vom magnetischen Feld. Wenn dann Sucher da sind, die hören wollen und hören können, dann gehen sie weiter, sprechen über das ursprüngliche Leben und demaskieren die Dialektik. Sie erklären den heutigen Seinszustand des Suchers. Ihre Absicht ist klar. Sie versuchen, ihre Schüler zu einem sehr innigen, harmonischen und persönlichen Verhältnis zu dem bewussten magnetischen Spannungsfeld zu führen. Dieses harmonische Verhältnis könnte man »Glauben« nennen: an das neue Leben glauben, auf die Vereinigung damit hoffen, die Schule und ihre Arbeit lieben. Die Folge ist eine stets mehr um sich greifende Entfremdung vom dialektischen Leben. Man kann auch von einem maßlosen, alles erfüllenden Verlangen sprechen. Aber es ist ebenfalls möglich, dass – wie wir bereits früher besprachen – eine Abweisung der Vereinigung entsteht, eine fundamentale Angst davor, weil man sich noch nicht in der Materie festgelaufen hat und noch nicht genügend Erfahrungsbewusstsein vorhanden ist, um von dieser Natur Abschied nehmen zu können. Wenn jedoch in einer Menschenseele das maßlose Verlangen wächst und der volle Strom des gnostischen magnetischen Feldes über das Uratom in den Kandidaten einfließt, entsteht ein völlig neuer Zustand. Der Glanz, die Glorie und die Majestät des neuen Lebens werden dem Kandidaten dann geoffenbart und erfüllen ihn mit großer 81

Dankbarkeit, Freude und großem Enthusiasmus. Sie müssen gut verstehen, dass hier von Offenbarung gesprochen wird und nicht von Erfüllung oder Erreichen. Es geht hier nur um eine höhere Stufe des Glaubenswissens, die »Offenbarung« genannt wird. Und diese Offenbarung bringt eine sehr persönliche Kenntnis bezüglich der wahren Art der Gnosis. Wir gehen jedoch zu einem anderen Thema über. Wenn eine okkulte Bruderschaft, eine hierarchische dialektische Macht die Menschheit auf praktische Art beeinflussen will, dann geschieht das stets durch ein magnetisches Feld, das als Basis dient. Daher muss man erkennen, dass es in der menschlichen Lebenssphäre viele magnetische Felder gibt. Es werden sehr viele Netze in die menschliche Lebenssee herabgelassen. Sie brauchen hier nur an die tibetanischen Einflüsse zu denken, die über die Welt gehen, oder an einige Kirchen, die durch ihr magisches System ebenfalls ein solches Feld unterhalten. Man kann also mit Sicherheit sagen, dass sehr viele magnetische Einflüsse auf die Menschheit ausgeübt werden, und viele dieser Einflüsse imitieren das magnetische Feld der Universellen Bruderschaft. Ist das nicht zum Fürchten? Kann der Mensch dadurch nicht irregeleitet werden? Nein, Irreführung ist für einen seriösen Sucher vollkommen ausgeschlossen. Denn aufgrund der universellen magnetischen Gesetze ist jedes magnetische Feld an einem bestimmten Punkt dazu gezwungen, seine wahre Art zu offenbaren. Sollte diese Offenbarung etwas zeigen, was der fundamentalen Art des Kandidaten völlig entgegengesetzt ist, dann kann dieser sich immer dem Einfluss dieses magnetischen Feldes entziehen und sein anfängliches Interesse neutralisieren. Daher ist Offenbarung nicht nur eine Bewusstseinserweiterung, sondern auch eine Prüfung, ein Kontrollmittel. Eine Offenbarung beweist die Wahrheit und die wahre Art der Kernkraft des jeweiligen magnetischen Feldes. Es gibt keinen Menschen, der unbewusst geopfert wird. Alles, was darüber gesagt wird, ist größtenteils Unsinn. Wenn eine Geistfunken-Wesenheit wahrlich Befreiung sucht, dann kann sie die Geister wirklich prüfen, ob sie aus der Gnosis sind. Sie kann das Kontrollmittel anwenden. Jedes magnetische Feld ist nämlich gezwungen, sich auf Wunsch zu offenbaren. Geschieht das nicht, dann wird die Offenbarung auch nicht gewünscht, und der Betroffene fühlt sich außergewöhnlich wohl in der Strahlung dieses Einflusses. Er lässt sich von den Botschaftern des betreffenden Feldes in die Irre führen. Eine Signatur solcher Botschafter ist, dass sie von ihren Anhängern fordern, an die überlieferten Lehrsätze und Satzungen zu glauben, die als unantastbare göttliche Worte dargestellt werden. Diese Lehrsätze bilden dann gleichsam eine Barriere vor seriöser Untersuchung. Um die Neigung nach Kenntnis zu befriedigen, wird eine Wissenschaft eingesetzt. Man lässt die Studenten diese Lehrsätze in Griechisch und Lateinisch auswendig ler82

nen. Dadurch wird ein Studium der griechischen und lateinischen Sprache notwendig. Man lässt die Studenten in den alten Sprachen und der Kenntnis vieler Autoren versinken. Sie müssen wissen, was sie alles über Schrift und Bekenntnis gesagt haben. Unzählige magische Rituale müssen studiert werden. Während eines Jahres oder in sieben Jahren werden die Gehirne der Betroffenen so geladen und beschädigt, es wird so oft zu ihnen gesagt, dass sie Volksführer und Priester sind, dass sie es zuletzt selbst glauben. Aber »Offenbarung« bleibt ihnen fern, denn ihre Offenbarung ist der Buchstabe und die intellektuelle Kenntnis, die auf die beschriebene Weise gesammelt wird. Sie erkennen nicht, dass sie in Wirklichkeit nichts wissen, dass man sie zum Besten hält und sie körperlich beschädigt dem Leben ausgeliefert werden. Sehr bewusst wird durch diese Methode die Möglichkeit zur Offenbarung verhindert und getötet. Dürfen wir Sie fragen, lieber Leser, ob Ihre Überzeugung sich auf den Inhalt Ihres Bücherschrankes oder den intellektuellen Inhalt Ihres Gehirns stützt? Wenn das der Fall ist, dann ist das Ihre eigene Schuld, dann haben Sie sich durch den Einfluss eines magnetischen Feldes der gewöhnlichen Natur opfern lassen. Man hindert Sie so daran, zur Offenbarung zu kommen. Kehren wir nun zu unserem Ausgangspunkt zurück. Wer durch den Glauben an die Gnosis und durch den geschilderten Prozess vom unermesslichen Verlangen erfüllt ist, wird weitergeleitet zur Offenbarung. Durch sein harmonisches Verhältnis zur Gnosis dringt ein solcher Kandidat durch zu dem Punkt, an dem der Kern des magnetischen Feldes sich ihm offenbart, sich entfaltet, sich deklariert. In der Offenbarung des Johannes wird das als eine Konfrontation des Kandidaten mit Ihm, welcher der Erste und der Letzte ist, mit dem ursprünglichen Menschen dargestellt. Der Kandidat ist dann nicht dieser neue Mensch, noch lange nicht! Aber Er wird ihm gezeigt, sehr persönlich. Erkennen Sie nun den Unterschied zwischen Offenbarung und Kenntnis? Sie müssen jedoch beachten, dass eine solche Offenbarung nicht einmalig ist, sondern dass dieser Prozess eine unaufhörliche Reihe derartiger Entfaltungen verursacht. Es kann sein, dass sich plötzlich etwas so Mächtiges, so Herrliches vor Ihnen entfaltet, dass Sie gleichsam stammelnd ausrufen: Welch eine Offenbarung!« Und Sie sind sprachlos vor Dankbarkeit. Genau wie die Jünger auf dem Ölberg in der Pistis Sophia empfinden Sie: Wir sind gesegnet vor allen Menschen. Das ist die Offenbarung des Jupiter-Bewusstseins, von dem einige berichten, dass es in einer fernen Zukunft kommen soll. Aber Sie können es im Jetzt ergreifen, wenn Sie nur den beschriebenen Pfad gehen. Wenn Sie dieses Offenbarungs-Bewusstsein besäßen, würden Sie im gleichen Moment sehen, sprechen und erfahren. Sie würden nahe am ewigen Vaterhaus der Dinge stehen, wie man mystisch sagen könnte. 83

Dieses Offenbarungsbewusstsein ist jedoch nur eine Phase, eine Endphase auf dem Weg des johanneischen Menschen. Es ist also noch ein rein dialektischer Zustand. Dieses Bewusstsein der Entfaltung muss nun zur Basis für die letzte und entscheidende Wahl werden.

Kapitel 6

Der magnetische Sturm Die Schule des Rosenkreuzes hat die Absicht, ihre Schüler in das Mysterium der Entstehung des neuen Menschen einzuführen. Und wir haben Ihnen dieses Mysterium als ein aktuelles Geschehen im lebenden Heute geschildert, an dem Sie Anteil haben können, wenn Ihr Verlangen danach ausgeht. Es gibt Menschen, die sich diesem Mysterium wie einem dogmatischen Problem nähern wollen. Sie wollen daraus ein »Studium« machen. Sie wollen seine Ansichten ungefähr so betrachten wie ein Mensch, der vor einem Schaufenster steht und sich durch die Kunst eines geschickten Dekorateurs fesseln lässt. Doch die Gnosis lässt sich nicht zur Schau stellen. Sie entschleiert sich nur für jene, die sich ihr aus lebendiger Seelennot nähern. Die Gnosis wird auch niemals zu einer Wissenschaft, über die man an einer Universität dozieren kann. Sie ist für Menschen mit einem brennenden Herzen. Sie ist für Schüler einer Geistesschule, für jene, die sich im wahren Heilsverlangen dem Ziel und Wesen des großen Werkes nähern und die nur in diesem Zustand als Schüler angenommen werden. Sie wissen, dass die elementare Basis zum Werden des neuen Menschen der Besitz eines Geistfunken-Atoms oder der Rosenknospe ist. Dieses Prinzip befindet sich an der Spitze der rechten Herzkammer. Sie nehmen die Anwesenheit dieses Prinzips wahr durch einen Seinszustand, den man als Beunruhigung bezeichnen kann. Ein solcher Zustand wird erklärt durch eine Empfänglichkeit für bestimmte Gruppen elektromagnetischer Einflüsse, die von der Universellen Bruderschaft ausgesandt werden. Diese Einflüsse kommen aus einem magnetischen Feld, das nicht aus der dialektischen Natur erklärt werden kann. Es sind Einflüsse, die nicht durch das gewöhnliche Bewusstsein oder vom Schlangenfeuer oder von einem Organ der inneren Sekretion aufgenommen werden können, sie können ausschließlich durch das Uratom wahrgenommen, aufgenommen und verarbeitet werden. Das Uratom ist ein sehr seltsames, fremdes Prinzip in der übrigen Atomstruktur unserer Persönlichkeit. Es besitzt einen völlig anderen Bau und gehört nicht zu einer Gruppe ursubstanzieller Art im gewöhnlichen Lebensfeld. Darum liegt dieses Atom, gleichsam wie eine Rosenknospe in ihren grünen Deckblättern, verloren im Herzheiligtum, bis die elementare Strahlung der Gnosis es erweckt. 84

Es ist sicher, dass jede Geistfunken-Wesenheit in einem gegebenen Moment auf diese Radiation reagieren muss. Die erste Reaktion ist Beunruhigung, weil die Rose des Herzens, das siebenfache Prinzip des wahren göttlichen Menschen, sich nach dem Vaterland sehnt. Sobald die Rosenknospe sich für die berührenden Strahlungen empfänglich zeigt, entwickelt sich eine Glut, eine Widerspiegelung, welche die gesamte Persönlichkeit berührt und alle gewöhnlichen Bewusstseinszentren angreift. So wird ein Menschenkind gerufen. Es ist ein magnetisches Ziehen, das in allen Zeiten einige Dichter und Denker bewegt hat. Es ist dieses magnetische Rufen, das die Einfältigen, die Unkomplizierten zu allen Zeiten dazu trieb, ihre Scheu der Einfalt zu überwinden und sich freimütig dem Licht der Mysterien zu nähern. Dabei zeigte sich immer wieder, dass gerade die Einfalt und Unkompliziertheit der kürzeste Weg zum Ziel, zur Gotteskindschaft war. Wir haben das Ziel der Beunruhigung erwogen, und was sollte dieses Ziel anderes sein, als ein Menschenkind zum Suchen zu drängen? »Suchet und ihr werdet finden«, das ist ein Urgesetz. Wenn eine Menschenseele durch Beunruhigung zum Suchen getrieben wird, muss sie einmal finden. Es mag vielleicht für jene, die in die Zeit verstrickt sind, endlos lange dauern, und das Rad mag sich möglicherweise viele Male drehen, aber der Sucher findet! Die beginnende Berührung der zum Finden prädisponierten Seele durch die Gnosis ist so herrlich einfach und gleichzeitig so unwiderstehlich, dass man darüber lachen könnte mit einem Lachen des Erstaunens, mit einem Lachen der Ehrerbietung, mit einem stillen Lachen der höchsten Dankbarkeit. Es gibt keine Menschenseele, die dabei übergangen werden könnte. Denn es ist eine Strahlungsfülle, die aus einem siebenfachen Quell über die Welt fließt und jede Atom-Wesenheit erreichen muss, wenn sie sich auch im Urwald aufhält oder in einer Weltstadt verloren ist. Diese Strahlungsfülle weckt nicht den Brand einer Krisis. Sie ist nur ein unablässiges, stilles Rufen. Sie wirkt aufgrund magnetischer Gesetze, auf die das ur-atomare Kristall antworten muss. So wird eine Menschenseele zu einer gewissen Reife geführt. Und im gegebenen Moment findet ein solcher Mensch die Geistesschule, in der die Mitarbeiter über die Art und Ursachen des Suchens sowie über den Quell der neuen magnetischen Strahlung sprechen. Dann gibt es ein Erkennen und dadurch eine große Freude. Der Sucher hat gefunden. Aber das ist nur ein Meilenstein auf dem Pfad. Nun versuchen die Mitarbeiter, den Fremdling zu einem sehr innigen, harmonischen und persönlichen Verhältnis zu dem bewussten magnetischen Spannungsfeld zu drängen. Die Reaktion allein kann ein sehr seltsames Verhalten auslösen. Aber wenn jemand reagiert, nachdem er verstanden hat, dann nennen wir das Glauben. An das neue Leben glauben bedeutet, dieses Leben zu lieben. So wird der Kandidat von einem fast unendlichen Verlangen erfüllt. 85

Dieser Zustand ist prächtig und unermesslich schön. Denn, sehen Sie es ein, wenn die Gnosis Sie ruft und zu sich zieht, und Sie lassen alles hinter sich, um sie in einem mächtigen Verlangen zu finden, dann nähert sich die Gnosis nicht nur Ihnen, sondern Sie eilen auch auf sie zu. Und das muss, o göttliche Herrlichkeit, zu einer leiblichen Begegnung und einem klaren und deutlichen Finden führen. Denken Sie hier nicht an einen ehrwürdigen Meister oder Adepten. Das Wesen dieser Begegnung drückt sich in einer Kraftausgießung aus. Es geht dabei um einen Pfingsttag des göttlichen Feuers, um einen weiteren Meilenstein auf dem Pfad. Diese Begegnung wird in unserer Terminologie »Offenbarung« genannt. Durch diese Verbindung aus erster Hand erkennt der Kandidat sehr persönlich die wahre Art der Gnosis. In diesem Offenbarungsbewusstsein besitzt er dann ein Kontrollmittel. Er ist dann, wie es in der Pistis Sophia heißt, gesegnet vor allen Menschen. Offenbarung ist Erkenntnis ohne intellektuelle Vorbereitung. Offenbarung ist Wissen bis in den innersten Kern. Die gewöhnliche Kenntnis vermag nur beim Äußeren der Dinge zu verharren. Es geht hier um das Jupiter-Bewusstsein. Sobald dieses Bewusstsein der Entfaltung vor dem Kandidaten zu leuchten beginnt, wird er vor eine letzte und entscheidende Wahl auf dem johanneischen Pfad gestellt. Diese entscheidende Wahl muss in der fünften Phase stattfinden, die in der Pistis Sophia wie folgt beschrieben wird: Am fünfzehnten Tag des Mondes im Monat Tybi, am Tag des Vollmondes, als die Sonne ihre Bahn betrat, kam hinter ihr eine gewaltige Lichtkraft hervor, die außergewöhnlich hell strahlte, so dass es kein Maß gab für das Licht, das mit dieser Kraft verbunden war. Denn sie kam hervor aus dem Licht der Lichter und aus dem letzten Mysterium, dem vierundzwanzigsten – von innen nach außen – jener Mysterien, die sich in den Ordnungen des zweiten Raumes des Ersten Mysteriums befinden. Diese Lichtkraft kam auf Jesus herab und umgab Ihn ganz, während Er ein wenig entfernt von seinen Jüngern saß, und Er strahlte sehr in dem unermesslichen Licht, das an Ihm war. Die Jünger hatten Ihn nicht gesehen infolge dieses großen Lichtes, in dem Er sich befand, denn ihre Augen waren durch das große Licht, das Ihn umgab, geblendet. Sie sahen nur Licht, das viele Lichtstrahlen aussandte. Die Lichtstrahlen waren einander nicht gleich, sondern das Licht war von unterschiedlicher Beschaffenheit und Eigenschaft, von unten nach oben – ein Strahl unendlich vortrefflicher als der andere in einem großen, unermesslichen Lichtglanz, der von der Erde bis zum Himmel reichte. Als die Jünger dieses Licht sahen, gerieten sie in große Furcht und Erregung. Als diese Lichtkraft auf Jesus herabkam, umhüllte sie Ihn allmählich ganz. Da stieg Jesus auf und fuhr in die Höhe, während Er im unermesslichen, blendenden Licht erstrahlte. [...] 86

Drei Stunden, nachdem Jesus zum Himmel aufgefahren war, gerieten alle Kräfte des Himmels in große Aufregung, und alle bewegten sich gegeneinander, sie und all ihre Äonen und all ihre Gebiete und Ordnungen. Die ganze Erde mit ihren Bewohnern geriet in Erschütterung. Und alle Menschen auf der Erde und auch die Jünger gerieten in einen Zustand starker Beunruhigung und alle dachten, dass vielleicht die Welt zusammengerollt werden sollte. Alle Kräfte des Himmels hielten an in ihrem Aufruhr, sie und die ganze Welt. Sie bewegten sich alle gegeneinander, von der dritten Stunde des fünfzehnten Tages im Monat Tybi bis zur neunten Stunde des folgenden Tages. Wenn der Kandidat in die besprochene Phase der Offenbarung eintritt, kann von einem persönlichen Kennen und Prüfen gesprochen werden. Wenn das Sich-beugen vor der Autorität und dem Dogma dem Erfassen aus erster Hand gewichen ist und man eine persönliche Verantwortung für eine Wahl übernehmen kann, zieht im gesamten mikrokosmischen System des Schülers ein magnetischer Sturm auf. Dieser magnetische Sturm wird in dem zitierten Abschnitt aus der Pistis Sophia beschrieben. Auch im Buch der Offenbarung und in Die alchimische Hochzeit des Christian Rosenkreuz lesen Sie darüber, ebenfalls in den Evangelien, wenn von dem Schiff auf dem See Tiberias berichtet wird. Sie finden es auch in Christianopolis von Johann Valentin Andreae und in vielen anderen Schriften. Dieser magnetische Sturm ist so überwältigend, so intensiv, so seltsam und völlig ungewohnt, dass zuerst eine große Erschütterung und Verzweiflung entsteht. Man meint, eher der Vernichtung als der Erlösung nahe zu sein. Aber aus dieser Zerschlagenheit entwickelt sich der weitere Prozess der aktuellen, renovierenden Befreiung, wenn der Kandidat die Forderung des magnetischen Sturms annehmen will. Die Erfahrung des Todes, von der alle, die sie durchkämpfen mussten, zeugen, entsteht durch die Tatsache, dass das Ich der Natur durch die Heftigkeit der neuen magnetischen Berührung gleichsam gelähmt und handlungsunfähig wird und der neue Bewusstseinsbrennpunkt noch nicht wirksam geworden ist. Mit anderen Worten: Die beschriebene Erfahrung beweist, dass der Kandidat bei seiner Annäherung an den Brennpunkt des neuen magnetischen Feldes einen Krisispunkt erreicht hat. Er steht gleichsam vor einer Mauer. In dieser Mauer befindet sich jedoch eine Pforte, die tatsächlich zu öffnen ist. Dazu muss man aber den Schlüssel, das Vermögen besitzen. Dieses Vermögen liegt nicht in den Resultaten der Persönlichkeitskultur oder in der Willkür eines Meisters. Denn Sie haben keinen Meister oder Adepten nötig, um diese geschlossene Pforte öffnen zu können. Sie haben das neue Bewusstsein nötig und ein völlig neues Ich als Basis für eine neue Persönlichkeit. 87

Die Wahl, die Sie treffen müssen, ist folgende: Sie müssen entscheiden, ob Sie bereit sind, das alte Ich, den alten Bewusstseinsbrennpunkt, der ungeeignet ist, im neuen magnetischen Feld weiterzugehen, preiszugeben. Es geht, kurz gesagt, darum, ob Sie bereit sind, den Pfad der Vollendung zu gehen oder nicht. Die Offenbarung der Gnosis ist die Einleitung zu einem solchen Entschluss. Wer sich hier, auf diesem Punkt des Pfades, weigert, die Konsequenzen des Pfades anzunehmen, aus welchen Gründen auch immer, sei es aus Ichzentralität oder aus Angst, kann tatsächlich nicht mehr zurückkehren. Und wird ihm nicht die Gnade des Trunks des Vergessens geschenkt, dann wird er der Karikatur aller wahren Gnosis, die man in dieser Welt Okkultismus nennt, ausgeliefert. In der Offenbarungsphase hat man so viel Kenntnis über die Gnosis gesammelt, dass man sie zu imitieren beginnt, dass man sie in einem Lebensfeld anwenden will, das dafür nicht geeignet ist. Das versucht auch die Naturreligion. Die eine und ausschließliche Folge ist eine stets zunehmende Zerrüttung der Welt und der Menschheit, eine stets stärkere und dynamischere Ichzentralität, sowie eine Kultur des dialektischen Ichs. Und es ist gleich, ob man es schwarz oder weiß nennt, heidnisch oder christlich. Darum müssen Sie die große Bedeutung der kommenden Stunde der Wahl erkennen. Wählen Sie den Pfad der wirklichen Erlösung, wie ihn Buddha und Christus gewiesen haben, den Pfad einer vollkommenen Abkehr vom Ich der Natur, so dass Sie Ihr Leben verlieren, um ein anderes zu gewinnen? Oder werden Sie den Wahn wählen, den Wahn des »Königs Ich«? Sobald Sie das letztere, den Pfad der Persönlichkeitskultur wählen, wird das Uratom wieder verschlossen, und Sie verlieren die Verbindung mit dem neuen magnetischen Feld. Wenn Sie aber, stehend vor der Pforte des Lebens, den Weg der Selbstersterbung gehen, dann wird Ihr Pfad Sie zum Leben führen. Dann folgt auf den Sturm die Ruhe: die Ruhe des Volkes Gottes.

Kapitel 7

Ein neuer Himmel und eine neue Erde Bevor wir unsere Besprechung über die Pistis Sophia fortsetzen, ist es notwendig, Ihnen die Art und das Wesen eines magnetischen Feldes zu erklären. Es wird so oft über das magnetische Feld des neuen Lebens und das der gewöhnlichen Natur gesprochen. In der Geistesschule werden Sie immer wieder auf die vielfältigen magnetischen Einflüsse hingewiesen. Die gesamte Universelle Lehre muss im Zusammenhang mit magnetischen Kräften gesehen und daraus erklärt werden. Daher ist es eine dringende Forderung, dass jeder Schüler versteht, was wir meinen, wenn ein 88

solches magnetisches Feld zur Sprache kommt und er sich ein Bild davon machen will. Vor allem in einer Daseinsperiode wie der unsrigen, in der viele Geschehnisse allein durch magnetische Einflüsse erklärt werden können, ist es absolut notwendig, dass der Schüler den Zusammenhang der Ereignisse erkennt. Zur Einleitung weisen wir Sie auf den Spruch hin, der auf der Bronzeplatte im Grabkeller des Christian Rosenkreuz steht: »Es gibt keinen leeren Raum«. Dieser Spruch hat viele Bedeutungen, so viele, dass man von einer unendlichen Anzahl sprechen kann. Im allgemeinen kann man aus diesen Andeutungen entnehmen, dass das, was wir den Raum oder den unendlichen Raum nennen, ein Feld für eine ebenfalls unendliche Anzahl Entwicklungen ist, die sich gegenseitig durchdringen, umfangen und erfüllen. Sie unterscheiden sich voneinander durch Unterschiede in den magnetischen Gesetzen. Jede Entwicklung besitzt ihr eigenes magnetisches System, ihr eigenes magnetisches Gesetz und ist dadurch absolut von jeder anderen Entwicklung getrennt, obwohl alle im gleichen Raum existieren. Wir sehen eine Sonne und andere markante Himmelskörper. Wie erfahren nachweisbar ihre Einflüsse. Wir wissen, dass wir zu ihrem System gehören. Es ist eine Ordnung, in der alles passt und alle Faktoren fast unfehlbar zusammenwirken. Und wir wissen auch, dass alles durch ein großes Naturgesetz zusammengehalten wird. Alles dreht und bewegt sich in Spiralen nach den Normen eines fundamentalen, magnetischen Gesetzes. Unser Weltbild, unsere Raumvorstellung, die Impressionen, die wir vom Weltall erhalten, unsere eigene Art und unser Zustand, die Situation und Gestaltung unseres Mikrokosmos, das alles entsteht durch das gleiche fundamentale magnetische Gesetz und ist daraus zu erklären. Man kann von unserer All-Offenbarung nicht sagen, dass sie ein Wahn ist, dass sie nicht besteht. Wenn wir jedoch von »Dialektik« sprechen und Jakob Böhme von »der Natur des Todes« und damit den gesamten sichtbaren Raum und alles, was sich zwischen den Sternen ausspannt, meinen, dann wollen wir und Jakob Böhme damit ausdrücken, dass diese All-Offenbarung ungöttlich und nicht eins mit der Gottesnatur ist. Wenn wir sie oder einen Teil von ihr dennoch als göttlich interpretieren oder andeuten würden, dann wäre das ein Wahn. Man hat zu allen Zeiten spöttisch gefragt, wo sich denn das Unbewegliche Königreich, das Reich, nicht von dieser Welt, das neue Lebensfeld der Transfiguristen befindet. Man hat von Hirngespinsten, von völligem Unsinn, von Exaltation usw. gesprochen. Man hat niemals verstanden, worüber die Transfiguristen sprachen. Viele Schüler stehen vielleicht der gleichen Frage gegenüber. Welche Antwort sollen sie geben, wenn man ihnen diese Frage mit spöttisch funkelnden Augen vorlegt? 89

Man kann sich das Ereignis vorstellen, das in Matthäus 24 beschrieben wird: Erde und Himmel sind durch eine Katastrophe vorübergegangen. Die Astronomen wissen, dass Sterne verschwinden und neue auftauchen. Wenn in unserem Weltall etwas verschwindet, tritt etwas anderes an seine Stelle. Das Weltall bleibt, wenn auch in einer anderen Rangordnung. Die Sonne kann verlöschen, was den Untergang unseres Sonnensystems bedeuten würde, aber das Weltall bleibt, es existiert. Mit Fernrohren wird der Raum bis in unermessliche Fernen erforscht. Und mit neuen Fernrohren werden Räume aufgespürt, zu denen noch kein menschliches Auge durchzudringen vermochte. Man diskutiert über das Problem, ob das Weltall endlich oder unendlich ist. Man entdeckt, dass die Lichtstrahlen eine Krümmung aufweisen und wieder zu ihrem Ausgangspunkt zurückkehren. Man kennt Sterne, die sich mit enormer Geschwindigkeit voneinander entfernen und andere, die sich einander nähern. Man spricht von einem sich ausdehnenden und schrumpfenden Weltall. Aber das alles geschieht auf der Basis des herrschenden Weltbildes, der herrschenden Sicht auf das Weltall, des fundamentalen magnetischen Gesetzes der gefallenen Naturordnung. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der naturreligiöse Mensch die Spiegelsphäre für das Königreich Gottes hält oder den einen oder anderen Planeten, zu dem er einmal mit einem Luftschiff reisen könnte. »Wenn das göttliche Reich weder hier noch in der Spiegelsphäre ist, dann wird es wohl irgendwo da draußen sein«, so denkt ein primitiver Schüler der Schule vielleicht. Nein, auch wenn Sie das gesamte Universum durchreisen könnten, Sie würden das Königreich Gottes nicht finden, weil dieses Reich allein durch ein anderes magnetisches Gesetz oder eine andere magnetische Ordnung zu sehen und zu betreten ist. Ein magnetisches Gesetz geht von einer strahlenden Idee aus, die den ursubstantiellen Raum berührt. Nach dieser Idee bildet sich ein Weltall mit seinen verschiedenen Formen und Kräften. Nun stellen wir eine Natur des Todes fest und wissen, dass die Idee, die diesem Weltall zugrunde liegt, also ungöttlich ist und niemals göttlich werden kann. Die Idee taugt nichts, daher kann auch ihre Offenbarung nichts taugen. Wäre die Idee unseres Weltalls göttlich, dann wäre eine ungöttliche Äußerung darin unmöglich. Darum müssen Sie einsehen lernen, dass es eine andere Idee, eine andere Gnosis gibt, infolgedessen ein anderes magnetisches Feld und daher auch ein anderes Weltall, das näher ist als Hände und Füße. Es ist und bewegt sich überall dort, wo die Natur des Todes nicht ist. Nicht außen und nicht innen, nicht oben oder unten, aber allgegenwärtig, dennoch so fern wie der am weitesten entfernte Himmelskörper. Stellen Sie sich vor, dass Sie mit einer Anzahl Menschen zusammen im gleichen Raum leben, die jedoch alle eine Idee, eine Lebensanschauung und daher auch eine Lebenshaltung haben, die vollkommen voneinander abweichen. Es gibt also Unter90

schiede in der Art, der Vibration und des magnetischen Zustandes. Ihre Idee und ihre Folgen umgeben Sie wie eine Wolke, und jeder von Ihnen lebt so in seiner eigenen Welt und Ordnung, während sich alle gleichzeitig in demselben Raum aufhalten. Wir möchten Sie mit dem Bewusstsein durchdringen, dass es neben dem fundamentalen magnetischen Gesetz, welches der dialektischen Ordnung und dem Weltall, zu dem sie gehört, zugrunde liegt, auch noch andere fundamentale magnetische Gesetze gibt, die gleichzeitig in demselben Raum bestehen können. Die reine, ursprüngliche Idee Gottes fordert eine absolute Ordnung und formiert ein Weltall. Könnte das nicht auch verderben und entarten? Das ist unmöglich! Denn die Strahlungsfülle der Idee Gottes ist unwiderstehlich und stets dieselbe. Daher bestand und besteht das göttliche Weltall und wird immer bestehen. Der Mensch ist aus diesem Weltall, aus diesem Universum in ein anderes Weltall gefallen, und zwar durch eine andere stimulierende Idee. Und seine Existenz hat sich diesem anderen Weltall angepasst. Darum kann die Gnosis als eine sich offenbarende Fülle unmöglich in der Natur des Todes sein. Sobald jedoch ein versunkener Mensch wieder Anteil erhält am ursprünglichen magnetischen Feld, wird sich ihm das ursprüngliche Universum zeigen. Denn Teilhaben an einem anderen magnetischen Feld bedeutet, ein anderes Bewusstsein, eine andere Persönlichkeit, einen anderen Mikrokosmos zu besitzen. Wir wollen Ihnen dann auch sagen, dass es eine andere Erde, eine andere Sonne, ein anderes Sonnensystem, ein anderes Weltall gibt. Das ursprüngliche Universum ersteht nicht erneut, es war immer da, es kann nicht verschwinden. Es ist gestern und heute dasselbe. Wenn Sie die Bibel studieren, dann lesen Sie von zwei verschiedenen Dingen. Erstens von einer kosmischen Katastrophe in der Natur des Todes, im dialektischen Weltall, vom Auf- und Untergang der Dinge. Zweitens wird von dem Kandidaten berichtet, der durch neues Bewusstsein erneut das ursprüngliche, wirkliche, göttliche Weltall erblickt. Diese beiden Mitteilungen werden oft miteinander vermischt, und man kann daher lesen, dass ein Himmel durch eine Katastrophe vorübergeht und danach ein neuer Himmel kommt. Aber was vorübergeht und erneut kommt, ist der Wechsel, die Radumdrehung in der Dialektik, im Mikrokosmos und Makrokosmos, im gesamten Weltall der Natur des Todes. Wenn wir jedoch in Offenbarung 21 lesen: »Ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde. Denn der erste Himmel und die erste Erde waren vorübergegangen«, dann wird damit auf den Schüler hingewiesen, der das Weltall des Wahns vorüberziehen sieht und durch Transfiguration im Weltall Gottes aufgeht. Die Geistesschule und die Weltbruderschaft will Sie zum gleichen Erleben im Jetzt drängen. Welchen Weg müssen Sie dann gehen? 91

Nun, Sie konnten bereits deutlich lesen, auf welche Weise auch Sie eine Pistis Sophia sein können. Das ursprüngliche Weltall existiert, wie wir feststellten, aus einer Idee. Es hat einen fundamentalen Kern, eine Sonne und daher auch ein Strahlungsfeld, eine magnetische Ausstrahlung. In dem großen magnetischen Feld der göttlichen Sonne sind sieben Sphären zu erkennen, sieben Strahlen, oder – wie die Bibel sagt – sieben Engel. Und da magnetische Felder sich gegenseitig durchdringen, ist es klar, dass die Todesnatur und die Natur der Gnosis einander sehr nahe sind. Der äußersten Sphäre des göttlichen Strahlungsfeldes wird man sich durch das Geistfunkenatom bewusst. Einer der sieben Engel bringt das Siegel auf Ihrer Stirn an und will die Spitze des dialektischen Bewusstseins für die Gnosis erobern. In Ihrem Mikrokosmos erfahren Sie dadurch das Licht der göttlichen Sonne, das Sie ruft und anzieht. Und in dem Maß, wie Sie auf den Ruf reagieren, treten Sie näher, von den äußersten Höfen bis zum Kern der göttlichen Sonne, vom Äußersten weitergehend bis zum Innersten. Bis Sie schließlich auf diesem Weg durch die magnetischen Kräfte des ursprünglichen Reiches so weit in das Innerste gezogen sind, dass eine wesentliche Veränderung stattfinden muss. Sobald diese Veränderung einsetzt, sehen Sie den neuen Himmel und die neue Erde. Es ist, als ob ein Vorhang beiseite geschoben wird. Dann haben Sie das Licht der Sonne und des Mondes nicht mehr nötig. Wir hoffen, Ihnen diesen Prozess von außen nach innen beschreiben zu können, damit Sie verstehen, was die Pistis Sophia auf ihrem Weg zur göttlichen Sophia erfuhr.

Kapitel 8

Die Begegnung mit der Geistesschule Wir haben versucht, Sie mit der Idee vertraut zu machen, dass es mehr als ein Universum gibt, die in einem Raum beschlossen liegen. Ein eventuell anderes Universum ist also nicht so weit von uns entfernt, dass man es auch mit den stärksten astronomischen Fernrohren nicht aufspüren könnte. Würde man es dreidimensional andeuten wollen, dann befinden sich mehrere Universa innerhalb desselben Raumes. Der dialektische Mensch besitzt ein bestimmtes Weltbild und gehört zu einem Universum. Alles, was seine stärksten Fernrohre wahrnehmen können, und auch das, was außerhalb ihres Bereichs liegt, der gesamte unergründliche Raum, gehört zum Weltall des Todes. Das heißt, zu einem Zustand, in dem die dialektische Naturgesetzmäßigkeit, die wir kennen, überall auftritt. Es ist das Gesetz des Entstehens, Blühens und Vergehens. Dieser Zustand wird durch Leben und Tod gekennzeichnet, 92

durch unaufhörlichen Wechsel mit allen entsprechenden Ursachen und Folgen. Unser Universum, zu dem wir gehören, wird durch ein bestimmtes elektromagnetisches Gesetz aufrechterhalten, durch eine bestimmte, innerhalb einer Gruppe von Möglichkeiten auftretende, differenzierte Schwerkraftwirkung, wodurch absolut zusammengehalten wird, was zusammengehört, voneinander abhängig ist und sich gegenseitig beeinflusst. Die Erde wird durch das Sonnensystem und den Tierkreis beeinflusst. Als Einheit wird sie stets in eine größere Einheit aufgenommen, und die größere Einheit wiederum in eine noch größere, bis wir das ganze Universum als eine Einheit erkennen. Dieser universellen Einheit liegt eine Idee zugrunde. Und die Gesamtheit ist die Wirksamkeit dieser Idee. Eine Idee ist und erweckt eine Vibration, welche die Ursubstanz berührt und darin eine Wirksamkeit und eine Offenbarung zeigt. Die Wirksamkeit ist das magnetische Feld, die Offenbarung ist das sich manifestierende Universum. Durch die fundamentale Idee wird auf eine bestimmte Weise Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlenstoff in zusammenhängender Form frei, werden Atome gezwungen, sich zu spalten und sich auf bestimmte Weise zu Elementen zusammenzufügen. Wir stellten fest, dass die Idee, die unserem Universum zugrunde liegt, ungöttlich ist. Das ist an der Wirksamkeit und Offenbarung der Idee zu erkennen und zu beweisen. Bereits daraus muss abgeleitet werden, dass es noch ein anderes Universum geben muss, das von einer anderen Idee ausgeht, einer göttlichen Idee. Dieses hat dann eine andere Wirksamkeit und eine andere Offenbarung, eine andere Ätherkonstante und folglich auch ein völlig anderes Wesen, sowohl im Prinzip als auch im Ergebnis. Dieses andere Universum braucht keinen anderen Raum, sondern nur eine andere Idee und dadurch ein anderes magnetisches Feld. Zwei verschiedene magnetische Felder können im gleichen Raum ihre unterschiedlichen Offenbarungen zum Ausdruck bringen, ohne dass die eine Offenbarung etwas von der anderen wahrnimmt. Höchstens können sich die beiden magnetischen Felder stören, wenn ihre Geschöpfe, wie dann auch, etwas miteinander zu tun haben. Es ist uns bekannt, dass ein Teil der Geschöpfe unseres Universums in der Präzeit zum göttlichen Universum gehörte. Das bezieht sich aber nicht auf unsere heutige Offenbarung, denn die ist vollkommen aus der Natur. Es war eine andere Offenbarung, von der lediglich ein Prinzip übriggeblieben ist. Es ist das Uratom, ein latentes magnetisches System im aurischen Wesen, das gleichsam in Schlaf gesunken ist, während im aurischen Wesen nun ein anderes magnetisches System herrscht. Wenn Sie ein Uratom besitzen, eine Rose des Herzens, die einmal in einem anderen Universum in wunderbarer Schönheit geblüht hat, dann besitzen Sie auch eine gewisse Empfänglichkeit für das göttliche magnetische Feld, das ist verständlich. Ihr 93

mikrokosmisches Feld kann daher vom göttlichen kosmischen Feld gestört werden. Da Sie als Individuum zum dialektischen Universum gehören, ist es klar, dass alle Individuen zusammen diese Störung in den gesamten dialektischen Kosmos übertragen. Zum Teil sind sie von der Gottesnatur, zum Teil von der Todesnatur. Daher stören sich die beiden magnetischen Felder gegenseitig. In der Bibel wird das zum Beispiel mystisch ausgedrückt mit der Bemerkung: »Gott lässt nicht die Werke seiner Hände.« »Er sendet seinen Sohn, um zu retten, was verloren ist.« »Er zürnt über die Sünden seiner Kinder.« So wird jeder Schüler vollkommen verstehen, dass er ein verlorener Sohn der Gnosis ist und die Einflüsse des äußersten Strahlungsfeldes des göttlichen Universums erfährt, wenn er in seinem Herzen eine Rosenknospe besitzt. Wenn ein Mensch diese Auswirkung nun nicht nur erfährt, sondern sie bewusst erkennt, dann steht er körperlich in den äußersten Höfen der Gnosis. Das äußerste Strahlungsfeld der Gnosis ist unverkennbar magnetisch, doch gewiss nicht in dem Maß, dass es katastrophal wäre. Das würde auch keinen Erfolg bringen, sondern es könnte dadurch höchstens das Uratom als Prä-Prinzip angezogen und aus dem versunkenen System gelöst werden. Das ist aber keineswegs die Absicht; denn das versunkene System sollte sich in einer Transfiguration freiwillig ergeben. Das versunkene System muss wieder vollkommen zum göttlichen System werden und in das göttliche Universum zurückkehren. Daher ist das äußerste Strahlungsfeld mit einer Berührung, mit einem Ruf, mit einem stillen Winken ohne jeden Zwang oder forcierendes magnetisches Ziehen zu vergleichen. Durch diese Berührung entsteht im Herzen eine sanfte Strahlung, die an das dialektische Bewusstsein appelliert, das darauf mit einer Beunruhigung reagiert, wie wir bereits besprochen haben. Durch diese fortwährenden Impulse an das dialektische Wesen wird das dialektische Bewusstsein gleichsam eingeladen, der Stimme, der Suggestion des Uratoms zu folgen. Das dialektische Bewusstsein weiß das natürlich nicht. Es hat keine Ahnung, dass es so etwas wie das Uratom gibt. Es ist in seiner unvollkommenen, ungöttlichen Welt so daran gewöhnt zu experimentieren und zu spekulieren, es ist – durch die Umstände getrieben – ein solcher Glückssucher, dass es meint, vollständig aus eigener Initiative zu handeln. Es ist absolut ichzentral, und doch wird das Ich tatsächlich geleitet. Vielleicht ist Ihnen nun klar geworden, dass kein einziger Rosenknospenträger diesen gnostischen Impulsen entkommt. In der Kraft dieses Einflusses entwickelt sich die ganze Reihe der Geschehnisse, die Sie so gut kennen, weil Sie selbst damit zu tun hatten oder noch damit beschäftigt sind. Sie kennen die Purzelbäume des Ichs in all seinen darauf gerichteten Interessen: Das Lesen der vielen Bücher, das Besuchen der unzähligen Versammlungen und Seancen, die endlosen Gespräche, das Anschließen an Bewegungen und Vereinigungen. Das Haupt wird müde vom vielen Denken, und man schwebt stets zwischen Hoffnung und Zweifel. Oder da ist der Widerstand mit allem, was am und 94

im Ich ist, Widerstand gegen die rufende Stimme – und das Vortäuschen des sehr überzeugten Menschen, der sich berufen und eingeweiht fühlt. Sie kennen das alles. Sie kennen das bekannte Beispiel des Schachtes, von dem der Deckel entfernt wurde. Die Sonne strahlt hinein, und es entsteht ein Gewimmel und Gerenne all der Kellermotten, dass es nicht anzusehen ist. Dieses Suchen und Wirbeln kann sehr lange dauern, ein Leben lang! Es dauert so lange, bis eine große innere Ermüdung entsteht. Die Ursache dafür ist, dass das aurische Wesen oder höhere Selbst ratlos ist. Es versucht, bei all den Experimenten des Menschen in der geschilderten Periode die Initiative zu behalten und führt das niedere Selbst überall hin, um seinen Hunger zu stillen. Es sind zwar Steine statt Brot, aber solange das Ich zuschnappt, gibt es eine gewisse Befriedigung. Aber nach einiger Zeit kommt der Moment, da das Ich das Gebotene nicht mehr annimmt. Dann ist das magnetische System des aurischen Wesens nicht mehr imstande, neue Befriedigung zu geben. Dann ist das höhere Selbst müde geworden. Dann entsteht eine Abschwächung des Lichtes des dialektischen Firmamentes und dadurch eine deutliche magnetische Störung. Das Uratom strahlt in einem neuen Licht, und ein korrespondierendes Lichtfeld im aurischen Wesen wird vom gnostischen magnetischen Feld ergriffen und belebt. Ein magnetischer Strahl dringt von diesem Moment an in einen Punkt des Zentralhirns im Hauptheiligtum ein, und sobald dieser Punkt erreicht ist, empfangen die Nebennieren einen starken Impuls. Vom Zentralhirn aus, das die Nieren und die Nebennieren regiert, strömt eine neue Energie in den Körper. Das Ich beginnt zum ersten Mal, positiv auf den Ruf der Gnosis zu reagieren. Jetzt ist der Mensch für das zweite Strahlungsfeld der Gnosis – von außen nach innen gesehen – reif geworden. In diesem zweiten Feld erhält der Schüler zum erstenmal Kontakt mit der Geistesschule. Vielleicht hat der Betreffende in seiner ersten Periode die Geistesschule bereits gekannt und hat sich darin aufgehalten. Aber er hat sie nur so gekannt wie jede andere beliebige Bewegung oder Vereinigung. Erst in der zweiten Periode wird er sie auch innerlich kennen, und zwar auf total andere Weise. Dann wird er sie lieben und ihr dienen, so feurig und unverbrüchlich, dass er sie niemals mehr loslassen wird. Der Schüler erhält dann einen Vorgeschmack der »Heimkehr«. Wir hoffen sehr, dass Sie jetzt bereits von dieser Erfahrung sprechen können. Die Jünger saßen nun in Furcht beieinander und waren sehr aufgeregt und fürchteten sich sehr wegen des großen Erdbebens, das sich ereignete, und sie weinten und sprachen zueinander: »Was wird wohl geschehen? Wird der Erlöser vielleicht alle Orte zerstören?« Während sie so zusammen sprachen und weinten, öffneten sich um die 95

neunte Stunde des folgenden Tages die Himmel, und sie sahen Jesus herniederfahren, außergewöhnlich strahlend, und es gab kein Maß für das Licht, in dem Er sich befand. Denn Er strahlte noch mehr als zu der Stunde, da Er zu den Himmeln aufgestiegen war, so dass die Bewohner der Erde das Licht, das an Ihm war, nicht fassen konnten. Es sandte Lichtstrahlen aus in Fülle, und seine Strahlen waren unermesslich. Dieses Licht war nicht gleichförmig, sondern unterschiedlich in Art und Beschaffenheit, während einzelne Strahlen unendlich viel leuchtender waren als andere. In seiner Gesamtheit bestand das Licht aus drei Arten, wobei eine unendlich viel leuchtender war als die andere. Die zweite oder mittlere Art war vortrefflicher als die erste oder unterste, und die dritte übertraf die beiden anderen. Der erste Strahl, der unterste von allen, ähnelte dem Licht, das über Jesus gekommen war, ehe Er zu den Himmeln aufgefahren war. Aber allein in seinem Licht war er jenem gleich. Die drei Arten des Lichtes waren von unterschiedlicher Beschaffenheit, jede unendlich vortrefflicher als die andere.

Pistis Sophia, Abschnitt 4 Kapitel 9

Das feurige Dreieck Wenn der Kandidat der gnostischen Mysterien zum ersten Mal mit der Glorie und Majestät des neuen Lebensfeldes – also mit den Strahlungen des sechsten kosmischen Gebietes – konfrontiert wird, erfährt er die Gewalt eines magnetischen Sturms, in dessen Wirbeln er glaubt, der Vernichtung und seinem Ende nahe zu sein. Wir behandelten diese Bewegtheit schon oft, und Sie kennen daher ihre Ursachen. Sobald der sich nähernde Schüler einigermaßen mit dieser Berührung vertraut zu werden beginnt, erkennt er die Struktur des neuen magnetischen Feldes. Dessen Licht ist unermesslich, und es sendet Strahlen im Überfluss aus. Diese Strahlen gleichen sich nicht. Ihre Art und Vibration ist unterschiedlich. Aber trotzdem gehören sie zusammen und entspringen dem gleichen Quell. Die genannten Strahlungen gliedern sich in drei Gruppen. Die Pistis Sophia stellt diese Unterschiede fest, aber sie will gleichzeitig nachdrücklich sagen, dass sie aus ein und derselben Majestät stammen. In seiner Gesamtheit bestand das Licht aus drei Arten, wobei eine unendlich viel leuchtender war als die andere. Die zweite oder mittlere Art war vortrefflicher als die erste oder unterste, und die dritte übertraf die beiden anderen. Leuchtend, vortrefflich – Superlative, die sich tatsächlich nicht übertreffen, aber sich 96

voneinander unterscheiden. Dieses dreifache Licht wird das Lichtkleid Jesu des Herrn genannt. Und ersetzen wir die mystische Ausdrucksweise durch eine naturwissenschaftliche, dann muss es heißen: Dieses dreifache Licht ist die Art und das Wesen des gnostischen elektromagnetischen Feldes. Der Schüler, der in Jesus dem Herrn untergeht, empfängt dieses Lichtkleid, das man durch ein Dreieck symbolisieren kann. Es ist das Trigonum Igneum der klassischen Rosenkreuzer, das feurige Dreieck, das in der Confessio Fraternitatis R. C. besprochen wird. Beantworten wir nun zuerst die Frage, warum das Lichtkleid aus drei Gruppen, drei Ansichten besteht. Sie müssen dann in erster Linie wissen, dass ein magnetisches Feld durch einen positiven und einen negativen Pol gebildet wird, wodurch eine dritte Ansicht hervortritt. Die dritte Ansicht ist das Resultat oder das Licht, welches durch die Begegnung des Positiven mit dem Negativen angezündet wird. Das Vortreffliche und das Hervorragende begegnen sich, und das Resultat ist das Strahlende. In der alten Weisheit sprach man vom Feuer, von der Flamme und vom Licht. In der biblischen Terminologie heißt es Vater, Sohn und Geist. Und Sie wissen, dass der Geist, der Heilige Geist, als Licht erkannt wird. Denken Sie nur an Pfingsten und die Ausgießung des Heiligen Geistes. Durch diese Ausgießung wird das Gewand vollkommen. Dieses Dreieck der Kräfte wird als »Kleid«, als Gewand bezeichnet. Daher ist es ein Körper. Dieser Körper wird in der Bibel auch als Hochzeitskleid angedeutet, als das goldene Hochzeitskleid, und zwar wegen seines außergewöhnlichen Glanzes und weil dieses Gewand Zugang zum befreienden Leben verleiht. Das Hochzeitskleid ist also auch ein elektromagnetisches Gewand, das elektromagnetische Prinzip, aus dem der gnostische Mensch lebt. Man kann dieses Gewand noch nicht als Seelenkörper bezeichnen, jedoch als Prinzip, als Dreieck, mit dessen Hilfe die totale Wiedergeburt vollzogen werden kann. Es ist daher für jeden Kandidaten notwendig, dieses Hochzeitskleid zu besitzen. Das neue elektromagnetische Prinzip besitzt als Gewand, als Körper, verschiedene Eigenschaften. Es hat eine Bewusstseinsansicht und eine Begierdenansicht. Wer dieses Gewand besitzt, erhält eine ganz neue Mentalität, ein neues Ich, ein völlig neues Begierdenwesen und einen absolut neuen vierfachen Körper. Die Gesamtheit des menschlichen Denkens, Wollens, Empfindens und Begehrens bildet das Bewusstsein. Und diese Totalität ist das elektromagnetische Prinzip, aus dem ein Mensch lebt. Dieses elektromagnetische Prinzip ist Haupt und Herz, beides. Aus diesem Prinzip entsteht die Form der menschlichen Persönlichkeit. Es beherrscht nämlich die vier Äther, zieht sie an, fügt sie zusammen und spaltet sie. Es bringt die vier Äther in einen bestimmten Vibrationszustand. Durch dieses Prinzip ist die menschliche Persönlichkeit also das, was sie ihrer Formseite nach ist: 97

Die vier Äther bilden die Form, das Lichtgewand schenkt die Kraft dazu, das Trigonum Igneum ist der Architekt. Daraus mag Ihnen klar werden, dass die primäre Arbeit für jeden Schüler das Bemühen sein muss, das neue Lichtgewand zu erhalten. Dieses neue Lichtgewand ist erst dann realisiert, wenn die Ausgießung des Heiligen Geistes stattfinden kann. Ein Mensch, der die ersten beiden Seiten des neuen Dreiecks nicht besitzt, kann zwar bittend ausrufen: Heiliger Geist, komme über uns, aber das ist dann sinnlos, jedenfalls wenn der Mensch damit den Geist der absoluten Erneuerung meint. Jeder Mensch besitzt ein Lichtgewand. Jeder Mensch steht in einem Dreieck und baut auf dem Viereck der Ätherwirksamkeit. Wir alle gehen von einem Bewusstseinslicht, einer Mentalität, einem Willenstrieb und einer Begierde aus. Infolgedessen bestehen wir. Wir alle haben ein Lebensdreieck – aber bildet es das Gewand, welches das goldene Hochzeitskleid genannt wird, das überwältigende Licht der Pistis Sophia? Der Naturmensch besitzt ein dialektisches Gewand, das aus dem elektromagnetischen Feld der Ungöttlichkeit besteht. Mit einem solchen Gewand kann er dem Bräutigam nicht begegnen. Mit diesem elektromagnetischen Prinzip kann er keinen Anteil haben am Leben, das nicht von dieser Welt ist. Darum muss er praktisch, körperlich, organisch nachweisbar aus einem neuen elektromagnetischen Prinzip zu leben beginnen. Die Universelle Lehre, alle heiligen Schriften, alle Berichte der Brüder und Schwestern bezeugen das. Alle Rosenkreuzer sprechen davon. Sie müssen vom Geist Gottes entflammt sein: Ex Deo nascimur. Sie müssen in Jesus dem Herrn untergehen: In Jesu morimur. Und Sie müssen durch den Heiligen Geist wiedergeboren werden: Per Spiritum Sanctum reviviscimus. Das ist das Trigonum Igneum, das feurige Dreieck. Es zu besitzen, muss Ihre erste und vornehmste Aufgabe sein. Darin geht das wahre Schülertum auf. Wie weben Sie das goldene Hochzeitskleid? Durch den Geist entflammt werden, bezieht sich auf das Erblühen der Rose im Herzheiligtum. Wenn die Rose erblüht, erkennen Sie Ihren Zustand, den Zustand des Gefallenseins, des Leidens und Kummers, erkennen Sie den Pfad und seine Ansichten, seine erlösenden Aspekte. Und die Geistesschule ist da, um Ihnen zu helfen. Der volle Reichtum der Kenntnis des Heils wird über Ihnen ausgegossen. Wenn Sie das nun alles wissen, hören und prüfen, und wenn das nun stets wiederholt wird, dann ist es doch klar, dass man Sie dazu einladen will, nach all dem Aufgenommenen zu einem Prozess überzugehen. Man lädt Sie ein, diesen Prozess selbst, vor allem selbst anzuwenden. Wer damit nicht beginnt, der bleibt dann nur bei den Lehrsätzen und der Philosophie 98

stehen und hält diese für die Hauptsache. Seine Rose wird verwelken, ihre Schönheit und ihren Duft verlieren. Denn es geht nicht um das, was Sie wissen, sondern um das, was Sie tun! Die Schule des Rosenkreuzes steht völlig im Zeichen des Ziehens der ersten Seite des feurigen Dreiecks. Sie erreicht im Schüler nur dann ihr Ziel, wenn er bereit ist, in den Prozess einzutreten. Dann zieht er die zweite Seite des Dreiecks. Und wenn er dabei seine Ernsthaftigkeit beweist, ist die Schule bereit, dem Schüler auch hierin zu dienen. Die zweite Seite des Dreiecks wird gezogen, wenn der Schüler in Jesus dem Herrn untergeht, indem er aus den Kräften, welche die Rose berühren, zu leben, zu arbeiten und abzubrechen beginnt und alles gewissenhaft erfüllt. Der Kandidat, der mit dieser Arbeit fortfährt, geht also mit der Rose einen Kreuzgang und heftet die Rose in Tat und Wahrheit an das Kreuz. Wenn er dann weiter neben den positiven Pol auch den negativen Pol des neuen Lebensfeldes, des neuen elektromagnetischen Vermögens stellt und so den Rosenkreuzgang vollendet, dann ist es doch selbstverständlich, dass der Tröster kommt, der Heilige Geist, der die Ausgießung, die Verwirklichung beweist. Dann folgt Pfingsten, die dritte Seite des feurigen Dreiecks. Der Kandidat tritt nach dem Kreuzgang in das Wesen der Verwirklichung ein. Dann wird ein Licht angezündet, vor dem das alte Licht weichen muss. Und auch dabei begleitet die Geistesschule den Kandidaten mit den höheren Ansichten des Lebenden Körpers. Dann ist das Hochzeitskleid gewebt. Dann ist ein neues Bewusstsein, ein neues Denken, Wollen und Begehren geboren. Dann kann die Persönlichkeit ihrer Formseite nach weiter transfigurieren auf der Basis eines neuen Vierecks. »Aber«, so werden Sie nun sagen, »das Dreieck und das Viereck werden doch von einem Kreis umschlossen, vom höheren Selbst?« Anhand der Pistis Sophia können wir das erklären. Wenn man über dieses Thema spricht, besteht immer die Gefahr, dass man beim Wort oder beim Zeugnis stehen bleibt und sich mit sehr vielen Lehrsätzen umhüllt und bedeckt, ohne dass ein innerlicher Durchbruch stattfindet. Darum ist es gut, Ihnen diesen Durchbruch einmal auf eine andere Weise zu schildern und Ihnen so die völlige Nutzlosigkeit der Gelehrsamkeit aufzuzeigen, wenn sie nicht mit einem Durchbruch des Lichtes verbunden ist. Jedes Atom besitzt einen Kern mit einer neunfachen Ansicht. Diese neunfache Ansicht ist in drei Gruppen aufzuteilen: Die erste Dreiergruppe ist der positiv geladene Teil des Atomkerns, die zweite Gruppe ist der negative und die dritte der neutrale Teil. Wenn man ein Atom spaltet, das heißt, durch eine starke Kraft zerbricht, wird eine sehr große Energie frei, wie Sie wissen. Die Atomwissenschaftler betreiben diese Spaltung bis jetzt noch auf eine unbeholfene Weise, wodurch nur ein Teil der Atomenergie frei wird. Denn das Atom wird nicht völlig neunfach gespalten, da die ange99

wandte Energie dafür nicht ausreicht. Wenn es gelingen sollte, das Atom neunfach zu spalten, dann sind die Stunden der Menschheit gezählt. Eine unvorstellbare Katastrophe müsste dann stattfinden. Die neunfache Belebung des Atoms würde eine Kettenreaktion im gesamten Kosmos verursachen, ein enormes Feuer mit allen entsprechenden Folgen. Das große Licht, von dem die Pistis Sophia spricht, bezieht sich ebenfalls auf die dreimal dreifache, also neunfache atomare Entfesselung. Aber hierbei geht es um die Rosenknospe, um das Uratom und um das aurische Wesen. Wenn ein Mensch den johanneischen Weg des Selbstopfers im vollkommenen Sinn geht, ruft er eine große Energie auf, den Energiequell der Gnosis. Diese Energie wird in einem bestimmten Augenblick das Uratom vollkommen zu einer Kettenreaktion entflammen. Das bedeutet, dass diese Kettenreaktion alle Atome der Persönlichkeit mit der Art des Uratoms in Übereinstimmung bringt. Wenn ein Mensch diese Entfesselung bewerkstelligen kann, dann hat er die Rose an das Kreuz geheftet, eine rote, blühende, feurige Rose. Dann erst ist er ein Rosenkreuzer. Sie werden erkennen, wie sehr sich ein Rosenkreuzer von einem gewöhnlichen dialektischen Menschen unterscheidet. Die atomaren Seinszustände sind unvergleichbar. Allein ein Rosenkreuzer kann wahrhaftig einen Seelenkörper besitzen.

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Als die Jünger das sahen, fürchteten sie sich sehr und gerieten in Verwirrung. Als Jesus, der Barmherzige und Sanftmütige, seine Jünger in so großer Aufregung sah, sprach Er zu ihnen: »Seid getrost. Ich bin es. Fürchtet euch nicht.« Als die Jünger diese Worte gehört hatten, sagten sie: »O Herr, wenn Du es bist, so ziehe Deinen Lichtglanz an Dich, damit wir es ertragen können. Sonst werden unsere Augen geblendet, und wir sind aufgeregt, und auch die ganze Welt ist in Verwirrung wegen des großen Lichtes, das an Dir ist.« Hierauf zog Jesus den Glanz seines Lichtes in sich zurück. Als das geschah, fassten alle Jünger Mut, traten auf Jesus zu, fielen alle vor Ihm nieder, beteten Ihn in großer Freude an und sprachen zu Ihm: »Meister, wohin bist Du gegangen oder was für eine Aufgabe war es, die Du erfüllt hast? Und vor allem, warum haben all diese Bewegtheiten und all diese Erdbeben stattgefunden?« Da sprach Jesus, der Barmherzige, zu ihnen: »Freuet euch und jubelt von dieser Stunde an, denn ich bin zu den Gebieten gegangen, aus denen ich hervorgekommen war. Von nun an werde ich in aller Offenheit mit euch sprechen, vom Anfang der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung, und ich werde mit euch von Angesicht zu An100

gesicht und ohne Gleichnis reden. Von jetzt an werde ich nichts vor euch verbergen vom Mysterium der Höhe und vom Wesen des Gebietes der Wahrheit. Denn mir ist durch den Unaussprechlichen und durch das Erste Mysterium aller Mysterien die Macht gegeben, mit euch zu sprechen über den Beginn bis zur Vollendung und von außen nach innen und von innen nach außen. Hört nun, damit ich euch alle Dinge mitteile: Als ich ein wenig von euch entfernt auf dem Ölberg saß, dachte ich darüber nach, dass die Aufgabe des Auftrags, zu dem ich gesandt wurde, damit vollbracht war, und dass mir das letzte Mysterium – das vierundzwanzigste von innen nach außen – der vierundzwanzig Mysterien, die sich im zweiten Raum des Ersten Mysteriums in der Ordnung jenes Raumes befinden, mir mein Kleid noch nicht gesandt hatte. Als ich nun erkannte, dass die Aufgabe meines Auftrags, zu dem ich gesandt war, vollbracht sei und dass dieses Mysterium mir mein Kleid noch nicht gesandt hatte, das ich darin zurückgelassen hatte, bis die Zeit vollendet sei – das nun überdenkend, saß ich ein wenig von euch entfernt auf dem Ölberg. Als nun die Sonne im Osten aufging, wurde mir durch das Erste Mysterium – das von Anfang an besteht und um dessentwillen das All entstanden ist und woraus ich selbst soeben gekommen bin, nicht in der Zeit vor meiner Kreuzigung, sondern jetzt – und durch den Befehl dieses Mysteriums mein Lichtkleid gesandt, das mir von Anfang an gegeben war und das ich im letzten Mysterium zurückgelassen hatte, dem vierundzwanzigsten – von innen nach außen. Diese vierundzwanzig Mysterien sind es, die sich in der Ordnung des zweiten Raumes des Ersten Mysteriums befinden. Dieses Lichtgewand nun hatte ich im letzten Mysterium zurückgelassen, bis die Zeit angebrochen sein würde, um es anzulegen und ich beginnen würde, zur Menschheit zu sprechen und ihr alles zu offenbaren vom Beginn der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung, und um mit ihr zu sprechen vom Innersten des Inneren bis zum Äußersten des Äußerlichen und vom Äußersten des Äußeren bis zum Innersten des Innerlichen. Freuet euch nun und jubelt und wachset in der Freude. Denn euch ist es gegeben, dass ich zuerst zu euch sprechen werde vom Beginn der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung. Denn ich habe euch ja von Anfang an durch das Erste Mysterium auserwählt. Freuet euch daher und jubelt, denn als ich mich zur Welt aufmachte, führte ich von Anfang an zwölf Kräfte mit mir, wie ich es euch von Beginn an gesagt habe, Kräfte, die ich von den zwölf Erlösern der Schatzkammer des Lichtes gemäß dem Gebot des Ersten Mysteriums empfangen habe. Diese Kraft stieß ich in den Schoß eurer Mütter, als ich in die Welt kam, und es sind jene Kräfte, die sich heute in euren Körpern befinden. Denn diese Kräfte wurden euch geschenkt für die ganze Welt, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden. Damit ihr imstande seid, die Bedrohung der Archonten der Welt und die Schmerzen der Welt und ihre Gefahren und all ihre Verfolgungen, welche die Archonten aus der Höhe über euch bringen werden, zu ertragen. Denn ich habe euch 101

oft gesagt, dass ich die in euch anwesende Kraft aus den zwölf Erlösern genommen habe, die sich in der Schatzkammer des Lichtes befinden. Aus diesem Grund habe ich euch von Anfang an gesagt, dass ihr nicht von dieser Welt seid. Auch ich bin nicht von ihr. Alle Menschen dieser Welt haben ihre Seelen aus der Kraft der Archonten und Äonen empfangen. Die Kraft dagegen, die sich in euch befindet, ist von mir. Denn eure Seelen gehören zur Höhe. Zwölf Kräfte der zwölf Erlöser von der Schatzkammer des Lichtes habe ich gebracht, die ich jenem Teil meiner Kraft entnommen habe, den ich zuerst empfing. Als ich zu dieser Welt unterwegs war, gelangte ich mitten unter die Archonten der Sphäre in der Gestalt Gabriels, des Engels der Äonen. Die Archonten der Äonen haben mich nicht erkannt, denn sie dachten, dass ich der Engel Gabriel wäre. Als ich in die Mitte der Archonten der Äonen gelangt war, blickte ich auf Gebot des Ersten Mysteriums auf die Menschenwelt herab. Ich fand Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers, ehe sie ihn empfangen hatte. Und ich säte eine Kraft in sie, die ich vom kleinen Jaô, dem Guten, der in der Mitte ist, empfangen hatte, damit Johannes imstande sein würde, mein Vorläufer zu sein, mir den Weg zu bereiten und zu taufen mit dem Wasser der Schuldvergebung. Diese Kraft ist es, die sich im Körper des Johannes befindet. Außerdem fand ich statt der Archontenseele, die er hätte empfangen sollen, die Seele des Propheten Elias in den Äonen der Sphäre. Und ich nahm ihn auf, entnahm seine Seele und brachte sie zu der Jungfrau des Lichtes. Diese gab sie weiter an ihre Paralemptoren des Lichtes. Jene brachten sie zur Archonten-Sphäre und stießen sie in den Schoß Elisabeths. Somit sind die Kraft des kleinen Jaô, der in der Mitte ist, und die Seele des Propheten Elias im Körper Johannes des Täufers gebunden. Daher wart ihr einmal im Zweifel, als ich zu euch sagte: Johannes sprach: Ich bin nicht der Christus, und ihr habt mir erwidert: »Es steht geschrieben in der Schrift: Wenn der Christus kommen wird, so kommt Elias vor Ihm und bereitet Ihm den Weg.« Ich aber gab euch zur Antwort: Elias ist bereits gekommen und hat alles vorbereitet, wie geschrieben steht: Und sie haben an ihm nach ihrem eigenen Willen gehandelt. Als ich erkannte, dass ihr nicht verstanden habt, was ich euch von der Seele des Elias, die in Johannes dem Täufer gebunden ist, gesagt habe, gab ich euch im offenen Gespräch Antwort von Angesicht zu Angesicht: Wenn ihr bereit seid, Johannes den Täufer anzunehmen: er ist Elias, von dem ich gesagt habe, dass er kommen wird.« ffffff

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Pistis Sophia, Abschnitte 5-7

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Kapitel 10

Der Meister vom Stein Wir haben besprochen, dass das Wesen des Trigonum Igneum auf das flammende Lichtgewand der neuen Seele hinweist. Von diesem Gewand sagt die Pistis Sophia, dass sein Licht aus drei Arten besteht. Es ist strahlend, vortrefflich und hervorragend. Soll von wirklicher Befreiung, von Transfiguration gesprochen werden, dann muss der Kandidat zuerst über diesen neuen Seelenmantel verfügen. Dieser neue Mantel kann auf der Basis des Uratoms, der Rose des Herzens gewebt werden. Erst wer mit dem Weben dieses neuen Mantels beginnt, kann mit vollem Recht ein Bruder oder eine Schwester des Rosenkreuzes genannt werden. Dieser Mantel wird in der Bibel und in der Universellen Lehre auf verschiedene Weise angedeutet, zum Beispiel als goldenes Hochzeitskleid, als Gewand ohne Naht und als Ausgießung des Heiligen Geistes. Auch spricht man wie wir vom feurigen Dreieck, vom Phönix oder vom sechsflügeligen Drachen. Alle großen Weltlehrer und alle bonafiden Geistesschulen haben die Notwendigkeit, dieses dreifache Gewand zu besitzen, aufgezeigt und gelehrt, wie es gewebt werden muss. Sie brauchen zum Beweis nur an den seelenerneuernden Akzent des Evangeliums zu denken. Der dialektische Mensch besitzt eine sterbliche Seele, einen damit übereinstimmenden Mantel und ein entsprechendes Bewusstsein. Das Gewand der sterblichen Seele umfasst unter anderem: Das Schlangenfeuer, den Verstand, den Willen, das Begehren und Empfinden, das Nervenfluidum, das Blut und die stofflichen Atome. Die Gesamtheit können wir auch als Bewusstsein, das Ich oder das elektromagnetische Lebensprinzip des Menschen bezeichnen. Dieser Seelenzustand muss total verändert und durch ein ganz anderes elektromagnetisches Prinzip erneuert werden. Wenn das geschieht, wenn der Schüler diesen Zustand erreicht, dann webt er ein neues Gewand und bekleidet sich damit. Innerhalb dieses Gewandes, durch dieses Gewand vollzieht sich das transfiguristische Wunder vollkommen. Wir wollen diesen Prozess noch einmal an uns vorüberziehen lassen. Wer am Wesen der Erneuerung mitbauen will, muss verstehen, dass er zuerst das Dreieck zu ziehen hat. Es kommt ganz auf seine Geschicklichkeit als Architekt und Maurer an. Die erste Seite des Dreiecks wird durch das Aufblühen der Rose im Herzheiligtum gezogen. Es bedeutet, »im Geist Gottes entflammt zu werden«. Wir haben gesagt, dass Sie durch das Erblühen der Rose Ihren Seinszustand als gefallene Wesenheit erkennen. Wenn die Rose des Herzens wirkt, gehen Sie Ihren 103

Pfad und erkennen seine Ansichten und erlösenden Aspekte. Als Sie durch das Drängen der Rose ein Sucher waren, zog die Geistesschule Sie in den Prozess der Bewegtheit und Orientierung. Sie goss den vollen Reichtum der Kenntnis des Heils über Ihnen aus. Wenn Sie so die erste Seite des Dreiecks gezogen haben, dann kommt es darauf an, ob Sie auch bereit sind, all die im ersten Prozess dargelegten Konsequenzen spontan innerlich anzunehmen, nämlich aus den Kräften, welche die Rose berühren, zu leben, zu wirken, abzubrechen und sich selbst darin in täglicher Praxis ohne Zögern zu verlieren. Wer so handelt, zieht die zweite Seite des feurigen Dreiecks. Das bedeutet »in Jesus untergehen«. Über die Rose berühren Sie positive Kräfte, und Sie reagieren darauf, so wie es immer geschieht, wenn eine große Lichtkraft ein Wesen berührt. Ihre erste Reaktion wird orientierend, wahrnehmend, erwägend sein. Aber das reicht nicht aus, obwohl diese Reaktion notwendig ist. Aber wenn Sie dabei stehen bleiben, sind Sie lediglich ein betrachtender, ein wahrnehmender Mensch. Dann entsteht keine Harmonie mit der Lichtkraft, und der Kern Ihrer gewöhnlichen Natur bleibt unangetastet. Sie verändern sich nicht! Wenn Sie jedoch Ihr Wesen nach der ersten Reaktion völlig für die Gnosis öffnen mit einem tatsächlichen »nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe«, dann werden Sie zu einem empfänglichen Menschen, der sich der positiven Berührung der Gnosis hingibt. Mit anderen Worten: Zu dem positiven Pol gesellt sich ein idealer negativer Pol. Sie wissen, was nun geschehen wird, was nicht ausbleiben kann. Wenn ein positiver und ein negativer Pol sich berühren, entsteht ein Funke, eine Flamme, ein Feuer. Dieses Feuer ist die dritte Seite des Dreiecks, der überwindende Aspekt. Das Feuer wird in dem Maß stets heftiger, wie der Schüler seine Selbstzerbrechung methodisch durchsetzt, bis einmal – wie in einem Augenblick – der Heilige Geist kommt, wie eine lodernde Glut, wie ein Orkan, wie eine intensive Bewegtheit. Dann ist das dreifache Lichtgewand entstanden. Die Wiedergeburt aus dem Heiligen Geist kann nun beginnen. Das feurige Dreieck ist mit sehr deutlichen Zeichen gezogen. Nun beginnt der Kandidat, das Viereck zu ziehen. Das bedeutet, dass er durch den neuen Seelenzustand, durch das neue elektromagnetische Prinzip, die jetzt in seinem System als Bewusstsein, also als anwendbare Vermögen auftreten, die Ätherkräfte auf total andere Weise umsetzen und verarbeiten kann. Nun vermag der Kandidat von den heiligen Speisen zu essen, von den zwölf Schaubroten, von den vier dreifachen Äthern. Große, erneuernde Veränderungen treten auf. Durch die Seele wird ein neuer Stoffkörper geschaffen, wobei der alte nur noch so lange gebraucht wird, wie es nötig ist. So entsteht auf der Basis des Vierecks durch das Dreieck der Erneuerung ein Bauwerk. 104

Unsere Erklärung war jedoch noch nicht vollständig, denn Sie wissen, dass es außer dem Dreieck und dem Viereck auch noch einen Kreis gibt. Der Kreis symbolisiert das aurische Wesen, das höhere Selbst. Beim gewöhnlichen Menschen bewahrt das höhere Selbst die dialektische Idee aller gelebten Leben, wie auch die Idee des gegenwärtigen Lebens, entstanden aus dem Karma unsagbar langer Zeiten. Das höhere Selbst umfasst das elektromagnetische Firmament, aus dem das dialektische Lichtkleid besteht. Dieses Firmament ist wie ein Sternensystem. Es enthält zwölf primäre magnetische Punkte und viele sekundäre. Wenn nun der heilige Prozess im Schüler und durch den Schüler beginnt, der Prozess des feurigen Dreiecks, und vor allem, wenn dieser durchgesetzt wird, treten im aurischen Wesen merkwürdige Veränderungen auf. Zwölf neue primäre magnetische Punkte werden darin belebt. Wer die Rose im Herzen öffnet, legt dafür die Basis. Wenn diese zwölf neuen magnetischen Kräfte wirksam sein können, werden reichliche neue Möglichkeiten zum Bauen auf dem Viereck und durch das Viereck zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise muss der Bau begonnen und bis zur Überwindung vollendet werden. Wer diese Überwindung erreicht, ist erst mit vollem Recht ein Meisterbauer, ein Meister vom Stein. Ein solcher Mensch kann Welt und Menschheit in Vollkommenheit dienen. Seine Signatur wird uns in der Pistis Sophia wie folgt beschrieben: Freuet euch daher und jubelt, denn als ich mich zur Welt auf: machte, führte ich von Anfang an zwölf Kräfte mit mir, wie ich es euch von Beginn an gesagt habe, Kräfte, die ich von den zwölf Erlösern der Schatzkammer des Lichtes gemäß dem Gebot des Ersten Mysteriums empfangen habe. Wer also ein Meister vom Stein ist, kann dadurch auch anderen dienen. Wenn jemand Geld hat, kann er es verleihen. Wenn jemand Brot hat, kann er andere speisen. Wenn jemand Liebe besitzt, kann er sie ausstrahlen. Wenn das feurige Dreieck zusammen mit dem heiligen Viereck vom Kreis umschlossen wird, in dem die zwölf Erlöser strahlen, dann kann diese zwölffache Kraft auch anderen übertragen werden. Obwohl Ihre Lipika diese Lichter noch nicht besitzt, sind sie dennoch im Lebenden Körper vorhanden. Sie können und dürfen damit Ihren Bau beginnen. Und wer seinen Bau stetig ausführt, so dass schließlich der Adel des befreienden Lebens dadurch möglich wird, empfängt als unmittelbare Gnadengabe der Bruderschaft die zwölf Erlöser im eigenen aurischen Firmament. Und von dem Augenblick an ist ein solcher Schüler im absolut mikrokosmischen Sinn »nicht mehr von dieser Welt«.

