MVT_e_6

May 3, 2018 | Author: yogolain | Category: Chemical Bond, Electric Charge, Covalent Bond, Hydrogen Bond, Adhesion
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Descripción: rtddj kzutg khu...

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360 6

Transport und Lagerung Lagerung von Partikelsystemen Partikelsystemen .................................. ..................................361 6.1 Molekulare Wechselwirkungen Wechselwirkungen und Partikelhaftkräfte ..............361 6.1.1 Bindung durch Adhäsionskräfte Adhäsionskräfte zwischen den Partikeln ...362 6.1.1.1 Bindungsarten Bindungsarten ......................................... ............................................................... ..........................362 6.1.1.2 Adhäsionskräfte Adhäsionskräfte .......................................... .............................................................. ....................363 6.1.1.2.1 Wasserstoffbrückenbindunge Wasserstoffbrückenbindungen................. n.................................. .................363 6.1.1.2.2 Van-der-Waals-Kräfte Van-der-Waals-Kräfte ............................................ ................................................363 6.1.1.2.3 Mikromechanische Mikromechan ische Bewertung des Haftvermögens .368 6.1.1.2.4 elektrostatische Kräfte ............................................ ................................................369 6.1.1.2.5 Vergleich der Adhäsionskräfte Adhäsionskräfte ................................. .................................371 6.1.1.2.6 Oberflächenrauhigkeit Oberflächenrauhigkeit und Van-der-Waals-Kräfte Van-der-Waals-Kräfte...371 6.1.1.2.7 Haftkraftminimum beschichteter beschichteter Partikel Partikel.................373 6.1.1.2.8 Zugabemenge Zugabemenge an Nanopartikel Nanopartikel ................................. .................................374 6.1.1.2.9 Rauhigkeitseinfluß Rauhigkeitseinfluß auf die Adhäsionskräfte Adhäsionskräfte.............378 6.1.1.3 Mikromechanik der Kontaktverformung Kontaktverformung und Haftkraftverstärkung ......................................... ............................................................... ....................................... .................378 6.1.1.4 Einfluss von Adsorptionsschichten................ Adsorptionsschichten................................. .................383 6.1.1.5 Modellierung der Schüttgut- bzw. Agglomeratfestigkeit385 Agglomeratfestigkeit385 6.1.2 Bindung mit Hilfe benetzender benetzender Flüssigkeiten ...................387 6.1.2.1 Bindung durch Flüssigkeiten niedriger Viskosität..........387 6.1.2.1.1 Kapillarkraftmodell......................................... ................................................... ..........387 6.1.2.1.2 Zerreißarbeit Zerreißarbeit einer Flüssigkeitsbrücke Flüssigkeitsbrücke...................... ......................390 6.1.2.1.3 Viskose Bindekraft ......................................... ................................................... ..........391 6.1.2.1.4 Einaxiale Zugfestigkeit Zugfestigkeit ........................................... ...............................................393 6.1.2.2 Flüssigkeitsbindung Flüssigkeitsbindung in Partikelpackungen Partikelpackungen .....................393 6.1.2.3 Bindung durch Flüssigkeiten hoher Viskosität ...............395 6.1.3 Bindung durch Festkörperbrücken Festkörperbrücken...................................... ......................................396 6.1.3.1 Kristallisationsbrücken ......................................... ................................................... ..........396 6.1.3.2 chemische Brückenbindungen Brückenbindungen ........................................ ........................................398 6.1.3.3 Sinterbrücken .......................................... ................................................................ ..........................399 6.1.4 Formschlüssige Formschlüssige Bindungen........................................... ................................................. ......402 6.2 Spannungszustand Spannungszustand und Fließverhalten von Schüttgütern ...........403 6.2.1 Ruhedruckbeiwert Ruhedruckbeiwert .......................................... ............................................................... .....................403 6.2.2 Herleitung des MOHRschen Spannungskreises Spannungskreises .................404 6.2.3 Bruchhypothesen Bruchhypothesen und Fließkriterien................................... ...................................405 6.2.4 Fließkennwerte Fließkennwerte von Schüttgütern ....................................... .......................................412 6.2.4.1 Fließfunktion................................ Fließfunktion...................................................... ................................... .............412 6.2.4.2 Kompressionsfunktion Kompressionsfunktion .......................................... .................................................... ..........413 6.2.5 Messung der Fließeigenschaften Fließeigenschaften von Schüttgütern ............415 6.3 Lagerung Lagerung von Schüttgütern............................................ ......................................................... .............417 6.3.1 Verfahrenstechnische Verfahrenstechnische Probleme mit Silos und Bunkern ....417

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361 6.3.2 Auslegung von Silos und Bunker ....................................... ....................................... 417 6.3.2.1 Auslegungsschritte Auslegungsschritte einer Speicheranlage Speicheranlage ....................... ....................... 417 6.3.2.2 Auslegung eines Massenflusstrichters Massenflusstrichters............................ ............................ 418 6.3.2.3 Auslegung eines Kernflusstrichters ................................ ................................ 421 6.3.2.4 Austraggeräte Austraggeräte und Austraghilfen.................................... .................................... 421 6.4 Verweilzeitverhalten bei stationärem Partikeltransport ............. 423 6.4.1 Verweilzeitverteilungsfunktion Verweilzeitverteilungsfunktion und –verteilungsdichte –verteilungsdichte .... 423 6.4.2 Charakteristische Prozessmodelle des Verweilzeitverhaltens425 Verweilzeitverhaltens425 6.4.3 Lösung der zweiten KOLMOGOROFF-Differenti KOLMOGOROFF-Di fferentialgleichung algleichung ............................................ .................................................................. ............................................ .......................... .... 428 6.5 Schwerpunkte und Kompetenzen........................................... ............................................... .... 431

6 Transport Transport und Lagerung Lagerung von von Partikelsystemen Partikelsystemen

Gliederung: • Besonderheit Besonderheit der der Schüttgutlageru Schüttgutlagerung ng in Behältern: Behältern: • Schüttgutmengen: Schüttgutmengen: • Übersicht über Eigenschaftsfunktionen: Eigenschaftsfunktionen: • Modellhierarchie - multiskalige Modelle: 6.1 6.1

Folie 6.1 Folie 6.2 Folie 6.3 Folie 6.4 Folie 6.5

Molekulare Wechselw Wechselw irk ungen und Parti Parti kelhaftk räfte

Die Wechselwirkungen in dispersen Stoffsystemen spielen für eine Reihe verfahrenstechnischer Prozesse eine sehr wichtige Rolle und sind dann auch Gegenstand einer Prozessführung. Sie lassen sich mikroskopisch mit den Wechselwirkungspaar-Potentialen zwischen Atomen, Ionen sowie Molekülen und mit den daraus resultierenden Potentialkräften hinreichend genau beschreiben beschreiben ( Folie 6.6). Zwischen benachbarten benachbarten Partikeln bzw. zwischen Partikeln und Dispersionsmittel wirken immer VAN-DER-WAALS-Kräfte (Folie 6.7). Hinzu können elektrostatische Kräfte und noch andere Wechselwirkungen kommen (Kapillarkräfte, magnetische Kräfte u.a.). Die Wechselwirkungen zwischen festdispersen Partikeln sind für die Agglomeration (Pelletieren, Brikettieren, Tablettieren u.a.) sowie für deren Flockung bzw. Dispergierung in Suspensionen wesentlich. Unter Koaleszenz versteht man das vollständige Vereinigen von fluiddispersen Partikeln (Tropfen, Blasen) in einem Fluid nach erfolgter Annäherung. Die Flüssigkeitsbindungen einem körnigen Gut werden ebenfalls durch die im System vorhandenen Wechselwirkungen bestimmt. Ähnliches gilt für das Fließverhalten von Schüttgütern. Im Folgenden werden einige wichtige Wechselwirkungen für festdisperse Systeme besprochen. Es lassen sich folgende Bindungen zwischen Feststoffpartikeln abgrenzen (Folie 6.8): MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

361 6.3.2 Auslegung von Silos und Bunker ....................................... ....................................... 417 6.3.2.1 Auslegungsschritte Auslegungsschritte einer Speicheranlage Speicheranlage ....................... ....................... 417 6.3.2.2 Auslegung eines Massenflusstrichters Massenflusstrichters............................ ............................ 418 6.3.2.3 Auslegung eines Kernflusstrichters ................................ ................................ 421 6.3.2.4 Austraggeräte Austraggeräte und Austraghilfen.................................... .................................... 421 6.4 Verweilzeitverhalten bei stationärem Partikeltransport ............. 423 6.4.1 Verweilzeitverteilungsfunktion Verweilzeitverteilungsfunktion und –verteilungsdichte –verteilungsdichte .... 423 6.4.2 Charakteristische Prozessmodelle des Verweilzeitverhaltens425 Verweilzeitverhaltens425 6.4.3 Lösung der zweiten KOLMOGOROFF-Differenti KOLMOGOROFF-Di fferentialgleichung algleichung ............................................ .................................................................. ............................................ .......................... .... 428 6.5 Schwerpunkte und Kompetenzen........................................... ............................................... .... 431

6 Transport Transport und Lagerung Lagerung von von Partikelsystemen Partikelsystemen

Gliederung: • Besonderheit Besonderheit der der Schüttgutlageru Schüttgutlagerung ng in Behältern: Behältern: • Schüttgutmengen: Schüttgutmengen: • Übersicht über Eigenschaftsfunktionen: Eigenschaftsfunktionen: • Modellhierarchie - multiskalige Modelle: 6.1 6.1

Folie 6.1 Folie 6.2 Folie 6.3 Folie 6.4 Folie 6.5

Molekulare Wechselw Wechselw irk ungen und Parti Parti kelhaftk räfte

Die Wechselwirkungen in dispersen Stoffsystemen spielen für eine Reihe verfahrenstechnischer Prozesse eine sehr wichtige Rolle und sind dann auch Gegenstand einer Prozessführung. Sie lassen sich mikroskopisch mit den Wechselwirkungspaar-Potentialen zwischen Atomen, Ionen sowie Molekülen und mit den daraus resultierenden Potentialkräften hinreichend genau beschreiben beschreiben ( Folie 6.6). Zwischen benachbarten benachbarten Partikeln bzw. zwischen Partikeln und Dispersionsmittel wirken immer VAN-DER-WAALS-Kräfte (Folie 6.7). Hinzu können elektrostatische Kräfte und noch andere Wechselwirkungen kommen (Kapillarkräfte, magnetische Kräfte u.a.). Die Wechselwirkungen zwischen festdispersen Partikeln sind für die Agglomeration (Pelletieren, Brikettieren, Tablettieren u.a.) sowie für deren Flockung bzw. Dispergierung in Suspensionen wesentlich. Unter Koaleszenz versteht man das vollständige Vereinigen von fluiddispersen Partikeln (Tropfen, Blasen) in einem Fluid nach erfolgter Annäherung. Die Flüssigkeitsbindungen einem körnigen Gut werden ebenfalls durch die im System vorhandenen Wechselwirkungen bestimmt. Ähnliches gilt für das Fließverhalten von Schüttgütern. Im Folgenden werden einige wichtige Wechselwirkungen für festdisperse Systeme besprochen. Es lassen sich folgende Bindungen zwischen Feststoffpartikeln abgrenzen (Folie 6.8): MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

362 a) Bindung durch Adhäsionskräfte unmittelbar zwischen den Partikeln,  b) Bindung mit Hilfe benetzender benetzender Flüssigkeiten niedriger niedriger Viskosität, c) Bindung durch hochviskose Bindemittel, d) Bindung durch Festkörperbrücken, Festkörperbrücken, e) formschlüssige Bindung.

6.1.1 Bindung durch Adhäsionskräfte zwischen den Partikeln 6.1.1.1 Bindungsarten chemischer Bindungsaktivität der Stoffe Ganz allgemein kann man bezüglich chemischer unterscheiden unterscheiden zwischen (siehe Hütte (1991), S. B 153): - chemisch inaktiv (Edelgase): Atome mit voll gefüllter äußerer Elektronenschale, hohe Energie (Ionisierungsenergie) notwendig zum Abtrennen von Valenzelektronen (8. Hauptgruppe: Hauptgruppe: He, Ne, Ar, Kr) - chemisch aktiv: Atome, die 1 oder 2 Elektronen in der äußeren Schale enthalten und sich bei Elektronenabgabe zu positiv geladenen Kationen umwandeln (1. Hauptgruppe: Li, Na, K; 2. Hauptgruppe: Mg, Ca) oder denen sie fehlen und sich  bei Elektronenaufnahme Elektronenaufnahme zu negativ geladenen geladenen Anionen umwandeln (6. Hauptgruppe: Hauptgruppe: O, S; 7. Hauptgruppe: F, Cl, B). Wenn man nun einen Festkörper unter Höchstvakuum zerbrechen würde und anschließend die Bruchstücke wieder exakt zusammenfügen könnte, so würden erneut dieselben Bindekräfte wirksam, die die Kohäsion in Festkörpern bestimmen (= chemische Bindungen ). Sobald sich aber auf den Bruchflächen Adsorptionsschichten gebildet haben - und dies geschieht in einer Gasatmosphäre oder in einer Flüssigkeit sofort - werden diese starken Hauptvalenzbindungen - homöopolare (= kovalente Bindung) : Bildung gemeinsamer Elektronenpaare Elektronenpaare der Partner, Überlappung von Atomorbitalen (Molekülorbitalmodelle), gerichtet mit räumlicher Vorzugsrichtung, z.B. Hartstoffe (Karbide, Nitride), Atomkristalle: nichtmetallische Kristalle aus einer einzigen Atomsorte, z.B. Diamant, Si, P, As, S - heteropolare (= Ionenbindung): Valenzelektronen werden von einem Atom abgegeben und vom anderen aufgenommen, aufgenommen, ungerichtete elektrostatische (COULOMB-) Anziehungskraft Anziehungskraft zwischen Anion (- geladen) und Kation (+ geladen) in einem Ionengitter (= Ionenkristall), Ionenkristalle bestehen aus mindestens 2 Atomsorten, insbesondere mit Metallionen, z.B. Salze, NaCl, CaF 2, Oxidkeramik, MgO, Minerale und „Elektronengas-Modell“): - metallische Bindungen (= „Elektronengas-Modell“) MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

363 frei bewegliche Valenzelektronen im Kristallgitter aus Metallkationen, Kristallorbitalmodell, ungerichtet mehr oder weniger vollständig abgesättigt. Sie scheiden deshalb als Adhäsionskräfte zwischen Partikeln weitgehend aus. Folglich werden damit sog. schwache Nebenvalenzbindungen zwischen den Atomen, Ionen oder Molekülen der kontaktierenden Partikeln wirksam:  Wasserstoffbrückenbindungen  VAN-DER-WAALS-Kräfte und  elektrostatische Kräfte

6.1.1.2 Adhäsionskräfte 6.1.1.2.1 Wasserstoffbrückenbindungen Gerichtete Bindungsbrücke zwischen einem elektronegativen Atom (z.B. O, N, F, Cl), an das der Wasserstoff kovalent gebunden ist, und einem ebenfalls elektronegativen Atom eines Nachbarmoleküls, an das es mehr oder weniger  physikalisch gebunden ist, und zwar aufgrund seiner Tendenz zu positiver Polarisation H+  und seines geringen Durchmessers d H = 0,22 nm, schlüpft es als Brücke in die Gitterzwischenräume O - H--O. Der Atomkernabstand der H--O Bindung ist mit a = 0,176 nm größer als der einer intensiveren kovalenten O - H Bindung  mit a = r O + r H = (0,066 + 0,03) nm = 0,096 nm ≈ 0,1 nm , aber kleiner als der Abstand gebildet durch die beiden Atomradien von a = r O + r H = 0,15 nm + 0,11 nm = 0,26nm einer schwächeren VAN-DER-WAALS-Bindung. Wasserstoffbrückenbindungen  treten zwischen -OH, -NH 2  oder ähnlichen Gruppen in den Partikeloberflächen bzw. in den adsorbierten Hydrathüllen der Oberflächen auf. Bei wasserstoffhaltigen Stoffen sind sie neben den VANDER-WAALS-Bindungen auch am Zusammenhalt des Molekülverbandes beteiligt. Sie sind für Struktur und Eigenschaften beispielsweise des flüssigen und festen Wassers, der Tonminerale oder Proteine von wesentlicher Bedeutung.

6.1.1.2.2 Van-der-Waals-Kräfte VAN-DER-WAALS-Kräfte sind immer vorhanden, wenn Atome bzw. Moleküle aufeinander wirken. Sie ergeben sich aufgrund der elektrischen Dipolmomente von Atomen und Molekülen. Sie werden durch: - Orientierungskräfte  = Anziehung zwischen permanenten elektrischen Dipolen, bei polaren Molekülen (z.B. HCl, H2O, NH3) und zwischen Ionen und permanenten elektrischen Dipolen,

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364 - Induktionskräfte = Anziehung zwischen permanenten Dipolen oder Ionen und induzierten Dipolen  bei symmetrischen Molekülen ohne permanentem Dipolmoment (z.B. CO2, CH4), - Dispersionskräfte = Anziehung zwischen ursprünglich unpolaren  aber infolge der Elektronenbewegung (Elektronenresonanz ausgelöst durch Lichtabsorption im UV-Wellenlängenbereich λ ≈ 100 nm bzw. νe ≈ 3,0 ⋅1015 Hz; vergleiche Frequenzbereich des sichtbaren Lichtes ν  = (3,8...7,7)⋅1014  Hz, Wellenlängen λ  = 790...390 nm) in den Bindungsorbitalen dann folgende induzierte elektrische Dipole zwischen Atomen und bei unpolaren Molekülen, z.B. Kohlenwasserstoffe, verursacht. Falls solche nicht permanent oder induziert vorliegen, so existieren sie doch kurzzeitig, weil Atome und Moleküle elektrische Systeme mit bewegten Ladungen, also elektrische Oszillatoren mit bewegten Ladungsschwerpunkten (Dispersion), darstellen. Van-der-Waals-Kristalle: z.B. feste Edelgase bei sehr tiefen Temperaturen, Molekülgitterkristalle wie fester Wasserstoff oder alle Kristalle organischer Verbindungen. Wenn man zwei größere, harte Körper mit ebenen, aber rauhen Oberflächenteilen aufeinander legt, so wird man beim anschließenden Abheben eines Körpers die Adhäsionskraft (= Oberflächenkraft) im Vergleich zur Gewichtskraft (= Volumenkraft) überhaupt nicht bemerken. Mit abnehmender Größe eines Adhäsionspartners wächst jedoch für ihn das Verhältnis FH FG

=

π / 2 ⋅ d ⋅ WA ,ss 1 ∝ 2, mP ⋅ g d 

(6.1)

so dass z.B. das Haften feinster Partikeln an senkrechten oder überhängenden Wänden oder die Agglomeration feinster Partikeln zu beobachten sind, siehe dazu auch im Abschnitt 6.1.1.2.3 die Tabelle 6.2. W A,ss ist im Sinne einer charakteristischen Stoffkonstanten die flächenbezogene Wechselwirkungsarbeit (= Adhäsionsarbeit, siehe Gl.(6.2)) zweier kontaktierender ebener Oberflächen des betrachteten Stoffsystems, die notwendig ist, um sie auf einen unendlichen Abstand a → ∞ zu entfernen. Andererseits sind diese Kraftwirkungen deutliche erkennbar, wenn man Körper mit ebenen und glatten Oberflächen aufeinander legt. Dies veranschaulicht die Tatsache, dass die Adhäsionskräfte F H  von der Anzahl der wechselwirkenden Kontaktstellen abhängen. Letztere werden zunächst von der Größe der Haftflächen der Adhäsionspartner und weiter entscheidend von der Oberflächenrauhigkeit mitbestimmt. Die Kontakte zwischen den Partnern kann man verbessern, indem man sie mit einer Normalkraft aneinander presst (siehe auch Gl.(6.55)). Dies wirkt sich für die Haftung umso stärker aus, je leichter verformbar  diese sind. Für diese MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

365

Haftverstärkung ist nur die inelastische Verformung wesentlich, weil sie nicht den Aufbau größerer innerer Spannungen zur Folge hat. Jedoch vollziehen sich Verformungen (elastisch oder inelastisch) auch unter der Wirkung der Adhäsionskräfte selbst, wodurch sich aus dem zunächst punktförmigen Anfangskontakt eine Kontaktfläche entwickelt. Aus dem Vorstehenden werden auch die großen Schwierigkeiten deutlich, die einer theoretischen Berechnung der Adhäsionskräfte entgegenstehen, weil diese nicht nur von  Größe und Abstand der Adhäsionspartner , sondern auch von  der Partikelform (einschließlich Oberflächenrauhigkeit),  der Verformbarkeit (Oberflächenhärte) oder Steifigkeit der Kontakte,  den Adsorptionsschichten mitbestimmt werden. Infolgedessen können die zu behandelnden vereinfachten Modelle keine zuverlässigen Angaben über deren absolute Größe liefern, weil diese schwierig erfassbaren Einflüsse die Haftkräfte für den Realfall über Größenordnungen hinweg modifizieren können. Zunächst geht es darum, auf der Grundlage des physikalischen Charakters dieser Wechselwirkungen die Kräfte zu bestimmen, mit denen Körper einfacher geometrischer Formen und ideal glatter Oberfläche aufeinander wirken. Dies geschieht, indem man die Partnersysteme - Kugel/Kugel, - Platte/Kugel (bzw. sehr große Kugel/kleine Kugel) und - Platte/Platte  betrachtet (Folie 6.7). DERJAGUIN 1 summierte alle molekularen Wechselwirkungskräftepaare des mittleren Abstandes a eines idealisierten Kontaktes zweier steifer Kugeln (ohne Deformation) und erhielt mit dem mittleren Partikelradius r 1,2  = r/2 gemäß Gl.(6.42) für die Adhäsionsarbeit  zweier  zu trennenden Oberflächen mit der oberflächenbezogenen Bindungsenergie einer  Oberfläche σss: W  A,ss

FH 0

= 2 ⋅ σ 

(6.2)

ss

≡ FH (a ) = 2 ⋅ π ⋅ r 1, 2 ⋅ WA (a ) = 4 ⋅ π ⋅ r 1, 2 ⋅ σss .