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Kapitel 11

Die Archonten der Äonen Die wunderbare Veränderung, die im aurischen Wesen auftritt, wenn der Schüler den heiligen Prozess des feurigen Dreiecks zur Entwicklung bringt, haben wir nun ausführlich erklärt. Diese Veränderung enthält die Offenbarung zwölf magnetischer Punkte, wodurch der betreffende Mikrokosmos gleichsam einen neuen Tierkreis empfängt und daher ein neues magnetisches System entwickeln kann. Diese zwölf neuen Kräfte empfangen alle, die wahrhaft dem einen universellen Christuslicht ergeben sind, von den zwölf Erlösern der Schatzkammer des Lichtes, wie die Pistis Sophia sagt. Wer in diesen Seinszustand eintritt, erfährt als lebendige Wirklichkeit das Wort: „Alle Menschen dieser Welt haben ihre Seelen aus der Kraft der Archonten und Äonen empfangen. Die Kraft dagegen, die sich in euch befindet, ist von mir. Denn eure Seelen gehören zur Höhe.“ Wer sind die Archonten der Äonen? Es sind die herrschenden und führenden Mächte im Universum des Todes. Sie müssen dabei nicht nur an das denken, was in der Spiegelsphäre haust, sondern vor allem an die großen Mächte, welche die Sonnensysteme, die Tierkreissysteme und noch gewaltigere Formationen im Weltall des Todes beherrschen. Als die adamitische Menschheit nach ihrem Fall aus dem ursprünglichen Universum vertrieben wurde, wurde zu ihrem Nutzen ein ganz neues, ein dialektisches Universum geschaffen, dessen Naturgesetze und Naturkräfte sich vollkommen der so sehr veränderten Art der adamitischen Menschheit anpassen mussten. Die adamitische Menschheit wurde in unzählige Gruppen und Formationen unterteilt und mit einer der ebenfalls unzähligen Sternengruppen verbunden. Jede Gruppe erhielt einen Leiter, einen Rassengott, einen Herrn. Diese Götter, diese Herrscher werden in der Pistis Sophia die Archonten der Äonen genannt. Es wird Ihnen klar sein, dass diese Rassengötter weder die Aufgabe noch das Vermögen haben, die ihnen untergebenen Wesenheiten zum ursprünglichen Leben zurückzuführen. Sie besitzen lediglich den Drang, ihre Systeme zu kultivieren, zu einem eigenen Ziel in der All-Offenbarung zu führen und so ihre Werke für die Gnosis annehmbar zu machen. Dass ein solches Ziel niemals erreicht werden kann, ist der Fluch der Archonten. Und dass all die ihnen untergebenen Wesenheiten sich einmal ihrer Führung durch Transfiguration entziehen werden, ist ihr Schmerz. Wenn wir über die Archonten der Äonen sprechen, dann dürfen Sie gewiss nicht meinen, dass diese Kräfte ein Beispiel für Schlechtigkeit sind, dass alle Untugenden aus der Gosse der Zivilisation auch ihre Untugenden sind. Nein, in vieler Hinsicht vergegenwärtigen sie die größten Tugenden des dialektisch Erreichbaren, die denkbar reinsten Ansichten einer im Wesentlichen ungöttlichen Weltordnung. Man kann sie in gewisser Hinsicht als Spitzen106

Epheser bezeichnen, als Gipfel der Grenzbewohner. Sie reagieren auf diesen Zustand jedoch anders als die adamitische Menschheit. Wenn ein adamitischer Mensch den Epheser-Zustand erreicht hat, sehnt er sich nach seiner ursprünglichen Heimat und will seinen Zustand der Gefangenschaft hinter sich lassen. Die Archonten können einen solchen Zustand nicht besitzen, weil sie Kosmokratoren, die Schöpfer eines komplizierten Systems der Todesnatur sind. Sie müssen ihre Aktivitäten fortsetzen, bis die letzte gefallene Wesenheit durch freie Wahl aus ihrem Einfluss erlöst ist und ihr Weltall aufgehoben werden kann. Sie müssen beachten, dass durch die Archonten und durch alle Wesenheiten, die ihre Seele von ihnen empfangen haben, sehr hohe kulturelle Entwicklungen einsetzen konnten. Wegen ihrer Suggestionen kann sogar von Bruderschaft und Menschenliebe, von Güte, Wahrheit und Gerechtigkeit gesprochen werden. Sie unterhalten ein Devachan, einen höchsten Himmel, erfüllt von undenkbarer Schönheit und Glück, obwohl das alles trotzdem mit wirklicher Befreiung nichts zu tun hat. Wer seinen Fuß auf den Pfad der Transfiguration setzen und seine Seele durch die zwölf ursprünglichen Erlöser der Schatzkammer des Lichtes erneuern will, wird es vollkommen verstehen, so dass Irrtümer ausgeschlossen sind. Er wird sich ausschließlich dem wesentlichen, befreienden Aspekt der reinen Universellen Lehre und der christlichen Heilsoffenbarung zuwenden. Darum muss das spezifisch Mosaische und Semitische aus ihrer Besinnung ausgeschlossen werden. Damit wollen wir nichts gegen das semitische Volk an sich sagen, denn viele Juden waren Transfiguristen. Denken Sie nur an die zehn verschwundenen Stämme Israels und an die heilige Sekte des Baal Schem, die auch in unseren Tagen noch bekannt ist. Wir meinen jedoch, dass die semitische Rasse, als in der Weltgeschichte ihre Entwicklung begann, sehr deutlich eine Organisation der Archonten der Äonen war, wie selbstverständlich auch alle anderen Rassen. Der leitende Gott der semitischen Rasse war sicher nicht »das Absolute«, »der Allerhöchste«, sondern einer der unzähligen Archonten, der für längere oder kürzere Zeit mit der Leitung unseres Planeten beauftragt war. Einen Beweis für unsere Betrachtungsweise finden Sie im Deuteronomium 32, im fünften Buch Mose, das gewöhnlich als das Lied Mose bezeichnet wird. Die Verse 8 und 9 lauten: „Da der Allerhöchste die Völker zerteilte und zerstreute der Menschen Kinder, da setzte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Israel [der semitischen Rasse]. Denn des Herrn Teil ist sein Volk, Jakob ist sein Erbe.“ Dieser »Herr« ist also nicht »der Allerhöchste«, »das Absolute«, sondern der Bundesgott Israels, Jehova. Es ist klar, dass all diese Semiten unter einer solchen übermenschlichen Leitung mit Bezeugungen ihrer Dankbarkeit nicht zurückhielten: Denn ich [Moses] will den Namen des Herrn preisen. Gebt unserem Gott allein die Ehre. (5. Mose, 32/3.) 107

„Der Herr allein leitete ihn [Jakob], und kein fremder Gott war mit ihm.“ (5 Mose, 32/12) Das ist ein typisch dialektischer Ausdruck. Im Ursprünglichen ist das Allerhöchste (der Absolute) absolut. Im Dialektischen kann sogar ein Archont durch den Gehorsam seiner Kinder größer werden. Und er gerät in Zorn, wenn sie sich seinem Willen widersetzen. Daher war Moses ein Hierophant der jehovistischen Mysterien, der semitischen Mysterien, so wie jeder führende Archont sein Mysterium besitzt. Vielleicht war Moses nach dialektischen Maßstäben gemessen ein sehr großer Mensch, jedoch offenbar und ausdrücklich ein Wesen mit einer Archontenseele, welche alles akzeptiert und das göttliche Wort achtet, als sein Gott zu ihm sagt (5. Mose 32,39): „Sehet ihr nun, dass ich‘s allein bin, und ist kein Gott neben mir. Ich kann töten und lebendig machen. Ich kann schlagen und kann heilen, und ist niemand, der aus meiner Hand errettet.“ Sie wissen, dass die semitische Rasse in zwölf Stämme unterteilt war, die nach den zwölf Söhnen Jakobs benannt wurden. Sie bildeten »den Teil des Herrn«. Was so im Allgemeinen auf die Rechnung dieses »Teils des Herrn« gekommen ist, wissen Sie. Als die Nomadenstämme der alten Semiten in Kanaan einfielen, haben sie alle dort wohnenden Völker ermordet und ihren Besitz gestohlen. Laut Auftrag ihres Gottes durfte niemand am Leben bleiben. Als ein paar Humanisten unter den Semiten einige Menschen leben ließen, wurde ihnen das später von ihrem Gott schwer angerechnet. Und später, als das semitische Volk gut vorangekommen war in seinem gestohlenen Land, in dem sie eine prächtige und erhabene ägyptische Kultur vernichtet hatten, setzten sie ihre Mordpartien immer noch fort. Am Schlimmsten war dabei der Stamm Dan, der mit seinen festgelegten Grenzen Schwierigkeiten hatte und ein angrenzendes Reich besetzte, die Bevölkerung ermordete und es im Namen Jehovas in Besitz nahm. Siehe Richter 18/27: »Sie aber... fielen über Lajisch her, über ein Volk, das ruhig und sicher wohnte, und schlugen es mit der Schärfe ihres Schwertes und verbrannten ihre Stadt mit Feuer.« Der Name »Dan« bedeutet Richter oder Gerechtigkeit. Nun, das Dialektische dieser Gerechtigkeit wird Ihnen nicht entgehen. Wir brauchen dagegen auch keine Beschwerde einzulegen, denn alle Menschen dieser Welt haben ihre Seele aus der Kraft der Äonen empfangen. Und Sie können bis zu dieser Stunde Beweise dafür finden, dass auch die leitenden Gestalten dieses Planeten die demütigen und treuen Diener der Äonen sind. Das »Auge um Auge und Zahn um Zahn«, dieses uralte mosaische Gesetz, aus der Hand seines Gottes empfangen, ist auch jetzt noch der Leitgedanke der Masse und des einzelnen, auch wenn man Jehova nicht mehr nennt, sondern von Christus spricht. Dass dieser Christus ein falscher Christus ist, kann ein Kind verstehen. 108

Alle Menschen dieser Welt sind Nachkommen der alten Rassen. In ihnen wühlen und sieden alle Suggestionen der grauen Vergangenheit. Sie steigen aus dem Unterbewusstsein und den direkten Strahlungen der Lipika der Archonten empor. Daher müssen Sie verstehen, dass es für Sie nur eine Auflösung gibt: Sich kopfüber in den Erlösungsprozess zu stürzen, so dass auch von Ihnen einmal gesagt werden kann: »Die Kraft, die in euch ist, ist von mir, Jesus dem Herrn, und eure Seele gehört zum ursprünglichen Reich.«

Kapitel 12

Die Johannes-Geburt Wir lesen im Kapitel 7 der Pistis Sophia: „Als ich in die Mitte der Archonten der Äonen gelangt war, blickte ich auf Gebot des Ersten Mysteriums auf die Menschenwelt herab. Ich fand Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers, ehe sie ihn empfangen hatte. Und ich säte eine Kraft in sie, die ich vom kleinen Jaô, dem Guten, der in der Mitte ist, empfangen hatte, damit Johannes imstande sein würde, mein Vorläufer zu sein, mir den Weg zu bereiten und zu taufen mit dem Wasser der Schuldvergebung. Diese Kraft ist es, die sich im Körper des Johannes befindet. Außerdem fand ich statt der Archontenseele, die er hätte empfangen sollen, die Seele des Propheten Elias in den Äonen der Sphäre. Und ich nahm ihn auf, entnahm seine Seele und brachte sie zu der Jungfrau des Lichtes. Diese gab sie weiter an ihre Paralemptoren. Das griechische Wort Paralemptor, das hier im koptischen Text der Pistis Sophia steht, bedeutet buchstäblich »Empfänger«. Damit wird auf die »Wächter an den Pforten« hingewiesen, auf jene Wesenheiten, welche die erretteten Seelen bei ihrer Aufnahme im Pleroma empfangen und sie in das Gebiet des ewigen unvergänglichen Lebens des Lichtes begleiten. „Jene brachten sie zur Archonten-Sphäre und stießen sie in den Schoß Elisabeths. Somit sind die Kraft des kleinen Jaô, der in der Mitte ist, und die Seele des Propheten Elias im Körper Johannes des Täufers gebunden.“ Auf diese Weise versucht der Autor der Pistis Sophia einige mehr oder weniger schwer verständliche Mitteilungen im Evangelium den Schülern der Geistesschule zu erklären. Und da die meisten unserer Leser den Kommentar in der Pistis Sophia zum Geheimnis Johannes des Täufers für nicht sehr erhellend halten werden, ist es gut, diesen Kommentar zu analysieren. Wir wollen die Gestalt Johannes des Täufers nicht als eine historische Persönlichkeit betrachten, sondern als Typ eines Menschen, der tatsächlich ein Vorläufer Jesu genannt werden kann, und zwar in folgendem Sinn: Bevor die Christus-Radiation in 109

einem Menschen Gestalt annehmen kann und dieser daher als Jesus-Mensch bezeichnet werden kann, muss er zuerst ein Johannes-Mensch sein. Er muss in einen Vorprozess aufgenommen werden. Darum berichtet das Evangelium, dass Johannes Jesus vorausgeht, und daher ist Johannes der Täufer eine Gestalt aller Zeiten und manifestiert sich unmittelbar, sobald ein Schüler der Geistesschule seinen Pfad beginnt, und zwar unter den gleichen Bedingungen und mit den gleichen Kräften wie der Johannes-Typ. Daher kann man nicht so ohne weiteres und willkürlich beschließen, ein Johannes-Typ zu sein, man kann sich höchstens dazu entschließen, einer zu werden. Dabei gibt es verschiedene Entwicklungsstadien und daher auch unterschiedliche Typen und Untertypen: 1. Den Typ des gewöhnlichen, dialektischen Menschen, der wieder in verschiedene Gradationen zu unterscheiden ist; 2. den Johannes-Typ, der in der gewohnten, sichtbaren Geistesschule zu finden ist; 3. den Jesus-Typ, das ist der Typ des neuen befreiten Menschen; 4. den Christus-Typ, das ist der Typ des göttlichen Menschen. Aus den Mitteilungen des Evangeliums und der Pistis Sophia geht hervor, dass bereits beim Johannes-Typ eine wunderbare Geburt stattfindet. Wir meinen nicht die natürliche Geburt eines Kindes, sondern den Eintritt in einen nicht-dialektischen Seinszustand. Es gibt drei Geburten, drei Stadien der wunderbaren Auferstehung: 1. Die Johannes-Geburt, welche die Rosenkreuzer andeuten mit den Worten: »durch den Geist Gottes entflammt«; 2. die Jesus-Geburt, von den Rosenkreuzern als »in Jesus dem Herrn untergehen« bezeichnet; 3. die Christus-Geburt, welche die Rosenkreuzer andeuten als »durch den Heiligen Geist wiedergeboren«. Die erste Geburt ist die Bedingung zur Transfiguration. Die zweite Geburt ist der Prozess der Transfiguration. Die dritte Geburt stellt die Tatsache der Transfiguration sicher. Wir geben Ihnen dieses Schema zur Übersicht, jedoch von größerer Bedeutung für Sie ist, ob Sie tatsächlich in den Prozess der ersten Geburt, der Johannes-Geburt, eingetreten sind. Und wir wiederholen es, das ist eine wunderbare Geburt. Man kann nicht beschließen, ab heute ein Johannes zu sein. Aber man kann beschließen, sich auf den Weg dazu zu begeben. Auf diesem Weg müssen Ihnen – bei Erfüllung der Bedingungen – die Faktoren für diese Geburt geschenkt werden. Es ist darum eine wunderbare Geburt, weil sich erweisen muss, dass sie durch einen Seinszustand, durch eine sehr konkrete Lebenshaltung der Ichlosigkeit entsteht. Um diese erste wunderbare Geburt und somit den Johannestyp deutlich vor Ihr 110

Bewusstsein zu stellen, ist es notwendig, einiges zu wiederholen. Wir beginnen mit der Frage: »Wie muss ein Schüler der Geistesschule sein, der im befreienden Sinn erfolgreich ist?« Die Antwort lautet: »Es wird ein Schüler sein, der aus bitterer Erfahrung, aus Not und Tod, aus Leiden und Kummer entdeckt hat, dass diese, unsere Naturordnung unmöglich die göttliche Ordnung sein kann.« Infolgedessen wird ein solcher Schüler jede Aktivität zur Verbesserung der Welt auf horizontaler Linie für überflüssig und völlig nutzlos halten. Er akzeptiert darum die Welt nicht ohne weiteres, sondern sucht innerlich nach dem Anderen. Er will jedenfalls suchen, weil ihn die Unruhe, die ihm ins Blut gefahren ist, dazu drängt. Wenn ein solcher Schüler Kenntnis erhält, das Wissen um das Wie und Warum der Dinge, wird er auch bereit sein, seines höheren Zieles wegen eingreifende Konsequenzen zu ziehen. Ein solcher Mensch wird in der Literatur der Schule des Rosenkreuzes als Elisabeth-Zacharias-Mensch bezeichnet. Wenn ein Mensch so ist, und das gilt für viele Schüler in der Geistesschule, dann sind die Bedingungen für die erste wunderbare Geburt geschaffen. Diese Geburt kommt auf folgende Weise zustande: Ich fand Elisabeth, die Mutter Johannes des Täufers, ehe sie ihn empfangen hatte. Der Mensch, der die besprochene Unruhe im Blut trägt, sendet eine bestimmte magnetische Vibration aus, was verständlich ist. Diese Reaktion verursacht einen Kontakt mit einem Kraftquell, der in der Pistis Sophia angedeutet wird als die Kraft vom kleinen Jaô, dem Guten, der in der Mitte ist. Was ist das für eine Kraft? Es ist die Kraft, die, wie Jakob Böhme sagt, die Natur des Todes bis ins Herz angegriffen hat. Es ist die fundamentale, rufende Kraft des gnostischen Körpers der Universellen Kette, die in der Welt der Dialektik wirkt. Es ist eine Kraft, die nicht unmittelbar aus dem neuen Lebensfeld stammt, aber dennoch damit verbunden ist und vollkommen im dialektischen Naturfeld Gestalt annimmt. Trotzdem ist es eine Kraft, die davon deutlich getrennt ist und ausschließlich in Menschen wirken kann, die dem geschilderten Typ entsprechen. Dieses Kraftfeld ist daher für solche dialektischen Menschen erreichbar, ohne dass sie sich in einen unnatürlichen Zustand begeben müssen. Das Kraftfeld, das »in der Mitte ist«, sich also zentral in der Natur des Todes befindet, steht im gleichen Verhältnis zur Gnosis wie die Geistesschule zum neuen Lebensfeld. Es wird das Feld des »kleinen Jaô, des Guten« genannt, um damit auszudrücken, dass es, obwohl es in der dialektischen Natur wirksam ist, trotzdem vollkommen unter der Leitung ursprünglicher göttlicher Kräfte steht. Die Kraft dieses Feldes wird nun als Antwort auf die Seelennot in den geschilderten Menschentyp gesät und mit dem Uratom, mit dem Herzen verbunden. Wenn dieses Werk ausgeführt ist, entwickelt sich die zweite Phase dieses Prozesses: Außerdem fand ich statt der Archontenseele, die er hätte empfangen sol111

len, die Seele des Propheten Elias in den Äonen der Sphäre. Mit der Seele des Propheten Elias meint die Pistis Sophia das Blutserbe, das von allen Befreiten im Licht gesammelt wurde und in der Todesnatur anwesend ist. Alle, die den Pfad gegangen sind und sich von der dialektischen Natur befreiten, haben in der Natur des Todes das Blutserbe ihrer großen Überwindung hinterlassen. Und alle, die den Pfad gehen und sich zu dem soeben geschilderten Typ entwickeln, empfangen in einem gegebenen Moment dieses Blutserbe. Sie erhalten Anteil daran, gleichzeitig mit der Kraft, die in der Mitte ist. Jeder Mensch empfängt ein Blutserbe, ob er es will oder nicht. Wenn er stark an Familie, Volk oder Rasse gebunden ist und sich nicht radikal davon befreit, dann ist er gezwungen, stets das Blutserbe der gesamten Gruppe, die natürlich karmisch sehr belastet ist, anzunehmen, ob er will oder nicht. Er lebt dann nicht, sondern wird gelebt, aus dem Blut und durch das Blut. Wenn er sich jedoch in dem geschilderten Typ entwickelt und sich durch seinen Seinszustand mit der Kraft, die in unserer Mitte ist, im Herzen verbunden weiß, empfängt er gleichzeitig ein damit übereinstimmendes Blutserbe, einen Schatz des Blutes, den Blutsschatz der Überwinder, die Kräfte der lebenden Gemeinschaft der Brüder und Schwestern, die uns auf dem Pfad vorangingen. Dieses Erbe wird von Jahrhundert zu Jahrhundert größer, es ist zum unermesslichen Besitz geworden. Dieser Blutsschatz wird in den Schoß Elisabeths gestoßen. Also werden die Kraft des kleinen Jaô, die in der Mitte ist, und die Seele des Propheten Elias zusammen in den Körper Johannes des Täufers gebracht, damit Johannes imstande ist, der Vorläufer zu sein, den Weg zu bereiten und zu taufen mit dem Wasser der Schuldvergebung, frei vom Karma durch eine andere Seelenstruktur. Auf diese Weise entwickelt sich die erste wunderbare Geburt. Sie besitzt, wie wir feststellten, drei Faktoren: einen richtigen Prä-Zustand des Seins, den ZachariasElisabeth-Zustand, das Getroffenwerden von der Strahlungskraft eines in der Natur separat vorhandenen magnetischen Feldes, und die Fähigkeit, das Blutserbe der gnostischen Vorfahren in Empfang zu nehmen und daraus zu leben. Wer so ist, kann ein Vorläufer sein, kann den rechten Pfad in dieser Natur bereiten und sich so von der aurischen Schuldenlast befreien und sich auf die zweite wunderbare Geburt vorbereiten, auf die Begegnung mit Jesus dem Herrn. So entdecken wir, was für ein wahres Schülertum notwendig ist und dass jeder dieses Schülertum leben kann, wenn sein Typ nur den gestellten logischen Bedingungen entspricht. Was den Menschen eventuell noch zurückhält, ist vielleicht die Tatsache, dass er noch versucht, zwei Herren zu dienen, und dadurch die Last eines Blutserbes tragen muss, das völlig aus der niederen Natur und der horizontalen Linie zu erklären ist. 112

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Jesus fuhr in seiner Rede fort und sagte: »Als ich auf Befehl des Ersten Mysteriums auf die Welt der Menschen hinabsah, fand ich Maria, die dem stofflichen Leib nach »meine Mutter« genannt wird. Ich sprach mit ihr in der Gestalt Gabriels, und als sie sich zu mir in die Höhe gewandt hatte, stieß ich in sie die erste Kraft, die ich von Barbelo empfangen hatte, nämlich die Kraft des Körpers, den ich in der Höhe getragen habe. Anstelle der Seele stieß ich in sie die Kraft des großen Sabaoth, des Guten, der sich im Bereich zur Rechten befindet. Die zwölf Kräfte der zwölf Erlöser der Schatzkammer des Lichtes, die ich von den zwölf Dienern in der Mitte empfangen hatte, stieß ich in die Sphäre der Archonten. Und die Dekane der Archonten und ihre Diener dachten, dass es Seelen der Archonten wären. Und die Diener brachten sie und banden sie in die Leiber eurer Mütter. Als eure Zeit angebrochen war, wurdet ihr in der Welt geboren, ohne dass Seelen der Archonten in euch sind. So habt ihr einen Teil empfangen aus der Kraft, welche der letzte Helfer in diese Welt geblasen hatte. Es ist die Kraft, die nun mit allen Unsichtbaren und allen Archonten und allen Äonen vermischt ist, mit einem Wort, vermischt mit dieser Welt des Verderbens. Diese Kraft, die ich am Anfang aus mir selbst hervorgebracht habe, stieß ich ins Erste Gebot. Und das Erste Gebot stieß einen Teil davon in das große Licht. Das große Licht stieß einen Teil dessen, was es empfangen hatte, in die fünf Helfer. Der letzte der Helfer nahm einen Teil dessen, was er empfangen hatte, und stieß ihn in die Vermischung. Und dieser Teil befindet sich nun in allen, die in der Welt der Vermischung leben, wie ich es euch soeben gesagt habe.« So sprach Jesus zu seinen Jüngern auf dem Ölberg. Und Er fügte hinzu: »Freuet euch und jubelt, denn die Zeiten sind vollendet. Freuet euch und jubelt und fügt Freude an Freude, denn die Zeiten sind vollendet, um mich mit dem Kleid zu bekleiden, das von Anfang an für mich bestimmt war und das ich im letzten Mysterium zurückließ, bis die Zeit der Vollendung gekommen wäre. Die Zeit der Vollendung ist die Zeit, in der mir durch das Erste Mysterium befohlen wird, mit euch über den Beginn der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung und vom Innersten des Inneren bis zum Äußersten des Äußeren zu sprechen, da durch euch die Welt gerettet werden wird. Freuet euch und jubelt, denn ihr seid gesegnet vor allen Menschen auf der Erde, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden.«

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Pistis Sophia, Abschnitt 8 Kapitel 13

Die Kraft des kleinen Jaô, des Guten Wenn Sie sich die Struktur des uns bekannten Evangeliums Christi vor Augen halten, dann erweist sich, dass zuerst von einer priesterlichen Familie gesprochen wird, von Zacharias und Elisabeth. Elisabeth wird prophezeit, dass aus ihr der Prophet Johannes geboren werden soll. Einige Zeit danach findet eine gleiche Ankündigung in einer zweiten Familie statt, das heißt, in einer werdenden Familie, bei Josef und Maria, die miteinander verlobt waren. Es wird angekündigt, dass aus Maria auf wunderbare Weise – ohne Mitwirkung ihres Partners – Jesus der Herr geboren wird. Johannes wird geboren – Jesus wird geboren. Johannes führt sein Werk aus und verschwindet, sobald Jesus der Herr mit seiner Arbeit beginnt. Der Wechsel dieser Gestalten auf der evangelischen Bühne findet durch eine Taufe im Wasser des Jordans statt. Der evangelische Bericht geht dann auf die bekannte Weise weiter. In der Schule des Goldenen Rosenkreuzes wird stets der Nachdruck darauf gelegt, dass Sie diese evangelischen Mitteilungen nicht als ein historisches Ereignis im gewohnten Sinn sehen müssen, sondern als ein sich immer aktuell im Heute vollziehendes Geschehen. Das klingt absurd und unmöglich für jene, die den Sinn der evangelischen Mitteilungen nicht verstehen, die das ganze Leben veräußerlicht haben und sich abhängig machen von Göttern und Abgöttern. Kurz gesagt, es ist absurd für alle, die in der gewöhnlichen, naturreligiösen Besinnung verharren. Jene jedoch, die von der Universellen Lehre wissen und jene, welche sich zu einem Schülertum in einer Geistesschule bekennen, sie kennen und erfahren die Wahrheit dieser Auslegung. Darüber haben wir anhand der Erklärung der Pistis Sophia gesprochen. Wir stellten dabei fest, dass es drei wunderbare Geburten gibt: 1. Die Johannes-Geburt, 2. die Jesus-Geburt 3. und die Christus-Geburt. Um an der ersten wunderbaren Geburt Anteil zu erhalten, ist es notwendig, ein bestimmter Menschentyp zu sein, ein Mensch, der sich aus bitterer Erfahrung, aus Not und Tod, aus Leiden und Kummer in dieser Todesnatur festgelaufen hat und wegen der Unruhe in seinem Blut und der Fruchtlosigkeit aller dialektischen Bemühungen zu suchen beginnt. Dieser Mensch nun, der als Zacharias-Elisabeth-Mensch bezeichnet werden kann, wird aufgrund seines Seinszustandes von der strahlenden Kraft des kleinen Jaô, des 114

Guten berührt, die in der Mitte ist. Es ist eine elektromagnetische Strahlung, die fundamentale gnostische Kraft, die unsere Todesnatur bis in das Herz angegriffen hat. Diese Kraft ist die göttliche Antwort auf die Seelennot des soeben geschilderten Menschen. Und jeder, der jetzt und später in einer solchen Seelennot lebt, empfängt diese Antwort. Durch diese Antwort öffnet der Mensch sich dann allmählich für eine neue Sicht. Alle Dinge werden anders. Mit diesem ersten Strahl des bruderschaftlichen Bemühens wird in der Geistesschule bei aller gewohnten Arbeit gewirkt. Es ist die Kraft des Jaô, die in der Mitte ist. Alle, die in die Geistesschule eingetreten sind, werden es bemerkt haben, als sie zum ersten Mal von der Geistesschule, ihrer Arbeit und ihren Schülern Kenntnis nahmen. Es war, als ob dem Eintretenden ein Schleier vor den Augen weggezogen wurde, und unzählige Dinge, ja, das ganze Leben, wurden plötzlich anders gesehen. Aber niemand, der diese Periode kennt oder gekannt hat, darf unterstellen, dass es dabei um einen vollkommenen Seinszustand im Sinn des Endziels geht. Denn es ist nur ein vorgeburtliches Stadium, die Ankündigung einer möglichen Geburt. Daher müssen nach dieser Erweiterung des sinnesorganischen Vermögens des Bewusstseins die Bereitschaft und feste Entschlossenheit vorhanden sein, um auf dieser Basis der neuen Sicht, der neuen Berührung an die Arbeit zu gehen, die Hand an den Pflug zu legen. Wenn Sie danach verlangen, wenn dieses Verlangen in Ihnen wächst, dann wird Ihre Hand zur Tat gestählt, zur Tat des freien Maurers befähigt durch eine zweite Strahlungskraft. Diese zweite Strahlungskraft wird dann als Geburt des Johannes bezeichnet oder als Wiedergeburt des Elias. Das bedeutet: der junge Kandidat wird mit der Blutskraft aller Befreiten verbunden. Er empfängt dieses Blutserbe, das eine siderische Strahlung ist. Er wird gleichsam im Blut mit allen Brüdern und Schwestern verbunden, die ihm auf dem Pfad vorangingen. Es ist ein Schatz des Blutes, der Blutsschatz der Überwinder, die Kraft einer lebendigen Gemeinschaft. Diese Kraft befähigt Sie, sich selbst anzugreifen, sich auf dem Pfad als wahrhaftiger Schüler durchzusetzen. Sind nicht alle gewöhnlichen menschlichen Vermögen, Ansichten, Unzulänglichkeiten und Äußerungen ebenfalls Blutsbesitz? Was Sie nicht im Blut besitzen, kann niemals Wirklichkeit werden. Darum ist diese neue Geburt im Blut, das Empfangen dieses Blutserbes eine Bedingung für alles. Wenn Ihr Typ den gestellten Forderungen entspricht, dann ist und wird das Blutserbe Ihnen zuteil. Die Pistis Sophia geht dann mit ihren Erklärungen der Universellen Lehre weiter und sagt: Jesus fuhr in seiner Rede fort und sagte: »Als ich auf Befehl des Ersten Mysteriums auf die Welt der Menschen hinabsah, fand ich Maria, die dem stofflichen Leib nach »meine Mutter« genannt wird. Ich sprach mit ihr in der Gestalt Gabriels, und als sie sich zu mir in die Höhe gewandt hatte, stieß 115

ich in sie die erste Kraft, die ich von Barbelo empfangen hatte, nämlich die Kraft des Körpers, den ich in der Höhe getragen habe. Anstelle der Seele stieß ich in sie die Kraft des großen Sabaoth, des Guten, der sich im Bereich zur Rechten befindet.« In dem Schüler, den wir Ihnen nun schildern, sind also zwei Strahlen des neuen elektromagnetischen Feldes wirksam: der Strahl, der den Sucher labt und ihm das Vaterland wie aus der Ferne zeigt, und der Strahl des Blutserbes, der den Schüler dynamisiert, ihn zur Tat antreibt, ihn zu einer Johannes-Gestalt werden lässt. Wenn der Schüler damit beschäftigt ist, wächst sein Wesen zu einem neuen Typ heran, der im Evangelium als Josef-Maria angedeutet wird. Das Arbeiten an sich selbst, durchglüht von den ersten beiden Strahlen der unvergänglichen Wahrheit, ist natürlich Selbstfreimaurerei. Sie brechen sich Bahn durch die Behinderungen hin: das ist Johannes, der Bahnbrecher. Das Resultat dieses Freie-Bahn-Schaffens ist typisch Josef, der Zimmermann – der Freimaurer. Durch diese Veränderung wird das Wesen des Schülers selbstverständlich in eine Krise geführt, zu einem Endpunkt, zu einem Grenzfall, an einen Punkt, an dem alle dialektischen Möglichkeiten gesetzmäßig enden müssen. Dieser Zustand wird »Maria« genannt. Der Mikrokosmos gerät in diesen Zustand durch die konsequente Arbeit Josefs des Zimmermanns. Darum wird gesagt, dass Josef und Maria verbunden sind, gleichsam ein Paar sind. Aber können Sie sagen, ob Ihre vorbereitende Zimmermannsarbeit ausreichend ist, um des vollkommenen Maria-Zustandes würdig zu sein? Suchen Sie nicht stets Zweifel heim und das Gefühl, noch kaum begonnen zu haben? Darum wird berichtet, dass Josef und Maria noch nicht verheiratet sind. Sie sind zur Einheit bestimmt, doch die Wirklichkeit ist noch fern. Und doch kommt in diesem Zustand des »sich fern wissend, aber trotzdem durch den Drang des Blutes eifrig beschäftigt seiend« wie ein Wunder die Berührung einer dritten gnostischen Strahlungskraft, nämlich die des Barbelo. Buchstäblich übersetzt bedeutet Barbelo: Sohn der Zerbrechung. Sie verstehen vielleicht, dass nun in dieser Kraft des Barbelo die Umwendung beginnt, die Umwendung des Naturwesens zu einem Wesen der Geistordnung Jesu Christi. Diese Umwendung fordert jedoch eine notwendige Zerbrechung. Sie haben vielleicht gedacht, dass die Zerbrechung durch Johannes und Josef genügt, um mit vollen Segeln in den Hafen zu gelangen. Aber dieses Rechtmachen der Pfade in der ersten Phase ist ein Rechtmachen des Pfades auf der rein horizontalen Linie. Getragen von den ersten beiden Strahlen der Gnosis führen Sie das nach Ihrem Willen, Ihrer Auffassung und Ihrem Geschmack durch, soweit Ihre Einsicht Sie dazu befähigt, soweit Ihr Blutsvermögen reicht, soweit Ihr Arbeitsvermögen im befreienden Sinn Ihren Weg freigibt. 116

Wir fragen Sie: »Besitzen Sie vollkommene Einsicht? Ist Ihr Blutsvermögen vollkommen? Ist Ihr Arbeitsvermögen im befreienden Sinn vollkommen?« Sie werden ehrlich und aus Herzensgrund antworten mit einem »Nein!« Das lähmt die Entwicklung natürlich. So würden Sie sich in der Wüste verlaufen. Und das verhindert nun der dritte Strahl des Barbelo. Er zermahlt und zerbricht methodisch und vollkommen, was Sie eventuell nicht wollen, alles, wofür Ihre Vernunft hoffnungslos ungenügend ist, alles, was Ihre Energie nicht schafft. Diese Strahlungskraft greift Sie an mit dem Willen des Vaters. Daher kann nun in Ihnen, bei dem es zuerst so gut lief, ein hoffnungsloser Wirrwar entstehen. Es kann starker Widerstand entstehen, der natürliche Widerstand, der Drang zur Selbstbehauptung und eine maßlose Angst. Wenn Sie dann nicht durchdringen wie ein tapferer, fest entschlossener Held, dann werden Sie zerbrochen. Sie wollen als hingebungsvoller Schüler der Johannes-Phase natürlich Ihr teures Osterlamm bereiten und sitzen voller Demut und Konzentration in Ihrer Hütte. Aber dann zieht wie bei Christian Rosenkreuz der Sturm des dritten Strahls auf, des Barbelo-Strahls, der Ihr ganzes Haus durcheinanderschüttelt. Es kommt nun darauf an, dass Sie Ihren spontanen, natürlichen Widerstand aufgeben und wie Maria sagen: »Mir geschehe nach deinem Wort.« Sie müssen sich so verhalten, dass Sie durch Ihre Lebenshaltung bitten: »Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.« Dann empfangen Sie in Ihrer Seele die Kraft des großen Sabaoth, des Guten, der sich an der rechten Seite befindet. Das ist der lebensregelnde, der gleichgewichtsregelnde vierte Strahl der Gnosis, der Sie befähigt, den Pfad der Zerbrechung mit Freude zu gehen. Es ist ein Weg, den Sie der Natur nach nicht wollen, nicht sehen und nicht umfassen können, den Sie dennoch ohne Widerstand sterbend gehen, um ewig lebend geboren zu werden.

Kapitel 14

Die Kraft des großen Sabaoth Wir haben ausführlich besprochen, dass es drei wunderbare Geburten gibt. Der Kandidat muss drei Stufen besteigen, wenn er das dialektische Leben verlassen will. Diese Stufen oder Geburten sind: die Johannes-Geburt, die Jesus-Geburt und die Christus-Geburt. Jede dieser Geburten wird für den Schüler durch die Wirkung der vier Lichtstrahlen, der vier Kraftradiationen des elektromagnetischen Feldes der Erneuerung ermöglicht. Wir haben Ihnen erklärt, wie sich die vier Strahlen entwickeln und in der Johannes-Geburt wirksam sind. In der Pistis Sophia wird der erste Strahl in der Johan117

nes-Geburt der Strahl des kleinen Jaô genannt. Es ist die göttliche Antwort auf die Seelennot des beginnenden Schülers. Infolgedessen entwickeln sich beim Sucher plötzlich Einsicht, Verständnis und neue Perspektiven für den Pfad der Befreiung. Der Sucher sieht den Weg vor sich. Wenn nun durch diese Entschleierung ein mächtiges Verlangen erwacht, diesen Weg der Befreiung zu gehen, entsteht übereinstimmend mit der Beschaffenheit und dem Vermögen dieses Verlangens nach Befreiung eine Empfänglichkeit für die zweite Strahlung der Gnosis. Und das Verlangen erwacht, wenn die Entschleierung der Dialektik und die Bitterkeit der Täuschung bei dem betreffenden Menschen vollkommen werden. Der Kandidat wird durch die Empfänglichkeit für die zweite Strahlung der Gnosis mit dem Blutsfeld, mit dem Blutserbe aller Brüder und Schwestern verbunden, die ihm auf dem Pfad vorangingen. Diese Blutsverbindung befähigt den sich Nähernden, genügend Mut, Kraft und Dynamik aufzubringen, um die Hand an den Pflug zu legen. In dieser Kraft kann der junge Schüler zu wirklicher Tat kommen. Sie werden jedoch verstehen, dass ein dialektischer Mensch, wenn er sein Wesen und seine Welt als von Gott getrennt erfährt und dadurch in seinem Leben unzählige Fehler feststellt, die von fundamentaler Art sind oder aus der Täuschung entstehen, bei seinem heiligen Werk nur eine bestimmte Grenze erreichen kann. Sie können viele Fehler in Ihrem Leben durch ernstes und vollkommenes Streben neutralisieren, Sie können viele Lebenspfade recht machen für Ihren Gott, aber Sie können schließlich nicht den Lebensfehler, der Sie selbst sind, neutralisieren. Das Ich kann das Ich nicht töten. Wir sprechen zwar über die Ichlosigkeit als absolute Notwendigkeit in den heiligen Mysterien der Transfiguration, aber man kann das Ich nicht vollkommen neutralisieren. Man kann höchstens eine bestimmte Grenze erreichen. Es bleibt immer ein Aktionsradius übrig, in dem das Ich auftreten muss, verpflichtet ist, sich bewusst zu sein, zu denken, zu empfinden und zu handeln. Denken Sie nur an das bürgerliche Leben, von dem Sie sich nicht völlig distanzieren können. Die Aufgabe der Ichlosigkeit führt daher in der ersten Phase an eine bestimmte Grenze. An dieser Grenze stehend, erfährt der Kandidat die Berührung einer dritten gnostischen Strahlungskraft, die in der Pistis Sophia »die Kraft des Barbelo« genannt wird, der Sohn der Zerbrechung. Diese Strahlungskraft greift Sie mit dem Willen des Vaters an und zerbricht, vernichtet methodisch und vollkommen alles, was Sie wollen und auch alles, was Sie eventuell nicht wollen, sowie alles, was Sie absolut nicht können. In dieser dritten Strahlung wird das Natur-Ich in seinem wesentlichen Kern zerbrochen. Darum heißt es in der Bibel, dass Johannes enthauptet wird. Die Strahlungskraft des Barbelo ist radikal und vollkommen. Der Schüler muss bereit sein, diese Vernichtung hinzunehmen, und tatsächlich beweisen: »Herr, nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe.« 118

Wer sich an diesem Punkt vollständig hingeben will bis zum letzten Rest des alten Ichwesens, der empfängt die Offenheit für ein viertes strahlendes Vermögen der Gnosis, welches »die Kraft des großen Sabaoth« genannt wird. Es ist eine lebensregelnde und gleichgewichtsregelnde Radiation, die den Kandidaten instand setzt, in großer Freude den Pfad der Zerbrechung zu gehen, und zwar durch die Pforten eines Todes von sehr besonderer Art. So geht der Schüler dann auf in einer zweiten wunderbaren Geburt, der Jesus-Geburt, die ebenfalls von vier Strahlen der Gnosis getragen wird. Wir sprachen bereits früher über die zwölf magnetischen Punkte im aurischen Wesen, die zusammen das neue Lichtkleid ermöglichen. Damit Sie das ganze Mysterium der Wiedergeburt besser denn je verstehen, müssen wir Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf diese zwölf magnetischen Punkte lenken. Sie wissen, dass das magnetische Firmament im aurischen Wesen die gesamte Beschaffenheit Ihres Seelenzustandes und Ihres Lebenszustandes bestimmt, da alle magnetischen Kraftlinien, die vom aurischen Wesen ausgehen, mit entsprechenden Punkten in Ihrem Hauptheiligtum korrespondieren. Der gesamte Mikrokosmos bildet so eine magnetische Einheit, ein einziges zusammengehöriges System. Und der Besitz des Geistfunkenatoms an der Spitze der rechten Herzkammer kann daran auch nichts ändern. In der Geistesschule des Goldenen Rosenkreuzes wird die Aufmerksamkeit auf Geistfunken-Entitäten und Lebensfunken-Entitäten gelenkt. Wir müssen diesen beiden Gruppen nun eine dritte hinzufügen. Das macht die Übersicht über das Allgeschehen zwar viel komplizierter, ist jedoch notwendig, um Geschehnisse im Leben einiger Menschen und ihr Verhalten erklären zu können, zumal diese Verhaltensweisen und Geschehnisse in der nahen Zukunft öfter als je zuvor auftreten werden. Sie wissen, dass eine Lebensfunkenentität fundamental nichts anderes ist als ein Naturwesen, eine höhere Tierart. Die Geistfunkenentität besitzt einen Mikrokosmos, der aus der Prä-Vergangenheit der Menschheit stammt, aus den ursprünglichen sieben Hauptrassen. Er besitzt daher eine bestimmte Signatur. In seinem aurischen Wesen befindet sich außer dem wirkenden, funktionierenden magnetischen Firmament auch ein latentes magnetisches Firmament, ein gelöschtes, dunkles System. Und dieser Mikrokosmos besitzt im Herzen seiner Kugel ein Uratom. Wenn eine lebende Persönlichkeit in ihm geoffenbart ist, dann korrespondiert dieses Atom mit der rechten Herzkammer der Persönlichkeit. Dieses Atom in der Mitte der mikrokosmischen Kugel ist stets äußerst empfänglich für Eindrücke aus dem Lebensfeld, in dem sich der Mikrokosmos vor seinem Fall aufhielt. Aber diese Impressionen können im Mikrokosmos, also auch in der Persönlichkeit, keinen Widerhall finden, wenn im aurischen Wesen dieses Mikrokosmos die zwölf primären latenten magnetischen Kerne des sechsten Ringes nicht ebenfalls dafür empfänglich geworden sind. Wenn diese zwölf ursprünglichen magnetischen Kerne noch dermaßen latent sind, kann die Widerspiegelungsfunktion des Uratoms 119

keine einzige Wirksamkeit von wirklich befreiender Art in der Persönlichkeit, also auch nicht im gesamten Wesen hervorrufen. Diese Widerspiegelungsfunktion des Uratoms verursacht dann höchstens in dem betreffenden Menschen ein gewisses intellektuelles und mystisches Interesse. Aber dieser Mensch wird gewiss nicht den Pfad der Johannes-Geburt gehen und ebensowenig den ihr vorausgehenden Zacharias-Elisabeth-Zustand kennen. Dieser Mensch wird in seinem Ichwesen verharren, und sein Blut wird sich für die regenerierende Wirksamkeit verschlossen zeigen. Dieser Mensch kennt das Opfer seiner ganzen Natur nicht und kann es nicht bringen. Er ist höchstens zum Opfer und Gehorsam bereit, wenn er sicher ist, etwas Wichtiges für das eigene Ich zurück zu erhalten. Wenn sein Opfer nicht im erwarteten Sinn belohnt wird, entsteht heftiger Schmerz. Das ist jedoch nicht der Schmerz des Menschen, der sich in dieser Welt festgelaufen hat, sondern der Schmerz des enttäuschten Ich-Menschen. Durch die negative Widerspiegelungsfunktion des Uratoms kann dieser Mensch zwar in die Reihen der Schüler der Geistesschule eindringen, die Universelle Lehre bis zu einer gewissen Höhe verstehen, ihren Reiz in gewissem Rahmen empfinden, aber er kann nicht im mindesten zur Selbstwirksamkeit im Kraftfeld der vier Strahlen gelangen, weil sein magnetisches System es nicht zulässt und alle Zugänge zum Wesen und zum Blut vollständig abschließt. Sieht man, dass solche Schüler im eigenen Leben die größten Fehler begehen und gehen von ihnen das Werk behindernde Einflüsse und Verhaltensweisen aus, dann gilt für sie nur die bekannte Bitte: »Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Sie sind nur zu rein dialektischen Reaktionen auf das, was die Geistesschule fordert, imstande. Diese Schüler müssen warten, bis sich in ihrem Wesen neue magnetische Möglichkeiten offenbaren, wie sehr man ihnen auch helfen und zur Seite stehen möchte, weil auch sie gefallene Gotteskinder sind. Die Geistesschule muss ebenfalls warten, bis sich bei ihnen der Verdruss wegen des Widerstandes, den das Ich erfährt, nach vielen Leiden und Erfahrungen in den Schmerz der Reue und ihr hochmütiges und sehr brutales Verhalten – die Signatur solcher Menschen – in Demut vor Gott und Menschen verwandelt. Denn eine solche Demut wird beweisen, dass die zwölf Hüter der Schatzkammer des Lichtes etwas von dem Licht in den zwölf latenten magnetischen Kernen des aurischen Wesens aufleuchten lassen konnte. Von diesem Augenblick an wird eine Gruppe neuer magnetischer Kraftlinien die korrespondierenden Punkte in Haupt und Herz berühren. Eine neue magnetische Kondition wird sich bilden. Und in dieser Umwendung des gesamten Wesens können die Strahlen der Gnosis, die das Uratom berühren, mit ihrer herrlichen Arbeit beginnen und sie fortsetzen. Dann findet die Saat keinen felsigen Boden mehr, sondern einen vorbereiteten Acker, in dem sie zur Überwindung wachsen kann. Darum will die Geistesschule des Goldenen Rosenkreuzes vor allem die Geistfunken-Entitäten in ihrem Kraftfeld sammeln, die aufgrund ihrer aurischen Beschaffenheit wirklich freie Maurer sein können. 120

Das mussten wir Ihnen erklären, bevor wir mit der Besprechung des Evangeliums der Pistis Sophia fortfahren können. Denn wer diese herrliche und befreiende Signatur besitzt, dessen Uratom kann erblühen wie eine Rose, die wahrlich eine Rose der Rosen genannt werden kann. So wie Jesus Christus seine zwölf Jünger besitzt, so besitzt der Kandidat in seinem Herzen das Christus-Wesen. Und in einem weiten Kreis umgeben diese Rose der Rosen seine zwölf Diener, die zwölf Jünger in den zwölf neuen magnetischen aurischen Kräften des sechsten Ringes, die das Werk der Rose fortführen bis zur Vollendung. Wer von diesem Kreis der Apostel umgeben ist, besitzt einen Kreis, der nichts anderes vermag und will, als vollkommen dem Christus zu dienen, der als Rose der Rosen bezeichnet wird.

Kapitel 15

Die fünf Helfer Wir haben die mikrokosmische Struktur der Uratomentität, die den Pfad des befreienden Lebens gehen will, ausführlich behandelt. Wir setzen diese Erklärung anhand des 8. Kapitels der Pistis Sophia fort, dem wir Folgendes entnahmen: »Als eure Zeit angebrochen war, wurdet ihr in der Welt geboren, ohne dass Seelen der Archonten in euch sind. So habt ihr einen Teil empfangen aus der Kraft, welche der letzte Helfer in diese Welt geblasen hatte. Es ist die Kraft, die nun mit allen Unsichtbaren und allen Archonten und allen Äonen vermischt ist, mit einem Wort, vermischt mit dieser Welt des Verderbens. Diese Kraft, die ich am Anfang aus mir selbst hervorgebracht habe, stieß ich ins Erste Gebot. Und das Erste Gebot stieß einen Teil davon in das große Licht. Das große Licht stieß einen Teil dessen, was es empfangen hatte, in die fünf Helfer. Der letzte der Helfer nahm einen Teil dessen, was er empfangen hatte, und stieß ihn in die Vermischung. Und dieser Teil befindet sich nun in allen, die in der Welt der Vermischung leben, wie ich es euch soeben gesagt habe.« So sprach Jesus zu seinen Jüngern auf dem Ölberg. Und Er fügte hinzu: »Freuet euch und jubelt, denn die Zeiten sind vollendet.« Damit Sie gut verstehen, was mit diesem Zitat gemeint ist, lenken wir Ihre Aufmerksamkeit nochmals auf das Folgende: Das aurische Wesen einer Uratomentität besitzt außer dem magnetischen Firmament in Funktion auch ein latentes, ein gelöschtes magnetisches System. Solange dieses latente System noch keinerlei Tätigkeit zeigt, ist das Impressionsvermögen des Uratoms im Herzen zu keiner befreienden Wirksamkeit fähig. 121

Der betreffende Mensch wird wegen dieses Impressionsvermögens des Uratoms sich zwar in gewissem Maß für das befreiende Leben interessieren und eventuell auch der Geistesschule anschließen, wird jedoch weiterhin das eigene Ich vollkommen behaupten, also unnahbar und vom Blut her verschlossen sein. Ein solcher Mensch ist bereit, die Philosophie der Schule zur Kenntnis zu nehmen und vielleicht auch eifrig dabei, diese Philosophie zu verkünden. Er wird sich selbst für vorangekommen halten, da er eine gesetzmäßige Lebenshaltung angenommen hat, aber er kann niemals als wahrer Schüler bezeichnet werden. Ein Schüler ist ein Mensch, der das eigene Selbst, das Ich opfert. Wer dieses Opfer bringt, muss dazu geeignet werden durch das latente magnetische System des aurischen Wesens. Denn die magnetischen Strahlen und Kraftlinien, die das aurische Wesen aussendet, kommen im Haupt- und im Herzheiligtum zusammen und bilden in ihrer Einheit das Ich und halten es zusammen. Wenn daher diese Kraftlinien noch vom gewöhnlichen, natürlichen magnetischen System stammen, kann keine einzige Impression der Gnosis wirklich zerbrechend in der Persönlichkeit auftreten, sondern höchstens der Anlass sein, um mit der Schule und ihrer Philosophie zu kokettieren. Darum muss ein wirksames Uratom stets mit einem ebenso wirksamen Teil des vorher völlig latenten, schlafenden, ursprünglichen magnetischen Systems zusammenarbeiten. Es geht hier um zwölf primäre magnetische Punkte. Wenn diese zwölf Kräfte einigermaßen wirksam sind, werden zwölf magnetische Kraftlinien im Hauptund im Herzzentrum erkennbar. Dann ist gleichsam eine Tür im System des Todes geöffnet, und die Kraft der Rose kann nicht nur eintreten, sondern auch mit der Arbeit beginnen. Wenn die Rose des Herzens strahlen kann, dann ist Jesus der Herr im Menschen geboren und hat seine zwölf Jünger als einen aurischen apostolischen Kreis erkoren. Dieser Kreis wird das befreiende Werk des innerlichen Christus weiterführen bis zur Vollendung. Man kann daher feststellen, dass jeder Schüler, der seinen innerlichen Christus zur Geburt zu drängen weiß und seinen apostolischen Kreis verwirklicht, Erfolg haben wird. Den innerlichen Christus besitzt jeder Sucher. Es ist das Uratom oder die Rose. Solange diese Rose jedoch eine Knospe bleibt, unter ihren Kelchblättern verborgen ist, kann sie nicht erblühen. Solange diese Rosenknospe lediglich theoretisch, philosophisch als Ihr Besitz erkennbar wird, kennen Sie den innerlichen Christus tatsächlich und absolut nicht. Die Bibel bezeugt das mit ihrer Bildersprache: »Er ist unter euch, aber Er wird nicht erkannt.« Um die Rose zu erkennen, ihren Duft wahrzunehmen und in den Rosengarten einzutreten, muss der Mensch den vorbereitenden Weg des Johannes gehen. Der Kummer wegen des Widerstandes, den das Ich in der Natur des Todes erfährt, muss sich nach vielen Leiden und Erfahrungen in das Leid der Reue und in Demut vor Gott und den Menschen verwandeln. Diese Demut wird beweisen, dass die zwölf 122

Hüter der Schatzkammer des Lichtes die zwölf primären aurischen magnetischen Punkte der Befreiung entflammt haben. Und die zwölf Jünger umgeben dann den Herrn des Grals beim Heiligen Abendmahl. Aber da ist noch mehr. Es wird erzählt, dass bei der Geburt Jesu ein Stern über dem Stall seiner Geburt stand, ein strahlender, fünfzackiger Stern. Er verharrte über der Geburtsstätte, und die Weisen aus dem Osten kamen, von dem wunderbaren Sternenlicht geführt, um dem Kind Ehre zu erweisen. Finden Sie es nicht merkwürdig, dass in so vielen heiligen Berichten von einem solchen fünfzackigen Stern gesprochen wird? Der verherrlichte Seelenkörper, also das neue Gewand des Schülers, wird ebenfalls durch einen fünfzackigen Stern dargestellt. Er ist das Symbol für den ursprünglichen Menschen. Die fünf Punkte dieses Fünfecks korrespondieren mit dem Haupt, den beiden Händen und den beiden Füßen, also mit den fünf Kennzeichen des vollkommenen Schülertums. Wenn man diese fünf Kennzeichen mit Linien verbindet, erhält man das Bild des fünfzackigen Sterns, die fünf Kennzeichen des Menschensohns. »Der Stern stand still über dem Stall.« Fünf Kennzeichen: erkennen Sie die fünf Helfer, von denen die Pistis Sophia spricht? Diese Fünf-Einheit ist selbst ein Mysterium. Denken Sie an die Saatatome. Es sind atomare Prinzipien, die nach dem Tod bestehen bleiben und bei einer neuen Inkarnation wieder in den neuen Körper eingefügt werden. Es sind sieben Saatatome, und in der Welt der Dialektik sind es sieben Ketten, mit denen die Mikrokosmen an das Rad der Geburt und des Todes gefesselt werden. Die Saatatome sind über die Persönlichkeit verteilt, wie jeder weiß, der esoterische Literatur studiert hat. Diese Saatatome haben jedoch nichts mit dem wunderbaren Stern von Bethlehem zu tun. Alle sieben Saatatome der ursprünglichen himmlischen Gestalt liegen im Uratom des Herzens beschlossen. Die Rose des Herzens, der innerliche Christus, ist eine siebenblättrige Rose. Wenn diese siebenblättrige Rose erblüht, wenn der innerliche Christus geboren wird, steigt auch der fünfzackige Stern auf. Und von dem Schüler, der dieses Geburtsfest zu feiern weiß, kann gesagt werden: »Wir haben den Stern im Osten gesehen«, das bedeutet, im Geburtspunkt, im Geburtsmoment. Wenn Sie dieses Mysterium entschleiern wollen, müssen Sie folgende Methode anwenden: Stellen Sie sich das Uratom als sieben Atome vor, die in einer Bahn beschlossen sind. Wenn nun das Geburtsfest durch die Einsenkung des Kreuzes stattfindet und die Wiedererschaffung oder Transfiguration beginnt, birst das siebenfache Atom durch die Berührung des gnostischen Feuers gleichsam auseinander. Es wird gespalten. Es zerfällt in sieben Atome, und es entsteht ein großes Licht. Der Kandidat ist durch diese atomare Explosion wie in eine Flamme gehüllt, und die sieben Prinzipien dieser Flamme bilden eine Figur: das Siegel des wahren, ursprünglichen Menschen. Aber das sind nur erst Prinzipien, das ist noch keine absolute Verwirklichung. Eines der sieben Prinzipien bleibt jedoch im Herzen, an der Spitze der rechten Herzkam123

mer zurück als Zentrum des neuen atomaren Bildes. Ein zweites Prinzip breitet sich aus, erfüllt den gesamten Mikrokosmos und bildet das Pentagramm, das Lichtkleid. Und die fünf übrigen befinden sich innerhalb des Pentagramms und korrespondieren mit dem Haupt, den Händen und den Füßen. Diese fünf könnten Sie Planeten nennen, die beiden ersten Sonne und Mond. So formen sie innerhalb des neuen aurischen Tierkreises ein vollkommenes, neues Sonnensystem. Wenn es heißt, dass die Rose sich offenbart und ihr Duft wahrgenommen wird, dann wird auf diese mikrokosmische Atomspaltung des Uratoms hingewiesen. Die fünf Atome, die sich im Lichtkleid befinden, werden in der Pistis Sophia »die fünf Helfer« genannt. Denn die fünf Helfer der beiden anderen Rosenblätter, das Lichtkleid und sein Kern im Herzen, die eine positive und eine negative Strahlung abgeben, haben das gesamte dialektische System tatsächlich immer stärker unter Kontrolle. Diese fünf Helfer führen den Prozess der Transfiguration aus. Wenn ein solches Sternensystem nun über einem Schüler stillsteht, dann wird dieses Licht von ferne gesehen, und die Weisen und die Kräfte der Bruderschaft eilen herbei, um dem Neugeborenen Ehre zu erweisen. Sie opfern Gold, Weihrauch und Myrrhe: das Gold des Geistes, den Weihrauch der gnostischen Verbundenheit und die Myrrhe der Läuterung. Ein solcher Schüler ist ein wahrer Rosenkreuzer geworden. Zu ihm wird mit Recht gesagt: »Sei froh und freue dich, denn deine Zeiten sind vollendet.« So kennen Sie nun das Mysterium der blühenden Rose. Von allen überflüssigen Fransen befreit, bedeutet es, dass das Uratom in seinem dialektischen Zustand der Gefangenschaft nur eine siebenblättrige Rose in der Knospe ist, verschlossen und zu keinerlei befreiender Arbeit fähig, ein Prinzip, das den gefallenen Gottmenschen instand setzen kann, den Pfad der Erlösung zu gehen. Es ist eine potenzielle Christuskraft in einem Menschentyp, von dem gesagt werden kann: »Ich sage euch, ihr seid Götter.« Aber dieser Gott muss sich selbst von seinen Fesseln befreien. Zu Menschen dieses Typs kann aber nicht gesagt werden: »Ihr seid werdende Götter.« Das wäre eine Lüge, ein großer Betrug. Sie sind keine werdenden Götter, denn das würde auf eine allmähliche Entwicklung, eine Evolution, ein langsames Aufsteigen hindeuten. Aber das verneinen wir. Mit diesem Verrat hat man durch Äonen hin das gefallene menschliche Geschlecht betrogen und in einem Wahn gefangen gehalten. Das ist es, was unsere Philosophie hauptsächlich vom modernen theosophischen Gedanken unterscheidet. Es gibt keine Evolution des wahren Menschen, sondern nur eine Revolution des alten Menschen. Der alte Mensch muss untergehen, der wahre Mensch muss geboren werden. Er liegt in der Rosenknospe gefangen und kann nur durch das starke Feuer der gnostischen Sonne aufbrechen. Die alte Natur muss durch Selbstneutralisation den Weg bahnen, damit die Strahlen der neuen Sonne die Rosenknospe erreichen können. Die Rosenknospe wird wachsen, wenn Sie weniger werden wollen. Das ist das Geheimnis des befreienden Feuers. 124

Sie können sich über den Besitz der Rosenknospe freuen, denn sie ist die Basis für das große Werk. Aber Ihr Fehler könnte sein, dass Sie bei diesem Besitz stehen bleiben und sagen: »Ich bin eine Geistfunkenentität. Ich bin ein Kind Gottes. Ich bin ein Rosenkreuzer.« Und Sie verlassen sich darauf und tun in Selbstzufriedenheit oder Brutalität so als ob. Sie sind erst wirklich ein Rosenkreuzer, ein Gottessohn, Sie besitzen erst wirklich einen Rosengarten, wenn durch das große Feuer das große Licht entflammt wird und die fünf Helfer von Ihnen gesehen werden. Dann sind Sie völlig in der Rose aufgenommen, dann sind Sie wieder der geflügelte Mensch von einst. Dann besitzen Sie die Flügel und die Macht der Gottessöhne. Dann ist das Eine zu Sieben geworden, die Sieben zu Zwei, die Zwei zu Fünf, und die Fünf wiederum zu Eins. Wer das verstehen kann, der verstehe es!

Kapitel 16

Das Wunder des Uratoms Seit langem wird in der Schule des Goldenen Rosenkreuzes über das Geistfunkenatom gesprochen. Vielleicht haben Sie schon selbst bemerkt, dass dieses fortwährende Sprechen über das gleiche Thema eine Gefahr mit sich bringt, nämlich die Gefahr der Banalisierung, der Verflachung. Diese Gefahr ist vor allem dann vorhanden, wenn es um Themen geht, die eine so gewaltige Tiefe haben und von so ausschlaggebender Bedeutung sind, dass ein dialektischer Mensch nur einige äußerliche Ansichten davon wahrzunehmen vermag. Und eine äußerliche Ansicht ist schnell bekannt, lässt das Interesse bald erlahmen und nimmt oft die Kraft zu einer genaueren Untersuchung. Der Mensch jedoch, der seine Aufmerksamkeit mit nicht erlahmendem Eifer, mit seiner ganzen suchenden Seele auf das Geistfunkenatom gerichtet hält, entdeckt Wunderbares. Seine Entdeckungen sind so wunderbar und im Resultat so unbegrenzt, dass in ihm eine große Dankbarkeit darüber aufsteigt, dass die Schule des Rosenkreuzes jede Gelegenheit benutzt, um seine Aufmerksamkeit auf das Uratom an der Spitze der rechten Herzkammer zu lenken. Die unveränderliche Botschaft, welche die Geistesschule ihren Schülern überträgt, lautet: »Bruder, Schwester, achten Sie doch bei allem und vor allem auf das Uratom; denn es ist der Schlüssel zu Ihrem wahren Dasein. Es ist das Mysterium aller Mysterien, der Beginn und das Ende jedes neuen Werdens.« 125

Wir wollen Ihnen den nüchternen Bericht eines Menschen übermitteln, der die dringende Einladung befolgte und seine hingebungsvolle, suchende Aufmerksamkeit unveränderlich auf das Geistfunkenatom gerichtet hielt. Hier ist das Resultat seiner Untersuchung: »Dem Rat folgend, der mir mit weiser Absicht gegeben worden war, ging ich dazu über, meine Aufmerksamkeit unveränderlich auf das Geistfunkenatom gerichtet zu halten. Und es gelang mir, bei all meinen täglichen Beschäftigungen, diesen Gegenstand meiner unablässigen Untersuchung bei mir zu wissen. Sogar wenn Tätigkeiten auf der horizontalen Linie mein aktives Denken vollkommen in Beschlag nahmen, wusste ich, dass der Gegenstand meiner Konzentration in einem bestimmten Zentrum meines Gehirns anwesend und wirksam war. Schließlich war mein Zustand so, dass ich Mühe hatte zu vermeiden, dass dieser Gegenstand mich übermannte, aber schließlich empfing ich dieses Kleinod meiner Hingabe als einen Blutsbesitz, so wie unsere Charaktereigenschaften und die Eigenarten unseres Typs in unserem Blut vorhanden sind und sich stets wieder zur Geltung bringen. So zirkulierte das Mysterium des Uratoms als eine typische Eigenschaft in meiner Blutbahn, so dass dadurch alle Zentren meiner Persönlichkeit bei Tag und bei Nacht abwechselnd davon berührt wurden. Es wurde Teil meines Denkens, Wollens, Empfindens und Handelns. Ich träumte von diesem Mysterium des Herzens. Und so wie ein äußerst empfindliches Präzisionsinstrument Impressionen registriert, die dem Sinnesorganismus entgehen, so wurde mein Wesen befähigt, in ein immenses Wunder zu blicken. Zuerst wusste ich, dass das Uratom in seinem jungfräulichen dialektischen Zustand auch Rosenknospe genannt wird. Unser Mikrokosmos, unsere kleine Welt enthält eine Seele, eine beseelte Persönlichkeit, eine kleine Weltseele. Sprach Plato in seinen Mysterien nicht über die Weltseele, die gekreuzigt ist? In der Tat, wie richtig ist das! Das Kreuz unserer Persönlichkeit ist in der Natur des Todes aufgerichtet, in einem Mikrokosmos, der vom Logos getrennt ist. Ich erfahre alles, was die Schule des Rosenkreuzes über die Dialektik gelehrt hat. Ich hänge am Kreuz, mitten im Atem des Todes. Aber jetzt ist da die unermessliche Freude, dass es eine Rosenknospe gibt, erfüllt von Verheißungen einer neuen Jugend. Das Atom ist eine wunderbare Erscheinung! Was ist ein Atom? Es ist alles – ein Universum. Es enthält Kräfte, welche die kühnste Fantasie übertreffen. Wenn man eine kleine Anzahl Atome von bestimmter Art mit gewaltiger Energie zu zertrümmern weiß, entstehen Explosionen, die meilenweit im Umkreis alles hinwegfegen. Vielleicht kann man bald die freiwerdende Energie eines gespaltenen Atoms kanalisieren und planmäßig anwenden. Jedoch das Atom der Rosenknospe kann mit keiner einzigen bekannten oder noch unbekannten dialektischen Energie gespalten werden. Die darin enthaltene Energie, das Geheimnis darin, kann auf solche Weise 126

nicht frei werden. Die Rosenknospe kann nur wachsen und blühen in einem völlig anderen Daseinsfeld. Die Freude muss der Traurigkeit weichen; denn wenn ein naturwissenschaftliches Genie das Rosenknospenatom spalten könnte, würde die frei werdende Energie nur Verwüstung verursachen. Ein Atom ist eine Welt, eine Weltordnung, ein Mikrokosmos. Ich verstehe sehr gut, dass die Andeutungen klein und groß nur zeiträumliche Begriffe sind. Die Räume innerhalb des Rosenknospenatoms sind weit wie die Ewigkeit. Die Ansichten, Bedeutungen und Möglichkeiten darin sind so vielfältig wie der Sand am Meer. Die Rosenknospe ist eine Weltordnung, eine Weltseele, eine All-Offenbarung, die sich hier nicht entfalten kann. Es ist eine All-Offenbarung, die nicht von dieser Welt ist, ein gigantisches Königreich, jedoch nicht von dieser Natur. Die Rosenknospe enthält ein verträumtes Leben, das in überschwenglicher Majestät erblühen könnte. Aber der Duft dieser königlichen Lebensglut kann hier nicht wahrgenommen werden. Ich trage eine neue Welt in mir, die dreifach göttlich ist. Ich trage das Haus des Vaters in mir, in dem viele Wohnungen sind, aber niemand kann sich gleichzeitig in zwei Welten aufhalten oder von zwei Welten sein. Was der Okkultist für das Teilhaben an zwei Welten hält, ist nur das Teilhaben an zwei Sphären derselben Welt. Wenn ich teilhaben will an einer verträumten, schlafenden Welt, an dem Reich, das nicht von dieser Welt ist, das ich aber trotzdem in mir trage und von dem gesagt wird: »Siehe, das Reich Gottes ist in dir«, dann muss ich meine Welt verlassen. Was ist meine Welt? Meine Welt steht und fällt mit dem beseelten Leben darin. Und diese Beseelung bin ich selbst. Ich muss mich selbst verlassen. Ich muss das Ich vernichten. Von dem Augenblick an wird ein anderes Ich in einem anderen beseelten Leben stehen, in einer anderen Weltordnung. Nichts von mir wird in das andere Reich eingehen, denn es braucht mich nicht. Es ist kein gefallenes Ich in meinem Ich. Mein Ich passt wunderbar in die Welt, in der ich existiere. Ich bin kein gefallener Mensch, wie im naturreligiösen Wahn gesagt wird. Ich bin in dieser Natur des Todes geboren, und der Tod ist meine Signatur, mein Leben. Ich verbreite allein schon durch meine Existenz Tod und Verderben um mich hin. Ich lebe vom Tod. Nein, das gefallene Selbst, das versunkene Selbst ist in der Rosenknospe, in der ich nicht bin, an der ich keinen Anteil habe, die ich aber dennoch stets mit mir trage. Und dieses gefallene Ich kann nur frei werden und leben, wenn ich nicht mehr bin. O dumme Macht der Unwissenheit, die mich versuchen ließ, in das Reich Gottes einzutreten! Das neue Reich ist für den Anderen in mir, der in der Rosenknospe wohnt und schläft. Könnte ich diesen Anderen so lieben, dass ich mich selbst für ihn aufgebe? Um einen anderen lieben zu können, muss man ihn kennen. Daher muss es möglich sein, die Struktur, die Art, die Eigenschaften und Ansichten des wunderbaren Atoms zu kennen, gleichsam zu prüfen, zu erfahren, so dass in dieser Liebesbindung das Opfer, der Untergang des Selbstes für den Anderen gebracht werden kann. Denn 127

darum trage ich doch die Rosenknospe in mir, damit die sich selbst opfernde Liebe es erwecken kann. Ist das nicht die Bedeutung aller heiligen Erzählungen? Ist das nicht die Bedeutung aller heiligen Schriften? Bin ich nun das Opfer einer emotionellen Ekstase? Wirkt in mir ein freudianischer Komplex, erfüllt von religiöser, selbstkasteiender Erotik? Kann ich meine Entdeckung an der modernen Atomwissenschaft prüfen? Ich kann es. Die Naturwissenschaft lehrt und beweist, dass man durch Spaltung eines Atoms ein Atom oder Atome von völlig anderer Art und mit völlig anderem Wert erhält. Der bewusste Untergang des einen im großen Feuer der Selbstentledigung gibt dem anderen Leben. Nun weiß ich, was der blühende Rosenstrauch in der Sprache der Symbole bedeutet. Der blühende Rosenstrauch will die alte verfallene Scheune nicht verschönern, sie nicht als etwas erscheinen lassen, was sie nicht ist. Der Rosenstrauch am Kreuz der Natur, der Rosenstrauch der gekreuzigten Weltseele, zeigt uns den Menschen, der – in die Rosenknospe blickend – ein Leben zum Tode führt, um ein anderes Leben zu erhalten. Das Leben, das sich dem Tode weiht, ist nicht nutzlos, es ist in mehrfacher Hinsicht wertvoll. Es gibt der Rosenknospe die Gelegenheit, sich zu entfalten. Es ist der süße Tod, die Selbstaufhebung der Gnostiker. Wie in einem Spiegel des Herzens sehe ich den Geliebten, von dem so viele Eingeweihte gesprochen haben. Die Welt des heiligen Anderen wird mir geoffenbart wie Augen, die mich anstarren. Ich sehe, wie die Rosenknospe ihre Blätter hebt, dass das Wunderatom aus sieben Atomen besteht und wie dieses Siebengestirn auf das mächtige Wort hin: »Es werde Licht« aufgeht wie ein sich ausdehnendes Weltall. Ich sehe, dass diese siebenfache verträumte Offenbarung im weiten Bogen umringt wird von einem ebenfalls latenten Tierkreis, einem magnetischen Feuerkreis. Und ich erkenne, dass in der Heiligen Schrift dieser schlafende, noch dunkle Tierkreis als Thron, als göttlicher Thron angedeutet wird, und das siebenfache Atom, die siebenblättrige Rose als die sieben Herren vor dem Thron. Ich sehe den göttlichen Mikrokosmos, der in mir beschlossen liegt, mich von allen Seiten umringt und sieben Felder der Aktivität besitzt, und dass es sieben Strahlen gibt und sieben Möglichkeiten und dass sieben Werke der Wiedergeburt erfüllt werden müssen. Ich sehe, dass Leuchter auf Leuchter angezündet wird und in einem unsagbar herrlichen Licht erstrahlt. Erst jetzt verstehe ich den Beginn der Apokalypse richtig. Es ist der Anruf des Menschen, der den Geliebten erweckt, der Anruf des Menschen, der mit dem enduristischen Werk beginnt und darum das Mantram spricht: »Johannes den sieben Gemeinden in Asien: Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt, und von den sieben Geistern, die da sind vor seinem Stuhl, und von Jesus Christus, welcher ist der treue Zeuge und Erstgeborene von den Toten«. ... Ich war im Geist an des Herrn Tag.« 128

Kapitel 17

Blut, Feuer und Rauchdampf Wir lesen im Kapitel 143 der Pistis Sophia: Seine Jünger sagten zu Ihm: »Meister, entschleiere uns das Mysterium des Lichtes deines Vaters, da wir sagen hörten, dass es eine Taufe des Feuers und eine Taufe des Heiligen Geistes gibt.« Diese Worte korrespondieren mit denen Johannes des Täufers, der sagt: »Ich taufe euch mit Wasser, aber er, der nach mir kommt, wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.« Das Prinzip der beiden Taufen finden wir in allen Zeiten und in allen heiligen Schriften. Stellen Sie sich vor, Sie sehen in der Ferne eine Rauchsäule in die Luft steigen. Sie wissen dann, dass dort ein Feuer brennt, denn ohne Feuer gibt es keinen Rauch. Der Rauch beweist das Feuer, er ist aber nicht das Feuer selbst. Selbstverständlich wird der, der sich dem Rauch nähert, auch das Feuer finden. Sich dem Rauch nähern, ihn sehen und erfahren, das ist die Taufe des Wassers. Wasser ist das Symbol für jede Stoff-Offenbarung, und die Taufe des Rauchs deutet auf die Offenbarung der Gnosis in der Welt der Zeit hin. Was der Mensch vom heiligen Feuer des Geistes im Wesen der Zeit prüfen, verstehen und verarbeiten kann, ist nur der Schatten des Feuers, der Rauch. Das Feuer selbst bleibt jedoch für die stoffliche Erfahrung verborgen. Das Feuer selbst zu erblicken, ist erst möglich, wenn man die stoffliche Erfahrung und ihren Wahn durchbrochen hat. Darum ist das einzig Mögliche, was der Mensch vom heiligen Feuer zu ergreifen vermag, die Taufe des Rauchs, des Schattens des Feuers. Aber das zu ergreifen, ist bereits so herrlich, so göttlich, dass der Mensch sprachlos vor Dankbarkeit wird, weil die Taufe des Rauchs der einzige Weg zum Heil ist. Das ist denn auch der Sinn des Präludiums zum Johannes-Evangelium. Johannes geht Jesus voraus. Wer Johannes in die Wüste des Lebens folgt und seine Pfade recht macht bis an den Jordan, der begegnet Jesus. Das muss der Schüler nicht nur verstehen, sondern er muss es selbst durch lebendige Tat beweisen. Ohne diesen Beweis gibt es keine Taufe des Feuers. Wenn wir das alles nun als Einleitung feststellen, müssen Sie verstehen, dass im Zusammenhang mit der zweifachen Taufe viele Missverständnisse herrschen, und zwar von naturreligiöser und naturokkulter Art. Diese Missverständnisse müssen Sie gut und bis in die Tiefe durchschauen, weil sie so viele Jahrhunderte unter der Menschheit geherrscht haben, dass jede menschliche Wesenheit im dialektischen Treiben ihre Einflüsse erfahren und aufgenommen hat. Es gibt keinen Menschen, der behaupten kann, davon vollkommen frei zu sein. Man könnte es zwar sagen, es würde aber einer Prüfung nicht standhalten. Alle haben von diesem Giftbecher getrunken und sind daher schwer geschändet. 129

In diesem Licht müssen Sie die Bitte der Jünger in dem Zitat aus der Pistis Sophia verstehen. Es ist ein Herzensschrei: »Herr, entschleiere uns die Mysterien des Lichtes!« Was ist das Entschleiern der Mysterien? Können wir überhaupt ein Mysterium vor Ihnen entschleiern? Nein, das muss durch Sie selbst geschehen! Damit kommen wir auf das Gebiet der Missverständnisse, über welche die Besten in der Welt oft gestrauchelt sind. Man sagt zum Beispiel: »Die Taufe des Wassers bezieht sich auf die Stoffseite der Dinge, auf irdische Mysterien und Einweihungen sowie auf die Kenntnis der Mysterien.« Es gibt viele, die große Kenntnisse über die Mysterien besitzen, aber es ist die Frage, ob durch all diese Kenntnis ein Mensch oder ein Schüler auch nur eine Stunde glücklicher geworden ist. All die Einweihungen, die dem Sucher auf des Herrn Wegen begegnen und die er in dem Glauben erfahren hat, dadurch reicher zu werden, haben sie ihm Befreiung und Glück gebracht? In dieser Welt des Todes ist kein Licht zu erwarten. Und hättet ihr alles, alle Kenntnis, und hättet die Liebe nicht, die allen Verstand übersteigt, ihr würdet nichts besitzen. Was man Kenntnis, Verstand und Einweihungskultur nennt, ist ein sehr degeneratives Vermögen der Todesnatur. Wir möchten Ihnen gern erklären, dass bei den göttlichen Mysterien keine einzige Kenntnis nötig ist. Darum wird der Zenbuddhist sich mit einem abgeschmackten Spaß aus der Affäre ziehen, wenn Sie ihn nach Kenntnis fragen. Denn in Wirklichkeit müssen Sie nicht eingeweiht werden. Sie müssen aus dieser Welt verschwinden, Sie müssen sterben, Ihr Ich muss enduristisch vernichtet werden. Sie haben nichts zu sammeln. Warum sollten Sie die Last, die Ihr Mikrokosmos bereits für Sie selbst ist, noch erschweren? Sie müssen entleert werden. In Die Wolke über dem Heiligtum sagt Karl von Eckhartshausen, dass Sie nicht so ohne weiteres vom Äußerlichen zum Innerlichen durchdringen können. »Denn«, so sagt er: »im Äußerlichen werden die Hieroglyphen des Innerlichen bewahrt, und darum liegt in den äußerlichen Zeremonien, in der zeremoniellen Magie, die Wahrheit, die Essenz des Innerlichen verborgen.« Das ist der schwache Punkt in seinem Buch, es ist die Konzession, die er der Kirche gegenüber macht. Denn es ist absolut nicht so. Es ist ein Verbrechen an der Gnosis, es auf diese Weise darzustellen. Die klassischen Rosenkreuzer boten ihre Schätze den Weisen und Verständigen der Natur nach völlig ehrlich an: »Hier sind unsere Schätze. Arbeitet damit, lebt damit, taucht darin unter!« Aber die Weisen akzeptierten das nicht. Was geschah dann? Errichteten die klassischen Rosenkreuzer eine Kirche oder eine Schule mit zeremonieller Magie, in der teelöffelweise, unter Hieroglyphen verborgen, die Schar gefüttert wurde und wobei 130

die Brüder selbst als Priester oder Adepten die Gäste willkommen hießen? Nein, sie erbauten das Haus Sancti Spiritus. Sie entflammten das vollkommene Feuer, damit sein Rauch die Welt wie ein Atemfeld umgeben sollte. Zeremonielle Magie ist eine Rauchmaske, dialektische Raffinesse, um sich im Atemfeld der Gnosis aufhalten zu können, ohne darin unterzugehen, weil man jederzeit den Sauerstoff des Verderbens weiterhin einatmen kann. Gibt es denn keine menschliche Hilfe für den armen Verirrten, kann er nicht an die Hand genommen und hinausgeführt werden? Das Lectorium Rosicrucianum handelt genau wie Christian Rosenkreuz und seine Brüder. Es bietet der Welt seine Schätze an, alles, was es besitzt: Blut, Feuer und Rauch. Es stellt sich nicht neben die Welt und trägt nicht ihre Methoden und Auffassungen aus. Nein, das Lectorium Rosicrucianum kann sich nicht mit dieser Welt verbinden, denn diese Welt muss zu ihm kommen! Unsere Schätze sind auch die der Menschheit, der gesamten Welt. Der volle Reichtum der Gnosis ist für alle! Das Haus Sancti Spiritus ist überall. Aber der Mensch, der Sucher und Schüler muss seinen alten Zustand verlassen. Denn in Ihrem alten Zustand können Sie nicht in den Besitz Ihres Erbes gestellt werden. Darum muss die erste wirkliche Verbindung gleichzeitig die letzte sein. Und diese Verbindung müssen Sie selbst herstellen. Es gibt keinen Priester, keinen Eingeweihten und keinen geistigen Leiter, der Ihnen dabei helfen kann. Die Geistesschule bringt den Rauch durch das Feuer hervor und überträgt ihn in Ihr Blut. In den letzten der Tage werden sein: Blut und Feuer und Rauchdampf. Der winkende Rauchpilz ist das Ziel des Pfades, der Ihnen gewiesen wurde und wird, und nun müssen Sie, mit Johannes dem Täufer, die Wüste durchqueren, Ihr eigenes Selbst endurieren, um mit einem Schrei der Freude das eine Feuer zu finden und darin unterzugehen. Ist Ihr Blut dafür empfänglich, dann lebt in Ihnen der Herzensschrei: »Entschleiere mir die Geheimnisse des Feuers!« Wer diesen Schrei mit der ganzen Dynamik der Seelennot des Verlangens ausstößt, wird unmittelbar in den Besitz seines Erbes gestellt. In dieser ewigen Sicherheit geht der Mensch dann den Pfad. Das ist der große fundamentale Unterschied zwischen Okkultismus und Religion einerseits und dem Transfigurismus andererseits: In der Welt der Dialektik weist man einen Pfad mit dem Endziel der Einweihung, also einer Spekulation. Denn was kann nicht alles geschehen, bevor das Ziel erreicht ist, Irrtum, Irreführung usw. Im Transfigurismus ist da zuerst die Verbindung mit dem Ziel und dann der Pfad. Das ist der absolut sichere, der unveränderliche Prozess der Wiedergeburt. Dadurch erweist sich wieder einmal, dass die mystische und okkulte Spekulation nur ein Reflex der einzigen Wahrheit ist. 131

Kapitel 18

Ihr seid es, welche die ganze Welt retten werden Im vorigen Kapitel durften wir Ihnen erklären, dass das Uratom des Herzens, die Rose der Befreiung, gleichsam ein komprimierter Ur-Mikrokosmos ist, der im heutigen Mikrokosmos gefangen liegt. Es ist ein wirkungsloses, vollkommen latentes göttliches Wesen, das von einem System ungöttlicher elektromagnetischer Kräfte umschlossen wird. Das Uratom hat sein lebenerweckendes Vermögen, das Strahlungsfeld der göttlichen Gnosis, im Unbeweglichen Königreich zurückgelassen, so könnte man sagen. Darum spricht die Pistis Sophia von einem zurückgelassenen Lichtkleid. Sobald der dialektische Mensch bereit ist, den Pfad der Selbstübergabe zu gehen und daher der Mikrokosmos nicht mehr dynamisch lebt, sondern nur noch ein existierendes Wesen geworden ist, das sich völlig für eine Strahlungskraft öffnet, die ausschließlich für das andere Reich in ihm bestimmt ist, wird das ursprüngliche Lichtkleid, die ursprüngliche Lichtkraft dem Uratom wiedergeschenkt. Durch diesen Brand des Heiligen Geistes wird das Uratom gespalten, es wird aufgebrochen. Die ursprüngliche Rose wird geöffnet. Er, welcher der Erste war und der Letzte sein wird, ist dann wieder lebendig geworden. Wenn die ursprüngliche Rose sich entfaltet, erweist sich, dass sie äußerst kompliziert zusammengesetzt ist. Es gibt ein zentrales Prinzip, welches im Herzen wie ein neues Sonnenlicht brennt. Jakob Böhme nennt es die neue Aurora. Ein zweites Prinzip rotiert um das erste als rhythmusgebende Kraft. Und in einem Abstand vom zweiten Prinzip befinden sich noch fünf weitere Prinzipien. Es sind fünf Kennzeichen, die gemeinsam einen fünfzackigen Stern bilden: das Zeichen des Menschensohnes. Man kann diesen fünfzackigen Stern als ein Kraftliniensystem betrachten, mit dessen Hilfe sich der neue Mensch vollkommen offenbart, nachdem er »erwachsen« wurde. Das ist mit dem Stern von Bethlehem gemeint, den die Weisen sahen. Der Glanz dieses Sterns bildet ein magnetisches Feld, durch das der Wiedergeborene in der Gnosis atmen kann. Daher sind in einem weiten Kreis in dem neuen magnetischen Feld zwölf neue magnetische Punkte. Sie formen ein neues magnetisches System, zu dem nichts vom alten aurischen Wesen gehört. Die zwölf neuen großen Lichtprinzipien bilden den neuen mikrokosmischen Tierkreis. Durch das göttliche Strahlungsfeld ist der neue Mensch geboren, Jesus der Herr ist wirklich in den Lauf der Zeiten herabgekommen. Er wird Jesus Christus genannt, weil dieser Heilsbringer das Heil der Gnosis selbst entlehnt. Er besitzt zwölf Jünger – zwölf magnetische Kräfte – zwölf große Vermögen, aus denen er lebt. Das ist eine kurze Beschreibung der Geburt des neuen Systems. Sie müssen sich vorstellen, dass dieser neue Mikrokosmos neben dem alten existiert sowie in ihm und um ihn herum. Der neue Himmelskörper ist da, aber am Anfang auch noch der 132

alte. Man könnte von einem Doppelstern sprechen: die eine Welt verlischt, während die andere sich in stets größerem Glanz offenbart. Wir haben Ihnen in unseren Beschreibungen der wahren Art des Mikrokosmos erklärt, dass das aurische Wesen, das höhere Selbst eines Mikrokosmos, in den Drehungen des Rades der Geburt und des Todes in gewissem Sinn unsterblich ist. Dieses aurische Wesen, dieses karmische Selbst überspannt alle Leben im Mikrokosmos. Und innerhalb dieses aurischen Wesens wird immer wieder eine neue Persönlichkeit geboren. Keine Persönlichkeit hat also ein früheres Leben gekannt und wird auch keine neues Leben erfahren. Die so genannte Reinkarnation bezieht sich allein auf die Tatsache, dass das fortwährend in der Welt der Dialektik existierende aurische Wesen eine Persönlichkeit verliert und sich zu gegebener Zeit wieder eine neue Persönlichkeit verschafft. Sie müssen bei Ihrer Besinnung jedoch noch einen Schritt weitergehen und einsehen, dass das aurische Wesen (das höhere Selbst Ihres Mikrokosmos), obwohl es in der Dialektik stets existiert, bei der Geburt eines neuen nicht-dialektischen Mikrokosmos vollkommen aufgelöst wird. Wir lesen darüber in der Bibel in dem sehr verschleierten Bericht über die Versuchung in der Wüste. Das alte höhere Selbst versucht nämlich, die Kontrolle über den neu erwachten Menschen zu erlangen, der tot war und wieder lebendig geworden ist. Aber das gelingt nicht. Darum heißt es nach dem Sieg Jesu Christi: »Die Engel Gottes dienten Ihm.« Damit wird gesagt, dass nicht die magnetischen Kräfte der alten Lipika den Neugeborenen nähren und damit beherrschen konnten, sondern dass eine neue Lipika, ein neues aurisches Wesen, ein neuer Tierkreis, ein neuer apostolischer Ring Ihm diente. Ein neues Entwicklungsfeld öffnet sich vor dem neuen Menschen. Daher heißt es im Evangelium der Pistis Sophia: „So sprach Jesus zu seinen Jüngern auf dem Ölberg. Und er fügte hinzu: Freuet euch und jubelt, denn die Zeiten sind vollendet. Freuet euch und jubelt und fügt Freude an Freude, denn die Zeiten sind vollendet, um mich mit dem Kleid zu bekleiden, das von Anfang an für mich bestimmt war und das ich im letzten Mysterium zurückließ bis die Zeit der Vollendung gekommen wäre. Die Zeit der Vollendung ist die Zeit, in der mir durch das Erste Mysterium befohlen wird, mit euch über den Beginn der Wahrheit bis zu ihrer Vollendung und vom Innersten des Inneren bis zum Äußersten des Äußeren zu sprechen, da durch euch die Welt gerettet werden wird. Freuet euch und jubelt, denn ihr seid gesegnet vor allen Menschen auf der Erde, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden.“ Wer als neuer Mensch erwacht, ist gesegnet vor allen Menschen, die auf Erden sind, denn ein solcher Mensch kann die ganze Welt retten. Was dieses Wort bedeutet, wollen wir zu erforschen versuchen, soweit das in unserem Vermögen liegt. 133

Wir wollen mit einem ganz einfachen Beispiel beginnen: Denken Sie an ein Stück Holz, das bekanntlich leichter ist als Wasser. Das wird nun durch eine unnatürliche Ursache auf dem Boden eines Sees festgehalten. In einem bestimmten Moment wird die unnatürliche Ursache jedoch hinweggenommen. Dann wird das Stück Holz unmittelbar wieder an die Oberfläche des Wassers steigen. Mit anderen Worten: Nach Aufhebung eines unnatürlichen Zustandes wird das natürliche Gleichgewicht wieder hergestellt. So ist es auch bei dem neuen Menschen. Er ist in seinem Todesschlaf bis auf den Boden der Dialektik gesunken, jedoch erwacht und wiedergeboren durch die Selbstübergabe des dialektischen Menschen entsteigt er dem Grab der Natur, um in sein Vaterland zurückzukehren und dort sein natürliches Gleichgewicht wiederzufinden. Darum geht der wiedergeborene Mensch auf die Reise in sein Vaterland, und diese Reise bedeutet die Rettung der Welt und der gefallenen Menschheit. Um das zu verstehen, müssen wir die Konstellation der dialektischen Natur betrachten. Warum ist der Mensch, so wie er ist, als dialektische Persönlichkeit mit all den Charakterfehlern und der Selbstbehauptung, also mit der gesamten psychischen Veranlagung und Praktik? Er ist so aufgrund des aurischen, des karmischen Wesens, das mit der Last unzähliger Jahrhunderte beladen ist. Dieses aurische Wesen mit allem, was darunter und darüber ist, könnte man als Ihre Privat-Spiegelsphäre andeuten, die mit dem astralen Feld der Dialektik verbunden ist und aus der Sie leben. Sie und alle Persönlichkeitswesen, die Ihnen in Ihrem Mikrokosmos vorangingen, sind die Reflexe, die Reaktionsbrennpunkte dieses Spiegelsphärenwesens in Ihnen. Dieses so genannte höhere Selbst ist das wahre dialektische Selbst, es ist der Äon, der Archont, der Sie beherrscht. Und nun steigt durch Ihre Selbstübergabe, durch Ihre Negation der Privat-Spiegelsphäre der andere Mikrokosmos in Ihnen empor. Der wahre Mikrokosmos erwacht, ausgerüstet mit einem anderen Lichtkleid. Sie können sich gewiss vorstellen, was dann geschieht. Sie, die Sie vorher nur ein Reflex und ein Sklave Ihres satanischen, dialektischen höheren Selbstes waren, die Sie sich dem Anderen hingegeben haben und gleichsam in ihn aufgenommen wurden, also in einem neuen Ich, Sie entsteigen Ihrer Todesnatur. Diese Natur kann Sie nicht mehr festhalten. Sie steigen auf in Ihr Vaterland. Das satanische höhere Selbst, seiner Brennpunkte beraubt, stürzt ein und verschwindet – wie alle Wahngebilde – löst sich auf wie ein leerer Kokon im Wind. Was im Hinblick auf den einzelnen Mikrokosmos geschieht, ereignet sich nun ebenfalls im Kosmos. Unser Kosmos ist das Lebensfeld unzähliger Mikrokosmen. So wie die Spiegelsphäre ein satanisches höheres Selbst des Mikrokosmos ist, so gibt es, wie Sie wissen, ebenfalls eine Spiegelsphäre und ein satanisches höheres Selbst des Kosmos. So wie der wiedergeborene Mikrokosmos den alten durchdringt und vernichtet, so wird der Wiedergeborene, der Transfigurierte ebenfalls die kosmische 134

Spiegelsphäre durchdringen und Ihr sehr kompliziertes höheres Selbst passieren und so zu dessen Vernichtung beitragen. Stellen Sie sich vor, dass eine Gruppe Menschen diesen Weg geht und die Natur sie nicht festhalten kann. Dann wird eine solche Gruppe die Natur des Todes in hohem Maß ihrer Kraft berauben, beinahe lähmen. Daher wird eine solche Gruppe Wiedergeborener es für alle, die nach ihr kommen, erleichtern, den Weg der Befreiung zu gehen. So ebnet jede neue Seele, die den Weg zum Vaterland mit festem Schritt zu betreten weiß, den Pfad für alle Gefallenen. Und darum sagt das Evangelium der Pistis Sophia: Freuet euch und jubelt, denn ihr seid gesegnet vor allen Menschen auf der Erde, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden. Eine solche Tat ist wirklicher Humanismus, also wahre Menschenliebe. Alles Bemühen der Schüler einer Geistesschule müssen Sie im größeren Zusammenhang sehen. Durch Ihre Mühe, Ihre Anstrengung für die Freiheit, befreien Sie andere. Es wird für die anderen eine bessere Gelegenheit geschaffen. Die Gnade, die, einer solchen Schülerschar geschenkt, von ihr angenommen und angewandt wurde, wird zum Gnadengut für alle anderen. Der Mensch, der so sehr von der brutalen Ichzentralität und dem groben Egoismus des Menschentieres heimgesucht wird, der Mensch, der sich selbst auf die vordersten Plätze im Daseinskampf zu drängen versucht, kann in das große, herrliche und göttliche Wunder eintauchen: in eine Freiheit, die gleichzeitig Freiheit für alle anderen bedeutet. Das ist Religion, Wissenschaft und Kunst zusammen. Das ist Demokratie. Das ist die Sancta Democratio: einer für alle und alle für einen! Darum ist Freude im Himmel, wenn ein Sünder sich bekehrt, sich dem einen Licht zuwendet. Daher beschreibt die Pistis Sophia in ihren folgenden Kapiteln diesen Freudengang durch die Spiegelsphäre des Kosmos, bei dem die Mächte der Hölle erschlagen werden.

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Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesprochen hatte, fuhr Er wiederum in seiner Rede fort: »Seht, nun habe ich mein Kleid angetan, und es ist mir alle Macht gegeben durch das Erste Mysterium. Noch eine kleine Weile, und ich werde zu euch vom Mysterium des Alls und der Fülle des Alls sprechen. Von dieser Stunde an werde ich euch nichts verbergen, sondern ich werde euch in aller Fülle vollenden und in aller Vollendung und in allen Mysterien. Sie sind die Vollendung aller Vollendungen und das Pleroma aller Pleromata und die Gnosis aller Gnosis, welche sich in meinem Kleid befinden. Alle Mysterien, vom Äußersten zum Innersten, werde ich euch mittei135

len. Doch hört: damit ich euch alle Dinge sagen werde, die mir geschehen sind. Als die Sonne im Osten aufgegangen war, kam eine große Lichtkraft herab, in der sich mein Kleid befand, das ich im vierundzwanzigsten Mysterium zurückgelassen hatte, wie ich euch soeben gesagt habe. Und ich fand ein Mysterium in mein Kleid geschrieben nach der Art jener, die in der Höhe sind, und zwar in fünf Worten: Zama zama ozza rachama ozai. Sie bedeuten: O Mysterium, geoffenbart in der Welt, Ursache des Alls, Du bist der vollkommene Ausgang und Eingang, aus dem alle Emanationen und was sich in ihnen befindet, hervorgingen, und durch dessen Willen alle Mysterien und all ihre Gebiete entstanden sind, komme zu uns. Denn wir sind Deine Mitgefährten. Wir sind ganz eins mit Dir. Wir sind ein und dasselbe. Du bist das Erste Mysterium, das von Anfang an im Unaussprechlichen bestand, ehe Er sich offenbarte, in dessen Namen wir alle zusammen sind. Jetzt erwarten wir Dich alle an der äußersten Grenze, also beim letzten Mysterium von innen, das selbst ein Teil von uns ist. Wir haben Dir jetzt Dein Kleid gesandt, das Dir von Anfang an gehört, welches Du an der letzten Grenze, dem letzten Mysterium von innen, zurückgelassen hast, bis dass die Zeit auf Befehl des Ersten Mysteriums vollendet sei. Siehe, die Zeit ist nun erfüllt. Ziehe das Kleid an und komme zu uns. Denn wir alle erwarten Dich, um Dich auf Befehl des Ersten Mysteriums mit seiner Pracht zu bekleiden. Denn das Erste Mysterium hat uns das Kleid, bestehend aus zwei Gewändern, gegeben, um Dich damit zu bekleiden, abgesehen von dem, das wir Dir bereits gesandt haben. Denn Du bist ihrer würdig, da Du höher stehst als wir und bereits vor uns warst. Darum hat Dir das Erste Mysterium durch uns das Mysterium seines vollen Glanzes gesandt, bestehend aus zwei Gewändern. Im ersten befindet sich die volle Herrlichkeit aller Namen aller Mysterien und aller Emanationen der Ordnungen und Räume des Unaussprechlichen. Im zweiten Gewand befindet sich die volle Herrlichkeit des Namens aller Mysterien und aller Emanationen der Ordnungen und der beiden Räume des Ersten Mysteriums. In dem Kleid, das wir Dir jetzt gesandt haben, befindet sich der Glanz des Namens des Mysteriums des Verkünders, welcher das Erste Gebot ist, sowie das Mysterium der Fünf Kennzeichen und das Mysterium des großen Gesandten des Unaussprechlichen, des großen Lichtes und das Mysterium der Fünf Lenker, der fünf Helfer. Weiter befindet sich in diesem Kleid der Glanz des Namens des Mysteriums aller Ordnungen der Emanationen der Schatzkammer des Lichtes und ihrer Erlöser und ihrer höchsten Ordnungen, der sieben Amen und sieben Stimmen, der fünf Bäume und der drei Amen und des Zwillingserlösers, des Kindes der Kinder. Auch befindet sich darin das Mysterium der neun Wächter an den drei Toren der Schatzkammer des Lichtes. Außerdem befindet sich in diesem Kleid der volle Glanz des Namens aller, die sich zur Rechten, und jener, die sich in der Mitte befinden. Weiter ist in ihm der ganze Glanz des Namens des großen Unsichtbaren, des großen Allvaters, sowie das 136

Mysterium der drei Dreimalgewaltigen und das Mysterium ihres gesamten Bereichs sowie das Mysterium all ihrer Unsichtbaren und jener, die sich im dreizehnten Äon befinden, sowie der Name der zwölf Äonen und ihrer Archonten und all ihrer Erzengel und Engel und aller, die sich in den zwölf Äonen befinden. Auch steht darin das ganze Mysterium des Namens aller, die sich im Schicksal und in allen Himmeln befinden, und das ganze Mysterium des Namens aller, die in den Sphären sind, und ihrer Firmamente und all ihrer Bewohner und ihrer Gebiete. Siehe, wir haben Dir dieses Kleid gesandt, das niemand vom Ersten Gebot abwärts gekannt hat; denn der Glanz seines Lichtes war darin verborgen. Die Sphären und alle Bereiche vom Ersten Gebot abwärts haben es bis jetzt nicht erkannt. Ziehe nun eilends dieses Kleid an und komme zu uns. Denn wir nahen uns Dir, um Dir auf Befehl des Ersten Mysteriums Deine beiden Gewänder anzuziehen, die für Dich von Anfang an im Ersten Mysterium bestimmt waren, bis die vom Unaussprechlichen festgesetzte Zeit vollendet sei. Siehe, die Zeit ist nun vollbracht. Komme nun eilends zu uns, damit wir Dich damit bekleiden, so dass Du den ganzen Auftrag der Vollendung des Ersten Mysteriums vollendest, wie es vom Unaussprechlichen festgesetzt ist. Komme nun eilends zu uns, damit wir Dich dem Befehl des Ersten Mysteriums gehorchend damit bekleiden. Denn nur kurze Zeit, äußerst kurze Zeit, und Du wirst zu uns kommen und die Welt verlassen. Komme nun schnell, damit Du Deinen Glanz, den Glanz des Ersten Mysteriums, in Vollkommenheit empfangen mögest. Als ich das Mysterium all dieser Worte in dem mir übersandten Kleid sah, legte ich es sogleich an. Das Licht strahlte außergewöhnlich von mir. Ich fuhr in die Höhe und kam zum Tor des Firmaments, strahlend von dem unermesslichen Licht, das mich umgab, und die Tore des Firmamentes kamen in Bewegung und öffneten sich alle gleichzeitig. Alle Archonten und Gewalten und darin befindlichen Engel gerieten in Verwirrung wegen des großen Lichtes an mir. Sie erblickten das strahlende Lichtkleid, das ich trug, und sie sahen das Mysterium, das ihre Namen enthielt, und fürchteten sich sehr. Alle Bande, mit denen sie gebunden waren, lösten sich. Und ein jeder verließ seine Ordnung. Sie fielen vor mir nieder, beteten mich an und sprachen: »Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?« Alle zusammen priesen sie das Innerste des Inneren. Mich selbst aber sahen sie nicht, sondern sie sahen nur das Licht. Und sie waren in großer Furcht und sehr verwirrt und priesen das Innerste des Inneren.«

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Pistis Sophia, Abschnitt 9 Kapitel 19

Der Herr kennt uns alle beim Namen Wenn der Sucher sich auf der Basis seiner dialektischen Erfahrung und der Erkenntnis des Wesens der Dialektik zur Geistesschule des Goldenen Rosenkreuzes wendet, entdeckt er die Wahrheit und Unabweisbarkeit der transfiguristischen Mysterien. Wenn er sich wahrhaft innerlich gedrängt fühlt, Schüler der Geistesschule zu werden, dann kann er als Schüler des ersten Grades bezeichnet werden. Ein solcher Schüler ist ein äußerst seriöser Mensch, trotzdem stellt er sein dialektisches Ich noch vollkommen in das Zentrum all seiner Aktivitäten. Die Rose des Herzens ist noch in der Knospe verborgen. Das alte aurische magnetische Firmament ist noch völlig intakt, und das höhere Selbst ist immer noch der herrschende Faktor in seinem Leben. Dieser Schüler beginnt nun durch den Einfluss der Schule des Rosenkreuzes und vor allem von eigener Einsicht geleitet sowie aus philosophischem Verständnis, die Selbstübergabe zu erwägen. Er setzt die ersten Schritte auf den transfiguristischen Pfad und bemüht sich, darauf auszuharren und ein einigermaßen guter Schüler zu sein. Von diesem Augenblick an ist er als Johannes der Täufer geboren. Er ist nun ein Schüler des zweiten Grades. Obwohl das gewöhnliche Ich weniger wird, ist es doch absolut noch vorhanden, genauso wie das vollständige dialektische höhere Selbst. Die Rose des Herzens, der embryonale neue Mikrokosmos ist noch nicht positiv geöffnet, obwohl der Schüler weiß, was die Rose ist. Jedoch er harrt aus und geht mit festem Schritt den enduristischen Pfad, entschlossen, die Pfade für seinen Herrn recht zu machen. Sein dialektisches Wesen wird weniger. Er ändert sein Verhalten, sein gesamtes Handlungsleben. Er beginnt mit dem Freimaurerwerk, nicht unter der Spannung eines großen Selbstzwanges, sich kaum beherrschend, sondern in großer innerer Spontaneität, mit wahrem Vertrauen und mit Liebe. Daher wird die Rose des Herzens in einem bestimmten Moment ihr äußerstes Kelchblatt entfalten. Dadurch können die ersten Strahlen des Morgenlichtes eindringen. Einen solchen Schüler bezeichnen wir als Schüler des dritten Grades. In der Bibel wird dieser Punkt als die Geburt Jesu angedeutet, der einige Monate nach Johannes das Morgenlicht erblickt. Aber auch in dieser Phase ist das gewöhnliche Ich und das dialektische höhere Selbst noch anwesend. Das magnetische System der normalen Natur funktioniert noch. Die Rose hat erst das erste Stadium des Blühens erreicht. Nun geht der Prozess weiter. Der johanneische Pfad wird in Freude vollendet, die Selbstübergabe bis zum biologischen Minimum vollzogen. Der Tiefpunkt ist erreicht. In diesem ganzen Prozess erblüht die Rose stets mehr, der neue Mikrokosmos bricht auf und zeigt sein Geheimnis. Das ist der Augenblick, in dem Johannes die Initiative dem neugeborenen Jesus übertragt. Es ist jetzt nicht mehr das Ich, sondern der 138

Andere, die Seele, die das ganze Wesen leitet. Dieser Schüler hat den vierten Grad erreicht. Es ist jedoch keineswegs so, dass dieser Grad einem Schüler von anderen verliehen wird, es ist lediglich die vierte Stufe auf dem Pfad der Selbstfreimaurerei. An diesem Punkt gibt es noch eine Reserve. Obwohl die Rose zur leuchtenden, strahlenden Herrscherin des Lebens wurde, ist das dialektische höhere Selbst, das magnetische System der gewöhnlichen Natur, die alles beherrschende Verbindung mit der Natur des Todes, noch vollkommen intakt. Wer dieses Gewand noch trägt, ist dadurch unvermeidlich an das Wesen des Todes gebunden. Deshalb ist der Schüler des vierten Grades auch noch nicht wirklich frei. Das wichtigste Hindernis muss noch beseitigt werden: das höhere Selbst muss noch überwunden werden. Das ist ein großes Wunder, ein großartiger und herrlicher Prozess mit sehr vielen Ansichten. Bis zu diesem Augenblick war das höhere Selbst nur ein negativer Gegner und in vielen Fällen sogar ein mitwirkender Faktor. Den Schüler des vierten Grades kann man noch mit dialektischen Ketten fesseln und gefangen halten. Sie können sich gewiss eine Selbstübergabe von großer mystischer Schönheit und Frömmigkeit vorstellen, ohne dass dabei eine wirklich durchbrechende Aktivität hervortritt. Die Tatsache, dass Sie sich eine solche mystische Praktik vorstellen können, beweist, dass in der gewöhnlichen Natur solche Praktik, bei der das dialektische höhere Selbst Herr und Meister bleibt, möglich ist. Auf diese Weise wird jedes mystische Resultat elektromagnetisch in die dialektische Natur ausgestrahlt, so dass sie dadurch verstärkt und mit instandgehalten wird. Will der Selbstfreimaurer daher den fünften Grad erreichen, muss er sein höheres Selbst neutralisieren und passieren. Wer sich dazu entschließt, der erfährt, dass sich sein negativer Gegner in einen sehr positiven verwandelt. Dann gibt es kein Dirigieren und Mitwirken mehr. Der Kandidat wird seinem größten natürlichen Feind gegenübergestellt, dem Feind vom Anbeginn. Aus dem Gewand der elektromagnetischen Kräfte der gewöhnlichen Natur muss er sich befreien, denn diese Kräfte hielten ihn von Anfang an gefangen. Der Feind ist weder ein Teufel noch eine Spiegelsphärenwesenheit, sondern ein sehr gewöhnliches aurisches magnetisches Feld, in dem das Karma aller Zeiten verborgen liegt. Daran können natürlich diverse Entitäten anknüpfen, doch das ist eher eine Nebensächlichkeit. Denn wer das neue Lichtkleid trägt, kann von keiner Entität der Spiegelsphäre mehr erreicht werden. So muss der Schüler des vierten Grades den Befreiungsweg gehen, den Weg, der zum Beispiel als »die Versuchung in der Wüste« angedeutet wird. Aus diesem Bericht ist zu entnehmen, wie ein Bruder des vierten Grades die eigene Spiegelsphäre durchbricht und auf welche Weise sie vernichtet wird. Daher wird folgendes deutlich: Wer so durch das eigene aurische Wesen der gewöhnlichen Natur zieht, das Auge auf das Ziel gerichtet und stets mehr in das neue Lichtkleid der Rose gekleidet, reist gleichzeitig durch die kosmische Spiegelsphäre. Denn wer das eigene gewöhnliche mikrokosmische Firmament vernichtet, befreit sich auch vom kosmi139

schen und makrokosmischen Firmament der dialektischen Natur. Die gesamte Todesnatur kann einen solchen Schüler nicht mehr festhalten. Ein solcher Bruder oder eine solche Schwester ist zwar in der Welt, aber nicht mehr von der Welt. In der Pistis Sophia wird von diesem Schüler des vierten Grades gesagt: Freuet euch und jubelt, denn ihr seid gesegnet vor allen Menschen auf der Erde, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden. Ein makrokosmisches Firmament umfasst eine ganze gefallene Menschheit mit elektromagnetischen Kräften. Dieser Makrokosmos benutzt ein mikrokosmisches Firmament, das Sie sehr persönlich umgibt, um Ihr Gefängnis zu konkretisieren. Nun zerbrechen Sie diesen mikrokosmischen Panzer. Sie vernichten das elektromagnetische System. Selbstverständlich schwächen Sie dadurch auch das makrokosmische Firmament. Wenn eine Menschengruppe zusammen den Pfad geht, dann wird sie naturwissenschaftlich sicher die Mächte der Natur, die Äonen der Natur lähmen und so die gesamte Welt und die gefallene Menschheit retten. Der Prozess, vor den wir Sie in der modernen Geistesschule stellen, ist also frei von jedem Wahn, von jeder Sentimentalität und von jedem Selbstbetrug. Wir ziehen diesen Prozess in die nüchterne Wirklichkeit, in die Serenität und Stille der einzigen Wahrheit. Es geht dabei nicht darum, was der Schüler mit seinem Mund bezeugt oder wovon er träumt, sondern darum, was er wirklich unternimmt. Die Frage ist: Welche Anziehungskraft beherrscht sein System? Es ist die Aufgabe der Geistesschule, ihre Schüler aus dem Griff der Natur zu lösen. Jeder Schüler aber muss selbst mit seiner ersten Aufgabe beginnen: den Pfad vom ersten zum vierten Grad zu betreten. Danach muss der Pfad vom vierten zum fünften Grad erforscht werden. Wenn es eine große Gruppe Brüder und Schwestern des vierten Grades gibt, die das Gewand der goldenen Rose besitzen und alle in das Hochzeitskleid gekleidet sind – dessen Eigenschaften wir noch besprechen werden – und wir mit einer solchen Gruppe unsere Reise im wahrlich stoffdurchbrechenden Sinn fortsetzen können, dann beziehen sich die Worte aus dem elften Kapitel der Pistis Sophia auf diese gesegnete Gruppe: Als ich das Mysterium all dieser Worte in dem mir übersandten Kleid sah, legte ich es sogleich an. Das Licht strahlte außergewöhnlich von mir. Ich fuhr in die Höhe und kam zum Tor des Firmaments, strahlend von dem unermesslichen Licht, das mich umgab, und die Tore des Firmamentes kamen in Bewegung und öffneten sich alle gleichzeitig. Alle Archonten und Gewalten und darin befindlichen Engel gerieten in Verwirrung wegen des großen Lichtes an mir. Sie erblickten das strahlende Lichtkleid, das ich trug, und sie sahen das Mysterium, das ihre Namen enthielt, und fürchteten sich sehr. 140

Alle Bande, mit denen sie gebunden waren, lösten sich. Und ein jeder verließ seine Ordnung. Sie fielen vor mir nieder, beteten mich an und sprachen: »Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?« Alle zusammen priesen sie das Innerste des Inneren. Mich selbst aber sahen sie nicht, sondern sie sahen nur das Licht. Und sie waren in großer Furcht und sehr verwirrt und priesen das Innerste des Inneren. Hiermit wird uns Folgendes gesagt: Wenn ein Bruder oder eine Schwester des vierten Grades das Gewand der Rose empfangen hat und den Pfad zum fünften Grad beschreitet, wird das dialektische Firmament mit seinen Werten und seiner Ordnung einstürzen. Das gesamte magnetische System wird vernichtet, und jeder Zusammenhang und alle Systeme darin völlig zerstört und hinweggefegt. Hiermit wird auf das Freiwerden von der dialektischen Schwerkraft hingewiesen. Alle Fesseln fallen, und jede dialektische magnetische Kraft verlässt ihre Ordnung. »Das Mysterium mit seinem eigenen Namen sehen« ist in der Universellen Lehre ein bekannter Begriff. Der Name ist im ursprünglichen Sinn eine Andeutung für den wahren Seinszustand. Wir alle haben einen Namen, einen Seinszustand, und darum heißt es in der Bibel: »Der Herr kennt uns alle beim Namen«, was sehr deutlich ist. Wer einen Namen, einen Seinszustand von niederer Art als das göttliche Mysterium besitzt, sieht zwar das Mysterium, das Unergründliche zum Beispiel als eine Lichtmanifestation, aber die Wirklichkeit nimmt er nicht wahr. So kann man also verstehen, dass jemand, der als ein Bruder, eine Schwester des Rosenkreuzes in das Gewand der Rose gekleidet ist und die Himmelsreise beginnt, nicht durch irdische Mächte und Kräfte der Spiegelsphäre behindert, ja nicht einmal von ihnen gesehen werden kann. Darum steht dort: Mich selbst aber sahen sie nicht, sondern sie sahen nur das Licht. Und sie waren in großer Furcht und sehr verwirrt [...]. Und die ganze Schar der Lichtentitäten innerhalb des Rades der Geburt und des Todes spricht: Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten? Wie? Das ist klar! Denn was vor den Weisen und Verständigen dieser Welt verborgen ist, wird den Kindern Gottes geoffenbart. Möge es Ihnen gelingen, diese Offenbarung für sich selbst Wirklichkeit werden zu lassen und so anderen zu helfen, sich dieser Wirklichkeit zu nähern.

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Kapitel 20

Das östliche und das westliche Fenster In einem der vorigen Kapitel behandelten wir den Pfad der fünf Grade der Selbstfreimaurerei, der fünf Ansichten des Bauens auf dem einen Eckstein der Strahlungsfülle der Universellen Bruderschaft. Es sind die fünf Stufen, die den Menschen vom ersten Beginn zur vollkommenen Befreiung führen. Der erste Grad bezieht sich auf den ernsthaften Schüler, der in die Schule eintritt, weil er innerlich die Wahrheit und Unabweisbarkeit der transfiguristischen Mysterien, des Pfades der Wiedergeburt entdeckt hat. Der zweite Grad bedeutet, dass der Schüler tatsächlich den Pfad des Endura, den Pfad der Selbstübergabe definitiv beschreitet. Der dritte Grad lenkt die Aufmerksamkeit auf die erste Folge des angewandten Endura. Daher öffnet sich die Rose des Herzens in den ersten Strahlungen des gnostischen Morgenlichtes. Wenn diese Sonne des Geistes nun aufsteigt und ihr Strahlungsfeld an Kraft zunimmt, entwickelt sich strukturell und organisch ein neues Schlangenfeuer, ein neues Ich, ein Hochzeitskleid, ein Seelenzustand. In diesem Moment wird Jesus der Herr im Kandidaten geboren, und dieser wird ein Bruder des vierten Grades. Sobald dieser vierte Grad verwirklicht ist, hat der Kandidat die Kraft und das Vermögen empfangen, seine Heimreise zu beginnen. Er reist durch die Spiegelsphäre und durch das aurische Wesen seines Mikrokosmos und vernichtet es. So reist er gleichzeitig durch die kosmische Spiegelsphäre. Dabei löst er alle dialektischen Fesseln und zerstört sie. Auf diese Weise schwächt er die Kräfte der Dialektik. Und dadurch wird es für alle, die nach ihm kommen, einfacher, denselben Weg zu gehen. So ist er dann ein Bruder des fünften Grades geworden, die alchimische Hochzeit wurde gefeiert. Es ist also klar, dass es durch Selbstfreimaurerei absolut und unmittelbar in Ihrer aktuellen Möglichkeit liegt, ein Bruder oder eine Schwester des vierten Grades zu werden. Sind Sie zu diesem Seinszustand erhoben, dann tragen Sie wirklich aufgrund Ihres inneren Zustandes den »Namen« der wiedergeborenen Kinder Gottes, dann können Sie die Worte aus der Pistis Sophia auf sich beziehen: Freuet euch und jubelt, denn ihr seid gesegnet vor allen Menschen auf der Erde, weil ihr es seid, welche die ganze Welt retten werden. Wer einen Pfad durch einen Urwald voller Gefahren bahnt, erleichtert die Reise allen, die nach ihm kommen. Und wenn eine ganze Gruppe diese Aufgabe durchführt, schafft sie freie Bahn für alle, die später kommen. Das ist das herrliche Werk, zu 142

dem Sie gerufen sind: Auf dem Pfad zu stehen und für alle zu arbeiten. Welch ein großer und göttlicher Augenblick wird es sein, wenn wir einander als Brüder und Schwestern des vierten Grades begrüßen dürfen und gemeinsam über das herrliche Lichtkleid, das goldene Hochzeitskleid sprechen können, das wir dann besitzen! Sie können dieses Kleid innerhalb kurzer Zeit weben. Der Eckstein, auf dem Sie bauen müssen, ist vorhanden. Die Baustoffe werden Ihnen durch das Kraftfeld reichlich zur Verfügung gestellt, und alle Werkzeuge besitzen Sie in Ihrem eigenen Wesen. Warum sollten Sie das Werkstück nicht herstellen, um die alchimische Hochzeit zu feiern? Wenn Sie das wirklich ausführen, dann öffnet sich vor Ihnen das zehnte Kapitel der Pistis Sophia wie eine weite Landschaft bei einer Bergbesteigung: Als die Sonne im Osten aufgegangen war, kam eine große Lichtkraft herab, in der sich mein Kleid befand, das ich im vierundzwanzigsten Mysterium zurückgelassen hatte, wie ich euch soeben gesagt habe. Und ich fand ein Mysterium in mein Kleid geschrieben nach der Art jener, die in der Höhe sind, und zwar in fünf Worten: »Zama zama ozza rachama ozai.“ Sie bedeuten: „O Mysterium, geoffenbart in der Welt, Ursache des Alls, Du bist der vollkommene Ausgang und Eingang, aus dem alle Emanationen und was sich in ihnen befindet, hervorgingen, und durch dessen Willen alle Mysterien und all ihre Gebiete entstanden sind, komme zu uns. Denn wir sind Deine Mitgefährten. Wir sind ganz eins mit Dir. Wir sind ein und dasselbe. Du bist das Erste Mysterium, das von Anfang an im Unaussprechlichen bestand, ehe Er sich offenbarte, in dessen Namen wir alle zusammen sind. Jetzt erwarten wir Dich alle an der äußersten Grenze, also beim letzten Mysterium von innen, das selbst ein Teil von uns ist. Der Aufgang der Sonne im Osten deutet auf den dritten Grad hin, wie Sie verstehen werden. Solange Sie noch zum ersten oder zweiten Grad gehören, stehen Sie im Morgenrot des Aufgangs, im Dämmerlicht des sich nähernden Tages. Sobald jedoch die Sonne im Osten aufgeht, kommt die große Lichtkraft zu Ihnen und weckt die Rose aus ihrem äonenlangen Schlaf. Der Osten ist in der Universellen Lehre immer der Beginn der Dinge, so wie das westliche Fenster die Beendigung ist. Durch das westliche Fenster verlassen die Dinge den Menschen, versucht aber auch die Vergangenheit, sich an ihn zu klammern. Wenn die gnostische Sonne im Osten aufsteigt, wird er mit dem Geheimnis der Offenbarung Gottes konfrontiert, das tatsächlich ebenfalls Vergangenheit ist. Wenn die gnostische Lichtkraft herabkommt, um das Herz zu ergreifen, dann entdecken Sie, dass darin Ihr Lichtkleid ist, das Sie einmal zurückgelassen haben. Es geht hier um etwas sehr Tiefsinniges, bei dem wir einen Augenblick verweilen müssen, damit Sie die Tiefe dieses Ausspruchs in der Pistis Sophia klar erkennen. Jeder Mikrokosmos besitzt ein östliches und ein westliches Fenster. Durch das eine 143

Fenster sehen wir die Sonne aufgehen und durch das andere Fenster untergehen. In einem Zustand des Schülertums entsteht im Mikrokosmos ein hinausführender Strom, durch den alle Kräfte und Werte, die ausgedient haben, alle Mächte, mit denen der Schüler gebrochen hat, hinweggeführt und vernichtet werden. Wenn er den Pfad der Naturzerbrechung geht und von den dialektischen Dingen Abschied nimmt, dann verlässt ihn das alles über den hinausführenden magnetischen Strom durch das westlichen Fenster. Aber in seinem Lebenskampf werden die alten Dinge immer vor ihm auftauchen, oft in sehr modernen Gewändern. Wenn die Ichverlorenheit nicht vollkommen ist, werden die Dinge der dialektischen Vergangenheit stets vor dem westlichen Fenster erscheinen, vielfach in den Scheingestalten der Erneuerung, weil das gewöhnliche Ich sich in seinen meditativen Betrachtungen diese Scheingestalten erträumt. Wenn Sie daher über die Gestalt des John Dee in dem Buch Der Engel vom westlichen Fenster von Gustav Meyrink nachdenken, dann wissen Sie, warum der Engel des Schicksals vor dem westlichen Fenster erscheint und ihn in den Abgrund führt. Lassen Sie diese Vergangenheit niemals ein. Denn wer das tut, folgt seinem dialektischen Schicksal, das Gold verspricht, aber unendlichen Schmerz zur Folge hat. Es gibt auch einen hineinführenden gnostischen Strom im Mikrokosmos, welcher »der Osten« genannt wird. Nun können Sie sich fragen: »Kommt denn das Schicksal nicht durch diese östliche Pforte hinein?« Natürlich, denn was Sie sind, was Sie anziehen, das dringt in Sie ein. Sie sind damit im Gleichgewicht, in Harmonie, und es kann Ihren Zustand, Ihren Seinszustand, Ihren »Namen« nicht verändern. Doch alles, was an die westliche Pforte klopft, kann im Osten nicht mehr hineinkommen, wenn Sie Ihren Seinszustand darüber hinaus erhoben haben. Die Vibration des Lichtes im Osten bestimmt die Vibration des gesamten Mikrokosmos. Wenn Sie als ernsthafter Schüler Ihren Blick auf die Morgenstunde gerichtet halten, und es mit Ihrem ganzen Handlungsleben unterstützen, dann wird es Licht im Osten. Die Vibration des Mikrokosmos steigt an, und sowohl der östliche als auch der westliche magnetische Strom müssen sich darauf abstimmen. Der äußere Strom treibt das Unheilige nach außen, und der innere Strom ruft die Prä-Vergangenheit der Kinder Gottes auf. So kann es geschehen, dass Sie das Lichtkleid empfangen, dass Sie einmal hinter sich gelassen haben. Sie müssen dieses wunderbare Mysterium verstehen. Versuchen Sie, es mit Ihrem gesamten Wesen zu umfassen, denn das Heilsgeheimnis wird Ihnen darin entschleiert. Das Lichtkleid ist nicht nur ein elektromagnetisches Strahlungsfeld, wie Sie wahrscheinlich annehmen, sondern es ist unendlich viel mehr. Stellen Sie sich vor, dass Sie sich in der Welt der Dialektik ein Haus bauen, es jedoch in einem bestimmten Moment verlassen und nicht mehr pflegen. Schon bald werden Staub, Spinnweben, Feuchtigkeit und der Zahn der Zeit dafür sorgen, dass das Haus zur Ruine wird. In der dialektischen Natur ist alles der Vergänglichkeit und dem Tod unterworfen. Sogar alles, was Sie mit großer Sorgfalt pflegen, geht unwi144

derruflich zugrunde. In der Welt der Ursprünglichkeit kann jedoch nichts zugrunde gehen. Alles, was einmal in den weiten Hallen Gottes existiert, ist und bleibt bis in alle Ewigkeit. Daher ist das Licht, welches das gefallene Kind Gottes einst hinterlassen hat, nicht nur ein elektromagnetisches Feld, das erneut wie ein Mantel um ihn gelegt wird, sondern das Lichtkleid ist die ursprüngliche Existenz, eine Körperlichkeit, ein vollkommen organisiertes System, das sich prozessmäßig mit dem aufbrechenden Uratom vereinigt. Darum ist der Andere, der in Ihnen ist, gleichzeitig im vierundzwanzigsten Mysterium des ursprünglichen Lebensfeldes. Dieser Andere liegt in Ihrem Uratom beschlossen. Etwas von diesem Ursprünglichen befindet sich in Ihrem Herzen, ist in Ihrem Mikrokosmos versunken, jedoch das Wesentliche, das Größte ist in aller Ewigkeit in dem Lichtkleid, das aus dem Osten herabsinken muss. Verstehen Sie nun, was Selbstfreimaurerei ist? Es ist vornehmlich Abbruch, Abbruch des tierischen, dialektischen Selbstes, Abbruch seiner Körper und seines aurischen Wesens. Selbstfreimaurerei ist ein fortwährendes Leerwerden von der Todesnatur durch das westliche Fenster, bis die Morgenstunde eines neuen Tages anbricht. Selbstfreimaurerei ist eine Nachtwache, wie es im 119. Psalm, in den Versen 147 und 148 heißt: Ich komme in der Frühe und schreie; auf dein Wort hoffe ich. Ich wache auf; wenn es noch Nacht ist, zu sinnen über dein Wort. Der neue Mensch besteht bis in alle Ewigkeit. Er steigt mit dem neuen Lichtkleid zu Ihrem Mikrokosmos herab, weil etwas von ihm in Ihrem Mikrokosmos gefangen gehalten wird. Transfiguration ist eigentlich nichts anderes, als das Sich-Auflösen eines nächtlichen Spuks im Licht der Morgenstunde. Wenn die Rose strahlt, stürzt der gesamte Mikrokosmos der Todesnatur ein. Und alles, was wahrlich Leben war und ist, setzt sich fort in Ihm, der war und der ist in aller Ewigkeit. Daher erscheint auch gleichzeitig mit dem Lichtkleid der apokalyptische neue Mensch, der spricht: »Fürchte dich nicht. Ich bin der Erste und der Letzte. Und ich war tot, und siehe, ich bin lebendig bis in alle Ewigkeit.« Das nun ist die Größe der gnostischen Heilsoffenbarung, dass Sie in Ihrem Lichtkleid der Ursprünglichkeit, das mit dem Goldenen Hochzeitskleid der Seele verbunden ist, ein Mysterium finden: das Mysterium der Fülle, der Wirklichkeit, der vollkommenen Offenbarung. Alles, was Sie bauen wollen, ist. Alles, was Sie in Ihrer Nachtwache erwarten, ist. Wenn Sie nur die Mauern durchbrechen, die Sie vom Morgenlicht trennen, wird das große Wunder der östlichen Sonne für Sie aufgehen.

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Kapitel 21

Das Lichtkleid der Erneuerung Alle, die den Weg der Rose und des Kreuzes gehen, verlangen danach, mit dem Lichtkleid der Erneuerung überkleidet zu werden. Sie erkennen, arm an Geist zu sein, und sehnen sich nach dem Geist. Allen, die zu einer lebenden Kandidatengruppe gehören, wird das Mysterium geoffenbart: das Mysterium, dass das Lichtkleid der Erneuerung nicht nur aus Licht und Kraft, aus elektromagnetischen Vermögen besteht, sondern dass dieser Mantel eine Offenbarung rein geistiger Potenz ist, die den dialektischen Mikrokosmos umfängt und umfasst. In den Feldern der göttlichen Gnosis ist jede Offenbarung unzerstörbar und lebt in Ewigkeit. Das System der Offenbarung, zu dem das im Herzen beschlossene göttliche Selbst einmal gehört hat, lebt bis in alle Ewigkeit und unveränderlich. Die Rose des Herzens ist ein Funke eines fortwährend brennenden Feuers. Der Funke ist gestorben und erloschen, aber er kann wegen seiner Herkunft unmittelbar wieder zu feuriger Glut angefacht werden. Das geschieht, wenn der Mensch nach »dem Lichtkleid, das seine Rosenknospe empfangen soll« sucht. Daher hat die Bruderschaft Sie zuerst mit dem vorausgeworfenen Schatten ihrer Radiation behütet und beschützt, so wie ein Züchter Blumenzwiebeln in Kästen pflegt. Sie haben die Tröstung des Kraftfeldes erfahren, Sie wurden genährt, damit Sie aus Ihrer Vereinsamung erlöst werden können. Und zu jedem Bruder und jeder Schwester des vierten Grades klingt dann die Stimme: Jetzt erwarten wir Dich alle an der äußersten Grenze, also beim letzten Mysterium von innen, das selbst ein Teil von uns ist. [...] Wir sind ganz eins mit Dir. Wir sind ein und dasselbe. In diesem Stadium haben Sie das Ihnen gesandte Lichtkleid erhalten, so dass Sie Ihre Heimreise durch alle Sphären der Dialektik vollbringen können. Über dieses Lichtkleid, das Mysterium der ursprünglichen Existenz, möchten wir gern anhand des zehnten Kapitels der Pistis Sophia mit Ihnen sprechen. In diesem Kapitel werden sehr seltsame Dinge darüber gesagt. Es wird sogar über drei Lichtgewänder außer dem bekannten Hochzeitskleid gesprochen. Das Lichtgewand, das dem Bruder gesandt wird, ist das Kleid, das ihm vom Anbeginn an gehörte und das er an der letzten Grenze – dem letzten Mysterium von innen – hinterlassen hatte. Das Kleid, das er zuletzt getragen hat, wird ihm daher als erstes wieder geschenkt mit der Mitteilung: Siehe, die Zeit ist nun erfüllt. Ziehe das Kleid an und komme zu uns. Denn wir alle erwarten Dich, um Dich auf Befehl des Ersten Mysteriums mit seiner Pracht zu bekleiden. Denn das Erste Mysterium hat uns das Kleid, bestehend aus zwei Gewändern, gegeben, um Dich damit zu bekleiden, abgesehen von dem, das wir Dir bereits gesandt haben. Denn Du bist ihrer würdig da Du höher stehst als wir und bereits vor uns warst. Darum hat Dir das Erste Mysterium durch uns das Mysterium seines vollen Glanzes

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gesandt, bestehend aus zwei Gewändern. Im ersten befindet sich die volle Herrlichkeit aller Namen aller Mysterien und aller Emanationen der Ordnungen und Räume des Unaussprechlichen. Im zweiten Gewand befindet sich die volle Herrlichkeit des Namens aller Mysterien und aller Emanationen der Ordnungen und der beiden Räume des Ersten Mysteriums. In dem [dritten] Kleid, das wir Dir jetzt gesandt haben, befindet sich der Glanz des Namens des Mysteriums des Verkünders, welcher das Erste Gebot ist, sowie das Mysterium der Fünf Kennzeichen und das Mysterium des großen Gesandten des Unaussprechlichen, des großen Lichtes, und das Mysterium der Fünf Lenker, der fünf Helfer. Weiter befindet sich in diesem Kleid der Glanz des Namens des Mysteriums aller Ordnungen der Emanationen der Schatzkammer des Lichtes und ihrer Erlöser [...]. So fährt die Pistis Sophia in Kapitel 10 fort mit einer schwindelerregenden Aufzählung alles dessen, was sich in dem dritten gesandten Lichtkleid befindet. Diese Erklärung wird mit den Worten abgeschlossen: Siehe, wir haben Dir dieses Kleid gesandt, das niemand vom Ersten Gebot abwärts gekannt hat; denn der Glanz seines Lichtes war darin verborgen. Die Sphären und alle Bereiche vom Ersten Gebot abwärts haben es bis jetzt nicht erkannt. Ziehe nun eilends dieses Kleid an und komme zu uns. Denn wir nahen uns Dir, um Dir auf Befehl des Ersten Mysteriums Deine beiden Gewänder anzuziehen, die für Dich von Anfang an im Ersten Mysterium bestimmt waren, bis die vom Unaussprechlichen festgesetzte Zeit vollendet sei. Siehe, die Zeit ist nun vollbracht. Komme nun eilends zu uns, damit wir Dich damit bekleiden, so dass Du den ganzen Auftrag der Vollendung des Ersten Mysteriums vollendest, wie es vom Unaussprechlichen festgesetzt ist. Komme nun eilends zu uns, damit wir Dich dem Befehl des Ersten Mysteriums gehorchend damit bekleiden. Denn nur kurze Zeit, äußerst kurze Zeit, und Du wirst zu uns kommen und die Welt verlassen. Komme nun schnell, damit Du Deinen Glanz, den Glanz des Ersten Mysteriums, in Vollkommenheit empfangen mögest. Wenn Sie das alles vernehmen, erwägen und studieren, wird Ihnen die ganze Universelle Lehre gleichsam im Telegrammstil geoffenbart. Wenn der Herrliche sich dem Bruder und der Schwester des vierten Grades offenbart und ihm oder ihr das dritte Lichtkleid sendet, das Kleid Pymanders, das Kleid des sich offenbarenden Geistes, bedeutet diese Manifestation den Glanz und die Majestät der vollkommenen Gnosis und aller Macht im Himmel und auf Erden. Die große, aufwärtsführende Reise in das Vaterland führt prozessmäßig durch alle 147

Gebiete der Natur des Todes. Das gilt nicht nur für unser Lebensfeld, sondern gleichzeitig auch für das gesamte Universum der Dialektik. In diesem Universum befinden sich unzählige Systeme, von den gröbsten bis zu den feinsten. Es gibt Myriaden Wesen und Lebenswellen, die sich in Art und Kraft verblüffend differenzieren. Es ist ein unergründlicher und unermesslicher Ozean der Offenbarungen, die sich alle innerhalb des Rahmens der Ungöttlichkeit und der prinzipiellen und strukturellen Gefallenheit bewegen. Es ist der Lebensozean der Experimente, ein gigantischer Arbeitsplatz für die sich selbst überlassenen Zauberlehrlinge. Einige Gebiete sind wie in tiefen Schlaf versunken, in anderen herrscht ein brausender, dynamischer Aufbau, einige zeigen den Taumel und den Wirbel der Verblendung, aber überall spüren wir die Endlichkeit und die fieberhafte Betriebsamkeit des Entstehens, Blühens und Vergehens. Alles und alle gehen gebeugt unter dem nahezu ewigen Fluch, alles einspannen und alles anwenden zu müssen, um »noch etwas daraus zu machen«. In diesem Ozean der höchsten Betriebsamkeit und Vielförmigkeit ist unsere eigene mikrokosmische Spiegelsphäre und die unseres Kosmos ein Nichts. Würde die Todesnatur nur aus unserem Lebensfeld mit seinen beiden Sphären bestehen, dann wäre die Erlösung daraus ziemlich einfach. Der Mensch existiert jedoch in einem Universum des Todes. Darum ist die Heimreise ein sehr mächtiger Prozess von gewaltigem Ausmaß, eine sich in Spiralen ausdehnende Entwicklung, in der nicht mehr von Streit gesprochen werden kann, so wie wir ihn in unserer Weltordnung kennen. Es gibt keinen Streit im eigenen Selbst, jedoch eine mächtige Kette aus Kräften ohne persönliche Aggressionen, wobei das Ungöttliche vor dem Göttlichen weichen muss. Sehen Sie darin nicht eine große Seelenreise durch einen Pfuhl des abscheulichen Bösen und zugespitzten Verbrechens, sondern die Aufführung eines vielförmigen Opus der Ziellosigkeit, des Gütewahns, der Selbstverherrlichung und des universellen Suchens. So wie in unserem Lebensfeld eine siebenfache universelle Bruderschaft wirkt, um das Lichtkleid für die Geretteten zu ermöglichen, so gibt es im gesamten Universum des Todes die großen Erlöser und ihre Arbeitsfelder. Alle Geretteten verstärken diese Gruppen, und durch ihr Lichtkleid, diesen mächtigen Mantel um ihre Glieder, liefern sie alle ihren Beitrag zur Vernichtung des Wahns. Nach menschlichen Maßstäben herrscht im sichtbaren Universum in vieler Hinsicht eine große Herrlichkeit, aber von den Brüdern und Schwestern des vierten Grades wird der Wahn dieser Herrlichkeit vollständig entdeckt. Denn das dritte Kleid, das diese Brüder und Schwestern tragen dürfen und können, ist ein Kleid der ursprünglichen, göttlichen Majestät, welches niemand im Raum unter dem ersten Gesetz kennt. Es gibt kein einziges Wesen im Universum des Todes, das dieses Gewand besitzen könnte. Das dritte Kleid zeigt den Glanz des Namens der Propheten, den Glanz der fünf Ideen, das Mysterium der fünf Leiter, den Lichtschatz der Erlösung: einen unermesslichen Schatz! Wenn Brüder und Schwestern des vierten Grades ihre Heimreise antreten, 148

dann sind sie ausgerüstet: 1. Mit allen Vermögen der Weisheit, das heißt: 2. mit dem Vermögen der Kenntnis der vollkommenen Gnosis, 3. mit dem Vermögen der Kenntnis des Durchschauens und der Demaskierung, 4. mit dem Vermögen zur vollkommenen Selbstbefreiung, 5. mit dem Vermögen der vollkommenen Unangreifbarkeit. Das intellektuelle Vermögen des Menschen beruht auf einer Methode, mit deren Hilfe unzählige Fakten und Erscheinungen im Gedächtnis gesammelt werden. Auf der Basis dieser äußerlichen Kenntnis der Fakten und Erscheinungen wird dann zur experimentellen Handlung übergegangen. Das Vermögen der Kenntnis, das durch das dritte Lichtkleid verliehen wird, ist jedoch eine stets vibrierende, leuchtende totale Wirklichkeit. Etwas, was darin erkannt wird, wird unmittelbar bis in die tiefste Tiefe erkannt. Worauf die Aufmerksamkeit auch gerichtet wird, alles wird sofort in allen Dimensionen nach dem Ichwesen durchschaut. Das experimentelle Handeln, das auf der Basis der dialektischen Kenntnis notwendig ist, schafft stets Karma, verursacht also unaufhörlich neue Bindungen und schwerere Ketten. Aber wer im Sinn der Gnosis erkennt, erlöst sich selbst aus allen vorhandenen Ketten und ist auch imstande, andere zu erlösen. Wer im Glanz des Propheten steht, lebt im Glanz des Vaterlandes, zu dem er sich auf den Weg begibt. Wer den Glanz der fünf Ideen und der fünf Leiter kennt, steht im Glanz der fünf Dhyani-Buddhas. Das sind Kräfte, aus denen die Autoren des Alten Testamentes die fünf Erzväter gemacht haben. Ein solcher Mensch ist seinem höchsten Bewusstsein nach eins mit dem Absoluten, mit dem Allvater. Er ist im höchsten Sinn Teilhaber am Volk Gottes. So, in der vollständigen Königsschaft, gehüllt in das dritte Lichtkleid, geht der Bruder oder die Schwester strahlend und arbeitend den Weg zum Vaterland. Sie sind noch nicht im Vaterland, aber sie sind vom Vaterland, sind eins mit Ihm. Sie verstärken den Lichtschatz der Erlöser. So steigen sie im Kleid des erlösenden, heimführenden Geistes auf zum ursprünglichen Mysterium, in dem die beiden anderen Gewänder sie erwarten. Sie treten in die Wirklichkeit selbst ein. Zuerst werden sie mit dem zweiten Lichtkleid geschmückt, welches sie mit der Ansicht der Wirklichkeit verbindet. Daraufhin dürfen sie dann das erste Lichtkleid empfangen, das im tiefsten Wesen die göttliche Wirklichkeit selbst ist. Die Kinder Gottes sind heimgekommen. Im Heiligen Geist wachsend, durch den Sohn in das göttliche Mysterium eingeführt, werden sie in den Armen des Vaters empfangen.

Kapitel 22 149

Die Überwindung des Gesetzes der Schwerkraft Wir haben Ihnen ausführlich geschildert, wie die mit der Heimreise beginnenden Brüder und Schwestern des vierten oder fünften Grades ausgerüstet sind. Sie besitzen das dritte Lichtkleid, das sie befähigt, durch alle Gebiete der dialektischen Schwerkraft zu reisen, ohne irgendeinem Widerstand zu begegnen. Gravitation ist die Schwerkraftwirkung eines magnetischen Feldes, das Sie anzieht und gefangen hält, wenn Ihr persönliches magnetisches Feld damit übereinstimmt. Der Brennpunkt Ihrer dialektischen Wesenswirklichkeit ist natürlich Ihr Bewusstsein, Ihr Ich, die totale Spannkraft des Schlangenfeuers. Dieses Bewusstsein ist vollkommen eins mit dem kosmischen magnetischen Feld, in dem Sie leben. Sie werden dadurch in diesem Lebensfeld festgehalten, angezogen. Dadurch erfahren Sie all die bekannten Schwerkraftwirkungen. In einem Seinszustand, in dem das Ich vollständig das Leben beherrscht, können Sie sich nur den Gravitationsgesetzen der dialektischen Natur unterwerfen. Wenn wir das konstatieren, stellen wir gleichzeitig fest, dass Kräfte und Werte, die der dialektischen Natur wesensfremd sind, durch die Wirksamkeit des dialektischen magnetischen Feldes abgestoßen werden und unter keiner einzigen Bedingung in ein dialektisches Lebenssystem eindringen können. Sie wissen, dass jedes magnetische Feld zwei Wirkungen besitzt: eine anziehende und eine abstoßende Wirksamkeit. Durch das anziehende kosmische Feld werden Sie festgehalten, gefangen gehalten und gleichzeitig ernährt, denn was in das kosmische magnetische Feld hineinkommt, teilt sich gleichzeitig Ihnen mit. Daher ist es klar, dass alles, was vom kosmischen magnetischen Feld abgestoßen wird, gleichzeitig auch von Ihrem persönlichen magnetischen Feld zurückgewiesen und von Ihnen ferngehalten wird. Der Natur nach sind Sie völlig irdisch, von irdischer Art. Sie befinden sich mit dieser Natur in vollkommener Harmonie. Die innereigene Art des kosmischen Feldes, in dem wir leben, ist jedoch dialektisch. Damit wollen wir sagen, dass das geoffenbarte Leben endlich ist und sich nicht auf die Dauer behaupten kann. Daher ist Ihr Leben auch dialektisch. Sie werden von einem disharmonischen Feld festgehalten, Sie unterliegen den Gesetzen der Schwerkraft, Sie sind eins damit. Sie sind daher ebenfalls existenziell disharmonisch, sonst könnten die dialektischen Gravitationsgesetze Sie nicht festhalten. Durch einen einfachen Vergleich kann also bewiesen werden, dass das menschliche Ich, der Kern des Daseins, immer im tiefsten Wesen unglücklich ist. Es steht immer vor dem Unerreichbaren, es fehlt ihm stets das Wichtigste, es ist fundamental disharmonisch. Darum ist der Mensch von Natur aus ein Kämpfer. Aufgrund seines Zustandes ist er 150

stets unruhig und nervös. Darum wird oft Gewalt angewendet, um ein Ziel zu erreichen. Im Grunde genommen sind alle Handlungen des Menschen von Natur aus äußerst gewalttätig. Der eine setzt seine Kraft ein. Das ist männlich! Der andere gebraucht seinen Mund. Das ist weiblich! Ein dritter schweigt zwar, wendet jedoch sehr viel Raffinesse an, um sein Ziel zu erreichen. Daher gibt es in der Welt überall Streit: Streit in der Welt, in unserem Herzen, in unserem Denken, Wollen und Empfinden. Das ist die Signatur der Menschheit. Darum kann mit gutem Grund festgestellt werden, dass alles, was Sie mit dem Ich im Namen des Geistes unternehmen, um dem Geist zu dienen, immer Streit und Verwirrung zur Folge hat, stets Infektionen verursacht und niemals einen spirituellen Erfolg bringen kann. Die letzte, die entscheidende Phase fehlt immer! So gleicht das Streben auf der Basis des Ichs einem Kartenhaus, das beim kleinsten Luftzug umfällt. Außerdem steht fest, dass alles, was Sie mit Ihrem Ich im Namen der Gnosis tun, das dialektische magnetische Feld verstärkt. Im Dienst der Gnosis dienen Sie dann in Wirklichkeit dem Gott dieser Welt. Vielleicht haben Sie auch schon selbst entdeckt, wie man andere und sich selbst mit der Selbstübergabe betrügen kann. Äußerlich vergeben die Menschen einander, lächeln sie über eine unfreundliche Behandlung, im tiefsten Wesen aber vergeben sie niemals. Es bleibt ein Brennen zurück, das zur Rache antreibt. Das äußerliche Bild der Liebe und Vergebung war keine Selbstübergabe, keine Ichlosigkeit, sondern eine bestimmte Form höchst ernster Selbstbehauptung. So kommt es vor, dass zwei Menschen gegenseitig durch das Band beiderseitiger Sympathie, durch Komplimente und Freundlichkeiten die Kraft ihres Ichs verstärken. Handelt der Mensch, der auf dem Pfad der Rose und des Kreuzes steht, absichtlich so? Ist er ein Heuchler? Keineswegs! Er ist nur dumm! Genau zu solchen wurde einmal gesagt: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.« Der Schüler kann wirklich nicht wissen, was er tut, solange er durch das magnetische Kernprinzip seines Wesens logischerweise im kosmischen magnetischen Feld festgehalten wird. Es ist nicht so sehr schwer, die Selbstübergabe durchzuführen. Schwierig ist, überhaupt zu verstehen, was Selbstübergabe heißt! Solange der Schüler das noch nicht weiß, trägt jeder Gedanke, jede Gefühlswirksamkeit, jede Handlung, jede Willensäußerung unwiderruflich zur Selbstbehauptung bei. Vorausgesetzt, der Schüler wüsste, was Selbstübergabe ist, so dass etwas von dieser Morgenstunde aufleuchten könnte, dann würde das bedeuten, dass er auf die eine oder andere Weise in den Bereich der Gravitationskraft eines anderen, eines unirdischen Feldes gelangt wäre. Das würde dann unmittelbar eine Bewusstseinsspaltung verursachen. Im Bewusstsein des Schülers würde sich neben der gewohnten Aktivität im gleichen Augenblick ein innerlicher Streit von vollkommen anderer Art zeigen. Infolge seines gewöhnlichen dialektischen Zustandes ist der Mensch disharmonisch, 151

gibt es Streit und Selbstbehauptung. In diesem Zustand ist Selbstübergabe nichts weiter als eine bestimmte Lebenshaltung des Ichs, die nicht befreiend wirkt. Wenn nun die »Morgenstunde« anbricht, die der Pfad der Befreiung in Aussicht stellt, dann wird außer dem gewöhnlichen dialektischen Kampf ein anderer Streit geboren. Diese neue Erfahrung bedeutet wachsendes Seelenbewusstsein, die Bildung eines neuen Bewusstseinskerns, der sich in der Strahlungskraft der Gnosis durch die Wirkung des Uratoms entfaltet. Diese neue Erfahrung steht völlig außerhalb des Ichs, kann sich dem Menschen nicht offenbaren, kann nicht zu ihm als dialektischem Wesen sprechen, denn es ist eine Wirksamkeit, die von einem anderen magnetischen Feld verursacht wird. Würde das Neue zum Ich sprechen, würde es das Ich »meinen Bruder« oder »meine Schwester« nennen, dann wäre dieses Neue nur eine Spiegelsphärenbemühung mit der gleichen magnetischen Potenz. Nein, das Wunder ist eine andere magnetische Entwicklung in der dialektischen Körperlichkeit. Es nutzt sie aber und zündet darin wie eine Fackel ein anderes Bewusstsein an. Das Geheimnis der Selbstübergabe liegt nun darin, diesem Prozess nicht zu widerstehen, nicht dagegen zu kämpfen, sondern ihn anzunehmen. Das kann man absolut im Rahmen der gewohnten, dialektischen Schwerkraftgesetze vollbringen. Das bedeutet, dem Weg Jesu im Menschen folgen. Der Schüler kann sich zu einer Lebenshaltung entschließen, die darauf gerichtet ist, die Entwicklung des Anderen nicht zu behindern. Dadurch hält er das Ich dann zwar bis zu einem biologischen Minimum instand, aber das kann nicht anders sein, weil das andere Bewusstsein den dialektischen Haushalt sicher nicht übernehmen könnte. Der Funke dieses neuen Bewusstseins kann im Schüler entflammt werden, wenn er auf das lebende Wort des Rosenkreuzes lauscht. Wenn dieser Funke einmal glimmt, muss er zu einem lodernden Feuer angefacht werden. Selbstverständlich gibt es dann zwei Möglichkeiten: Entweder wird der Funke durch das dialektische Feuer wieder gelöscht, oder er kann durch rechte Lebenshaltung zu einem neuen Feuer werden, neben der und in der gewöhnlichen Persönlichkeit. Das alte Feuer wird dann prozessmäßig gelöscht. Wer mit diesem Prozess beginnt, gehört zu einer neuen Rasse. Und dieser Menschentyp empfängt das dritte Lichtkleid, von dem die Pistis Sophia zeugt. Das ist der Geist, der Sie von jeder Schwerkraft der Dialektik befreit. Wenn das neue magnetische Kraftfeld den dialektischen Mikrokosmos in genügendem Maß in Besitz genommen hat und infolgedessen ein neues Ich darin entstanden ist, dann wird dieser Bewusstseinskern – aus dem Weg Jesu im Menschen, aus dem Rosengang geboren – die ursprüngliche Existenz wieder empfangen. So kann der Andere aus dem Grab der dialektischen Natur auferstehen und gen Himmel fahren, denn einen solchen Menschen kann ein Grab nicht mehr festhalten. Die Reise, die Rückkehr zum Vaterhaus hat begonnen. Sehen Sie, Sie stehen am Grab der dialektischen Natur. Stehen Sie da erfüllt von 152

Leid, Schmerz und Verzweiflung? Oder hören Sie die Stimme, die zu Ihnen spricht: »Ich werde euch den Tröster senden, der wird von mir zeugen«? Denn auch Sie erhalten dieselbe Möglichkeit, dem Grab zu entsteigen. Zum Beweis Ihrer Überwindung wird das Pfingstfeuer aufflammen. Der Tröster, der Heilige Geist, ist die strahlende Kraft der Universellen Bruderschaft, die magnetische Strahlung des neuen Bundes. Verstehen Sie dann dieses Geheimnis der magnetischen Umsetzung, der alchimischen Hochzeit des Christian Rosenkreuz.

Kapitel 23

Die Archonten, Mächte und Engel fürchten sich sehr In dem bereits zitierten elften Kapitel der Pistis Sophia heißt es: Als ich das Mysterium all dieser Worte in dem mir übersandten Kleid sah, legte ich es sogleich an. Das Licht strahlte außergewöhnlich von mir. Ich fuhr in die Höhe und kam zum Tor des Firmamentes, strahlend von dem unermesslichen Licht, das mich umgab, und die Tore des Firmamentes kamen in Bewegung und öffneten sich alle gleichzeitig. Alle Archonten und Gewalten und darin befindlichen Engel gerieten in Verwirrung wegen des großen Lichtes an mir. Sie erblickten das strahlende Lichtkleid, das ich trug, und sie sahen das Mysterium, das ihre Namen enthielt, und fürchteten sich sehr. Alle Bande, mit denen sie gebunden waren, lösten sich. Und ein jeder verließ seine Ordnung. Sie fielen vor mir nieder, beteten mich an und sprachen: «Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?» Alle zusammen priesen sie das Innerste des Inneren. Mich selbst aber sahen sie nicht, sondern sie sahen nur das Licht. Und sie waren in großer Furcht und sehr verwirrt und priesen das Innerste des Inneren. Wir haben die Art der drei Lichtkleider ausführlich behandelt, besonders aber die des dritten Lichtkleides, das der Begegnung mit Pymander entspricht. Der Kandidat empfängt es, nachdem er die Verbindung mit der Gnosis hergestellt hat, sodass dieses Strahlungsfeld im Blut und im Bewusstsein befestigt ist. Sobald diese Basis gelegt ist, erhält das gnostische elektromagnetische Feld stets mehr Macht über den Kandidaten. Daher kann er prozessmäßig der Welt der Dialektik entsteigen und ebenfalls prozessmäßig transfigurieren. Der Augenblick, in dem dieser Prozess einsetzen kann, ist der Empfang des dritten Lichtkleides. Man könnte es nach der Terminologie der uns besser bekannten Bibel auch die Ausgießung des Heiligen Geistes 153

nennen. Durch den Heiligen Geist wird die Heimreise, das Entsteigen, die Wiedergeburt ermöglicht. Diese Möglichkeiten werden in der Pistis Sophia als »Mysterien« bezeichnet. Und der Kandidat, der zu seiner Heimreise geadelt ist, muss diese Mysterien lesen können. Er muss all diese Möglichkeiten vernünftig-sittlich verstehen und erfassen. Dann entdeckt er, warum der Heilige Geist auch der Tröster genannt wird. Wer diese Kraft empfangen darf, erkennt ihre tröstenden Eigenschaften für die Seele. Er erfährt die Tatsache, dass das Ergebnis feststeht, dass aller Streit, gegen wen und was auch immer, aufgegeben werden kann und dass sich kein einziger Zwischenfall mehr ereignen kann, es sei denn, er wird nachdrücklich und willentlich herbeigeführt. Wer das weiß, hüllt sich unmittelbar in das Lichtkleid und beginnt mit klarem Bewusstsein die Reise. Er reist im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und im gleichen Augenblick steht er vor den Pforten des Firmamentes, erleuchtet durch das unermessliche Licht, das ihn umgibt. Sie verstehen vielleicht, dass die Pforten des Firmamentes sich auf das magnetische Firmament des aurischen Wesens und gleichzeitig auf das magnetische Firmament des dialektischen Kosmos beziehen. Ihr Lebensfeld besitzt natürlich ebenfalls ein magnetisches Firmament, das sich in völliger Harmonie mit Ihrem persönlichen magnetischen Firmament befindet. Wenn Sie so durch die Pforten des eigenen magnetischen Systems ziehen, erschließen Sie gleichzeitig die Pforten der Spiegelsphäre. Wenn Sie die Macht der Lipika vernichten, ist auch die Macht der irdischen Lipika zerstört. Dann bewegen sich die Pforten des Firmamentes und öffnen sich alle gleichzeitig. Sämtliche Archonten, Mächte und Engel geraten in Aufregung durch das große Licht. Der Kandidat hatte im Mysterium seines neuen Lichtkleides ebenfalls gelesen: Freuet euch und jubelt, denn ihr seid es, welche die ganze Welt retten werden. Sie werden nun verstehen, wie diese Rettung stattfindet. Es ist nicht so, dass die Persönlichkeit der eigenen Naturlipika wie durch eine Bresche entschlüpft, also wie ein Küken dem Ei. Die Himmelspforte öffnen bedeutet: die eigene Naturlipika in ihrer Basis angreifen und dadurch gleichzeitig die Lipika, das magnetische Firmament der Welt. In diesem Sinn bedeutet angreifen dann vernichten. Das ist das Befreiende, der Welt und Menschheit befreiende Aspekt dieser Arbeit. Es ist vielleicht schwer verständlich, dass von einem die Menschheit befreienden Werk gesprochen wird, wenn Sie den Einfluss der dialektischen Äonen auf das eigene System zerstören. Wenn Sie jedoch bedenken, dass diese Selbstfreimaurerei gleichzeitig das Angreifen des dialektischen Weltsystems bedeutet, dann erkennen Sie die hier gemeinte Wirksamkeit vollkommen. Darum können Sie in wirklich befreiendem Sinn nichts Wesentliches für einen an154

deren tun, wenn Sie nicht gleichzeitig mit der Arbeit der Selbstbefreiung beschäftigt sind. Daher sind Hilfe und Trost, die Sie innerhalb der Natur anderen spenden, niemals erlösend. Eine solche Hilfe muss aber deshalb nicht unterlassen werden, jedoch in erster Linie muss all Ihre Arbeit auf Selbsterlösung gerichtet sein. Denn nur wer frei ist, kann andere befreien, und zwar auf sehr persönliche Weise. Der Kandidat, der mit seiner Heimreise beginnt, also ein Lichtkleid des Heiligen Geistes besitzt, strahlt ein starkes Licht aus. Er hat ein neues Strahlungsfeld geschaffen. Und dieses Licht verursacht auf sehr natürliche Weise bei allen Mächten und Kräften der Naturlipika Aufregung: Sie erblickten das strahlende Lichtkleid, das ich trug, und sie sahen das Mysterium, das ihre Namen enthielt, und fürchteten sich sehr. Stellen Sie sich diese Situation einmal gut vor: Als dialektisches Persönlichkeitswesen sind Sie eins mit Ihrem aurischen Firmament. Nun kommt ein neues Lichtelement über die Rose des Herzens zu Ihnen und setzt Ihr gesamtes Persönlichkeitswesen um. Wenn dieses neue Licht nun genügend Kraft und strahlendes Vermögen erhält, müssen alle Kräfte des Firmamentes dadurch in Unordnung geraten und können Sie nicht mehr ernähren. Ihre Ströme werden verweigert und ihre Aktivitäten zurückgeworfen. Die Lichter der Lipika erlöschen. In der Terminologie der Pistis Sophia heißt das: Die Archonten, Kräfte und Engel fürchteten sich sehr. Hiermit wird auf drei Gruppen hingewiesen, auf die drei Klassen magnetischer Punkte, die sich im magnetischen Firmament befinden. Das Wort »Archont« ist abgeleitet von dem Begriff »wachsam«. Die Archonten sind die Wachsamen, die magnetischen Kontrollpunkte, die wahren Gefangenenwärter des mikrokosmischen Gefängnisses. Übereinstimmend mit ihren Erfahrungen werden Mächte und Kräfte angewandt. All diese kontrollierenden Lipikakräfte sehen das neue strahlende Lichtkleid. Sie fürchten sich sehr, denn sie sehen dieses Mysterium mit ihrem eigenen Namen, das heißt, sie erfahren dieses Mysterium mit ihren eigenen Qualitäten. Ein Name ist eine Qualität, eine Andeutung eines innerlichen Wesenszustandes. Wenn ein Mensch ein Mysterium mit seinem eigenen Namen sieht und sich daher fürchtet, dann beweist das, dass seine innere Qualität sehr viel minderwertiger ist als die neue Kraft und ihr hoffnungslos unterlegen ist. Wer sich fürchtet, ist für Panik empfänglich. Angst, Furcht und Panik sind untrennbar. Wenn ein Heerlager in Panik gerät, dann ist seine Ordnung zerstört und seine Macht verloren. Daher ist es sehr deutlich, wenn wir lesen: Alle Bande, mit denen sie gebunden waren, lösten sich, und ein jeder verließ seine Ordnung. Wenn der Kandidat durch die besprochenen Ereignisse das eigene magnetische System nicht mehr akzeptieren kann und die bewusste Schließung entsteht, dann werden die magnetischen Punkte auch von ihren Basen im kosmischen magneti155

schen Feld getrennt. Sie verlassen alle ihre Ordnung. Von diesem Moment an kann keine einzige dialektische Wirksamkeit, keine einzige Kraft der Spiegelsphäre auch nur den geringsten Einfluss auf den Kandidaten ausüben. Denn es ist doch klar, dass alle dialektischen Einflüsse, sowohl aus dem Diesseits als auch aus dem Jenseits, von den Archonten, Kräften und Engeln des magnetischen Feldes der Todesnatur ausgehen. Wenn der Kandidat an diesen Punkt seiner beginnenden Heimreise gekommen wäre und alle dialektischen Kräfte würden sich gemeinsam anstrengen, um ihn durch eine mächtige Konzentrationsausübung zu beeinflussen, dann würde er diesen Einfluss kaum bemerken. Nur auf diese Weise kann der Kandidat von der Spiegelsphäre frei werden. Solange das noch nicht der Fall ist, muss er sehr auf seiner Hut sein. Alle magnetischen Punkte im aurischen System sind nach ihren siderischen Ordnungen gruppiert. Alle astronomischen Werte und Ströme innerhalb des zodiakalen Makrokosmos spielen darin eine Rolle. Alle diese siderischen Ordnungen besitzen ihre Archonten, Kräfte und Engel. Alle Bewohner der Stoffsphäre und der Spiegelsphäre, von den erhabensten bis zu den am tiefsten gesunkenen, sind in Gruppen aufgeteilt, übereinstimmend mit den siderischen Ordnungen. Der Kandidat, der – wie besprochen – zu der Himmelspforte emporsteigt, zerbricht alle siderischen Fesseln im vollen Umfang, strukturell und fundamental. Sie fielen vor mir nieder, beteten mich an und sprachen: »Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?« Dieses Anbeten ist die Konsequenz der Furcht, das müssen Sie verstehen. Ein Mensch in Gefahr wird sehr fromm. Es wird uns hiermit in der Pistis Sophia eine prächtige Situation geschildert, und der Ausspruch der Archonten ist typisch: Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten? Die Archonten fragen sich also: »Wie kann jemand etwas besitzen, das wir nicht besitzen?« Im dialektischen Universum ist einer der herrlichsten und höchsten Seinszustände der Neptun-Zustand. Es ist der Wahn der Göttlichkeit in der Natur des Todes. Alle Menschen haben einen neptunischen magnetischen Punkt im aurischen Firmament. In der Allegorie der Pistis Sophia wird dieser Punkt als Person dargestellt, die spricht: »Wie ist es möglich, dass der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen ist, ohne dass wir es wussten? Denn alles, was unten ist, untersteht unserer Macht und Kontrolle. Es kann sich höchstens bis zu unserem Seinszustand entwickeln. Wie ist es möglich!« Sie waren in großer Furcht und sehr verwirrt und priesen das Innerste des Inneren. Das nun ist das große Wunder. Uns armen Sterblichen, uns, den niedrigen Wesen unter den ungeheuren und grandiosen Mächten des dialektischen Universums, ist es geschenkt, sich aus diesem Bann zu lösen. Wir können uns von jenen befreien, die 156

sich bereits seit unvorstellbar langen Zeiten bis zu dem Punkt in der Todesnatur kultiviert haben, auf dem sie jetzt stehen. Das ist eine so große Herrlichkeit, dass alles dialektische Erhabene daneben zu Nichts wird. Es herrscht große Bestürzung wegen unseres Lichtkleides. Das ist das herrliche Wunder: Aus dem Nichts, von unten her, erwacht der erlöste Mensch und beginnt, in seine ewige Heimat zu reisen. Dabei dürfen wir jedoch einen anderen Aspekt nicht vergessen. Sie müssen nämlich den Begriff »Furcht« nicht nur im Sinn der Angst auffassen, sondern auch im Sinn des Respektes, als eine Form großer Ehrerbietung. In diesem Zusammenhang benutzt die Bibel zum Beispiel das Wort »gottesfürchtig«. Und so verstehen wir nun das Schlusswort des elften Kapitels der Pistis Sophia: Sie waren in großer Furcht und sehr verwirrt und priesen das Innerste des Inneren. Wenn alle, die das Universum des Todes bis zu den untersten Grenzen des dialektischen Raumes bevölkern, in diesen Lobgesang einstimmen, dann sehen wir, dass der Prozess der gnostischen Befreiung: 1. Erstens den Einfluss der eigenen Naturlipika zerstört, 2. zweitens die Einflüsse des gesamten Universums des Todes vernichtet, 3. drittens werden durch diese Freiheit die Gefängniswärter von Entsetzen gepackt, und zwar im Sinn der Angst, 4. viertens versinken sie daraufhin in tiefe Ehrfurcht, 5. fünftens singen sie schließlich das Lob ihrer vorherigen Gefangenen und machen so – ihrer Macht beraubt – in dieser neuen psychologischen Situation auch für sich selbst den Weg in das Unbewegliche Königreich frei. So erkennen wir deutlich, dass der transfiguristische Pfad in all seinen Aspekten Rettung und Erlösung für alle bedeutet. Wenn Sie den Pfad gehen, seien Sie dann froh und freuen Sie sich, denn Sie sind es, welche die Welt mit erretten werden.

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Danach ließ ich diesen Ort hinter mir und ging hinauf zur ersten Sphäre, die überaus leuchtete, und zwar neunundvierzigmal stärker als damals, als ich im Firmament war. Als ich zum Tor der ersten Sphäre gelangte, kamen die Tore in Bewegung und öffneten sich alle gleichzeitig. Ich trat ein in die Häuser der Sphäre, überaus leuchtend in unermesslichem Licht, und alle Archonten und alle Bewohner der Sphäre gerieten in Verwirrung. Sie sahen das große Licht, das mich umgab, und sie erblickten mein Kleid und sahen darauf das Mysterium ihres Namens. Und sie gerieten noch mehr in Aufregung und Furcht und riefen: »Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?« All ihre Bande und Bereiche und Ordnungen lösten sich auf. Und ein jeder verließ 157

seine Ordnung. Sie fielen vor mir nieder, beteten mich oder mein Lichtgewand an und priesen das Innerste des Inneren in großer Furcht und Verwirrung. Nachdem ich jenen Ort hinter mir gelassen hatte, stieg ich auf zum Tor der zweiten Sphäre, der des Schicksals. Auch hier gerieten alle Tore in Bewegung und öffneten sich gleichzeitig. Ich trat in die Häuser des Schicksals ein, außergewöhnlich strahlend in einem unbeschreiblichen Lichtglanz; denn ich strahlte dort noch neunundvierzigmal stärker als in der ersten Sphäre. Alle Archonten und alle, die sich in der Sphäre des Schicksals befanden, gerieten in Verwirrung und fielen übereinander her und waren in größter Furcht, als sie mein großes Licht sahen. Sie erblickten mein Lichtkleid und sahen das Mysterium ihres Namens darin und gerieten noch mehr in Verwirrung. Voller Furcht sprachen sie: »Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?« Und alle Bande ihrer Gebiete und Ordnungen und Häuser zerbrachen. Sie kamen alle zugleich, fielen nieder, beteten mich an und priesen das Innerste des Inneren, während sie in großer Furcht und Verwirrung waren. Ich ließ auch dieses Gebiet hinter mir und stieg auf zu den großen Äonen der Archonten. In einem unbeschreiblichen Lichtglanz kam ich vor ihre Schleier und Tore. Als ich die zwölf Äonen erreicht hatte, gerieten ihre Schleier und Tore gegeneinander in Aufruhr. Die Schleier schoben sich von selbst beiseite, und ihre Tore taten sich nacheinander auf. Ich trat mitten unter die Äonen, überaus strahlend, und es war kein Maß für das Licht, das mich umgab, und das wieder neunundvierzigmal stärker war als in den Häusern des Schicksals. Alle Engel der Äonen und ihre Erzengel, ihre Archonten, ihre Götter, ihre Herrscher, ihre Gewalten, ihre Tyrannen, ihre Kräfte, ihre Lichtfunken, ihre leuchtenden Sterne, ihre Ungepaarten, ihre Unsichtbaren, ihre Patriarchen und Dreimalgewaltigen, sie alle erblickten mich in diesem unermesslichen Lichtglanz. Sie gerieten in Aufruhr gegeneinander, und große Furcht befiel sie, als sie mein großes Licht sahen. In ihrer großen Verwirrung und Furcht zogen sie sich zurück zum Gebiet des großen, unsichtbaren Patriarchen und der drei großen Dreimalgewaltigen. Wegen ihrer großen Furcht und Verwirrung lief der große Patriarch jedoch in seinem Gebiet ständig hierhin und dorthin und ebenso die drei Dreimalgewaltigen. Wegen der großen Furcht, in der sie sich alle befanden, konnten sie ihre Gebiete nicht abschließen. Sie bewegten alle ihre Äonen, Sphären und Ordnungen gleichzeitig voller Furcht und Zittern wegen des großen Lichtes, das mich umgab und das von anderer Beschaffenheit war als jenes, das mich umgab, als ich mich auf der Erde der Menschen befand. Denn die Welt hätte die Fülle dieses Lichtes nicht ertragen können. Es hätte die Welt und alles, was darin ist, unverzüglich vernichtet. Das Licht aber, das an mir war inmitten der zwölf Äonen, war 8700 Myriaden Mal stärker als jenes, das mich bei euch auf der Erde umgab. 158

Als nun alle, die sich in den zwölf Äonen befanden, das große Licht an mir sahen, gerieten sie in Aufruhr und liefen in den Äonen hierhin und dorthin. Alle Äonen und Himmel und ihre gesamte Ordnung bewegten sich gegeneinander aus großer Furcht, da sie das Mysterium, das sich ereignete, nicht kannten. Adamas, der große Tyrann, und alle in den Äonen wohnenden Tyrannen begannen vergeblich, gegen das Licht zu kämpfen. Und sie wussten nicht, gegen wen sie kämpften, da sie nichts sahen als das alles überwältigende Licht. Als sie gegen das Licht ankämpften, erschöpfte sich ihre gemeinsame Kraft. Sie stürzten in die niederen Äonen hinab und waren tot und ohne Lebenshauch wie die Bewohner der Erde. Ich nahm von allen ein Drittel ihrer Kraft, damit sie nicht in ihrer Bosheit fortfuhren und damit sie ihre bösen Taten nicht vollenden konnten, wenn die Menschen auf der Erde sie in ihren Mysterien anrufen würden – in jenen nämlich, welche die Engel, die gesündigt haben, auf die Erde brachten, also ihre Magie. Das Schicksal und die Sphäre, über die sie herrschen, habe ich umgewendet und bewirkt, dass sie sechs Monate nach links gewendet ihre astralen Einflüsse ausüben und sechs Monate nach rechts blickend ihre astralen Einflüsse ausüben. Aber auf Befehl des Ersten Gebotes und auf Befehl des Ersten Mysteriums hatte sie Jeû, der Wächter des Lichtes, so eingesetzt, dass sie fortwährend nach links blickten und ihre astralen Einflüsse ausübten. ffffff

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Pistis Sophia, Abschnitte 12-15 Kapitel 24

Der Tierkreis – ein zwölffaches Gefängnis Alle, die würdig sind, das dritte Lichtkleid zu empfangen, das Lichtkleid des Heiligen Geistes, entsteigen der Welt der Dialektik. Sie reisen zum Vaterhaus, ins Unbewegliche Königreich. Der Weg ins Unbewegliche Königreich ist ein vielschichtiger Prozess, wie Sie den vorigen Kapiteln entnehmen konnten. Es ist nicht nur ein Prozess von mikrokosmisch-persönlicher Art, sondern auch einer von universeller Bedeutung. Denn es geht nicht nur darum, der eigenen Naturlipika zu entsteigen, sondern gleichzeitig ist es ein Angreifen des gesamten Universums des Todes und eine Vernichtung der totalen Offenbarung der Dialektik. Die Pistis Sophia gibt uns davon ein deutliches Bild. Zuerst entsteigt der Kandidat, der mit dem Mantel des Heiligen Geistes bekleidet ist, der Spiegelsphäre des eigenen Lebensfeldes, dem Jenseits unseres Erdballs, wie wir es gewöhnlich nennen. 159

Sie erhalten darüber einen Eindruck im elften Kapitel der Pistis Sophia, das wir im vorigen Kapitel zitierten. Alle Archonten, Mächte und Engel der Spiegelsphäre geraten in Aufregung, sobald sie die Lichtsäule des Heiligen Geistes von unten her aufsteigen und durchbrechen sehen. Sie können sich zwar vorstellen, dass ein mächtigeres Licht als das ihre von oben zu ihnen kommt, da sie wissen, dass sich große Hierarchien des Sonnenmakrokosmos sowie der Tierkreis über ihnen befinden. Aber dass eine solche ungeheure Lichtkraft, mächtiger als ihre eigene, aus den Gebieten aufsteigen kann, die sie völlig in ihrer Macht haben, die sie vollkommen kontrollieren, das übersteigt ihre Auffassungsgabe. Darum fürchten sie sich sehr und verlassen ihre Ordnung. Diesen Zustand müssen Sie psychologisch so verstehen, dass die mächtigeren elektromagnetischen Radiationen der Gnosis die Spiegelsphären-Strahlungen stören, so wie die erste Phase der Heimreise auch das magnetische System des eigenen aurischen Wesens zerrüttet und aus seiner Ordnung gestoßen hat. Wenn der Kandidat in seiner Entwicklung so weit gekommen ist, hat er sich zwar von der Spiegelsphäre befreit, jedoch gewiss noch nicht vom gesamten Universum des Todes. Der Durchgang durch diese Gebiete wird ebenfalls im Kapitel 12 der Pistis Sophia beschrieben. Dort heißt es: Danach ließ ich diesen Ort hinter mir und ging hinauf zur ersten Sphäre, die überaus leuchtete, und zwar neunundvierzigmal stärker als damals, als ich im Firmament war. Als ich zum Tor der ersten Sphäre gelangte, kamen die Tore in Bewegung und öffneten sich alle gleichzeitig. Ich trat ein in die Häuser der Sphäre, überaus leuchtend in unermesslichem Licht, und alle Archonten und alle Bewohner der Sphäre gerieten in Verwirrung. Hier wird auf das Sonnenfeld hingewiesen. Die Pistis Sophia nennt dieses Feld »die erste Sphäre«. Es ist das Feld des Sonnensystems, zu dem die Erde gehört. Um diesem Feld entsteigen zu können, muss das Licht des dritten Lichtkleides inzwischen neunundvierzigmal stärker geworden sein als während der Reise durch die Spiegelsphäre. Dort geschieht nun dasselbe: Auch jetzt entsteht äußerste Verwirrung, und der Ruf erklingt: Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten! Das ist auch jetzt wieder sehr verständlich. Denn man kann vom Standpunkt der Bewohner der ersten Sphäre aus gesehen zwar mächtigere Kräfte aus dem Feld des Tierkreises erwarten, aber doch nicht von einem dem Sonnenmakrokosmos unterworfenen Körper. So kann man zum Beispiel auf naturwissenschaftlicher Basis die Kraft und das Vermögen bestimmter Atomsorten und Elemente feststellen und die in unserem Naturfeld vorkommenden Kräfte messen. Wenn aber ein Naturwissenschaftler feststellen müsste, dass ein Sterblicher, dessen körperliche Zerbrechlichkeit 160

und die Schwäche seiner menschlichen Kräfte bekannt und wissenschaftlich begründet sind, beweist, dass er allen Gesetzen der Statik, der Dynamik, der Schwerkraft, der Hitze und des Strahlungsvermögens spottet, wäre dieser Wissenschaftler nicht nur äußerst erstaunt, sondern höchst bestürzt. Er wäre »total aus seiner Ordnung gestoßen«, nämlich innerlich, psychologisch. Die Bibel gibt uns zahlreiche Beispiele für ein solches bestürztes Erstaunen, wenn in der neuen Rasse Geborene – ohne es zu wollen oder zu demonstrieren – eine fundamentale Unangreifbarkeit beweisen. Denken Sie nur daran, was das Evangelium darüber berichtet. Und denken Sie auch an die Erfahrungen des Paulus. Das fundamental Dialektische, das Schwache, das Unansehnliche wird das Starke, das Majestätische, weil durch das gesamte Universum des Todes eine gnostische Kraft vibriert und strahlt, die jeder dialektischen Kontrolle und wissenschaftlichen Erfassung widersteht. Ist der Mensch mit dieser gnostischen Kraft als Kind Gottes verbunden, entsteigt er jedem dialektischen Erfassen und Dirigieren. Als alle Archonten des Sonnenmakrokosmos diese – nach ihrer Ansicht – wissenschaftliche Abnormität feststellen, die ihrer Kenntnis und ihrer Vermögen spottet, bleibt ihnen nichts anderes übrig als Lob und Respekt, obwohl sie sich in großer Furcht und Verwirrung befinden: Sie kamen alle zugleich, fielen nieder, beteten mich an und priesen das Innerste des Inneren, während sie in großer Furcht und Verwirrung waren. Hierauf wird im Kapitel 13 die zweite Sphäre, die Sphäre der Schicksalskräfte besprochen. Sie erstreckt sich zwischen dem Sonnenmakrokosmos und dem Tierkreis. Es ist die Sphäre, in welcher schließlich jedes dialektische Schicksal entsteht und von der das gesamte Sonnensystem, also auch jeder Mikrokosmos, abhängig ist. Der Kandidat tritt in diese zweite Sphäre ein. Seine Lichtpotenz hat wiederum neunundvierzigmal zugenommen. Nachdem ich jenen Ort hinter mir gelassen hatte, stieg ich auf zum Tor der zweiten Sphäre, der des Schicksals. Auch hier gerieten alle Tore in Bewegung und öffneten sich gleichzeitig. Ich trat in die Häuser des Schicksals ein, außergewöhnlich strahlend in einem unbeschreiblichen Lichtglanz; denn ich strahlte dort noch neunundvierzigmal stärker als in der ersten Sphäre. Die Tatsache, dass hier wieder die Zahl neunundvierzig genannt wird, hängt mit der siebenfachen Struktur des göttlichen Universums zusammen, wodurch der Kandidat in dem Maß, wie der Prozess voranschreitet, immer mehr siebenmal siebenfache Kraft entbindet. Es geschieht nun in der zweiten Sphäre die gleiche Geschichte. Alle Archonten geraten in Aufregung und fallen übereinander her vor Furcht und sprechen: Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten! Und alle 161

Bande werden gelöst. Sobald der Kandidat diesen Ort hinter sich lassen kann, kommen die zwölf Äonen an die Reihe. Wieder ist das Lichtkleid des Bruders auf seiner Reise durch diese fremden Lande neunundvierzigmal majestätischer. Die Pistis Sophia sagt hierüber im 14. Kapitel: Als ich die zwölf Äonen erreicht hatte, gerieten ihre Schleier und Tore gegeneinander in Aufruhr. Die Schleier schoben sich von selbst beiseite, und ihre Tore taten sich nacheinander auf. Ich trat mitten unter die Äonen, überaus strahlend, und es war kein Maß für das Licht, das mich umgab und das wieder neunundvierzigmal stärker war als in den Häusern des Schicksals. Alle Engel der Äonen und ihre Erzengel, ihre Archonten, ihre Götter, ihre Herrscher, ihre Gewalten, ihre Tyrannen, ihre Kräfte, ihre Lichtfunken, ihre leuchtenden Sterne, ihre Ungepaarten, ihre Unsichtbaren, ihre Patriarchen und Dreimalgewaltigen, sie alle erblickten mich in diesem unermesslichen Lichtglanz. Sie gerieten in Aufruhr gegeneinander, und große Furcht befiel sie, als sie mein großes Licht sahen. In ihrer großen Verwirrung und Furcht zogen sie sich zurück zum Gebiet des großen, unsichtbaren Patriarchen und der drei großen Dreimalgewaltigen. Wegen ihrer großen Furcht und Verwirrung lief der große Patriarch jedoch in seinem Gebiet ständig hierhin und dorthin und ebenso die drei Dreimalgewaltigen. Wegen der großen Furcht, in der sie sich alle befanden, konnten sie ihre Gebiete nicht abschließen. Sie bewegten all ihre Äonen, Sphären und Ordnungen gleichzeitig voller Furcht und Zittern wegen des großen Lichtes, das mich umgab und das von anderer Beschaffenheit war als jenes, das mich umgab, als ich mich auf der Erde der Menschen befand. Denn die Welt hätte die Fülle dieses Lichtes nicht ertragen können. Es hätte die Welt und alles, was darin ist, unverzüglich vernichtet. Das Licht aber, das an mir war inmitten der zwölf Äonen, war 8700 Myriaden Mal stärker als jenes, das mich bei euch auf der Erde umgab. Die Situation verändert sich. In allen niederen Regionen der Todesnatur gab es zwar Erstaunen und Furcht wegen der Tatsache, dass die Entwicklung von unten her stattfand, aber schließlich verlagerte sich das Mysterium doch in die so genannten höheren Regionen. Wenn Sie an die naturreligiöse Besinnung denken, werden Sie das verstehen. Not, Kummer und Elend wird dem übertragen, was man »Gott« nennt. »Der Herr wird es richten«, so sagt man. Aber nun gibt es nach dem Bild, das die Pistis Sophia uns schildert, keine höhere Instanz mehr! Die höheren Götter selbst sind völlig bestürzt und haben ihre Kontrolle 162

verloren. Dann kommen sie mit ihrem letzten Argument: Sie werden böse. Adamas, der große Tyrann, und alle in den Äonen wohnenden Tyrannen begannen vergeblich, gegen das Licht zu kämpfen. Sie verstehen, dass dieses letzte dialektische Argument gleichzeitig das Ende ist, das Ende sein muss. Bei der Seelenreise zum Vater erweist sich die Ankunft beim zwölften Äon als letzte und entscheidende Phase der Entsteigung. Um das zu durchschauen, muss man einigermaßen wissen, was wir unter dem Tierkreis zu verstehen haben. Man spricht vom »Tierkreis«, weil die zwölf makrokosmischen Kräfte, die das dialektische Weltall im direkten Sinn steuern, zum Teil mit Tiernamen bezeichnet werden. Diese zwölf Kräfte halten das dialektische Weltall umschlossen. Sie regieren es. Sie bilden die höchste dialektische göttliche Instanz, aus der das zwölffache Persönlichkeitswesen des Menschen resultiert. Sie formen: 1. das dialektische Ichbewusstsein, 2. den dialektischen Besitztrieb, 3. die dialektische Bruderschaftsidee, 4. den dialektischen Vaterlands-Gedanken, die Idee der Konkretisierung des Königreiches Gottes auf Erden, 5. das dialektische Ideal der Kraft und des Mutes, des Heldentums, 6. die dialektische Fruchtbarkeitsidee, 7. die dialektische Idee der Lebensharmonie, 8. die dialektische Entwicklungsidee, die sich im Okkultismus ausdrückt, 9. den Traum der dialektischen Vergöttlichung, 10. den ersten Schritt zur Erfüllung dieses Gotteswahns im mentalen Sinn, 11. den zweiten Schritt im ethischen Sinn, 12. den dritten Schritt im Sinn der stofflichen Offenbarung, der unendlichen Schmerz bedeutet. Diese ganze zwölffache Kette bildet das große Gefängnis in der Todesnatur. Es sind zwölf Götter, von denen zwölf Ideen, zwölf Täuschungen, zwölf Bemühungen ausgehen. In ihrer Einheit wird diese Kette in der Pistis Sophia »der Patriarch« (Urvater) genannt, mit seinen Dreimalgewaltigen und seinen unsichtbaren Kräften. Es gibt in diesem System nämlich eine fundamentale Kraft, eine steuernde Kraft und eine fortwährend aktivierende Kraft. Das ist die Drei-Einheit der Natur der Täuschung. Jeder Kandidat, der seine Heimreise bis zur zwölften Stunde vollbringen will, muss diese Kette der Täuschung von sich abschütteln. Zwölf Götter regieren alles, was innerhalb des Tierkreises lebt. Sie spiegeln sich in der Lipika wider, also im magnetischen System des Menschen und in seiner Persönlichkeit. Es ist logisch, dass kein einziger Schüler auf dem Pfad sich mit dem 163

Zerbrechen des eigenen Tierkreises im aurischen Wesen begnügen könnte. Er muss dem gesamten Universum des Todes entsteigen, damit er im Garten der Götter nicht mehr geopfert werden kann. Das Rosenkreuz aber stellt Sie vor einen anderen Urvater mit seinen Dreimalgewaltigen. Denn von der Gnosis geht eine fundamentale Kraft aus. Wer sich darauf stützt, steht wie auf einem Felsen. Es gibt eine gnostische steuernde Kraft. Wer an der Hand dieser Kraft seinen Pfad geht, kann sich niemals verirren. Und es gibt eine gnostische aktivierende Kraft. Wer damit gewappnet ist, wer diese Kraft als ein Lichtkleid, als ein Siegfried-Schwert besitzt, wird aller Gefahr entkommen. Dieses Siegfried-Schwert hat schließlich ein Lichtvermögen, das 8700 Myriaden Mal so stark ist wie beim Beginn der Pilgerfahrt. Das bedeutet, dass es allen Stoff durchbricht und unlöslich mit dem göttlichen All verbunden ist.