(6.3)

Gemäß Tabelle 6.1 lässt sich für die spezifisch freie Grenzflächenenergie σss des ursprünglichen Platte-Platte-Kontaktes auch allgemein unabhängig  von der Partikeloberflächenform schreiben

σs ( v , g , l ) s =

C H ,s ( v , g , l ) s 24 ⋅ π ⋅ a 2F = 0

.

(6.4)

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 1 Derjaguin, B.V., Kolloid Zeitschrift 69 (1934), 155-164 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

366 Diese DERJAGUIN-Approximation1 führt zu den folgenden Spezialfällen:

Modellkörper

Haftkraft

Gl.Nr.

Haftkraft

Gl.Nr.

zwei identische Kugeln in einer Flüssigkeit

C ⋅ r  (6.6)a FH = 2 ⋅ π ⋅ r ⋅ σ sls (6.5)a FH = H ,sls2

zwei identische Kugeln im Vakuum (svs ≡ ss)

FH

12 ⋅ a F = 0

= 2 ⋅ π ⋅ r ⋅ σsvs (6.5)b

FH

=

C H ,svs ⋅ r  (6.6) b 12 ⋅ a 2F=0

eine Kugel auf flacher Ober- FH = 4 ⋅ π ⋅ r ⋅ σsvs (6.5)c F = C H ,svs ⋅ r  (6.6)c H 6 ⋅ a 2F = 0 fläche im Vakuum eine Kugel auf flacher Ober- FH = 4 ⋅ π ⋅ r ⋅ σsgs (6.5)d C H ,sgs ⋅ r  (6.6)d FH = fläche in Gas 6 ⋅ a 2F=0 Tabelle 6.1: Modellkörper der DERJAGUIN-Approximation1 Sie kann als charakteristische Stoffeigenschaftsfunktion betrachtet werden, die insbesondere von der HAMAKER-Konstante C H,ss und somit von den dielektrischen Eigenschaften des Partikelmaterials abhängt. Für die Berechnung der VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen von Partikeln lassen sich zwei theoretische Ansätze unterscheiden: a) Das Teilchenmodell (sog. mikroskopische Berechnung) geht vom Prinzip der Additivität  der einzelnen Wechselwirkungen von Atom- bzw. Molekülpaaren (LONDON 2) aus, so dass die VAN-DER-WAALS-Kräfte zwischen den Körpern durch Integration über alle Paare von Atomen und Molekülen berechnet werden (DE BOER, HAMAKER 3, CH-Konstante). Der Zusammenhang zwischen den beiden charakteristischen Materialeigenschaftsfunktionen HAMAKER-Konstante CH und Konstante für das Anziehungspotential A (siehe MVT_e_2neu.doc#MIE_Potential) ist für die  beiden Haftpartner s1 und s2 mit dem Molekülvolumen VM, einer Molekülzahldichte (svw. Dipolzahldichte) ρn, der Molekülpackungsdichte εM ≈ π/6 und mit dem mittleren Molekülpackungsdurchmesser d M, siehe 4:

ρ n ,s1 =

1 VM ,s1

=

6 ⋅ (1 − ε M ,s1 )

π⋅ d 3M ,s1

=

ρs1 ⋅ N A M s1

C H ,s1,s 2 = π 2 ⋅ ρ n ,s1 ⋅ ρ n ,s 2 ⋅ A s1,s 2 = π 2 ⋅

 

(6.7)

A s1,s 2 . d 3M ,s1 ⋅ d 3M ,s 2

(6.8)

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 2 LONDON, F., Trans. Faraday 33 (1937) 8-26 3 HAMAKER, H. C., Physica 7 (1937) 1058-1072, 4 ISRAELACHVILI. J.: Intermolecular & Surface Forces, S.

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367  b) Das Kontinuumsmodell (sog. makroskopische Berechnung) geht von den optischen (Wellen-) Eigenschaften der wechselwirkenden Körper aus. Hier bei werden die VAN-DER-WAALS-Kräfte aus dem imaginären Teil der komplexen frequenzabhängigen Dielektrizitätskonstanten (Permittivitäten) εr (iν) und Brechungsindizes n(i ν) bestimmt. Es fließen auch die optischen und elektrischen Eigenschaften von Adsorptionsschichten zwischen den Wechselwirkungspartnern ein (LIFSCHITZ 5, ϖ -Konstante). In der Folie 6.7 sind die Berechnungsformeln für ideal glatte Modellkörper zusammengestellt. Dabei sind diese weiterhin als ideal steif vorausgesetzt, d.h., es tritt keine Verformung der Haftpartner im Kontaktbereich ein. Diese Beziehungen gelten für den unmittelbaren Nahbereich, d.h. Molekülkernabstände a < 1 nm, z.B. a −F2=0 ≈ (0,316 nm )−2 = 1019 m −2 . Für größere Abstände a > 10 nm ( a −2 < 1016 m −2 ) sind die VAN-DER-WAALS-Kräfte mindestens drei Größenordnungen geringer und damit unbedeutend. Gewöhnlich wird für den unmittelbaren Kontakt von Kugel und Platte ein Gleichgewichtsabstand von a = aF=0 ≈ 0,3 ... 0,4 nm angenommen (etwa Größe eines Wassermoleküls). Die nach Folie 6.7  berechneten VAN-DER-WAALS-Kräfte sind in der Folie 6.9 grafisch dargestellt FH ,VdW

=

C H ⋅ d  12 ⋅ a 2F=0

,

(6.9)

wobei hier für die Umrechnung (Absorptionsfrequenz ϖ ≡ 2πν e) gilt6: CH

=

3 ⋅ϖ 4 ⋅π

.

(6.10)

h = 4,136 10 -15 eV s Plancksches Wirkungsquantum (1 eV = 1,602 10 -19 J) −34 =h /( 2π)=1,05510 J ⋅ s  elementarer Drehimpuls = 6,626 10-34 J s e = 1,602 10 -19 C Elementarladung ( 1 C = 1 As) Im Folgenden wird daher nur noch die HAMAKER-Konstante verwendet.

Zur physikalischen Bedeutung der HAMAKER-Konstanten: Die Konstante des Anziehungspotentiales A für niedrigmolekulare Gase am einfachsten aus den beiden gemessenen Stoffkonstanten der VAN-DERWAALS-Gleichung berechnen, die für Zustände in der Nähe des Gaskondensationspunktes gilt 7:

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 5 ISRAELACHVILI. J.: Intermolecular & Surface Forces, S.

184

6 SCHUBERT, H., Mechanische Verfahrenstechnik, Tabelle 3.3 S. 106,

Verlag für Grundstoff-

industrie, Leipzig 1986 7 ISRAELACHVILI. J.: Intermolecular & Surface Forces, S. 24 und 91 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

368

  a    p + 2  ⋅ (Vm − b ) = R ⋅ T   Vm  

(6.11)

mit dem molaren Volumen oder Molvolumen (s. ideales Gasgesetz  p ⋅ V = m / M ⋅ R ⋅ T  bzw.  p ⋅ Vm = R  ⋅ T ) Vm

= M⋅V/m .

(6.12)

Der sog. Binnen- oder Kohäsionsdruck a / Vm2  berücksichtigt bei der Kondensation die zunehmenden Wechselwirkungen der Moleküle untereinander und wirkt als Vergrößerung des Außendruckes p, d.h. p ges = p + p VdW A

=

9 ⋅ a ⋅ b 4 ⋅ π 2 ⋅ N 3A

.

(6.13)

Z. B. für Wasserdampf ist a = 0,555 Nm 4/mol2 und b = 31,0 ⋅10-6 m3/mol, siehe Hütte S. B 62, und damit ist die Anziehungskonstante dieser stark polaren Moleküle A = (0,1044 ⋅ 10 −77 J ⋅ m 6 ) ⋅ 0,555 ⋅ 31,0 = 1,8 ⋅ 10 −77 J ⋅ m 6 . Das sog. Covolumen  b berücksichtigt das Eigenvolumen der Moleküle V M  b = 4 ⋅ N A ⋅ VM

=

2 ⋅ π ⋅ N A 3

⋅ d 3M ,

(6.14)

so dass sich daraus der Moleküldurchmesser d M berechnen lässt: 1/ 3

d M

  3 ⋅ b    . =  2  N ⋅ π ⋅ A    

(6.15) 1/ 3

Für Wasserdampf ist d M

  3 ⋅ 31,0 ⋅10 −6 m 3 / mol    =  23 2 6 , 022 10 / mol ⋅ π ⋅ ⋅    

= 0,291 nm . Damit ergibt

sich eine für praktische Anwendungen allerdings zu hohe HAMAKERKonstante A = π ⋅ 2

A 6 M



=π ⋅ 2

1,8 ⋅10 −77 J ⋅ m 6

(0,291⋅10− m ) 9

6

= 29,3 ⋅10 −20 J ,

ansonsten erhält man für Wasser etwa: • CH = 15⋅10-20 J (paarweise Additivität) bzw. • CH = 3,7⋅10-20 J (Kontinuumtheorie).