Kapitel 25

Die Entthronung der vier Herren des Schicksals Im vorigen Kapitel erwähnten wir die zwölf makrokosmischen Kräfte, die das dialektische Weltall umgeben und steuern. Wir bezeichnen diese Kräfte populär als Tierkreis. Diese zwölf Kräfte sind für unseren Planeten die höchste dialektische, göttliche Instanz. Wir wollen zuerst die Beziehung dieser zwölf Kräfte zur Persönlichkeit betrachten. Im Gehirn sind sie vergegenwärtigt durch zwölf magnetische Punkte. Auch die zwölf Paar Gehirnnerven werden durch diese Kräfte belebt. Außerdem können wir diese zwölf Kräfte im magnetischen Firmament des aurischen Wesens des Menschen feststellen. Es gibt im aurischen Wesen zwölf Gruppen von magnetischen Punkten, die mit den zwölf Punkten im Gehirn korrespondieren. Drittens entdecken wir damit übereinstimmend zwölf Kräfte, die das unmittelbare Lebensfeld des Menschen, die Stoffsphäre und die Spiegelsphäre, umgeben. Sie befinden sich also im Firmament unseres Planeten. Daher besitzen und erfahren wir diese zwölf Kräfte gemeinsam mit der ganzen Menschheit. Viertens ist da der zwölffache Tierkreis, der das Sonnensystem umgibt. Diese vier Mauern kann man – magisch gesehen – als die vier Herren des Schicksals bezeichnen: 1. Einer befindet sich in der Persönlichkeit,

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2. einer im aurischen Wesen, 3. einer im Lebensfeld 4. und einer umgibt das Sonnensystem. Daraus ist ersichtlich, dass es auch vier Phasen des Entsteigens gibt, wenn ein Schüler wirklich den Pfad geht. Die erste Phase ist die wichtigste und entscheidendste. Denn der erste Herr des Schicksals übt einen zwölffachen Einfluss auf das Gehirn aus, und daraus ist die Art, der Zustand und das Wesen des Ichs zu erklären. Der Mensch ist ein »siderisch Geborener«. Das bedeutet, dass sein Leben aus dem zwölffachen Prinzip, aus den zwölf Gruppen magnetischer Kraftlinien unseres unmittelbaren Makrokosmos zu erklären ist. Sie haben vielleicht schon einmal von der zweiten siderischen Geburt gehört, die wir auch die mystische Wiedergeburt nennen. »Sie bezieht sich auf die erste Phase des Entsteigens. Sie entthront den ersten Herrn des Schicksals. Sie bricht den zwölffachen magnetischen Bann im Gehirn und ersetzt ihn durch eine andere zwölffache magnetische Kraftlinienstruktur. Bevor es jedoch in einem Menschenleben so weit ist, muss noch einiges geschehen! Wenn wir mit unseren Schülern und Interessenten den Menschheitsweg eines Kandidaten in diesem fundamentalen Prozess besprechen, dann schleicht sich die große Gefahr ein, dass die Zuhörer bei der intellektuellen Betrachtung stehen bleiben. Dann meinen Sie, etwas davon zu besitzen, obwohl es in Wirklichkeit nichts bedeutet. Darum wollen wir Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf den Beginn des Heilsprozesses im Evangelium lenken. Darin wird zuerst in der Doppelfigur Zacharias-Elisabeth der suchende Mensch geschildert. Er ist alt und der Tage satt und kann kein einziges Lebensresultat aufweisen. Trotzdem ist dieses suchende Stadium eine Gnadengabe des Heiligen Geistes. Es beweist nämlich die Wirksamkeit der Rose des Herzens, des Uratoms. Es kann jedoch sein, dass der erste Herr des Schicksals den Menschen so beeinflusst, dass dieser sein gewohntes, dialektisches Leben führt und das Suchen für ihn nur ein Zeitvertreib ist. Sie werden verstehen, dass das Leben auf diese Weise ohne irgendeinen befreienden Sinn bleibt. Über dieses Stadium war Zacharias-Elisabeth bereits hinaus. Sein Suchen und Verlangen war eine Herzenssache, ein Heilbegehren, ein maßloses Verlangen nach einem neuen, anderen Leben. Wenn der Kandidat diesen Zustand kennt, beginnt der zweite evangelische Prozess: Johannes wird geboren, der die Pfade des Herrn, die Pfade für seinen Gott recht machen wird. Wer diesen Weg geht, gerät unmittelbar in Konflikt mit seinem Hirngott und dessen Vasallen, dem Ichbewusstsein. Wer von der Rose des Herzens aus den Pfad des Johannes geht, muss selbstverständlich auch den Pfad der Ichzerbrechung gehen. Aus unserer Besprechung ergibt sich logischerweise, dass dieser Pfad der Ichzer165

brechung zwölf Phasen, zwölf Ansichten besitzen muss. In der ersten Phase müssen Sie die natürlich sehr starke ichzentrale Persönlichkeit, die ihrer eigenen Einsicht nach alles weiß, alles sieht, alles bereits erfüllt und alles im Voraus versteht, die also absolut unwiderstehlich ist, vollkommen negieren. In der Kraft des Lichtes und der Rose können Sie dieses selbstbewusste Ichwesen absolut verleugnen. Wir nennen diesen Zustand Ergebenheit, Demut, Bescheidenheit, Stille. Das ist das Ende der Selbstsicherheit. Wenn der Kandidat diesen ersten Pfad durchlebt und recht gemacht hat, folgt die zweite Phase und so weiter, bis alle zwölf Phasen durchschritten sind. Das Gehen dieser zwölf Pfade bedeutet das direkte Angreifen des Ichs und seines Hirngottes. Aber wer diesen zwölffachen Pfad betreten will, muss zuerst dazu geboren werden, und zwar wie Johannes aus einer Kraft, die vom Heiligen Geist verliehen wird. Er muss geboren werden aus dem Zacharias-Elisabeth-Stadium, aus dem Stadium des Suchers, der den Becher dieses Zustandes bis auf den letzten Tropfen geleert hat und daher das Heilbegehren kennt. Wer die Ichzerbrechung rein experimentell als eine Methode, als ein System ausübt, wird niemals Erfolg haben. Er steht dann vor solchen Schwierigkeiten, dass er sich eilig aus der Wüste zurückzieht und sich wieder dem alten Leben zuwendet. Wenn die zwölf Johannesphasen vollendet sind, folgt der Tiefpunkt am Jordan, der Augenblick der Jesusgeburt im Menschen. Das ist der Moment der totalen Entthronung des zwölffachen Hirngottes, des ersten Herrn des Schicksals. Von dieser Stunde an sieht ein solcher Mensch den Stern von Bethlehem, wird er – seiner Persönlichkeit nach – der Dialektik enthoben und in der neuen Rasse, dem Volk Gottes geboren. Dann müssen zwölf neue magnetische Punkte, zwölf neue Ansichten im Gehirn befestigt werden. Darum heißt es, dass Jesus der Herr zwölf Jünger wählt, sie lehrt, ihnen hilft, und sie zur Vollkommenheit drängt. Dieser gesamte Prozess in der Persönlichkeit wird der Kreuzgang genannt. Anteil erhalten an der neuen Rasse, darin aufgehen und die Vollendung erreichen, das ist der Weg von Bethlehem nach Golgatha. Wenn das »consummatum est« erklingen kann, ist das neue Menschenkind der neuen Rasse erwachsen, zur Handlung und zur Bruderschaft gereift. Dann ist der Tod überwunden, und die Transfiguration hat bereits zum bedeutenden Teil eingesetzt. Darum steht in der Bibel, dass Jesus der Herr nach Golgatha seinen Jüngern vorangeht zu einer neuen Phase im Prozess des Entsteigens. Folgendes können Sie gewiss einsehen: In dem Moment, in dem der Kandidat den Hirngott entthront und der zwölffache magnetische Bann der Naturäonen im Hauptheiligtum durchbrochen wird, entsteht gleichzeitig ein fundamentaler Konflikt mit den 166

drei anderen Herren des Schicksals, nämlich mit dem Herrn des Schicksals im aurischen Wesen, dem Herrn des Schicksals in unserem Lebensfeld und mit dem Herrn des Schicksals des Sonnensystems, also mit dem Mikrokosmos, dem Kosmos und dem Makrokosmos. Es ist daher ebenfalls notwendig, Mikrokosmos, Kosmos und Makrokosmos zu entsteigen. Dieses vierfache Entsteigen wird uns in der Pistis Sophia geschildert. In dem bereits zitierten 15. Kapitel der Pistis Sophia werden uns einige sehr bemerkenswerte Tatsachen dieser wunderbaren vierfachen Reise bekannt gegeben. Der Mensch, der die zweite siderische Geburt, die mystische Wiedergeburt, erfahren hat und dadurch den ersten Herrn des Schicksals, den Hirngott, entthront hat, braucht sich wegen der drei anderen dialektischen Mächte nicht im Geringsten zu beunruhigen. Wenn das neue Licht angezündet wurde, werden Adamas und alle Tyrannen zwar gegen das Licht kämpfen, aber sie können die Persönlichkeit nicht mehr erreichen. Die Kraft wird vernichtet, soweit sie auf die Persönlichkeit gerichtet ist. Die magnetischen Kräfte des aurischen Wesens des Kosmos und des Makrokosmos werden nämlich aus ihrer Bahn gestoßen. Und das Schicksal und die Sphäre, über die sie vorher herrschten, also über den Hirngott und die Persönlichkeit, können nicht mehr durch diese magnetischen Kraftlinien beeinflusst werden. Sie werden periodisch nach links und nach rechts gewendet, sie zeigen sehr von der Persönlichkeit abweichende Bahnen. Und die frei gewordenen Energien werden von allem absorbiert, was mit ihnen wesenseins ist. Darum heißt es, dass ihr Blick auf Befehl des Herrn des göttlichen Lichtes, Jeû, stets nach links gerichtet ist. Auf den Rat Gottes, durch die Gnosis, ist die Persönlichkeit, in welcher das kostbare Juwel, das Uratom, verborgen liegt, aus dem alten Mikrokosmos gelöst. Und in das dritte Gewand gekleidet, das Lichtgewand, wird ein neuer Mikrokosmos aufgebaut. Wer Ohren hat, zu hören, der höre!

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»Als ich zu ihrem Gebiet gekommen war, widersetzten sie sich und kämpften gegen das Licht. Und ich nahm ein Drittel ihrer Kraft, damit sie nicht ihre bösen Taten vollenden könnten. Das Schicksal und die Sphäre, über die sie herrschen, habe ich so umgewendet und eingesetzt, dass sie sechs Monate nach links blickend ihre astralen Einflüsse ausüben und die folgenden sechs Monate nach rechts gewendet ihre astralen Einflüsse vollbringen.« Als Jesus das zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er zu ihnen: »Wer Ohren hat, 167

der höre.« Als Maria den Erlöser diese Worte sagen hörte, starrte sie eine Stunde lang in die Luft und sprach: »Mein Herr, befiehl mir, dass ich offen rede.« Jesus, der Barmherzige, antwortete Maria: »Maria, du Begnadete, die ich in allen Mysterien der Höhe vollenden werde, sprich offen, du, deren Herz mehr als das deiner Brüder auf das Königreich der Himmel gerichtet ist.« Da sprach Maria zum Erlöser: »Mein Herr, das Wort, welches Du zu uns gesprochen hast: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre«, sagtest Du, damit wir Dein Wort recht begreifen. Höre nun, mein Herr, da ich offen reden will. Du hast gesprochen: »Ich habe ein Drittel der Kraft der Archonten und aller Äonen genommen, und ich habe ihr Schicksal und die Sphäre, über die sie herrschen, umgewendet, damit sie von dieser Stunde an nicht mehr imstande sind, ihre schändlichen Taten zu vollenden, wenn die Menschen sie in ihren Mysterien anrufen, welche die gefallenen Engel sie gelehrt haben, um ihre bösen und schändlichen Taten im Mysterium ihrer Magie zu vollenden.« Weil Du ihnen ihre Kraft genommen hast und die ihrer Horoskopsteller, Sterndeuter und Wahrsager, damit sie von dieser Stunde an die kommenden Dinge nicht mehr vorhersagen können. Denn Du hast ihre Sphären gewendet und hast sie sechs Monate nach links gewendet und sechs Monate nach rechts gewendet ihre astralen Einflüsse ausüben lassen. Bezüglich dieses Wortes nun, Herr, hat die im Propheten Jesaias befindliche Kraft in einem geistigen Gleichnis, in seiner Vision über Ägypten einst Folgendes verkündet: »Wo sind nun, o Ägypten, deine Wahrsager und Sterndeuter und jene, die aus der Erde aufrufen und jene, die aus ihrem Schoß aufrufen? Dass sie dir von nun an die Dinge verkündigen könnten, die der Herr Sabaoth tun wird.« Ehe Du gekommen bist, hat die durch den Propheten Jesaias wirkende Kraft über Dich prophezeit, dass Du die Kraft der Archonten der Äonen nehmen und ihre Sphären und ihr Schicksal wenden wirst, damit sie fortan nichts mehr wissen sollten. Darum wurde auch gesagt: »Nicht werdet ihr nun wissen, was der Herr der Heerscharen tun wird.« Das bedeutet, niemand von den Archonten wird wissen, was Du fortan tun wirst. Die Archonten sind gleichzusetzen mit 'Ägypten‘, weil sie Materie sind. Einst hat die Kraft im Propheten Jesaias über Dich vorhergesagt: »Von jetzt an werdet ihr nicht mehr wissen, was der Herr der Heerscharen tun wird.« Hinsichtlich der Lichtkraft, die Du von Sabaoth, dem Guten, genommen hast, der sich im Gebiet der Gerechtfertigten befindet und die nunmehr in Deinem stofflichen Körper ist, hast Du, Herr Jesus, zu uns gesagt: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre«, damit Du erfährst, wessen Herz sehnend auf das Königreich der Himmel gerichtet ist.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 16-18 Kapitel 26

Die frohe Botschaft der modernen Geistesschule Sie konnten aus unseren vorhergehenden Betrachtungen entnehmen, dass die zwölf zodiakalen Äonen eine dreifache Kraft ausüben: erstens auf unseren Planeten, zweitens auf jeden Mikrokosmos, und zwar über das magnetische Firmament des aurischen Wesens, drittens auf die zwölf magnetischen Punkte im Gehirn der Persönlichkeit. Wenn der Kandidat sich dem Einfluss der Äonen entzogen, seinen Hirngott entthront und einen neuen zwölffachen magnetischen Ring im Hauptheiligtum verwirklicht hat, dann sind die zwölf Äonen bezüglich dieser einen Entität, die den Pfad ging, praktisch des dritten Teils ihrer Kraft beraubt. Keine einzige Kraft aus der Dialektik kann dann noch Macht ausüben auf diesen Einzelnen auf dem Pfad. »Frei geworden in Christus«, »aus Gott geboren« und ähnliche mystische Aussprüche in der Bibel erhalten dadurch eine sehr tiefe und außerordentliche Bedeutung. Wer diese erste Phase des Pfades, die Phase der Ichzerbrechung in der Gnade der Rose, zu vollbringen weiß und das magnetische System der gewohnten Natur, durch das er gebunden ist, zu vernichten vermag, ist vom gleichen Augenblick an frei. Obwohl er existenziell noch vollkommen ein Naturwesen ist und sich also noch innerhalb des Systems der zwölf Äonen befindet, kann ein solcher Mensch, der diese zweite siderische Geburt besitzt, nicht mehr behindert werden. Er ist für immer frei von allen Fesseln. Einige Außenstehende nennen die Philosophie der modernen Geistesschule eine trübe, schwere, melancholische Lehre, aber können Sie sich auch nur eine frohe Botschaft vorstellen, die über jene der modernen Geistesschule hinausgeht? Eine derartige Auffassung Außenstehender ist natürlich verständlich. Es muss düster und hoffnungslos klingen, wenn die Geistesschule sagt: Erwarten Sie nichts von dieser Natur. Distanzieren Sie sich völlig davon. Verschwenden Sie keine Energie daran!« Es muss für Menschen, die noch alles vom Ich und von dieser Naturordnung erwarten, düster klingen, wenn wir die radikale Ichzerbrechung fordern. Für jene jedoch, die sich den Ausgang und Aufgang aus diesem Tränental vorstellen können und die ihr Herz auf das ursprüngliche Vaterland gerichtet haben, ist es eine maßlose Distanzieren Freude, feststellen zu dürfen, dass der Pfad mit einer radikalen, vollkommenen Errettung beginnt. Sie sind froh, dass eine solche Errettung nicht erst am Ende eines unabsehbaren Entwicklungsweges in der Gnosis erwartet 169

werden kann. Mit dieser Freude möchten wir auch Sie gern durchdringen, Sie damit erfüllen. Die Basis dafür ist die Sicherheit, dass jeder, der sich durch die Gnade der Rose die zweite siderische Geburt in der Gnosis zu Eigen macht, durch Ichzerbrechung das magnetische System der Äonen, an das er gebunden war, für sich selbst liquidiert. Er hat die Äonen dann des dritten Teils ihrer Kraft beraubt, und gerade jenes Teils, durch den er geopfert wurde. Sie müssen Ohren haben, um hören zu können, warum in der Pistis Sophia über diese Dinge gesprochen wird. Wenn Sie als Einzelner den Pfad gehen, berauben Sie für sich selbst die Äonen des dritten Teils ihrer Kraft. Und damit ist dann alles gesagt. Als Einzelner sind Sie dann befreit. Aber die Äonen wüten weiter. Sie herrschen über alle Ihre Mitmenschen. Und alle Archonten der Äonen, ihre Engel und die Kräfte aller Sphären fahren mit ihren Aktivitäten fort kraft des Systems der dialektischen Natur. Was vermögen Sie als Einzelner gegen diese Mächte? Sie können höchstens ein Rufer in der Wüste sein. Aber wenn wir den Pfad der Befreiung gemeinsam gehen, wenn wir alle Befreiten zu einer Weltgemeinschaft zusammenfügen und wenn wir allen Suchern dienen und ihnen helfen, sich uns anzuschließen, dann beleben wir, wie Sie wissen, das Ihnen wohlbekannte neue magnetische Feld. Dann offenbart sich in der gesamten dialektischen Natur ein sehr bemerkbarer, nicht-dialektischer Einfluss, der alle perfiden dialektischen Einflüsse zeitweise lähmt. Darum heißt es in der Pistis Sophia: »Ich habe ein Drittel der Kraft der Archonten und aller Äonen genommen, und ich habe ihr Schicksal und die Sphäre, über die sie herrschen, umgewendet, damit sie von dieser Stunde an nicht mehr imstande sind, ihre schändlichen Taten zu vollenden, wenn die Menschen sie in ihren Mysterien anrufen, welche die gefallenen Engel sie gelehrt haben, um ihre bösen und schändlichen Taten im Mysterium ihrer Magie zu vollenden.« Weil Du ihnen ihre Kraft genommen hast und die ihrer Horoskopsteller, Sterndeuter und Wahrsager, damit sie von dieser Stunde an die kommenden Dinge nicht mehr vorhersagen können. Denn Du hast ihre Sphären gewendet [...]. Das magnetische Feld des Kollektivs der neuen Rasse wird, wenn es genügend stark geworden ist, die magnetischen Strahlen des gewöhnlichen Naturfeldes aus ihren Bahnen ziehen, sie nach links und nach rechts umwenden, sechs Monate nach links und sechs Monate nach rechts. Durch den genannten Einfluss des neuen magnetischen Feldes können die magnetischen Vibrationen der gewöhnlichen dialektischen Quellen ihre Objekte nicht mehr unmittelbar erreichen, und daher entwickelt sich eine Abweichung, ein Umbiegen nach links und nach rechts. Ohne das Objekt erreicht zu haben, führt die Abweichung den Einfluss wieder zurück zu seiner Quelle. Im Augenblick der Rückkehr entsteht dann eine Entladung, und der Einfluss, der sich zuerst nach links wandte, wird zurückgeworfen und folgt nun der rechten Abweichung. 170

Wenn jemand durch okkult-wissenschaftliche Übungen bestimmte ich-zentrale, übersinnliche Kulturvermögen entwickelt hat, sind seine Organe mit innerer Sekretion selbstverständlich empfänglich für bestimmte elektromagnetische Kraftlinien, die von den Archonten und ihren Mysterien ausgehen. Die Organe mit innerer Sekretion sind besonders elektromagnetisch empfänglich, und ihre Hormone sind elektromagnetisch geladene kleine Körper, welche die Organe und Zellgruppen, das Blut und das Nervenfluidum in einem bestimmten Zustand halten. Wenn das neue magnetische Feld nun genügend stark geworden ist, um die elektromagnetischen Impulse der dialektischen Äonen aus ihren Bahnen zu stoßen, wird ein Okkultist in einem gegebenen Moment all seine okkulten Vermögen prozessmäßig verlieren, da die elektromagnetischen Radiationen, die diese Vermögen nähren müssen, nicht mehr vorhanden sind. Auf dieses glorreiche Geschehen weist nun die Pistis Sophia hin. Es gibt unzählige offizielle und nicht offizielle Mysterien. Es bestehen in der Spiegelsphäre und auch außerhalb dieser Sphäre magnetische Kraftkonglomerate, die durch Kirchen und okkulte Schulen instand gehalten werden, so wie durch viele andere Gruppierungen. Diese Kraftquellen halten Millionen auf verschiedene Weise in ihrem Bann, obwohl Zahllose unter diesem Einfluss seufzen und verlangend nach einem Ausweg suchen. Unzählige Menschen rufen in ihren Mysterien ihre Götter an und flehen um Hilfe, weil sie es nicht besser wissen. Dadurch entsteht mit entsetzlicher Genauigkeit eine elektromagnetische Wechselwirkung, deren Folgen nicht aufzuhalten sind. Durch die Entwicklung des neuen magnetischen Feldes werden diese Strahlenquellen jedoch in einem gegebenen Augenblick rein naturwissenschaftlich aus ihren Bahnen gestoßen. Unzählige Mysterien werden plötzlich wirkungslos. Sie verlieren vollkommen ihre Kraft, was verständlich ist. Und es kann allen, die es wert sind, durch die erlösende Kraft der Universellen Bruderschaft geholfen werden. Wenn Sie Ohren haben, zu hören, dann werden Sie verstehen, dass Ihre Befreiung die Befreiung aller bedeuten kann. Erkennen Sie nun, warum in den letzten der Tage alle Kräfte des Abgrunds so wütend sind und so viele angreifen, um jeden, der auch nur einigermaßen dafür empfänglich ist, von der Verwirklichung dieser Entwicklung abzuhalten? Ist es nicht dumm, solchen Einflüssen das Ohr zu leihen? Sie knüpfen doch alle bei Ihrem Ichwesen an. Ist es nicht freudevoll, dass weder Höhen noch Tiefen uns scheiden können von der Liebe Gottes, die sich in der Bruderschaft der Christus-Hierophanten manifestiert? Das sind die Liebeskräfte, die Sie über die Rose des Herzens berühren wollen! Die hier geschilderte Entwicklung findet an jedem Tag der Offenbarung etliche Male statt, wenn die Zeit da ist, dass die Ernte von den Feldern geholt werden muss. Und die Pistis Sophia zitiert die Vergangenheit, damit alle Schüler Mut und Kraft aus diesen historischen, unwiderstehlichen Siegen schöpfen können: Wo sind nun, o Ägypten, deine Wahrsager und Sterndeuter und jene, die aus der 171

Erde aufrufen [...]? Darum heißt es: Nicht werdet ihr nun wissen, was der Herr der Heerscharen tun wird. Die Zeit ist gekommen und zum Teil bereits eingetreten, dass keiner der Teilhaber an den Mysterien mehr wissen oder noch entdecken und verstehen kann, was die moderne Geistesschule zur Entwicklung bringt. Es findet eine Abschließung des dialektischen Erkenntnisvermögens statt, und diese Entwicklung wird immer mehr um sich greifen. Und das ist das Merkwürdige und Herrliche: Der große Widersacher und seine Trabanten können durch Mangel an Erkenntnisvermögen keinen einzigen Streit mehr gegen den Herrn der Heerscharen führen. So wird eine große Stille eintreten, die Ruhe des Volkes Gottes. Wer daher Ohren hat, zu hören, der höre und füge sich mit uns zu diesen Scharen der neuen Rasse. Sie werden es sehen und erfahren – wenn Ihr Herz verlangend nach dem Königreich der Himmel ausschaut.

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Als Maria geendet hatte, sagte Er: »Gut gesprochen, Maria. Du bist begnadet vor allen Frauen auf Erden, weil du die höchste Fülle und höchste Vollendung sein wirst.« Als Maria den Erlöser diese Worte sagen hörte, war sie sehr erfreut. Sie trat vor Jesus hin, fiel zu seinen Füßen nieder, betete Ihn an und sprach: »Mein Herr, höre auf mich und lass mich Dich befragen über das, was Du gesprochen hast, bevor Du mit uns über die Gebiete redetest, zu denen Du gegangen bist.« Jesus antwortete Maria: »Rede offen und fürchte dich nicht. Alles, was du fragst, werde ich dir offenbaren.« Maria sprach: »Herr, werden die Menschen, die das Mysterium der Magie aller Archonten aller Äonen kennen sowie die Magie der Archonten des Schicksals und der Sphären, in denen die sündigen Engel sie unterwiesen haben, wenn sie diese in ihren Mysterien anrufen, um gute Taten zu verhindern, werden sie diese fortan vollenden oder nicht?« Jesus antwortete Maria: »Sie werden sie nicht auf die Weise vollbringen, wie sie sie zu Beginn vollbracht haben, weil ich ein Drittel von ihrer Kraft hinweggenommen habe. Aber sie werden von denen Kraft erbitten, welche die Mysterien der Magie des dreizehnten Äons kennen. Und wenn sie die Mysterien der Magie jener anrufen, die sich im dreizehnten Äon befinden, werden sie diese weise und sicher vollbringen, weil ich, übereinstimmend mit dem Befehl des Ersten Mysteriums, aus diesem Gebiet keine Kraft hinweggenommen habe.« ffffff

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Pistis Sophia, Abschnitte 19-20 Kapitel 27

Die Mysterien des dreizehnten Äons Wir haben Ihnen in den vorangehenden Kapiteln eines der merkwürdigsten und wichtigsten Mysterien aus der Lehre der Transfiguration enthüllt. Dadurch konnten Sie das Wesen und die Folgen der zweiten siderischen Geburt deutlich vor sich sehen. Wer die erste Phase des wirklichen Pfades, die Phase der Ichzerbrechung in der Gnade der Rose zu vollbringen weiß – in Heilbegehren und Selbstübergabe –, hat das magnetische System der gewöhnlichen Natur, das ihn regiert und dirigiert, im Hauptheiligtum zerstört. Ein solcher Mensch ist von dem Moment an frei. Er ist nicht mehr von der Todesnatur, obwohl er noch in der Natur des Todes existiert. Er hat die Äonen der Natur, was ihn selbst betrifft, eines Drittels ihrer Kraft beraubt. Sie können keinen Einfluss mehr auf ihn ausüben. Man kann also mit Sicherheit sowie mit großer Dankbarkeit und Freude feststellen, dass der wirkliche Pfad der transfiguristischen Mysterien nicht mit einer vollständigen Rettung des betreffenden Kandidaten endet, sondern beginnt. Alles, was sich nach diesem Beginn offenbart, ist eine ungestörte, mächtige Entwicklung, eine friedevolle, fesselnde und herrliche Rückkehr in das Unbewegliche Königreich. Wenn die Bibel jauchzend bezeugt: »Ihr seid zur Freiheit berufen«, dann wird die Aufmerksamkeit auf diesen Freiheitsweg gelenkt, zu dem alle gerufen sind, die sich auf die neue Rasse vorbereiten. Wenn auf diesem Freiheitsweg der transfiguristischen Mysterien ein nichtiger Einzelner aus dem mächtigen, gigantischen Einfluss des gesamten Universums des Todes herausgezogen werden kann, dann ist das ein Wunder. Um ein solches merkwürdiges und herrliches Ereignis noch besser zu erklären, heißt es im zwanzigsten Kapitel der Pistis Sophia: Maria sprach: »Herr, werden die Menschen, die das Mysterium der Magie aller Archonten aller Äonen kennen sowie die Magie der Archonten des Schicksals und der Sphären, in denen die sündigen Engel sie unterwiesen haben, wenn sie diese in ihren Mysterien anrufen, um gute Taten zu verhindern, werden sie diese fortan vollenden oder nicht?«

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Jesus antwortete Maria: »Sie werden sie nicht auf die Weise vollbringen, wie sie sie zu Beginn vollbracht haben, weil ich ein Drittel von ihrer Kraft hinweggenommen habe. Aber sie werden von denen Kraft erbitten, welche die Mysterien der Magie des dreizehnten Äons kennen. Und wenn sie die Mysterien der Magie jener anrufen, die sich im dreizehnten Äon befin-

den, werden sie diese weise und sicher vollbringen, weil ich, übereinstimmend mit dem Befehl des Ersten Mysteriums, aus diesem Gebiet keine Kraft hinweggenommen habe.« Es ist gut, das gesamte Bild der sich jetzt schnell nähernden und bereits stattfindenden Entwicklung klar und deutlich vor Ihr Bewusstsein zu stellen: 1. Wir wissen, dass der Kandidat in der zweiten siderischen Geburt das gewöhnliche magnetische System im Gehirn zerstört und sich so von allen dialektischen Fesseln befreit. Wenn viele diesen Weg gehen, entsteht die Situation, die wir bereits öfter besprochen haben. 2. Eine große Gruppe Befreiter steht noch auf der horizontalen Linie des dialektischen Lebensfeldes, ist jedoch in der magnetischen Sphäre der Christus-Hierophanten geboren. 3. Sie entwickeln als Gruppe ein neues magnetisches Feld. 4. Sie breiten dieses Feld um das gewöhnliche Lebensfeld herum aus. Von diesem Moment an entwickelt sich eine ganze Reihe magnetischer Störungen im gewöhnlichen Leben. 5. Diese Störungen beeinträchtigen alle Mysterien der Magie aller Archonten der Äonen. 6. Diese Störungen werden stets dynamischer, bis kein einziges der magischen Mysterien in irgendeiner Hinsicht mehr vollbracht werden kann. Diese Entwicklung hat selbstverständlich äußerst dramatische Folgen und ist an und für sich schon so revolutionär, dass alle sozialen, politischen und ökonomischen Probleme dagegen ein Nichts sind. Sie werden das einsehen, wenn Sie einmal prüfen, hinter welchen Gruppen und Bewegungen in dieser Welt die magnetischen Kräfte der Archonten und Äonen stehen. Bei einigem Nachdenken werden Sie antworten: »Hinter allen Gruppen und Bewegungen.« Hinter allen mystischen und religiösen Gruppen, großen oder kleinen, ob sie sich nun Kirche oder Sekte nennen, stehen Spiegelsphärenkräfte, die in der Pistis Sophia die »Archonten der Sphäre« genannt werden. Und dahinter stehen die verschiedenen Hierarchien in ihrer Ordnung. All diese Kräfte regieren und dirigieren die mystische und religiöse Masse mit der Ihnen bekannten Absicht: Das ChristusReich oder eine seiner Heilsoffenbarungen zu imitieren und so das Reich der Täuschung mystisch sicherzustellen. Hinter allen ethischen und humanistischen Gruppen stehen absolut gleiche Kräfte mit denselben Absichten. Hinter allen Ländern der Erde, hinter allen Interessengruppen in diesen Ländern, hinter allen internationalen Gruppen, wie zum Beispiel dem Atlantik-Pakt, der arabischen Staatengemeinschaft, hinter Israel, hinter den Ländern der russischen Interessensphäre – obwohl sie sich historisch-materialistisch nennen (Diese Hinweise basieren auf der politischen Situation in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, in denen dieses Buch geschrieben wurde. – Anmerkung des Herausgebers). stehen Spiegelsphärenkräfte, die mehr oder weniger raffiniert sind, 174

diese oder jene Art besitzen, jedoch im Wesentlichen vollkommen einig sind in ihrer Handhabung der dialektischen Natur. Es ist also eine unabsehbare Reihe dialektischer Mysterien, die jedoch von oben her von einer Hand geleitet werden, mögen die scheinbar so entgegengesetzten Gruppen und Interessen sich auch noch so heftig bekämpfen. Denn Streit und Blutvergießen sind die Methoden der dialektischen Einheit. Durch die Entwicklung des neuen magnetischen Feldes wird all diesen Mächten und Grüppchen der dritte Teil ihrer Kraft genommen. Und die eine und ausschließliche Folge ist ein prozessmäßiger und totaler Zusammenbruch des gesamten heutigen gesellschaftlichen Lebens in all seiner Verschiedenartigkeit. Was man auch versuchen wird, neues Leben kann dieser zerfallenden Entwicklung nicht mehr eingehaucht werden. Und wenn die begeisternden Einflüsse nicht mehr vorhanden sind, werden das Ringen, der heftige Kampf, die fortwährende Anspannung aufhören. Eine allgemeine Mutlosigkeit, eine bestürzende Stille wird eintreten, eine Lethargie wird über die gesamte Menschheit fallen. Sogar der Dämonismus wird mit seinen Orgien aufhören, weil auch das Schwarze gebunden ist. So steht die Menschheit wie nach einem Schiffbruch vor dem an den Strand geworfenen Wrack des eigenen Lebens und dem der Gesellschaft, vor den vermoderten Resten von Staat und Kirche. Und in diesem Schweigen der Bestürzung und des Entsetzens, einem Schweigen, stiller als das Grab, wird sich jedem die Entwicklung der Söhne Gottes sehr deutlich offenbaren. Alle, die wahrlich Christus und sein Reich gesucht haben, jedoch irregeführt wurden durch Kirchen und Sekten – zu denen Blut und Geburt sie trieb –, werden nun Kraft erbitten von den Mysterien des dreizehnten Äons, und keine der alten Mächte kann sie daran hindern. Was sind denn die Mysterien des dreizehnten Äons? Es sind die Mysterien der Universellen Bruderschaft, die sich im Herzen der Todesnatur befinden, oder, wie Jakob Böhme sagt: »Es ist Christus, der das Herz der gefallenen Natur angegriffen hat.« Der dreizehnte Äon ist das universelle Kraftfeld, das im fünften Basiselement der Ursubstanz fortwährend vorhanden ist. Sie werden dann auch feststellen, welch eine unerhörte und ungewohnte Entwicklung das heilige Werk in der sich schnell nähernden historischen Stunde in der Welt haben wird. Die Geistesschule ruft diese Mysterien des dreizehnten Äons von innen her und mit einem großen Verlangen auf, jedoch die Erfüllung dieser Mysterien geschieht träge und mangelhaft. Solange die zweite siderische Geburt noch nicht vollzogen ist, werden alle Verlangenden noch durch die dialektischen Mysterien behindert. Darum sind die Mysterien der Erfüllung in dieser Natur erst ein schwacher Schein. Wenn die behindernden Faktoren durch die geschilderte Entwicklung fortfallen, werden die göttlichen Mysterien mit ungewohnter Kraft aufleuchten. Unzählige können 175

dann mit großer Schnelligkeit das, worauf vorher nur ihr Herz gerichtet war, erfüllen und verwirklichen. Im großen Schweigen des dialektischen Zusammenbruchs wird diese Glorie eine große Anzahl Irregeführter zu einem engeren Kontakt veranlassen. In Demut können dann auch sie ungehindert mitgehen auf dem Pfad der neuen Mysterien. Dann wird das Wort erfüllt, dass die Starken die Gnade für die Schwachen erhalten haben. Noch muss alles getan werden, um das neue magnetische Feld genügend zu stärken, damit das gesamte dialektische Feld schweigt und alle sich sehnenden Armen an Geist eine ehrliche Chance zur Befreiung bekommen. Darum sind Starke gefragt, Helden, die sich vollkommen hingeben, um den eigenen Durchbruch zur zweiten siderischen Geburt feiern zu dürfen. Arbeiten Sie, solange es Tag ist, um die Möglichkeiten zu schaffen, damit für die Schwachen und Irregeführten ebenfalls bald die Zeit gekommen sein wird! Erheben Sie sich an dem bekannten Wort: Freut euch und jubelt, denn ihr seid es, welche die ganze Welt retten werden. Im gesamten Universum des Todes, in allen Gebieten der dialektischen Offenbarung sind die Mysterien des dreizehnten Äons vorhanden und wirksam. Das ganze neue Lebensfeld, die neue Rasse und auch das, was wir gewöhnlich das Vakuum von Shamballa nennen, existieren dank dieser außerordentlichen Mysterien. Es ist ein großes, herrliches göttliches System der Hilfe für alle, die sich innerhalb oder außerhalb des Körpers befinden und sich der Universellen Bruderschaft zuwenden. Die sieben geoffenbarten Mysterien können das große Werk und seine Erfüllung im rechten Zusammenwirken sehr fördern. Das bedeutet, dass Sie einen siebenfachen Schlüssel zum dreizehnten Äon besitzen. Sie brauchen also nicht auf noch mehr Gaben und Hilfe des Heiligen Geistes zu warten. Alles, was Sie nötig haben, besitzen Sie bereits. Und es ist die wichtigste Aufgabe, die vollbracht werden muss, die Äonen der Natur des dritten Teils ihrer Kraft zu berauben. Diese Entwicklung wird den magnetischen Einfluss der Naturäonen auf alle, die suchen, so sehr schwächen, dass mit unendlich viel weniger Anstrengung, als es jetzt der Fall ist, die sich Sehnenden aus der Lebenssee gerettet werden können.

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Kapitel 28

Die Schöpfung des dreizehnten Äons Wir haben das neunzehnte und zwanzigste Kapitel der Pistis Sophia ausführlich besprochen, in denen die Machtlosigkeit und das Auseinanderfallen der magischen Mysterien der Archonten und Äonen der Natur sowie die Majestät der Mysterien des dreizehnten Äons behandelt werden. Es ist notwendig, noch einmal darauf zurückzukommen, damit Sie ein klares Bild vom wahren Wesen einer kosmischen und atmosphärischen Revolution erhalten, die sich von Zeit zu Zeit in der Weltgeschichte vollzieht. In dem Erzählstil der Pistis Sophia wird es so dargestellt, dass Jesus der Herr nach seiner Auferstehung mit dem ursprünglichen Licht des ursprünglichen Mysteriums gewappnet von oben nach unten durch alle Sphären und Domänen des Universums des Todes zieht. Dabei beraubt Er alle Archonten und Äonen – die Machtprinzipien der Natur des Todes – des dritten Teils ihrer Kraft. Dadurch wird der Einfluss der Archonten und Äonen auf das magnetische System im Gehirn in stets zunehmendem Maß weniger und muss in einem gegebenen Moment vollkommen aufhören. Als Mikrokosmos haben Sie seit dem Morgengrauen des Falls eine entsetzlich lange Vergangenheit hinter sich. Die Geschichte dieser Vergangenheit ist im magnetischen System Ihres aurischen Wesens aufgezeichnet. Und die Summe dieser Vergangenheit spricht stets über das magnetische System Ihres Gehirns. Sie sind an die Milliarden Jahre alte Vergangenheit gebunden, die Ihr Mikrokosmos selbst mit aufgebaut und unterhalten hat. Daher erheben alle Archonten und Äonen der dialektischen Natur von Zeit zu Zeit ihre Stimmen in Ihnen, und viele von ihnen dominieren auch jetzt noch in Ihrem Wesen. Ihr biologisch-intellektuelles Wesen – Ihr Naturzustand – ist völlig von ihnen abhängig. Sie bestimmen bis zu diesem Moment Ihre Verstandeshaltung und Ihren Kulturzustand, sowohl nach Kunst, Wissenschaft und Religion als auch nach gesellschaftlichen Verhaltensweisen und politischen Schattierungen sozialer und ökonomischer Art verstanden. Ebenso werden Ihr ganzer Charakter, all Ihre biologischen Instinkte und Bedürfnisse, Willensäußerungen und Ihr individuelles Verhalten von den Archonten und Äonen dirigiert und bestimmt, so dass wir nicht nur feststellen müssen: »Sie sind aus der Natur«, sondern gleichzeitig sagen müssen: »Sie sind aus den Äonen der Natur.« In der augenblicklichen Situation sind es tatsächlich die Äonen, die Ihre Natur bestimmen. Darum fragen wir noch einmal: »Was und wie sind die Archonten und Äonen, wie die gnostische Philosophie sie nennt?« Es sind Machtprinzipien und Machtkonzentrationen, bestimmte elektromagnetische Spannungen und Verhältnisse, die in der Todesnatur auftreten. Wir können dazu das folgende Beispiel geben: 177

Sie befinden sich auf einer völlig unbewohnten und unwirtlichen Insel. Es gibt weder eine Behausung noch Kleidung, noch Feuer. Sie sind nur ein biologisches Wesen mit einem biologischen Bewusstsein, das sich lediglich dessen bewusst ist, dass es vorhanden ist. Die Welt um Sie herum ist kalt, hart, feindlich und maßlos böse. Daher setzt die Selbstbehauptung ein, der Kampf ums Dasein. Daran kommen Sie nicht vorbei, es ist das Grundgesetz der Natur. Auf dieser grundsätzlichen Basis entwickelt sich allmählich das Verstandes-Bewusstsein. Es beginnt mit einem Gedächtnis, in dem die negativen Folgen des Daseinskampfes aufgezeichnet werden mit der Absicht, aus dieser Gedächtniserfahrung ein Denken aufzubauen, um schließlich mit dessen Hilfe die negativen Folgen des Daseinskampfes in positive Resultate umsetzen zu können. Jeder Mensch eifert um positive Resultate in der Todesnatur, und das ist, wie Sie verstehen werden, auf der Basis seiner biologischen Bedürfnisse augenblicklich in erster Linie eine Aktivität des Gehirns. Der Mensch denkt sich einen Plan aus, einen Plan zur Selbstbehauptung. Wenn die mentale Konzeption erfolgt ist und er mental immer weiter daran arbeitet, dann wächst sie in seinem Atemfeld und wird ihn in einem gegebenen Moment beherrschen. Dann ist der Mensch von seinem Plan besessen. Damit wurde ein Archont, ein Naturgott geschaffen. Nach einer besonderen Formel werden die Strahlen des elektromagnetischen Naturfeldes teilweise transformiert zu einem abgesonderten elektromagnetischen Prinzip, das in einem Mikrokosmos haust. Der individuelle Naturgott ist geboren! Wenn nun mehr Menschen in den Plan zur Selbstbehauptung einbezogen werden, schaffen sie zusammen einen gewaltigen Naturgott. Es entsteht dann ein großes transmutiertes elektromagnetisches Feld, dessen Kraft viel stärker ist als die der individuellen Archonten. Und mit dieser stärkeren Kraft kann der Plan zur Selbstbehauptung teilweise verwirklicht werden. Dem Naturgott, dem Archonten, wird die Ehre des Erfolges zugesprochen, und es wird auf drei Arten an dem Plan weitergebaut: 1. Es entsteht ein Kult für den Archonten. 2. Es entsteht eine religiöse Kunst zur Unterstützung des Kultes. 3. Und es entsteht eine Wissenschaft, weil die anfänglichen Resultate nur teilweise waren. 4. Man eifert also weiter, um den Plan zu vervollkommnen. So zeigt sich, dass Kunst, Wissenschaft und Religion aus der primären biologischen Selbstbehauptung des Menschen entstehen. Dieser Entdeckung kann man auf zwei Arten gegenüberstehen: als Gläubiger und als Ungläubiger. Dieser Unterschied bezieht sich aber lediglich auf den Geschmack. Sie sind für den einen Archonten, ein anderer für den anderen. Sie glauben allein an Ihren und nicht an den seinen. 178

Nun wollen wir einmal das Verhalten der Archonten betrachten. Durch die enorme mentale Nahrung, die sie erhalten, wachsen sie unglaublich schnell. Es gibt ein naturwissenschaftliches Gesetz: Gleiches zieht Gleiches an, wenn es sich auch untereinander bekämpft. Die elektromagnetischen Konzeptionen, die wir Ihnen geschildert haben, fügen sich auf höherem Niveau bei gleicher Vibration zusammen. Die Machtprinzipien ballen sich zusammen zu Machtkonzentrationen, das heißt, Archonten fügen sich zusammen zu Äonen. Die Äonen sind Wolken von Archonten von gleicher Vibration. Und sehen wir den Archonten als Naturgott kleineren Formats mehr planetar, dann ist es klar, dass der Äon ein Naturgott von universellem Format sein muss, ein interkosmischer Gott. So können Sie sich Folgendes vorstellen: Wenn eine Menschheitsperiode nur lange genug dauert, wird schließlich von unten her aus den biologischen Instinkten, Trieben und Nöten einer dialektischen Menschheit das gesamte Universum mit mächtigen Kräften bevölkert, welche die ganze Natur mit einer Gegennatur beherrschen. Eine Gegennatur? Ja, denn all die Archonten und Äonen sind die Beweise für die entsetzliche Not und den fundamentalen Elendszustand der Menschheit. Aber kann die Menschheit denn anders? Hält nicht jeder die Archonten und Äonen instand? Wir müssen nun eine Lösung dieses Problems erwägen. Es gibt zwei Lösungen: eine negative und eine positive. In dieser dialektischen Natur bestehen zwei sehr fundamentale elektromagnetische Strahlungsgruppen, die in einer bestimmten Regelmäßigkeit rotieren und ihre Einflüsse ausüben. Durch das Erwachen der Archonten und Äonen werden diese Strahlungen und ihre Einflüsse zerstreut und aus ihren Bahnen geworfen. Die durch die Menschheit verursachten elektromagnetischen Transformationen bringen das dialektische Lebensfeld so in Disharmonie, die sich unaufhörlich beweist. Und das bedeutet eine Erschwerung des dialektischen Lebens. Die Götter, welche die Menschen selbst geschaffen haben, bringen ihnen eine Hilfe, die deshalb nicht unbedenklich ist. Da die Erfüllung der menschlichen Pläne immer nur teilweise stattfindet, können Sie sich gewiss vorstellen, dass die Kultur der Archonten und Äonen sich fortsetzt, sich fortsetzen muss. Aber durch diese fortgesetzte Kulturentwicklung muss auch die Disharmonie mit dem magnetischen Basisfeld zunehmen. Das geht so weiter, bis eine Grenze, eine Krise erreicht ist. Das fundamentale magnetische Feld der Dialektik hängt mit dem gesamten Universum zusammen. Und da dieses stärker ist als die zusammengeballte Wolke der Äonen, entsteht – wenn der Krisispunkt erreicht ist – nicht ein Übergleiten der universellen Kräfte in die äonischen, sondern genau das Umgekehrte, eine große Säuberung. Etwas Derartiges geschieht stets im Universum. Die durch die Menschheit verursachten Strahlungen und Wirkungen der Äonen bedrohen das Basis-Naturfeld durch fortgesetzte Kultur. Die Folge ist, dass die Kraft der Äonen geschwächt wird. 179

Eine Folge bringt die nächste hervor. Wenn die Äonen des dritten Teils ihrer Kraft beraubt sind, bedeutet das unter anderem, dass das irdische magnetische System von seinen Archonten und Äonen getrennt wird. Sie können dann im Menschen keine Kraft mehr wirken und der Mensch nicht mehr durch sie. Sie denken vielleicht: »Das ist herrlich!« Aber sind Sie sich klar darüber, ob Sie etwas haben, das Sie an deren Stelle setzen können? Wenn das Werk der Äonen vernichtet ist, muss die Menschheit zum ursprünglichen Beginn der Dialektik zurückkehren, zum biologischen Beginn. Die Harmonie mit den fundamentalen Kräften wird dann wiederhergestellt sein. Und der Mensch wird sein wie vorher. Die künstliche Kultur wird von ihm abfallen. Es bleibt der nackte biologische Mensch übrig, die Zivilisation wird vernichtet. Verständlicherweise ist diese Rückkehr äußerst dramatisch. So erreicht der Mensch eine Grenze und kehrt dann zu seinem Ausgangspunkt zurück. Er erschafft dabei Götter, und während er sie schafft und ihnen dient, bereitet er ihren Tod vor. Wenn Sie diesem Schicksal entkommen wollen, das Sie als Mikrokosmos schon so viele Male erfahren haben, dann müssen Sie sich dem anderen Weg zuwenden, dem Weg des dreizehnten Äons. Der dreizehnte Äon ist der einzige, dem während der Krisisstunden und der unvermeidlichen Augenblicke der Wende in der Weltgeschichte keine Kraft entnommen wird, so stellt die Pistis Sophia fest. Daher können der dreizehnte Äon und alle, die zu seinem System gehören, ihre Kulturentwicklung fortsetzen. In der Pistis Sophia wird auch über »Sphären« gesprochen. Diese Sphären der Archonten und Äonen sind zwar auch Naturkräfte, aber sie sind nicht aus der fundamentalen Art des dialektischen Universums zu erklären, obwohl sie mit Hilfe seiner Gesetze entstehen und wirksam werden. Die Archonten und Äonen können als von der Menschheit hergestellte elektromagnetische Transformatoren gesehen werden. Sie zwingen gleichsam alle fundamentalen magnetischen Ströme der dialektischen Natur, sich von ihnen transformieren, kanalisieren und verändern zu lassen. So entwickelt sich ein völlig natürlicher und periodischer elektromagnetischer Konflikt im dialektischen Universum. Sobald die Macht der Archonten und Äonen sich über eine bestimmte Grenze erstreckt, entwickelt sich eine interkosmische Revolte, um das gestörte Gleichgewicht, das mit allen Milchstraßensystemen zusammenhängt, wiederherzustellen. Als erste Folge eines solchen Konfliktes werden die Archonten und Äonen eines Drittels ihrer Kraft beraubt, wie die Pistis Sophia das nennt. Damit wird beabsichtigt, die Verbindungen zwischen der Menschheit und den Archonten und Äonen zu zerstören. Und eine der Menschheit total fremde magnetische Vibration mit völlig anderer Wellenlänge und Spannung zerstört die jahrtausendealten Verbindungen zwischen den magnetischen Systemen des Gehirns und dem aurischen Wesen einerseits und den Naturgöttern andererseits. 180

Dadurch wird die Menschheit vollkommen getrennt von ihren mentalen Schöpfungen, wodurch die aufsteigende Linie der Kultur sich in einen Niedergang verwandelt. Das Werk der Äonen, also die Kultur der Menschheit, wird dann vernichtet, und die Menschheit kehrt zum ursprünglichen Beginn zurück. Damit ist ein totaler Verlust des Gedächtnisses verbunden, denn das gesamte Netz magnetischer Punkte im aurischen Wesen und in der Persönlichkeit wird gelöscht, sodass der Mensch schließlich wieder zum Prä-Menschen von früher wird. Das setzt sich bis zu einem biologischen Minimum fort. Das ganze Universum des Todes ist dann von Archonten und Äonen gesäubert, und in einem bestimmten Augenblick beginnt dann eine neue Kulturentwicklung. Das Rad dreht sich wieder aufwärts, um sich dann später wieder abwärts zu bewegen. Wie viele Male wird der Mensch als Mikrokosmos das schon erlebt haben? Wir müssen nun Ihre Aufmerksamkeit auf das Wesen des dreizehnten Äons lenken. Ein bestimmter Teil der Menschheit ist für die Erschaffung des dreizehnten Äons verantwortlich. Um das zu verstehen, können Sie das folgende Beispiel als Hypothese nutzen: Da ist ein Mensch, der durch die Vielfalt der Erfahrung, durch Leiden und Kummer seines Tränen- und Schmerzensweges überdrüssig geworden ist. Er hat entdeckt, dass alle Mühe der Natur nach vergebens ist. Er hat erkannt, dass alles, was kommt, bereits gewesen ist in den Jahrhunderten, die hinter ihm liegen. Er hat also die Dialektik ihrer wahren Art nach geprüft und erkannt. Nun vermutet er zu Recht, dass das doch nicht das Ziel des menschlichen Daseins sein kann. Es liegt der All-Offenbarung, die er kennt, ein Fehler zugrunde, so meint er. Nun baut er an einem Plan. Er schafft eine mentale Konzeption einer Erlösung aus der erkannten Natur des Todes. In diesem Plan ist die Bereitschaft enthalten, zur Erfüllung dieses Plans jedes Opfer zu bringen, auch das Opfer des eigenen Daseins, des eigenen Selbstes. Was unternimmt dieser Mensch nun? Er erschafft einen Archonten, keinen Archonten zur Natur-Instandhaltung, sondern einen Archonten zum Entfliehen, zum Entsteigen aus der Natur. Dann trifft er Menschen, die so sind wie er. Auch sie suchen nach dem Sinn des Lebens. Er lässt sie an seinem Erlösungsplan teilhaben. Sie wirken daran mit, und der Archont wird größer. Selbstverständlich muss sich in einem gegebenen Moment eine derartige Archontenbildung, wo sie sich in der Welt auch entwickelt, zu einem Äon zusammenfügen. Der dreizehnte Äon ist geschaffen, obwohl er in seiner Art noch sehr schwächlich und irdisch ist. Was geschieht nun? Der neue Äon steht natürlich in leiblicher Wechselwirkung mit all den Mitgliedern der Gemeinschaft. Die durch den Plan transmutierten magnetischen Kräfte treiben zur Kultur, zur Tat und also zu Resultaten. Aber diese Resultate sind noch nicht befriedigend. Was ist der Grund dafür? Die 181

transmutierten elektromagnetischen Spannungen sind noch nicht dem gewöhnlichen dialektischen Naturfeld entzogen und können daher nur zu solchen Resultaten führen, die dem dialektischen Naturfeld entsprechen. Die Gemeinschaft des Erlösungsplans gibt jedoch den Mut nicht auf, sondern geht weiter. Sie bringt, ohne die Grundlagen ihrer Philosophie zu ändern, in ihren Erwägungen Korrekturen an. Durch Erfahrung vertieft sie ihre Philosophie anhand von Tatsachen. Es kommt nämlich der Augenblick, in dem die Gemeinschaft entdeckt, dass die elektromagnetischen Kräfte der Todesnatur nicht als Arbeitshypothese dienen können, wenn sie Erfolg haben will. Während die Gemeinschaft in die Weite des Universums blickt, entsteht infolgedessen ein mächtiges Verlangen nach einer anderen Basis-Lebenskraft. So ist aus Einsicht das erste Heilbegehren entstanden. Daraus wird dann der erste Kontakt mit der Gnosis, mit der wahren Gottesnatur geboren, die nicht aus der Natur des Todes zu erklären ist, sei es auch noch elementar. Von da an nimmt der dreizehnte Äon nicht nur Kräfte aus der gewöhnlichen Natur auf, sondern auch Kräfte aus der ursprünglichen Natur. Man könnte sagen: Der Johannes-Äon ist geboren. Nun findet in den Körpern der Menschen, die zu der neuen Gemeinschaft gehören, eine merkwürdige Veränderung statt. Die magnetischen Systeme des aurischen Wesens, des Hauptes und des Herzens schließen sich an. Es ist eine Situation, in der leiblich, strukturell und fundamental bestimmte Pfade recht gemacht werden. Die Entwicklung geht weiter, wenn auch selbstverständlich mit Holpern und Stolpern. Es ist eine spürbare Progression vorhanden. Eine neue Freude durchglüht die Gemeinschaft. Aber die Ichzentralität spielt ihr noch Streiche. Es ist noch sehr viel an Heimsuchung, Erfahrung und neuer Gruppeneinheit nötig, bis das Ich völlig ausrangiert wird. Durch die fortgesetzte Arbeit der Gemeinschaft wird der dreizehnte Äon stets feiner, stets besser abgestimmt auf den göttlichen, magnetischen Kreis und verliert immer mehr seine irdische Art. Übereinstimmend mit dieser Kultur übt der dreizehnte Äon stets mehr Einfluss aus auf alle, die von seiner Sphäre angezogen werden. Sie werden nun klar erkennen, dass es in einem bestimmten Augenblick einen dreizehnten Äon gibt, unzählige Archonten und eine sehr große Gemeinschaft, die zwar in der Welt ist, aber – wenn es darauf ankommt – nicht mehr von der Welt. Ihre elektromagnetische Qualität und Art ist so geworden, dass wenig Irdisches mehr darin gefunden werden kann. Wenn sich dann in der gewöhnlichen Natur die geschilderten Krisismomente entwickeln und allen Archonten und Äonen der dritte Teil ihrer Kraft genommen wird, ist dem dreizehnten Äon nichts zu nehmen, weil er keine dialektischen magnetischen Kräfte transmutiert. Er tut der gewöhnlichen Natur keine Gewalt an, daher bleibt er unbehelligt und ebenfalls alle, die zu seiner Sphäre gehören. Wenn sich also in der gewöhnlichen Natur eine Kulturentwicklung nach unten wendet, wird die Kulturent182

wicklung jener, die zum dreizehnten Äon gehören, sich von Kraft zu Kraft und von Herrlichkeit zu Herrlichkeit fortsetzen. Für die übrige Menschheit dreht sich das Rad abwärts zum Anfangspunkt. Wenn dann ein neuer Tag der Offenbarung folgt und die Menschheit mühsam wieder ihrer Kulturentwicklung entgegengeht, hat sich die Situation in der All-Offenbarung inzwischen ziemlich verändert. Denn am vorigen Tag der Offenbarung gab es eine große Gruppe des dreizehnten Äons, eine Gruppe Freigekaufter. Diese Gruppe lässt die Menschheit nicht im Stich, denn sie ist nicht auf das eigene Heil gerichtet. Das Heil ist bereits da! Selbstbehauptung gibt es nicht! Diese Gruppe ist gerichtet auf jene, die noch von und in der Natur des Todes sind. Sie sendet Botschafter, Propheten und Erleuchtete zu ihnen, um sie zu rufen. Wenn die Gerufenen sich dann aus Erfahrung dem Johannes-Pfad zuwenden, müssen sie nur ihre Gemeinschaft mit dieser universellen Gemeinschaft verbinden, so wie ein neues Glied einer Kette hinzugefügt wird. Daher wird die universelle Gemeinschaft des dreizehnten Äons stets glänzender und herrlicher, stets mächtiger und gewaltiger. Die Auffahrt der Geheiligten wird immer einfacher. Darum kann in der Pistis Sophia gesagt werden: »Wenn sie die Mysterien der Magie jener anrufen, die sich im dreizehnten Äon befinden, werden sie diese weise und sicher vollenden, weil ich [...] aus diesem Gebiet keine Kraft hinweggenommen habe.« Mögen Sie diesen Heilsprozess als Idee und als hohe Vernunft erfassen und mit uns diesen frohen Weg gehen. ffffff

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Als Jesus diese Worte gesprochen hatte, fragte Maria erneut: »Herr, werden denn die Horoskopsteller und Wahrsager künftig den Menschen nicht mehr länger vorhersagen können, was geschehen wird?« Jesus antwortete ihr: »Wenn die Horoskopsteller die Sphäre des Schicksals und die erste Sphäre nach links gewendet antreffen, wie es zu Beginn der Fall war, dann werden ihre Worte richtig sein, und sie können die kommenden Dinge vorhersagen. Wenn sie diese jedoch nach rechts gerichtet antreffen, können sie keine Wahrheit sagen, weil ich ihre astralen Einflüsse, ihre Quadrate, Dreiecke und Achtecke umgewendet habe. Denn ihre astralen Einflüsse, Quadrate, Dreiecke und Achtecke waren von Anfang an beständig nach links gewendet. Jetzt aber habe ich sie sechs Monate nach links gerichtet und sechs Monate nach rechts. Wer sie nun berechnen will von der Zeit der Umwendung an – indem ich sie sechs Monate auf ihre linken Bahnen und sechs Monate auf ihre rechten Bahnen gerichtet sein lasse –, wer sie nun auf diese Weise befragt, wird genau ihre astralen 183

Einflüsse kennen und alle Dinge voraussagen, die sie tun werden. Ebenso werden die Wahrsager, wenn sie die Namen der Archonten anrufen und sie nach links gewendet antreffen, alles genau sagen können, wonach sie ihre Dekane befragen. Wenn sie diese jedoch nach rechts gewendet antreffen, so werden sie nicht auf sie hören, da sie anders gerichtet sind, als es zuvor der Fall war in der Position, die Jeû ihnen gegeben hatte. Da ihre Namen, wenn sie nach rechts gewendet sind, sich von denen unterscheiden, die nach links gewendet sind. Wenn sie diese anrufen, während sie nach rechts gewendet sind, werden sie ihnen nicht die Wahrheit offenbaren, sondern werden sie in Verwirrung bringen und sie bedrohen. Jene also, die ihre Bahn, wenn sie nach rechts gewendet ist, nicht erkennen und ebenso wenig ihre Dreiecke, Quadrate und anderen Figuren, werden keine Wahrheit finden, sondern in große Verwirrung geraten und getäuscht werden. Denn ich habe die Werke, die sie früher in ihren Quadraten, Dreiecken und Achtecken nach links gewendet ausführten, nunmehr umgekehrt und lasse sie sechs Monate »nach rechts gewendet verbringen, damit sie in vollem Umfang in Verwirrung geraten. Außerdem habe ich sie sechs Monate verbringen lassen, in denen sie nach links gewendet sind, wenn sie ihre Werke und astralen Einflüsse und alle ihre Stellungen vollbringen, damit die Archonten in den Äonen und in ihren Sphären und Himmeln und all ihren Gebieten in Verwirrung gebracht und getäuscht werden, sodass sie Irrwege gehen und ihre eigenen Bahnen nicht mehr verstehen.«

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Pistis Sophia, Abschnitt 21 Kapitel 29

Das Ende der Horoskope Die Menschen sind die Schöpfer der Archonten und Äonen und erhalten sie auch fortwährend. Dadurch nehmen die Natur-Archonten und Natur-Äonen so monströse Ausmaße an und werden derart stark, dass die gewöhnlichen dialektischen elektromagnetischen Verhältnisse im Universum gestört werden. Wir haben das im vorigen Kapitel ausführlich behandelt. Wenn diese Störung eine Krise erreicht hat, werden die Spannungen dort, wo die Hitze am größten ist, ausbrechen. Man könnte sagen, dass das magnetische Netz an der vitalsten Stelle durchbrennt, nämlich an der Stelle, wo der Mensch mit seinen Archonten und Äonen verbunden ist. Das magnetische System im Gehirn wird gleichsam vom übrigen System losgerissen. 184

Diese Stelle korrespondiert mit dem Pinealis-Feuerkreis, der – wie Sie wissen – die Krone des Bewusstseins genannt werden kann. Infolgedessen ist der Mensch von diesem Moment an von den eigenen und von den kollektiv geschaffenen Kulturgöttern getrennt, die durch die Archonten und Äonen belebt wurden. Dann setzt ein degenerativer Prozess ein, der zum Nullpunkt zurückführt. Dieser Prozess zeigt deutlich das Typische aller dialektischen Erscheinungen, das Entstehen, Blühen und Vergehen. Sie wissen, dass die Pistis Sophia den Beginn einer solchen Trennung schildert, und daher können wir auch die Frage verstehen, die im einundzwanzigsten Kapitel an Jesus gestellt wird: Herr, werden denn die Horoskopsteller und Weissager künftig den Menschen nicht mehr vorhersagen können, was geschehen wird? Jesus antwortet: „Wenn die Horoskopsteller die Sphäre des Schicksals und die erste Sphäre nach links gewendet antreffen, wie es zu Beginn der Fall war, dann werden ihre Worte richtig sein, und sie können die kommenden Dinge vorhersagen. Wenn sie diese jedoch nach rechts gerichtet antreffen, können sie keine Wahrheit sagen, weil ich ihre astralen Einflüsse, ihre Quadrate, Dreiecke und Achtecke umgewendet habe. Denn ihre astralen Einflüsse, Quadrate, Dreiecke und Achtecke waren von Anfang an beständig nach links gewendet. Jetzt aber habe ich sie sechs Monate nach links gerichtet und sechs Monate nach rechts.“ Stellen Sie sich diese Situation einmal vor! Im normalen dialektischen Zustand sind die interkosmischen Archonten und Äonen, die primär von den vierundzwanzig Unsichtbaren ausgehen, erstens mit dem Kosmos verbunden, zweitens mit dem aurischen Wesen des Mikrokosmos und drittens mit dem magnetischen System des Gehirns. Aber nun erfolgt die Trennung, sobald ein Mensch den erlösenden Pfad geht und die Archonten und Äonen des dritten Teils ihrer Kraft beraubt werden. Ihr Einfluss ist nicht mehr zwingend, soweit es die Persönlichkeit betrifft. Der Mensch ist losgelöst, getrennt von seinen Schöpfungen, und daher ist er in eine höchst eigenartige Situation gekommen. Die Einflüsse der Archonten zirkulieren, solange sie noch vital sind, im Kosmos und im aurischen Wesen. Wenn der Mensch es jedoch absolut nicht mehr will, kann er nicht mehr davon getroffen und mitgeschleppt werden. Er hat eine Art Neutralisationszustand erreicht. Es kann nicht mehr vorhergesagt werden, was geschehen wird und wozu er sich entschließt, das liegt dann vollkommen in seiner Hand. Das ist selbstverständlich ein großer Vorteil für jeden Menschen, denn das beweist, dass in dieser Umwendung eine Rettungsmöglichkeit für die gesamte Menschheit liegt. Für jeden Menschen ist dann nur die Frage: »Wohin wende ich meinen Blick, nach links oder nach rechts?« 185

In diesem Neutralitätszustand ist also eine gewisse Freiheit des Handelns für jedes Menschenkind geschaffen. Für ihn, der bereits die ersten Schritte auf den Pfad der Erlösung gesetzt hat und der sich mit dem dreizehnten Äon verbunden weiß, bedeutet das, dass er viel weniger Widerstand überwinden muss, wodurch eine viel schnellere Progression möglich wird. Für den Sucher bedeutet das eine klarere Einsicht und einen schnelleren und positiveren Kontakt mit den Helfern. Aber für die bereits total vernunftgemäß, sittlich und gesellschaftlich aus ihrem Gleichgewicht geratenen Menschen werden die normalen Hemmungen hinweggefegt sein, und sie werden umso schneller und massenhafter der Bestialität verfallen. Daher werden in dieser Zeit die Schatten sehr dunkel sein und Licht und Finsternis sehr scharfe Kontraste zeigen. Es ist Ihnen vielleicht bekannt, dass man die Konstellation des magnetischen Systems im Gehirn fotografieren und berechnen kann. Die gewöhnlichen Naturkräfte und auch die Einflüsse der Äonen und Archonten erreichen den Menschen durch gewöhnliche magnetische Kraftlinien. Wenn man also den Seinszustand des Gehirnsystems berechnet, kann man die aktuellen Verhältnisse der Kraftlinien feststellen und ihre Winkel ablesen. Die Quadrate, Dreiecke, Achtecke und anderen Aspekte kann man sehen, feststellen und daraus Schlussfolgerungen ziehen. Als Astrologe und Weissager kann man dann mehr oder weniger in der Zukunft lesen. Sobald jedoch die Verbindung zwischen dem magnetischen System im Gehirn und dem Rest unterbrochen ist, wird das übliche Horoskop negativ. Es können keine Schlüsse mehr daraus gezogen werden. Begegnet man jemandem, dessen Blick nach links gerichtet ist, dann arbeitet er ohne jeden Zwang mit den gewohnten Einflüssen. Und in dieser Phase der Zusammenarbeit ist vieles vorauszusehen. Wenn dieser Mensch jedoch den Blick nach rechts gerichtet hat, also auf das befreiende Leben, dann ist es absolut vorbei mit jedem zwingenden oder drängenden Einfluss. Es ist jedoch noch eine andere Möglichkeit denkbar, welche die Situation kompliziert. Wenn das magnetische System im Gehirn von den Archonten und Äonen getrennt wird, bedeutet es nicht, dass dieses magnetische System verschwindet. Im Gegenteil, es existiert, es muss existieren, denn Verschwinden, Schrumpfen würde den körperlichen Tod bedeuten. Aber es existiert nur, soweit es die dringend notwendigen Lebensbedingungen betrifft. Auf dieser Basis können natürlich noch schwache Suggestionen eindringen, auf die man, wie eben besprochen, nach links oder nach rechts gewendet reagieren oder sie abweisen kann. Es ist aber noch eine andere Wirksamkeit vorhanden, mit der gerechnet werden muss. Die Veränderung im Gehirn, besonders im Pinealis-Feuerkreis, verursacht ebenfalls eine strukturelle Veränderung im magnetischen System des Gehirns. Diese Veränderung oder Umkehr ist jedoch nicht statisch, sondern wandelt sich periodisch. Man könnte es mit einem periodischen Aufleuchten und Verlöschen eines Lichtes vergleichen. Wir meinen damit, dass der Pinealis-Feuerkreis in dieser neuen Situation eine gewis186

se Zeit für Einflüsse der Archonten auf gewohnte Weise empfänglich ist, sei es auch in negativer Weise mit einer für den Betroffenen vollkommenen Selbstbestimmungsmöglichkeit. Aber es folgt auch immer eine Periode der vollkommenen Umwendung des magnetischen Systems, in der der Aszendent zum Deszendenten und der Nadir zum medium coeli wird. Darum heißt es in der Pistis Sophia: „Wer sie nun berechnen wird von der Zeit der Umwendung an – indem ich sie sechs Monate auf ihre linken Bahnen und sechs Monate auf ihre rechten Bahnen gerichtet sein lasse –, wer sie nun auf diese Weise befragt, wird genau ihre astralen Einflüsse kennen und alle Dinge voraussagen, die sie tun werden.“ Sie werden verstehen, dass diese merkwürdigen Umwandlungen im Gehirn durch äußerst seltsame, periodische, magnetische Geschehnisse in Kosmos und Makrokosmos verursacht werden müssen. Und das ist wieder der Anlass für weitere befremdende Ereignisse, die mehr als alles andere deutlich zur öffentlichen Meinung sprechen werden. Um das zu erkennen, müssen Sie folgenden Ausspruch beachten: „Ebenso werden die Wahrsager, wenn sie die Namen der Archonten anrufen und sie nach links gewendet antreffen, alles genau sagen können, wonach sie ihre Dekane befragen. Wenn sie diese jedoch nach rechts gewendet antreffen, so werden sie nicht auf sie hören, da sie anders gerichtet sind, als es zuvor der Fall war in der Position, die Jeû ihnen gegeben hatte. Da ihre Namen, wenn sie nach rechts gewendet sind, sich von denen unterscheiden, die nach links gewendet sind. Wenn sie diese anrufen, während sie nach rechts gewendet sind, werden sie ihnen nicht die Wahrheit offenbaren, sondern werden sie in Verwirrung bringen und sie bedrohen. [...] Außerdem habe ich sie sechs Monate verbringen lassen, in denen sie nach links gewendet sind, wenn sie ihre Werke und astralen Einflüsse und alle ihre Stellungen vollbringen, damit die Archonten in den Äonen und in ihren Sphären und Himmeln und all ihren Gebieten in Verwirrung gebracht und getäuscht werden, sodass sie Irrwege gehen und ihre eigenen Bahnen nicht mehr verstehen.“ Stellen Sie sich einen Menschen vor, der in einer kirchlichen Gemeinschaft jahrelang gewohnt ist, sich mit Hilfe eines bis ins Kleinste ausgearbeiteten magischen Systems mit bestimmten Archonten und Äonen zu verbinden, sie also zu nähren. Er ist es ebenfalls gewohnt, von ihnen die Krafteinstrahlung zu empfangen, die nötig ist, um den Körper der Kirche instandzuhalten und um Einfluss zu behalten auf die Laien im Kraftfeld dieser Kirche. Die Rituale und Messen wurden und werden täglich gelesen und gesungen, das Zeremoniell wird würdig erfüllt. Und was sich jahrhundertelang als erprobt und vollkommen wirksam erwiesen hat, hat plötzlich und periodisch eine völlig entgegengesetzte Auswirkung, ohne dass 187

dafür eine Ursache zu erkennen ist. Ein Ritus, durch den die Menge vorher verträumt und gebunden die Gebäude verließ, wird nun periodisch zweckwidrig auf sie wirken. Die Priester werden ihren Augen und Ohren nicht trauen. Der folgsame Laie wird zur Opposition übergehen, durch einen heftigen Widerstand getrieben. Überall wird durch das Anrufen der Archonten Verwirrung und Täuschung entstehen. Man wird es nicht verstehen! In dem einen Augenblick wird alles gelingen und im nächsten nicht – wegen dieser allgemeinen persönlichen, mikrokosmischen, kosmischen und makrokosmischen Schwankungen. Aber jene Gruppe, die mit dem dreizehnten Äon verbunden ist, wird ruhig weitergehen, und die Anzahl ihrer Mitglieder wird schnell wachsen, da viele Sucher, von ihren Widerständen befreit, den einen Pfad finden und sich dann dem Volk Gottes auf Erden anschließen werden.

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Als Jesus diese Worte ausgesprochen hatte, saß Philippus bei ihm und schrieb alle Worte Jesu auf. Danach trat Philippus nach vorn, fiel vor seinen Füßen nieder, betete Ihn an und sprach: »Mein Herr und Erlöser, erlaube mir, Dich über das Wort zu befragen, das Du gesprochen hast, ehe Du mit uns über die Gebiete redest, zu denen Du aufgrund Deines Auftrages gegangen bist.« Der barmherzige Erlöser antwortete und sagte zu Philippus: »Es ist dir erlaubt zu sagen, was du willst.« Philippus antwortete Jesus: »Herr, welches Mysterium gab Dir Anlass, die Gebundenheit der Archonten und ihrer Äonen, ihres Schicksals und ihrer Sphäre und all ihrer Gebiete umzuwenden, sie auf ihrer Bahn in Verwirrung zu bringen und in ihrem Lauf zu täuschen? Hast Du ihnen das angetan um der Errettung der Welt willen oder nicht?« Jesus antwortete und sprach zu Philippus und allen Jüngern: »Ich habe ihre Bahn zur Errettung aller Seelen umgewendet. Wenn ich ihre Bahn nicht umgewendet hätte, würde eine Vielzahl an Seelen zugrunde gehen, und es würde sehr viel Zeit verloren gehen, wenn die Archonten der Äonen und die Archonten des Schicksals und der Sphäre und all ihrer Gebiete und ihrer Himmel und ihrer Äonen nicht vernichtet werden würden. Die Seelen müssten lange Zeit außerhalb dieser Welt zubringen. Und die Vollendung der Zahl der vollkommenen Seelen, die durch die Mysterien zu den Erben der Höhe und denen der Schatzkammer des Lichtes gerechnet werden, würde sich sehr verzögern. Darum habe ich ihre Bahn umgewendet, damit sie in Verwirrung und Aufruhr geraten und die Kraft herausgeben, die sich in der Materie ihrer Welt befindet, aus der sie sich Seelen erschaffen, damit jene, die gerettet werden können, sich eilends 188

reinigen und aufwärts steigen können, sie und die ganze Kraft, und damit jene, die nicht gerettet werden können, schnellstens vernichtet werden.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 22-23 Kapitel 30

Beseelung zum Tode und Beseelung zum Leben Mit Beginn des Kapitels 22 der Pistis Sophia wird dem, der die Universelle Lehre studiert, eine sehr wichtige und interessante Erklärung zum wahren Wesen der Welt der Dialektik gegeben. Obwohl deren Ansichten in der Literatur der Schule des Goldenen Rosenkreuzes vielfach behandelt werden, ist die Art, wie dieses Thema in der Pistis Sophia besprochen wird, so lehrreich, dass wir diesen Teil in unseren Betrachtungen nicht überschlagen wollen. Außerdem wird dadurch Ihre Aufmerksamkeit auf viele Kennzeichen der Dialektik gelenkt, die absolut eine deutliche Erklärung verdienen. Einer der Jünger fragt in Kapitel 22: „Herr, welches Mysterium gab Dir Anlass, die Gebundenheit der Archonten und ihrer Äonen, ihres Schicksals und ihrer Sphäre und all ihrer Gebiete umzuwenden, sie auf ihrer Bahn in Verwirrung zu bringen und in ihrem Lauf zu täuschen? Hast Du ihnen das angetan um der Errettung der Welt willen oder nicht?“ Die Antwort lautet (Kapitel 23): „Ich habe ihre Bahn zur Errettung aller Seelen umgewendet. Wenn ich ihre Bahn nicht umgewendet hätte, würde eine Vielzahl an Seelen zugrunde gehen, und es würde sehr viel Zeit verloren gehen, wenn die Archonten der Äonen und die Archonten des Schicksals und der Sphäre und all ihrer Gebiete und ihrer Himmel und Äonen nicht vernichtet werden würden. Die Seelen müssten lange Zeit außerhalb dieser Welt zubringen. Und die Vollendung der Zahl der vollkommenen Seelen, die durch die Mysterien zu den Erben der Höhe und denen der Schatzkammer des Lichtes gerechnet werden, würde sich sehr verzögern.

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Darum habe ich ihre Bahn umgewendet, damit sie in Verwirrung und Aufruhr geraten und die Kraft herausgeben, die sich in der Materie ihrer Welt befindet, aus der sie sich Seelen erschaffen, damit jene, die gerettet werden können, sich eilends reinigen und aufwärts steigen können [...] und

damit jene, die nicht gerettet werden können, schnellstens vernichtet werden.“ Die magnetischen Felder der Archonten und ihrer Äonen werden durch die Menschen geformt, wie Sie wissen. Wenn sie einmal geladen sind, zwingen sie durch ihre Strahlungsfülle die Menschheit zu einer bestimmten Lebenshaltung. In einem gegebenen Augenblick geraten diese Kräfte in einen Konflikt mit den interkosmischen elektromagnetischen Strahlungen der Dialektik. Durch diesen Konflikt werden die Archonten und Äonen gestört, ihre Bahnen verändern sich, und die Menschheit wird ihrem Einfluss entzogen. Es entwickeln sich dann zahlreiche Ereignisse, die wir im Lauf der Jahre unter der Bezeichnung »kosmische und atmosphärische Revolte« erwogen haben. Wenn Sie diese Erscheinungen im System der Todesnatur zur Entwicklung kommen sehen, entdecken Sie sehr interessante und lehrreiche Probleme. Sie erkennen zum Beispiel, dass das Wesen der Todesnatur dialektisch ist und daher alles Leben darin einem Kreislauf unterworfen ist. Aber die Menschheit widersetzt sich kraft ihrer Herkunft instinktiv und fundamental diesem Gesetz und versucht, die Dialektik durch Kultur zu überwinden und in ein Ewigkeitsleben umzusetzen. Die Archonten und Äonen sind, wie wir feststellten, Kulturschöpfungen der Menschheit, mentale Schöpfungen. Daher stehen diese Schöpfungen unmittelbar in Konflikt mit den innereigenen Feldern der Dialektik, sie unterscheiden sich völlig von ihnen. Nun müssen Sie beachten, dass der größte Teil der menschlichen Äonen daran wirkt, das Ewigkeitsleben in die Zeit hineinzuziehen. Aber einem solchen Streben wird ein gebieterisches »Halt« zugerufen. Warum das so ist, müssen Sie erkennen lernen. Wenn Sie das einsehen und auf diese Einsicht Ihr Denken und Streben gründen, dann stehen Sie dem Leben unmittelbar ganz anders gegenüber als die meisten Menschen. Ob Sie diese Einsicht besitzen oder nicht, das ist der große, tief gehende Unterschied zwischen dem Transfigurismus und allen anderen religiösen und magnetischen Systemen. Die dialektische Natur ist eine zeiträumliche Ordnung. Sie umfasst Mikrokosmos, Kosmos und Makrokosmos. In dieser Ordnung ist alles fundamental zeiträumlich, das heißt, dass alles einen Beginn und eine Ende hat. Eine Ewigkeitsentwicklung, ein fortwährendes »Sein« ist darin ausgeschlossen. Die Pistis Sophia stellt fest, dass dieses alles durch Jaô den Guten, so eingestellt und durchgeführt wurde. Warum? Die Antwort liegt nahe: »Das ist keine Strafe, sondern ein herrlicher Segen.« Ein Teil der Menschheit ist existenziell in einen Makrokosmos, in eine zeiträumliche Ordnung versunken, in die er kraft seines wahren Wesens nicht hineingehört. Wenn man nun diesen Teil der Menschheit befähigen würde, seinen Zustand zeitlos zu machen, dann würde sich gerade der Segen in eine intensive Strafe, in eine Hölle ver190

wandeln. Darum sorgt Jaô der Gute – das ist das Naturgesetz der All-Offenbarung – dafür, dass ein solches Streben nie gelingen kann. Das Kulturstreben der Menschheit mit Einschluss der Spiegelsphäre und aller Gebiete des Sonnensystems, des Tierkreises und des Milchstraßensystems ist gut zu verstehen. Denn jeder Sterbliche, der in Unwissenheit gefallen ist und seine Herkunft vergessen hat, versucht, sich zu behaupten und den Tod zu überwinden. Und da man trotz allem diesen Sterblichen liebt und man ihm helfen will, wird dieses Streben in einem bestimmten Augenblick durchkreuzt und umgewendet. Die zeiträumliche Ordnung hat nur ein Ziel: ihre zeiträumlichen Bewohner zeiträumlich zu erhalten! Hoffentlich erhalten sie dadurch einmal einen Begriff von ihrer Herkunft und kehren in ihre wahre Heimat zurück, in die zeitlose Ewigkeit. Wenn dann auch in der Pistis Sophia bezüglich der Äonen gesagt wird: Ich habe ihre Bahn zur Errettung aller Seelen umgewendet, dann können wir das verstehen. Stellen Sie sich einmal vor, dass alles Kulturstreben der Äonen immer fortgesetzt werden könnte. Wie gut und edel dieses Streben auch gemeint ist, es würde den Untergang der zeiträumlichen Ordnung bedeuten. Wie würde dieser Untergang denn aussehen? Es wäre eine fortwährende Versteinerung, eine stets zunehmende Kristallisation aller Lebenserscheinungen. Die sich in Offenbarung befindenden menschlichen Wesenheiten würden ihre eigene Offenbarungsmöglichkeit völlig vernichten, die Himmelskörper würden alle erlöschen, die Sonnen finster werden, und es wäre nur noch ein sehr zeitweiliges Leben in der Spiegelsphäre möglich. Jedoch bei Erlöschen des letzten glimmenden Feuers in den Sonnensystemen könnten die Mikrokosmen der Menschheit sich auch nicht mehr in der Spiegelsphäre behaupten und müssten in eine Ordnung versinken, die unter der zeiträumlichen liegt. Es ist ein Naturgesetz unserer Ordnung, dass unmittelbar Kristallisation auftritt, sobald man versucht, in dieser Ordnung etwas absolut dauerhaft zu machen. Darum ist das Mineralreich, wie wir es kennen, nicht der Beginn des Lebens, sondern ein Symptom der Beendigung des Lebens. Sie können sich gewiss vorstellen, welch eine unendlich lange Zeit dann verloren gehen würde und wie viele Seelen zugrunde gehen müssten. Welch eine Verzögerung würde entstehen in dem Rettungsprozess der Universellen Bruderschaft! Denn ist nicht jede gefallene Wesenheit ein »verlorener Sohn«, der zurückgerufen wird? Ist nicht jeder ein Erbe des wahren Lebens? Und ist nicht jeder Gefallene, der doch das Königreich in sich besitzt, ein Bewohner der Schatzkammer des Lichtes? Darum ist es herrlich, mehr als wunderbar, dass die Bahnen der Äonen umgewendet werden, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Diese Umkehr vollzieht zwar nicht die Rückkehr, doch sie eröffnet die freie Möglichkeit zur Rückkehr. Sie gibt dem bekannten Wort aus dem Prolog des Johannes-Evangeliums seinen Glanz zurück: »Allen, 191

die Ihn annehmen, gibt Er Macht, wieder Kinder Gottes zu werden!« »Gibt Er Macht.« Welche Macht ist das? Es ist die Macht, die Kraft, von der im zitierten Abschnitt aus der Pistis Sophia gesprochen wird: „Darum habe ich ihre Bahn umgewendet, damit sie in Verwirrung und Aufruhr geraten und die Kraft herausgeben, die sich in der Materie ihrer Welt befindet, aus der sie sich Seelen erschaffen.“ Wenn Sie das so lesen, erscheint es als ein seltsames Fragment. Damit soll gesagt werden, dass jede gefallene Wesenheit eine »Kraft« besitzt, ein großes magisches Vermögen, eine Selbstverfügungs- und Selbstverwirklichungskraft, ein magisches Vermögen, das in jeder Lebenserscheinung der Todesnatur vorhanden ist, das uns geschenkt wurde, um jeder gefallenen Entität die Gelegenheit zu geben, in Reinheit durch Transfiguration zurückzukehren. Aber dieses magische Vermögen besitzen die meisten Menschen nicht mehr unbedingt und frei. Denn sie haben es angewandt, um ihre Archonten und Äonen zu schaffen und zu erhalten. Diese Vermögen werden durch die magnetischen Felder, da sie nun einmal wirksam sind, gleichsam abgezapft, dem Menschen genommen. Durch diese magischen Kräfte der Menschheit, die also in den genannten Feldern konzentriert sind, wird die Kulturentwicklung der Äonen und all ihr Streben beseelt. Verschiedene Kulturmittel auf religiösem und okkultem Gebiet werden dazu benutzt, diesen magischen Kraftraub fortwährend durchzuführen. Nun können Sie wahrscheinlich den Prozess der Heiligung, der Rückkehr, und die Kraft, auf der diese Rückkehr beruht, verstehen. Als normale Naturmenschen haben Sie keine magische Kraft mehr zur freien Verfügung. Sie wird Ihnen entnommen wegen Ihrer Kulturerfindungen. Und nun sagt der Prolog des Johannes-Evangeliums tatsächlich: »Allen, die Ihn annehmen, gibt er die Kraft zurück, um wieder Kinder Gottes zu werden.« Wer den Pfad gehen will und sich definitiv dazu entschließt, wird dem magnetischen Einfluss der Äonen auf das Gehirn entzogen. Infolgedessen empfängt Simson seine Kraft im Heiligtum des Herzens zurück. So wird der Kandidat gerettet, damit er schnellstens aufwärts steigen kann, gereinigt und mit seiner ganzen Kraft. Vielleicht möchten Sie nun wissen, auf welche Weise die Gnosis Ihnen Ihre Kraft zurückschenkt, nachdem Sie vom Einfluss der Äonen befreit sind. Um das zu ergründen, weisen wir Sie nochmals auf das Wesen des dreizehnten Äons hin. Wer mitbaut am dreizehnten Äon und sich der Bruderschaft der Schatzkammer des Lichtes in Heilbegehren und Selbstübergabe mit seinem ganzen Wesen geweiht hat, wird selbstverständlich sein magisches Potenzial, sein magisches Vermögen diesem dreizehnten Äon anvertrauen. Dieser Äon benutzt die Kraft nicht, um durch Kultur das Zeiträumliche in das Zeitlose, in das Dauernde umzusetzen, sondern um Sie 192

emporzuziehen in das neue Lebensfeld, um Sie schnellstens gereinigt aufwärts zu ziehen mit Ihrer ganzen Kraft. Sie besitzen Kraft, ein unveräußerliches Gut. Mit dieser Kraft stehen Sie in magischer Wechselwirkung, in magischer Beziehung mit Ihren gewöhnlichen Natur-Äonen, und mit dieser Kraft beseelen diese Sie zu Tode. Wenn Sie nun mit der gleichen Kraft in Beziehung zum dreizehnten Äon treten, dann werden Sie mit Ihrer Kraft zum Leben beseelt. Die Todes-Beseelung hat Ihren Mikrokosmos vollständig degeneriert und denaturiert. Die Lebens-Beseelung wird ihn wieder vollkommen transfigurieren. Das ist das große Geheimnis der Befreiung. Es geht hier also um zwei magische Gesetze, und nur eines von beiden kann wirksam sein. Was tun Sie – als Mikrokosmos – mit dieser Kraft? Wenn Sie Ihre Kraft der Gnosis übergeben, beginnt für Sie das Befreiungsgesetz zu wirken. Dann sind Sie nicht abhängig von einer eventuellen bruderschaftlichen Willkür, sondern dann sind Sie vollkommen zur Selbstverwirklichung imstande.

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Nachdem Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, trat Maria vor, die aufrecht Sprechende und Gesegnete. Sie fiel Jesus zu Füßen und sprach: »Herr, habe Geduld mit mir und lass mich zu Dir sprechen. Sei nicht verstimmt, wenn ich Dich so oft mit Fragen belästige.« Der Erlöser antwortete ihr voller Mitleid: »Sprich die Worte, die du sagen willst, und ich werde sie dir freimütig erklären.« Maria sprach zu Jesus: »Herr, auf welche Weise würden die Seelen außerhalb dieser Welt aufgehalten werden und wie würde sich eilends ihre Reinigung vollziehen?« Hierauf antwortete Jesus: »Ausgezeichnet, Maria. Du stellst eine vortreffliche Frage und prüfst alles sorgfältig nach. Ich werde fortan nichts mehr vor euch verbergen, sondern alles freimütig und wahrheitsgemäß erklären. Vernimm nun, Maria, und höret, ihr Jünger: Bevor ich allen Archonten der Äonen und allen Archonten des Schicksals und der Sphäre predigte, waren sie alle in ihren Banden, Sphären und Versiegelungen gebunden, so wie Jeû, der Wächter des Lichtes, sie von Beginn an gebunden hatte. Jeder von ihnen verharrte in seiner Ordnung und durchlief seine Bahn, so wie Jeû, der Wächter des Lichtes, sie eingestellt hatte. Als nun die Zeit der Zahl Melchisedeks, des großen Paralemptors des Lichtes, gekommen war, pflegte er mitten unter die Äonen zu gehen, mitten unter die an die Sphäre und das Schicksal gebundenen Archonten. Er nahm von allen Archonten der Äonen und allen Äonen des Schicksals und der Sphäre das Gereinigte des Lichtes 193

und vernichtete alles, was sie in Verwirrung brachte. Und er setzte den Beschleuniger über ihnen in Bewegung und ließ sie ihre Kreise schneller drehen. Er [Melchisedek] nahm die Kraft, die in ihnen war, fort, den Hauch ihres Mundes, die Tränen ihrer Augen und den Schweiß ihrer Körper. Melchisedek, der Paralemptor des Lichtes, reinigte diese Kräfte und trug ihr Licht zur Schatzkammer des Lichtes. Die Diener der Archonten der Äonen sammelten die Materie von allen ein. Die Diener der Archonten des Schicksals und der Sphäre unterhalb der Äonen nahmen diese Materie und formten sie zu Seelen für Menschen, Vieh, Reptilien, wilde Tiere und Vögel und schickten sie in die Welt der Menschen. Als die Paralemptore der Sonne und die Paralemptore des Mondes aufwärts schauten und die Konstellationen der Bahnen der Äonen und des Schicksals und die der Sphäre erblickten, nahmen sie die Lichtkraft von ihnen. Die Paralemptore der Sonne bereiteten sie zu und bewahrten sie, bis sie diese den Paralemptoren Melchisedeks, des großen Lichtreinigers, übergaben. Ihren stofflichen Abfall brachten sie zur Sphäre unterhalb der Äonen. Sie formten daraus Seelen für Menschen, Vieh, Reptilien, wilde Tiere und Vögel, dem Kreislauf der Archonten jener Sphäre und den Stellungen ihrer Umdrehung entsprechend, und stießen sie in die Welt der Menschheit. Und dort wurden sie zu Seelen, wie ich euch soeben gesagt habe. Das vollbrachten sie beständig, ehe ihre Kraft verringert wurde und sie schwach und kraftlos wurden. Als ihre Kraft sich verminderte und schließlich ganz schwand, wurden sie machtlos. Das Licht ihrer Gebiete erlosch, ihr Reich wurde vernichtet, und das All wurde eilends emporgehoben. Als sie das zeitig erkannt hatten und als die Zahl der Ziffern Melchisedeks, des Paralemptors des Lichtes, erfüllt war, pflegte er wiederum zu erscheinen und in die Mitte all der Archonten aller Äonen und aller Archonten des Schicksals und der Sphäre zu treten. Er versetzte sie in Aufregung und bewirkte, dass sie ihre Kreisbahnen schnell verließen. Sie gerieten unmittelbar in Bedrängnis und warfen die Kraft aus sich heraus durch den Atem ihres Mundes, die Tränen ihrer Augen und den Schweiß ihrer Körper. Melchisedek, der Paralemptor des Lichtes, reinigte sie, wie er es immer tat, und trug ihr Licht zur Schatzkammer des Lichtes. Alle Archonten der Äonen und die Archonten der Äonen und die Archonten des Schicksals und die der Sphäre kehrten sich ihrem stofflichen Abfall zu und verschlangen ihn. Sie ließen nicht mehr zu, dass daraus Seelen für die Welt geformt wurden. Sie verschlangen ihre Materie, damit sie nicht schwach und kraftlos wurden, die Kraft ihnen nicht verloren ginge und ihr Reich nicht vernichtet würde. Sie verschlangen sie also, damit sie nicht zugrunde gingen und die Zeit bis zur Vollendung der Zahl der vollkommenen Seelen, die in der Schatzkammer des Lichtes bleiben, möglichst lange hinausgezögert wird. Die Archonten der Äonen und die des Schicksals wirkten stets auf diese Weise, dass 194

sie sich umwandten und ihren stofflichen Abfall verschlangen und nicht mehr zuließen, dass er als Seelen in der Welt der Menschen geboren wurde – mit dem Ziel, die Zeit ihrer Herrschaft möglichst lange hinauszuschieben und so die Kraft, die ihre Seele enthielt, lange Zeit jenseits dieser Welt zurückzuhalten. Es gelang ihnen, zwei Zyklen lang dabei zu verharren. Als ich nun in meinem Auftrag hinaufgehen wollte, zu dem ich durch den Befehl des Ersten Mysteriums gerufen war, da kam ich mitten unter die Tyrannen der Archonten der zwölf Äonen, während mein Lichtkleid an mir von unermesslichem Glanz war. Als nun die Tyrannen das große Licht an mir sahen, begannen Adamas, der große Tyrann, und alle Tyrannen der zwölf Äonen gemeinsam, gegen das Licht meines Gewandes zu kämpfen, um es sich anzueignen und damit ihre Herrschaft fortzusetzen. Als sie das taten, wussten sie nicht, gegen wen sie kämpften. Während sie sich widersetzten und gegen das Licht kämpften, wendete ich auf Befehl des Ersten Mysteriums die Bahnen und den Kreislauf ihrer Äonen und die Bahnen ihres Schicksals und ihrer Sphäre. Und ich ließ sie sechs Monate nach links auf die Dreiecke, Quadrate, Achtecke und die anderen Aspekte, die links waren, blicken, genauso wie sie es früher zu tun pflegten. Aber dann wandte ich ihre Kreisläufe und Aspekte und ließ sie die folgenden sechs Monate auf die Werke ihrer astralen Einflüsse in den Quadraten, Dreiecken, Achtecken und anderen Aspekten, die rechts waren, blicken. Ich brachte die Archonten der Äonen und alle Archonten des Schicksals und der Sphäre dadurch in große Verwirrung und Täuschung. Ich brachte sie so in Aufregung, dass sie von dem Augenblick an nicht mehr imstande waren, sich zum Abfall ihrer Materie zu wenden und ihn zu verschlingen, um damit das Bestehen ihrer Gebiete zu verlängern und sich möglichst lange als Herrscher zu behaupten. Als ich nun ein Drittel ihrer Kraft genommen hatte, wandte ich ihre Sphären, sodass sie eine Zeit lang nach links blickend und eine weitere Zeit lang nach rechts blickend zubrachten. Ihre gesamte Bahn und ihren ganzen Lauf habe ich umgewendet, und die Bahn ihres Laufs habe ich beschleunigen lassen, damit sie schneller gereinigt würden und rasch aufsteigen könnten. Ihre Kreise habe ich verkleinert und ihren Pfad erleichtert, wodurch er beschleunigt wurde. So wurden sie auf ihrer Bahn in Verwirrung gebracht und waren nicht länger imstande, den Abfall der Materie, deren Licht gereinigt war, zu verschlingen. Außerdem habe ich ihre Zeiten und Perioden verkürzt, damit die Zahl der vollkommenen Seelen, welche die Mysterien empfangen und in der Schatzkammer des Lichtes sein sollen, vollendet würde. Wenn ich ihre Bahnen nicht umgewendet und ihre Perioden nicht verkürzt hätte, würden sie keiner einzigen Seele mehr die Gelegenheit gegeben haben, auf die Welt zu kommen, wegen des Abfalls ihrer Materie, den sie verschlingen, und sie hätten viele Seelen vernichtet. Darum habe ich einst zu euch gesagt: »Ich habe die Zeiten um meiner Auserwählten willen verkürzt. Sonst hätte keine einzige Seele gerettet werden können.« 195

Ich habe also die Zeiten und Perioden verkürzt, um der Zahl der vollkommenen Seelen, der Auserkorenen willen, die der Mysterien teilhaftig werden sollen. Hätte ich ihre Zeiten nicht verkürzt, so könnte keine einzige stoffliche Seele gerettet werden, sondern alle würden im Feuer im Fleisch der Archonten verzehrt werden. Dieses ist nun das Wort, nach dem du mich so eingehend gefragt hast.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, fielen alle gleichzeitig nieder, beteten Ihn an und sprachen zu Ihm: »Wir sind gesegnet vor allen Menschen, da Du uns diese großen Werke geoffenbart hast.« Jesus nahm wiederum das Wort und sprach zu seinen Jüngern: »Hört nun, was mir bei den Archonten der zwölf Äonen und allen ihren Archonten und ihren Herren, Gewalten, ihren Engeln und Erzengeln geschehen ist. Als sie und ihre Ungepaarten das Lichtkleid sahen, das mich umhüllte, erblickte ein jeder von ihnen das Mysterium seines Namens auf meinem Lichtkleid. Sie fielen alle zusammen nieder, beteten mein Lichtkleid an und riefen wie mit einer Stimme: »Wie ist der Herr des Alls durch unsere Mitte gegangen, ohne dass wir es wussten?« Sie priesen einstimmig das Innerste des Inneren. All ihre Dreimalgewaltigen und ihre großen Patriarchen und ihre Ungezeugten und Selbstgezeugten und Gezeugten, ihre Götter und Lichtfunken und leuchtenden Sterne, mit einem Wort, all ihre Großen sahen, dass die Kraft der Tyrannen in ihrem Ort vermindert und sie geschwächt waren. In maßloser Furcht starrten sie auf das Mysterium ihres Namens auf meinem Kleid und versuchten, näher zu treten, um das Mysterium ihres Namens auf meinem Kleid anzubeten. Wegen des großen Lichtes an mir waren sie jedoch dazu nicht imstande. Aber sie beteten es in einigem Abstand von mir an. So verehrten sie das Licht meines Gewandes und priesen das Innerste des Inneren. Als das nun mit den Tyrannen, die sich unter den Archonten befanden, geschehen war, wurde ihnen ihre Kraft genommen, und sie fielen in ihren Äonen zu Boden und glichen Toten, sie waren wie Menschen, die ihren letzten Atem ausgeblasen haben, so wie es auch geschah, als ich ihnen ihre Kraft nahm. Als ich daraufhin diese Äonen verließ, wurden alle, die sich in den zwölf Äonen befanden, in ihren Ordnungen gemeinsam gebunden. Sie vollbrachten ihre Werke nunmehr so, wie ich sie eingesetzt hatte, so dass sie sechs Monate nach links gewendet ihre Werke in ihren Quadraten, Dreiecken und anderen Aspekten vollbrachten und die folgenden sechs Monate nach rechts gerichtet in ihren Dreiecken, Quadraten und anderen Aspekten verbrachten. Ebenso werden künftig auch alle, die sich im Schicksal und in der Sphäre befinden, ihrem Weg folgen.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 24-28 Kapitel 31

Eine neue Sonne und ein neuer Mond Der Mikrokosmos hat eine Beseelung nötig, denn ohne sie ist er ein lebend-toter Organismus. Einen unbeseelten Mikrokosmos könnte man als einen unausgeführten Plan bezeichnen. In dem Mikrokosmos, den Sie kennen und zu dem der menschliche Seelenzustand gehört, kann nicht von einem unsterblichen Seelenzustand gesprochen werden, weil das Prinzip des ursprünglichen Seelenlebens, das zum mikrokosmischen Organismus gehört, nicht belebt werden kann. Dieses Prinzip befindet sich fortwährend in einem lebend-toten Zustand. Es ist wie eine Rosenknospe, die in ihren Deckblättern verborgen bleibt. Es gibt vorläufig noch keine Leben erweckende Sonne, die ihr zur Offenbarungsfülle verhelfen kann. Die Leben erweckende Sonne ist zwar vorhanden, für die Rosenknospe ist der Mikrokosmos jedoch verborgen, ist er wie Dunkelheit. »Das Licht scheint in die Finsternis, doch die Finsternis hat es nicht begriffen.« Die Ursache liegt in einer totalen Desorganisation des Mikrokosmos. Er ist von einer Kristallisation betroffen. Er ist wie ein nahezu erloschenes Feuer, und übereinstimmend damit ist die ursprüngliche Seele verschwunden, gestorben. Es ist lediglich ein Prinzip, ein Saatkorn übrig geblieben, das jedoch nicht in den geeigneten Boden gelegt werden kann, um zu wachsen. Übereinstimmend mit diesem Zustand wurde in der Natur des Todes eine Notversorgung ins Leben gerufen, nämlich die Offenbarung des sterblichen Seelenzustandes. Diese Offenbarung ist überhaupt nicht mit der ursprünglichen Offenbarung zu vergleichen, denn sie muss vollständig aus der Materie der Todesnatur entstehen. Diese Offenbarung findet also auf eine völlig andere Weise statt als die ursprüngliche, sie kann jedoch dennoch als eine große und herrliche Gnade angesehen werden, als eine Hilfe für alle gefallenen und denaturierten Mikrokosmen. Wir weisen hier auf den irdischen Geburtsprozess der lebenden Seelen hin. Auf diese Weise wird der Mikrokosmos von Zeit zu Zeit durch eine Art Beseelung belebt, sei es denn auch eine sterbliche und vom Ursprünglichen weit entfernte Beseelung. Die Pistis Sophia erklärt, dass der sterbliche Seelenzustand aus der kosmischen Sphäre der Äonen stammt. Sie können sich diese kosmische Sphäre als eine mächtige Kugel vorstellen, in der all das uns bekannte Leben beschlossen ist. Diese Kugel ist in zwölf Ansichten, in zwölf Machtsphären, in zwölf Strahlen unterteilt. Diese zwölf äonischen Strahlen oder Wellen werden vom magnetischen System des aurischen Wesens aufgenommen, welches sie dann in das magnetische System des Gehirns projiziert. Wenn das magnetische Gehirnsystem diese Einflüsse aufgenommen hat, werden die Kräfte weiter vom System der inneren Sekretion, dem System 197

der Hormon-drüsen, empfangen, das eine dreifache Art besitzt: Ein Teil ist organisch mit dem Schlangenfeuer verbunden, ein Teil mit dem Nervensystem und ein Teil mit dem Blutssystem. So können Sie leicht erkennen, wie die äonischen elektromagnetischen Strahlen sich im gesamten System verbreiten. Alle Hormonarten sind also aus den äonischen Strahlen zu erklären. Die Hormone und ihre Kräfte stellen auch den menschlichen Samen her. Er ist ein Not-Lebensprinzip. Man muss diesen Samen scharf unterscheiden von dem Saatkorn Christi, der Rose des Herzens. Der menschliche Samen enthält äonische Seelenkraft, die auf den Seinszustand des betreffenden Mikrokosmos und seine karmische Belastung abgestimmt ist. Wenn der männliche Same sich mit dem Weiblichen vereinigt, ist das eine Vereinigung eines positiv und eines negativ geladenen Prinzips, wodurch ein Feuerprozess entsteht. Das so erweckte Feuerprinzip entwickelt sich aus dem Schlangenfeuersystem, dem Nervensystem und dem Blut zu einer lebenden Seele. Ein Mikrokosmos, der seine Beseelung verloren hat und mit diesem neuen Produkt am besten übereinstimmt, empfängt, umfängt es. Und so wird dann zu gegebener Zeit die sterbliche Seele geboren. Sie werden verstehen, dass sich während dieser Prozesse viele Komplikationen entwickeln können, was denn auch in den meisten Fällen geschieht. Wenn die sterbliche Seele nun erwachsen geworden ist und vollständig in die komplizierten Verwicklungen der Todesnatur aufgenommen wurde, ihr Leid und ihren Schmerz erfahren und alle Wechselfälle des dialektischen Lebens geprüft hat, werden ihr über das ursprüngliche Lebensprinzip, die Rose des Herzens, Impulse übertragen. Diese kommen nicht aus der gewöhnlichen äonischen makrokosmischen Kugel, sondern von der Natur des Lebens, die auch ihre Strahlen aussendet. Wenn Sie an das Wort denken: »Das Licht scheint in der Finsternis«, dann werden Sie es verstehen. In diesem Zustand müssen Sie die Rose als einen empfänglichen Punkt sehen, der die Strahlungen der Gnosis einigermaßen widerspiegeln kann. Wenn die sterbliche Seele darauf reagieren kann, dann wird gleichsam zu ihr gesagt: »O Seele, höre auf mit den nutzlosen Bemühungen, dich in der Natur des Todes zu behaupten, und beginne mit dem einzigen Werk, der einzigen Aufgabe, für die du in das Leben gerufen wurdest: Nämlich in deinem Mikrokosmos als Beseelung die unsterbliche Seele lebendig zu machen und zu befreien. Beginne mit diesem johanneischen Werk! Werde zum Vorläufer für den Heiland deiner mikrokosmischen, sündigen kleinen Welt. Wenn du, Seele, dieses Werk unternimmst, wird dein Bewusstsein aufgehen, aufgenommen werden im neuen unsterblichen Bewusstsein. Dann wird es auch für dich, die du dieses verstehst, keinen Tod mehr geben.« Wer mit diesem großen Befreiungswerk, dem Werk der Wiedergeburt beginnt, ist im gleichen Moment mit der makrokosmischen Kugel der Natur des Lebens verbunden, 198

obwohl die Verbindung mit der äonischen Kugel noch besteht. Das ist natürlich ein höchst unerwünschter Zustand. Darum sagt die Pistis Sophia in Kapitel 25, dass durch Melchisedek, den Paralemptor, den großen Empfänger des Lichtes – alle, die mit dem großen Reinigungsprozess beschäftigt sind, aus der dialektischen Natur separiert und in die große Schatzkammer des Lichtes getragen werden: Er nahm von allen Archonten der Äonen und allen Äonen des Schicksals und der Sphäre das Gereinigte des Lichtes und vernichtete alles, was sie in Verwirrung brachte. Und er setzte den Beschleuniger über ihnen in Bewegung und ließ sie ihre Kreise schneller drehen. Er [Melchisedek] nahm die Kraft, die in ihnen war, fort, den Hauch ihres Mundes, die Tränen ihrer Augen und den Schweiß ihrer Körper. Es ist klar, dass es neben dem gewöhnlichen dialektischen Instandhaltungsprozess über, in und bei der Natur des Todes einen Rettungsprozess gibt, der nichts mit der Todesnatur zu tun hat. Die Todesnatur fährt fort, ihre Materie zur Belebung der sterblichen Seelen zu sammeln. Wenn aber eine sterbliche Seele auf die Stimme der Befreier hört, dann wird sie herausgezogen. In der Pistis Sophia heißt es weiter: „Als die Paralemptore der Sonne und die Paralemptore des Mondes aufwärts schauten und die Konstellationen der Bahnen der Äonen und des Schicksals und die der Sphäre erblickten, nahmen sie die Lichtkraft von ihnen. Die Paralemptore der Sonne bereiteten sie zu und bewahrten sie, bis sie diese den Paralemptoren Melchisedeks, des großen Lichtreinigers, übergaben. Ihren stofflichen Abfall brachten sie zur Sphäre unterhalb der Äonen. Sie formten daraus Seelen für Menschen [..], dem Kreislauf der Archonten jener Sphäre und den Stellungen ihrer Umdrehung entsprechend, und stießen sie in die Welt der Menschheit.“ Sie wissen vielleicht, und die Wissenschaft hat es auch erklärt, dass Sonne und Mond große Reiniger und Beleber im gewöhnlichen Naturfeld sind. Die Sonne ist das große Lebensprinzip in unserem Naturfeld. Und in mehrfachem Sinn könnten wir nicht leben und unsere Mikrokosmen könnten sich nicht behaupten, wenn es keine Sonnenkraft gäbe. In der Schule des Goldenen Rosenkreuzes wird bekanntlich oft über elektromagnetische Strahlungen gesprochen. Die elektrischen Strahlen kommen von der Sonne zur Unterstützung und Belebung der übrigen allgemeinen magnetischen Strahlungen. Durch die elektrische Kraftstrahlung der Sonne werden die übrigen Strahlungen der Äonen fühlbar und wirksam. Und der Mond ist in diesem Prozess in gewissem Sinn ein genaues Instrument. Die Sonne ist die fundamentale Kraft, während der Mond die regelnde Kraft ist, die schließlich offenbart. Es gibt keinen einzigen Einfluss des Tierkreises und des Son199

nensystems, der nicht erst durch den Mond belebt wird, um positiv wirksam sein zu können. Aus dieser zweifachen Wirksamkeit von Sonne und Mond – als Beleber und Offenbarer – ist auch zu erklären, dass man im Altertum die Sonne männlich und den Mond weiblich sah und man vom Sonnengott und von der Mondgöttin sprach. So wie es im Reich der Natur des Todes ist, so ist es auch im Reich der Natur des Lebens. So wie es in der Natur des Todes Sonne und Mond mit äußerster Wirksamkeit für alle Naturprozesse gibt, so gibt es ebenfalls Sonne und Mond als zwei Brennpunkte in der Natur des Lebens. Wie viele heilige Schriften, Mythen und Legenden gibt es doch, die von einer Sonne hinter der Sonne (Vulkanus) und von einem Mond hinter dem Mond berichten! Sie sprechen von der unsichtbaren Sonne und dem unsichtbaren Mond als wirksamen Körpern in einem unbekannten und für das dialektische Auge unsichtbaren Universum. So wie in der Natur des Todes eine Universelle Bruderschaft existiert, die nicht aus der Todesnatur zu erklären ist, eine Bruderschaft zur Rettung der gefallenen Mikrokosmen, so gibt es naturnotwendig zum Dienst dieser Bruderschaft eine Sonne hinter der Sonne und einen Mond hinter dem Mond. Es ist also in unserem Sonnensystem ein Sonnenkraftfeld und ein Mondkraftfeld wirksam, die Sie nicht mit der Ihnen bekannten Sonne und unserem Mond assoziieren können, deren Stand, Phasen und Wirkungen nicht auf die gewohnte Weise berechnet werden können. Auf diese beiden Kraftfelder weist nun die Pistis Sophia hin. Sobald der Schüler mit dem großen und herrlichen Werk der Wiedergeburt gemäß den Methoden und Prinzipien der fünffachen universellen Gnosis beginnt, wird er mit dem unsichtbaren Sonnenkraftfeld und dem entsprechenden Mondkraftfeld verbunden. Diese Sonne wird seine belebende Kraft. Und durch diesen Mond wird das neue Leben prozessmäßig in ihm offenbar. Wenn für den Kandidaten auf dem Pfad diese Sonne aufgeht, geht sie niemals mehr unter. Und wenn für ihn dieser Mond strahlt, dann wird er wegen der offenbarenden Wirkungen dieser Kraft durch alle Widerstände und Begrenzungen geleitet. In der Todesnatur steht der Mensch unter der Leitung der Sonne und des Mondes dieser Natur. Das ist eine naturwissenschaftliche Tatsache. Wenn nun durch den Prozess der Eckstein-Freimaurerei eine neue Lichtkraft im Mikrokosmos offenbar wird, dann werden die »Paralemptore« der Sonne und des Mondes der Mysterien diesen Mikrokosmos in ihr System hineinziehen. Die Lichtkraft wird dann aus der Natur des Todes hinweggenommen und den Wächtern Melchisedeks übertragen. Vor Jahrtausenden wurden diese Wächter bereits Brüder der Sonne genannt, die Söhne der Weisheit und des Feuernebels. Für jene, vor denen diese neue Sonne aufgeht, ist der ewige Tag angebrochen. Sie haben die Sonne und den Mond der dialektischen Natur nicht mehr nötig, denn die Ewigkeit in der Zeit hat sich ihnen geoffenbart.

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Als ich zu den Vorhängen des dreizehnten Äons aufstieg und dort angelangt war, schoben sie sich von selbst beiseite und öffneten sich vor mir. Ich trat in den dreizehnten Äon ein und fand die Pistis Sophia unterhalb des dreizehnten Äons ganz allein, da niemand bei ihr war. Sie saß dort betrübt und voller Trauer, weil man sie nicht zum dreizehnten Äon, ihrem höheren Gebiet, zugelassen hatte. Sie war auch betrübt wegen der Qualen, die ihr Authades, einer von den Dreimalgewaltigen, zugefügt hatte. Sobald ich mit euch über seine Ausbreitung spreche, will ich euch das Mysterium erklären, wie ihr das geschehen konnte. Als die Pistis Sophia mich sah, der ich überaus leuchtete in einem unermesslichen Lichtglanz, geriet sie in große Aufregung und blickte auf das Licht meines Kleides. Sie sah darin das Mysterium ihres Namens und den vollen Glanz dieses Mysteriums. Denn sie hatte sich vorher im Ort der Höhe, im dreizehnten Äon befunden, wo sie das höhere Licht zu preisen pflegte, das sie innerhalb der Schleier der Schatzkammer des Lichtes gesehen hatte. Als sie fortfuhr, dieses Licht in der Höhe zu preisen, blickten alle Archonten bei den beiden großen Dreimalgewaltigen und ihr Unsichtbarer, der mit ihr verbunden ist, sowie alle die anderen zweiundzwanzig unsichtbaren Emanationen nach dem Licht. Denn die Pistis Sophia und ihr Verbundener, sowie die anderen zweiundzwanzig unsichtbaren Emanationen bilden zusammen die vierundzwanzig Emanationen, die von dem großen unsichtbaren Urvater und den beiden großen Dreimalgewaltigen emaniert wurden.

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Pistis Sophia, Abschnitt 29 Kapitel 32

Die Betrübnis der Pistis Sophia In dem hiervor zitierten Kapitel 29 beginnt die Geschichte der Pistis Sophia selbst. Pistis Sophia ist die Andeutung für die nach Weisheit und Befreiung dürstende Seele, die entdeckt hat, dass die Natur des Todes unmöglich die Gottesnatur sein kann. Diese Seele hat erfahren, dass die Dialektik eine Täuschung ohne Ende ist, und sie steht der erscheinenden Naturordnung mit ihren zwölf Äonen abweisend gegenüber. Wir finden diese Pilgerin am Beginn des Kapitels 29 in großer Betrübnis vor den Vorhängen des dreizehnten Äons. Ein Äon ist eine seltsame Schöpfung kosmischer Art, die durch sterbliche Seelen geschaffen wurde. Es ist vielleicht gut, darauf noch einmal zurückzukommen. Der 201

Makrokosmos wird durch zwölf starke astrale magnetische Strömungen beherrscht. Jede dieser Strömungen beeinflusst und beherrscht einen Teil des Mikrokosmos und der darin auftretenden sterblichen Seele. Außerdem leiten diese zwölf magnetischen Ströme die Prozesse der Geburt, des Lebens und des Todes sowie die darauf folgenden Prozesse der Auflösung und Zusammenfügung jeder sterblichen Seele. Diese zwölf magnetischen Strömungen sind auch verantwortlich für die Entstehung der dreifachen Kräfte in der sterblichen Seele, nämlich Wille, Verstand und Begehren. Diese drei Kräfte bestimmen zusammen das Bewusstsein oder das Ich. Jede dieser drei Kräfte besitzt drei Vermögen: das Vermögen zur Anziehung, zur Abstoßung und zur Neutralisation. Mit diesen drei Vermögen sind im Zusammenwirken unzählige Seelen-Aktivitäten möglich. Die Handlungen, die daraus entstehen, verursachen den Lebenszustand des Individuums in seinen Auf- und Niedergängen. Mit diesen drei Vermögen können von der sterblichen Seele große, gewaltige schöpferische Handlungen ausgeführt werden, zum Beispiel das Erschaffen von Gedankenbildern. In dem großen Ringen der Seele, um zu leben, das Leben zu erhalten und im Daseinskampf zu bestehen, in diesem atemberaubenden Streit gegen unermessliche Drohungen und von tausend Ängsten ergriffen, bevölkert die Seele ihre Lebenssphäre mit unzähligen Gedankenbildern der verschiedensten Art. All diese unzähligen Gedankenbilder der zahllosen menschlichen Seelen sind in zwölf Klassen oder Gruppen aufteilbar. Etwas in all diesen Gedankengespinsten beantwortet primär eine der zwölf großen astralen Strömungen. So können Sie sich vorstellen, dass all diese Gedankenbilder aller Menschen sich nach allgemeinen Vibrationsgesetzen zu zwölf sehr mächtigen, von Menschen erschaffenen und erhaltenen Kräften zusammenfügen. Einerseits werden sie von den zwölf makro-kosmischen Strömen und andererseits von den fortwährenden Gedankenströmen der Menschen ernährt. Aus dieser Wechselwirkung zwischen den zwölf astralen Kräften und den sterblichen Seelen entstehen zwölf Anomalien, zwölf monströse Gebilde, die naturwissenschaftlich zu erklären sind und das dialektische Universum stets mehr erfüllen und täuschen. Denn diese zwölf Monster mit allen ihren Wirkungen und Nebenwirkungen werden in einem gegebenen Moment das gesamte dialektische System beherrschen und aus seiner Bahn stoßen. Darum ist immer wieder eine große Säuberung und ein neuer Tag der Offenbarung notwendig. Die Mikrokosmen müssen immer wieder aus dem Griff der zwölf Monster, die sie selbst geschaffen haben, befreit werden. Würde eine solche Reinigung nicht stattfinden, müsste die Rettung der Mikrokosmen stagnieren und der gesamte dialektische Makrokosmos würde erstarren, wie in Dantes Hölle richtig festgestellt wird. Diese zwölf Monster werden in der Pistis Sophia die zwölf Äonen genannt. Die Archonten der Äonen lenken die Aufmerksamkeit auf die vielen Wirkungen, die von ihnen ausgehen. Alle Götter-Verehrung und -Anbetung der Menschheit, das ganze 202

bunte Bild der naturreligiösen oder okkulten Aktivität hängt damit zusammen. Wenn Sie dabei mitgemacht haben oder es noch tun, dann ist auch Ihr Gott damit verbunden, dann sind auch Sie gebunden, mit allen entsprechenden Folgen und Schmerzen! Der dreizehnte Äon ist die Folge des absoluten »Nein«, das suchende und ringende Seelen zu dieser Welt sagen. Wenn Sie durch Erfahrung mürbe geschlagen sind und sich an Mauern totgelaufen haben und der unaufhörlichen Wiederkehr der Dinge überdrüssig sind, dann gehen von Ihrem »Wollen, Denken und Begehren magnetische Stöße aus. Dann erschaffen Sie zusammen mit Ihren Schicksalsgenossen ein neutrales kosmisches Feld, das nicht von dieser Welt ist, aber auch noch nicht von einer neuen Welt. Man könnte dieses Feld mit einer Pforte vergleichen, aus der ein Licht strömt und ein mächtiges magnetisches Ziehen. Hinter dieser Pforte liegt die Natur des Lebens. Wenn Sie sich dieser Pforte nähern und die Schleier dermaßen weggeschoben werden, dass Sie das Licht und das magnetische Ziehen erfahren, dann sind Sie wie die Pistis Sophia in einer Phase, die so beschrieben wird: „Sie saß dort betrübt und voller Trauer, weil man sie nicht zum dreizehnten Äon, ihrem höheren Gebiet, zugelassen hatte.“ Sie konnte dort noch nicht aufgenommen werden wegen des Leides, das Authades - Wörtlich: der Eigenwillige - ihr angetan hatte, eine der dreifachen Kräfte. Die Ursache ihres Leidens und ihrer Stagnation lag aber in ihr selbst beschlossen. Authades ist der menschliche Wille, das dreifache Willenswesen der sterblichen Seele. Er ist das magische Instrument der Seele, und darum sind die Ergebnisse, die Folgen des Willens immer am meisten bindend. Der Mensch kann die Dinge begehren und bedenken, sobald er sie jedoch will, werden Begierden und Gedanken konkrete stoffliche Erscheinungen, die ihn an die Welt binden, in der sie ins Dasein kommen. Die Pistis Sophia, die ihre Pilgerfahrt bis zu den Pforten des dreizehnten Äons fortgesetzt hat, erfährt die Bindungen, die durch Authades entstanden sind. Denn die dreifachen Kräfte werden aufgrund ihrer Geburt fortwährend von den magnetischen Systemen des aurischen Wesens und des Gehirns genährt. Daher sitzt die Pistis Sophia betrübt und trauernd vor den Pforten des dreizehnten Äons. Niemand ist bei ihr. Aber sie irrt sich. In einem bestimmten Augenblick sieht sie das Lichtkleid der hierophantalen Bruderschaft, die sich ihr nähert. Das gesamte Potenzial der rettenden Kräfte kommt zu ihr. Sie erhebt sich aus ihrer trüben Sphäre und gerät in Aufregung. Denn da die Bruderschaft sie nun im magnetischen Hirnsystem berührt, erkennt sie innerlich, dass sie – obwohl ihre Entwicklung blockiert ist – doch zum dreizehnten Äon gehört. 203

Sie sieht das Mysterium ihres Namens und seinen vollen Glanz, denn kraft des Anderen in ihr gehörte sie einmal zum Rosenhof. Und aufgrund ihres Pilgertums war sie gewohnt, den vollen Glanz des ursprünglichen Lichtes zu loben und ihm zu danken. Als nun die Seligkeit der primären magnetischen Verbindung über sie ausgegossen wird, setzt sie ihre Lobgesänge fort und ist erfüllt von Freude und Begeisterung. Sie wird elektromagnetisch dem Einfluss des Authades entzogen, und all das hat äußerst merkwürdige Folgen. Denn in einem gegebenen Moment zeigt sich, dass außer der Pistis Sophia und dem Unsichtbaren, der mit ihr verbunden war, auch die zweiundzwanzig anderen Unsichtbaren nach dem Licht der Gnosis blicken. Hier wird die Aufmerksamkeit auf die zwölf Paar Gehirnnerven gelenkt und auf die Kräfte, die sie durchströmen, sowie auf die Lebensmöglichkeiten, die sich dadurch entwickeln. Die zwölf Äonen, die zwölf Monstrositäten, offenbaren sich in den zwölf Paar Gehirnnerven durch das magnetische Hirnsystem. Und die Tatsache, dass alle vierundzwanzig Unsichtbaren in einem bestimmten Moment in das Licht blicken, das aus der Pforte der Mysterien strömt, ist ein Beweis dafür, dass diese Jünger des magnetischen Gehirnsystems dem Griff der zwölf Monstrositäten entzogen und durch neue magnetische Beeinflussung auf ein neues Lebensfluidum gerichtet wurden, auf das Elixier des neuen Lebens. Wissen Sie, warum in der Pistis Sophia über vierundzwanzig Schöpfungen, von vierundzwanzig schöpferischen Kräften gesprochen wird? Die drei dreifachen Kräfte des Verstandes, des Willens und des Begehrens benutzen das Nervenfluidum, um sich zu offenbaren und zur Geltung zu bringen. Das Nervenfluidum ist das magnetische Fluidum, unser Lebensatem, unser Lebensgeist. So wie unser Blut die Form erschafft und unterhält, so gibt das Nervenfluidum der Form Inhalt, Bedeutung und Ziel. Wenn das Leben in der Form erstarrt ist, dann muss zuerst das Blut angegriffen werden, damit die Kristallisation durchbrochen wird und das so befreite Leben einen neuen Inhalt erhalten kann. Die Geistesschule des Goldenen Rosenkreuzes geht mit ihren Schülern einen Weg, auf dem das Blut angegriffen und das Leben erneuert wird, damit jeder Kandidat einmal über vierundzwanzig neue Schöpfungen verfügen kann. Als Jesus das zu seinen Jüngern gesagt hatte, trat Maria nach vorn und sprach: »Herr, ich habe Dich einst sagen hören, dass die Pistis Sophia selbst eine von den vierundzwanzig Emanationen ist. Warum befindet sie sich nicht in ihrem Gebiet? Denn Du hast gesagt, dass Du sie unterhalb des dreizehnten Äons gefunden hast.«

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Die Geschichte der Pistis Sophia Jesus antwortete und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia sich im dreizehnten Äon befand, im Gebiet all ihrer Brüder, der Unsichtbaren, der vierundzwanzig Emanationen des großen Unsichtbaren, wandte sie auf Befehl des Ersten Mysteriums ihren Blick in die Höhe und sah das Licht im Vorhang der Schatzkammer des Lichtes. Sie sehnte sich danach, zu diesem Gebiet zu gelangen, aber sie war dazu nicht imstande. Sie hörte jedoch auf, das Mysterium des dreizehnten Äons zu vollbringen, sondern lobte das Licht in der Höhe, das sie im Lichtvorhang der Schatzkammer des Lichtes gesehen hatte. Als sie fortfuhr, das Gebiet in der Höhe zu preisen, da hassten sie alle in den zwölf Äonen lebenden Archonten, weil sie nicht mehr an ihren Mysterien teilnahm und danach verlangte, zur Höhe zu kommen und sich über sie alle zu stellen. Deswegen zürnten sie ihr und hassten sie. Ebenso hasste sie die große dreifache Kraft Authades, der dritte Dreimalgewaltige aus dem dreizehnten Äon, der ungehorsam gewesen war, weil er all das Gereinigte seiner inneren Kraft nicht ausgestrahlt, noch das Gereinigte seines Lichtes abgegeben hatte zur Zeit, da die Archonten ihr Gereinigtes abgaben, weil er Herrscher über den gesamten dreizehnten Äon sein wollte und über die, welche sich unterhalb von ihm befinden. Als nun die Archonten der zwölf Äonen sehr zornig auf die Pistis Sophia waren und sie sehr hassten, da schloss sich die große dreifache Kraft Authades, von dem ich euch soeben erzählt habe, den zwölf Äonen an. Auch er zürnte der Pistis Sophia und hasste sie, weil sie zu einem Licht aufsteigen wollte, das höher war als er. Er schuf aus sich selbst eine große Kraft mit einem Löwenkopf, und aus der Materie in sich schuf er eine Menge anderer stofflicher, sehr mächtiger Geschöpfe. Er sandte sie zu den niederen Gebieten, zu den Orten des Chaos, um dort die Pistis Sophia zu bedrängen und ihrer Kraft zu berauben, weil sie danach verlangt hatte, zu der Höhe zu gehen, die über ihnen liegt, und weil sie außerdem aufgehört hatte, ihre Mysterien zu vollbringen, sondern immer nur trauerte und sich nach dem Licht sehnte, das sie gesehen hatte. Auch die Archonten, die ihre Mysterien weiterhin vollbrachten, hassten sie, ebenfalls alle Wächter an den Toren der Äonen. Auf Befehl des Ersten Gebotes verfolgte der große, dreimalgewaltige Authades, der einer von den Dreimalgewaltigen ist, die Pistis Sophia im dreizehnten Äon, um sie dazu zu bewegen, in die niederen Gebiete zu blicken, so dass sie dort seine Lichtkraft – die mit dem Löwenkopf – sehen und begehren würde, zu jenem Ort zu gehen, so dass man ihr dort ihr Licht rauben könnte. Als sie nach unten blickte und seine Lichtkraft in den unteren Gebieten wahrnahm, wusste sie nicht, dass es die Lichtkraft des dreimalgewaltigen Authades war. Sie dachte, dass sie aus dem Licht käme, das sie zu Beginn in der Höhe erblickt hat205

te, welches aus den Vorhängen der Schatzkammer des Lichtes stammte. Und sie dachte bei sich: »Ich will ohne meinen Verbundenen zu jenem Gebiet herabsteigen und das Licht nehmen, um daraus für mich selbst Lichtäonen zu schaffen, damit ich imstande bin, zum Licht der Lichter in der höchsten Höhe zu gehen.« Während sie das dachte, verließ sie ihr Gebiet, den dreizehnten Äon, und ging hinab zu den zwölf Äonen. Da verfolgten sie alle Archonten der Äonen, die wütend auf sie waren, weil sie an große Herrlichkeit gedacht hatte. Sie verließ aber auch die zwölf Äonen und kam in die Gebiete des Chaos hinab und näherte sich der Lichtkraft mit dem Löwenkopf, um sie zu verschlingen. Da umringten sie aber alle stofflichen Emanationen des Authades. Die große Lichtkraft mit dem Löwenkopf verschlang alle Lichtkräfte der Pistis Sophia. Man filterte ihr Licht und verschlang es. Ihre Materie wurde zum Chaos gestoßen. Dort befand sich ein Archont mit einem Löwenkopf, dessen eine Hälfte feurig und dessen andere Hälfte finster war, nämlich Jaldabaoth, von dem ich oft zu euch gesprochen habe. Als dieses geschehen war, wurde die Pistis Sophia sehr schwach, und die Lichtkraft mit dem Löwenkopf begann erneut, sie aller Lichtkräfte zu berauben, während alle stofflichen Kräfte des Authades sie einschlossen und in Bedrängnis brachten.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 30-31 Kapitel 33

Der Einfluss des Authades Die Pistis Sophia ist der Mensch, der Kandidat, der Schüler, der nach dem neuen befreienden Leben strebt. So fanden wir die Pistis Sophia vor den Pforten des dreizehnten Äons, also bereits hinter den Vorhängen dieser Pforte und daher schon mit dem neuen Lebensstrom verbunden. Und wir lesen: Ich trat in den dreizehnten Äon ein und fand die Pistis Sophia unterhalb des dreizehnten Äons ganz allein, da niemand bei ihr war. Sie saß dort betrübt und voller Trauer, weil man sie nicht zum dreizehnten Äon, ihrem höheren Gebiet, zugelassen hatte. Sie war auch betrübt wegen der Qualen, die ihr Authades, einer von den Dreimalgewaltigen, zugefügt hatte. Sobald ich mit euch über seine Ausbreitung spreche, will ich euch das Mysterium erklären, wie ihr das geschehen konnte. Wir haben Ihnen ausführlich erklärt, dass Authades der dialektische menschliche Wille ist, das dreifache, sehr magische Willenswesen der sterblichen Seele. Nun können Fragen auftauchen, zum Beispiel: »Wie ist es möglich, dass jemand in den 206

dreizehnten Äon gelangt ist, also im Feld der Erneuerung aufgenommen wurde und doch allein gelassen wird, folglich zu seinem höheren Gebiet nicht durchgelassen wird?« Der Autor dieser Schrift hat diese Bedenken vorausgesehen, denn er lässt Maria, die zu den Jüngern gehört, diese Bedenken äußern: Herr, ich habe Dich einst sagen hören, dass die Pistis Sophia selbst eine von den vierundzwanzig Emanationen ist. Warum befindet sie sich nicht in ihrem Gebiet? Denn Du hast gesagt, dass Du sie unterhalb des dreizehnten Äons gefunden hast. Wir wollen versuchen, die Antwort auf diese Frage anhand der Kapitel 30 und 31 der Pistis Sophia zu finden. Sie müssen sich dann zuerst vollkommen mit der Pistis Sophia identifizieren. Ferner müssen Sie sich darüber klar werden, dass der gesamte Erlösungsplan und das Erlösungswerk der Gnosis sich auf eine neue magnetische Verbindung mit dem Kandidaten auf dem Pfad stützt. Der Natur nach brauchen Sie die zwölf astralen Kräfte der Todesnatur. Sie leben daraus, Ihr Formwesen ist daraus entstanden. Wenn Sie davon erlöst werden wollen, dann dürfen Sie mit keinem einzigen Vermögen der Todesnatur einen Versuch der Befreiung unternehmen. Wenn Sie von dialektischer Kraft befreit werden wollen, dann können Sie keine dialektische Kraft anwenden, um sich von dieser Kraft zu lösen. Darum muss jeder, der sich entschließt, den Pfad der Erlösung zu gehen, die rettende, erlösende Kraft unmittelbar anwenden. Sie muss ihm also zur Verfügung stehen, damit er sie selbst anwenden kann. Dieses rettende Vermögen, die hochheilige, heilende und helfende Kraft, ist tatsächlich vorhanden und steht dem Kandidaten in vollem Umfang zur Verfügung. Wir nennen diese Kraft »Heiliger Geist« oder die »Kraft der Bruderschaft«, die »Kraft der Gnosis« und auch kurz »Gnosis«. Diese Kraft ist für Sie aktuell und in diesem Moment verfügbar. Aber natürlich müssen Sie sich nach den naturwissenschaftlichen Gesetzen dieser Kraft verhalten, um sie anwenden zu können. Sie können auch keinen ungeschützten Hochspannungsdraht mit bloßen Händen berühren. Sie müssen dazu einige Bedingungen erfüllen. Die Schule des Goldenen Rosenkreuzes ist ein in vielen Jahren geformtes, magisches Instrument, mit dessen Hilfe der heiligende Geist sich kraft der Gnosis auf mehrfache Weise offenbart. Sie könnten dabei an eine Transformationsstation denken. Die Schule des Rosenkreuzes ist in erster Linie ein Kraftfeld, was bedeutet, dass ein Einfluss gnostischer Art von außen auf den Schüler ausgeübt wird. Die Absicht ist, dass der Unterricht mit Hilfe dieser Kraft in der rechten Weise durchgeführt wird. Denn wenn der Schüler nicht – zweitens – auf diese Kraft reagiert, hat der Unterricht keinen Sinn. 207

Die dritte Offenbarung des Lebenden Körpers der Schule des Rosenkreuzes ist das Bekennen des Schülertums, wenn der Schüler im erforderlichen Maß auf die betreffende Kraft reagiert. Daher wirkt die Schule vorausleuchtend, strahlt Lichtkraft aus und verbindet mit dieser Lichtkraft. Das Ganze ist ein Freimaurer-Prozess, an dem jeder Schüler in Selbstautorität teilnehmen kann, wenn er sich an die hohe Ordnung innerhalb der Schule hält. Wenn der Kandidat also richtig auf die gnostische Kraft reagiert und gleichzeitig die hohe Ordnung der Mysterien bewahrt, kann er in die Mitte der Brüder und Schwestern des dreizehnten Äons aufgenommen werden. Dann ist er nicht nur mit dem dreizehnten Äon verbunden, sondern darin aufgenommen. Arbeitet der Kandidat auf dieser dreifachen Basis der Schule, dann ist das seine Arbeitsgrundlage, dann sind das die Gnadengaben, die ihm geschenkt wurden. So im Arbeitsplatz der Freimaurer aufgenommen, kann er dann sein Werk ausführen und seinen Pfad gehen mit der Kraft und in der Kraft, die nicht von dieser Welt ist. Daher wird im dreißigsten Kapitel der Pistis Sophia nicht über einen Menschen gesprochen, der in seiner Entwicklung unendlich hoch über Ihnen steht, sondern es wird darin über Sie gesprochen. Was muss der Kandidat nun auf diesem Freimaurer-Arbeitsplatz tun? Darüber lesen wir: „Als die Pistis Sophia sich im dreizehnten Äon befand, im Gebiet all ihrer Brüder, der Unsichtbaren, der vierundzwanzig Emanationen des großen Unsichtbaren, wandte sie auf Befehl des Ersten Mysteriums ihren Blick in die Höhe und sah das Licht im Vorhang der Schatzkammer des Lichtes.“ Sie sind also in diesen magischen Arbeitsplatz aufgenommen, um sich auf den Ruf der Gnosis dem ursprünglichen Leben zuzuwenden, sich auf den ursprünglichen Lichtschatz zu richten. Völlig dem Plan, der Methode und der Ordnung entsprechend begehrte auch die Pistis Sophia, dieses Gebiet zu erreichen. Aber verstehen Sie es gut, »sie« konnte es nicht erreichen! Denn wer ist »sie«? Sie war ein dialektisches Wesen, eine sterbliche Seele, geboren und geworden aus der Todesnatur. Darum musste sie die Mysterien des dreizehnten Äons vollbringen, die fünffache Universelle Gnosis: Einsicht, Heilbegehren, Selbstübergabe, neue Lebenshaltung und Aufgang in das Wesen der Erneuerung. Das ist die Arbeit, die sie ausführen muss. Aber sie hörte auf, die Mysterien des dreizehnten Äons zu vollbringen und lobte nur das Licht des Himmels, das sie im Licht des Vorhanges der Schatzkammer des Lichtes gesehen hatte. So geschieht es oft bei einem Kandidaten. Er hört mit der Arbeit auf, um derentwillen er zur Schmiede zugelassen wurde. »Und welche Haltung nimmt er dann ein? 208

Die Haltung der reinen Betrachtung. Er findet die Philosophie der Schule großartig und alle Zusammenkünfte herrlich, aber er bleibt der gleiche Mensch, der er immer gewesen ist. Er behält die gleiche steinharte Ichzentralität und dieselbe Spannkraft in dem Streben seines Ichs. Die Anwesenheit in der Schmiede fordert jedoch vom Kandidaten, dass er kein Hörer des Wortes bleibt, sondern ein Täter des Wortes wird. Die Bruderschaft lässt daher einen Schüler nicht in einem solchen Zustand verharren. Der dreizehnte Äon kann das nicht dulden, kann einen solchen Zustand aus zwei Gründen nicht weiterbestehen lassen. Darum schreibt die Ordnung des dreizehnten Äons vor, dass eingegriffen werden muss, am liebsten in der gleichen Sekunde, in der sich das abweichende Verhalten zeigt. Die beiden genannten Gründe sind: Erstens kann dieser Zustand im Interesse der Schmiede nicht zugelassen werden, und zweitens auch nicht im Interesse des Kandidaten selbst. Wer positiv in dem mit gnostischer Kraft durchgeführten Prozess steht, der wird von dieser dreifachen Kraft entschieden beschirmt, gestärkt und weitergedrängt. Wer jedoch das Licht in allen Tonarten lobt und preist, ihm aber im Wesentlichen nicht im mindesten dient und in keiner Hinsicht Konsequenzen zieht, geht einem enormen Niedergang entgegen, der zu einer Katastrophe führt. Diese Katastrophe wird uns in der Pistis Sophia geschildert. Wir wollen das im folgenden Kapitel behandeln.

Kapitel 34

Der magnetische Konflikt Die ganze Natur des Todes und der dialektische Mensch werden bewegt und instand gehalten durch eine interkosmische astrale Kraft. Aus dieser Kraft ist alles Dialektische zu erklären. Soll von einer Rettung, von wirklicher, positiver, wahrnehmbarer Transfiguration gesprochen werden und soll die christliche Heilsoffenbarung kein Märchen sein und bleiben, dann muss bereits der erste Schritt auf dem Pfad der Erneuerung mit einer anderen astralen Kraft begonnen und vollzogen werden. Will man Erneuerung, dann muss naturnotwendigerweise auch eine Erneuerungskraft vorhanden sein. Diese Erneuerungskraft wird in der Bibel als der »Heilige Geist« angedeutet. Wir zeigten Ihnen auf, dass der Heilige Geist in der modernen Geistesschule auf dreifache Weise vorhanden ist und wirkt. Was viele Sekten aufgrund verwirrender Texte auszutragen meinen, was viele Kirchen zu besitzen behaupten und einige von ihnen imitieren, nämlich die Gnadenmittel des Heiligen Geistes, nach denen in der Welt so eifrig und leidenschaftlich gesucht wird, ist in der modernen Geistesschule von unten her 209

geboren und zur Tatsache geworden. Erneut ist die Arche oder das Himmelsschiff vollkommen bereit. Die drei Vermögen dieses Bauwerks bestehen aus: 1. einer Heilsoffenbarung, 2. einer Kraftfeld-Offenbarung 3. und einer magischen Erneuerungs-Offenbarung. Mit diesen drei Offenbarungen wird ein fünffacher Weg erschlossen, der Pfad der fünffachen Universellen Gnosis. Die Heilsoffenbarung ist kein äußerlicher Text, kein Buch und kein gesprochenes Wort. Nein, die Heilsoffenbarung öffnet sich vor dem Menschen, welcher der Natur nach zerschlagen ist und zum Sucher wird. Dann kann dieser suchende Mensch von einer neuen astralen Radiation getroffen werden, die eine neue Einsicht, eine total andere Einsicht reifen lässt. Die klassischen Rosenkreuzer nannten diese Berührung: »Durch den Geist Gottes entflammt werden«. Wer diese Berührung bis in das Blut erfahren hat, öffnet sich daraufhin für die Kraftfeld-Offenbarung. Diese befähigt ihn, den Weg des Heilbegehrens und der Selbstübergabe zu gehen. Das bedeutet: »In Jesus dem Herrn untergehen«. Damit ist selbstverständlich eine Veränderung der Lebenshaltung, der Lebensausrichtung und der Lebensauffassung verbunden, also eine totale Lebensreform. Und wer dafür die Beweise liefert, tritt im gleichen Augenblick in die dritte oder Erneuerungs-Offenbarung der Gnosis ein und erhält Anteil daran. Das ist der Prozess der Wiedergeburt aus dem Heiligen Geist. Es geht hier also um einen Strom aus drei mächtigen Wellen elektromagnetischer Art, der nicht aus der Todesnatur erklärt werden kann. Wir sprechen vom dreizehnten Äon oder von der Mysterienschule, wenn in der Todesnatur eine Menschengruppe auf diese drei Strahlen intelligent und organisiert reagiert. Eine solche Gruppe fährt wie ein Schiff als eine Einheit auf diesen drei neuen Wellen einem befreienden Ziel entgegen. Man kann sich vorstellen, dass es viele solcher Schiffe gibt, die schon eher in See gestochen und daher dem Ziel inzwischen näher gekommen sind. Aber alle diese Fahrzeuge, alle Himmelsschiffe, bilden eine Kette, eine lebendige höhere Einheit. Alle sind in einer Ordnung verbunden, richten sich auf das gleiche Ziel und gehorchen dem gleichen Gesetz. Das ist das glorreiche Mysterium des dreizehnten Äons. Nun ist da ein Schüler, eine Pistis Sophia, die sich dem dreifachen Strom der gnostischen Offenbarung anvertraut hat. Wir finden diesen Schüler am Eingang hinter den Schleiern. Die Verbindung ist also entstanden, der Pilger ist an Bord gekommen. Genau wie alle anderen, wird auch er auf das Ziel der Reise ausgerichtet. Und als Mitreisender ist er verpflichtet, sich entsprechend zu verhalten und alle Arbeit mitzuverrichten. Die Pistis Sophia, die Anteil erhalten hat am dreizehnten Äon, muss den 210

Blick auf das eine Ziel lenken, damit sie den Vorhang des Lichtschatzes sieht. Aber jetzt entwickelt sich ein Zwischenfall. Die Pistis Sophia hörte auf, die Mysterien des dreizehnten Äons zu vollbringen. Sie lobte das Licht nur, tat jedoch nichts, um es zu verwirklichen. Sie war auf andere Dinge gerichtet und nutzte den dreizehnten Äon für eigene Zwecke. Sie versuchte also, den Kurs des Schiffes zu ändern. Sie werden verstehen, dass das ausgeschlossen ist. Also folgte ein Bruch. Die Einheit der drei primären Strahlen wurde zerbrochen. Die Pistis Sophia wurde allein gelassen, niemand war bei ihr. Sie saß betrübt und voller Trauer da, weil man sie nicht in ihr höheres Gebiet aufgenommen hatte. Das müssen Sie gut verstehen. Prinzipiell ist das neue Lebensfeld Ihr höheres Gebiet. Sie können mit der Mysterienschule, dem neuen Schiff des dreizehnten Äons, dieses neue Feld bereisen, vorausgesetzt, Sie fügen sich dem Kurs, der Arbeitsweise und dem Ehrenkodex. Wenn Sie das nicht wollen, dann ist das Ihre Sache. Niemand wird Sie zwingen. Aber es wäre höchst unsittlich, Ihre Mitreisenden zu zwingen, mit Ihnen den Kurs zu ändern und den dreifachen gnostischen Strom zu verlassen. Noch einmal, prinzipiell, kraft Ihres innerlichen Wesens, ist das neue Lebensfeld Ihr höheres Gebiet wie auch das unsere. Wollen Sie dieses Feld jedoch erreichen, dann muss das durch eine Fahrt in einer Richtung und mit vollkommener Koordination aller dazu bestehenden Möglichkeiten geschehen. Das wollen einige leider nicht, und wir können das nur als sehr unintelligent bezeichnen. Auch die Pistis Sophia wollte es nicht. Sie gab den Gehorsam dem Werk gegenüber auf und wurde daher zurückgelassen. Es gab keine andere Möglichkeit. Nun steht da: Sie saß dort betrübt und voller Trauer. Die Art dieser Betrübnis müssen Sie ebenfalls gut erkennen. Sie entstand aus der Tatsache, dass ihr negatives Streben blockiert wurde, dass sie an der Ausführung ihrer Absichten gehindert wurde, die für die gesamte Mysterienschule höchste Gefahren enthielten. Sie werden doch erkennen, dass man vom gnostischen Standpunkt aus unmöglich Respekt vor einer derartigen Betrübnis haben kann und dass in solchem Schmerz keine einzige Möglichkeit zur Hilfe vorhanden ist? Es ist doch logisch, dass die Gnosis sich einem solchen Schmerz gegenüber steinhart zeigen muss. Wie viel Schmerz haben Sie bereits hinter sich wegen der Tatsache, dass Ihre ichzentralen Motive kein Resultat brachten? Haben Sie bei einem derartigen perfiden Streben jemals die Hilfe der Bruderschaft erfahren? Was ist Schmerz? Schmerz ist eine Gemütsbeschaffenheit, eine Blutsvibration, eine Nervenvibration und eine Reaktion auf eine Enttäuschung. Wenn man sich in einem solchen Zustand befindet, wird er durch eine hormonale Wirkung befestigt. Und man verstärkt diesen Zustand, wenn man sich mit seinen Gedanken vollständig dieser Enttäuschung überlässt und dabei verharrt, gegen die vermeintliche Ursache zu kämpfen. 211

Wir würden uns glücklich preisen, wenn Sie verstehen, dass die Geistesschule in einer solchen Situation verpflichtet ist, sehr prinzipiell zu bleiben, auch wenn es genügend Gründe für Mitleid gibt. Die Einsamkeit, in welche die Pistis Sophia gestürzt wird, ist denn auch vollkommen erklärbar. In dieser Einsamkeit liegt für sie die einzige Möglichkeit zur Hilfe. Denn in einem gegebenen Moment steigt in ihr eine andere Trauer auf. Sie wissen, dass Authades das dreifache, magische Willenswesen der sterblichen Seele ist. Authades ist die Ursache für das Unheil, das die Pistis Sophia über sich selbst aufgerufen hat. Ein Saatkorn besitzt drei Elemente, drei Kräfte, drei Ansichten. Es enthält ein Lebens-prinzip, ein Lebensziel und eine Lebenskraft, die dem Ziel unterworfen ist und mit ihm übereinstimmt. Denken Sie an ein Weizenkorn. Es besitzt ein Lebensprinzip und auch ein Ziel, nämlich das Bilden des Weizenhalms, der Weizenpflanze und das Hervorbringen der Frucht, die der eigenen Art entspricht. Das Lebensziel des Saatkorns kann niemals verändert werden, es kann keine andere Pflanze daraus wachsen. Die Lebenskraft dient dem Ziel als dynamisches Vermögen, das im Korn vorhanden ist, um sich dem Ziel nach zu beweisen. Alles erscheinende Leben reagiert auf die Manifestation dieser drei Elemente. Auch die sterbliche Seele hat ein Lebensprinzip, ein Lebensziel und eine Lebenskraft. Das Prinzip nennen wir Bewusstsein mit allem, was dazugehört. Das Ziel drückt sich im Begehren aus und in dem, was dazugehört. Die Lebenskraft äußert sich im Willen und in dem, was dazugehört. Und so wie das Saatkorn einem Gesetz unterworfen ist, so ist es auch die sterbliche Seele. Sie kann niemals unsterblich werden. Der Wille ist die große, schöpferische, beweisende Ansicht im Menschen. Was im Bewusstsein lebt und im Begehren gehegt wird, kommt durch den Willen zur Offenbarung. Da der Mensch durch seine Natur an die Äonen der Natur des Todes gebunden ist und auch aus dieser Natur erklärt werden muss, ist Folgendes selbstverständlich: Wenn die Pistis Sophia in den dreizehnten Äon oder in die Mysterienschule eintritt, entsteht eine große, fundamentale Schwierigkeit, die jeder Schüler erfahren wird, nämlich der große Streit mit Authades, mit dem eigenen Willen. Ihr Wille ist nach den Rezepten der Todesnatur zusammengesetzt. Wenn Sie nun Ihren Willen der Gnosis in ihrer dreifachen Offenbarungsstrahlung in der Mysterienschule übergeben und Sie daher in einem anderen Dreieck stehen, entwickelt sich ein großer Konflikt mit den magnetischen Gesetzen der Natur des Todes. So wie Biologen versuchen, die Eigenschaften der Saat bestimmter Pflanzen zu verändern, in dem Wissen, dass sie, wenn das gelingt, das Leben nach ihren Wünschen dirigieren können, so geht auch die Geistesschule ans Werk. Sie ist tatsächlich ebenfalls ein Arbeitsplatz für Biologen, an dem die transfiguristische, biologische Magie ausgeübt wird. 212

Aber Sie werden verstehen, was die transfiguristische Biologie versucht. Es gibt zwei Saatatome im Mikrokosmos: Das Saatatom der sterblichen Seele, das immer wieder belebt wird, und das Uratom, die Rose. In der Geistesschule wird versucht, das sterbliche Seelenatom negativ zu beeinflussen und das unsterbliche Atom positiv. Das kann nur gelingen, wenn die sterbliche Seele sich unter sehr unnatürlichen Bedingungen den drei Strömen des Heiligen Geistes anvertraut. Dann enduriert das sterbliche Seelenatom, und das unsterbliche Atom wird dadurch emaniert, wodurch das gesamte Wesen transfiguriert. Das ist die Alchimie der Geistesschule. Wenn Sie darin aufgehen wollen, dann müssen Sie in Konflikt geraten mit Authades, dem dreifachen magischen Willen der Todesnatur. Es ist so, wie der Prolog des Johannes-Evangeliums deutlich sagt: Der Wille des Fleisches, der Wille des Mannes, der Wille der denkenden, sterblichen Seele muss untergehen. „Als sie [Pistis Sophia] fortfuhr, das Gebiet in der Höhe zu preisen, da hassten sie alle in den zwölf Äonen lebenden Archonten, weil sie nicht mehr an ihren Mysterien teilnahm und danach verlangte, zur Höhe zu kommen und sich über sie alle zu stellen.“ Der magnetische Konflikt beginnt. Zuerst ist es ein Zustand, der noch außerhalb der Seele liegt. Doch schon bald wird es ein innerlicher Konflikt. Deswegen zürnten sie ihr und hassten sie. Der Schüler tritt natürlich mit seinem gewöhnlichen Willenswesen in die Geistesschule ein. Das müssen Sie gut einsehen. Wenn sich dann in der Seele der Konflikt entwickelt, dann kann sich das sehr leicht in der Schule rächen. Und da die Seele, die sich in diesem Konflikt befindet, zuerst den Weg des geringsten Widerstandes gehen will, versucht sie, die unheiligen Willensspannungen, die immer dialektisch sind, kraft des biologischen Naturgesetzes in der Schule auszuleben. Daher schließt sich Authades den Äonen der Todesnatur an. Der Konflikt erreicht seinen Höhepunkt. Der Wille ist erzürnt wegen des gnostischen Drängens, das in der Pistis Sophia ebenfalls wirksam ist. Der Wille widersetzt sich dem Ehrenkodex der Mysterienschule und geht dazu über, sich selbst zu einer großen Kraft mit dem Löwenkopf zu erschaffen. Sobald die naturnotwendig in den Konflikt gejagte Seele die Kraft mit dem Löwenkopf zeigt, ist die Geistesschule mehr als je zuvor auf ihrer Hut. Denn aus dieser Kraft wird die sich widersetzende Seele ihren Widerstand motivieren, idealisieren und ihm einen erhabenen religiösen oder höchst moralischen Anstrich geben. Dann hören wir: »Die Schule macht Fehler, und ich bin gut. Die Schule geht zugrunde, und bei mir ist die Wahrheit.« Sie kennen doch die Masken des Todes, diesen Mantel der Gerechtigkeit, in den man sich so gern hüllt? Das alles und die entsprechenden Folgen muss die Pistis Sophia durchleiden und durchkämpfen bis zum Ende. Und die Wächter an den Pforten lassen sie nicht hin213

ein, solange sie sich nicht von diesem perfiden Wahn befreit hat.