6.1.1.2.3 Mikromechanische Bewertung des Haftvermögens Gemäß des Kugel-Platte-Modells der Gl.(6.9) wächst bei zunehmender Partikelgröße d linear die Van-der-Waals-Kraft. Allerdings steigt die Gewichtskraft FG  proportional zur dritten Potenz der Partikelgröße. Der Einfluss der Partikelgröße lässt sich folglich durch das Verhältnis der Van-der-Waals-Kraft zur Gewichtskraft verdeutlichen, siehe auch Gl.(6.1) im Abschnitt 6.1.1.2.2. Dies kann auch als Haftvermögen bezeichnet werden (g ist die Fallbeschleunigung und ρs die reine Feststoffdichte des Partikels):

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369 FVdW FG

=

CH

(6.16)

2π ρs g a 2 ⋅ d 2

Realistische Werte lassen sich nur mit einem charakteristischen Abstand a gewinnen. Bei einem geringen Haftvermögen kleiner 1, also mit einer Gewichtskraft > Van-der-Waals-Kraft, kann makroskopisch ein leicht bis frei fließendes rieselfähiges Pulver beobachtet werden. Umgekehrt erwartet man für Partikel mit einem Haftvermögen deutlich größer als 1 ein kohäsives Fließverhalten des Pulvers, siehe Tabelle 6.6 im Abschnitt  6.2.4. Eine praktikable Abschätzung des Haftvermögens lässt sich überschlägig mit der Gl.(6.17) vornehmen: FVdW FG



(100 µm )2 d 2

 

(6.17)

Daraus gewinnt man die Klassifizierung in der Tabelle 6.2,  die eine realistische Bewertung des Haftvermögens einer Vielzahl feiner bis nanoskaliger trockener Pulver ermöglicht: Physikalisches Partikeldurchmesser FvdW/FG  Bewertung Wirkprinzip d in µm 10 – 100 1 – 100 gering adhäsiv 1 – 10 100 – 104  adhäsiv 0,01 – 1 104 – 108 sehr adhäsiv Tabelle 6.2: Überschlägige Bewertung des Haftvermögens (Haftkraftverhältnisse) feiner bis nanoskaliger Partikel

6.1.1.2.4 elektrostatische Kräfte Partikeln, die Ladungen unterschiedlichen Vorzeichens tragen, ziehen sich an (COULOMB-Kräfte). Unterschiedliche Ladungen können beim Kontakt durch Übertritt von Elektronen (Kontakt-Potential) entstehen /3.95//3.96/. Außerdem kann die Vorgeschichte, d.h. Kontakt und Reibung, bereits zu geladenen Partikeln geführt haben. b) elektrischer Isolator

a) elektrischer Leiter Oberflächenladung

Bild 6.1: Aufladung von Partikeln im elektrischen Feld In einem elektrischen Feld würde ein nicht leitendes Partikel polarisiert. Diese Ladungstrennung oder -polarisation bleibt auch bei Partikel-Platte-Kontakt  bestehen. Bei Bewegung eines leitenden Partikels zur positiven Elektrode würde dagegen dessen in Kontaktnähe konzentrierte, hohe negative Ladung sofort

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370 abfließen. Das Partikel nimmt nach Kontakt damit die Ladung der Kontaktelektrode an, siehe Bild 6.1. Ursache für Kontakt-Potentiale  ist die unterschiedliche Elektronenaustrittsarbeit der Festkörper. Es wandern Elektronen vom Festkörper mit der kleineren Austrittsarbeit zu dem mit der größeren. Die Ladungen sind dabei in der Oberflächenschichte lokalisiert, deren Dicke - bei Metallen Bruchteile eines nm, - bei Halbleitern und - Nichtleitern bis zu 1 µm  beträgt. Folglich ist die elektrostatische Anziehungskraft aufgrund des KontaktPotentials bei elektrischen Leitern größer als bei Nichtleitern, da sich die Ladungen im Kontaktbereich konzentrieren. Das Kontaktpotential, das von der Stoffkombination und vom Oberflächenzustand der Partikel abhängt, liegt vielfach zwischen U = 0,1...0,7 V. Bei der Berechnung der auf Kontaktpotentiale zurückzuführenden elektrostatischen Haftkräfte muss von stark vereinfachten Modellvorstellungen ausgegangen werden, weil das elektrische Oberflächenenergiespektrum gewöhnlich un bekannt ist. Hinzu kommt, dass dies in außerordentlich starkem Maße durch Adsorption und Oberflächenverunreinigungen beeinflusst werden, d.h., es tritt ein schneller Ladungsausgleich ein, der die Anziehungskräfte minimiert. In Folie 6.9 sind Adhäsionskräfte aufgrund von Kontakt-Potentialen mit berücksichtigt. Es fällt die ausgeprägte Abhängigkeit für elektrische Leiter vom Abstand der Adhäsionspartner 1/a2  bzw. 1/a  auf. Diese Gleichungen gelten für etwa a < d. Für wesentlich größere Abstände fällt die Anziehungskraft mit wachsendem Abstand praktisch stärker ab. Auf elektrischen Nichtleitern  stellt man als Folge der Vorgeschichte, d.h. Kontakt und Reibung, häufig Überschussladungen fest. Die maximale beo bachtete Ladungsdichte q = Q/A S ≡ σmax beträgt etwa 102 e/µm2 (mit der Elementarladung e = 1,6 ⋅10-19  As) /3.92//3.94/. Trotz des gegenüber den VANDER-WAALS-Kräften geringeren Betrages wirken elektrostatische Kräfte bei Isolatoren viel weit reichender als diese. Für vollkommene elektrische Isolatoren und unter Voraussetzung der Gleichverteilung der Ladungen lassen sich die darauf zurückzuführenden Anziehungskräfte ebenfalls mit den in  Folie 6.7 angegebenen Formeln berechnen /3.94/. In den Modellgleichungen ist keine Abstandsabhängigkeit  der elektrostatischen Kräfte von nicht leitenden Partikeln enthalten. Es kann also a >> d sein. Dies wird bei der elektrischen Staubabscheidung (→ Elektrofilter MVT_e_4neu.doc Abschnitt 4.6.3.3) und bei der Elektrosortierung von Mineralen und Abfällen (→ Elektroscheider ..\VO_AT_RC\AT_RC_33.pdf  und ..\VO_AT_RC\AT_RC_335.pdf )  verfahrenstechnisch ausgenutzt.

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371

6.1.1.2.5 Vergleich der Adhäsionskräfte In Folie 6.9a sind die Haftkräfte für das Modell glatte Kugel/glatte Platte bei Berührung in Abhängigkeit vom Kugeldurchmesser miteinander verglichen. Es ist auch das Kugelgewicht für ρs = 3000 kg/m3 mit eingetragen, das unter den getroffenen Modellannahmen für Partikeln d < 100 µm klein im Vergleich zu den Haftkräften ist. Sind die Partikeln in einer Flüssigkeit dispergiert, so werden die VAN-DERWAALS-Kräfte gegenüber den bisher erörterten Verhältnisse im Vakuum bzw. in einer Gasatmosphäre wesentlich vermindert /3.97/ und zwar in Anwesenheit von Wasser um den Faktor bis zu 1/100, mit oberflächenaktiven Substanzen sogar bis zu 1/5000, ⇒ Anwendung seit Jahrtausenden bei nasser Reinigung und „Wäschewaschen“. Für die Adhäsionskräfte zwischen zwei Partikeln muss dann zusätzlich deren Wechselwirkung mit den Flüssigkeitsmolekülen berücksichtigt werden. Dies wird beim Teilchenmodell erfasst, indem man eine modifizierte HAMAKERKonstante CH,sls (solid-liquid-solid) einführt. Diese ergibt sich für zwei gleichartige Partikeln mit einer flüssig-analogen Adsorptionsschicht dazwischen zu: C H ,sls

= C H ,svs + C H ,lvl − 2 ⋅ C H ,svl .

(6.18)

CH,svs HAMAKER-Konstante der dispersen Phase mit „Vakuum“ dazwischen CH,lvl HAMAKER-Konstante des Dispergiermittels im „Vakuum“ Unter der näherungsweise gültigen Voraussetzung, dass sich C H,svl als geometrisches Mittel von CH,svs und CH,lvl berechnen lässt C H ,svl = C H ,svs ⋅C H ,lvl , C H ,sls

=(

C H ,svs



C H ,lvl

folgt:

). 2

(6.19) (6.20)

Je mehr die HAMAKER-Konstanten der dispersen Phase und des Dispergiermittels übereinstimmen, desto geringer   ist die Partikel-PartikelAnziehung! Weiterhin ist in wässrigen Systemen zu beachten, dass der Gleichgewichtsabstand der Haftpartner durch abstoßende sterische Wechselwirkungen, die auf die Existenz von Hydrathüllen zurückzuführen sind (siehe ..\..\VO_ALT\VO _MTP\MTP_3.pdf Abschn. 3.3), größer ist als in Luft bzw. Vakuum.

6.1.1.2.6 Oberflächenrauhigkeit und Van-der-Waals-Kräfte Die geringe Reichweite der VAN-DER-WAALS-Wechselwirkungen hat zur Folge, dass beim Kontakt von Partikeln die unmittelbare Oberflächengeometrie, d.h. der Krümmungsradius der Kontakte, für die Intensität der Wechselwirkungen sehr maßgeblich ist. Damit gewinnen Partikelform und  Oberflächenrauhigkeit  entscheidenden Einfluss auf die Haftkräfte steifer Partikel, MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

372 wenn man die aus der Haftung resultierenden Kontaktverformungen, d.h. die elastischen und inelastischen Repulsionskräfte, ignoriert. Die Funktion, mit der sich die VAN-DER-WAALS-Kraft mit zunehmender Partikelgröße verändert, hängt folglich in starkem Maße von der Größe der Rauhigkeitserhebung ab - Modell von RUMPF 8 und SCHUBERT 9: FH

= FH 0 =

C H ,sls 12

 d  d r   ⋅ + . 2 2 a ( ) d  / 2 a + F= 0  F =0  r 

(6.21)

In der eckigen Klammer der Gl.( 6.21)  beschreibt der linke Summand 2 d / (d r  / 2 + a F=0 )   die Wechselwirkungen zwischen der glatten steifen Platte mit der rauen steifen Kugel  bei dem Oberflächenabstand d r /2 + aF=0 und der rechte Summand d r  / a 2F=0  die Wechselwirkungen zwischen der halbkugelför-

migen steifen Rauhigkeit und der glatten steifen Platte bei einem Mindestabstand aF=0 (Summe der molekularen Anziehungs- und Repulsionskräfte ist Null, Index F = 0). Dies soll anhand Folie 6.9 b demonstriert werden, in dem die Haftkräfte für ein Modell raue Kugel/glatte Platte dargestellt sind /3.92/. Die "Oberflächenrauhigkeit" wird von einer Halbkugel mit dem Durchmesser d r  gebildet, die der Trägerkugel an der der Platte zugewandten Seite aufgesetzt ist. Verfolgt man in Folie 6.9 b die VAN-DER-WAALS-Kraft zwischen einer rauen Kugel mit d = 100 µm mit einem variablen Rauhigkeitsradius (-höhe) h r  = dr /2 und einer glatten Platte, so erkennt man, dass mit wachsendem d r  = 2 .hr   die VANDER-WAALS-Kraft zunächst bis zu einem Minimum abnimmt, um mit weiter wachsendem d r   schließlich wieder anzusteigen. Dieser Kurvenverlauf erklärt sich daraus, dass bei sehr kleinen Rauhigkeitserhebungen noch die auf die Trägerkugel wirkende Adhäsionskraft überwiegt, wobei sich aber mit wachsendem dr   deren Abstand von der Platte vergrößert. Mit weiterer Vergrößerung von d r  schließlich wird die VAN-DER-WAALS-Kraft der Rauhigkeitserhebung für die gesamte Adhäsionskraft entscheidend, und letztere steigt wegen der Zunahme von dr  → d wieder an. Eine andere Darstellung des Rauhigkeitseinflusses auf die VAN-DERWAALS-Kraft zeigt  Folie 6.9b unten (nach H. SCUBERT 9) am Beispiel des gleichen Partnermodells wie in Folie 6.9b oben. Hier ist die Haftkraft in Abhängigkeit vom Kugeldurchmesser d mit dem Durchmesser d r  einer halbkugelförmigen Rauhigkeitserhebung als Parameter aufgetragen (HAMAKERKonstante nach LIFSCHITZ C H  = 19,1.10-20 J; aF=0  = 0,4 nm). Man erkennt,

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992

8 Rumpf, H., Chem. Ing. Tech. 1974, 46, 1. 9 Schubert. H., Chem. Ing. Tech. 1979, 51,266 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

373 dass je nach Größe der Rauhigkeitserhebung die Haftkraft für genügend kleine Partikel zunächst nur von d r   abhängt.

6.1.1.2.7 Haftkraftminimum beschichteter Partikel Dieses im Vorstehenden erläuterte Haftkraftminimum lässt sich makroskopisch zur Verbesserung der Fließfähigkeit trockener, feiner kohäsiver Pulver praktisch ausnutzen. Dazu wird das klassische Modell von RUMPF 8 und SCHUBERT9, Gl.( 6.21), erweitert, siehe Bild 6.2:

d

d

aF=0 dr 

aF=0

Bild 6.2: Zwei glatte steife Trägerpartikel der Größe d mit einem ideal steifen  Nanopartikel der Größe dr  im direkten Kontakt Wir betrachten nun die Wechselwirkungen zwischen zwei glatten Kugeln sog. Trägerpartikel - gleichen Durchmessers d und einem Nanopartikel – ein sog. Gastpartikel, das als Abstandshalter (wie die Rauhigkeit) dazwischen wirkt und die VAN-DER-WAALS-Kraft reduziert. Für die Kugel-KugelWechselwirkung beider Trägerpartikel wird jedoch statt 1/12 (Kugel-PlatteModell) der Faktor 1/24 eingesetzt, siehe Gl .(6.6) b. Der charakteristische Abstand beider Trägerkugeln setzt sich nun aus dem Durchmesser (Höhe) d r   eines kugelförmigen Gastpartikels und beiden Mindestabständen der Oberflächen aF=0 zusammen dr  + 2.aF=0, Bild 6.2: FH 0

=

C H ,sls 24

 d  2 ⋅ d r   ⋅ +   2 2 a ( ) d  2 a + ⋅ = F 0 = r  F 0  

(6.22)

Der Faktor 2 im zweiten Term berücksichtigt die Wechselwirkung der kleinen Kugelrauhigkeit dr   (kleiner Krümmungsradius dr /2) mit der deutlich größeren Kugel des Durchmessers d (großer Krümmungsradius d/2) als Kugel-PlatteWechselwirkung. Wenn man die unterschiedlichen Kugelgrößen d und h r  unmittelbar berücksichtigen möchte, müsste der zweite Term mit einer mittleren −1 Partikelgröße (d −r 1 + d −1 )  lauten: −1

  1 1  2 ⋅ d r    ⋅ + ≅ für d >> dr  a 2F = 0  d r  d   a 2F = 0 2

(6.23)

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374 FH 0

=

C H ,sls 24

−1  d  2   1 1   ⋅ + 2 ⋅  +   2 a F = 0  d r  d    ( ) d  2 a + ⋅  r  F=0 

(6.24)

Die folgende Ableitung und Rechnung würde ein Polynom 4-ter Ordnung erge ben. Eine analytische Lösung d r,min = f(aF=0, d) zu finden, ist zu aufwändig. Deshalb wird auf die obige Gl.(6.22) zurückgegriffen und diese umformuliert:

 d  2 ⋅ d r   ⋅ +  2 24  (d r  + 2 ⋅ a F = 0 ) a 2F = 0  Das Haftkraftminimum erhält man unter der Bedingung: FH 0

=

dFH 0 d (d r  ) dFH 0 d (d r  )

C H ,sls

(6.22)

= 0  =

C H , sls 24

(6.25)

 ( −2) ⋅ d  2  ⋅ +  =0  3 2 a ( ) d  2 a + ⋅ F=0   F=0  r 

(6.26)

Daraus folgt ein charakteristischer Durchmesser  des Gastpartikels dr,min: ( −2) ⋅ d  2 d 1 (d r  + 2 ⋅ a F = 0 )3 = d ⋅ a 2F =0 + 2 =0 3 3 = 2 (d r  + 2 ⋅ a F =0 ) a F =0 (d r  + 2 ⋅ a F = 0 ) a F = 0 d r ,min

  = 3 d ⋅ a 2F=0 − 2 ⋅ a F=0 = a F=0 ⋅  3  

d  a F= 0

  − 2     

(6.27)

Das Verhältnis beider Haftkräfte mit und ohne Gastpartikel FH0(dr )/FH0(d) ist: FH 0 (d r  ) FH 0 (d )

 d  2 ⋅ d r   a 2F=0 1 2 ⋅ d r  = + 2 ⋅ = +   (6.28) 2 2 d   (d r  + 2 ⋅ a F=0 ) a F=0  d  (d r  / a F=0 + 2 )

Beispielsweise ergibt sich für ultrafeine Kugeln d = 10 µ m mit a F=0= 0,4 nm:

  d r , min = a F = 0 ⋅  3    FH 0 (d r ) FH 0 (d )

=

d  a F=0 1

    − 2  = 0,4nm ⋅  3      2 ⋅ d r  + = 2

(d r  / a F = 0 + 2 )



104 nm 0,4nm

  − 2  = 11 nm   

1

(11 / 0,4 + 2 )

2

+

22 10

4

=

1 300

Mit einer Beschichtung aus Nanopartikel einer Größe von d r   = 11 nm, die als Abstandshalter fungieren, lässt sich die charakteristische Haftkraft eines ultrafeinen Pulvers (d = 10 µm) um den Faktor von etwa 3,3 .10-3 vermindern. Daraus ergibt sich die Frage, welche Zugabemenge an Nanopartikeln zu einem kohäsiven Pulver erforderlich ist, um deren Haftkräfte merkbar zu reduzieren?

6.1.1.2.8 Zugabemenge an Nanopartikel Die Beladung  (Massenanteil) eines Kontaktes  zweier monodisperser kugelförmiger Trägerpartikel der Größe d mit einer notwendigen Anzahl n r  an nanoskaligen kugelförmigen Gastpartikeln (Index r) der Größe d r   1 / R 2  ist. Dafür gilt:

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389 F p

=  p K  ⋅

π ⋅ d 2 4

⋅ sin

2

  1 1   π ⋅ d 2 α = σ lg ⋅  −  ⋅ ⋅ sin 2 α .  R 1 R 2   4

(6.78)

Somit ergibt sich die gesamte Haftkraft FH = FR  + F p zu: FH

  d    1 1   = π ⋅ d ⋅ σ lg ⋅ sin α ⋅ sin (α + θ) + ⋅  −  ⋅ sin 2 α  4  R 1 R 2    

(6.79)

 bzw. für vollständige Benetzung θ ≈ 0 FH

 d    1 1   = π ⋅ d ⋅ σ lg ⋅ sin 2 α ⋅ 1 + ⋅  −  .  4  R 1 R 2  

(6.80)

Da R 1 und R 2 von α, θ und a/d abhängen, so lässt sich schreiben:

   

FH =σlg ⋅d ⋅f  α,θ,

a 

.

(6.81)

d  

Diese Haftkraft sinkt mit steigendem Kontaktabstand (Folie 6.9a). Die maximale Haftkraft ergibt sich allerdings beim Oberflächenabstand a = 0: FH ,max

= π ⋅ d ⋅ σ lg .

(6.82)

Für die Bindung in fließenden feuchten Schüttgütern wurde Gleichung (6.80) dahingehend vereinfacht, dass meist vollständige Benetzung vorliegt. Außerdem liegen dem Modell noch sich berührende gleich große Kugeln a = 0 zugrunde. Damit ergibt sich für das Flüssigkeitsvolumen in einer Brücke, wenn man hier auf die Berücksichtigung der Krümmung der beiden Menisken vereinfachend verzichtet26,30 (Folie 6.14): Vl

π ≈ ⋅ 0,264 ⋅ d 3 ⋅ sin 4 α .

(6.83)

4

Damit lässt sich ein einfacher analytischer Zusammenhang zwischen dem Flüssigkeitsgehalt Xl in einem Schüttgut der Porosität ε und dem Benetzungswinkel α gewinnen (mittlere Koordinationszahl k =π / ε ): Xl

=

ml ms

Vl ⋅ ρ l

= k ⋅ 2⋅

sin 2 α = 1,313 ⋅

π 6

=

⋅ d  ⋅ ρs 3

3 ⋅ Vl ⋅ ρ l d 3 ⋅ ε ⋅ ρs



ε ⋅ ρs X . ρl l

(6.84)

(6.85)

Für die mittlere Haftkraft FH in einer Partikelpackung mit idealer Zufallsanordnung gilt dann vereinfachend: FH ≈1,313 ⋅ π ⋅ d ⋅ σ lg

  p ⋅ d  ε ⋅ ρs ⋅ 1 + K  ⋅ Xl  4 ⋅ σ lg  ρ l

(6.86)

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390



FH ≈1,313 ⋅ π ⋅ d ⋅ σ lg ⋅ 1 +



  1 1    ε ⋅ ρ s ⋅  −  ⋅ X   ρl l 4  R 1 R 2   

1

(6.87)

 bzw. mit den Gln.(6.76) und (6.77) für den Oberflächenabstand a = 0:



FH ≈1,313 ⋅ π ⋅ d ⋅ ⋅σ lg ⋅1 +



  cos α    ε ⋅ ρs cos α  ⋅ ⋅  + X . (6.88) ρl l 2  1 − cos α 1 − cos α − sin α  

1

Allerdings ist der Term in den runden Klammern wegen der unterschiedlichen Vorzeichen der Hauptkrümmungsradien bei praktischen Abschätzungen problematisch, ⇒ liefert bei größeren Flüssigkeitsgehalten zu kleine Haftkräfte. Die Haftkräfte, die rotationssymmetrische Flüssigkeitsbrücken übertragen, sind für gleich sowie ungleich große Partnerkugeln und für andere Partnergeometrien sowohl unter der vereinfachenden Annahme kreisbogenförmiger Meridiankurven als auch für das exakte Profil berechnet worden /3.102/ bis /3.104/. Die Verformung der Flüssigkeitsbrücken unter Schwerkrafteinfluss und deren Auswirkung auf die Haftkraft ist für Partikeln d < 1 mm vernachlässigbar. Schließlich lassen sich auch Brücken zwischen unregelmäßigen Partikeln in guter Näherung als rotationssymmetrisch auffassen. Um die Intensität der Haftkräfte, die durch Flüssigkeitsbrücken hervorgebracht werden, im Vergleich zu anderen Wechselwirkungen zu kennzeichnen, sind diese in  Folie 6.9a und b mit dargestellt. Danach ist festzustellen, dass diese nicht nur die intensivsten sind, sondern dass sie sich auch Rauhigkeiten gegenüber als wenig empfindlich erweisen /3.92/.