Kapitel 35

Die Kraft mit dem Löwenkopf Wenn ein Mensch als Schüler in die Geistesschule eintritt, ist im Wesentlichen bei ihm noch nichts verändert. Das suchende und strebende Element mag wichtig sein, aber ein solcher Zustand ist nur der Beweis dafür, dass ein Menschenkind in Not nach einem Ausweg sucht. Man tritt also in die Geistesschule auf der Basis des gesamten dialektischen Seinszustandes ein. Im Augenblick des Eintritts werden Sie mit dem Ihnen sehr entgegengesetzten Strahlungsfeld der Schule konfrontiert. Die drei dreifachen Kräfte in Ihnen werden dadurch unmittelbar auf sehr unpersönliche Weise attackiert. Ihr Denken, Ihr Begehren und Ihr Willensvermögen werden angegriffen. Sie wissen, dass der Wille das bei weitem magischste Vermögen im Menschen ist. Der Wille ist ein Feuer, ist die Kraft und das Bollwerk des Ichbewusstseins. Der Wille ist der sich selbst behauptende Hohepriester des Ichs im Menschen. Der Wille ist der Haudegen des Ichs. Dieser Authades will nun das Ziel, nach dem sich Ihre Seele sehnt und das Ihnen in der Geistesschule erklärt wird, durch seine eigenen Ziele ersetzen. Dadurch bricht unmittelbar der Konflikt aus. Zwei Gegensätze stehen sich unversöhnlich gegenüber. Jeder Mensch, der in seinem Wollen behindert wird oder dessen Wille sich als ohnmächtig erweist, sein Ziel zu erreichen, befindet sich in arger Verlegenheit. Jedoch dieser Kummer ist ein ichzentraler Protest. Und wo das Ich den Ton angibt, ist es unmöglich, dem Menschen Seelenwerte und seelenbefreiende Möglichkeiten nahe zu bringen. Wer jedoch einmal das Licht erfahren und die Weisheit erkannt hat, ist ein gezeichneter Mensch. Er wird zur einsamen, tragischen Gestalt, weil er entdeckt, in einem Niemandsland zu leben. Er findet keine Heimat mehr in der Welt, obwohl ihn die Welt durch seinen eigenen Willen festhält. Sollten Sie wahrlich von innen her die Geistesschule gesucht haben, dann müsste das Suchen doch aus der Not des Herzens geboren sein, aus der Tatsache, dass Sie an der Welt der Dialektik nichts mehr finden können? Diese Situation ist an und für sich schon ein Beweis dafür, dass Sie in Konflikt geraten sind mit dem magnetischen Strahlungsfeld der gewöhnlichen Natur. Es entsteht daher ein ganz neuer Zustand: Von der Seite des magnetischen Kraftfeldes der Schule folgt Neutralisation, von der Seite der Natur Feindschaft. In einem solchen Zustand kann der Mensch nichts anderes tun, als sich in Demut und voller Verständnis zum Licht zu wenden und um Hilfe zu bitten, so wie die Pistis Sophia ihre Reuegesänge singt, durch tiefe Verzweiflung getrieben. 214

In den meisten Fällen geht es jedoch nicht so. Der Mensch und gerade der willensstarke Mensch richtet sich selbst zugrunde durch diesen elenden Willenstrieb. Ihr Wille kann zur Leidenschaft werden, das heißt, er kann Sie beherrschen. Man kann von seinem Willenstrieb besessen sein. Der Wille, hinter dem der ganze Ichtrieb lodert, ist auch im hohen Maß stolz, außerdem ist er sehr magisch und schöpferisch. Die Pistis Sophia wurde aus dem dreizehnten Äon hinaus gewiesen und sitzt voller Leid da. Vor ihr droht die Einsamkeit wie ein gähnender Abgrund, hinter ihr lauert die Feindschaft. Und nun erhebt sich Authades mit all seinem Drängen. Auch er war erzürnt über die Pistis Sophia, weil sie zu einem Licht aufsteigen wollte, das höher ist als er. Und er schuf aus sich selbst die große Kraft mit dem Löwenkopf, was bedeutet, die Kraft der Imitation. Mit Hilfe dieser magischen Kraft in sich können Sie alles, was Ihnen zur Befreiung dient, alles, was des Geistes ist, imitieren. Dadurch kam es, dass die Pistis Sophia das Geistfeld um sich hin mit Hilfe falscher Bilder zu imitieren begann. Diese Phantome der Einbildung, durch den magischen Willen belebt, nehmen Gestalt an und wählen Domizile in den niederen Gebieten, den Gebieten des Chaos, um sie von dort aus zu belagern und sie ihrer Kraft zu berauben. Die ichgetriebene Seele versucht so, das Gleichgewicht wiederherzustellen und sich mit den Einbildungen des Willenstriebes zu trösten. Wenn Sie den Pfad nicht gehen wollen und doch traurig nach dem Pfad verlangen, obwohl Sie weiterhin darin versagen, das Mysterium des Pfades zu vollbringen, werden Sie in diesem unmöglichen Zustand ebenso wie die Pistis Sophia mitten in eine steinharte Realität geworfen. Das ist nichts anderes als das primäre Gesetz der Notwendigkeit, das auf sie angewandt wird, das sie selbst über sich aufruft. Dann lesen wir weiter: Auf Befehl des Ersten Gebotes verfolgte der große, dreimalgewaltige Authades, der einer von den Dreimalgewaltigen ist, die Pistis Sophia im dreizehnten Äon, um sie dazu zu bewegen, in die niederen Gebiete zu blicken, sodass sie dort seine Lichtkraft – die mit dem Löwenkopf – sehen und begehren würde, zu jenem Ort zu gehen, sodass man ihr dort ihr Licht rauben könnte. War der Pistis Sophia denn in der Situation, in die sie geraten war, noch etwas zu rauben? Welche Lichtkraft ist hier gemeint? Jemand, der Kontakt gehabt hat mit der Gnosis und vom Licht der Sonne des Geistes beschienen wurde, behält etwas davon. In Blut und Wesen nimmt er etwas davon mit, wenn er hinweggesandt wird. Und gerade dieser Zustand, dieser naturfremde Zustand und seine Kraft sind es, welche die Äonen zur Feindschaft veranlassen. Darum muss eine Versöhnung erfolgen, entweder mit der Gnosis, gemäß dem Gesetz der fünffachen Universellen Gnosis, oder mit der Natur des Todes. Ist 215

das letzte der Fall, wird jedoch jedes Lichtfünkchen gnostischer Art aus dem Wesen verschwinden, und das Blut wird dafür unempfänglich. Das Vakuum, in das die Pistis Sophia durch den dreizehnten Äon gebracht wurde, die Einsamkeit, hatte tatsächlich das Ziel, sie erkennen zu lassen, dass Selbstübergabe der einzige Schlüssel zum Pfad der Befreiung ist. Authades mit seinen Kräften und Auftraggebern spiegelt ihr nun das falsche Licht vor, damit sie sich ihm in gekränktem Stolz überlässt. Wer vom Willenstrieb besessen ist, verliert sein Unterscheidungsvermögen und das Vermögen seiner Selbsteinschätzung. Auf diese Weise wurde die Pistis Sophia durch die Kraft mit dem Löwenkopf geopfert. In der Welt um uns herum können wir sehen, dass unzählige Sucher durch diese Kraft geopfert werden, denn sie manifestiert sich in zahllosen Schöpfungen. Diese Schöpfungen werden von jenen organisiert und instand gehalten, die einmal durch Selbstbehauptung vor den Pforten des dreizehnten Äons scheiterten. Bevor wir der Pistis Sophia auf ihrem Irrweg bis zum Tiefpunkt folgen, wollen wir das wunderbare Wort aus dem 31. Kapitel lesen. Die Pistis Sophia blickt herab, durch Willenstrieb dazu verleitet. Sie sieht dort die falsche Lichtkraft und meint, dass es das Licht der Gnosis ist, das sie zu Beginn im dreizehnten Äon erblickte. Und dann steht dort: Sie dachte bei sich: »Ich will ohne meinen Verbundenen zu jenem Gebiet herabsteigen und das Licht nehmen [...]. « Wer ist der mit ihr Verbundene? Dieser Gefährte in Ihnen ist die Rose des Herzens, die von Tag zu Tag und von Stunde zu Stunde ihren Duft in Ihnen verbreitet. Durch die Rose spricht die Gnosis in Ihnen, und auf diese Weise begleitet die Gnosis Sie auf allen Ihren Wegen. Es ist ein Gefährte bei Ihnen im Vakuum, auch nach dem »Halt«, das Ihnen vom dreizehnten Äon zugerufen wurde. In Ihrer Einsamkeit und Ihrem Niedergang ist der Gefährte da und steht über Ihrer niedergebeugten Gestalt, jeden Augenblick bereit, Ihnen zu dienen. Die Pistis Sophia kennt diesen Gefährten, sie kennt ihn, und sie kennt Authades. Zwischen diesen beiden muss sie wählen. Und sie wählt den Abstieg in das Gebiet ohne den mit ihr verbundenen Gefährten. Es gibt tatsächlich Gebiete, in die der Gefährte nicht mit Ihnen geht. Es gibt Grenzen, die der Gefährte nicht überschreiten kann. Die Rosenknospe schließt sich, alle Kelchblätter falten sich zusammen, und es entsteht ein großes Schweigen. Wer wie die Pistis Sophia aus dem Gralsbecher getrunken hat, verlässt sehr bewusst seinen Gefährten, wenn er denselben Weg geht, der uns hier geschildert wird. Wir wollen hoffen und bitten, dass Sie Ihren Gefährten nicht mutwillig verlassen. Das gnostische Evangelium der Pistis Sophia wurde uns geschenkt, damit jeder Sucher seine Lehren daraus schöpfen kann. Der Weg der Pistis Sophia ist ein naturwis216

senschaftlicher Gang. Aber der Weg muss für Sie nicht zum wissenschaftlich sicheren und naturnotwendigen Gang werden. Sie können sich in jedem Augenblick dem wahren Licht zuwenden und eingelassen werden, wenn Sie nur die entsprechenden Bedingungen erfüllen. Leider muss festgestellt werden, dass der Weg, der uns hier in der Pistis Sophia geschildert wird, so vollkommen der gewöhnlichen Wirklichkeit entspricht, dass es wirkt, als wäre diese alte Schrift heute geschrieben worden. Die Menschen kommen zur Schule des Goldenen Rosenkreuzes voller Begeisterung und wahrhaftigem Verlangen. Alles »würde gut gehen, wenn die Schule sich nur ihrer ichzentralen Ausrichtung anpassen würde. Jedoch der Mensch muss sich dem heiligen Gesetz anpassen und es erfüllen. Wenn das nicht geschieht, dann bricht der Konflikt aus. Und das Resultat ist, dass er sich in den Schimmer des falschen Lichtes hüllt. So werden die Menschen aller wahren Lichtkraft, die noch in ihnen war, beraubt, und ihr Gefährte verkümmert zu einem Prinzip. Sie sind gescheitert durch ihren eigenen Willenstrieb und ihre selbstsichere Ichzentralität. Wenn etwas in Ihnen ist von der Pistis Sophia in ihrem Niedergang, sehen Sie es ein und werfen Sie Ihren Stolz von sich. Zerreißen Sie das Gewand des falschen Lichtes und kommen Sie voll Demut in die heiligen Hallen des Heiligen Geistes. Dann werden Siegeslieder erklingen und ein frohes Lachen voller Dankbarkeit für alle, die sich selbst überwunden haben.

Kapitel 36

Jaldabaoth: Feuer und Finsternis Im Kapitel 31 der Pistis Sophia lesen wir: „Als sie nach unten blickte und seine Lichtkraft in den unteren Gebieten wahrnahm, wusste sie nicht, dass es die Lichtkraft des dreimalgewaltigen Authades war. Sie dachte, dass sie aus dem Licht käme, das sie zu Beginn in der Höhe erblickt hatte, welches aus den Vorhängen der Schatzkammer des Lichtes stammte. Und sie dachte bei sich: »Ich will ohne meinen Verbundenen zu jenem Gebiet herabsteigen und das Licht nehmen, um daraus für mich selbst Lichtäonen zu schaffen, damit ich imstande bin, zum Licht der Lichter in der höchsten Höhe zu gehen.« Während sie das dachte, verließ sie ihr Gebiet, den dreizehnten Äon, und ging hinab zu den zwölf Äonen. Da verfolgten sie alle Archonten der Äonen, die wütend auf sie waren, weil sie an große Herrlichkeit gedacht hatte.“ 217

Sie verließ aber auch die zwölf Äonen und kam in die Gebiete des Chaos hinab und näherte sich der Lichtkraft mit dem Löwenkopf, um sie zu verschlingen. Da umringten sie aber alle stofflichen Emanationen des Authades. Die große Lichtkraft mit dem Löwenkopf verschlang alle Lichtkräfte der Pistis Sophia. Man filterte ihr Licht und verschlang es. Ihre Materie wurde zum Chaos gestoßen. Dort befand sich ein Archont mit einem Löwenkopf, dessen eine Hälfte feurig und dessen andere Hälfte finster war, nämlich Jaldabaoth [...] Als dieses geschehen war, wurde die Pistis Sophia sehr schwach, und die Lichtkraft mit dem Löwenkopf begann erneut, sie aller Lichtkräfte zu berauben, während alle stofflichen Kräfte des Authades sie einschlossen und in Bedrängnis brachten. In diesem Kapitel können Sie Ihren Lebenszustand ganz oder teilweise widergespiegelt sehen. Dadurch können Sie Ihren Bewusstseinszustand läutern oder erleuchten. Im Namen Pistis Sophia bedeutet Pistis Verstand und Sophia Weisheit. Die göttliche Weisheit ist die reine göttliche Sternenkraft vom Anbeginn. Diese Sternenkraft oder astrale Kraft muss scharf von der astralen Kraft des dialektischen Universums unterschieden werden. Das göttliche astrale Feuer ist nämlich zweifach: spirituell und stofflich. Die astrale Kraft des Universums ist chaotisch und materiell. Im Universum des Todes ist alles aus Materie aufgebaut, alles manifestiert sich mit Hilfe der chaotisch entfesselten Ursubstanz. Das materielle Weltall kann bis auf das kleinste denkbare Teilchen zurückgeführt werden; wir sprechen dann von der Ursubstanz. Das Weltall wird durch das Chaos bewegt. Und da wir in den ursubstanziellen Kräften eine fortwährende Bewegung erkennen, eine dauernde Veränderung, ein Trennen und Zusammenfügen von Kräften, wodurch Formen entstehen und wieder vergehen, kann man sagen, dass das Chaos die Ursache der Dialektik des Todes ist. Diese Dialektik ist aus der Eigenschaft der Urmaterie zu erklären, und die Eigenschaft der Urmaterie ist die Zweipoligkeit, also Gut und Böse, Licht und Finsternis. Was durch diese Materie entsteht, kann niemals göttlich sein. Alles, was aus der Ursubstanz des Todes hervorkommt, ist außerdem immer an Grenzen und an Zeit gebunden. Darum ist das dialektische Universum zeiträumlich. Alles geht darin auf und unter, alle Dinge verkehren sich in ihr Gegenteil. Der Tod ist in diesem zeiträumlichen Universum ein universelles Prinzip. Wer in das zeiträumliche Universum eintritt, tritt in den Tod ein. In dem zeiträumlichen Universum treten Kräfte auf, von denen wir zuerst die zwölf Äonen nennen. Diese zwölf Kräfte offenbaren sich erst als eine Dreiheit und dann als eine Vierheit, als dreimal Vier und vier mal Drei. Darin liegt wieder die Zahl, das Prinzip sieben beschlossen. Daher kann man sagen, dass die Kräfte, die sich im Zeiträumlichen offenbaren, eine Siebenheit formen. Das höchste leitende Prinzip dieser Siebenheit wird in 218

der gnostischen Philosophie Jaldabaoth genannt. Dieses leitende Prinzip der niederen astralen Kraft ist buchstäblich der Sohn der Finsternis oder das Kind des Chaos. Im Hauptheiligtum besitzt der Mensch einen siebenarmigen Leuchter, der durch die sieben Gehirnhöhlen gebildet wird. In den sieben Gehirnhöhlen finden wir das flammende astrale Feuer der großen Siebenkraft des dialektischen Universums. Das zentrale Prinzip des siebenarmigen Leuchters, das leitende Prinzip im Menschen ist also Jaldabaoth, dessen eine Hälfte Feuer und dessen andere Hälfte Finsternis ist, nämlich das dynamisch magische Prinzip, welches die Wesenheit durch die Finsternis jagt. Jaldabaoth ist der Brennpunkt des menschlichen Prinzips, es ist sein Ich. Und das Ich ist eine Nachäffung des ursprünglichen Ichs. Jaldabaoth ist eine Imitation des Anthropos, des ersten Menschen. Anthropos war aus dem ersten Logos und Jaldabaoth aus dem zweiten Logos. Die Wesen des zweiten Logos – die heutige Menschheit –, die Einbildungen des ursprünglichen Anthropos müssen den Weg des Rosenkreuzes gehen, um das gesamte System zum Ursprung, zum ersten Logos zurückzuführen, damit aus Jaldabaoth und seinem Untergang Anthropos erwachen kann. Der Mensch besitzt Verstand, also Intelligenz. Dieser Verstand geht aus und wird genährt von dem siebenarmigen Leuchter im Menschen, dessen zentrales Prinzip Jaldabaoth ist. Der Mensch ist also keine Pistis Sophia, sondern eine Pistis-Jaldabaoth. Sein Verstand, seine Intelligenz gehen von der niederen astralen Kraft aus und werden dadurch genährt, nämlich durch die Materie-Kraft der Todesnatur. Eine Pistis Sophia ist jemand, dessen Verstand und Intelligenz durch die Sophia, die göttliche Weisheit, den ursprünglichen Logos, erleuchtet wird. Eine solche Veränderung muss stattfinden durch die Erneuerung eines oder mehrerer Lichter des siebenarmigen Leuchters. Dessen zentrales Prinzip – Jaldabaoth – muss einem neuen zentralen Prinzip – der Sophia – weichen. Die Sophia hat als Intermediär die Aufgabe, die Seele zum ursprünglichen Anthropos weiterzuleiten. Eine Pistis Sophia ist also ein Schüler, in dem das heilige Rettungswerk begonnen hat. Für dieses Ziel war die Pistis Sophia auch in den dreizehnten Äon gekommen. Darum durfte sie hinter die Schleier des großen Mysteriums gehen: Sie war auf der Basis der Rose von der Sophia berührt. Sie nahm jedoch in den dreizehnten Äon auch Authades mit, ihr irdisches Willenswesen. Das konnte auch nicht anders sein, da sie noch keinen neuen Willen besaß. Infolgedessen musste sie allein gelassen werden, in Einsamkeit bleiben, damit der alte Wille, der niedere Willenstrieb, sich austoben konnte. Ein solcher Prozess kann lange dauern, denn der Wille ist eine große magische Kraft. Mit der Einbildung des Willens zaubert und schafft der Mensch alles herbei. 219

Die Pistis Sophia, also der Mensch, der das neue Licht erblickt, das Brot des neuen Lebens gegessen und aus dem Gralsbecher getrunken hat, versucht jedoch in einem derartigen Zustand das neue Leben mit dem alten Willen zu erreichen. Er spielt dann den »Vorangekommenen«. Er ist deshalb aber kein Heuchler, sondern vom Wahn besessen. Denn Jaldabaoth spielt immer noch mit in dem Lebensspiel, und zwar mit Hilfe mehrerer Ansichten des siebenarmigen Leuchters. Das, was die Pistis Sophia mit ihrem alten Willen ergreifen will, hält der dreizehnte Äon von ihr fern. Authades spielt ihr darum dieses Unerreichbare vor in dem Gebiet, zu dem er gehört. Dadurch blickt die Pistis Sophia herab in das Gebiet des Authades und sieht nicht empor in den dreizehnten Äon. Mit dem gewöhnlichen, rein verstandesmäßigen Gedankengang und geleitet von Authades, sieht sie in ihrem eigenen Gebiet vollauf Lichtkräfte, und ihr Wahn ist »Den dreizehnten Äon und sein Kraftfeld habe ich nicht nötig. Das, was mir widerrechtlich vorenthalten wird, reicht man mir überall. Ich wurde ungerecht behandelt. Man hat meine Größe nicht erkannt.« Sie begreift nicht, dass Authades ein Spiel für sie aufführt: Sie dachte, dass sie aus dem Licht käme, das sie zu Beginn in der Höhe erblickt hatte, welches aus den Vorhängen der Schatzkammer des Lichtschatzes stammte. Und sie steigt herab in das Gebiet des Wahns. Sie verlässt also den dreizehnten Äon. Ihren Gefährten, die Rose des Herzens, lässt sie hinter sich. Sie wünscht, das Licht zu nehmen, das ihr so freimütig geboten wird. »Ich will für mich selbst Lichtäonen daraus schaffen und so auf eigene Weise in das neue Lebensfeld einziehen.« Dieser Schüler will nicht in die Welt zurück. Er ist auf die Gnosis gerichtet und ersehnt die Befreiung, aber er will seinen alten Willen nicht preisgeben. Seine Selbstübergabe ist Persönlichkeitskultur. So wird er von den Lichtern des Authades gefangen. Die Pistis Sophia verlässt das Gnadenfeld und steigt hinab in das Verderben. Sie erreicht wiederum das gewöhnliche Lebensfeld, das ihr selbstverständlich feindlich gesinnt ist. Sie gehört auch nicht mehr dorthin. Sie steigt jedoch noch weiter hinab, bis zu den Kräften des Chaos. Stets tiefer lockt sie Authades, bis der psychologische Moment erreicht ist, da das Gnadenfeld der Gnosis sie verlassen hat. Sie ist zu ihrem armseligen Selbst geworden. In diesem Augenblick wird sie von den stofflichen Geschöpfen Jaldabaoths umringt. Der irdische magische Wille vermag immer nur Geschöpfe von der Art Jaldabaoths zu schaffen. So wird all ihre befreiende Lichtkraft verschlungen. Alles, was an Erneuerung im siebenarmigen Kandelaber leuchtete, ist gewichen. So wurde ihre Stofflichkeit erneut ins Chaos gestoßen. Ihr bleibt nichts anderes als Jaldabaoth, der Sohn der Finsternis, die niedere astrale Kraft, das Kind des Chaos. Weiter entfernt als je ist Anthropos, und die Sophia wurde sehr schwach. 220

Eine Sicherheit besitzt sie jedoch jetzt: Die Verbindung mit dem Gnadenfeld der Gnosis ist unterbrochen, aber auch der Wahn. Zum ersten Mal hat sie den eigenen Authades gut kennen gelernt. Sie ist zum Nichts geworden. Wie Joseph sitzt sie auf dem Steinhaufen. Ihr verblieb nichts, aber es leuchtet zum ersten Mal vor ihr Einsicht auf, Einsicht als offene Pforte. Durch diese Pforte erblickt sie weit in der Ferne die Schleier des dreizehnten Äons. Und sie erkennt ihren Niedergang, ihren Todessprung. In diesem Moment beginnt eine neue Phase in der Lebensgeschichte des Schülers, die mit dem berühmten Reuegesang anfängt: Die Pistis Sophia schrie laut auf: [...] O Licht der Lichter... Diese Reue, diese Umkehr auf der Basis der Einsicht bringt die Pistis Sophia erneut in Verbindung mit der Gnosis.

Kapitel 37

Die dreizehnfache Reue Sie wissen, dass es sieben Sternenkraftsysteme gibt, und das der gewöhnlichen Natur ist dann deren siebte Ansicht. Die Persönlichkeit des Menschen wird durch das Sternenkraftsystem der Dialektik geformt und instand gehalten. Sein Verstandesapparat, seine Pistis, wie auch das Willensvermögen stimmen völlig damit überein. Das Nervenfluidum, das Schlangenfeuer, das Hormonfluidum und das Blut sind ebenfalls daraus zu erklären. Jede Zelle des Körpers enthält das Sternenkraftprinzip der gewöhnlichen Natur. Diese Sternenkraft kommt in zwölf Strömen auf den Menschen zu. In der Pistis Sophia werden diese die zwölf Äonen genannt. Und es gibt noch unzählige Unterteilungen, die als Archonten angedeutet werden. Diese zwölf Ströme werden über das magnetische Gehirnsystem in das Hauptheiligtum hineingeführt und von sieben Brennpunkten im Haupt aufgenommen, das ist der siebenarmige Leuchter. Die tonangebende Kraft in diesem Leuchter ist Jaldabaoth. Der siebenarmige Leuchter ist der Kern des Bewusstseins, das Ich, die Intelligenz. Diesem Kern im Hauptheiligtum entspringen zwölf Nervenpaare. Diese regieren und steuern das gesamte System für den Kern der Intelligenz, Jaldabaoth. Ein Mensch wird sich an eine Geistesschule wenden, wenn er in dieser Welt das Wesentliche nicht finden kann. Sein Verlangen geht dann zu dem unbekannten Ziel des menschlichen Daseins aus. Ein Mensch, der so denkt, fängt mit dem Herzen etwas von den Radiationen der Gnosis auf. Über die Rose des Herzens gelangen diese Einflüsse nach innen. Sie greifen das Blut an und treiben den Menschen wie mit sanfter Gewalt in die Richtung einer Geistesschule. Was er dort sieht und erfährt, korrespondiert mit den Suggestionen, die in seinem Blut wirken. Das stimmt ihn dankbar, und er lobt das Licht. 221

Das ändert aber nichts daran, dass dieser Mensch eigentlich noch derselbe ist wie vorher, bis auf seine Verbindung mit der Geistesschule. Die Sophia, die astrale Kraft, und die Pistis, der Intelligenzapparat, gehören noch völlig zur Welt der Dialektik. Soll also die neue Verbindung zu einem Erfolg führen, dann müssen sowohl die Pistis als auch die Sophia in diesem Menschen ersetzt werden durch die Sternenkraft der Gnosis, was eine neue Sophia bedeutet. Dadurch würde ein ganz neues Intelligenzwesen, die Pistis, erwachen. Dann könnte ein neuer Leuchter brennen und ein neues Nervenfluidum durch die zwölf Nervenkanalpaare strömen. Eine total neue fünffache Seelenkraft würde sich beweisen, und die große Veränderung, die Transfiguration wäre dann nur noch eine Frage der Zeit. Von einem Menschen, der in eine Geistesschule eintritt, darf erwartet werden, dass er sich diesem notwendigen Prozess der Wiedergeburt unterwirft. Die alte Natur ist jedoch stark und widersetzt sich. Dadurch geht der beginnende Schüler erst noch einer schmerz-lichen und elenden Zeit entgegen. Denn er versucht zuerst, seine gewohnte Pistis-Art anzuwenden. Er setzt seinen Authades ein, um seine Ziele zu erreichen, um die Lehre zu verarbeiten, um das Werk zu vollbringen und zu reagieren. Es ist aber nicht möglich, so mit der Gnosis eins zu werden. Infolgedessen entsteht eine Entfremdung: Die Pistis Sophia wird von der Gnosis allein gelassen. Die dialektische Pistis hat jedoch wohl bemerkt, dass eine neue Lichtkraft über ihr ausgegossen wurde. Da sie nun allein gelassen wird, versucht sie daher, diese Lichtkraft zu imitieren. Sie versucht, sich einzubilden, was im dreizehnten Äon vorhanden ist. Das magische Willensvermögen projiziert diese Imitation um sich herum. Der Mensch weiß nicht nur von der Gnosis, er glaubt nicht nur an sie, sondern er ist auch ein Künstler. Er schafft sich selbst, was er begehrt, und so wird es sehr licht um ihn her. Dass es das falsche Licht des Authades ist, merkt er nicht. Er lebt sich als Künstler, als Magier aus. Er ist ein echter Zauberlehrling. Das Licht dreht sich um ihn. Er ist in die Transfiguration eingetreten, so meint er. Die Pistis Sophia wendet den Blick nun nach unten und nicht mehr nach oben, denn sie weiß den Weg noch nicht. Das Rosenherz hat sich wieder geschlossen, und ohne diesen Gefährten sinkt der Mensch ins Unheil. Es ist das Unheil der Gefangenschaft in dem, was er selbst geschaffen hat. Er wird ein Gefangener bleiben, bis er einsieht, dass er sich geirrt hat. Diese Einsicht ist jedoch mit der Entdeckung verbunden, mitten im Elend zu sitzen. Diese Entdeckung bringt dem Menschen eine neue Erfahrung, aber er ist weiter als je vom Vaterhaus entfernt. Diesen Weg der bitteren Erfahrung muss jeder Mensch gehen, aber das gnostische Evangelium der Pistis Sophia will ihm vorausleuchten. Ein Mensch kann am Beginn einer solchen Erfahrung stehen oder in der Mitte, oder er ist bereits ans Ende gelangt. Und allen, die eine solche Erfahrung kennen und sich dadurch weit vom Va222

terhaus entfernt wissen, bleibt nur eine intensive Reue. Das heißt, ein absolutes und wirkliches Durchschauen dessen, was tatsächlich geschehen ist, so dass auf dieser Basis eine Einsicht, eine neue befreiende Handlung entstehen kann. Auf der Grundlage der dialektischen Pistis kann das große Wiedererschaffungswerk nicht geschehen. Denn nach der Läuterung und nach dem unabweisbaren Einfluss des Authades, also nach dem Schein, muss ein neues Fundament gelegt werden. Zwischen dem ersten und dem zweiten fundamentalen Eintritt in das Licht des dreizehnten Äons liegt ein gewaltiger Prozess der Vorbereitung. Dieser Prozess kann äußerst dramatisch sein. Er kann sich innerhalb oder außerhalb der Geistesschule vollziehen, aber immer ist der Schlüssel zum zweiten Eintritt die Reue. Das Bereuen ist ein Handlungsleben, bedeutet, eine Traurigkeit verarbeiten, etwas damit verrichten, etwas dadurch zustande bringen. Das ist die tiefe Bedeutung der Reue. Reue bedeutet, aus einem Blutszustand handeln. Es ist kein ichzentrales Streben. Reue ist steinharte Selbsterkenntnis, die sich auf eine unwiderrufliche Tatsache bezieht. Trauer kann einen Menschen lähmen. Alle fünf Seelenfluide sind in einen bestimmten Zustand versunken. Der Mensch steht dann einer Unabweisbarkeit Auge in Auge gegenüber, die sich ihm einschließlich der Ursachen aufdrängt. Die nackte unverblümte Wahrheit steht dann vor ihm und lebt in ihm. Und nun muss der Mensch aus dieser Wahrheit handeln. Er muss sich mit der Wahrheit umgürten. Das ist Reue. Reue ist die Umkehr des gesamten Wesens aus der Blutstiefe zur Gnosis. Es bedeutet, die Blutssicherheit der Selbsterkenntnis zu besitzen. Auf der Basis dieser Reue entwickelt sich dann ein dreizehnfacher Prozess, so wie es uns sehr ausführlich in der Pistis Sophia beschrieben wird. Denn die Pistis Sophia beginnt nun, ihre dreizehn Bußgesänge zu singen. Sechs davon singt sie ohne irgendeinen Erfolg, jedenfalls erscheint das ihrem Bewusstsein so. Erst nach dem siebten Bußgesang erfährt sie eine innere Erleuchtung. Sie wird, so heißt es in der Schrift, zu einem größeren Gebiet gebracht. Der achte Gesang bringt keine weitere Veränderung, aber nach dem neunten Gesang wird ihr Gebet erhört. Die Gnosis antwortet auf ihre Reue und sendet Jesus zu ihr in das dialektische Gebiet. Diese neue Verbindung ist aber noch lange nicht unangreifbar für die Angriffe der Natur-Archonten. Doch dann, nach dem Erklingen des dreizehnten Bußgesanges, erfolgt die Erhebung in den dreizehnten Äon. Der zweite Eintritt wird gefeiert. Ein Lichtkranz umgibt ihr Haupt. Ihre Zeit ist vollendet. Die dreizehn Gesänge der Reue haben das gesamte magnetische Gehirnsystem, den ganzen siebenarmigen Leuchter und die zwölf Gehirnnervenpaare vollständig transmutiert. Zum ersten Mal kann die Sternenkraft der Gnosis direkt in das Hauptheiligtum eintreten. Nun ist der Mensch wahrlich aus Gott geboren und zu einer wahrhaftigen Sophia geworden, während die ganze Intelligenz davon erfüllt ist und also auch die 223

neue Pistis hervorgetreten ist. Der Weg, den ein Schüler auf dem Pfad des Rosenkreuzes geht, ist der gleiche wie der, welchem die Pistis Sophia folgt. Möge der Weg des Schülers bald die Vollendung der Zeiten beweisen durch den Prozess der dreizehnfachen Reue.

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»Die Pistis Sophia schrie laut auf und rief zum Licht der Lichter, das sie zu Beginn gesehen und an das sie geglaubt hatte. Und sie sprach diese Worte der Reue: O Licht der Lichter, an das ich von Anfang an geglaubt habe, höre jetzt, o Licht, auf meine Reue. Rette mich, o Licht; denn böse Gedanken haben sich bei mir eingeschlichen. Ich hatte meinen Blick auf die niederen Gebiete gerichtet und sah dort ein Licht, das mich auf den Gedanken brachte, zu diesem Gebiet zu gehen, um mir jenes Licht anzueignen. Und ich ging. Doch ich geriet in die Finsternis im unteren Chaos, und ich war nicht imstande, mich zu erheben und zu meinem Gebiet zurückzukehren; denn die Geschöpfe des Authades bedrängten mich, und die Kraft mit dem Löwenkopf raubte mir mein inneres Licht. Ich schrie um Hilfe. Doch meine Stimme konnte die Finsternis nicht durchdringen. Und ich blickte zum Himmel hinauf, damit das Licht, an das ich geglaubt hatte, mir zu Hilfe käme. Aber als ich aufwärts schaute, sah ich die ganze Menge der Archonten der Äonen auf mich herabblicken und sich über mich belustigen, obwohl ich ihnen nichts Böses zugefügt hatte und sie mich ohne Grund hassten. Als die Geschöpfe des Authades die Schadenfreude der Archonten der Äonen sahen, wussten sie, dass die Archonten der Äonen mir nicht zu Hilfe kommen würden. Diese Geschöpfe fassten dadurch Mut und bedrängten mich mit Gewalt, indem sie mir das Licht, das nicht von ihnen stammt, nahmen. Darum, o Licht der Wahrheit, weißt Du, dass ich dieses in meiner Unschuld getan habe, weil ich dachte, dass das Licht mit dem Löwenkopf Dir gehöre. Und die Sünde, die ich begangen habe, ist Dir nun bekannt. Lass mich nicht in der Not, o Herr, denn ich habe an Dein Licht von Anfang an geglaubt. O Herr, Licht der Kräfte, lass mich nun nicht von meinem Licht getrennt werden. Denn um Deinetwillen und Deines Lichtes willen bin ich in diese Bedrängnis geraten, und Schande bedeckt mich. Um Deines Lichtes willen bin ich meinen Brüdern, den Unsichtbaren, und den großen Schöpfungen der Barbelo fremd geworden. 224

Das alles ist mir geschehen, o Licht, weil ich feurig nach Deiner Wohnstätte gesucht habe. Der Zorn des Authades, der nicht nach Deinem Befehl gehandelt hat, um nach den Emanationen seiner Kraft zu erschaffen, ist über mich gekommen, weil ich mich in seinem Äon befand, ohne sein Mysterium zu vollbringen. Und alle Archonten der Äonen verspotteten mich. Ich weilte in diesem Gebiet in tiefer Traurigkeit und voller Verlangen nach dem Licht, das ich in der Höhe gesehen hatte. Die Torwächter der Äonen suchten nach mir, und alle, die in ihren Mysterien ausharrten, verspotteten mich. Ich aber lenkte meinen Blick empor zu Dir, o Licht, und glaubte an Dich. Jetzt aber bin ich in Bedrängnis und in der Finsternis des Chaos, Licht der Lichter. Wenn Du nun kommen willst, um mich zu erlösen – denn groß ist Deine Barmherzigkeit – erhöre mich dann in Wahrheit und rette mich. Rette mich aus der Materie dieser Finsternis, damit ich darin nicht untergehe und von den Schöpfungen des Gottes Authades, die mich in die Enge treiben, errettet werde. Lass diese Finsternis mich nicht hinabziehen, und lass nicht zu, dass die Kraft mit dem Löwenkopf meine ganze Kraft verschlingt und das Chaos seine Kraft verschleiert. Erhöre mich, o Licht, denn Deine Gnade ist unendlich groß. Blicke auf mich herab in der großen Barmherzigkeit Deines Lichtes. Wende Dein Antlitz nicht von mir ab, denn ich bin in großer Not. Erhöre doch bald mein Gebet und rette meine Kraft. Erlöse mich von den Archonten, die mich hassen, denn Du kennst meine Bedrängnis und mein Leid und die Not um meine Kraft, die sie mir genommen haben. Die mir dieses alles angetan haben, sind Dir offenbar. Tue ihnen nach Deinem Gutdünken. Meine Kraft blickte aus der Mitte des Chaos und der Finsternis. Ich wartete auf meinen Verbundenen, dass er käme und für mich kämpfte, aber er kam nicht, obwohl ich erwartet hatte, dass er käme und mir Kraft verleihe. Aber ich habe ihn nicht gefunden. Als ich das Licht suchte, gaben sie mir Dunkelheit. Und als ich meine Kraft suchte, gaben sie mir Materie. Mögen denn nun, o Licht der Lichter, die Finsternis und die Materie, welche die Geschöpfe des Authades über mich gebracht haben, ihnen zum Fallstrick werden. Mögen sie sich darin verstricken. Vergilt es ihnen, entziehe ihnen selbst Deine Gnade, sodass sie nicht das Gebiet ihres Authades erreichen. Lass sie in der Finsternis bleiben und nicht das Licht erblicken. Lass sie für immer in das Chaos sehen und nicht in die Höhe. Ihre Rache komme über sie selbst, und Dein Gericht möge sie treffen. Schließe sie aus vom Gebiet ihres Gottes Authades und hindere seine Geschöpfe daran, zu ihren Gebieten zu gelangen; denn gottlos und schamlos ist ihr Gott. Er meinte, dass er diese Bosheiten aus eigener Kraft begangen habe, ohne zu wissen, dass er keine Macht über mich hätte, wenn ich nicht auf Deinen Befehl hin erniedrigt 225

wäre. Doch als Du mich durch Deinen Befehl erniedrigt hattest, haben sie mich umso mehr verfolgt, und ihre Schöpfungen haben Leid zu meiner Erniedrigung hinzugefügt. Meine Lichtkraft nahmen sie mir und griffen mich erneut an, um mich in Bedrängnis zu bringen und mir all mein Licht zu rauben. Lass sie nicht zum dreizehnten Äon, dem Gebiet der Gerechtigkeit aufsteigen, weil sie mir das angetan haben. Und lass sie nicht zu denen gerechnet werden, die sich selbst und ihr Licht reinigen. Lass sie nicht zu jenen gerechnet werden, die schnell Reue zeigen, um die Mysterien des Lichtes bald zu empfangen. Denn sie haben mir mein Licht genommen. Meine Lichtkraft erschöpft sich, und ich entbehre mein Licht. Darum, o Licht, das in Dir und mit mir ist, ich preise Deinen Namen, o Licht, in Herrlichkeit. Möge mein Lob Dir gefallen, o Licht, wie ein hervorragendes Mysterium, das in den Toren des Lichtes empfangen wird, und das ausgesprochen wird von den Reuevollen, deren Licht gereinigt wird. Möge alles, was stofflich ist, sich freuen! Sucht alle das Licht, damit die Kraft eurer Seele, die in euch ist, lebe! Denn das Licht hat die Materie erhört, und es wird keine Materie ungereinigt bleiben. Mögen die Seelen der Materie und alles, was sich in ihr befindet, den Herrn aller Äonen loben. Denn Gott wird die Seele aus aller Materie erretten. Es wird eine Stätte im Licht zubereitet werden, und alle Geretteten werden darin wohnen und sie ererben. Die Seelen jener, welche die Mysterien empfangen werden, und aller, welche die Mysterien in seinem Namen empfangen haben, werden dort weilen.« Nach diesen Worten sprach Jesus zu seinen Jüngern: »Dieses ist der Lobpreis, den die Pistis Sophia in ihrem ersten Reuegesang ausgesprochen hat, weil sie ihre Sünde bereute und alles sagte, was mit ihr geschehen war. Nun denn: Wer Ohren hat, zu hören, der höre.« Wiederum trat Maria vor und sprach: »Herr, mein Lichtbewohner hat Ohren, und ich höre mit meiner Lichtkraft. Dein Geist, der mit mir ist, hat mich wachgerüttelt. Lass mich nun über den Reuegesang der Pistis Sophia sprechen, den sie über ihre Sünde aussprach. Einst hat Deine Lichtkraft darüber durch den Propheten David im 69. Psalm prophezeit: Erlöse mich, Gott, denn die Wasser sind bis an meine Seele gekommen. Ich bin im bodenlosen Schlamm versunken, wo ich nicht stehen kann. In die Tiefen des Meeres bin ich gekommen, wo eine Sturmflut mich überspült. Ich bin müde vom Rufen. Meine Kehle ist heiß, meine Augen sind schwach geworden vom Ausschauen nach meinem Gott. 226

Sie, die mich ohne Grund hassen, sind zahlreicher als die Haare meines Hauptes. Mächtig sind meine Feinde, die mich vertilgen wollen; was ich nicht geraubt habe, fordern sie von mir zurück. Gott, Du kennst meine Torheit, und meine Sünden sind vor Dir nicht verborgen. Lass meinetwegen nicht beschämt werden, die auf Dich harren, Herr, Herr der Heerscharen. Lass nicht zuschanden werden, die Dich suchen, o Herr, Gott Israels. Denn um Deinetwillen bedeckt Schmach mein Angesicht. Meinen Brüdern bin ich fremd geworden und unbekannt den Söhnen meiner Mutter. Denn der Eifer für Deinen Tempel hat mich verzehrt; die Schmähungen jener, die Dich schmähen, sind auf mich gefallen. Ich kasteite meine Seele durch Fasten, und es ward mir zur Schmach. Ich zog ein raues Gewand an und ward ihnen zum Gespött. Sie, die in den Toren sitzen, schwatzen über mich, ich werde zum Spottlied der Trinker. Aber mein Geist geht zu Dir, o Herr, o Gott. Erhöre mich rechtzeitig nach Deinem Wohlgefallen und rette mich nach der Größe Deiner Gnade. Rette mich aus diesem Schlamm, dass ich nicht versinke. Befreie mich von meinen Hassern und rette mich aus den tiefen Wassern. Lass die Wasserflut mich nicht überströmen, noch die Tiefe mich verschlingen, noch den Abgrund sich über mir schließen. Antworte mir, o Herr; denn Deine Gnade ist überwältigend. Wende Dich mir zu nach der Größe Deiner Barmherzigkeit. Verbirg Dein Antlitz nicht vor Deinem Diener, denn es ist mir bang zumute. Antworte mir eilends, nahe Dich meiner Seele und erlöse sie. Befreie mich von meinen Feinden, denn Du kennst meine Schande, Schmach und Scham. Alle, die mich bedrohen, stehen Dir vor Augen. Die Schmach hat mein Herz gebrochen. Ich harrte auf ein Zeichen des Mitleids, aber vergebens, auf Tröster, jedoch ich fand sie nicht. Sie gaben mir Galle zur Speise und löschten meinen Durst mit Essig. Ihr Tisch, der vor ihnen angerichtet ist, werde ihnen zur Falle, zum Stein des Anstoßes, zur Vergeltung und zum Schandfleck. Mögest Du für immer ihren Rücken beugen. Gieße Deinen Grimm über sie aus, und möge die Glut Deines Zorns sie ergreifen. Ihre Wohnstätte werde ihnen zur Wüste, kein Bewohner sei in ihren Zelten. Denn die, die Du geschlagen hast, werden von ihnen verfolgt. Sie vermehren den Schmerz ihrer Wunden. Sie fügen Schuld zu Schuld; lass sie nicht zu zu Deiner Gerechtigkeit. Mögen sie ausgelöscht werden aus dem Buch des Lebens und nicht mit den Gerechtfertigten aufgeschrieben werden. Denn ich bin elend vor Schmerz. Dein Heil, o Gott, beschirme mich. Gottes Namen will ich loben mit einem Lied und Ihn verherrlichen mit Gesang. Das wird Gott angenehmer sein als ein junger Stier mit Hörnern und Klauen. Mögen die Demütigen es sehen und sich freuen. Sucht Gott, damit eure Seelen leben mögen. Denn der Herr erhört die Not Leidenden und verachtet die Gefangenen nicht. Mögen Himmel und Erde den Herrn loben und die Meere und alles, was sich darin bewegt. Denn Gott wird Zion erlösen und die Städte Judäas aufbauen, damit sie 227

dort wohnen und sie ererben. Der Same seiner Diener wird es ererben, und sie, die seinen Namen lieben, werden darin wohnen.« Als Maria diese Worte im Kreis der Jünger zu Jesus gesprochen hatte, sagte sie: »Herr, dieses ist die Erklärung des Mysteriums des Reuegesanges der Pistis Sophia.« Als Jesus diese Worte Marias hörte, sprach Er: »Sehr gut, Maria. Du bist gesegnet, die Fülle, die allen Segen umfassende Fülle, die von allen Geschlechtern gepriesen werden wird.« ffffff

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Pistis Sophia, Abschnitte 32-34 Kapitel 38

Erster Reuegesang: das Menschheitslied In den bisherigen Kapiteln sind wir mit Ihnen den Weg der Pistis Sophia bis zu dem Moment gegangen, in dem sie mit dem Singen der dreizehn Reuegesänge beginnt. Wir sahen, dass sie den dreizehnten Äon, in den sie aufgenommen worden war, wieder verließ, weil sie ihre Ichzentralität nicht aufgeben wollte. Sie versuchte, sich einen Platz zu erobern mit Hilfe der astralen Sternenkraft der Todesnatur, die ihr natürliches Leben instand hielt. Ihren dramatischen Fall haben wir von verschiedenen Seiten beleuchtet. Während das selbst entfesselte Leiden ihrer Seele tiefe Wunden zufügt, entdeckt die Pistis Sophia in einem bestimmten Moment die Ursachen dafür. Sie erkennt ihren eigenen Zustand vollkommen und zeigt eine intensive Reue. Sie wissen, dass Reue im gnostischen Sinn eine fünffache innerliche Bewegtheit der Seele ist. Reue wird so zur Umkehr des ganzen Seelenwesens, die mit tiefer Selbsterkenntnis verbunden ist. Aus dieser Seelentiefe der Selbsterkenntnis entwickelt sich ein dreizehnfacher Prozess, der uns bis in die kleinsten Einzelheiten beschrieben wird. Wir entdeckten, dass die Selbsterkenntnis vollkommen sein und aus der Erfahrung emporsteigen muss. Die Erfahrung muss sich in einem bestimmten Persönlichkeitszustand beweisen, so dass die dreizehn Reuegesänge in der Psyche der Pistis Sophia wirklich fruchtbaren Boden finden. Es geht hier nicht um dreizehn Gebete in der Art: »O Herr, hilf mir, denn ich sitze in der Klemme«, sondern der Kandidat ergründet seinen Zustand, seine Not und sein Leiden durch Selbsterkenntnis. 228

Auf dieser Basis stellt er seine Ohnmacht fest. Und er erkennt alles in der vollkommenen Perspektive der Wirklichkeit als das Resultat der falschen Lebenshaltung, und zwar sowohl die Ursachen als auch die naturnotwendigen Folgen. Gleichsam nackt steht er so demütig und in vollkommener Selbstübergabe vor der Gnosis, und in diesem Zustand entwickelt sich der dreizehnfache Prozess. Dieser Prozess der totalen, selbsterkennenden Umkehr wird in der Pistis Sophia zuerst von der psychologischen Seite betrachtet. Es wird erklärt, auf welche Weise der Schüler psychologisch zu einer Lösung kommt und wieder zum befreienden Leben im dreizehnten Äon zurückkehrt. Erst danach wird die strukturelle und transfiguristische Erfahrung während dieser Wiedergeburt der Seele geschildert. Wir folgen der gleichen Methode und befassen uns nun zuerst mit dem ersten Reuegesang, dem Menschheitslied. Dieser Reuegesang wird in der Pistis Sophia mit dem 69. Psalm verglichen. Aus dem Anfang des Psalms ergibt sich, dass er nach Schoschannim gesungen wurde, das heißt »im Brennpunkt der violetten Bruderschaft«, also in einem Tempel, in den der siebte Strahl eindringt. In diesem ersten Reuegesang begreift der Kandidat, dass sich in ihm ein Krisiszustand entwickelt hat, der am Rand des Abgrunds balanciert. Außerdem weiß er, dass sein heutiger Seinszustand hoffnungslos ist, keine einzige Lebenschance bietet, also, kurz gesagt, unhaltbar ist. Es wurden verschiedene Anstrengungen auf der horizontalen Ebene unternommen, um sich aus dem gefallenen Zustand aufzurichten, sie haben sich jedoch als nutzlos erwiesen. Eine tödliche Müdigkeit hat den Kandidaten ergriffen. Er erfährt, dass er von einem maßlosen Hass umgeben wird, dessen Ursachen er nicht zu erkennen vermag. Seine personifizierten Hasser greifen ihn an und berauben ihn seiner Werte. Er aber kennt diese Werte nicht, er weiß nicht, dass er sie besitzt. Er leitet eine solche Möglichkeit lediglich aus der Tatsache der Angriffe ab, denn wer hasst oder angreift, muss einen Grund dafür haben. Wenn jemand angegriffen wird, der vollkommen in der Klemme sitzt, der bereits alles verloren hat und gleichsam im Morast versinkt, dann muss doch die Frage gestellt werden: »Warum?« Die Erkenntnis, große Torheiten begangen zu haben und sehr schuldbeladen zu sein, steigt nun in dem Kandidaten als Antwort auf diese Frage auf. Nun könnte man erwarten, dass er nach dieser Selbsterkenntnis in blinder Selbstbehauptungssucht negativ um Hilfe schreit. Aber das ist keineswegs der Fall! Seine Sorgen und Ängste gelten in erster Linie anderen, jenen, die ihn zum Vorbild genommen haben. Nach dem Eintritt in den dreizehnten Äon herabgeschleudert zu sein in den grundlosen Morast, von den Archonten versucht und angegriffen, das ist wirklich kein erhebendes Bild von der Pistis Sophia. Es ist verständlich, dass andere, die das mit ansehen, vom Weitergehen auf dem Pfad Abstand nehmen. Scham und Angst um Dritte ist hier also vorhanden. Scham und Angst sind jedoch gefährlich wegen ihrer negativen Auswirkungen. Sie verursachen die Lähmung jeder 229

eigenen Aktivität. Darum blickt der Kandidat nun tiefer: »Es ist hoffnungslos für mich. Ich habe alles verdorben und bin ein Vorbild, vor dem man schaudern muss«, so denkt er. »Weil ich vollkommen falsch auf die Strahlung im dreizehnten Äon reagierte, bin ich gefallen. Dieser Fall und alles, was damit zusammenhängt, hat einen Sinn. Ich erfahre also einen Totengang wegen des Pfades, wegen der Gnosis. Die Schande, die ich erfahre und verbreite, besteht wegen des Schülertums. Darum muss die folgende Einätzung die Erkenntnis meiner Isolation sein. Alle meine Brüder haben mich verlassen. Ich lebe in totaler Ichverlassenheit. Denn wer auf dem Pfad das Ich behaupten will, versinkt in völlige Einsamkeit und Ichverlassenheit.« Welche Folgerung muss daraus gezogen werden? Die Folgerung muss lauten, dass dieser Erfahrungsweg von der Gnosis beabsichtigt ist, um das Ich der Natur, die Ichzentralität zu töten. Und es ist seltsam! All die Hasser der niederen Natur, die den Kandidaten in blinder Wut angreifen, erfüllen, wenn es darauf ankommt, die gleiche Aufgabe. Der letzte Rest der Selbstbehauptung wird also von zwei Seiten her angegriffen. Von der Gnosis durch Negation und von der Todesnatur durch blinde Wut. Die also total isolierte, festgefahrene und angegriffene Ichseele verfällt nun zuerst in tiefe Traurigkeit. Das ist psychologisch vollkommen richtig. Für Freude besteht absolut kein Grund. Der Kandidat spricht von seiner Traurigkeit, er zeugt davon, er singt davon, er handelt entsprechend. Er wird als Pessimist erkannt, als der große Leidende, als Melancholiker. Er kommt ins Gerede. Man vermutet, dass er ein schweres Sündenregister hat. So wird die Ich-Isolation noch größer, und er findet auch keinen Trost mehr in der Darlegung seiner Traurigkeit. Und dann, in diesem Nichts der Ich-Isolation und nach der Entdeckung, dass die so genannte Buße in Trauer schließlich auch nur Selbstdarstellung und Selbstbehauptung ist, beginnt der Kandidat die Gnosis anzurufen, und zwar auf eine ganz neue Weise. Er lässt kein Recht mehr gelten. Er erbittet nichts auf der Basis einer gewissen Beschaffenheit oder eines Wertes, sondern er beruft sich auf das gnostische Wohlgefallen an der Rettung der gefallenen Mikrokosmen. Er bittet in dem vollkommenen Bekenntnis: »Ich bin völlig versunken im grundlosen Morast. Ich bin das Opfer meiner Hasser. Die Materie der Todesnatur hat mich gefangen.« Und da der Kandidat weiß, dass er ein Bildträger und berufen ist, seine Sendung zu erfüllen, bittet er um Hilfe, um Rettung aus dem Todesgang. Er stellt sich nun vor die universelle göttliche Liebe und bittet: »Sieh mich an, Herr. Verbirg Dein Angesicht nicht vor mir, denn ich bin sehr in Ängsten.« Der Todesschrei des Ichs wird ausgestoßen: »Ich bin sehr in Ängsten!« Wenn dieser Todesschrei verklungen ist, entwickelt sich Stille. Die Stille der Gelassenheit kommt über den Kandidaten: Er nimmt seinen Zustand an im Sinne des: »Nicht mein Wille, sondern Dein Wille geschehe.« Das Leben wird nun ein Gebet um Errettung, das aus der Stille des Seelenzustandes aufsteigt. 230

Die Seele ist jedoch noch immer mit sich selbst beschäftigt. Abwechselnd stellt sie sich mit ihrer Scham, ihrer Schmach oder ihrer Schande vor die Gnosis und bekennt. Die Seele ist nun tödlich schwach geworden. Sie hat auf Mitleid gewartet, aber es kam nicht. Sie hat Trost gesucht, doch er kam nicht. Und sie klagt über die Vielfalt der bitteren Erfahrungen, die sie durchkämpft hat. Während sie sich jedoch in diesem Elendszustand befindet, beginnt sie, sich selbst zu vergessen. »Was ist das Elend des eigenen Selbstes verglichen mit den unermesslichen Kräften der Dialektik, welche die Unzähligen zermahlen?« Daher beginnt die Seele jetzt, sich in sieben Ansichten der Natur des Todes gegenüberzustellen. Das geschieht nicht klagend und leidend und untergehend, nicht mehr als Angegriffene, sondern als Streitende. Die Seele steht im Vorhof der kämpfenden Kirche und setzt ihre Schulter mit unter die große Arbeit der Bruderschaft auf Erden. So erfährt die Seele in der vollständigen Übergabe im Dienst für andere, dass sie sich nicht nur selbst vergisst, sondern auch außerordentlich dankbar wird. Sogar Freude durchglüht sie wegen der Tatsache, dass sie etwas tut, dass sie in ihrer Gefallenheit nützlich sein kann. Wer das nun erkennt und erfährt, dass mit dem Nichts – und gerade damit – etwas getan werden kann im Dienst für Gott und Menschheit, der empfängt neuen Lebensatem, um aushalten zu können. Und das Herz wird rein durch die reine Sehnsucht. So weiß die Seele, dass sie erneut im Prozess steht durch Selbstfreimaurerei. Sie entdeckt sich als ein Faktor in der All-Offenbarung, und jetzt weiß sie erst wirklich etwas vom Pfad. Sie sieht klar ein, dass von unten her, aus dem Nichts der Ich-Entledigung, der Weg aufwärts führt zur Befreiung. So ist dann schließlich eine unerschütterliche Sicherheit da, und folglich ein Jubel und ein Lobgesang in dieser viel geplagten und tief geprüften Seele: »Wir kommen heim! Wir und die anderen Seelen. Wir haben das Erbe empfangen!« So endet der erste Reuegesang der Pistis Sophia. ffffff

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Jesus fuhr fort und sagte: »Danach sprach die Pistis Sophia ihren zweiten Reuegesang, indem sie sagte: O Licht der Lichter, an Dich habe ich geglaubt, lass mich nicht bis zum Ende meiner Tage in der Finsternis bleiben. Hilf mir und rette mich durch Deine Mysterien, neige Dein Ohr zu mir und erlöse mich. Möge die Kraft Deines Lichtes mich befreien und mich zu den höheren Äonen führen, denn Du wirst mich befreien und mich zur Höhe Deiner Äonen bringen. 231

Rette mich, o Licht, aus der Hand der Kraft mit dem Löwenkopf und aus den Händen der Schöpfungen des Gottes Authades. Denn Du bist es, o Licht, an das ich geglaubt und dem ich vom Beginn an vertraut habe. Vom Augenblick meiner Erschaffung an habe ich daran geglaubt. Und Du selbst hast mich erschaffen lassen, und von Anfang an habe ich Deinem Licht vertraut. Und als ich an Dich glaubte, verspotteten mich die Archonten der Äonen und sagten: »Sie hat ihr Mysterium nicht vollbringen können.« Du bist mein Retter und Erlöser, Du bist mein Mysterium, o Licht. Mein Mund war erfüllt von Deiner Glorie, damit ich zu allen Zeiten das Mysterium Deiner Herrlichkeit rühmen konnte. Darum, o Licht, lass mich nicht im Chaos bis zum Ende meiner Tage; verlasse mich nicht, o Licht. « Meine ganze Lichtkraft wurde mir geraubt, und alle Geschöpfe des Authades haben mich umringt. Sie wollten all mein Licht wegnehmen und stellten einen Wächter vor meine Kraft. Gleichzeitig sagten sie zueinander: »Das Licht hat sie verlassen. Lasst uns sie überwältigen und alles Licht, das in ihr ist, nehmen.« Überlasse mich darum nicht meinem Schicksal, o Licht. Wende Dich zu mir, o Licht, und erlöse mich aus den Händen der Unbarmherzigen. Mögen sie, die es auf meine Kraft abgesehen haben, straucheln und kraftlos werden. Mögen sie, die meine Lichtkraft rauben wollen, in Finsternis gehüllt werden und kraftlos werden. Dieses nun ist der zweite Reuegesang, den die Pistis Sophia dem Licht darbrachte.« Nachdem Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Versteht ihr, was ich zu euch sage?« Da sprang Petrus vor und sagte zu Jesus: »Herr, diese Frau ist für uns unerträglich, da sie uns die Gelegenheit nimmt, etwas zu sagen, weil sie selbst so oft spricht.« Jesus antwortete: »In welchem die Kraft des Geistes aufwallt, so dass er meine Worte verstehen kann, der möge hervortreten und sprechen. Doch nun, Petrus, sehe ich, dass die Kraft in dir die Erklärung des Mysteriums des Reuegesanges der Pistis Sophia versteht. Wohlan, Petrus, sprich inmitten deiner Brüder die Gedanken dieses Reuegesanges aus.« Petrus antwortete Jesus: »O Herr, höre, was ich über ihren Reuegesang zu sagen habe. Darüber hat einst Deine Lichtkraft durch den Propheten David prophezeit, indem sie im 70. Psalm ihre Reue ausdrückte: Zu Dir, o Herr, nehme ich meine Zuflucht; lass mich niemals beschämt werden. Rette mich durch Deine Gerechtigkeit und befreie mich; neige Dein Ohr zu mir und erlöse mich. Sei mir wie ein starker Felsen und eine Festung, um mich zu retten; denn Du bist meine Kraft und meine Zuflucht. 232

Mein Gott, befreie mich aus der Hand des Sünders und aus der Hand des Gottlosen und Frevlers. Denn Du, Herr, bist mein Harren und Hoffen von Jugend an. Vom Mutterschoß an habe ich mich auf Dich verlassen. Von Geburt an hast Du mich begleitet. Deiner werde ich stets gedenken. Vielen bin ich zu einem Narren geworden, doch Du warst meine Hilfe und meine Kraft; Du bist mein Erlöser, o Herr. Mein Mund ist erfüllt von Deinem Lob, den ganzen Tag rühme ich Deine Herrlichkeit. Verwirf mich nicht im Alter; verlasse mich nicht, wenn meine Seele erliegt! Denn meine Feinde reden Übles wider mich, und die meine Seele belauern, schmieden zusammen Ränke und sagen: »Gott hat ihn verlassen; verfolgt und ergreift ihn, denn da ist niemand, der ihn rettet!« O Gott, eile mir zu Hilfe! Mögen beschämt und vernichtet werden, die meiner Seele nachstellen. Mögen in Schande und Schmach gehüllt werden, die mein Unheil suchen. Das ist nun die Auslegung des zweiten Reuegesanges der Pistis Sophia.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 35-36 Kapitel 39

Zweiter Reuegesang: das Bewusstseinslied So konnten wir feststellen, dass die dreizehn Reuegesänge, welche die Pistis Sophia vor dem dreizehnten Äon ausspricht, sich auf die dreizehn Einweihungen der Seele beziehen. Es sind die dreizehn Veränderungen des gewöhnlichen Seelenzustandes, die stattfinden müssen, bevor der Bildträger dazu geeignet ist, mit dem großen Wiedererschaffungswerk zu beginnen. Sie mögen dem großen Ziel noch so sehr zugeneigt sein und sich noch so sehr danach sehnen, Sie sind trotzdem fundamental ungeeignet, die große Veränderung anzufangen, denn Ihr gesamter Bewusstseinszustand ist vorläufig noch völlig auf das dialektische Leben abgestimmt. Ihre Seele muss daher vorbereitet werden, nicht nur, um auf andere magnetische Radiationen reagieren zu können, sondern um gleichzeitig die dialektischen Strahlungen abweisen zu können, dafür unempfänglich zu werden, sich organisch dagegen abzuschirmen. Dieser Vorbereitungsprozess der Seele besitzt dreizehn Ansichten und weist sowohl dramatische als auch freudevolle Aspekte auf. Um für den herrlichen Aufgang bereit zu sein, muss die Seele einen schweren Weg gehen. Dieser dreizehnfache Prozess kann keinem Kandidaten erspart bleiben. Alles, was wir 233

aus dem Leben der Pistis Sophia behandelten, sind und werden Ansichten im Leben jedes Kandidaten auf dem Pfad der Transfiguration. Der Prozess verläuft, kurz zusammengefasst, wie folgt: Ein Mensch fühlt sich aus dem einen oder anderen ernsthaften Grund vom Rosenkreuz angezogen. Er besitzt ein inneres Verlangen, diesen Pfad zu gehen. Nachdem er sich mit dem Rosenkreuz verbunden hat, tritt er in das magnetische Feld des Lectorium Rosicrucianum ein. Sein Seelenwesen muss sich dann dem neuen magnetischen Feld anpassen. Daher muss dieser Mensch ablegen, was funktionell, organisch und elektromagnetisch von dieser Natur ist. In seinem gewöhnlichen Seinszustand ist er nicht dazu geeignet, mit dem großen Werk zu beginnen. Also wird er allein gelassen, um das vorbereitende Werk auszuführen. Sein ganzes Leben lang ließ dieser Mensch sich von seinem dialektischen Bewusstsein, seinem dialektischen Willen und Verstand, durch das astrale Fluidum der Todesnatur leiten. Innerhalb des neuen magnetischen Feldes wird diese alte Leitung, der Authades, im fundamentalen Seinszustand angegriffen und gerät dadurch in Aufstand und widersetzt sich den kommenden Veränderungen. Zwei magnetische Felder prallen aufeinander. Das neue kann noch nicht eintreten, kann noch nicht wirken. Und das alte ist in Spannung geraten und wirkt mit verdoppelter Kraft. Der sehr magische Wille der alten Natur versucht nun, dem Kandidaten das zu schenken, wonach er verlangt: gnostische Erfüllung und Berührung. So tritt der Mensch dann in den Wahn ein und erfährt alle seine Folgen. Er muss erkennen, dass alles, was Authades für ihn aufbaut, Kartenhäuser sind, die einstürzen. Wenn ein Mensch etwas intensiv gewollt und mit all seiner Willensmagie Traumorte aufgebaut hat, muss er eine tiefe Enttäuschung verarbeiten, wenn diese Bauwerke sich in Nebel auflösen. Auf diese Weise erlebt der Kandidat, dass er mit der dialektischen Willenskraft nichts erreichen kann, was die Gnosis betrifft. Dadurch entsteht eine starke psychologische Reaktion. Philosophisches Erfassen allein reicht nicht aus. Es muss ein innerliches Wissen vorhanden sein, um den Prozess wirklich durchleben zu können. So steht der Kandidat, der den Misserfolg und die Ohnmacht seines Willens erfahren hat, mit seiner Enttäuschung da. Er sieht seinen Irrtum ein. Und da sein Streben seriös ist, handelt er daraufhin richtig: Er zeigt Reue. Er verhärtet sein Herz nicht, er lässt keinen verbissenen Stolz aufkommen. Er hat erkannt, dass er kein einziges Vermögen, kein einziges Talent besitzt, um den Pfad zu gehen, obwohl ein großes Verlangen danach in ihm lebt. Das ist eine ernüchternde Entdeckung, vor allem für starke Persönlichkeiten, die im gewöhnlichen Leben durch den Einsatz ihres Willens, ihres Eifers oder durch eine bestimmte Taktik alles erreicht haben. Für einen solchen Menschen ist es peinlich zu erfahren: »Hier stehe ich. Ich bin nichts, nur ein machtloser Stümper. Ich besitze lediglich ein reines Verlangen nach dem neuen Leben.« 234

Dieser Zustand ist jedoch die psychologische Basis für die dreizehn Reuegesänge. Dieser Mensch bereut, aber nicht, weil er etwas falsch gemacht hat, denn er kann ja nicht anders, sondern wegen seiner fundamentalen Untauglichkeit. Er erkennt seinen Zustand vollkommen. Er bereut also keine falsche Tat, sondern er empfindet die Reue der Selbsterkenntnis. Eine solche Reue kann aber sehr negativ sein. Man kann darin kristallisieren. Dann sehen wir ihn, mit gebeugtem Haupt, den Blick zur Erde gewandt und niedergeschlagen, den Menschen, der glaubte, den Himmel erstürmen zu können. Nach einer solchen negativen Periode kann jedoch die Sehnsucht und das Verlangen wieder aufsteigen. Und dann beginnt dieser Mensch, das Licht anzurufen, und zwar völlig anders als vorher. Er singt seinen ersten Reuegesang, der aus sechsunddreißig Versen besteht. Er singt das Menschheitslied. Zuerst erklärt er darin den eigenen Zustand, seine Betrübnis, den tiefen Fall. Er beschreibt seine Feinde, die ihn angreifen und von allen Seiten umringen. Er schämt sich wegen des negativen Vorbildes, das er gibt. Er berichtet von seiner Ohnmacht und von seiner Isolation. Er ist sehr mit dem eigenen Los und dessen Resultaten beschäftigt. Da er jedoch im ersten Reuegesang das Menschheitslied singt, blickt er in seinem Selbstmitleid umher und sieht zum ersten Mal das unermessliche Leid aller. Er erkennt, dass die ganze Welt sich im Elend krümmt. Er sieht, dass alle in ihrer Unwissenheit in schneller Fahrt dem Untergang zueilen. Und nun entdeckt er, dass er dieser Menschheit etwas voraus hat. Er kennt den eigenen Zustand, er hat seine Ohnmacht erfahren. Er ist kuriert von der Losung »der Wille zur Macht« mit allen entsprechenden Folgen. Alle anderen irren noch im Untergang umher. Aber er hat psychologisch einen Stillstand erreicht. Nun weiß er, dass er für die anderen etwas tun kann. Daher endet der erste Reuegesang in Freude. Der Menschheit wird gedient mit der Erfahrung und aus dem Glauben, dass hinter allem ein tiefer Sinn steckt. Darum heißt es: Alle preisen Ihn. Denn die Gnosis wird alle erlösen. So endet das Menschheitslied, der erste Reuegesang. Es hat sich also in dem Kandidaten eine merkwürdige Veränderung vollzogen. Er wird sich niemals mehr, unter keinen Umständen, selbst durchsetzen. Selbsterhebung ist ihm fremd geworden, dazu weiß er zu viel vom eigenen Selbst und seinen Möglichkeiten. Er ist aufgebrochen für das Weltleid. In diesem Zustand beginnt er seinen zweiten Reuegesang, der aus vierzehn Versen besteht. Es ist das Bewusstseinslied, das in der Pistis Sophia von Petrus erklärt wird, während das Menschheitslied von Maria ausgelegt wurde. Im Bewusstseinslied erfährt der Kandidat Folgendes: 1. 2. 235

Sein Bewusstsein zeugt von einem unerschütterlichen Gottvertrauen. Sein Bewusstsein beweist, dass es eine gnostische Gerechtigkeit gibt, zu der sich jeder Kandidat erheben kann.

3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13.

Sein Bewusstsein weiß, dass es eine gnostische Kraft gibt, die ihn in seinem Naturzustand berühren kann, und dass er aus dieser Kraft in der Natur des Todes leben und arbeiten kann. Das Bewusstsein erfährt die Kraft und steht daher in dieser Sicherheit. Sein Bewusstsein weiß, dass es diese Kraft ist, die ihn aus der Todesnatur erlösen wird. Der Kandidat entdeckt die wunderbare Tatsache, dass bereits von seiner Jugend an dieses herrliche Vermögen in ihm wohnte, jedoch durch den Natur zustand total verdrängt wurde. Ja, schon bevor er geboren wurde, war dieses befreiende Element anwesend. Ist er nicht existenziell mit dem Kernprinzip seines Mikrokosmos, mit der Rose des Herzens verbunden? Darum bist Du, o Rosenherz, meine Zuflucht. Dass mein Mund täglich erfüllt werde von Deinem Lob. Dass ich mir stets mehr Deiner Herrlichkeit bewusst werde. Hinzugefügt wird die demütige Bitte: Ich weiß, dass ich, obwohl ein Bildträger, nur ein endliches Wesen, ein sterbliches Geschöpf bin, dessen Vitalität ver geht und das stets weniger tun kann in Deinem Dienst. Verwirf mich nicht, wenn mein Arbeitsvermögen geringer wird. Ich bin mir dessen klar bewusst, jede Sekunde nutzen zu müssen, denn alle Kräfte der Dialektik sind aufgrund ihrer Art und Geburt stets damit beschäftigt, mich gefangen zu halten. Sie beratschlagen ständig zusammen, auf welche Weise sie meine Fesseln verstärken können. Wer Gott nicht hat, nicht besitzt, kennt Gott nicht. Aus dem Zustand solcher Unwissenheit wird immer der andere Mensch, der die Gnosis besitzt, beurteilt. Darum sagen die Unwissenden stets: »Er ist noch unter uns, ein blutgeborener Mensch. Er isst und trinkt und schläft wie wir. Er tut nur so, als wenn er anders wäre. Er spricht von einem neuen Leben. Er zeugt von einer Gnosis, welche die unsere nicht ist und die wir nicht kennen. Er kennt Gott ebenso wenig. Diesen Gott gibt es nicht. Dieser Lebenszustand ist ein Hirngespinst. Und wenn die Gnosis existiert, dann hat sie doch offenbar ihre Diener verlassen. Jagt ihm nach, ergreift ihn! Denn er ist kein Erlöser, und er bringt Unruhe.« Darum endet das Bewusstseinslied mit einem Höhepunkt, mit einem Verlangen: O Gnosis, wunderbare Gnade, sei nicht ferne von mir! Lass sie beschämt werden! Rette mich um Deines Namens willen!

Das ist kein Angstschrei wie im ersten Reuegesang, sondern ein Zeugnis für die Hoffnung des Lebens. Das Bewusstseinslied beweist, dass der Kandidat, der dieses Lied innerlich singen kann, das gesamte zwölffache Nervensystem, diesen Quell, der dem Bewusstsein entspringt, in der Gnosis in Sicherheit gebracht hat. Mögen alle bald dieses Bewusstseinslied, das Lied des Durchbruchs, diesen zweiten Reuegesang dankend singen. ffffff

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Der Erlöser antwortete: »Gut gesprochen, Petrus, das ist die Auslegung ihres Reuegesanges. Gesegnet seid ihr vor allen Menschen auf Erden, weil ich euch diese Mysterien geoffenbart habe. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich werde euch vollenden in der Fülle der Mysterien vom Inneren zum Äußeren. Ich werde euch mit dem Geist erfüllen, damit ihr geistige Menschen genannt werdet, vollkommen in aller Fülle. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich werde euch alle Mysterien der Gebiete meines Vaters und aller Gebiete des Ersten Mysteriums geben, damit alle, die ihr auf Erden annehmen werdet, auch im Licht der Höhe angenommen werden; und alle, die ihr auf Erden ausstoßen werdet, auch im Reich meines Vaters, der in den Himmeln ist, ausgestoßen werden. Doch höret weiter auf alle Reuegesänge, welche die Pistis Sophia ausgesprochen hat. Sie fuhr fort und sprach ihren dritten Reuegesang: O Licht der Kräfte, bewahre und erlöse mich. Mögen in Not und Finsternis geraten, die mir mein Licht nehmen wollen. Mögen sich zum Chaos wenden und beschämt werden, die meine Kraft rauben wollen. Mögen sie, die mich verfolgen und sagen: »Wir sind Meister über sie geworden«, bald zur Finsternis zurückkehren. Mögen alle, die das Licht suchen, sich freuen und jubeln, und jene, die Dein Mysterium herbeisehnen, sagen: »Möge das Mysterium sich erheben.« Rette mich nun, o Licht, denn ich entbehre das Licht, das sie genommen haben. Und ich sehne mich nach der Kraft, die sie mir geraubt haben. Du, o Licht, bist mein Erlöser und Retter. Befreie mich bald aus diesem Chaos, o Licht.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesprochen hatte, sagte Er: »Dieses ist der dritte Reuegesang der Pistis Sophia. Möge der, in dem sich der Geist der Einsicht erhoben hat, vortreten und den Gedanken des Reuegesanges der Pistis Sophia aussprechen.« Noch bevor Jesus seine Worte beendet hatte, trat Martha vor, fiel vor seinen Füßen nieder, küsste sie und rief – in tiefer Demut heftig weinend – laut aus: »Herr, erbarme Dich meiner und habe Mitleid mit mir. Lass mich den Reuegesang der Pistis Sophia erklären.« Jesus reichte Martha die Hand und sprach zu ihr: »Selig ist jeder, der sich demütigt; denn er wird Barmherzigkeit erfahren. Wohlan, Martha, du bist eine solche Begnadete. Erkläre nun also den Gedanken des Reuegesanges der Pistis Sophia.« Martha antwortete Jesus inmitten der Jünger: »Über diesen Reuegesang der Pistis Sophia, o Herr, hat einst Deine Lichtkraft, die in David war, im 70. Psalm prophezeit: O Gott, eile mir zu Hilfe. Zuschanden werden und sich schämen sollen jene, die meine Seele belauern. Mögen jene, die mir zurufen: »Haha!« zurückweichen und zuschanden werden. Lass die, die Dich suchen, jauchzen und jubeln. Und mögen jene, die Dein Heil be237

gehren, unaufhörlich sagen: »Gott ist groß.« Aber ich bin elend und arm. O Gott, hilf mir! Du bist mein Schutz und mein Schild. O Herr, lass mich nicht warten! Das ist die Bedeutung des dritten Reuegesanges der Pistis Sophia, als sie die Höhe pries.« ffffff

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Pistis Sophia, Abschnitte 37-38 Kapitel 40

Dritter Reuegesang: das Lied der Demut Wir nannten den ersten Reuegesang der Pistis Sophia das Menschheitslied und den zweiten das Bewusstseinslied. In dem Menschheitslied erkennt die Pistis Sophia als suchendes Wesen den wahren Zustand der gesamten dialektischen Menschheit. Sie sieht das Leid der Welt und der Menschheit. Am Anfang erfährt sie sich selbst noch als Mittelpunkt darin und schämt sich ihres Verhaltens. Aber schließlich siegen Menschenliebe und Weltenheil. Sie erbittet Hilfe für die leidende Menschheit und erkennt eine eigene Aufgabe im Menschendienst und in Selbstvergessenheit. So empfindet sie schließlich Dankbarkeit und Freude, weil es ihr vergönnt wird, trotz des eigenen Elends eine Dienerin zu sein. Die Seele hat so von unten mit ihrer Pilgerreise angefangen und die ersten Schritte auf den Pfad gesetzt. Diese ersten Schritte bedeuten, selbstvergessen anderen dienstbar zu sein und ein offenes Auge zu besitzen für das Welt- und Menschheitsleid. Der zweite Reuegesang, das Bewusstseinslied, schließt sich völlig dieser Phase an, weil es das Lied des Durchbruchs ist, der von innen her die Seele angreift, damit sie in den Rosenhof eintreten kann. Und nun entdeckt die Pistis Sophia, dass die Rose des Herzens während ihres ganzen Lebens, ja, sogar schon vor ihrer Geburt in ihrem Mikrokosmos vorhanden war. Darum will sie täglich davon zeugen und vollkommen dienend das Rosenkreuz tragen. Daneben steht jedoch noch eine andere Realität, nämlich die Tatsache, dass dieses Dienen in Gefahr gerät durch die endliche und zerbrechliche dialektische Vitalität, die kurze Lebensdauer und durch die fortwährenden Gegenwirkungen und Angriffe, die alles in einen der Gnosis feindlichen Sinn umwenden wollen. 238

Darum lebt in der Pistis Sophia die eine, alles beherrschende Bitte: »O Gott, wunderbare Gnade, sei nicht fern von mir. Beschäme jene, die mich bedrohen. Rette mich um Deines Namens willen.« Die bewusste Selbsterkenntnis erfüllt den Kandidaten, und so stellt er den ganzen siebenarmigen Bewusstseinsleuchter in das Gnadenfeld der Gnosis. Es ist Selbstvergessenheit da und Übergabe an die Rose des Herzens, auch Dienstbereitschaft und gleichzeitig eine berechtigte Vermutung, dass die übernommene Aufgabe wegen der Widersacher nicht vollbracht werden kann. Es ist also ein starkes Bewusstsein der Ohnmacht vorhanden. Man könnte nun annehmen, dass der Tiefpunkt der Pilgerreise damit erreicht ist. Das ist jedoch nicht der Fall. Der Prozess der Seelenläuterung hat kaum erst begonnen. Daher singt die Pistis Sophia ihren dritten Reuegesang, das Lied der Demut. Demut bezieht sich auf einen Zustand der Weisheit, also auf einen bestimmten Zustand des zerebrospinalen Nervensystems, nämlich auf das Denken und seinen Organismus. Wenn ein Mensch demütig ist, kann er auch sanftmütig und langmütig sein. Da im zweiten Reuegesang der Bewusstseinsdurchbruch erfolgte, wird danach das positive Bewusstseinszentrum von der Gnosis berührt, das immer mit dem zerebro- spinalen Nervensystem zusammenhängt, welches wiederum vollkommen durch das Denken und das Wollen kontrolliert werden kann. Der erste Beweis für einen derartigen Durchbruch ist stets Demut. Um die Bedeutung dieses Zustandes zu ergründen, müssen wir uns der Wirkung des magnetischen Gehirnsystems zuwenden, durch das der Mensch unter der Kontrolle der zwölf Äonen der gewöhnlichen Natur steht. In diesem magnetischen Gehirnsystem liegen die Hauptorgane des zerebrospinalen Nervensystems und die Zentrale des Verstandes. Gerade dort hat Authades seinen Thron. Der Kandidat kann mit den übrigen Seelenorganen gnostisch empfänglich sein und sehr viel Interesse für eine Geistesschule aufbringen und auf der Basis ihrer Anziehungskraft auch in die Geistesschule eintreten. Wenn aber trotz allem, wie wichtig es auch sein mag, der Bewusstseinsdurchbruch nicht erfolgt, befindet dieser Mensch sich in einem elenden Zustand der Gespaltenheit. Er dient dann zwei Herren: Gott und dem Mammon. Das geschieht nicht, weil er ein Heuchler ist, so meint es die Bergpredigt nicht, sondern wegen der Tatsache, dass der größte und wichtigste Teil des Bewusstseins noch ganz von der dialektischen Natur ist und von dieser kontrolliert wird. Nachdem der Kandidat mit der Gnosis über die Rose des Herzens verbunden ist, also über das magnetische System des Herzens, muss er sich zuerst selbst zwingen, den Pfad zu gehen. Er kann nichts anderes als das Ich dahinter stellen. Um jedoch nicht in Persönlichkeitskultur zu verfallen, muss der Kandidat sein Mensch239

heitslied so singen, dass das eigene Leid und der eigene Zustand im Menschheitsdienst völlig vergessen werden. Nur im Menschendienst kann der Kandidat sein eigenes Leid vergessen. Im Kraftfeld einer gnostischen Geistesschule wird der Schüler vollkommen auf sein eigenes Selbst zurückgeworfen. Er muss die eigene Zerrüttung erkennen und erfahren wie ein sengendes Feuer. Das erste Heilmittel für diesen Seinszustand ist Menschendienst, das vollkommene Selbstopfer. Wer dieses Selbstopfer selbstvergessen bringen kann, erlebt den Bewusstseinsdurchbruch. Dann strömt die gnostische Radiation zum ersten Mal direkt in das magnetische Gehirnsystem ein. Das zerebrospinale Nervensystem wird angegriffen, und dadurch kann das gnostische Feuer ebenfalls zum ersten Mal den positiven Pol des Nervensystems berühren. Dann ist der Bewusstseinsdurchbruch erfolgt. Das Denkund Willenswesen wird bis in seine innersten Kerne von der Gnosis angegriffen. Dann sieht der Kandidat zum ersten Mal den eigenen, inneren Zustand mit allem, was damit verbunden ist, auf eine ganz neue Weise. Das gnostische Licht, das in das zerebrospinale Nervensystem eingedrungen ist, hat ihn dazu befähigt. Erst dann ist der zweite Reuegesang gesungen. Man könnte erwarten, dass der Kandidat nun nach der dunklen Nacht eine Morgenstunde erlebt. Aber was geschieht? Mit dem Nachtbewusstsein hat er bereits die Wirklichkeit der Todesnatur erfahren. Und mit dem Tagbewusstsein erkennt er nun im Licht einer neuen Morgendämmerung die Zerrüttung und Verwüstung, welche die Stürme des Lebens verursacht haben. Eine solche Erfahrung stimmt keineswegs froh. »Das ganze Verstandesvermögen wird zuerst mit der intensiven, sich einätzenden Wirklichkeit konfrontiert, die als nackte Wahrheit böse und unausweichlich vor dem Kandidaten steht. So beginnt der dritte Reuegesang. Das gesamte sinnesorganische Wahrnehmungsvermögen ist durch die gnostische Berührung verändert. Es wäre verständlich, wenn den Kandidaten nun eine Angstpsychose heimsuchen würde, denn diese Wahrheit erkennen, ist wie das Erblicken des Wächters auf der Schwelle als rächende Gerechtigkeit, als eine der Gorgonen. Man kann sich vorstellen, dass der Kandidat an Flucht denkt. Diese Reaktion wäre jedoch sehr negativ. Dann würde der dritte Reuegesang nicht gesungen werden. Aber die Pistis Sophia singt den dritten Reuegesang, und dafür hatte sie Mut nötig, einen Mut, der sich auf Weisheit stützt: die Demut. Der demütige Mensch, der mit dieser Wirklichkeit konfrontiert wird, bleibt furchtlos. Im Gegenteil, er stellt sich in Demut, ohne Eigendünkel, ohne Hochmut, ohne Selbstbehauptung und Daseinstrieb vor das gnostische Licht, das ihn zur Selbstentdeckung führte. Ein solcher Mensch ist nicht nur demütig, sondern auch langmütig und sanftmütig. Er besitzt unermessliche Geduld und verletzt seine Mitmenschen nicht durch 240

beißende Kritik. Er ist ein Diener, der durch barmherzige Liebe dient. Und auf diese Weise singt er den dritten Reuegesang, das Lied der Demut. Dieses Lied hat fünf Strophen: 1. Zuerst vibriert durch den Kandidaten die Bitte um Erlösung aus einer solchen bitteren Realität. 2. In der zweiten Ansicht entdeckt er die Ursache und die Absicht der Feindschaft gegen Gott. 3. In der dritten Ansicht lebt das Bewusstsein, dass alles Böse der Äonen neutralisiert werden muss. 4. In der vierten Ansicht steigt eine Bitte empor für alle, die leiden und nach Befreiung suchen. 5. Und in der fünften Ansicht bekennt der Kandidat den eigenen Zustand: Ich bin elend und in Not. Eile zu mir. Allein Du bist meine Hilfe und mein Befreier. So, auf dem Boden einer vorher niemals erkannten Wirklichkeit, bekennt der Demütige sein Gottvertrauen. Die Wirklichkeit ist damit all ihrem Schrecken, aber über allem steht der Mut, der ihn weitergehen lässt. Wir hoffen, dass diese Heimsuchung bald auch über Sie komme, damit Ihnen die Demut zuteil werden kann.