6.1.2.1.2 Zerreißarbeit einer Flüssigkeitsbrücke Für den maximal möglichen Oberflächenbstand , bei dem das Zerreißen  der Flüssigkeitsbrücke eintritt, hat sich folgender einfacher Zusammenhang erge ben (für Randwinkel θ ≤ 40°): a max

≈ Vl1 / 3 .

(6.89)

Mit dem mittleren Flüssigkeitsgehalt einer Brücke in einer Partikelpackung nach der Gl.(6.84) ist auch (z. B. a max ≈ d für ρs = 2650 kg/m³, ρl = 1000 kg/m³, ε = 0.5, Xl = 0,25): 1/ 3

  ε ⋅ ρs   a max = d ⋅  3 ⋅ ⋅ X l  . ρ l    

(6.90)

Falls sich im Anfangszustand die gleichgroßen Kugeln berührt hatten a = 0, ist eine Arbeit zum Zerreißen  der Flüssigkeitsbrücke W Z aufzuwenden: a max

WZ

=

∫ F (a) da ≈ 1,27 ⋅ σ H

0

lg



d ⋅ Vl

= 2,2 ⋅ σlg ⋅ d 2 ⋅

ε ⋅ ρs ⋅ Xl . ρl

(6.91)

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391 Diese Arbeit wird dissipiert. Die massebezogene Dissipationsarbeit des Abreißens der Flüssigkeitsbrücken in einer Partikelpackung Wm ,Z = k ⋅ WZ / m P   ist damit (mittlere Koordinationszahl k =π  / ε  ):

=

Wm, Z

2,2 ⋅ π ⋅ σlg ⋅ d 2

ε ⋅ π / 6 ⋅ d 3 ⋅ ρs

13,2 ⋅ σlg ε ⋅ ρs ρs ⋅ Xl = ⋅ ⋅X . ρl ρs ⋅ d  ε ⋅ ρl l



(6.92)

Davon ausgehend, eine Energiebilanz der kinetischen Energie für das Auftreffen eines Partikels 1 auf andere mit einer Auftreffgeschwindigkeit v 1 und einer möglichen Rückprallgeschwindigkeit v1R   sowie der Dissipationsarbeit des Abreißens einer Flüssigkeitsbrücke W Z ergibt: m p ⋅ (v12 − v12R  ) = WZ . 2

(6.93)

Bei einer Rückprallgeschwindigkeit von v 1R  = 0 entspricht das einer kritischen Aufprallgeschwindigkeit der Partikel bei der gerade noch Haftung auftritt: v 1H

=

2 ⋅ Wm , Z / k  .

(6.94)

6.1.2.1.3 Viskose Bindekraft Für Kapillarzahlen Ca < 10 -3  als Verhältnis von viskoser Binde- und Rei bungskraft zur Bindekraft infolge Oberflächenspannung (Oberflächenkraft) Ca =

η⋅ vZ σlg

(6.95)

ist die kapillare Bindung dominant (siehe Gl .(6.79)). Dagegen wird für Kapillarzahlen Ca > 1  die viskose Bindung bedeutsamer. Das heißt, bei ausreichend hohen Relativ-  bzw. Zerreißgeschwindigkeiten vZ ( v Z  = d  / 2 ⋅ γ   ) sollte man zusätzlich eine viskose Bindekraft aufgrund der Viskosität der Brückenflüssigkeit berücksichtigen (Adams, Edmondson, 1987): FH , vis

=

3 ⋅ π d 2 ⋅ η ⋅ v Z 8



a

.

(6.96)

Diese viskose Bindekraft wird für den direkten Kontakt a → aF=0 maximal. Bei erfolgreichen Partikelkollisionen während eines Agglomerationsprozesses, muss die kinetische Energie des Partikels durch die viskose Bindekraft des Bindemittels aufgebraucht (dissipiert) werden, damit Rückprall vermieden werden kann. Dafür ist eine STOKES-Zahl der viskosen Flüssigkeitsbrücke StBr  definiert worden, die das Verhältnis von kinetischer Stoßenergie der Partikel zur dissipierten Energie der Flüssigkeitsbrücke darstellt 22, 23 (hier Relativge-

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992

22 Schubert, H., Handbuch der Mechanischen Verfahrenstechnik, S. 235, Wiley-VCH, 2003 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

392 schwindigkeit vr  = vZ Zerreißgeschwindigkeit bei maximalem Zerreißabstand amax): St vis, Br  =

m p ⋅ v 2r  2 ⋅ FH , vis ⋅ a max

=

8 ⋅ π ⋅ d 3 ⋅ ρs ⋅ v 2r  ⋅ a max 12 ⋅ 3 ⋅ π ⋅ d 2 ⋅ η ⋅ v r  ⋅ a max

=

2 ⋅ v r  ⋅ d ⋅ ρs 9⋅η

(6.97)

Solange StBr   kleiner als ein kritischer Wert St vis,Br * bleibt, ist die Voraussetzung für die Haftung gegeben. Wird St vis,Br * überschritten tritt Rückprall ein, weil die kinetische Energie nicht vollständig dissipiert wurde – die Zerreißar beit der Flüssigkeitsbrücke infolge kapillarer Bindung, Gl.(6.91),  wurde im  Nenner der Gl.(6.97) nicht berücksichtigt. Diese kritische STOKES-Zahl wurde von ENNIS 24  hergeleitet (a0  charakteristischer Partikeloberflächenabstand beim Aufprall, abgeschätzt mit a 0 ≈ dr   Rauigkeitshöhe des Agglomerates, siehe Gl.( 6.21)):

   

St *vis,Br  = 1 +

 a    ⋅ ln  vis  > 1 e    a 0  

1 

(6.98)

Der Arbeitsanteil für elastisch-plastische Kontaktdeformation der Partikel 25,32 wird mit dem Partikel-Stosskoeffizienten  (coefficient of restitution) in Normalrichtung berücksichtigt (v1 Aufprall- und v1R  Rückprallgeschwindigkeiten): e=

v1R  v1

= 0...1

(6.99)

Dieser Stoßkoeffizient liegt zwischen 0 ideal plastischer und 1 elastischer Stoß. Die Schichtdicke  des viskosen Bindemittels a vis  kann bei gegebenem Volumenanteil an Binderflüssigkeit V l/Vs  bei (angenommen) homogener Oberflächenverteilung auf jedem Partikel mikroskopisch wie folgt abgeschätzt werden: Vl Vs a vis

π ⋅ 6 ⋅ [(d + 2 ⋅ a vis )3 − d 3 ]   2 ⋅ a vis  = = 1 +  −1 6 ⋅ π ⋅ d 3 d      3

d    = ⋅  3 2  

Vl Vs

  + 1 − 1 ≤ a max  

1+

2 ⋅ a vis d 

=3

Vl Vs

+1

(6.100)

Bei Stößen unterschiedlich großer Partikel d 1 und d2 ist die Partikelgröße d in der Gl.(6.97) durch die mittlere Partikelgröße dm zu ersetzen, s. Gl.(6.42):

  1 1    d  = d m = ⋅  + 2  d 1 d 2  1

−1

(6.101)

23  Bitte nicht verwechseln mit der STOKES-Zahl der Partikelumströmung, siehe MVT_e_4neu.doc#STOKES_Zahl 24  Ennis, B., Tardos, G. and R. Pfeffer, A microlevel-based characterization of granulation  phenomena, Powder Technology 65 (1991) 251-272 25 Tomas, J., Adhesion of ultrafine particles – Energy absorption at contact, Chemical Engineering Science 62 (2007) 5925 – 5939 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

393 Die Energiedissipation beim Ablösen einer viskosen Bindung ist damit: PH , vis

= FH , vis ⋅ v Z =

3 ⋅ π d 2 ⋅ η ⋅ v 2Z 8



a

.

(6.102)

Bem.: Entsprechend der Definition der obigen Kapillarzahl Ca ist das Verhältnis der maximalen Energiedissipation (Leistungseintrag) der Kapillarbindung zur viskosen Bindung von Partikeln in Flocken in einer Suspension („elastische Flocken“ nach dem JKR-Modell) während der Annäherung, Kollision, Deformation und Flockenwachstum (Adams, Edmondson, S. 163, 1987): PH , vis PH , JKR 

=

d ⋅ η ⋅ v Z 2 ⋅ σsl ⋅ a F = 0

.

(6.103)

Die gesamte Haftkraft der Flüssigkeitsbrücke F H,ges, die sich aus kapillarer und viskoser Bindung  zusammensetzt, folgt mit den Gln.(6.80) und (6.96) bei vollständiger Benetzung θ = 0: FH ,ges

= π ⋅ d ⋅ σ lg ⋅ sin

2

 d    1   3 ⋅ π d 2 ⋅ η ⋅ v Z 1  + . α ⋅ 1 + ⋅  − ⋅ 4 R  ( a ) R  ( a ) 8 a 2 max    max   1 max  (6.104)

6.1.2.1.4 Einaxiale Zugfestigkeit Die einaxiale Zugfestigkeit  im voll ausgebildeten Brückenbereich in einer Partikelpackung mit idealer Zufallsanordnung lässt sich mit den Gln.(6.71) und (6.86) sowie mit dem Eintrittskapillardruck  p K  ≈ p K ,E   als charakteristischen Wert der Porendruckverteilung im Schüttgut Gl.(6.110) direkt abschätzen ( σlg =72⋅10-3 J/m2 für Wasser):

σ Z,1 =

8,25 ⋅ (1 − ε )(2 − ε ) ⋅ σ lg ⋅ sin ϕi

ε ε ⋅ d ⋅ (1 + sin ϕi )

ρs X . ρl W

(6.105)

Dieses mehrfach überprüfte Modell30 ist gewöhnlich für Sättigungsgrade (Flüssigkeitsporenraumanteile Gl.(6.109)) S =

ρs (1 − ε ) ⋅ X W < 0,3  gültig. ρl ⋅ ε

6.1.2.2 Flüssigkeitsbindung in Partikelpackungen In einer Partikelschüttung ist ein Zwischenraumvolumen (äußere Porosität) vorhanden, das als verzweigtes, vielgestaltiges Kapillarsystem in Abhängigkeit von der Partikelgrößen- und Partikelformverteilung des Feststoffes sowie dessen Packungsstruktur vorliegt. Befindet sich eine solche Partikelschüttung im Kontakt und damit im Austausch mit umgebender Luft, so bilden sich zunächst Adsorptionsschichten von polaren Wassermolekülen, die sich z.B. mit der BET-Isothermen (hier in linearisierter Form y = b + ax) im Gültigkeitsbereich von ϕ = pD/pDS < 0,35 modellhaft erfassen lassen (Folie 6.15): MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

394  p D / p DS X W ,A ⋅ (1 − p D / p DS )

=

1 X W ,A ,mono ⋅ k W

+

−1 ⋅ p D / p DS   (6.106) X W ,A ,mono ⋅ k W k W

mit k W = exp[E B /(R T )]

(6.107)

k W stoffabhängige Kinetikonstante EB molare Bindungsenergie der Monoschicht XW,A,mono Monoschichtbelegung der Partikeloberfläche ( s. Gl.(6.64)) und bei höheren relativen Luftfeuchten ϕ = pD/pDS  (für Partikelschüttungen etwa im Bereich pD/pDS zwischen 0,6 und 0,85; p D Wasserdampfpartialdruck,  pDS Sattdampfdruck) Flüssigkeitsbrücken infolge Kapillarkondensation an den Kontaktstellen der Partikeln /3.133//3.134/. Eine derartige Flüssigkeitsbrücke ist stabil, wenn ihr Dampfdruck - resultierend aus der Flüssigkeitsbindung mittels Kapillardruck pK  - dem Wasserdampfpartialdruck p D der feuchten Umgebungsluft entspricht, d.h. wenn die KELVIN-Gleichung erfüllt ist:  p D  p DS

 M ⋅ p  = exp − W K   .  ρ W ⋅ R T 

(6.108)

MW

Molmasse des Wassers ρW Dichte des Wassers R = 8,3145 kJ/(kmol K) allgemeine Gaskonstante T absolute Temperatur Dementsprechend können mit steigender relativer Luftfeuchte Flüssigkeits brücken zunächst nur dort entstehen, wo Gl.(6.108) zuerst erfüllt ist, d.h. an den Kontaktstellen, an denen sich benachbarte Partikeln bzw. deren Adsorptionsschichten berühren. An Nahpunkten mit a > 0 können sich erst bei entsprechend höherer relativer Luftfeuchte Flüssigkeitsbrücken bilden, oder diese sind aufgrund von Sorption allein zur Brückenbildung überhaupt nicht befähigt (Folie 6.15). Betrachtet man nun die Feuchte einer Partikelschüttung unabhängig davon, wie sie entstanden ist, so lässt sich ganz allgemein sagen, dass bei niedrigen Flüssigkeitssättigungsgraden S (S = Flüssigkeits-/Porenraumvolumen) S=

Vl VPoren

=

Vl



Vges Vs



VPoren Vges Vs

=

(1−ε) ⋅ Vl

ε ⋅ Vs

=

(1−ε) ⋅ ρs ⋅ m l

ε ⋅ ρl ⋅ m s

=

(1−ε) ⋅ ρs

ε ⋅ ρl

⋅ X l (6.109)

Adsorptionsschichten und Flüssigkeitsbrücken an den Kontaktstellen der Partikeln existieren können (Folie 6.14a). Im Vergleich zu den Adsorptionsschichten binden dabei die Flüssigkeitsbrücken wesentlich höhere Flüssigkeitsanteile. Mit weiterer Steigerung von S stellt sich zunächst ein Übergangsbereich  ein (Folie 6.14b), in dem Flüssigkeitsbrücken und gefüllte Zwischenräume nebeneinander vorliegen (S ≈ 0,25), bis alle Zwischenräume schließlich gefüllt sind (Folie 6.14c).

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395 Für die Bindung dieser Flüssigkeitsanteile ist der Kapillardruck maßgebend. Dieser hängt vom Flüssigkeitssättigungsgrad S nach einem Kurvenverlauf ab, wie er in Folie 6.15 schematisch dargestellt ist. Der Kurvenverlauf bei Befeuchtung weicht von dem bei Entfeuchtung ab ( Kapillardruck-Hysterese). Dies ist einerseits durch wechselnde Porenquerschnitte, die ein- oder ausströmende Flüssigkeitsmenisken vorfinden, und andererseits durch die Randwinkel-Hysterese bedingt /3.102//3.137/. Um die Kapillardrücke in verschiedenen Partikelschüttungen und damit deren Flüssigkeitsbindevermögen vergleichen zu können, ist die Definition eines mittleren oder charakteristischen Wertes zweckmäßig. Vorwiegend wird dazu der Eintrittskapillardruck  pK,E  benutzt (Folie 6.15) /3.135/. Für gut benetz bare Partikelsysteme ergaben sich: 1− ε σ lg ⋅  p K ,E = k K  ⋅ ε d ST

mit

k K   = 1,9 ... 14,5.

(6.110)

Für k K   werden bei Vorliegen einer engen Partikelgrößenverteilung Werte zwischen 6 und 8 genannt /3.135/ /3.136/, für breitere Partikelgrößenverteilungen zwischen 1,9 und 14,5 /3.137/. In diesem Fall werden das Schüttgut bzw. die Agglomerate durch den Kapillardruck p K   zusammengehalten. Im Bereich hoher Flüssigkeitssättigungsgrade S ist folglich die Zugfestigkeit σZ gegeben durch /3.102//3.132/:

σ Z = S ⋅ p K  ,

(6.111)

wobei der Kapillardruck durch die Abhängigkeit p K  = f(S) (Folie 6.15) gegeben ist und die Fälle Entfeuchtung und Befeuchtung entsprechend zu unterscheiden sind. Für den Fall der Entfeuchtung liefert der Eintrittskapillardruck pK,E gemäß Gl.(6.110) einen Orientierungswert für die Zugfestigkeit. Abgesehen von den im vorstehenden erörterten Flüssigkeitsbindungsarten kann  bei Vorliegen einer inneren Porosität innere Feuchtigkeit vorhanden sein, die wegen der Feinheit dieser Porenstruktur sehr fest gebunden ist. 6.1.2.3 Bindung durch Flüssigkeiten hoher Viskosität Sind die Poren eines Agglomerates vollständig oder teilweise mit einem hochviskosen Bindemittel (z.B. Asphalt, Wachs, Leim) gefüllt, so wird die Bindung einerseits von der Kohäsion im Bindemittel und andererseits von der Adhäsion zwischen   Bindemittel und Partikeln bestimmt. Wegen des innigen Kontaktes und der Oberflächenrauhigkeit darf man dabei vielfach davon ausgehen, dass die Adhäsion die Kohäsion überwiegt . Die hohe Viskosität verhindert die Ausbildung von Kapillarradien. Plastische Stoffe behalten eine beliebig vorgegebene Oberflächenform, weil die Verformungsenergie größer als der mögliche Gewinn an Grenzflächenenergie ist.

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396 Die Zugfestigkeit dürfte analog Gl.(6.111) sich summarisch aus einem Viskositäts- und Kohäsionsanteil zusammensetzen:

η   σ Z ∝ S ⋅    l + σ Z ,l  .   t   S

σZl ηl 

(6.112)

Bindemittelanteil (-sättigungsgrad, siehe Gl.(6.109)) Zugfestigkeit (Kohäsionsfestigkeit) des Bindemittels Viskosität

6.1.3 Bindung durch Festkörperbrücken Bei der Bindung durch Festkörperbrücken werden die Bindekräfte von festen,  brückenartig ausgebildeten Verbindungen übertragen (Folie 6.16). Diese entstehen durch - das Kristallisieren gelöster Stoffe - Kristallisationsbrücken, - die verschiedenen Sintermechanismen - Sinterbrückenbindungen, - das Erhärten eines Bindemittels infolge chemischer Reaktionen - chemische Brückenbindungen, - und ggf. das Erstarren eines hochviskosen Bindemittels. 6.1.3.1 Kristallisationsbrücken Enthält die Flüssigkeit eines feuchten Schüttgutes gelöste Stoffe, so kristallisieren  diese beim Trocknen aus und bauen an den Kontaktstellen in Abhängigkeit von der Kristallisationszeit t Festkörperbrücken auf /3.128/ (Folie 6.16): • Austrocknung oder Verdunsten von Flüssigkeitsbrücken bestehend aus gesättigten Lösungen löslicher Inhaltsstoffe des Schüttgutmaterials, • Stofftransport durch die Wasserverdunstung (Dampfdiffusion) → Übersä ttigung der gesättigten Lösungen der Flüssigkeitsbrücken → Abbau dieser Übersättigung durch Kristallisation an den Partikekontakten. • Der gelöste bzw. auskristallisierende Anteil kann aus dem gleichen oder einem anderen Stoff wie das zu agglomerierende Gut bestehen. Die Zug- oder hier besser Druckfestigkeit σct eines wasserlöslichen Materials (Salze, Zucker u.ä.) lässt sich dann wie folgt abschätzen 26 (Folie 6.17):

  t  σ ct = σ Ds ⋅ (1 − ε ) ⋅ cS ⋅ (X W 0 − X WE ) ⋅ 1 − exp −    mit  t 63   

(6.113)

σct ( t → ∞) = σct → ∞ = σ Ds ⋅ (1 − ε ) ⋅ YS ⋅ (X W 0 − X WE )

(6.114)

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 26 Tomas,

J.: Untersuchungen zum Fließverhalten von feuchten und leichtlöslichen Schüttgütern (gek. Fassung der Dissertation A) Freiberger Forschungsheft A 677 (1983) S. 1-133 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

397

σDs

Druckfestigkeit des kristallisierenden Feststoffes (= 30 MPa für Sylvinit KCl) cS = msl/mw Sättigungslöslichkeit (= 0,341 gS/gW bei 20°C für Sylvinit) msl Masse gelöster Stoff mw Masse Wasser XW0  Anfangsfeuchte XWE End- bzw. Gleichgewichtsfeuchte t Lagerzeit t63 Stofftransportwiderstand des Wassers im Schüttgut Der Zeitparameter t63 erfasst die Kinetik des Mikro-Kristallisationsprozesses, Bild 6.7. Demzufolge sind nach • t = t63 [1 − exp( −1)] = 0,632  63% oder • t = 3⋅t63 [1 − exp(−3)] = 0,95  bzw. 95% der Endfestigkeit erreicht.

σct ( t = t 63 ) = σ Ds ⋅ (1 − ε ) ⋅ YS ⋅ (X W 0 − X WE ) ⋅ 0,63 = 0,63 ⋅ σct → ∞

(6.115)

Bild 6.7: Zeitverlauf der einaxialen Druckfestigkeit bei der Bildung von Kristallisationsbrücken

Einaxiale Druckfestigkeit σ ct σct(t→∞) 0,63.σct(t→∞)

Zeit t

Zeitparameter t63

Er lässt sich auch theoretisch im ruhenden Schüttgut für den diffusionsgesteuerten Stofftransport bei Reihenschaltung der beiden beteiligten Phasen (der Flüssigphase: Index W = Wasser und Dampfphase: Index D) als Summe der Widerstände abschätzen: t 63 = t 63D + t 63W . 