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Als Jesus diese Worte hatte sagen hören, sprach Er: »Vortrefflich, Martha, deine Worte waren schön.« Jesus setzte sein Gespräch fort und sagte zu seinen Jüngern: »Die Pistis Sophia fuhr mit ihrem vierten Reuegesang fort, bevor sie zum zweiten Mal in Bedrängnis gebracht wurde, damit die Kraft mit dem Löwenkopf und alle stofflichen Geschöpfe, die Authades zum Chaos geschickt hatte, ihr nicht alles Licht, das ihr noch geblieben war, rauben sollten. Sie sprach also diesen Reuegesang: »O Licht, auf das ich vertraute, höre meine Reue an und lass meine Stimme Deine Wohnstätte erreichen. Verbirg Dein Lichtgewand nicht vor mir, sondern beschirme mich, wenn sie mich quälen. Rette mich eilends an dem Tag, da ich zu Dir rufe. Denn meine Tage sind wie ein Hauch verflogen, und ich bin zu Stoff geworden. Sie haben mein Licht genommen, und meine Kraft ist verdorrt. Das Mysterium, das ich einst treu erfüllte, habe ich vergessen. Durch die Stimmen der Angst und des Authades ist meine Kraft in mir verschwunden. Ich bin wie ein seltsamer Dämon, der in der Materie haust und in dem kein inneres 241

Licht ist. Ich bin zu einem Widersacher-Geist geworden, der in einem stofflichen Leib wohnt und der keine Lichtkraft besitzt. Ich bin zu einem Dekan geworden, der sich allein in der Luft befindet. Die Emanationen des Authades haben mich in die Enge getrieben; und der mit mir Verbundene sagte zu sich selbst: »Anstelle des Lichtes, das sie früher erfüllte, haben sie sie mit Chaos angefüllt.« Den Schweiß meines Körpers und die Tränen der Angst meiner materiellen Augen habe ich verzehrt, damit meine Bedränger mir nicht auch noch diese wegnehmen. Das alles, o Licht, ist über mich gekommen auf Dein Gebot und Deinen Befehl hin. Und Deine Bestimmung ist es, dass ich mich hier befinde. Dein Gebot hat mich hinabgesandt, und ich bin herabgesunken wie eine Kraft des Chaos. Meine Kraft ist in mir erstarrt. Du aber, o Herr, bist das ewige Licht, und Du suchst stets die Bedrängten. Erhebe Dich, o Licht, und suche meine Kraft und die Seele, die in mir ist. Dein Befehl, den Du mir in meinem Elend auferlegt hast, ist erfüllt. Meine Zeit ist gekommen, da Du meine Kraft und meine Seele suchst. Und es ist die Zeit, die Du vorher bestimmt hast, um mich zu suchen. Denn Deine Erlöser haben die Kraft meiner Seele gesucht, da die Zahl vollendet ist und damit auch ihre Materie gerettet werde. An diesem Tag werden alle Archonten der materiellen Äonen Dein Licht fürchten. Und alle Emanationen des dreizehnten, materiellen Äons werden das Mysterium Deines Lichtes fürchten, damit die anderen das Gereinigte ihres Lichtes anziehen können. Denn der Herr wird die Kraft eurer Seele suchen. Er hat sein Mysterium geoffenbart. Er blickt auf den Reuegesang jener, die sich in den unteren Gebieten befinden. Und Er hat ihre Reuegesänge nicht missachtet. Das ist das Mysterium, das zum Vorbild geworden ist für das kommende Geschlecht. Und das Geschlecht, das dann geboren wird, wird der Höhe lobsingen. Denn das Licht sah herab aus der Höhe. Es wird herabschauen auf die gesamte Materie, um auf das Seufzen der Gebundenen zu hören und die Seelen aus ihrer Gebundenheit zu erlösen, damit das Licht seinen Namen in ihre Seele lege und sein Mysterium in ihre Kraft.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Dieses ist der vierte Reuegesang der Pistis Sophia. Wer es verstehen kann, verstehe es.« Da trat Johannes vor, küsste die Brust Jesu und sprach: »Herr, möge es mir vergönnt sein, von Dir den Auftrag zu empfangen, die vierte Wehklage der Pistis Sophia zu erklären.« Jesus sprach zu Johannes: »Ich gebe dir den Auftrag und gestehe dir zu, den Reuegesang der Pistis Sophia zu erklären.« Johannes antwortete: »Herr und Erlöser, über diesen Reuegesang der Pistis Sophia 242

hat einst Deine Lichtkraft durch David im 102. Psalm prophezeit: Herr, erhöre mein Gebet, lass meinen Hilferuf zu Dir gelangen. Verbirg Dein Antlitz nicht vor mir, neige Dein Ohr zu mir am Tag meiner Bedrängnis. Antworte mir eilends zur Stunde, da ich Dich anrufe. Denn meine Tage sind vergangen wie Rauch, und meine Gebeine sind verbrannt wie Stein. Ich bin versengt wie Gras, und mein Herz ist verdorrt. Ich habe vergessen, mein Brot zu essen. Vor lauter Seufzen klebt mein Gebein am Fleisch. Ich bin wie ein Pelikan in der Wüste, wie eine Steineule auf einem Steinhaufen. Wachend habe ich die Nacht verbracht und bin wie ein einsamer Sperling auf dem Dach. Den ganzen Tag verhöhnen mich meine Feinde, die gegen mich wüten, sie gebrauchen meinen Namen als Fluch. Ich esse Asche statt Brot, und mein Trank ist mit Tränen gemischt, aus Furcht vor Deinem Zorn und Deinem Grimm; denn Du hast mich emporgehoben und niedergeworfen. Meine Tage neigen sich wie lange Schatten, und ich verdorre wie Gras. Aber Du, o Herr, thronst in Ewigkeit, und Dein Name bleibt von Geschlecht zu Geschlecht. Erhebe Dich und erbarme Dich Zions, denn es ist Zeit, ihr gnädig zu sein, da die Stunde gekommen ist. Deine Diener lieben ihre Steine, sie werden sich ihres Landes erbarmen. Dann werden alle Völker den Namen des Herrn fürchten und alle Könige der Erde Deine Herrlichkeit. Denn der Herr wird Zion aufbauen und sich in seiner Herrlichkeit offenbaren. Er hat sich dem Gebet der Erniedrigten geneigt und ihre flehende Bitte nicht verworfen. Dies wurde aufgeschrieben für ein folgendes Geschlecht. Und das Volk, das dann geschaffen sein wird, wird den Herrn loben. Denn Er hat herabgesehen aus Seiner heiligen Höhe. Der Herr hat vom Himmel auf die Erde geschaut, um das Seufzen der Gefangenen zu hören, um die zum Tode Verdammten zu befreien, damit der Name des Herrn in Zion verkündet werde und sein Ruhm in Jerusalem. Dieses, o Herr, ist die Erklärung des Mysteriums des vierten Reuegesanges, den die Pistis Sophia ausgesprochen hat.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 39-40 Kapitel 41

Vierter Reuegesang: das Lied der Zerschmetterung Es ist nun so weit, dass die Pistis Sophia ihren vierten Reuegesang ausspricht. Wir haben erstens dem Menschheitslied gelauscht, zweitens dem Bewusstseinslied und drittens dem Lied der Demut. Nun hören wir viertens das Lied der Zerschmetterung. Es ist für einen Kandidaten schmerzlich, dieses Lied zu hören, es ist jedoch notwendig auf dem Pfad. Es hängt mit der Gespaltenheit der Seele zusammen, die dadurch entsteht, dass im Seelenbewusstsein zwei Stimmen sprechen. Es treten dann zwei Kräfte auf: die Gnosis und die Natur. Das ist ein psychologischer Zustand, und jeder ernsthafte Schüler kennt diese Situation. Der Kandidat geht den Pfad und ist bereit, der Menschheit zu dienen. Und er beweist das durch das Opfer seines Selbstes, in dem er sein eigenes Elend und das eigene Selbst vollkommen vergessen kann. In diesem herrlichen Dienen werden die eigenen Schwierigkeiten völlig vergessen. Aber sie bleiben trotzdem bestehen, und ihre Anwesenheit ist der Beweis, dass die Äonen der Natur noch immer in der Seele herrschen und dass Authades von Zeit zu Zeit den Ton angibt. Jeder Kandidat kennt daher die Perioden des Rückfalls. Aber die Gnosis spricht ebenfalls in seiner Seele, und ihr Vermögen wird zeitweise in ihm erkennbar. So lebt die Seele des Christian Rosenkreuz am Beginn des Pfades zwischen Hoffnung und Furcht. Sie wandelt zwischen den seelischen Depressionen wie auf einem Pfad, der am Fuß hoher Berge entlangführt und nur hier und da eine Fernsicht zulässt. Die Seele harrt in Demut aus. Wenn der Kandidat die Demut jedoch so sehr nötig hat, ist noch etwas in seinem Seelenzustand nicht in Ordnung. Es geht zwar voran, aber die Tatsache, dass er mutig Seelen-Dunkelheiten durchschreiten muss, beweist, dass Authades noch eine große Macht im Seelenzentrum besitzt. Das erklärt die Auf- und Niedergänge, den Wechsel zwischen Optimismus und Pessimismus, die Aufeinanderfolge entgegengesetzter Stimmungen, die nicht durch negative Einflüsse verursacht werden, sondern durch die Tatsachen der Selbsterkenntnis und der Erfahrung. Wenn die Seele jedoch zu der Lichtgeburt, zu der vollkommenen Erfüllung durch die Gnosis durchdringen will, wenn sie völlig eins werden will mit der Christus-Strahlung, dann ist die totale Zerschmetterung des Seelenzustandes der Natur mit all seinen bekannten und unbekannten Verhaltensweisen unbedingt notwendig. Dieser Zustand der Zerschmetterung, ein solcher Tiefpunkt der Seele wird uns im vierten Reuegesang geschildert. Die Seele muss zum vollständigen Nichts der Natur nach geführt werden. Und dieses Nicht-Sein muss sie beweisen, nicht in der Theorie, son244

dern in klarer Praxis, so wie es uns das gnostische Evangelium berichtet. Die Seele muss alles verlieren, um alles zu gewinnen. Es geht darum, worauf der Kandidat den Nachdruck legt: Was will er verlieren und was möchte er gewinnen? In den ersten drei Reuegesängen ringt die Seele noch immer mit ihrer Gespaltenheit. Es bewegen sie noch zwei entgegengesetzte Kräfte. Nun versucht die Pistis Sophia in diesem Zustand, stets die Gnosis den Ton angeben zu lassen. Und immer ist es ihre Ausrichtung auf den Pfad, die den Sieg davonträgt. Dieser Sieg beendet das Stadium der Verbissenheit und Krampfhaftigkeit vollkommen. Trotzdem kann auch dieser Zustand noch nicht ideal genannt werden. Die Tatsache, dass ein Sieg errungen wurde, ist sehr gut. Aber dass es etwas im Selbst gibt, das besiegt werden muss, spricht Bände. Ein solcher Sieg ist stets die Signatur der Gespaltenheit der Seele. Darum können wir an dieser Stelle auch sagen, dass jene, die am unbändigsten lachen und so versuchen, ihre Schwierigkeiten zu vergessen, am meisten vom Kummer ergriffen sind. Sie kämpfen verzweifelt dagegen mit der Waffe des Lachens. Um diesen Wechsel zwischen Erfolg und Zusammenbruch völlig aufzuheben, ist die totale Zerschmetterung der natürlichen Seelenkraft notwendig. Die Seele der Natur muss zum allgemeinen Nicht-Sein geführt werden und diesen Zustand auch deutlich beweisen. Im vierten Reuegesang liefert die Pistis Sophia den Beweis einer großen Selbstentdeckung. Sie stellt nämlich fest, dass jener, der in dem Streit der Gespaltenheit im eigenen Selbst steht, nur scheinbar einen Sieg erringt. Sie kann sich in der Dienstbereitschaft selbst vergessen. Sie liebt die Menschheit, und die Gnosis hat den Durchbruch in ihr ermöglicht. Diese Lebenshaltung ist der Gewinn nach dem Singen der ersten drei Reuegesänge. Sie steht vollkommen in der Demut, das bedeutet, dass sie durchhält ohne Ichzentralität. Nun stellt sie fest, dass bereits im Voraus verloren hat, wer Streit führt. Er kann daher nicht in das befreiende Leben eintreten. Sie kennen das Wort: »Wer das Schwert benutzt, wird durch das Schwert umkommen.« Wer versucht, die in der Tiefe der Seele wütenden Kräfte zu verdrängen und damit anfänglich Erfolg hat, wird einmal erfahren, dass alles, was verdrängt wurde, doch wieder das Haupt erhebt. Lange Verdrängtes erhält stets größere Kraft und wird sich so mächtig erheben, dass es sich als unwiderstehlich erweist. Je heftiger man innerlich das Unwiderstehliche bekämpft, desto heftiger wird man davon angegriffen. Alles Fechten gegen das eigene Selbst ist im tiefsten Wesen nutzlos. Der Schüler auf dem Pfad kämpft in der Seele gegen den Naturzustand. Dadurch wird er stets schwächer, weil er mit dialektischen Mitteln wirkt. Denn Streit ist eine dialektische Methode. Durch den Streit versucht der Schüler, seine Naturgeburt und also die Wirklichkeit der Natur hinwegzulügen. Das kann man eine gewisse Zeit aushalten, aber es gibt eine Grenze. Alle Naturgesetze beweisen, dass die Natur sich immer ihr Recht nimmt. Was sich also in den 245

ersten drei Reuegesängen als wertvoll und erfolgreich erwies, zeigt sich nun als nutzlos, denn die so lange zurückgedrängte Natur tritt wieder in ihre Rechte ein. Und mit der Demut, welche die Pistis Sophia nun besitzt, nimmt sie die Wahrheit und Wirklichkeit an, die Wahrheit des Christus-Wortes: »Wer das Schwert benutzt, wird durch das Schwert umkommen.« In einem gegebenen Augenblick betritt die Pistis Sophia nicht mehr den Kampfplatz und widersteht dem Naturrecht nicht mehr. Diesen psychologischen Zustand müssen Sie gut verstehen. Sicher wird die Pistis Sophia die Natur nicht mit Freude und Enthusiasmus willkommen heißen und sich ihr unterordnen. Das wäre unmöglich. Als Sucher nach der göttlichen Weisheit und Erhabenheit ist die Seele der Pistis Sophia gespalten. Es bestehen zwei Seelen im Seelenzentrum. Die eine lebt aus der fundamentalen göttlichen Strahlung und die andere aus dem dialektischen magnetischen Feld. Die Seele, die aus der fundamentalen Strahlung lebt, stellt den Streit gegen ihren Gefährten der Natur ein, aber sie existiert weiter. Erkennend, dass Streit die Naturseele stets stärkt, gibt sie wohlbewusst diesen Streit auf und hält sogar die andere Wange hin, wenn sie auf einer Wange einen Schlag erhält. So tritt sie psychologisch und wohlbewusst in das Stadium der vornehmen Machtlosigkeit ein. Sie hebt ebenso bewusst die Gegensätze auf und überwindet ohne Streit. Das geschieht auch zwischen Menschen. Wenn ein Mensch mit einem anderen streiten will, jedoch dieser andere geht nicht darauf ein, dann kann eine solche psychologische Festung nicht eingenommen werden. Die Waffen werden aus der Hand geschlagen, und der Gegensatz zwischen den beiden Menschen wird aufgehoben. Nur die gegenseitigen psychologischen Werte bleiben übrig. Wenn die Seele die Haltung der Bergpredigt anwendet, ist sie unangreifbar. Wenn die Seele kämpft, verliert sie, weil sie dann dialektisch lebt. Wie muss die Seele dann den Naturzustand überwinden und im Licht der Lichter erwachen? Wie kann der Naturzustand ohne Streit untergehen? Wird das Rosenherz dann nicht geschädigt und die Seelenfluide verdorben und getrübt? Muss die Seele alle Heimsuchungen über sich ergehen lassen? Das große Geheimnis liegt im Aufheben der Gegensätze. Die Natur trifft die Seele, weil diese Seele gegen die Natur kämpft. Wenn der Kandidat völlig spontan und vor allem nicht demonstrativ das »no reaction« anwendet und sich mental distanziert, hebt er den Gegensatz zwischen der Natur und seinem Seelenverlangen auf. Sofort zieht Ruhe und Frieden ein. Der Kandidat auf dem Pfad ist unangreifbar. Wenn der Schüler sich nicht zum Streit verlocken lässt und so die Gegensätze bewusst aufhebt, ist er augenblicklich frei von der Dialektik, die durch Gegensätze bewegt wird. Es bleibt dann nur noch übrig, den Schein abzuwerfen. Durch den heftigen Streit zwischen den beiden Seelenwerten hat der Kandidat sehr viele Scheinwerte erobert. Am Anfang verhätschelt er diesen Schein, so wie ein Kind seine Puppen in der Fan246

tasie belebt und mit ihnen spricht. Und ebenso wie ein Kind über diese Fantasie hinauswächst und sie durch die Wirklichkeit ersetzt, so muss auch der Kandidat seine Fantasien überwinden. Er muss die Gegensätze und die Scheinwerte zerschmettern und das Lied der Zerschmetterung mit lauten, hörbaren Tönen singen. Wer diesen Weg nicht versteht, bleibt bei seinen alten und so bekannten Lebensmethoden, sieht seine Tage vergehen wie Rauch, und sein Gebein verglimmt wie eine Feuerglut. Ein solcher Mensch fällt von einem Seufzer der Naturbeklemmung in den anderen, und die gnostische Berührung muss stets weichen. Wer jedoch die Realität der wahren Kandidatenschaft in der angegebenen Weise in sich freizulegen weiß, erkennt, dass er als Kandidat auf dem Pfad ein Gefangener ist, der sich durch das Aufheben der Gegensätze zum ersten Mal in seinem Leben vor das Fenster seines Gefängnisses stellen kann. Und er kann zum ersten Mal das reine neue Seelenverlangen zum Licht der Lichter aussenden. Wir hoffen, dass Sie das Lied der Zerschmetterung verstehen und nachsingen können; denn dann werden Sie vollkommen reif sein für das Teilhaben am neuen magnetischen Feld, am neuen Lebensfeld und seiner Lebenskraft. Wir meinen damit, dass die fundamentale Strahlung, die durch das Schüler-Element in der Seele geformt und genährt wird, sich in die wiedererschaffende transfigurierende Siebenkraft aufspalten kann. Streit ist wesenseins mit der Dialektik. Im dialektischen Feld werden Sie immer von Kriegen und Gerüchten von Kriegen hören, im Kleinen wie im Großen. Der Kandidat in Ihnen, das Seelenelement, muss sich vom Streit befreien, sowohl innerlich als auch äußerlich. Dann wird der Kandidat oder das Seelenelement wachsen, da er den Einfluss der Gegensätze überwunden hat. Und es wird durch die Hitze des Feuers und des Heiligen Geistes mit unaussprechlichen Folgen in Siebenkraft ausbrechen.

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Als Johannes diese Worte zu Jesus inmitten der Jünger gesprochen hatte, sagte Jesus zu ihm: »Vortrefflich gesprochen, Johannes, du Reiner, der du im Lichtreich herrschen wirst.« Jesus fuhr in seinem Gespräch fort und sagte zu seinen Jüngern: »Die Geschöpfe des Authades fielen im Chaos wieder über die Pistis Sophia her und wollten sie all ihrer Lichtkraft berauben: Und noch war das Gebot, sie aus dem Chaos herauszuführen, nicht erfüllt. Auch war vom Ersten Mysterium nicht der Befehl gegeben, sie aus dem Chaos zu retten. Als alle stofflichen Geschöpfe des Authades sie angriffen, schrie sie auf und sagte ihren fünften Reuegesang: O Licht meines Heils, ich singe Dein Lob sowohl in der Höhe als auch im Chaos. 247

Ich werde Dich preisen mit meinem Lobgesang, mit dem ich Dich in der Höhe gepriesen habe; und ich habe Dich damit gepriesen, als ich im Chaos war. Möge er Dich erreichen. Gibt acht, o Licht, auf meine Reue. Meine Kraft ist von Finsternis erfüllt, und mein Licht ist zum Chaos herabgesunken. Ich selbst bin wie die Archonten des Chaos geworden, die hinabgesunken sind in die unteren Finsternisse. Ich bin zu einem stofflichen Leib geworden, der in der Höhe niemanden hat, der ihn erlösen wird. Ich bin geworden wie die Materie, aus der alle Kraft hinweggenommen ist, als sie im Chaos weggeworfen wurde, die Du nicht gerettet hast und die durch Dein Gesetz zugrunde gegangen ist. Darum hat man mich in die unterste Finsternis gebracht, in Finsternis und Materie, die tot und ohne Kraft sind. Du hast Dein Gesetz und alles, was Du willst, über mich gebracht. Dein Geist ist gewichen und hat mich verlassen. Auf Deinen Befehl haben die Schöpfungen meines Äons mir nicht geholfen. Sie haben mich gehasst und sich von mir zurückgezogen. Jedoch noch bin ich nicht völlig vernichtet. Mein Licht wurde schwach, und mit dem Licht, das mir verblieb, habe ich zu Dir, o Licht, gerufen und meine Hände nach Dir ausgestreckt. Wirst Du nun, o Licht, Dein Gesetz im Chaos erfüllen? Und werden die Erlöser, die Deinem Gesetz zufolge kommen werden, sich dann in der Finsternis erheben und kommen und Deine Jünger sein? Werden sie das Mysterium Deines Namens dann im Chaos verkündigen? Oder werden sie vielmehr von Deinem Namen in der Materie des Chaos zeugen, wo Du nicht reinigend auftreten wirst? Ich aber habe Dich gepriesen, o Licht, und mein Reuegesang wird Dich in der Höhe erreichen. Möge Dein Licht auf mich herabkommen. Sie haben mein Licht von mir genommen, und ich bleibe im Schmerz um das Licht, seit ich geschaffen bin. Und als ich zum Licht empor und auf die Lichtkraft im Chaos herabgeblickt hatte, erhob ich mich und ging hinab. Dein Gesetz kam über mich, und die Schrecken, die Du für mich bestimmt hast, haben mich in Verwirrung gebracht. Sie haben mich umringt wie tobende Wasser; die ganze Zeit hielten sie mich in ihrem Griff. Wegen Deines Gesetzes konnten meine Mitgeschöpfe mir nicht helfen. Auch hast Du nicht zugelassen, dass der mit mir Verbundene mich aus meiner Not errettet. Das nun ist der fünfte Reuegesang, den die Pistis Sophia im Chaos aussprach, während alle stofflichen Geschöpfe des Authades sie weiterhin in Bedrängnis brachten.« Als Jesus das zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er zu ihnen: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre. Und in wem der Geist aufwallt, der möge vortreten und die Gedanken des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia erklären.« Als Jesus diese Worte gesprochen hatte, trat Philippus vor, legte das Buch, das er 248

in Händen hielt, nieder – denn er war der Schreiber aller Worte, die Jesus sprach, und alles dessen, was Er tat – und sprach zu Ihm: »Herr, bin ich es denn allein, dem Du aufgetragen hast, für die Welt Sorge zu tragen und alles, was Du sagst und tust, aufzuschreiben? Du hast mir nicht die Gelegenheit gegeben, die Erklärung der Mysterien des Reuegesanges der Pistis Sophia zu geben. Oft wallte der Geist in mir auf, fühlte sich frei und spornte mich kräftig an, vorzutreten und die Reuegesänge der Pistis Sophia zu erklären. Aber ich konnte nicht vortreten, weil ich es bin, der alles Gesprochene aufschreiben muss.« Als Jesus Philippus angehört hatte, sprach Er zu ihm: »Philippus, du Begnadeter, höre, damit ich zu dir sprechen kann. Du, Thomas und Matthäus sind es, welchen durch das Erste Mysterium aufgetragen wurde, alle Worte, die ich spreche, und alles, was ihr sehen werdet, aufzuschreiben. Was dich betrifft, so ist die Zahl der Abhandlungen, die du aufschreiben sollst, noch nicht erfüllt. Sobald sie erfüllt ist, kannst du vortreten und sagen, was dir gefällt. Von jetzt an sollt ihr jedoch alle drei die Worte, die ich sagen, und alles, was ich tun werde, und alles, was ihr sehen werdet, aufschreiben als ein Zeugnis von allen Dingen des Königreichs der Himmel.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 41-42 Kapitel 42

Fünfter Reuegesang: das Lied der Ergebung Der vierte Reuegesang, das Lied der Zerschmetterung, bezieht sich auf die Aufhebung allen Streites und der eigenen Widerstände. Im Zusammenhang mit diesem Reuegesang wird in der Pistis Sophia auf den 102. Psalm hingewiesen, in dem die Sphäre der Zerschmetterung deutlich zum Ausdruck kommt. Das prinzipielle und direkte Aufgeben allen Streites wirkt sehr eingreifend, und es kann lange dauern, bis der Schüler seinen Reuegesang singen kann. Dennoch liegt in diesem vierten Reuegesang die einzige Auflösung für das wahrliche Emporsteigen aus dem Ichbewusstsein und den darauf folgenden Eintritt in das Seelenbewusstsein. Wenn der Schüler in Ihnen – das ist ein bestimmter Seelenzustand, eine Seelenvibration – gegen den dialektischen Seelenzustand in sich kämpft, dann muss er immer verlieren. Dadurch fügt er sich in den großen Streit der Dialektik ein, in den Prozess 249

des fortwährenden Wechsels. Dann wird das gewöhnliche Ichbewusstsein stärker, denn es wächst und lebt durch Streit. Sobald der sich entwickelnde Seelenzustand des Schülers sich jedoch ebenfalls zum Streit verleiten lässt, muss er verlieren. Wenn jemand den Weg der Gnosis gehen will, muss das wachsende, neue Lebensprinzip in ihm in den absoluten Friedenszustand eintreten, trotz seiner Fremdlingschaft in einem feindlichen Land. Wenn er im Friedenszustand ausharrt, kann ihm kein Leid zugefügt werden. Da die Pistis Sophia nun ihren vierten Reuegesang singt, könnte man meinen, dass ihre Erhebung in das Licht unmittelbar bevorsteht. Das ist jedoch keineswegs der Fall! Jesus sagt nämlich, dass vom Ersten Mysterium noch nicht der Befehl gegeben war, sie aus dem Chaos zu retten. Warum nicht? Weil vor allem die Wirklichkeit, die Tat, die Tatsache, der Besitz sprechen müssen. Der Zustand, der aus dem Lied der Zerschmetterung entsteht, muss bewiesen werden. So muss also auf den vierten Reuegesang der fünfte folgen. Den fünften Gesang möchten wir als das Lied der Ergebung andeuten. Die Periode des fünften Reuegesangs muss vom Schüler psychologisch gut erkannt werden. Denn dadurch treten einige unvorhergesehene Situationen auf. Die Hilfe der gnostischen Lichtradiationen, die den Schüler berühren, erfüllen und vorwärtsdrängen wollen, ist stets nahe. Ebenso die Hilfe einer dienenden Bruderschaft, die ihm den Pfad erklärt, wie auch eine Schule, die ihn in einem magnetischen Feld aufnimmt, in dem er wachsen und leben kann. Der Mensch kann jedoch das Lied der Zerschmetterung mit dem Ichbewusstsein imitieren. Man kann den im gnostischen Sinn zerschmetterten Menschen spielen. Das heißt nicht, dass ein solcher Mensch lügt, denn das verlangende und begehrende Ich, der sich nach Ruhe und Gleichgewicht sehnende Mensch, beherrscht alle Formen der Taktik. Wenn der Schüler vernimmt, dass in dem sich entwickelnden Prozess jeder Streit eingestellt werden muss, dann beginnt das Ich im Widerspruch zu seiner ganzen Natur die Streitlosigkeit, die Übergabe zu üben und zu spielen. Dann wird die Gewaltlosigkeit zur Streitform der Natur. Darin haben es einige sehr weit gebracht. Das Ich schmückt sich dann mit den weißen Schleiern des Friedensreiches und imitiert das Schülertum. Die Bühne des Lebens zeigt das in unzähligen Szenen, und die Schauspielkunst kommt dem entgegen. Das Ich kann alles imitieren. Der selbstbewusste, denkende, intelligente Mensch versucht, durch Kulturhaltung eine Wirklichkeit zu erreichen und zu beleben. Aber das ist absolut unmöglich. Wenn ein Mensch das Lied der Zerschmetterung singt, muss sich zeigen, ob es wirklich in gnostischem Sinn erfahren wurde oder ob es sich um eine Imitation handelt. Die Echtheit kann nur in den Feuerflammen der Praxis, also durch Erfahrung geprüft werden. Alle Bühnenmäßigkeit, aller Kulturfirnis fallen in einer Lebenskrise, in einer wirklichen Gefahr ab, wenn die Schwierigkeiten des Lebens dem Ich zu nahe 250

kommen. Obwohl es immer auch noch einige gibt, die dann noch in ihrer Einbildung ausharren! Solche Menschen nehmen ihre Imitation sogar noch mit in den Tod. Die Krise der Pistis Sophia tritt während ihres fünften Reuegesanges auf: Nun muss sich ihr Seinszustand beweisen. Darum muss auf das Lied der Zerschmetterung das Lied der Ergebung folgen und nicht das Lied des Heldentums, denn Heldentum in entsetzlicher Bedrängnis ist eine große Besessenheit, eine einzige Unwahrhaftigkeit. Nein, die Pistis Sophia nimmt das Los, das nun über ihr vollzogen wird, ruhig an. Durch das Leid geschlagen sagt sie nicht: »Ich empfinde keinen Schmerz« wie eine Romanheldin. Sie ist in vollkommener Wirklichkeit ein reines Bild der Ergebung. Die Geschöpfe des Authades fielen im Chaos wieder über die Pistis Sophia her und wollten sie all ihrer Lichtkraft berauben. Und noch war das Gebot, sie aus dem Chaos herauszuführen, nicht erfüllt. Auch war vom Ersten Mysterium nicht der Befehl gegeben, sie aus dem Chaos zu retten. Als alle stofflichen Geschöpfe des Authades sie angriffen, schrie sie auf und sagte ihren fünften Reuegesang. Wie der Schrei eines gebeugten Menschen klingt dieses Lied. Was schreit sie heraus? Ihr Leid und ihren Schmerz. Was bekennt sie? In der Welle der bitteren Erfahrungen, die sie überspült, und gezeichnet mit dem Stigma eines nicht geleugneten Schmerzes beweist sie ihre Beruhigung mit den überwältigend schönen Worten: O Licht meines Heils, ich singe Dein Lob sowohl in der Höhe als auch im Chaos. Unsagbar erhaben und schön, das ist Ergebung, das ist Seelenbewusstsein und Seelengröße. In diesem Zeichen, in dieser bewiesenen Wirklichkeit steht der fünfte Reuegesang. Während die Geschöpfe des Authades fortfahren, sie in Bedrängnis zu bringen, singt sie diesen fünften Reuegesang. In der Pistis Sophia folgt nun vor der weiteren Beschreibung der Reuegesänge in Kapitel 42 ein Intermezzo, das einen so genannten Konflikt im Kreis der Jünger beschreibt. Jesus hatte gesagt: Wer Ohren hat, zu hören, der höre. Und in wem der Geist aufwallt, der möge vortreten und die Gedanken des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia erklären. Philippus ist deswegen beunruhigt und sagt, dass er nicht gleichzeitig schreiben und sprechen kann. Ihm war aufgetragen, alles aufzuschreiben, was gesagt wurde, und dadurch hatte er keine Gelegenheit zu sprechen. Die Antwort Jesu lautet: „Du [Philippus], Thomas und Matthäus sind es, welchen durch das Erste Mysterium aufgetragen wurde, alle Worte, die ich spreche, und alles, was ihr sehen werdet, aufzuschreiben. Was dich betrifft, so ist die Zahl der Ab251

handlungen, die du aufschreiben sollst, noch nicht erfüllt. Sobald sie erfüllt ist, kannst du vortreten und sagen, was dir gefällt. Von jetzt an sollt ihr jedoch alle drei die Worte, die ich sagen, und alles, was ich tun werde, und alles, was ihr sehen werdet, aufschreiben als ein Zeugnis von allen Dingen des Königreichs der Himmel.“ Dieses seltsam anmutende Intermezzo hat einen tiefen Sinn. Die drei Jünger stellen gemeinsam die Siebenkraft des magnetischen Feldes einer vollendeten transfiguristischen Geistesschule dar: Philippus vertritt die siderische Strahlung, Matthäus die fundamentale Strahlung, Thomas die vier Ätherradiationen. Drei Zeugen gibt es im Himmel und drei auf der Erde: Der Geist, das Wasser und das Blut – die Berührung, die Erfüllung und die Verwirklichung: »Ich werde meinen Geist in eure Herzen schreiben.« Das Wasser des Lebens muss ausgegossen werden und bildet einen Strom, auf dem wir fahren müssen. Das Blut ist das Lebensblut der Erneuerung. Wer diese Prozesse in der vollkommenen Ergebung des fünften Reuegesanges ihre Arbeit durchführen lässt, wird aus aller Gefahr zum Leben erwachen. Es wird Ihnen nun auch verständlich sein, dass sich nach dem Lied der Ergebung eine ganz andere Entwicklungssituation für die Pistis Sophia abzuzeichnen beginnt. Denn in ihrem Zustand hat sie den Beweis geliefert, dass ihr Ich nach dem vierten Reuegesang nicht noch einmal aufsteigt, um sich in einer bestimmten Weise zu behaupten. Von Leid erfüllt bleibt sie dem Pfad und seinen Gesetzen treu.

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Als Jesus dies gesagt hatte, sprach Er zu seinen Jüngern: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre.« Hierauf sprang Maria auf, trat in die Mitte, stellte sich neben Philippus und sprach zu Jesus: »Herr, das innewohnende Licht in mir hat Ohren, und ich bin bereit, mit meiner Kraft zu hören. Ich habe das Wort verstanden, das Du so richtig gesagt hast. Willst Du dann auf mich hören, Herr, damit ich die Worte, die Du zu uns gesagt hast, erkläre, denn Du hast zu uns gesagt: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre.« Zu Philippus hast Du gesagt: »Du und Thomas und Matthäus, ihr drei seid es, denen durch das Erste Mysterium aufgetragen wurde, alle Abhandlungen über das Lichtreich aufzuschreiben und davon zu zeugen:« Höre, damit ich die Bedeutung dieser Worte verkünde: Es ist das, was Deine Lichtkraft einst durch Moses prophezeit hat: »Durch zwei oder drei Zeugen soll jede Sache ohne Zweifel festgestellt werden.« Die drei Zeugen sind Philippus und Thomas und Matthäus.« 252

Als Jesus diese Worte gehört hatte, sprach Er: »Vortrefflich gesprochen, Maria. Das ist die Bedeutung des Wortes. Jetzt aber tritt Du vor, Philippus, und gib die Erklärung des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia. Danach setze dich wieder und schreibe jedes Wort, das ich sprechen werde, auf, bis dein Anteil an den Worten über das Lichtreich, die du aufschreiben sollst, erfüllt ist. Danach kannst du aufstehen und sagen, was dein Geist fassen kann. Jetzt aber verkünde zuerst die Bedeutung des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia.« Philippus antwortete: »Herr, höre meine Erklärung ihres Reuegesanges, denn hierüber hat einst Deine Lichtkraft durch David im 88. Psalm prophezeit: O Herr, Gott meines Heils, bei Tag und bei Nacht habe ich zu Dir gerufen. Lass mein Gebet vor Dein Angesicht kommen, neige Dein Ohr meinem Rufen. Denn meine Seele ist gesättigt vom Elend, mein Leben ist dem Totenreich nahe. Ich werde zu denen gerechnet, die in die Grube niedergefahren sind; ich bin wie ein Mensch ohne Hilfe geworden. Die Freigewordenen unter den Toten sind wie Erschlagene, die im Grab liegen, an die Du nicht mehr denkst; die durch Deine Hand vernichtet sind. Man hat mich in eine tiefe Grube gelegt, in Finsternis und Todesschatten. Dein Grimm bedrückt mich, und all Deine Wogen sind über mich gekommen. Meine Bekannten hast Du von mir entfernt; ich bin ihnen zum Gräuel geworden. Eingeschlossen bin ich, und kann nicht entkommen. Mein Auge wurde schwach vor Elend. Täglich rief ich zu Dir, o Herr, während ich meine Hände zu Dir ausstreckte. Wirst Du nun Wunder an den Toten tun? Oder werden nun Gespenster aufstehen, um Dich zu loben? Wird man nun Deinen Namen im Grab verkündigen und Deine Gerechtigkeit im Land Deines Vergessens? Aber ich habe zu Dir gerufen, o Herr, und bereits morgens kommt mein Gebet zu Dir. Verbirg Dein Antlitz nicht vor mir. Denn ich bin elend und in Not von Jugend auf. Aber als ich mich aufgerichtet hatte, habe ich mich gedemütigt und bin aufgestanden. Dein brennender Zorn geht über mich hin, und Deine Schrecken lassen mich zugrunde gehen. Sie umringen mich wie Wasser, sie ergreifen mich den ganzen Tag. Meine besten Freunde und Gefährten hast Du von mir entfernt; nur die Finsternis ist mein Gefährte. Das nun ist die Bedeutung des Mysteriums des fünften Reuegesanges, den die Pistis Sophia aussprach, als sie im Chaos bedrängt wurde.«

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Pistis Sophia, Abschnitt 43 Kapitel 43

Das Mysterium des fünften Reuegesanges Wir stellen Sie jetzt vor das 43. Kapitel der Pistis Sophia, welches nach der äußerlich so seltsam erscheinenden Geschichte über die drei Zeugen einen Kommentar zum fünften Reuegesang enthält, den wir das Lied der Ergebung genannt haben. Wenn ein Schüler diesen fünften Gesang zu singen weiß, ist das die Folge einer Bewegtheit, die Philippus zum Ausdruck bringt. Die drei Gestalten Matthäus, Philippus und Thomas stehen in Beziehung zum magnetischen Feld einer vollendeten transfiguristischen Geistesschule. Matthäus steht für die fundamentale Strahlung, Philippus für die siderische Strahlung und Thomas für die vier Ätherradiationen. Sie sind die drei Zeugen, die völlig eins sind und in ihrer gesamten Persönlichkeit den Siebengeist der Gnosis vergegenwärtigen und ausstrahlen. Diese Bildersprache ist vielleicht schwierig zu erfassen. Jedoch der gnostische Gedankengang bringt die drei Jünger nicht mit ihrer historischen Bedeutung in Zusammenhang, sondern sieht ihre Erscheinung als Hinweis auf die Ansichten des gnostischen Bemühens. Für Gnostiker stellen die zwölf Jünger die zwölf Ansichten gnostischen Bemühens dar, die funktionell und wissenschaftlich bestimmt werden können. Die Namen der Jünger sind dann auch nicht willkürlich gewählt. Sie können durch Wortableitungen mit den Wirkungen, die sie beabsichtigen, verbunden werden. Auch die Sphären, in denen diese Namen in der Bibel vorkommen, beziehen sich auf diese Erklärungen. Matthäus stellt in diesem Sinn »den Beginn« dar, Philippus »das Fortschreiten«. Er umfasst alles und schreibt es gleichsam auf. Thomas bedeutet »die Verwirklichung«; er wünscht, die Dinge zu konkretisieren. Darum ist Matthäus: die fundamentale Strahlung – der Beginn, Philippus: die astrale Radiation – der Seelenerfüller, Thomas: die Heiligen Speisen – die verwirklichenden Kräfte. Am Ende des 42. Kapitels protestiert Philippus wegen der Tatsache, dass er durch die ihm aufgetragenen Wirksamkeiten niemals die Gelegenheit erhielt, eine »Erklärung« der Bedeutung der Reuegesänge der Pistis Sophia zu geben. Wie müssen Sie das verstehen? Eine »Erklärung« sieht man meistens als Erläuterung zu etwas Dunklem. Eine Erklärung empfängt man, um zu verstehen. Im gnostischen Sinn kann eine Erklärung nämlich eine Erleuchtung, eine Aufhellung im buchstäblichen Sinn bedeuten. Darum werden viele von diesem gnostischen Evangelium angezogen, denn seine

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Wirkungen erfahren sie als aufklärend, erhellend und erleuchtend im eigenen Wesen. Wenn man sich nämlich auf die rechte Weise in dieses gnostische Evangelium vertieft, werden Kräfte frei, die gnadenvoll und helfend wirken. Sie müssen also die Worte des Philippus so verstehen, dass er den Pilgern helfen und sie mit seinem Licht erfüllen will. Die Pistis Sophia ist mit dem Licht verbunden. Das siderische Licht wohnt in ihrer Seele. Und durch das Prinzip der Streitlosigkeit des vierten Reuegesanges kann das siderische Seelenprinzip der Gnosis nicht ersetzend auftreten, nicht vertretend helfen. So erfahren wir, wie die Wesenheit machtlos versinkt und durch die irdische Seelenkraft geopfert wird, obwohl sie tatsächlich über ein neues erlösendes Seelenpotenzial verfügt, das aber leider nicht auf erlösende Weise eingreifen kann. Es muss zusehen, wie dieses Leiden weitergeht. Darum will Philippus eingreifen, helfen, damit die Seele sich in das Licht erheben kann. Es geht tatsächlich um einen psychologischen Konflikt, um ein psychologisches Problem: Theoretisch und potenziell kann der Kandidat sich in das neue Lebensfeld erheben, aber die Zeit dafür ist noch nicht gekommen, weil er seinen Erdenweg noch nicht bis zum Ende gegangen ist. Denn eine unzeitige Erhebung würde sich später unwiderruflich rächen. Es ist jedoch nicht gut, das Drängen zum erneuernden Leben, das in der Seele braust, abzudämmen. Darum heißt es: Jetzt aber tritt Du vor, Philippus, und gib die Erklärung des fünften Reuegesanges der Pistis Sophia. Danach setze dich wieder und schreibe jedes Wort, das ich sprechen werde, auf, bis dein Anteil an den Worten über das Lichtreich, die du aufschreiben sollst, erfüllt ist. Danach kannst du aufstehen und sagen, was dein Geist fassen kann. Das siderische Licht darf daher also der Pistis Sophia eine Stütze schenken, eine Erhellung wird ihr zugestanden, und diese bringt, wie Sie nun vollkommen verstehen werden, die Beruhigung. Sie haben gewiss bemerkt, dass nach jedem Reuegesang eine Erklärung, eine Erhellung folgte, vor allem für den Kandidaten, der so weit war. Die Pistis Sophia wird also auch in ihrer Versunkenheit nicht losgelassen. Auf jede Phase folgt eine sich anpassende Reaktion. Dieser ganze Weg, diese ganze Pilgerreise passt vollkommen zu dem Prozess, den der Schüler durchleben muss. Die Glieder werden in die Kette gefügt, bis die festgesetzte Anzahl erreicht ist. Wenn wir der Erklärung des Philippus folgen, fragen wir uns zuerst, auf welche Gründe sich die Beruhigung der Pistis Sophia im fünften Reuegesang stützt. Diese Gründe liegen in der vollkommenen Einsicht in ihren eigenen Zustand. Es ist nicht nur eine Einsicht, die ihre Versunkenheit betrifft, sondern auch Einsicht in deren Ursachen und Einsicht in ihr Verhältnis zur Gnosis in dieser Stunde. 255

Ein Mensch kann ebenfalls zu einer Beruhigung gelangen, die sich auf Fatalismus und Gelassenheit gründet. Das ist eine taube Beruhigung. Dieser Seinszustand ist aber hier absolut nicht gemeint. Und darum wird der fünfte Reuegesang mit dem 88. Psalm verglichen. Die Pistis Sophia weiß sich sehr mit dem Licht des Heils verbunden und beginnt ihren fünften Gesang: Denn meine Seele ist gesättigt vom Elend, mein Leben ist dem Totenreich nahe. Sie ist gleichsam von den Kräften des Totenreiches überwältigt. Sie ist total zerschlagen. Sie ist geworden wie ein Mensch ohne Kraft. Ihre Ichzentralität hat den letzten Atem ausgestoßen, und der armselige Rest wurde in die tiefste Grabeshöhle hinabgelassen. Wenn die neue siderische Kraft in einer Menschenseele zu wachsen beginnt, dann muss die dialektische siderische Kraft im gleichen Maß weniger werden, das kann nicht anders sein. Darum ist der Todeskampf der Natur der Beweis dafür, dass sich ein neuer Lebenszustand entwickelt. Das eine wird weniger, das andere muss wachsen. Das Dramatische in dieser Situation ist jedoch, dass das, was weniger wird, die ganze Persönlichkeit beherrscht, weil sie naturgeboren ist und sich bis zur letzten Sekunde von der gewöhnlichen Natur beherrschen lässt. Darum wird in der Pistis Sophia von der Empfindung gesprochen, in einem Grab zu liegen, während die neue Lebenskraft in Wirklichkeit stärker und näher ist als je zuvor. Die Mauer ist dünner geworden, aber auch die dünne Mauer muss fallen. Alles, was zwischen dem Schüler und dem universellen Licht steht, muss zerbrochen werden, und das kann allein durch vollkommene Isolation und Einsamkeit geschehen. Darum heißt es im 88. Psalm: Meine Bekannten hast Du von mir entfernt; ich bin ihnen zum Gräuel geworden. Eingeschlossen bin ich, und kann nicht entkommen. Mein Auge wurde schwach vor Elend. Vielleicht haben Sie bereits etwas von diesem Zustand der Persönlichkeitsisolation empfunden. Wenn jemand sich gegen besseres Wissen an die Reste seines Ichwesens klammert, dann wird die Selbstbehauptung viel komplizierter, viel heftiger, viel unausstehlicher. Wenn jemand, der als seriöser Kandidat bekannt ist, starke Selbstbehauptung zeigt wie der erste beste erdgeborene Mensch, dann ist das für alle sehr verwunderlich und abstoßend. Dann isoliert er sich dadurch, und alle seine Bekannten entfernen sich von ihm. Die Tatsachen beweisen, dass es für den Kandidaten in dieser Phase sehr schwierig ist, zu klarer Einsicht zu gelangen. Daher fördert das Eingreifen des Philippus diese Einsicht, denn die neue astrale Wirksamkeit erleuchtet den im Schüler gefesselten irdischen Seelenzustand. 256

Auf dieser Basis, so lehrt der fünfte Reuegesang, muss der Kandidat Einsicht erhalten, denn auf die Beruhigung kann bald der sechste Reuegesang folgen, das Lied des Vertrauens. Solange dem Menschen noch die Einsicht in den eigenen Zustand fehlt, solange kann es keine Beruhigung geben, was sein Verhalten dann auch zur Genüge beweist. Die Pistis Sophia könnte zum Beispiel meinen, dass sie gar keine Fehler in der großen Richtung mehr machen kann, da sie doch so sehr nach dem Licht verlangt und vollkommen darauf gerichtet ist. Daher versucht sie, für ihren Niedergang eine total falsche Erklärung zu suchen. So könnte sie meinen, dass das Licht beabsichtigt, das Lichtreich in der Hölle aufzurichten. Wirst Du nun Wunder an den Toten tun? Oder werden nun Gespenster aufstehen, um Dich zu loben? Wird man nun Deinen Namen im Grab verkündigen Und Deine Gerechtigkeit im Land Deines Vergessens? Sie drückt das fragend, unterstellend aus. Und sie fügt hinzu: Verbirg Dein Antlitz nicht vor mir. Denn ich bin elend und in Not von Jugend auf. Freunde und Gefährten hast Du von mir entfernt. Aber die Finsternis ist mein Gefährte. Damit ist für Philippus der Wahn vollkommen. Wer diesen Wahn durchbricht und erkennt, dass gerade der letzte Rest der Selbstbehauptung, das letzte Fünkchen Ichtrieb den Schüler am meisten hindert und isoliert, hat seinen Tiefpunkt erreicht. Er kann das Lied der Beruhigung singen. Die neue astrale Wirksamkeit, der Philippus im Schüler, muss ihm das erklären. Dann ist der Morgen nahe, und zwar in dem Moment, in der die Nacht am dunkelsten ist.

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Das ist die Bedeutung des fünften Reuegesanges, welchen die Pistis Sophia aussprach, als sie im Chaos bedrängt wurde. Als Jesus diese Worte des Philippus gehört hatte, sprach Er: »Sehr gut, geliebter Philippus. Komm und setze dich wieder und schreibe deinen Teil der Worte, die ich sprechen, und aller Dinge, die ich tun werde, und alles, was du siehst, auf.« Philippus nahm sogleich wieder Platz, um weiterzuschreiben. Danach nahm Jesus wieder das Wort und sagte zu seinen Jüngern: »Die Pistis Sophia rief zum Licht. Das Licht vergab ihr die Sünde, dass sie ihr Gebiet verlassen hatte und zur Finsternis hinabgegangen war. Sie sprach ihren sechsten Reuegesang aus und sagte: 257

Ich habe Dich, o Licht, in der tiefsten Finsternis gepriesen. Höre meinen Reuegesang und lass Dein Licht auf die Stimme meiner flehenden Bitte achtgeben. O Licht, wenn Du meiner Sünde gedenkst, kann ich vor Dir nicht bestehen, und Du wirst mich allein lassen. Denn Du, o Licht, ist mein Befreier; um das Licht Deines Namens willen habe ich an Dich geglaubt, o Licht. Meine Lichtkraft vertraute auf Dein Mysterium. Meine Kraft hat auf das Licht vertraut, als sie in der Höhe war, und sie hat auch darauf vertraut, als sie unten im Chaos war. Mögen alle Kräfte in mir auf das Licht vertrauen, jetzt, da ich in tiefster Dunkelheit in; und mögen sie auch darauf vertrauen, wenn sie in das Gebiet der Höhe gelangen. Denn das Licht ist voller Barmherzigkeit und erlöst uns. Im Licht ist ein großes, rettendes Mysterium. Es wird alle Kräfte aus dem Chaos erlösen um meiner Übertretung willen. Denn ich habe mein Gebiet verlassen und in zum Chaos hinabgegangen. Wohlan, wessen Verstand dazu geadelt ist, möge es umfassen.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er zu ihnen: »Versteht ihr den Sinn des Gesprochenen?« Andreas trat vor und sprach: »Herr, was die Bedeutung des sechsten Reuegesanges der Pistis Sophia betrifft, hat Deine Lichtkraft einst durch David im 130. Psalm gesprochen: Aus den Tiefen rufe ich zu Dir, o Herr. Höre auf meine Stimme. Lass Deine Ohren auf mein flehendes Gebet achten. Wenn Du, o Herr, meiner Ungerechtigkeiten gedenkst, wer soll dann bestehen? Aber bei Dir ist Vergebung. Um Deines Namens willen habe ich Dich erwartet, o Herr. Meine Seele hat auf Dein Wort geharrt. Meine Seele hofft auf den Herrn vom Morgen bis zum Abend. Möge Israel hoffen auf den Herrn vom Morgen bis zum Abend. Denn beim Herrn ist Gnade und große Erlösung. Er wird Israel aus all seinen Ungerechtigkeiten erlösen.« Jesus sagte zu ihm: »Vortrefflich, Andreas, du Begnadeter. Das ist die Bedeutung ihres Reuegesanges. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich werde euch in alle Mysterien des Lichtes, in alle Gnosis einleiten, vom Innersten des Inneren bis zum Äußersten des Äußeren; vom Unaussprechlichen bis zur dunkelsten Finsternis; vom Licht der Lichter bis zum Stofflichsten des Stofflichen; von allen Göttern bis zu den Dämonen; von allen Herren bis zu ihren Dekanen; und von allen Mächten bis zu den Dienern; von der Schöpfung der Menschen bis zur Schöpfung der Tiere, des Viehs und der Reptilien; damit ihr Vollkommene genannt werdet, vollendet zur vollkommenen Fülle. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: An dem Ort, an dem ich sein werde im Reich meines Vaters, werdet auch ihr mit mir sein. Sobald die vollkommene Zahl erfüllt ist, so 258

dass die Welt der Vermischung aufgelöst werden wird, werde ich euch gebieten, alle tyrannischen Gottheiten, die das Gereinigte ihres Lichtes nicht ausgestrahlt haben, hierher zu bringen. Ich werde dem Feuer der Weisheit, das den Vollkommenen übertragen wird, befehlen, an jenen Tyrannen zu zehren, bis dass sie das letzte Gereinigte ihres Lichtes abgeben.« Nachdem Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Erfasst ihr den Sinn des Gesprochenen?« Maria sagte: »Ja, Herr, ich habe Dein Wort verstanden. Was nun Dein Wort betrifft, das Du gesprochen hast: »Bei der Auflösung der ganzen Welt der Vermischung wirst Du auf einem Lichtthron sitzen und Deine Jünger – also wir – werden zu Deiner Rechten sein, und Du wirst die tyrannischen Götter richten, die das Gereinigte ihres Lichtes nicht übergeben haben; und das Feuer der Weisheit wird an ihnen zehren, bis sie das Letzte ihres inneren Lichtes abgeben« – diesbezüglich nun hat Deine Lichtkraft einst durch David im 82. Psalm gesprochen: Gott wird thronen in der Versammlung der Götter und wird über die Abgötter Gericht halten.« Jesus sagte zu ihr: »Vortrefflich, Maria.«

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Pistis Sophia, Abschnitte 44-45 Kapitel 44

Sechster Reuegesang: das Lied des Vertrauens Die Pistis Sophia hat ihren fünften Reuegesang, das Lied der Ergebung gesungen. Es zeigt uns, dass der Kandidat, der durch die Pistis Sophia dargestellt wird, in dem beschriebenen psychologischen Zustand den letzten Rest Selbstbehauptung und Ichtrieb aus dem Wesen verbannen will. Infolgedessen gelangt die Pistis Sophia in einen inneren Zustand der Ruhe und empfindet zum ersten Mal ein wirklich ruhiges, harmonisches und freudiges Vertrauen. Darum singt sie nach dem Lied der Ergebung den sechsten Reuegesang, das Lied des Vertrauens. Sechs Stufen hat sie betreten, und auf der sechsten steht sie nun als jemand, der vollkommen auf das Licht vertraut. Werfen wir einen Blick zurück auf die bereits besprochenen Ansichten. Wer ist die Pistis Sophia? – Sie, Kandidat auf dem Pfad der Seelenbefreiung, sind es! Sie können es jedenfalls sein! 259

Wir wollen den Prozess auf diesem Pfad noch einmal näher betrachten. Es begann mit einem stürmischen Enthusiasmus. Als suchendes Wesen hat der Mensch nach viel Erfahrung das Rosenkreuz gefunden und die befreiende Lehre erkannt. Wie mit einem Sprung eilte er auf den dreizehnten Äon der Mysterien des Heils zu, verbarg sich hinter den Schleiern der Vorhänge und flehte um Einlass. Der dreizehnte Äon negierte ihn jedoch vollkommen und ließ ihn allein. In diesem Zustand der Isolation in einer völlig fremden Umgebung kam Authades zum Kandidaten. Authades ist als Zusammenfassung aller Kräfte des Ichwesens zu sehen. Es ist selbstverständlich, dass diese Bündelung von Kräften sich nun auf den Kandidaten konzentriert, da das Ich in einem Taumel des Enthusiasmus zuerst auf die Gnosis gerichtet war. Die Gnosis antwortete nicht, und folglich beginnt das gewöhnliche Ich wieder aufzutreten und zu sprechen. Der Kandidat ist ein strebender Mensch, ein wirklicher Lichtsucher. Da er nun das Licht der Gnosis nicht empfangen hat, muss er sich mit dem eigenen Licht zufriedengeben, mit dem – verglichen mit der Gnosis – falschen Licht des Authades. Es wurde also eine Reaktion aufgerufen: Zuerst das Zueilen auf den dreizehnten Äon der gnostischen Mysterien und dann ein Rückfall in den alten Zustand. Der Kandidat wird auf seinen wirklichen Seinszustand zurückgeworfen. Das ist eine sehr berechtigte Situation. Die Gnosis hat ihn nicht negiert, aber sie konnte sich noch nicht offenbaren, weil der Betreffende dafür noch nicht offen, noch nicht geeignet war. Niemand darf annehmen, dass man das gnostische Leben mit Hilfe einer Taktik erobern kann. Aber ein dialektischer Mensch versucht das, weil er daran im Kampf ums Dasein gewöhnt ist und durch solche Taktiken auch Erfolg hat. Die Erfolge sind selbstverständlich zeitlich, dafür sorgt der Zustand der dialektischen Natur, die an die Zeitlichkeit gebunden ist. Es ist klar, dass die Pistis Sophia, die nach dem ersten Sprung wieder in die Wirklichkeit zurückgestoßen wurde, sich absolut nicht glücklich fühlt. Anstelle des gnostischen Lichtes findet sie das flittergoldene Licht der gewohnten Welt und des eigenen Selbstes. Daher beginnen in diesem Augenblick die Reuegesänge, ein heftiges Wehklagen, denn dieser Kandidat versteht vollkommen, warum er in diesen Zustand geraten ist, und erkennt seinen eigenen Mangel. Bei den Kandidaten, die mit dem Pfad des Rosenkreuzes beginnen, ist das längst nicht immer der Fall. Ihre Lieder enthalten Protest und Kritik, Gefühle der Verbitterung und Zurücksetzung. Aber wir wollen annehmen, dass unser Kandidat diese ersten Schwierigkeiten überwindet und mit seinen Reuegesängen beginnt. Dann tritt er in einen Prozess ein, durch den er geeignet wird, schließlich hinter die Schleier des Sanctum Sanctorum zu gelangen. Aber dieser Prozess muss zuerst zu einem Nullpunkt, zu einem Nicht260

Sein führen, um auf dieser Basis ein neues Sein aufbauen zu können. Der Prozess beginnt mit Reuegesängen, mit heftigem Wehklagen, und führt dann weiter zur Beruhigung und zum Vertrauen, um sich danach sehr bald in Lobgesängen zu äußern, wie Sie im Verlauf dieses Buches feststellen können. Wenn der Kandidat erkennt, dass zuerst die Gefühle der Kritik sowie all das Niedere aus seinem Blut entfernt werden müssen, dann ist das schon ein erster Schritt in die gute Richtung. Erst nach dieser Erkenntnis kann die Reise zum Nullpunkt beginnen, und das bedeutet für die meisten Kandidaten einen noch tieferen Fall. Wenn kein echtes Licht vorhanden ist, versucht man, sich mit einem falschen Licht zu trösten, mit der ganzen Parade der Natur. Diese Komödie muss nun vollkommen abgesetzt und vergessen werden, bis zum Nullpunkt. Das ist die Vorbereitung für den Bau. Wenn man ein hohes Haus bauen will, das bis in die Wolken reicht, dann muss man zuerst tief in der Erde graben, damit man ein entsprechendes Fundament errichten kann. Der Kandidat sieht das ein und beginnt die Reise zum Nullpunkt. Sie müssen die Probleme, die damit zusammenhängen, gut durchschauen. Es gibt ein Problem, das sich in allen fünf Reuegesängen zeigt und auch im sechsten Bußgesang hervortritt. Die Pistis Sophia spricht stets von den Kräften des Authades und des Chaos, die sie bedrängen, aber sie spricht auch von anderen Kräften, die sich in ihr selbst befinden. So sagt sie zum Beispiel im sechsten Reuegesang: Meine Lichtkraft vertraute auf Dein Mysterium. Meine Kraft hat auf das Licht vertraut, als sie in der Höhe war, und sie hat auch darauf vertraut, als sie unten im Chaos war. Mögen alle Kräfte in mir auf das Licht vertrauen, jetzt, da ich in tiefster Dunkelheit bin. Es wird ganz klar von zwei Kräftegruppen gesprochen: von der Kraftgruppe des Authades, den Kräften des Ichs, und von einer Gruppe anderer Kräfte, die sich auch in ihr befinden, die jedoch von den Kräften des Authades und des Chaos beherrscht, behindert und gebunden werden. Woher kommt die Gruppe mystischer Kräfte, und worauf beziehen sie sich? Das muss der Kandidat unbedingt wissen. Denn wenn er diese Kräfte in sich selbst erkennen würde, dann könnte er beim Fortschreiten des eigenen Prozesses selbst auch den erlösenden sechsten Reuegesang singen. In Ihrem Wesen gibt es zwei äußerst wichtige Berührungspunkte: das Herzheiligtum, in dem sich die Rose des Herzens befindet, und das Hauptheiligtum mit seinem Fenster, dem Sitz der goldenen Wunderblume. Durch dieses Fenster muss das gnostische Licht nach innen dringen. Und durch dasselbe Fenster muss das Licht der Seele nach außen strahlen. Durch dieses Fenster entsteht die definitive, einweihende Verbindung zwischen dem Kandidaten und dem dreizehnten Äon. Durch dieses Fenster flieht die wahrlich befreiende Lichtkraft nach innen und tritt der transfigurierte Seelenmensch nach außen. Von der goldenen Lichtkraft der Befreiung wird am Anfang bei der Pistis Sophia noch nicht gesprochen. Das Fenster ist noch geschlossen, und sie muss es selbst von innen öffnen. Dazu muss das ganze Wüten in dem vom Ich beherrschten Haupt261

heiligtum zum Schweigen gebracht werden. Und das kann und muss sie erreichen mit der Rosenkraft aus dem Uratom des Herzens. Die Reise zum Nullpunkt der Ichnatur, das Endura, ist also die totale Selbstübergabe einer beherrschenden Kräftegruppe und der Eigenschaften in der Persönlichkeit, und zwar mit Hilfe und unter Einsatz anderer Kraftgruppen. Das ist der Kreuzgang im Selbst. Aus dem Herzen der Geburt erwachend, müssen diese Kräfte mobil gemacht werden. Sie müssen durch Ihr ganzes Wesen, durch Ihren ganzen Lebenszustand reisen und überall das Evangelium der Erneuerung predigen, die kranken Organe heilen, bis die Schädelstätte erreicht ist, der Hügel Golgatha. Dort muss die heilende Kraft ihren letzten Atemzug tun, inmitten der sterbenden Mörder ihres gesamten Wesens. Wer diesen Rosenkreuzgang bis zum letzten Seufzer geht und bereit ist, die letzten Reste der Ichwut preiszugeben, beschreitet die via dolorosa. Dabei färbt er die weiße Rose mit dem roten Blut des selbst getragenen Kreuzes und öffnet das Fenster der Seele. Er entsteigt dem Grab, und das Lied der Auferstehung, das Lied der goldenen Blume erklingt wie ein Jubelgesang. Wer diese Reise in der Kraft der Rose des Herzens beginnt, in der Kraft, die durch die fundamentale Strahlung und im Licht der siderischen Geburt frei wird, empfindet, dass sie mit jeder Stunde an Kraft zunimmt. Und lange bevor die Überwindung da ist, wird er durch diese Sicherheit innerliche Ruhe und vollkommenes Vertrauen erlangen. Und dann kann er mit voller Überzeugung singen: „Meine Seele hat auf Dein Wort geharrt. Meine Seele hofft auf den Herrn vom Morgen bis zum Abend. [...] Denn beim Herrn ist Gnade und große Erlösung.“ Wenn Sie all das gut verstehen wollen, müssen Sie erkennen, dass der Mensch eine Vermischung von Lichtkraft und Finsternis ist. Ihre Lichtkraft lässt Sie sehr viel von der Gnosis verstehen und weckt in Ihnen ein Verlangen nach Befreiung. Mit dieser Lichtkraft haben Sie sehr viel um sich herum gezogen und gebaut, was Ihnen lieb geworden ist und mit dessen Hilfe Sie sich in dieser Welt aufrecht halten. Aber auf diese Weise kommen Sie auf dem Befreiungsweg keinen Millimeter weiter. Sie werden höchstens die Liebe zu Ihrer Lichtkraft besitzen und damit einen gnostischen Wahn aufbauen. Von Zeit zu Zeit wird dieser Wahn dann durchbrochen, und Sie werden mit Kraft in die Wirklichkeit der Finsternis geworfen. Wieso können wir das mit so großer Sicherheit sagen? Weil die Finsternis in Ihnen eins ist mit Ihrer Persönlichkeit. Diese Persönlichkeit, ihre Struktur und ihr Bewusstsein sind vollkommen aus der Finsternis aufgebaut und daraus zu erklären. Die Lichtkraft besitzt dann noch keine Wohnung, keine Basis, kein Organ in Ihnen. Sie hat keine Gestalt. Sie ist in Ihrem Seinszustand nur ein Werkstoff, ein latentes Vermögen. 262

Darum müssen Sie mit dieser Lichtkraft, mit diesem Lichtvermögen, mit dieser Lichtsubstanz einen Kreuzgang gehen. Dann wird alles, was in Ihnen Finsternis ist, verschlungen. Dann geht Authades zugrunde. Dann gehen Sie selbst zugrunde, um der Andere zu werden. Mögen alle diesen Kreuzgang gehen bis zum Tiefpunkt der Reuegesänge, damit sie danach aus diesem Tiefpunkt in der Stunde der Entscheidung emporsteigen.

Kapitel 45

Das Mysterium der drei Lichtkräfte Wie wir bereits besprochen haben, gibt es in der Persönlichkeit zwei Berührungspunkte: den Sitz der weißen Rose oder des Uratoms im Herzheiligtum und die Stirnhöhle, den leeren Raum, in dem einmal die goldene Rose erblühen muss. Die Pistis Sophia spricht in ihren Reuegesängen stets von »ihrer Lichtkraft«, und auch im sechsten Reuegesang sagt sie wieder: Meine Lichtkraft vertraute auf Dein Mysterium. Meine Kraft hat auf das Licht vertraut, als sie in der Höhe war, und sie hat auch darauf vertraut, als sie unten im Chaos war. Woher kam eine solche Lichtkraft? War es ein Rest aus vorübergegangenen besseren Tagen? Aus Unwissenheit könnte man von dem Gedanken ausgehen, dass ein Mensch mit Lichtkraft im Sinn der Gnosis unmöglich das Opfer des falschen Lichtes des Authades und des Chaos werden kann. Aber dann hat dieses gnostische Evangelium Sie verwirrt, denn wir berücksichtigen doch immer zwei Lichtkräfte und stellen sie einander gegenüber. Augenscheinlich zeugt die Pistis Sophia jedoch von drei Lichtkräften: 1. Vom Licht der Gnosis, 2. von ihrem eigenen Licht 3. und vom Licht des Authades, des Dieners der Natur-Äonen. Der Kommentar, der in der Pistis Sophia zum sechsten Reuegesang gegeben wird, verpflichtet uns, das Problem der diversen Lichtkräfte vollständig aufzulösen. Jesus der Herr sagt nämlich in dem Kommentar zum sechsten Reuegesang: Sobald die vollkommene Zahl erfüllt ist, so dass die Welt der Vermischung aufgelöst werden wird, werde ich euch gebieten, alle tyrannischen Gottheiten, die das Gereinigte ihres Lichtes nicht ausgestrahlt haben, hierher zu bringen. Ich werde dem Feuer der Weisheit, das den Vollkommenen übertragen wird, befehlen, an jenen Tyrannen zu zehren, bis dass sie das letzte Gereinigte ihres Lichtes abgeben. 263

Kurz gesagt, so wie es im Psalm 82 steht, so wird es geschehen: Gott steht in der Gemeinde Gottes und ist Richter unter den Göttern.« So zeigt sich, dass auch die tyrannischen Götter, die Naturäonen, über Lichtkräfte verfügen, die so gut, rein und vortrefflich sind, dass sie ihnen genommen werden, um damit das wahre Lichtreich zu verstärken. Die alten Gnostiker rechneten mit drei Menschentypen: Den Pneumatikern, den Psychikern und den Hylikern. 1. Die Pneumatiker sind jene, die aus innerem, bewusstem Erkennen unmittelbar auf das Christuslicht zueilen, wenn es vor ihrem Bewusstsein erscheint, um es sofort zu umfassen. Damit wird also der Menschentyp angedeutet, in dem die goldene Rose erblüht ist oder sich entwickelt. Es ist der Mensch, der das offene Fenster besitzt, durch das die gnostische Fülle in den leeren Raum einfließen kann. 2. Von den Psychikern wird gesagt, dass sie nur an das Licht glauben können. Wie die Glaubenstypen, die uns aus der Bibel bekannt sind, sehen sie das Licht der Befreiung nur wie aus der Ferne. Bei diesen Menschen ist das Seelenfenster noch völlig geschlossen. Darum muss ihnen die Manifestation des Lichtes und seine Wirksamkeit stets erklärt werden. Die Sprache der Himmel muss für sie übersetzt werden, damit sie etwas davon verstehen. Aber dann glauben sie auch von innen her daran. Sie können es, weil die Rose des Herzens in ihnen wirksam ist. Aufgrund der Aktivität der weißen Rose können die gnostischen Strahlen diese Menschen berühren und einen Zustand hervorrufen, in dem der echte reine Glaube an die Gnosis möglich wird. 3. Die Hyliker sind absolut unempfänglich. Es sind echte Naturtypen, die völlig auf die dialektische Natur abgestimmt sind. Sie leben nicht aus Licht, sondern aus Kraft, die durch die Kettenreaktion der Lebensprozesse frei wird. Das Rosenherz – soweit sie es bereits besitzen – ist in diesen Menschen nicht wirksam. Die. Gnosis erscheint nicht für sie, und darum können wir diese Menschen außerhalb unserer Betrachtung lassen. Sie stehen abseits jedes gnostischen Bemühens und haben auch kein Verlangen danach. Alle, die sich von einem Pfad der Transfiguration angezogen fühlen, gehören zum psychischen Typ. Von Geburt an besitzen diese Menschen bereits ein Rosenherz. Die Ursache für diesen Zustand liegt in den Nebeln der Vergangenheit, im Mikrokosmos, das heißt, im aurischen Wesen, in dem das Schicksal aller im Mikrokosmos aufeinander folgenden Persönlichkeiten aufgezeichnet ist. Auch die Vorbestimmung für das gnostische Licht liegt darin beschlossen. Durch das Blut der Geburt fließt der entsprechende Abschnitt der Vergangenheit über den Plexus sacralis nach innen und berührt über die Medulla das Herz, speziell die rechte Herzkammer. Durch diesen Einfluss wird das Uratom für die gnostischen Strahlen empfänglich. 264

Dessen ist sich der Mensch jedoch noch nicht bewusst. Er kennt allein gewisse Neigungen und stellt einen bestimmten Menschentyp dar. Dieser Typ besitzt religiöse oder okkulte Interessen oder ist auf verschiedene Weisen human ausgerichtet. Ein solcher Mensch besitzt ein innerliches Interesse für die Menschheit und ihre Probleme. Diese Wirkung wird noch durch eigene Erfahrungen und Entwicklungen verstärkt. Darum will dieser Mensch in der Tat mithelfen, mitkämpfen, mitleben mit Welt und Menschheit. In gewissem Sinn kann von Menschenliebe gesprochen werden, die je nach dem inneren Entwicklungszustand des Betreffenden geäußert wird. Auf diese Weise nimmt das Epos des Menschendienstes durch Millionen an Größe zu, und Liebe und Opfer für Mensch und Menschheit dauern fort bis auf den heutigen Tag. Es gibt viele Menschen dieses Typs, die sich auf die Gnosis richten. Ihr Aufopferungswille und ihre Liebe sind in dieser Hinsicht groß. Und doch steht bei all dieser Güte und Schönheit das dialektische Natur-Ich im Zentrum. Die Liebe ist aus Gott, aus der Gnosis, doch sie erweckt und stimuliert den gewöhnlichen, dialektischen Menschen. Die Liebe Gottes, diese Berührung aus einer göttlichen Ordnung, dringt in ihn ein und drängt ihn vorwärts, das heißt, sie drängt den dialektischen Menschen zu vielen Erfahrungen. Das Gottesreich kann jedoch nicht im Naturreich verwirklicht werden. Darum unterliegt die Liebe, wenn sie im Stoff angewandt wird, einer gewissen Veränderung. Man erkennt das zwar, aber die Sehnsucht des Uratoms treibt den Menschen dazu, auf dieser Liebesbasis zu handeln, denn er ist für die entsprechenden Radiationen empfänglich. So steht der Mensch in einem gegebenen Augenblick vor einem enormen Konflikt: Einerseits ist da ein Strom von Menschenliebe und Liebespraktiken, andererseits eine steinharte Ichzentralität. Gott ist Liebe, Gott berührt den Menschen im Herzen. Und Gott ist Licht. Dieses Licht wird vom Ich entgegengenommen und angewendet, also durch den Naturzustand. Das Licht wird nicht nur von der Menschheit absorbiert, sondern auch von den Natur-Äonen, den Naturkräften und den kosmischen Formationen der Natur. Die Natur-Äonen schmücken sich genauso damit wie der Mensch. Die Äonen der Natur rauben dem Menschen ebenso wie der Pistis Sophia stets diese Lichtkraft. So tragen also in beiden Sphären des dialektischen Lebens alle ihr Lichtkleid. Das ganze Universum wie auch die Menschheit nähren sich mit den polaren Lichtkräften der Gnosis, bis die höchste Hitzesphäre ausstößt, was nicht mehr zu verzehren ist. So geben die Natur-Äonen das zurück, was sie nicht absorbieren können. Alle Lichtkraft, die der Mensch von seiner Geburt an empfangen hat und anzuwenden versucht, wird ihm von den Natur-Äonen gestohlen. Und sie strahlen diese Kraft wieder 265

über ihre eigenen Radiationen zur Menschheit zurück. Dadurch entsteht eine große Verwirrung, der Mensch verliert die Übersicht und hält das Licht für den Feind und den Feind für das Licht. Es kann nicht ausbleiben, dass die Spannung stets steigt und eine Explosion folgen muss. Das gestohlene Licht wird dann zurückgenommen. Eine Reinigung entsteht, im dialektischen Kosmos bleibt die nackte Wirklichkeit zurück und für den geprüften Menschen eine harte Erfahrung, eine Narbe in der Seele. Die Situation ist tatsächlich so. Die polare Lichtberührung hat eine vollständige Drehung vollbracht und ist in die Zeit eingedrungen, um wieder in die Ewigkeit zurückgeholt zu werden und zu ihrem eigenen Reich zurückzukehren, ohne viele Menschen zu erreichen. Wegen des empfänglichen Rosenherzens vieler Menschen kommt das Opfer Gottes zurück. Und wieder dreht sich das Rad. Das Resultat hängt vom Menschen ab, nämlich ob er wiederum Liebe zeigt, hinter der die steinharte Ichzentralität lauert. Viel von dem Licht, das auf diese Weise gesammelt wurde, wird erneut gestohlen. Authades und seine Trabanten berauben einen solchen Menschen bei Tag und Nacht seiner Lichtkraft. So können Sie nun verstehen, warum es sowohl im psychischen Menschen als auch im Kosmos Lichtkräfte gnostischer Herkunft gibt. Es ist die gnostische Weltseele, die sich unaufhörlich opfert und die unaufhörlich gekreuzigt wird. Es kommt nun darauf an, was ein Kandidat auf dem Pfad mit dieser Lichtkraft anfängt. Er hat gewiss ein wirksames Rosenherz und wird von der Gnosis berührt, so wie Millionen andere Menschen. Und daher erfüllt Menschenliebe das Herz des Kandidaten. Aber das ist keine Lösung. Denn der Naturzustand kann den Geisteszustand nicht anziehen, höchstens zeitweise, in einem Wahn. In Wirklichkeit kann der Kandidat nichts anderes tun, als dem Christus praktisch nachzufolgen. Er muss seinen Rosenkreuzgang gehen bis Golgatha, bis sein Seelenfenster geöffnet ist, damit am Ostermorgen die goldene Rose in ihm leben kann. Dann geht er den Pfad der Transfiguration und erfüllt das Ziel, um dessentwillen das Licht sich ihm schenkte. So sorgt der Kandidat zusammen mit anderen dafür, dass die Zahl erfüllt wird, die Zahl der Geretteten. Sobald das geschehen und das neue gnostische Reich stark genug geworden ist, wird alles gestohlene Licht den Geretteten zurückgegeben, und das neue Reich steigt empor wie ein Lichtgigant, wie eine Feuerflamme. Fürwahr, Gott steht in der Gemeinde Gottes und ist Richter unter den Göttern.

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Jesus fuhr fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia den sechsten Reuegesang über die Vergebung ihrer Übertretung ausgesprochen hatte, wandte sie sich abermals zur Höhe, um zu sehen, ob ihre Sünden vergeben waren und ob man sie aus dem Chaos erheben würde. Auf Befehl des Ersten Mysteriums war es jedoch noch nicht gestattet, ihre Sünden zu vergeben und sie aus dem Chaos hinauszuführen. Als sie sich nun zur Höhe gewandt hatte, um zu sehen, ob ihre Reue angenommen würde, sah sie, dass alle Archonten der zwölf Äonen sie verspotteten und über sie frohlockten, weil ihr Reuegesang nicht angenommen wurde. Als sie sah, dass sie verspottet wurde, ward sie sehr bekümmert, und sie rief die Höhe in ihrem siebten Reuegesang an und sprach: Dir, o Licht, habe ich meine Kraft übertragen, mein Licht. An Dich habe ich geglaubt. Lass mich nicht verachtet werden und dulde nicht, dass die Archonten der zwölf Äonen, die mich hassen, über mich frohlocken. Denn alle, die an Dich glauben, können nicht zuschanden werden. Mögen sie, die meine Kraft geraubt haben, in der Finsternis bleiben und keinen Vorteil aus der Kraft schöpfen, sondern sie soll ihnen genommen werden. O Licht, zeige mir Deinen Weg, damit ich auf ihm gerettet werde. Weise mir Deine Pfade, damit ich aus dem Chaos errettet werde. Führe mich in Deinem Licht und lass mich erkennen, o Licht, dass Du mein Retter bist. Auf Dich will ich stets vertrauen. Du wirst mich retten, o Licht; denn Deine Barmherzigkeit währt ewig. Was meine Sünde betrifft, die ich von Anfang an in Unwissenheit begangen habe, rechne sie mir nicht an, o Licht, sondern rette mich durch Dein großes Mysterium der Schuldvergebung um Deiner Gnade willen, o Licht. Denn gnädig und gerecht ist das Licht. Darum wird es mir einen Weg zur Erlösung aus meiner Sünde zeigen. Meine Kräfte, die durch Furcht vor den stofflichen Geschöpfen des Authades vermindert sind, wird das Licht seinem Befehl entsprechend leiten. Und es wird meinen Kräften, die durch Unbarmherzigkeit geschwächt sind, die Gnosis schenken. Denn die Gnosis des Lichtes ist Erlösung und Mysterium für alle, die nach den Gebieten des Erbes und der Mysterien des Lichtes streben. Um des Mysteriums Deines Namens willen, o Licht, vergib mir meine Sünde, denn sie ist groß. Jedem, der auf das Licht vertraut, wird das Licht das Mysterium geben, das er nötig hat. Seine Seele wird in den Gebieten des Lichtes wohnen. Und seine Kraft wird die Schatzkammer des Lichtes erben. Das Licht schenkt allen Kraft, die an das Licht glauben. Der Name seines Mysteriums wird denen geschenkt, die darauf vertrauen. Und es wird ihnen das Gebiet des Erbgutes, das in der Schatzkammer des Lichtes ist, gezeigt. 267

Ich habe stets an das Licht geglaubt, und es wird meine Füße von den Fesseln der Finsternis befreien. Sei mir gnädig, o Licht, und rette mich; denn sogar mein Name wurde mir im Chaos genommen. Aller Emanationen wegen sind meine Schmerzen und meine Bedrängnisse zahlreich geworden. Erlöse mich von meinen Sünden und aus dieser Finsternis. Siehe auf die Qual meiner Bedrängnis und vergib mir meine Sünden. Siehe, wie sehr mich die Archonten der zwölf Äonen aus Eifersucht hassen. Wache über meiner Kraft und rette mich. Lass mich nicht in dieser Finsternis bleiben, denn an Dich habe ich geglaubt. Und sie haben mich für einen Narren gehalten, weil ich Vertrauen zu Dir hatte, o Licht. Nun, o Licht, errette meine Kräfte aus der Macht der Schöpfungen des Authades, die mich bedrängen. Wer nüchtern im Urteil ist, sei nüchtern.« Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesprochen hatte, trat Thomas vor und sprach: »Herr, ich bin nüchtern, sehr nüchtern, und mein Geist ist sehr klar in mir, und ich freue mich, dass Du uns diese Worte geoffenbart hast. Doch bis jetzt habe ich meine Brüder geduldet, damit ich sie nicht erzürne; denn bei jedem von ihnen dulde ich den Vortritt, damit er die Erklärung des Reuegesanges der Pistis Sophia gebe. Nun denn, o Herr, bezüglich der Erklärung des siebten Reuegesanges der Pistis Sophia hat Deine Lichtkraft einst durch den Propheten David im 25. Psalm gesagt: Zu Dir, o Herr, erhebe ich meine Seele. Auf Dich vertraue ich. Lass mich nicht zuschanden werden, noch meine Feinde mich verspotten. Ja, alle, die auf Dich harren, werden nicht beschämt. Beschämt werden mögen jene, die ohne Ursache treulos an Dir handeln. Herr, mach mir Deine Wege bekannt und lehre mich Deine Pfade. Führe mich in Deine Wahrheit und unterrichte mich: denn Du bist der Gott meines Heils und auf Dich harre ich den ganzen Tag. Gedenke Deiner Barmherzigkeit, o Herr, und Deiner Gnadenbeweise; denn von Ewigkeit her sind sie. Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und Unwissenheit. Doch gedenke meiner nach Deiner Gnade und um Deiner Güte willen, o Herr. Gut und gerecht ist der Herr, darum zeigt Er den Sündern den Weg. Er lässt die Sanftmütigen im Recht wandeln, und Er lehrt die Demütigen seinen Weg. Alle Pfade des Herrn sind Gnade und Wahrheit für jene, die seine Gerechtigkeit und sein Zeugnis suchen. Um Deines Namens willen, o Herr, vergib mir meine Schuld, denn sie ist groß. Wer ist der Mann, der den Herrn fürchtet? Ihm zeigt Er den Weg, den er wählen 268

muss. Seine Seele wird im Glück leben, und seine Nachkommen werden das Land erwerben. Der Herr ist Stärke für jene, die Ihn fürchten. Er entschleiert seinen Namen jenen, die Ihn fürchten. Er macht ihnen seinen Bund bekannt. Meine Augen sind stets auf den Herrn gerichtet. Denn Er wird meine Füße aus der Schlinge ziehen. Wende Dich mir zu und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und elend. Die Qualen meines Herzens haben sich vervielfacht. Befreie mich von meinen Ängsten. Blicke auf mein Elend und mein Leid und vergib mir alle meine Sünden. Siehe, wie zahlreich meine Feinde sind und mit welchem bösartigen Hass sie mich hassen. Bewahre meine Seele und rette mich. Beschäme mich nicht, denn bei Dir suche ich Zuflucht. Die Unschuldigen und Aufrechten haben sich mir angeschlossen, denn auf Dich harre ich, o Herr. O Gott, erlöse Israel aus all seiner Drangsal!« Als Jesus diese Worte des Thomas angehört hatte, sprach Er zu ihm: »Sehr gut, Thomas. Das ist die Bedeutung des siebten Reuegesanges der Pistis Sophia. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Alle Geschlechter werden euch selig preisen, weil ich euch dieses geoffenbart habe, weil ihr von meinem Geist empfangen habt und weil ihr weise und geistlich geworden seid, da ihr versteht, was ich euch sage. Ich werde euch dann mit dem vollen Licht und der ganzen Kraft des Geistes erfüllen, damit ihr von jetzt an alles versteht, was euch gesagt wird und was ihr sehen werdet. Noch eine kurze Zeit, dann werde ich mit euch über alles sprechen, was die Höhe betrifft, von außen nach innen und von innen nach außen.«

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Pistis Sophia, Abschnitt 46 Kapitel 46

Siebter Reuegesang: das Lied der Entscheidung Wir sind nun beim siebten Reuegesang angelangt, beim Lied der Entscheidung. Um das Evangelium der Pistis Sophia verstehen zu können, müssen Sie die Art dieser Entscheidung vollkommen ergründen. Der Mensch, der den Pfad der Transfiguration betritt, ist eine Vermischung von gnostischer Lichtkraft und Finsternis. Die Persönlichkeit ist eine Einheit aus Atomen, die durch Atomkraft zusammengehalten wird. Und um diese Kraft besitzen und anwenden zu können, müssen die Atome gespalten werden. Die Persönlichkeit ist daher eine äußerst komplizierte Einheit aus zusammenwirkenden Prozessen. 269

Es gibt im Menschen ein Prinzip zur Atomspaltung, ein großes Feuer mit einer gewaltigen Hitze, durch das die Atome gespalten werden. Mit den dadurch frei werdenden Kräften werden andere Atom-Mengen angezogen oder durch Spaltung erhalten, um mit der Idee, die hinter diesem System der Prozesse steht, eine Persönlichkeit zu bilden und in einem Mikrokosmos instand zu halten. Die Idee, die Kräfte und Prozesse, die das alles ermöglichen, deuten wir als Dialektik und Finsternis an, als Kräfte und Entwicklungen, die aus dem siebten kosmischen Gebiet stammen und sich darin offenbaren. Der gesamte menschliche Seinszustand, seine Kräfte und Formen hängen vollkommen mit dieser finsteren Natur zusammen, mit der Natur des Todes. Diese gesamte Wesenheit, die aus der finsteren Natur stammt und ihr Endprodukt ist, leidet in dieser Natur Schmerz und Pein. Daher entstehen im Menschen viele Seufzer und ein starkes Verlangen nach Erlösung, denn er ist in seinem Seinszustand keinen Moment sicher. Bereits bei seiner Geburt wird sein Tod vorbereitet. Nach dem Tod verflüchtigt sich seine Persönlichkeit, es bleibt nach längerer oder kürzerer Zeit absolut nichts davon übrig. Die finstere Existenz in dieser finsteren Natur führt zu nichts. Der Mensch seufzt, weil Schmerz zum Wesen dieser Natur gehört. In diesem Zustand wird der Mensch von der ersten Emanation aus dem Pleroma angegriffen, von der Emanation der Pistis. Sie wendet sich an Ihr Denken, an Ihr Intelligenzvermögen und Ihr Bewusstsein. Sie spricht zu Ihnen: »Schmerz leidest du, Finsternis bist du, zu Nichts bist du geboren. Wozu bist du hier und was ist der Sinn deines Lebens?« Dadurch wird der menschliche Schmerz noch vergrößert; denn wer in seiner Hoffnungslosigkeit angegriffen wird, mit der er verbunden ist, wird diese Heimsuchung stärker als je zuvor erfahren. Dann sucht die finstere Natur für ihren heftigen Schmerz Hilfe und Genesung, jedenfalls Erleuchtung. Und nach sehr vielen Experimenten findet der Mensch den Pfad der Erlösung, der die Sicht auf einen neuen Lebenszustand bietet. Was soll dieser Mensch nun tun? Ausgerüstet mit allerlei Kräften und Vermögen wird er Schüler einer Geistesschule. Bereits die Idee der Erlösung schenkt ihm etwas Trost, aber tatsächlich ist dieser Trost schal, weil er ein Wahn ist. Denn die gesamte finstere Natur geht in sich selbst und an sich selbst zugrunde. Das Selbst ist die finstere Natur und völlig aus ihr zu erklären. In der finsteren Natur gibt es zwei Ansichten: Gut und Böse. Da der Mensch noch nichts anderes besitzt, setzt er sein Gütepotenzial ein, das auch aus der finsteren Natur zu erklären ist. Auf der Basis dieser Güte bringt er seine Opfer an Zeit, an Kapazität und Besitz. Ein solches Opfer schenkt zwar Trost und Freude, aber der eigentliche Schmerz wird dadurch nicht behoben. Der Mensch kommt dadurch der wahren Erlösung nicht näher. 270

Wie kommt das? Weil alles, was aus der Natur des Todes ist und daraus entsteht, seiner Art wegen wieder zur Todesnatur zurückkehrt. Daran verzweifeln viele. Sie sagen und denken: »Ich habe alles gegeben, was ich hatte. Was kann ich jetzt noch tun?« Ihre Opfergaben werden jedoch von der Gnosis nicht angenommen. Der Himmel bleibt ehern, und der Mensch wird stets wieder auf seinen Schmerzenszustand zurückgeworfen. Ist der Einsatz seiner Güte denn nicht gut? Im Gegenteil! Besser kann es nicht sein. Aber der dreizehnte Äon wirft den Menschen immer wieder in seine finstere Wirklichkeit zurück. »Wenn ich etwas falsch gemacht habe, so sage es mir!« schreit die Pistis Sophia. Es wird ihr nicht geantwortet. Sie hört nur das gellende, höhnische Gelächter der Natur-Äonen, die sich über sie lustig machen. Sie hat den Herrn gelobt, ihm gedankt und ihn gepriesen. Sie hat ihm bei Tag und bei Nacht gedient, sie hat ihm ihr Leben, ihre Gesundheit und ihren Besitz zur Verfügung gestellt. Und doch werden all diese Opfer nicht angenommen. Der Himmel schweigt. Reuegesang nach Reuegesang steigt empor. Aber was ist da zu bereuen? Die Pistis Sophia trifft keine Schuld, obwohl sie bereit ist, die Schuld auf sich zu nehmen. Sie hat sich mit bewunderungswürdiger Lauterkeit mit ihrem gesamten Gütepotenzial weggeschenkt. Und der Natur nach kann sie nicht mehr tun und sein. Alles, was sie darüber und außerdem versucht, ist Wahn und kehrt zu seinem Ursprung zurück. Und dieser Ursprung ist die Dialektik. Die Pistis Sophia spricht jedoch auch von ihrer Lichtkraft. Aber gerade das ist ihr Irrtum. Die Lichtkraft ist zwar da, aber es ist nicht ihre, sondern sie wird ihr nur zur Verfügung gestellt. Sobald eine Lichtkraft in die Nähe des Menschen kommt, muss er das sehr gut verstehen. Diese Lichtkraft ist das versunkene Uratom im Mittelpunkt des Mikrokosmos, der mit dem Herzen des Menschen korrespondiert und darauf einwirkt. Durch Induktion entsteht nun der bekannte Einfluss der ursprünglichen gnostischen Lichtkraft. Dieser Einfluss erweckt den Glauben an die Erlösungslehre, und aus diesem Glauben und dieser Einsicht spricht, arbeitet und opfert der Mensch. Aber dieses Sprechen, Arbeiten und Opfern ist keine Offenbarung der Lichtkraft. Mit dieser Lichtkraft hat er noch niemals gearbeitet, er ist den Pfad zu dieser Möglichkeit noch nie gegangen. Durch Induktion beginnt höchstens das Gütepotenzial zu wirken. Das ist ein guter Erfahrungsweg. Mit der in dem und um den Menschen anwesenden Lichtkraft hat er gelobt, gedankt, gepriesen und gearbeitet wie die Pistis Sophia. Der Mensch hat zwar ein Kreuz getragen, aber es war das Kreuz der Natur und noch nicht das Kreuz der Erlösung. Er ging noch nicht den Rosenkreuzgang. Aber gerade darauf kommt es an! Damit ist jedoch ein Geheimnis verbunden, das primäre Einweihungsgeheimnis des Rosenkreuzes. Die Formel dieses Geheimnisses lautet: »Und hättet ihr alles gege271

ben, aber nicht euer Leben, so wisst, ihr habt nichts gegeben.« Nicht Ihr Gütepotenzial ist gefragt, sondern Ihr Leben, Ihre Ichheitsseele. Das Nicht-Sein muss sich aus einer damit übereinstimmenden Lebenshaltung erweisen. Dann wird der Christus in Ihnen geboren. Dann tritt das Licht nicht mehr induktiv auf, sondern dann tritt es selbst ein. Dann wird der neue Seelenzustand geboren. Und erst diese neue wiedergeborene Seele kann sprechen: Nun, o Licht, errette meine Kräfte aus der Macht der Schöpfungen des Authades, die mich bedrängen. Dann ist der Kandidat durch den Prozess der Entscheidung gegangen und kann mit einem neuen Entwicklungszyklus beginnen: Er kann der Finsternis entfliehen, die Finsternis vernichten, wiedergeboren werden im Licht und das ewige Leben gewinnen. Viele nähern sich dem gnostischen Licht mit ihrem Gütepotenzial. Da diese Güte stets mit dem Bösen vermischt und verbunden ist, entsteht die so sehr ermüdende Situation, dass man das Gute tun will und das Böse verrichtet. In der gewöhnlichen Lebenspraxis tritt stets diese vermischte Situation auf. Wer einsieht, dass es nutzlos ist, sich der Gnosis mit dem Ich-Zustand und der damit verbundenen Zwillingskraft Gut und Böse zu nähern, und wer bemerkt, dass die Lichtkraft der Güte stets durch das Böse absorbiert wird, der erkennt, dass das gnostische Licht etwas ganz anderes ist. Wenn er seine Reuegesänge gesungen hat, gelangt dieser Mensch naturnotwendig zu einem Tiefpunkt, in dem ihm nichts anderes übrig bleibt als die Selbstübergabe an die Gnosis. Das ist eine Lebenshaltung nach der Formel der Gnosis. Das ist ein Sein wie NichtSein. Es ist die Lebenshaltung der rückläufigen Bewegung. »Wer sein Leben behalten will, der wird es verlieren.« Wer jedoch sein Leben durch Selbstübergabe an die Gnosis und ihr Licht der drei Mysterien verlieren will, der wird allen Tod überwinden und er wird leben. »Wer sein Leben verlieren will um meinetwillen, der wird es behalten.« Wer denn auch mit dem Nicht-Selbst die Pforte der gnostischen Mysterien durchschreitet, kann erst wahrlich als Kandidat bezeichnet werden, als Mensch der Entscheidung.

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Jesus fuhr in seiner Rede fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Pistis Sophia ihren siebten Reuegesang im Chaos ausgesprochen hatte, war mir vom Ersten Mysterium noch kein Gebot erteilt worden, sie zu retten. Jedoch aus Barmherzigkeit habe ich sie aus mir selbst und ohne Befehl zu einem etwas offeneren Gebiet im 272

Chaos geführt. Als die stofflichen Emanationen des Authades bemerkten, dass sie zu einem etwas offeneren Gebiet im Chaos gebracht war, ließen sie in ihrem Drängen ein wenig nach in der Annahme, dass sie ganz aus dem Chaos hinweggeführt würde. Die Pistis Sophia wusste nicht, dass ich ihr Helfer war. Sie erkannte mich absolut nicht und fuhr fort, das Licht der Schatzkammer des Lichtes zu loben, das sie einmal gesehen und an das sie geglaubt hatte. Sie meinte, dass es dieses Licht war, das ihr geholfen hatte und das sie in der Überzeugung gepriesen hatte, dass es das einzig wahre Licht sei. Weil sie an das Licht, das zur wahren Schatzkammer gehört, geglaubt hatte, wird sie aus dem Chaos hinausgeführt und ihre Reue wird angenommen werden. Aber der Befehl des Ersten Mysteriums, ihre Reue anzunehmen, war noch nicht ergangen. Doch hört nun, damit ich euch alles sage, was der Pistis Sophia geschehen ist: „Als ich sie zu einem etwas offeneren Gebiet im Chaos gebracht hatte, hörten die Geschöpfe des Authades auf, sie zu bedrängen, da sie meinten, dass sie ganz aus dem Chaos hinweggeführt würde. Als die Schöpfungen des Authades aber bemerkten, dass die Pistis Sophia nicht aus dem Chaos hinausgeführt wurde, kehrten sie sofort wieder um und griffen sie heftig an. Darum sprach sie ihren achten Reuegesang aus, weil sie zwar aufgehört hatten, sie zu bedrängen, sich aber wiederum gegen sie gewandt hatten, um sie heftig anzugreifen. Sie sprach diesen Reuegesang aus: Auf Dich habe ich gehofft, o Licht. Lass mich nicht im Chaos. Erlöse und rette mich entsprechend Deiner Gnosis. Bekümmere Dich um mich. Sei mein Erlöser, o Licht. Ja, rette mich und bringe mich zu Deinem Licht. Denn Du bist mein Erlöser, und Du wirst mich zu Dir führen. Um des Mysteriums Deines Namens willen führe mich und schenke mir Deine Gnade. Du wirst mich vor der Kraft mit dem Löwenkopf retten, die sie mir zum Fallstrick gelegt haben; denn Du bist mein Erlöser. In Deine Hände will ich das Gereinigte meines Lichtes legen. Du hast mich gerettet, o Licht, nach Deiner Gnosis. Du hast gezürnt, die mich überwachen und mich doch nicht ganz überwältigen können. Ich aber habe an das Licht geglaubt. Ich will mich freuen und mich glücklich preisen, dass Du Dich meiner erbarmt und die Not, in der ich mich befinde, erkannt und mich gerettet hast, ja, Du wirst auch meine Kraft aus dem Chaos befreien. Du hast mich nicht in der Macht der Kraft mit dem Löwenkopf gelassen, sondern mich zu einem Gebiet geführt, in dem es keine Bedrängnis gibt.« Nachdem Jesus dieses zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er wiederum zu ihnen: 273

»Als die Kraft mit dem Löwenkopf bemerkte, dass die Pistis Sophia immer noch nicht aus dem Chaos hinweggeführt war, kam sie wiederum mit allen anderen stofflichen Schöpfungen des Authades, und sie fielen die Pistis Sophia erneut an. Als sie sie so bedrängten, rief sie in diesem nämlichen Reuegesang aus: Erbarme Dich meiner, o Licht, denn sie haben mich wiederum in große Bedrängnis gebracht. Deinem Gebot zufolge sind mein innerliches Licht, meine Kraft und meine Geistseele verdunkelt. Meine Kraft hat zu schwinden begonnen, als ich in solche Bedrängnis kam. Die Zahl meiner Zeit schwindet, während ich im Chaos bin. Mein Licht ist fast erloschen, da sie mir meine Kraft geraubt und alle Kräfte in mir vernichtet haben. Den Archonten der Äonen, die mich hassen, stehe ich machtlos gegenüber und ebenso den vierundzwanzig Emanationen, in deren Gebiet ich mich aufhielt. Und mein Bruder, der mit mir Verbundene, fürchtete sich, mir zu helfen, weil sie mich ergriffen hatten. Alle Archonten des Himmels hielten mich für Materie, in der kein Licht ist. Ich bin wie eine stoffliche Kraft geworden, die aus den Archonten gefallen ist. Und alle Bewohner der Äonen sagten: »Sie ist zum Chaos geworden«. Darauf haben mich die gnadenlosen Kräfte sogleich umringt und sich gesagt, dass sie mir all mein innerliches Licht nehmen würden. Dennoch habe ich auf Dich vertraut, o Licht, und gesagt: Du bist mein Erlöser. Das Geschick, das Du für mich bestimmt hast, liegt in Deinen Händen. Erlöse mich aus der Macht der Schöpfungen des Authades, die mich verfolgen und bedrängen. Sende Dein Licht zu mir; denn vor Deinem Antlitz bin ich nichts. Und rette mich nach Deiner großen Barmherzigkeit. Lass mich nicht verachtet werden, o Licht; denn Dich habe ich gepriesen. Möge das Chaos die Schöpfungen des Authades bedecken, und mögen sie in die Finsternis geworfen werden. Verschließe jenen den Mund, die arglistig versuchen, mich zu überwältigen, und sagen: »Lasst uns ihr das ganze innerliche Licht rauben«, obwohl ich ihnen kein einziges Unrecht zugefügt habe.« Als Jesus das gesagt hatte, trat Matthäus vor und sprach: »Herr, Dein Geist hat mich berührt, und Dein Licht hat mich nüchtern gemacht, so dass ich imstande bin, die Bedeutung des achten Reuegesanges der Pistis Sophia zu erklären. Denn darüber hat einst Deine Kraft durch David im 31. Psalm prophezeit: Auf Dich, o Herr, vertraue ich. Lass mich nicht beschämt werden Rette mich durch Deine Gerechtigkeit. Neige mir Dein Ohr, eilends rette mich. Werde mir zu einem sicheren Felsen, zu einer starken Festung, um mich zu bergen. Denn Du bist meine Stütze und meine Stärke. Um Deines Namens willen wirst Du mich führen und mich leiten. Du wirst mich aus der Schlinge ziehen, die man mir heimlich stellte, denn Du bist meine Zuflucht. In Deine Hände befehle ich meinen Geist. Du hast mich erlöst, Herr, Du Gott der Wahrheit. 274

Du hassest jene, welche ihr Vertrauen auf Eitelkeiten bauen. Ich aber vertraue auf den Herrn. Ich werde jubeln und mich freuen über Deine Gnade, weil Du auf mein Elend geblickt und meine Seele aus der Not befreit hast. Du hast mich nicht meinen Feinden ausgeliefert. Du hast meine Füße auf festen Grund gestellt. Sei mir gnädig, Herr, denn ich bin bedrückt. Vor Gram verkümmern mein Auge, meine Seele und mein Leib. Mein Leben flieht im Kummer dahin und meine Jahre in Seufzen; meine Kraft ist durch Elend gebrochen, und meine Gebeine sind verdorrt. Zur Schmach bin ich all meinen Feinden und Nachbarn geworden, zum Schrecken für meine Bekannten. Die mich erblicken, flüchten vor mir. Vergessen bin ich in ihren Herzen wie ein Toter. Wie ein zerbrochener Krug bin ich geworden. Denn ich höre die Verachtung vieler, die mich umringen. Während sie miteinander gegen mich beratschlagen, schmieden sie Pläne, um mir meine Seele zu nehmen. Aber ich vertraue auf Dich, o Herr, und sage: Du bist mein Gott. Mein Schicksal ist in Deiner Hand. Rette mich aus der Macht meiner Feinde und Verfolger. Lass Dein Angesicht über Deinem Diener leuchten; erlöse mich durch Deine Gnade, o Herr. Lass mich nicht beschämt werden; denn Dich rufe ich an. Mögen die Gottlosen beschämt und im Totenreich zum Schweigen gebracht werden. Mögen die Lügenlippen verstummen, die frech wagen, den Gerechten mit Stolz und Hohn zu quälen.« ffffff

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Pistis Sophia, Abschnitte 47-49 Kapitel 47

Achter Reuegesang: das Lied der Verfolgung Wir haben Ihnen die Pistis Sophia geschildert, während sie ihren siebten Reuegesang singt, das Lied der Entscheidung. Bei diesem Reuegesang entwickelt sich der Tiefpunkt ihres dialektischen Zustandes, in dem sie entdeckt, dass ihre Güte, ihre dialektische Lichtkraft ausnahmslos ein Vibrationsfeld ist, das vollkommen zur Natur des Todes gehört und daher kein einziges Element der Befreiung enthält. Es wird also stets eine Wechselwirkung, ein Gleichgewicht zwischen dem Menschen und den Natur-Äonen bleiben, wenn der Mensch versucht, durch Einsatz seines GütePotenzials Befreiung zu erlangen. Die Pistis Sophia erfährt jedoch auch die Lichtkraft der Gnosis, das Licht der Rose. Dieses Licht und diese Rose gehören aber nicht zum dialektischen Lebenssystem. 275

Daher weicht das gnostische Licht immer zurück, wenn der Mensch es mit dem Ichheitszustand der gewöhnlichen Natur ergreifen und anwenden will. Welche heroischen Versuche der Schüler auf dem Pfad auf diesem Gebiet auch unternimmt, es wird ihm nicht gelingen, eine gnostische Kraft mit einem dialektischen Vermögen festzuhalten. »Wer das feststellt und erfährt, wer die entsprechenden Striemen spürt, wird schließlich in der Stunde der Entscheidung zur Selbstübergabe übergehen, jedenfalls wenn er das gnostische Schülertum wirklich begehrt. Auf diese Weise kann ein Mensch auch das Nicht-Sein austragen und sich für den gnostischen Lichtprozess öffnen. Für den positiv-dynamischen Menschen ist es ein Augenblick der Verzweiflung, wenn er die Pforten des Nicht-Seins durchschreiten muss. Denn der positiv ichbewusste Mensch ist immer damit beschäftigt, etwas zu tun, den Prozess zu leiten. Er will Zeit und Tempo bestimmen. Wenn ein solcher Mensch den Pfad geht, experimentiert er stets mit der eigenen Lichtkraft. Wenn dieser Mensch erkennt, dass er nichts besitzt, womit er die gnostische Lichtkraft festhalten und dirigieren kann, um in den dreizehnten Äon einzutreten, fühlt er sich vor den Kopf gestoßen, in seiner Ehre und seinem menschlichen Wahn angegriffen. Die Stunde der Entscheidung ist daher auch für das Ich eine Stunde der Erniedrigung, denn das Ich ist in der Natur der Befreiung vollkommen machtlos. An diesem Punkt weichen viele zurück, die den Pfad seriös begonnen haben. Sie leugnen dann die Gnosis und die Transfigurations-Möglichkeit oder wählen den okkulten Pfad. Sie versuchen zu erreichen, was innerhalb des Rahmens der gewöhnlichen Natur möglich ist, und werden Hörige der Natur-Äonen. Die Pistis Sophia durchschreitet jedoch die Pforten des Nicht-Seins. Sie gibt alle Selbstbehauptung bis in die entferntesten Winkel ihrer Güte auf und tritt in eine Periode der Demut ein. Sie hat den Mut, das Nicht-Tun anzunehmen mit der Bitte: »Gedenke meiner nach Deiner Gnade und um Deiner Güte willen, Herr.« So hat sie ihrem Naturzustand nach ihre größte Tat vollbracht, die sie hinsichtlich der Gnosis ausführen kann. Sie befindet sich nun in dem Grenzgebiet zwischen zwei Welten, zwischen dem siebten und dem sechsten kosmischen Gebiet. Dort steht dann der Kandidat wie mit ausgebreiteten Armen und spricht: »Frömmigkeit und Aufrichtigkeit mögen mich behüten, denn ich erwarte Dich, o Herr.« Frömmigkeit ist die Ausrichtung des naturgeborenen Wesens auf die Gnosis in vollkommenem Nicht-Sein und Nicht-Tun. Die Frömmigkeit der Pistis Sophia ist außerdem aufrichtig. Es ist keine Taktik und keine falsche Frömmigkeit, sondern ihre Frömmigkeit entsteht aus gereifter, von Einsicht begleiteter und vollkommen verstandener Erfahrung. Daher ist sie völlig aufrichtig. Wer sich so der Gnosis nähert, kann dessen sicher sein, dass der Prozess der Rettung unmittelbar beginnt. Darum heißt es in der Pistis Sophia: 276

Als die Pistis Sophia ihren siebten Reuegesang im Chaos ausgesprochen hatte, war mir vom Ersten Mysterium noch kein Gebot erteilt worden, sie zu retten. Jedoch aus Barmherzigkeit habe ich sie aus mir selbst und ohne Befehl zu einem etwas offeneren Gebiet im Chaos geführt. Als die stofflichen Emanationen des Authades bemerkten, dass sie zu einem etwas offeneren Gebiet im Chaos gebracht war, ließen sie in ihrem Drängen ein wenig nach in der Annahme, dass sie ganz aus dem Chaos hinweggeführt würde. Die Pistis Sophia wusste nicht, dass ich ihr Helfer war. Sie erkannte mich absolut nicht und fuhr fort, das Licht der Schatzkammer des Lichtes zu loben, das sie einmal gesehen und an das sie geglaubt hatte. Sie meinte, dass es dieses Licht war, das ihr geholfen hatte und das sie in der Überzeugung gepriesen hatte, dass es das einzig wahre Licht sei. Weil sie an das Licht, das zur wahren Schatzkammer gehört, geglaubt hatte, wird sie aus dem Chaos hinausgeführt, und ihre Reue wird angenommen werden. Es ist selbstverständlich, dass ein Schüler, der sich durch das Nicht-Sein vollkommen für die Berührung des Rettungsprozesses der Gnosis geöffnet hat, erfahren wird, dass dieser Prozess tatsächlich begonnen hat. Gleichzeitig muss er jedoch einsehen, dass es nur erst der Anfang des neuen Pfades ist. Bevor die Errettung definitiv sein kann, muss noch einiges geschehen und müssen noch sehr viele Gefahren überwunden werden. Bevor diese Gefahren sich ankündigen und zuspitzen, empfindet jeder Kandidat am Anfang eine Erleuchtung und wird zu einem etwas offeneren Ort gebracht. Da die gnostischen Radiationen nun vollkommen in ihm vibrieren, kann er viel besser als je zuvor verstehen. Alles, was er bereits zu erfassen meinte, erhält nun für ihn eine ganz andere Ansicht, steht in einem ganz anderen Licht als vorher, erscheint gleichsam in einem neuen Gewand. Aber es kann noch nicht von einem gnostischen Bewusstsein, von einem Denkvermögen in gnostischem Sinn gesprochen werden. Das Bewusstsein und das Erkenntnisvermögen dieses Schülers ist immer noch von der alten Natur. Darum heißt es: Sie erkannte mich überhaupt nicht. Die Pistis Sophia hatte höchstens mit dem dialektischen Sinnesorganismus blitzartig etwas vom wahren Lichtschatz gesehen. Und darum blieb ihr nichts weiter übrig, als mit ihrem Nicht-Bewusstsein das Licht des Himmels zu preisen. Sie bemerken sicher, dass gerade dieser Zustand des Kandidaten in dem geschilderten Stadium des Pfades in der Pistis Sophia beschrieben wird. Der Kandidat steht im Nicht-Sein und daher bereits vollkommen im Prozess, aber er kennt seinen Helfer noch nicht, denn er besitzt noch kein neues Bewusstsein. Die alte Natur beeinflusst ihn noch, und daher kommt unwiderruflich der Moment, in dem die Natur-Äonen wieder mit ihrer Verfolgung beginnen. Am Beginn der neuen Phase halten die Schöpfungen des Authades für eine Weile 277

völlig mit der Verfolgung der Pistis Sophia inne, so dass der geschilderte Zustand der Erleuchtung eintritt. Diese Freiheit und Ruhe ist jedoch nur zeitlich, denn: Als die Schöpfungen des Authades aber bemerkten, dass die Pistis Sophia nicht aus dem Chaos hinausgeführt wurde, kehrten sie sofort wieder um und griffen sie heftig an. Die Verfolgung setzt ein. Darum hören wir im achten Reuegesang der Pistis Sophia das Lied der Verfolgung. Heimsuchungen, Schwierigkeiten und Probleme entwickeln sich. Infolgedessen erlebt die Pistis Sophia Momente, in denen sie meint, weiter vom Prozess der Errettung entfernt zu sein denn je. Der Kandidat möge jedoch bedenken, dass man während des Prozesses besser verfolgt als zurückgehalten werden kann, wenn auch diese Verfolgung nicht ohne ernste Gefahren ist. Sie müssen die Struktur und die Ansichten dieser Verfolgung gut durchschauen, denn dabei tritt wieder die Kraft mit dem Löwenkopf in den Vordergrund. Vorausgesetzt, der Schüler harrt bis zum Tiefpunkt des siebten Reuegesanges aus, bis zu der wichtigen Entscheidung, und setzt wirklich die Selbstübergabe im Sinn der Gnosis durch, dann erfährt er die Zeit der Erleichterung und primären Erleuchtung, in der er alles als wunderbar erkennt und enthusiastisch wird. Aber er kennt seinen Helfer noch nicht, besitzt noch keinen neuen Vermögenszustand und ist daher noch sehr unbeholfen. In diesem Zustand, in dem die Saat zwar ausgestreut wurde, jedoch noch kein Wachstum erlangt hat, kommt die Kraft mit dem Löwenkopf wieder zum Schüler. Der Löwe ist das Symbol für Christus, den gnostischen Erlöser. Aber der Schüler kennt seinen Helfer noch nicht. Darum ist es selbstverständlich der große Imitator, der in der Welt der Dialektik als ein wahngestaltiger Schatten des Lichtes die Gnosis nachahmt und sich erneut an den Schüler wendet. Die Kräfte des Authades greifen ihn an, und dann spricht der Imitator. Das Rosenkreuz bringt dem Schüler die frohe Botschaft, verbindet ihn mit der Weisheitslehre Christi und zieht ihn in den Lebenden Körper der Bewahrung. Wenn der Schüler so vollauf mit Schwierigkeiten und unzähligen Mühen beschäftigt ist, denkt er daran vielleicht mit einiger Bitterkeit. Die Kraft mit dem Löwenkopf knüpft bereits bei dem ersten Gedanken dieser Art beim Schüler an und versucht, ihn zu beunruhigen und ihn auf den so genannten Betrug hinzuweisen, den die Gnosis angeblich begeht. »Dir ist Freude gelobt, aber dir begegnen nur Schwierigkeiten. Kehre zurück zum alten, sicheren Lebensfeld«, so spricht die Kraft mit dem Löwenkopf. Sie knüpft bei jedem Menschentyp an, bei der Vergangenheit jedes Menschen, bei der schwachen Seite jedes Menschen und versucht, ihn in das alte Leben zurückzuwerfen. Zuerst greifen die Kräfte des Authades den Schüler an, und dann spricht die Kraft mit dem Löwenkopf ihre verführerischen, wohlerwogenen Worte. 278

Das ist die Verfolgung, die in der Bibel so vielfältig angedeutet wird. Denken Sie nur an das Volk Israel, das aus dem Land der Finsternis, aus Ägypten flüchtete und von den Truppen des Pharao verfolgt wurde. Denken Sie auch an Jesus und die Versuchungen in der Wüste. So mancher Schüler wird gerade in diesem Stadium geopfert! Immer wieder erneut beginnt er mit dem Prozess, und immer wieder wird er zurückgezogen in das alte Land. Auf diese Weise entsteht auf die Dauer eine Erschöpfung, die den Schüler so sehr schwächen kann, dass es stets schwieriger für ihn wird, definitiv die Trennungslinie zu überschreiten. Darum sei jeder Schüler gewarnt. Möge er die Kraft mit dem Löwenkopf erkennen, die jeden in dieser Phase verfolgt.

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Als Jesus diese Worte gehört hatte, sprach Er: »Sehr gut, Matthäus. Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn die vollkommene Zahl erfüllt und das All zum Himmel erhoben ist, werde ich in der Schatzkammer des Lichtes thronen, und ihr werdet auf zwölf Lichtkräften sitzen, bis wir alle Ordnungen der zwölf Erlöser im Gebiet ihres jeweiligen Erbteils hergestellt haben.« Als Er das gesagt hatte, fragte Er: »Versteht ihr, was ich sage?« Maria trat vor und sprach: »O Herr, diesbezüglich hast Du zu uns einst in einem Gleichnis gesagt: »Ihr habt mit mir in allen Anfechtungen ausgeharrt. Ich werde für euch ein Königreich aufrichten, wie mein Vater es für mich aufgerichtet hat, damit ihr essen und trinken möget an meinem Tisch in meinem Königreich; und ihr sollt auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten!« »Vortrefflich, Maria«, sagte Jesus zu ihr, fuhr wiederum fort und sprach zu seinen Jüngern: »Als die Schöpfungen des Authades die Pistis Sophia im Chaos wieder bedrängten, sprach sie ihren neunten Reuegesang aus: Schlage nieder, o Licht, die mir meine Kraft geraubt haben; nimm die Kraft jenen, die sie von mir genommen haben. Denn ich bin Deine Kraft und Dein Licht. Komm und rette mich. Möge tiefe Finsternis meine Verfolger bedecken. Sprich Du zu meiner Kraft: Ich bin es, der dich erlösen wird. Mögen alle, die es auf mein Licht abgesehen haben, ihre Kraft verlieren. Mögen alle sich zum Chaos kehren und kraftlos werden, die mir all mein Licht rauben wollen. Möge ihre Kraft zu Staub werden. Möge Dein Engel Jeû sie niederschlagen. Wenn sie sich zur Höhe wenden wollen, dann möge die Finsternis sie ergreifen; lass sie im Chaos versinken. Möge Dein Engel Jeû ihnen folgen und sie in die tiefste Finsternis werfen. 279

Denn sie haben mir, ohne dass ich ihnen irgend etwas Böses antat, eine Kraft mit dem Löwenkopf zum Fallstrick gelegt, der das Licht genommen werden wird. Sie haben die Kraft in mir unterdrückt, die sie nicht wegnehmen konnten. Nimm nun, o Licht, das Gereinigte der Kraft mit dem Löwenkopf, ohne dass sie es weiß, und nimm – nach dem Gedanken des Authades, mir mein Licht zu nehmen – das seine weg. Möge das Licht der Kraft mit dem Löwenkopf, die mich belauert, weggenommen werden. Dann wird meine Kraft jubeln im Licht und sich freuen, weil das Licht sie retten wird. Und alle Teile meiner Kraft werden sagen: »Es gibt keinen anderen Erlöser außer Dir.« Denn Du wirst mich erlösen aus der Hand der Kraft mit dem Löwenkopf, die mir meine Kraft genommen hat. Und Du rettest mich aus den Händen jener, die mir meine Kraft und mein Licht genommen haben. Denn sie haben sich gegen mich erhoben, während sie mich belogen und sagten, dass ich das Mysterium des Lichtes in der Höhe, an das ich geglaubt habe, kennen würde. Und sie haben mich gezwungen und sprachen: »Nenne uns das Mysterium des Lichtes, das in der Höhe ist«, das ich nicht kenne. Weil ich an das Licht in der Höhe glaube, haben sie mir all das Böse angetan und haben meiner Kraft alles Licht genommen. Aber als sie mich zwangen, saß ich in der Finsternis, während meine Seele unter Kummer gebeugt ging. O Licht, das ich um Deiner selbst willen preise, rette mich. Ich weiß, dass Du mich retten wirst, weil ich Deinen Willen vollbracht habe, seit ich in meinem Äon war. Ich vollbrachte Deinen Willen wie die Unsichtbaren, die sich in meinem Gebiet befanden, und wie mein mit mir Verbundener. Unverwandt nach Deinem Licht ausschauend, trauerte ich und sehnte mich nach Deinem Licht. Dann wurde ich jedoch umringt von allen Schöpfungen des Authades, die über mich frohlockten und mich in Bedrängnis brachten, ohne dass ich sie kannte. Dann sind sie geflohen und haben mich verlassen. Und sie hatten kein Mitleid mit mir. Doch sie haben sich erneut gegen mich gewandt und mich geprüft. Sie haben mich wieder in große Bedrängnis gebracht. Zähneknirschend wollten sie mein letztes Licht von mir nehmen. O Licht, wie lange noch wirst Du zulassen, dass sie mich in Bedrängnis bringen? Rette meine Kraft vor ihren bösen Absichten. Erlöse mich aus der Hand der Kraft mit dem Löwenkopf; denn unter den Unsichtbaren bin ich allein in diesem Gebiet. Dich will ich loben, o Licht, inmitten aller, die sich gegen mich versammelt haben. Zu Dir will ich rufen inmitten aller, die mich bedrängen. Nun aber, o Licht, lass nicht länger zu, dass sie über mich frohlocken, die mir meine Kraft nehmen wollen, die mich hassen und deren Augen gegen mich Feuer sprühen, obwohl ich ihnen nichts getan habe. Als sie mich nach den Mysterien des Lichtes fragten, die ich nicht kenne, schmeichelten sie mir mit süßen Worten. Sie sprachen arglistig gegen mich und zürnten mir, weil ich an das Licht in der Höhe geglaubt habe. Sie rissen ihr Maul weit gegen mich auf und riefen: »Wir werden ihr Licht rauben.« 280

O Licht, nun hast Du ihre Arglist erkannt. Dulde sie nicht länger und lass mir Deine Hilfe nicht fern bleiben. Richte mich, o Licht, und räche mich. Richte mich nach dem Maß Deiner Barmherzigkeit, o Licht der Lichter, lass sie mir nicht mein Licht nehmen. Lass sie nicht zu sich selbst sagen: »Unsere Kraft hat sich an ihrem Licht gesättigt.« Lass sie nicht sagen: »Wir haben ihre Kraft verschlungen.« Möge vielmehr Finsternis auf sie fallen, und mögen jene, die mein Licht rauben wollten, machtlos werden. Und mögen jene, die sagen: »Wir wollen ihr Licht und ihre Kraft rauben« mit Chaos und Finsternis bekleidet werden. Rette mich dann, damit ich mich freue: denn mein Verlangen ist auf den dreizehnten Äon gerichtet, den Ort der Gerechtigkeit. Und ich will an allen Tagen sprechen: Das Licht Deines Engels Jeû möge mit großer Herrlichkeit erstrahlen. Meine Zunge wird Dich während meiner ganzen Zeit im dreizehnten Äon in Deiner Gnosis loben.«

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Pistis Sophia, Abschnitt 50 Kapitel 48

Neunter Reuegesang: das Lied des Durchbruchs In der Periode des siebten Reuegesanges hat die Pistis Sophia den Zustand des Nicht-Seins erlangt. Dadurch können die gnostischen Radiationen den Prozess der Heiligung mit ihr beginnen. Sie ist also in den Rosenkreuzgang eingetreten. Wenn ein Mensch durch das Nicht-Sein oder die Ich-Verlorenheit mit einem solchen Prozess anzufangen weiß, kommt sofort ein Gefühl großer Erleichterung über ihn. Aber dieser Beginn bedeutet keinesfalls, dass er das neue Seelenbewusstsein und dessen Vermögen besitzt. Es wurde nur der Beginn verwirklicht, jedoch die Königskammer, das Fenster der Seele, ist noch nicht geöffnet. Ohne dieses neue Bewusstsein im vollkommenen Sinn ist der Betreffende nicht imstande, die helfenden Kräfte und das neue Lebensfeld, den Kosmos des sechsten Gebietes, wahrzunehmen. Er steht daher noch in der Glaubensphase und besitzt lediglich Glaubenserfahrung. Zwar sagt die Bibel über die Glaubensphase: »Der Glaube ist ein fester Grund«, aber es wird unmittelbar hinzugefügt: »für die Dinge, die man erhofft, und ein Beweis für das, was man nicht sieht.« Der Glaube ist also die beste Basis für eine Verbindung mit dem Unsichtbaren, und daher ist diese Phase nicht ohne Gefahren. 281

In der Glaubensphase, in diesem Zustand der ersten gnostischen Berührung können denn auch, nachdem der Zustand des Nicht-Seins erreicht ist, viele dialektische Kräfte anknüpfen. Weil der Kandidat noch nicht sieht, wegen seines Mangels an neuem Bewusstsein, können und werden diese Kräfte die Unbeholfenheit des Schülers nutzen. In der Glaubensphase ist der Schüler auf ein Ziel gerichtet, das er noch nicht wahrnehmen kann, das er höchstens im Begierden- oder Empfindungskörper als eine Verbundenheit, als einen festen Grund erfährt. Das bedeutet, dass er mit den gnostisch-astralen Strömen verbunden ist. In diesem Zustand versucht nun die Kraft mit dem Löwenkopf, der große Imitator, den Schüler vom Pfad wegzuführen. Das Resultat ist dann eine neue Reihe schmerzlicher Erfahrungen, innerlicher und äußerlicher Widerstände und oft auch körperlicher Schwierigkeiten, weil die beginnenden gnostischen Prozesse die AtomPolarisationen bereits zu ändern beginnen. Dadurch entstehen bei dem wiederholten Einfluss der Naturkräfte Störungen. Es geht hier also um eine echte Verfolgung. Darum heißt es: Als die Kräfte des Authades entdeckten, dass die Pistis Sophia nach dem siebten Reuegesang nicht vollkommen aus dem Chaos hinweggeführt wurde, kehrten sie fröhlich zurück, griffen sie erneut an. Und die Kraft mit dem Löwenkopf bemühte sich um sie. In dieser schwierigen Periode versagten Schüler der Geistesschule zu allen Zeiten. Ihr Glaube wurde auf die beschriebene Weise geprüft. Sie konnten dieser Prüfung oft nicht standhalten, weil sie in den von der Kraft mit dem Löwenkopf suggerierten Fehler verfielen, ihre Schwierigkeiten der Geistesschule vorzuwerfen. Der astrale Strom der Gnosis wird über die Pfortader der Leber im Blut wirksam und begegnet der astralen Kraft mit dem Löwenkopf. Dadurch entstehen im Blut starke Gärung und Hitze. Eine Flamme schießt empor zur Spitze des Dreiecks. Im gleichen Moment steigt in dem betreffenden Menschen ein heftiger Trieb empor, eine heiße Eifersucht und eine Woge von Kritik. Die Folge ist mentales Unvermögen, eine Abstumpfung der sinnesorganischen Wahrnehmung hinsichtlich der Glaubensgüter. Das Feuer wütet heftig, und wenn es niedergebrannt ist, fühlt sich der ehemalige Schüler meistens total erschöpft. Er hat dann oft jahrelang nicht mehr die Kraft, um erneut zu beginnen. Bis auf das Gebein nagt dann der Kummer an ihm, vermischt mit Hass und allerlei ähnlichen unterbewussten Gefühlen. Jeder Schüler muss die Pforte des siebten Reuegesanges und ihre Gefahren passieren, und darum ist es gut, ihn darauf hinzuweisen. Alle, die den Pfad gehen, haben die geschilderte Verfolgung zu erdulden. Und es kommt nun darauf an, ob sie ihren Verfolgern zu entkommen wissen. Darum ist die Periode des siebten und achten Reuegesanges einer der wahrhaft großen Abschnitte im Evangelium der Pistis Sophia. Es ist also von größter Wichtigkeit, festzustellen, auf welche Weise die Pistis Sophia 282

ihren Verfolgern gegenübersteht. Wir wollen daher dem Text des achten Reuegesanges getreulich folgen, denn wir können viel daraus lernen. Die Verfolgung setzt ein. Die Pistis Sophia wird bis zum Äußersten gequält, und die Kräfte des Authades dringen in die Leber ein. Die Pistis Sophia weiß, dass sie in der Anfangsphase des gnostischen Reinigungsprozesses steht, und erfährt es auch mit ihrem gesamten Gefühlsorganismus. Die Reinigung, die Heiligung beginnt, und nun kommt die Krisis der Verfolgung mit all ihren Vorfällen. Es ist jedoch keineswegs der Fall, dass sich in der Pistis Sophia der soeben geschilderte Gärungsprozess entwickelt, durch den die Gefahr entsteht, dass die gesamte neue Lichtkraft wieder vernichtet wird. Sie hält während dieser Heimsuchung das Auge vollkommen auf das eine Ziel gerichtet: Bekümmere Dich um mich. Sei mein Erlöser, o Licht. Ja, rette mich und bringe mich zu Deinem Licht. Denn Du bist mein Erlöser, und Du wirst mich zu Dir führen. Um des Mysteriums Deines Namens willen führe mich und schenke mir Deine Gnade. Sie erwartet den Angriff der Kraft mit dem Löwenkopf, aber: Du wirst mich vor der Kraft mit dem Löwenkopf retten, die sie mir zum Fallstrick gelegt haben, denn Du bist mein Erlöser. In Deine Hände will ich das Gereinigte meines Lichtes legen. Du hast mich gerettet, o Licht, nach Deiner Gnosis. Sie bittet darum, das von der Gnosis in ihr Gereinigte zu bewahren, und wir verstehen, dass durch ihre fortwährende Ausrichtung auf die Gnosis wirklich all das bereits Gereinigte in der Pistis Sophia bewahrt bleibt. Sie vertraut im Voraus, während sie bedrängt wird. Du hast mich nicht in der Macht der Kraft mit dem Löwenkopf gelassen, sondern mich zu einem Gebiet geführt, in dem es keine Bedrängnis gibt. Das nun ist gnostische Magie! Mit all ihrem Heilbegehren, mit ihrer ganzen Intelligenz projiziert sie ihre zukünftige Erlösung auf den Schirm der kommenden Dinge. Gnostische Magie besitzt Entwicklungsphasen. Und Glaubensmagie vermag Dinge, die man nicht sieht, zur Sicherheit zu machen. Wer jedoch die gnostische Magie in der Glaubensphase anwendet, ruft gleichzeitig die Kräfte der Gegennatur auf, da er ja wesensmäßig noch naturgebunden ist. Darum wird hier der Text des achten Reuegesanges kurz unterbrochen, um darauf die volle Aufmerksamkeit zu lenken. Die Kraft mit dem Löwenkopf greift die Pistis Sophia mit allen Schöpfungen des Authades an. Sie hat sie selbst aufgerufen. Darum sagt sie: Erbarme Dich meiner, o Licht, denn sie haben mich wiederum in große Bedrängnis gebracht. Deinem Gebot zufolge sind mein innerliches Licht, meine Kraft und meine Geistseele verdunkelt. Meine Kraft hat zu schwinden begonnen, als ich in solche Bedrängnis kam. Die Zahl meiner Zeit 283

schwindet, während ich im Chaos bin. Mein Licht ist fast erloschen, da sie mir meine Kraft geraubt und alle Kräfte in mir vernichtet haben. Den Archonten der Äonen, die mich hassen, stehe ich machtlos gegenüber. Gerade dadurch, dass sie das der Gnosis gegenüber in bleibender Ausrichtung ausspricht, wird sie unangreifbar. Die magische Wirkung der bleibenden fortwährenden Ausrichtung wird hier vollkommen deutlich. Sie antwortet auf Hass nicht mit Hass, sie kämpft nicht, sie steht allein im Sturm, aber mit der bleibenden Ausrichtung und der Sicherheit einer hohen, neuen Moralität, die sich in den Worten äußert: [Sie] sagen: »Lass uns ihr das ganze innerliche Licht rauben«, obwohl ich ihnen kein einziges Unrecht zugefügt habe. [...] Mein Schicksal ist in Deiner Hand, [o Herr]. So geht die Pistis Sophia durch die so dunkle Pforte der Verfolgung. Sie hält allen Prüfungen stand, und daher kann das Königreich bald für sie geöffnet werden. Die Heimsuchung der Verfolgung ist damit jedoch noch nicht beendet, denn die Gnosis erwartet noch mehr von ihr, bevor all ihre Prüfungen in dieser Phase zur Vergangenheit gehören. Es ist nicht nur notwendig, in diesem Zustand eine bleibende Ausrichtung zu zeigen, sondern gleichzeitig muss sich eine fortwährende EigenAktivität entwickeln. Der Schüler muss das Licht nicht nur sehen und das Auge, in welcher Situation auch immer, darauf gerichtet halten, sondern er muss sich diesem Licht auch nähern. Deshalb muss Bewegung da sein, fortwährende Anspannung, so als ob es keine Widerstände und Heimsuchungen gäbe. Die gnostische Magie ist nicht nur die Projektion der Heilsverkündigung bis hinter die Schleier des Zukünftigen, wodurch man sich die Angreifer vom Leib halten kann, und zwar in dem Sinn, dass man durch fortwährende Ausrichtung auf das Projekt des Heils darübersteht. Sondern die gnostische Magie muss außerdem zur Überwindung führen, zur Befreiung von den Angriffen. Der Schüler muss weitergehen können! Er darf nicht negativ abwarten, bis die Widerstände schließlich einmal gewichen sein werden. Er muss durchbrechen. Eigen-Aktivität ist also geboten. Das ist eine streitlose Aktivität auf der Basis des Glaubenswissens und mit Hilfe der Glaubenskraft und der Dienstbarkeit. Wer es damit wagt, wird erfahren, dass alle Widerstände weichen müssen, so dass schließlich kein einziges Hindernis mehr besteht, das stärker ist als die Kraft des Schülers. Wenn Sie dieses Erfahrungswissen erlangt haben, werden Sie auch den neunten Reuegesang verstehen, das Lied des Durchbruchs, sowie die herrliche Überwindung, die darauf folgt.

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Kapitel 49

Die Mauer der zwölf Äonen Aus dem neunten Reuegesang ist zu entnehmen, dass die Pistis Sophia auf die besprochene Weise durchhält, aber auch, dass die Heimsuchungen und Angriffe an Kraft zunehmen und die Finsternis um ihr Wesen sich vertieft. Das geschieht bei allen Menschen, welche die Morgenstunde sehnsüchtig und mit ihrem ganzen Wesen erwarten. Die Finsternis wird immer beklemmender. Aber das sichere Wissen, dass die »Göttin der Morgenröte« erscheinen muss, lässt keine Panikstimmung oder Melancholie aufkommen. Das wäre auch eine große Dummheit! Wer könnte von der Dialektik »Licht« erwarten? Wenn der Mensch vom Leben gebeugt ist, wird er das bestimmt nicht tun, denn wenn er gut ausgerichtet ist, erwartet er die Morgenstunde von der Gnosis und im Reich der Gnosis. Dieser Mensch kann jedoch die Finsternis nicht leugnen, denn er erfährt sie nur allzu deutlich. Aber er lebt vollkommen in der Hoffnung, dass die Morgenstunde ihn zur rechten Zeit erreichen und er nicht zur Unzeit in der Finsternis versinken wird: »Die Morgenstunde naht. Die Morgenstunde ist für mich. Die Morgenstunde ist für alle, die auf das Licht bauen. Möge ich stark sein, um den Pfad zu gehen.« Das Thema des neunten Reuegesangs ist denn auch die Bitte der Pistis Sophia, dass sie genügend Stärke besitzen möge, um die letzten Schleier der Finsternis zu durchdringen. Während sie dieses Lied singt, nehmen die Angriffe zu, denn die letzten Züge aus dem Becher sind die bittersten. Dennoch bleibt ihre Ausrichtung bis zum Ende unerschütterlich. O Licht, an das ich von Anfang an geglaubt habe, um Deinetwillen habe ich die großen Schmerzen ertragen, rette mich. Das ist der Schmerzensschrei des völlig erschöpften Schülers, der seinen Weg des Durchbruchs bis zu den letzten Schritten gegangen ist. In dieser Stunde wird die Reue der Pistis Sophia angenommen. Jetzt wird ihr das Licht auf eine andere Weise gesandt als vorher: Als ich [Jesus] im Chaos angelangt war, um ihr zu helfen, da sah sie mich. In diesem Moment gelangt der Schüler zur Anschauung. Die Morgenstunde leuchtet am Horizont des Lebens der Pistis Sophia: Der Durchbruch ist vollbracht! Wir wollen nun zuerst ein Licht auf die dreizehn Zustände werfen, die der naturgeborene Mensch durchringen muss. Sie stimmen mit den dreizehn Reuegesängen der 285

Pistis Sophia überein. So wie ein zwölffacher Tierkreis unseren Kosmos umgibt, in dem unser Kosmos vergegenwärtigt ist, so gibt es auch in jedem Mikrokosmos eine zwölffache Ansicht. Im naturgeborenen Menschen befinden sich zwölf Zustände, zwölf Ansichten, zwölf organische Entwicklungen. Das sind jedoch, im Verhältnis zum befreienden Leben und seinem Auferstehungsfeld, gleichzeitig zwölf Behinderungen, zwölf fundamentale psychische Widerstände. Es ist daher auch verständlich, dass der Schüler, der in den neuen Lebenszustand eintreten will, alle diese Hindernisse nach und nach beseitigen muss. Die zwölf Ansichten des totalen dialektischen Zustandes bilden also die zwölf Kräfte, die jeder Kandidat berücksichtigen muss. Sie werden in der Pistis Sophia die zwölf Äonen genannt, die zwölf Naturkräfte, aus denen der Naturzustand jedes Menschen zu erklären ist. Aus ihnen lebt er. Diese zwölf Kräfte bilden gleichsam eine Mauer, eine Lipika-Mauer. So lebt der Mensch in einem abgeschlossenen Raum, innerhalb der Mauer der zwölf Äonen. Die Menschen sind alle sehr individualisiert, völlig in ihr Ichwesen eingeschlossen und sehr ichzentral. Sie leben vollkommen abgeschlossen voneinander, und daraus zeigt sich, dass die zwölffache Mauer, die sie umgibt, von derselben Art ist. Jede äonische Mauer ist ein Teil der gesamten zwölffachen Mauer, des Ganzen. Und die Synthese des Ganzen, das Prinzip, auf das diese zwölffache Mauer erbaut wurde und durch das sie funktioniert, wird die dreizehnte Ansicht, der dreizehnte Äon genannt. Der dreizehnte Äon, so kann man sagen, ist der Schlüssel zum Ganzen und zum Geheimnis der Mauer. Wer die Schleier des dreizehnten Äons hinter sich lassen kann, ist dann auch seiner eigenen Ummauerung, seiner eigenen Art und seinem Lebensfeld entkommen. Auf den ersten Blick erscheint das unsinnig. Es erinnert an einen Fisch, der außerhalb des Wassers lebt, an eine Pflanze, deren Wurzeln den Boden nicht berühren, an ein Haus, das in der Luft schwebt. Dennoch ist es möglich, hinter die Schleier des eigenen dreizehnten Äons zu dringen, und es ist auch gut zu verstehen, wie es möglich ist. Denken Sie dabei zuerst an einen Steinbrocken. Es ist ein verhältnismäßig totes Mineral, und doch besitzt dieser Stein ein Absorptionsvermögen. Wenn die Sonne ihn lange genug bestrahlt, dann erwärmen die Lichtradiationen der Sonne den Stein sogar ziemlich, und dann gibt der Stein später diese Wärme ab, die er von der Sonne empfangen hat. Denken Sie nun weiter an einen Menschen, der in seine zwölffache äonische Mauer innerhalb des Mikrokosmos eingeschlossen ist. Vergleichen Sie diesen Mikrokosmos nun mit dem Stein. Denn auch der Mikrokosmos besitzt ein Absorptionsvermögen, und alles, was in ihm ist, ebenfalls. Der Mikrokosmos absorbiert nicht nur die Lichtkraft des kosmischen und makrokosmischen Systems, mit dem er verwandt ist, sondern auch andere Lichtkräfte, prinzipiell alle Lichtradiationen des gesamten Alls in ihrer unermesslichen Vielfalt. Die Menschen bemerken jedoch 286

nichts davon, weil sie diese Lichtkräfte nicht festhalten und kein empfangendes Feld bilden. Daher gehen die andersartigen kosmischen Strahlen durch sie hindurch, sie kommen und gehen vom Menschen völlig unbemerkt. Es gibt aber auch Lichtstrahlungen, die nicht aus der dialektischen Natur stammen, sich jedoch absichtlich und sehr nachdrücklich an unsere Natur wenden. Denken Sie zum Beispiel an die Strahlungen der Gnosis und ihres Lichtreiches im sechsten kosmischen Gebiet. Sie kommen zu unserer Natur, obwohl sie nicht von dieser Natur sind. Daraus ist nun eine wunderbare Wirksamkeit in einem Mikrokosmos zu erklären. Stellen Sie sich einen naturgeborenen Menschen vor, der also gefangen ist, umschlossen von seiner zwölffachen Mauer, die ihn nach allen Seiten wie ein Ring umgibt. Er hat wie alle Menschen ein hartes Los. Er muss ein Selbstbehaupter sein, denn er lebt in einer Ordnung des Todes, in welcher der Daseinskampf notwendig ist, in der alles zwei Ansichten besitzt. Kurz gesagt, er lebt in einer Welt, in der alles dialektisch ist. Es kann daher nicht anders sein, dieser Mensch ist unzufrieden, mag das Schicksal ihn auch zeitweise begünstigt haben. Er ist unzufrieden mit seinem Los und beginnt daher zu suchen. Er sucht Expansion, obwohl er selbst nicht genau weiß, was er eigentlich sucht. Ohne es selbst zu wissen oder zu wollen, setzt dieser Mensch sein natürliches Absorptionsvermögen ein. Er wünscht etwas, was seine zwölffache äonische Mauer ihm nicht geben kann. Dieser Mensch ist nun mit seinem gesamten System ein prächtiges Objekt für die Lichtkraft, die nicht von dieser Welt ist, sich aber dennoch an diese Welt wendet. Und nun geschieht das Gleiche wie bei dem Stein: Ein neues Licht bescheint diesen Menschen, eine neue Sonne erwärmt ihn. Dadurch entsteht Kraft in diesem Menschen, eine Hitze, die absolut nicht aus seiner eigenen Natur zu erklären ist. Sein Wille hat keinen Anteil daran, weder sein Bewusstsein noch seine äonische Mauer. Und doch wird dieser Mensch durch sein natürliches Absorptionsvermögen mit andersartiger Lichtkraft, mit gnostischer Lichtkraft geladen, genauso wie der Stein mit der Sonnenwärme. Das Ziel der Dialektik ist, eine Ordnung zu bilden, in welcher der Mensch auf natürliche Weise zum Suchen nach Expansion gedrängt wird, und zwar durch seine eigene und die ihn umgebende Unvollkommenheit. So wird zu seiner Zeit jeder Mensch mit andersartiger Lichtkraft geladen. Das erklärt auch, wieso die Pistis Sophia von ihrer eigenen Lichtkraft sprechen kann, die sie einmal von Gott empfangen hatte. Und wir verstehen ebenfalls, warum gesagt wird, dass die Äonen offenbar die Lichtkraft des wahren Lichtes besitzen. Durch sein Suchen zieht der Mensch magnetische, gnostische Lichtkraft in seinen Mikrokosmos, obwohl diese Lichtkraft absolut nicht aus der naturgeborenen Art zu erklären ist. 287

Kapitel 50

Die fundamentale Ursache der Krankheiten und des Todes Sie können sich gewiss vorstellen, dass die fortwährenden Bedrohungen des Authades der Pistis Sophia zeitweise Angst einflößen. Sie werden auch verstehen, woraus diese Kraft mit dem Löwenkopf besteht. Ein dialektischer Mikrokosmos, der in einem gegebenen Augenblick mit gnostischer Lichtkraft geladen ist, hält diese Lichtkraft sehr lange fest und kann diese Hitze, wie ein erhitzter Stein, allmählich abgeben. Die Hitze ist dann jedoch nicht aus dem eigenen Quell zu erklären, sondern aus der Gnosis, die zeitweise etwas von ihrem Licht in den Mikrokosmos sandte. Nach dem gesetzmäßigen Verlust des Arbeitsvermögens wird der Mikrokosmos, wenn keine eingreifenden Veränderungen stattfinden, nach einiger Zeit wieder sich selbst gleich sein. Wenn ein Schüler der Geistesschule aus persönlichem Bedürfnis regelmäßig die Brennpunkte der Bruderschaft besucht, dann ist er natürlich sowohl in seiner Persönlichkeit als auch in seiner äonischen Mauer mit gnostischer Lichtkraft geladen. Ein solcher Schüler besitzt daher Lichtkraft, und sein aurisches Wesen besitzt die Kraft mit dem Löwenkopf. Diese Lichtkraft bleibt dann in dem Menschen, wenn er sich stets wieder damit auflädt, und er kann damit arbeiten, daraus leben und davon zeugen. Aber das ist keine Lösung. Denn so wie der erhitzte Stein derselbe bleibt, so bleibt dieser Mensch ein Naturgeborener in der Todesnatur, obwohl er so oft mit der gnostischen Lichtkraft geladen wird. Es ist in ihm nichts verändert. Seine Erfahrung ist nur die Folge seines natürlichen Absorptionsvermögens, das seine unzufriedenen Gefühle in Gang setzten. Wegen des gesetzmäßigen Verlustes an Arbeitsvermögen muss der Mensch stets wieder nachladen. Die Tatsache, dass die gnostische Lichtkraft immer wieder erneut in ihm auftritt und wirkt, ist ein Beweis dafür, dass er durch sein Suchen auf naturwissenschaftliche Weise zum gnostischen Licht gerufen wird. Und die Tatsache, dass dieser Mensch immer wieder abkühlt, wie der Stein, und daher stets erneut erhitzt werden muss, beweist, dass er die Gnosis in der Tat täglich ausbeutet und kreuzigt, und dass sie sich täglich für ihn opfert. Es gibt noch einen anderen Aspekt, den Sie gut durchschauen müssen. Das natürliche Absorptionsvermögen ist nämlich dem Verschleiß unterworfen. Wenn ein Stein täglich erhitzt wird und wieder abkühlt, verliert er an Masse und bröckelt. Die dauernden Spannungsunterschiede verursachen Brüche und Risse, und dann sorgt die Steinpest für den Rest. Schließlich verschwindet er, stirbt er. Das ist auch die fundamentale Ursache für Krankheiten und Tod. Der Mensch beginnt bereits als Kind zu suchen, durch den Trieb des menschlichen Geschlechts 288

dazu gedrängt. Er wird durch das natürliche Absorptionsvermögen schon als Kind vom göttlichen Licht gerufen. Wenn er wie der Stein reagiert, setzt unmittelbar die Vernichtung, der Verschleiß, der Tod ein. Das Licht der Gnosis kommt jedoch nicht zum Menschen, um ihn zu töten und um ihn weiter den Radumdrehungen des Entstehens, Blühens und Vergehens zu überlassen. Obwohl gesetzmäßig sicher ist, dass die Spannungsunterschiede ihn töten werden, wenn er weiterhin seiner gewöhnlichen Natur gleich bleibt, sowohl in als auch außerhalb der Geistesschule, sagt die Gnosis, dass sie zu allen kommt, um sie zu retten und zu bewahren und damit sie den Tod überwinden. So haben wir Ihnen erklärt, wie es für den Menschen möglich ist, ebenso wie die Pistis Sophia hinter die Schleier des dreizehnten Äons zu gelangen. Wenn das natürliche Absorptionsvermögen wirkt, wird das gesamte magnetische Feld, das außerhalb des aurischen Wesens liegt, gezwungen, andersartige Lichtkräfte zu empfangen und in den Mikrokosmos zu leiten. Dann hat der Mensch das Basisprinzip seiner zwölffachen Mauer durchbrochen und atmet nun eine andere Lichtkraft ein. Wir stellten fest, dass diese neue Lichtkraft wie ein Ruf ist, wie eine neue Aufgabe, ein neuer Auftrag, der erfüllt werden muss, damit nicht der Tod, sondern das Leben gewonnen wird. Darum wird die Pistis Sophia zurückgesandt, zurückgeworfen auf diese Aufgabe, die dreizehn Aspekte besitzt, dreizehn Reuegesänge erfordert und dreizehn fundamentale Veränderungen enthält. Dieser gesamte Prozess wird dann zu einer Auferstehung oder zu einem Fall führen.

Kapitel 51

Die Strahlungskraft Christi In den vorigen Kapiteln haben wir besprochen, wie es ein strebender Mensch vermag, bis hinter die Schleier des dreizehnten Äons durchzudringen. Durch die Wirksamkeit des natürlichen menschlichen Absorptionsvermögens wird das mikrokosmische magnetische Feld gezwungen, andersartige Lichtkraft anzuziehen und in das gesamte System zu leiten. Diese Lichtkraft bemüht sich, die speziellen Bedürfnisse dieses Menschen zu befriedigen. Sie wirkt wie ein Ruf zum neuen, zum anderen Leben, nämlich zu der Lebensbestimmung und Lebenserfüllung, mit der diese andere Lichtkraft wesenseins ist. Die gesamte Wesenheit des betreffenden Menschen ist jedoch aus der alten Lichtkraft der gewöhnlichen Natur geboren und zu erklären. Daher muss das ganze System dann auf die neue Lichtkraft abgestimmt werden, wenn der Mensch vollkommen zu dem Feld der neuen Lichtkraft gehören und darin leben will. Jeder Teil, jedes 289

Organ des Systems muss verändert werden. Diese Veränderung nennen wir in der Schule des Rosenkreuzes »Transfiguration«. Darum wird die Pistis Sophia, nachdem sie die andere Lichtkraft erfahren hat, auf den so notwendigen Prozess der Transfiguration, der totalen Wesensveränderung zurückgewiesen. Dieser Prozess besitzt dreizehn Ansichten, dreizehn Stadien, die primär beachtet werden müssen, damit diese Erneuerung zur Gewissheit wird. Wenn der Schüler sich dieses Pfades vollkommen bewusst ist und nach der großen Befreiung im neuen Lichtfeld dürstet, dann gleicht er der Pistis Sophia. Er wird dann, nachdem er immer wieder erneut die Lichtkraft Christi erfahren hat, auf seine große Aufgabe zurückgewiesen: Er muss die ihn behindernde magnetische Kette der gewöhnlichen Natur durchbrechen und vernichten, um die Wiedergeburt im Auferstehungsfeld feiern zu können. Der Autor der Pistis Sophia verlieh den unterschiedlichen Licht- und Naturkräften nach der Gewohnheit seiner Zeit Namen und Charakter. Er personifizierte sie. Auch in unseren Tagen werden von unzähligen Menschen immer noch diese Vorstellungsweisen der Alten benutzt. Das mag sehr romantisch und mystisch wirken und viele Gefühle befriedigen, aber in der gegenwärtigen Zeit ist damit eine Gefahr verbunden, denn die beiden Sphären unserer Naturordnung – die Stoffsphäre und die Spiegelsphäre – greifen augenblicklich stark ineinander. Die Schleier dazwischen sind sehr dünn. Eine zu sehr personifizierte Gefühlsvorstellung von den Lichtkräften des Alls könnte den Menschen allzu leicht mit den entkörperten Wesenheiten der Spiegelsphäre verbinden. Darum müssen Ihre Vorstellungen immer mehr von der personifizierenden Mystik befreit werden, da alle Personifizierungen im gegenwärtigen Seinszustand des Menschen immer mit dem Ichwesen verbunden sind und sich an das Ichwesen wenden. Auf diese Weise halten sie es, und damit auch die Lichtkraft der Geburt, instand und verstricken den Menschen in die vielfältigen Formen des Wahns. Er erschafft sich so ein ganzes Pantheon von Schemen und wird immer geopfert. Besser ist es, an die Elemente des universellen Lichtkraft- Systems zu denken, an die kosmischen Strahlungsgesetze, und mit dem einfachen System der fundamentalen Lichtstrahlungen vertraut zu werden, aus dem alle Geschöpfe leben. Nicht die Geschöpfe, also die Personifikationen, sind zuerst, sondern die Lichtkräfte. Auch hinter den ewig gewordenen Geschöpfen stehen universelle Lichtkräfte. Vor allem muss der Schüler sich daher auf die Lichtwirkungen selbst besinnen und von ihnen ausgehen. Dadurch ist er stets sicher und lebt immer in Übereinstimmung mit seinem Seinszustand. Dann erhält er von selbst Berührung mit den Gruppen der Geschöpfe, die mit seinem Seinszustand korrespondieren. Der Streit, den der Mensch zu führen hat, das Werk, das er ausführen muss, wendet sich nicht gegen »Fleisch und Blut«, sondern gegen die Strahlungen, die dem Pfad disharmonisch gegenüberstehen. Darum sagt Paulus: »Wir haben nicht mit Fleisch 290

und Blut zu kämpfen, sondern mit den bösen Geistern unter dem Himmel.« Dieser Feind ist immer Strahlung, also formlos und bestimmt nicht personifiziert. Diese »bösen Geister« bestehen aus einer Strahlungsart, die dem Strahlungsplan der Erneuerung entgegengesetzt ist. Sie ist daher nicht böse im Sinn der Schlechtigkeit oder Verdorbenheit, sie wirkt nicht teuflisch, sondern störend. Der Schüler auf dem Pfad, der sich wie die Pistis Sophia nach einem neuen Lebenszustand sehnt, verbindet sich durch sein natürliches Absorptionsvermögen mit einem anderen Strahlungsfeld. Von diesem Augenblick an stört sein altes Strahlungsfeld das neue. Damit muss dieser Mensch rechnen. Darauf muss er den Kern seiner Aktivität verlegen. Er muss Fleisch und Blut und allen Offenbarungen im alten Naturfeld streitlos gegenübertreten. Durch diese Streitlosigkeit kann er am besten gegen die störende Strahlung kämpfen, die der alten Natur zugrunde liegt und von ihr ausgeht. Die Universelle Lehre sagt, dass es sieben große fundamentale Strahlungsfelder gibt. Sie korrespondieren mit den sieben kosmischen Gebieten. Diese Gebiete oder Felder durchdringen und beeinflussen sich gegenseitig von oben nach unten: Das siebte oder unterste Feld beeinflusst sich selbst, kann aber keine Kraft im sechsten Gebiet wirken. Das sechste Feld hat keinen Einfluss auf das fünfte, kann sich jedoch im siebten zur Geltung bringen. Das fünfte Feld kann sich im sechsten und siebten offenbaren, aber nicht im vierten usw. Die absolute Vollkommenheit wird also im ersten kosmischen Gebiet erlangt, das in sich selbst ruht und sich außerdem in allen übrigen sechs Strahlungsfeldern offenbaren kann. Das siebte kosmische Gebiet ist das am meisten isolierte Feld der sieben Gebiete. Es ist völlig in sich selbst gefangen und an seine Gesetze gebunden. Es kann jedoch allein nur aus dem sechsten Feld leben. Die Lichtkräfte aus dem sechsten Gebiet wie auch aus den übrigen Gebieten müssen in das siebte Feld kommen, damit der Mensch überhaupt existieren kann und damit alle Lichtkräfte des siebten Gebietes leben können. Was geschieht also? Die Äonen, die Naturkräfte des siebten Gebietes, empfangen Lichtkräfte aus dem sechsten Gebiet, um das Leben und die Schöpfungen im siebten Gebiet zu ermöglichen. Personifiziert, romantisch und mythologisch dargestellt, rauben also die Lichtkräfte des siebten Gebietes fortwährend die Lichtkraft des sechsten Gebietes. Sie müssen es, um zu bestehen. Sie tun es mit Hilfe ihrer Schöpfungen und Geschöpfe, durch die Schöpfungen des Authades und die des Wesens mit dem Löwenkopf. Denn was ist der Fall? Da der Mensch sich in diesem Dasein nicht heimisch fühlt und viele eine große Sehnsucht besitzen, entwickeln sie zusammen eine enorme Lichtkraft-Strömung aus dem sechsten kosmischen Gebiet in das unsere. Das natürliche Absorptionsvermögen sichert diese Einströmung. Da der Mensch jedoch im siebten kosmischen Gebiet lebt und zu dessen Geschöpfen gehört, wird die neue Lichtkraft zu einer Vibration transmutiert, die der Art des siebten Gebietes entspricht. Sie wird dem magnetischen 291

Feld dieses Gebietes gleich und wird also zum Grundstoff des siebten Gebietes. Die Lichtkraft kommt daher nicht direkt zu dem sich danach sehnenden Menschen, sondern wird ihm geraubt, weil sie transmutiert wird, was ein selbstverständlicher und naturwissenschaftlicher Prozess ist. Der Sohn der höheren Lichtkräfte, mythologisch als Jesus Christus personifiziert, lebt also immer, opfert sich fortwährend, wird fortwährend gekreuzigt und stirbt so für uns alle in jeder Sekunde, um das gesamte siebte kosmische Gebiet mit Lebensund Strahlungskräften zu versorgen. Dabei formt dann die gesamte dialektische Menschheit die Judas-Ansicht. Jene aber, die den Pfad der Transfiguration gehen, müssen mit einer zweiten Ansicht vertraut werden. Die sich unaufhörlich opfernde Lichtkraft des sechsten Gebietes hat nämlich nicht nur die Aufgabe, die Existenz der Menschheit im siebten Gebiet zu sichern, sondern es liegt gleichzeitig ein Element der Erlösung darin, nämlich die Erhebung aus dem siebten Gebiet bis in das sechste Daseinsfeld. Wenn es dem Menschen, und vor allem dem Schüler, gelingt, die Lichtkraft, die er aus dem sechsten Gebiet empfängt, so in sich zu bewahren, dass sie rein bleibt, dann wird diese Kraft nicht seinem Daseinsgebiet gleich. Im Gegenteil, dadurch werden die Kräfte seines Daseinsfeldes zu Dienern dieses anderen Lichtes. Dann muss sich selbstverständlich alles (auch das Wesen dieses Menschen) völlig der Art und Vibration des sechsten Gebietes fügen. Der Mensch, der dazu fähig ist, kann auf diese Weise ein Geschöpf des sechsten Gebietes werden. Er wird also erneut geboren. Er wird ein Zweimal-Geborener. Er kommt zur Auferstehung in einem total neuen Lebensfeld. So gesehen ist die Transfiguration eine naturwissenschaftliche Selbstverständlichkeit. Wenn ein Schüler die Lichtkräfte Christi auf neue Weise festhält und auf neue, nicht banale Weise anwendet, steht er mit Christus auf, so wie der unbewusste Mensch, der auf die alte Weise lebt, den Christus in sich verrät, kreuzigt und tötet ohne jeden befreienden Aspekt. Jeder Mensch empfängt die universelle Lichtkraft und wird daher durch den Geist Gottes entflammt. Jeder Mensch geht in Jesus dem Herrn unter. Aber lange nicht jeder wird durch diesen Untergang Christi durch den Heiligen Geist wiedergeboren, obwohl jeder es ganz entschieden könnte. Es geht nur darum, dass der Mensch sich dessen bewusst wird, dass er Lichtkraft besitzt und diese Lichtkraft wie eine wahre Pistis Sophia auf neue Weise anwenden muss. Alle besitzen die Kraft, alle erhalten die Macht, wieder Kinder Gottes zu werden, das heißt, als neue Geschöpfe in das sechste kosmische Gebiet einzutreten. Es wird also von diesem bewussten Menschen ein völlig neues Handlungsleben erwartet. Es wird von ihm erwartet, eine Kraft, die er bereits in seinem ganzen Leben empfangen hat, auf neue Weise und für neue Ziele zu gebrauchen. Das können Sie doch ausführen? Nun, dann beginnen Sie damit, Kandidaten auf dem Pfad! 292

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Als Jesus diese Worte zu seinen Jüngern gesagt hatte, sprach Er: »Wer unter euch klaren Geistes ist, möge die Bedeutung dieser Worte erklären.« Da trat Jakobus vor, küsste die Brust Jesu und sprach: »Herr, Dein Geist hat mich erleuchtet, und ich bin bereit, die Bedeutung zu erklären. Denn diesbezüglich hat Deine Kraft einst durch David im 35. Psalm prophezeit, als er, vergleichbar mit dem neunten Reuegesang der Pistis Sophia, sagte: Streite, o Herr, gegen jene, die gegen mich streiten. Bekämpfe, die mich bekämpfen. Ergreife Waffen und Schild! Zu meiner Hilfe erhebe Dich! Ziehe das Schwert gegen meine Verfolger. Sage zu meiner Seele: Ich bin Deine Erlösung. Sollen schamrot und zuschanden werden, die nach meiner Seele suchen. Mögen beschämt zurückweichen, die Unheil gegen mich ersinnen. Lass sie wie Spreu vor dem Wind werden und der Engel des Herrn sie verfolgen. Ihr Weg sei finster und schlüpfrig. Und der Engel des Herrn stoße sie nieder. Denn grundlos haben sie mir heimlich eine Schlinge gelegt, die zu ihrem eigenen Verderben sein wird. Und grundlos haben sie meine Seele verleumdet. Möge das Verderben, das sie nicht kennen, über sie kommen, und das Netz, das sie mir heimlich stellten, sie selbst fangen. Meine Seele aber wird jubeln in dem Herrn und jauchzen über ihre Erlösung. All mein Gebein wird sagen: Herr, wer ist Dir gleich? Du rettest den Unterdrückten aus der Hand des Stärkeren, den Elenden und Bedürftigen aus der Hand dessen, der ihn beraubt. Falsche Zeugen sind aufgestanden; sie erfragten von mir, was ich nicht weiß. Sie vergalten mir das Gute mit dem Bösen und beraubten meine Seele. Ich kleidete mich in Sackleinen, als sie mich angriffen. Ich demütigte meine Seele mit Fasten. Und mein Gebet kehrte sich in meine Brust zurück. Als gelte es einem Nachbarn oder Bruder, so war ich ihnen gesinnt. Und ich demütigte mich wie einer, der trauert und den Kummer traf. Sie haben über mich frohlockt und sind zuschanden geworden. Streitlustig versammelten sie sich gegen mich, ohne dass ich es wusste. Sie wurden getrennt, aber in Aufregung gebracht. Sie haben mich verführt, mich zähneknirschend verspottet mit ihren Gehässigkeiten. Herr, wann wirst Du auf mich niederblicken? Erlöse doch meine Seele von ihren Bosheiten; rette meine einsame Seele vor dem Löwen. Dich will ich, o Herr, in Deiner großen Ekklesia loben, und mitten in einer Schar Unzähliger will ich Dich preisen. 293

Dulde nicht, dass jene, die ohne Grund meine Feinde sind, über mich frohlocken, und jene, die mich grundlos hassen, mit den Augen zwinkern. Denn sie sprechen zu mir mit friedlichen Worten, aber in Wirklichkeit planen sie listige Bosheiten. Sie reißen ihr Maul weit auf wider mich und sprechen: »Ha, wir haben es mit eigenen Augen gesehen.« Du hast es gesehen, o Herr, schweige nicht. O Herr, bleibe nicht ferne von mir. Erwache, o Herr, und wache über mein Recht und meine Rache, mein Gott und Herr. Richte mich, o Herr, nach dem Maß Deiner Gerechtigkeit. Dulde nicht, dass sie über mich frohlocken, mein Gott. Lass sie nicht in ihrem Herzen sprechen: »Ha! Unser Verlangen.« Lass sie nicht sagen: »Wir haben sie verschlungen.« Lass sie, die sich über mein Unglück freuen, beschämt und zuschanden werden. Lass jene, die gegen mich prahlen, mit Schande und Schmach bedeckt werden. Lass jene, die meine Rechtfertigung begehren, jubeln und sich freuen. Und lass jene, die Frieden wünschen für den Dienstknecht des Herrn, aussprechen: »Groß und erhaben sei der Herr!« Dann wird meine Zunge Deine Gerechtigkeit und Dein Lob verkünden den ganzen Tag.«

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Pistis Sophia, Abschnitt 51 Kapitel 52

Jakobus, der Mensch, der die Gnosis besitzt In diesem Kapitel wollen wir uns in Kapitel 51 des Evangeliums der Pistis Sophia vertiefen. Es ist jedoch notwendig, vorher noch einmal zusammenzufassen, was wir bisher behandelt haben. Dazu müssen Sie sich fragen: »Was ist das Wesentliche der Gnosis? Was ist das Wesentliche ihres Zieles und ihrer Methode?« Das Wesentliche der Gnosis ist Folgendes: Einerseits geht sie davon aus, dass die All-Offenbarung sich durch eine Vielheit von Lichtstrahlungen verwirklicht, und andererseits vertraut sie auf die Tatsache, dass der Mensch ein lichtempfängliches Wesen ist. Mit der Andeutung »Licht«, die wir aus der Gnosis und der Bibel kennen, ist eine Vielfalt elektromagnetischer und radioaktiver Strahlungen, Strömungen und Fel-

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der gemeint, die allgegenwärtig sind, wie jeder moderne Mensch weiß, und die der Instandhaltung des Menschen und alles erschaffenen Lebens dienen. Darum bleibt der Gnostiker nicht stehen beim erwägenden, bespiegelnden und stets nur suchenden Denken über den Ursprung aller Erscheinungen und Entwicklungen, sondern er richtet sich auf das aktuelle, absolute Jetzt des Lichtes in seiner ganzen Ausbreitung. Das Licht ist für ihn der Sohn der unkennbaren Gottheit, der Erklärer, der Offenbarer und auch die Liebe selbst, die sich opfert und gefangen gibt. Darauf bezieht sich das gesamte Christus-Epos. Der Gnostiker verweilt nicht bei einer historischen Erscheinung. Es kümmert ihn nicht, wenn Menschen und Gruppen stets darüber diskutieren und sich fragen, auf welche Weise sich die historischen Erscheinungen vollzogen haben. Denn der Sohn des Logos ist für ihn schon lange zurückgekehrt. Arm ist der Mensch, für den der Sohn durch eine gedruckte Schrift sprechen muss. Und bettelarm ist der Mensch, der nur den Inhalt seines Bücherschrankes besitzt und daraus lebt. Das Leben des Menschen in all seinen Auf- und Niedergängen ist allein aus den Lichtkräften zu erklären, die sich in diesem Moment um ihn bemühen. Seine Schwierigkeiten entstehen nicht in erster Linie aus seinem Verhältnis zu seinen Mitmenschen, zur Gesellschaft oder zum Leben im allgemeinen. Sie sind ausschließlich die Folge eines Einflusses, den eine bestimmte Gruppe elektromagnetischer, radioaktiver Strahlungen, Strömungen und Felder auf ihn ausübt. Daraus sind seine Situationen und Abenteuer zu erklären. Wenn seine Lichtverbindungen auf einer höheren Ebene lägen, so entdeckt der Gnostiker, würden all seine augenblicklichen Begrenzungen wegfallen. Er würde dem Spannungsfeld, aus dem alle dialektischen Erscheinungen zu erklären sind, entsteigen und gleichsam in eine neue Welt eintreten. Wie durch eine Tür würde er in ein ganz neues Spannungsfeld gehen. Der Eintritt durch diese Tür bedeutet für den Gnostiker das Finden des Christus. Das Suchen dieser Tür, dieser neuen Lichtpforte kann und darf jedoch niemals nur ein mystisches Streben und Reden sein. Mit seinem naturmystischen Verhalten bleibt der Mensch stets derselbe, der er immer gewesen ist. Nein, das Suchen nach der einen Tür in dem Sinn, dass man in einer anderen, nicht-dialektischen Lichtwirklichkeit aufgehen will, bedeutet, sich täglich auszurichten auf einen Pfad, den man gehen muss, sich ihm dynamisch zu weihen, ihn wirklich zu gehen. Ziel und Methode der Gnosis sprechen in diesem Zusammenhang eine deutliche Sprache. Das Wesentliche der Gnosis ist das Licht, so erklärten wir. Das Licht ist der Sohn der ewigen Gottheit. Das Licht ist der Vermittler eines neuen Bundes. Das magnetische Licht ist für uns der Heiland. Da der Mensch ein lichtempfängliches Wesen ist und er durch sein natürliches Absorptionsvermögen von dreizehnfacher Art die Anwesenheit des Lichtes erkennt, fühlt er sich im Lichtfeld der Todesnatur unglücklich und nicht heimisch. Durch 295

den Schmerz der Zeiträumlichkeit gegeißelt, im Bewusstsein dieser Armut und des Elends unserer steinharten Wirklichkeit gerät er in einen neuen Zustand des Verlangens. Diese Sehnsucht ist eine Bitte, ein Schrei der Seele nach neuem, anderem Licht, das Suchen nach der einen Tür zum höheren Lichtfeld. Und durch sein biologisches Absorptionsvermögen wird dieser Mensch den Ruf, die Handreichung dieses höheren Lichtfeldes erfahren. Ja, ehe er sich seiner Sehnsucht bewusst wird, hat das Licht ihn bereits gerufen. Von einem höheren Lichtfeld gerufen zu werden, weil der Mensch durch sein natürliches Absorptionsvermögen dieses Licht anzog, bedeutet aber noch nicht, in diesem höheren Lichtfeld zu leben. Dazu muss der Mensch einen Weg gehen, einen Weg der Abkehr von der alten Natur und einen Weg der Hinwendung zur neuen Natur. Das ist ein Prozess der Transmutation. Diese Transmutation ist die primäre Offenbarung und Verwirklichung des heiligenden, heilenden Geistes, des wiedergebärenden Geistes des neuen Lichtfeldes. Auf diesem Weg zu stehen, ist die absolute Forderung. Das muss der Mensch jeden Tag durch das tägliche Sterben seiner alten Natur nach und das tägliche Neu-geboren-Werden seiner neuen Natur nach beweisen. Wer das nicht unternimmt, nicht durchsetzt, gehört nicht in eine gnostische Geistesschule. So einer ist entweder zufällig oder durch familiäre Bindungen in diese Schule geraten. Ein solcher Mensch kennt die Sehnsucht, den Schrei der Seele noch nicht. Er ist daher noch kein vom Licht Gerufener, kein Gezeichneter, kein Prädisponierter. Wer das Licht sucht, wird es finden und muss mit diesem Licht und in diesem Licht wandeln, damit er durch das Licht verändert wird. Durch diese gnostische Ausrichtung mit allen Konsequenzen und Erfahrungen wird der Mensch wahrlich zu einer Pistis Sophia, in der alle Ichausrichtung und aller Wahn sowie jede SpiegelsphärenHalluzination ausgebrannt sind. Denn die Gnosis fordert eine konsequente, streng durchgeführte Ausrichtung auf das Licht, ausschließlichen Gehorsam gegenüber dem Aufgang in das Licht und stellt daher jeden Menschen und jede Erscheinung in der Schöpfung in den Hintergrund. Die Gnosis wünscht weder Anbetung noch Verehrung von Göttern und Menschen. Sie will keine einzige Wesenheit zwischen das Licht und den Menschen stellen, der das Licht sucht, wenn auch viele Entitäten zweifellos Ihre Verehrung und Dankbarkeit verdienen. Aber Sie müssen diese Verehrung und Dankbarkeit dann durch das Gehen des Pfades zeigen. Da ist das Licht, und da sind Sie. Dazwischen steht niemand. Und die Diener des Lichtes werden sich niemals in den Vordergrund stellen oder etwas von dem Kandidaten fordern. Sie strahlen nur das Licht aus, soweit es in ihnen frei werden kann. Dann können sie ihren Mitmenschen mit dem Licht dienen, damit zwischen ihnen und dem Licht nichts ist, das sie hindern könnte, den Pfad zu gehen. Sie entwickeln den einfachen Weg für die sich Sehnenden. Aber keiner von ihnen wird zu seinen Mitmenschen sagen: »Blicke auf mich!« Das Licht scheint für alle, und 296

zwar absolut unpersönlich. Wer das Licht sucht und es in Tat und Wahrheit beantwortet, in dem wird das Licht frei. Und das bedeutet, aller Dialektik nach zu sterben. Auf der Basis dieses Wissens wollen wir uns nun dem Kapitel 51 der Pistis Sophia zuwenden. Am Beginn dieses Kapitels wird Jakobus erwähnt, der die Bedeutung des neunten Reuegesanges der Pistis Sophia erklärt. Im gnostischen Sinn ist dieser Jakobus der Mensch, der alles versteht, was wir behandelt haben, und zwar nicht in intellektuellem Sinn – dann wäre sein Verständnis nur ein philosophisches Erfassen –, sondern im gnostischen Sinn. Er ist der Mensch, der den Platz gewechselt hat, der auf einem anderen Platz steht, der eine andere Lebenschance erwählt hat. Er hat das Lichtfeld der Dialektik als Lebensbasis verlassen, hat sich davon verabschiedet und nun eine andere Lebensbasis betreten. Der Mensch, der auf diese Weise alles versteht, wird unter allen Lebensumständen von den beiden Lichtfeldern, die sich in ihm manifestieren, stets das richtige wählen und so auf der neuen Basis stehen. Er wird jeden Augenblick das Heil, die heilende Wirkung, die davon ausgeht, bis in das Körperliche hinein erfahren. Hören Sie daher auf mit Ihrem gewöhnlichen mystischen oder intellektuellen Verständnis. Es ist für die Gnosis nicht geeignet. Werden Sie in diesem Punkt ein Jakobus, dann können Sie vor dem Angesicht aller Unsichtbaren, Götter und Archonten, die sich im dreizehnten Äon – das ist die mikrokosmische Pforte der Befreiung – und im zwölften Äon – das ist der Tiefpunkt des Selbstopfers im Bekennen des gnostischen Schülertums – aufhalten, am schnellsten in das Königreich der Himmel eintreten. Wer das versteht, nicht mystisch oder intellektuell, sondern gnostisch und tatsächlich, hat für sich selbst die Pforte zum neuen Lichtreich geöffnet. Gleichzeitig hat er das große Selbstopfer vollbracht, mit dessen Hilfe auch viele andere die Mysterien der Befreiung empfangen werden.

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