(6.116)

Der Index 0 bedeutet den Bezug auf den Normalzustand bei T = T 0 = 273 K. 1 − ε k ϕ ⋅ ρs ⋅ s

⋅ RT0  T0   t 63 =   ε M W ⋅ p DS,0 ⋅ D D,0   T   2 D

16 ,6

+

  X T    X   Tm   ρs ⋅ (1 + c S ) ⋅ X W ε ⋅ ρ l ,0

1,94 ⋅ exp k T ⋅

β W ,0 A S,m

 T0       T  

6 ,85+ n l

(6.117)

AS,m spezifische Oberfläche DD,0≈2,12⋅10-5 m2/s Diffusionskoeffizient von Wasserdampf in Luft k T ≈ 0,7 Adsorptionsparameter oberflächenaktiver Substanzen

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398 k ϕ

=

∆X W ∆( p D / p DS )

Anstieg der Sorptionsisothermen im unterkritischen Be-

reich (Folie 6.15) nl ≈ 4,0 Exponent der Temperaturabhängigkeiten der Stoffwerte: Löslichkeit, Flüssigkeitsdichte, Viskosität und Diffusionskoeffizient, z.B. für eine gesättigte KCL-Lösung (273 K ≤ T ≤ 373 K)  pDS,0 ≈ 735 Pa Sattdampfdruck sD maximale Diffusionsschichtdicke ≈ Schütthöhe βW,0≈0,08 kg/(m2⋅h) Stoffübertragungskoeffizient des Wassers in einer gesättigten Salzlösung (hier reine KCL-Lösung) ρl,0 ≈ 1150 kg/m3 Lösungsdichte (KCL-Lösung) XT = mT/ms Beladung an oberflächenaktive Substanzen Ideale Monoschichtbeladung  der Partikeloberfläche mit Tensid: X T , mono

=

A S, m ⋅ M T

(6.118)

A T ⋅ N A

AT ≈ 0,2 nm²

Platzbedarf eines Tensidmoleküles, hier Kopfgruppe des technischen Alkylammoniumchlorids Rofamin TD26 MT ≈ 220 g/mol Molmasse des Tensides (Rofamin TD)26  NA = 6,022.1023 mol-1 AVOGADRO-Zahl Idealer Bedeckungsgrad  der Partikeloberflächen mit Tensid: BG T

=

XT X T , mono

= XT ⋅

A T ⋅ N A A S, m ⋅ M T

=

m T ⋅ A T ⋅ N A m s ⋅ A S, m ⋅ M T

(6.119)

6.1.3.2 chemische Brückenbindungen Setzt man einem zu agglomerierenden feinen Produkt ein Bindemittel zu (z.B. Zement, Kalk, Wasserglas), so entstehen beim Erhärten zwischen den Partikeln Bindemittelbrücken durch chemische Reaktionen (Folie 6.17). Bei den mehr oder weniger trockenen Schüttgütern befinden sich die Restwassergehalte meist im Adsorptionsschichtbereich XWA ≈  0,1 ... 0,4 %, falls nicht aus Umweltgründen zusätzlich Wasser zugegeben wurde, z.B. zur Staubbindung bei Kraftwerksaschen. Beispielsweise kann ein Stoff s durch Wasseraufnahme ( νW stöchiometrischer Faktor) zu einem hydratisierten Feststoff hs reagieren (Hydratationsreaktion) 27: s + ϑ W ⋅ H 2 O ⇔ hs

(6.120)

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 27  Tomas,

J.: Zum Verfestigungsprozess von Schüttgütern - Mikroprozesse, Kinetikmodelle und Anwendungen (Übersichtsartikel), Chem.- Ing.- Technik 69 (1997) 4, 455-467 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

399

σ ct = σ Ds ⋅ (1 − ε ) ⋅

M s ⋅ X WA



k W ⋅ t

(6.121)

M W ⋅ ϑ W k W ⋅ t + 1

σct ( t → ∞) = σ Ds ⋅ (1 − ε ) ⋅

M s ⋅ X WA

(6.122)

M W ⋅ ϑW

und für die charakteristische Halbwertszeit t = 1/k W gilt, Bild 6.8:

σct ( t =

1 M ⋅X 1 σ ( t → ∞) ) = σ Ds ⋅ (1 − ε ) ⋅ s WA ⋅ = ct k W M W ⋅ ϑW 2 2

Bild 6.8: Zeitverlauf der einaxialen Druckfestigkeit bei der Bildung von Festkörper brücken durch chemische Reaktionen

Einaxiale Druckfestigkeit σ ct σct(t→∞) 0,5.σct(t→∞)

Halbwertszeit t=1/k W

(6.123)

Zeit t

σDs ≈ 35 MPa Bindemittel (Mörtel) aus Portlandzement PZ 1/35, ⇒ gültig für spröde Materialien σct ↔ σDs Mw= 18 kg/kmol Molmasse des Wassers 3 ρs ≈ 3100 kg/m   Zement Ms ≈ 1634 kg/kmol Molmasse des hydratisierten Feststoffes (z.B. Ettringit CaO⋅3Al2O3⋅3CaSO4⋅32H2O) νw ≈ 32 stöchiometrischer Faktor der Reaktion, k w ≈ 97 d-1 ≈ (1/4 h)-1 Geschwindigkeitskonstante der Reaktion (z.B. Zement) k W

E   = k W∞ (A S,m ) ⋅ exp  − A  .   R ⋅ T 

(6.124)

EA Aktivierungsenergie der Hydratation k w∞ = f(AS,m) Konstante für T → ∞, Anstieg der Zeitfunktion, ⇑ wenn AS ⇑

6.1.3.3 Sinterbrücken Vorrangig werden metallische (Pulvermetallurgie) und keramische Werkstoffe zu Fertigprodukten gesintert. Da beim Sintern  (thermische Agglomeration) eine entsprechende diffusive, d.h. thermische Beweglichkeit der Atome und Moleküle der Haftpartner erforderlich ist, bedürfen Sinterprozesse meist der Wärmezufuhr. Dabei können chemische Reaktionen den Wärmehaushalt bzw. die Beweglichkeit der Atome und Moleküle begünstigen.

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400 Dem Sintern ist auch der Mikroprozess der Kontaktdeformation durch viskoses Fließen  der Mikrorauhigkeiten bei Materialien geringen Schmelzpunktes (gegebenenfalls auch) bei Umgebungstemperatur zuzurechnen. Neben der Verstärkung der VAN-DER-WAALS-Kräfte analog der plastischen Deformation der Kontaktpunkte zu Kontaktflächen (siehe auch Gl .(6.56)),  entstehen Festkörperbrücken durch viskoses Ineinanderfließen des Feststoffes (= gerichtete Konvektionsströmung). Dem kann vereinfachend ein lineares Materialverhalten („Stoffgesetz“) zwischen Beanspruchung und Deformation zugrunde gelegt werden, mit dem NEWTON-sches Fließgesetz:

γ =

du dy

=

t ∆s τ =  oder einfach γ = ⋅ τ . ∆h⋅ ∆t η η

h s

(6.125)

Schichthöhe Scherweg Schergeschwindigkeit

u  = ds dt  

γ η

Verzerrung oder Verschiebung dynamische Viskosität Man vergleiche auch das HOOK-sche Gesetz:

ε d =

dl dx

=

∆l l0

=

σ E

=

F N E⋅ A

oder

γ=

τ G

=

FS G⋅ A

.

(6.126)

εd

Druck-Stauchung oder Zug-Dehnung E Elastizitätsmodul G Gleitmodul 0 Index für Belastungsbeginn Die Haftung mittels viskoser Kontaktflächenbildung wird noch durch Ineinanderfließen des Materials aufgrund der Grenzflächenenergie σsgs (Bindungsenergie pro Grenzfläche) und der Volumenphase ( Schmelzhaftung, „Kaltverschweißen“) weiter verstärkt und führt zur Sinterhalsbildung. Sinterbrückenbindungen können schon bei normalen Umgebungstemperaturen  bei (weichen) Kunststoffpulvern, fett- und eiweißhaltigen Futter- und Lebensmitteln entstehen. Gewöhnlich beginnen Sinter-Mikroprozesse von VAN-DERWAALS-Festkörpern durch Oberflächen- oder Volumendiffusion schon bei T≈ (0,75...0,9) ⋅ Tm ,

(6.127)

Tm  Schmelztemperatur, ⇑ Polymere → Metalle → Metalloxide wobei molekulare Platzwechselvorgänge sich an der Partikeloberfläche (hohe Häufigkeit struktureller Fehlordnungen, hohe molekulare Mobilität und Diffusionsaktivität) bei geringeren Temperaturen vollziehen als in der Partikelvolumenphase (geringere Fehlstellenhäufigkeit). Bei merklichem Dampfdruck an der Feststoffoberfläche tritt Verdampfung (= Sublimation) und bei geringe-

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401 rem Dampfdruck an den Rauhigkeitskontakten Kondensation (= Desublimation) am sich bildenden Sinterhals ein. Den Mikroprozesse des Sinterns (Polke, Rumpf, Sommer u.a.) ist eine ausge prägte Zeitabhängigkeit t (Mikroprozesskinetik) und Temperaturabhängigkeit T (⇒ insbesondere der Stoffwerte) eigen Tabelle 6.5 28: n E    d S  ∝ f ( t,T ) ⋅ exp   − S  .     d     R T 

dS  d ES

(6.128)

Sinterhalsdurchmesser Partikelgröße Aktivierungsenergie beim Sintern Tabelle 6.5: Sinter-Mikroprozesse29

Mikroprozess viskose Kontaktabplattung28

n 3

f(t, T) 3   t 1   F N  +  32 η G 0  d 2

Materialverhalten linear viskoelastisch*

2σsg 1 F N   viskoses Fließen mit Sinterhalsbil- 2 8 t   linear viskos   + 2   5 η  d π d   dung28 σsg a 4A DS Oberflächendiffusion 7 diffusiver Transport d 4 k B T

Volumendiffusion

5

σsg a 3A D V 3

d  k B T

Verdampfung und Rekondensation 3

⋅t

diffusiver Transport

⋅t

σsg a 3A p D / p 0 d k B T

⋅t

diffusiver Transport

*

Reihenschaltung von Feder- und Dämpfungselement (MAXWELL-Körper) aA Gitterabstand der Atome (z.B. ≈ 0,3 nm) DS ,DV Oberflächen- bzw. Volumendiffusionskoeffizient (stoffabhängig) k B Boltzmannkonstante = 1,38 10 -23 J/K  pD  Dampfdruck  p0  Sattdampfdruck Für die zeitabhängige Haftkraft F Ht  gilt hier analog zur Gl.(6.55) die lineare Haftkraftzunahme mit der Haftkraft des Kugelkontaktes κt⋅FH0 plus einer von außen aufgeprägten Normalkraft κt⋅F N (Verfestigungskraft)30: FHt

= FH 0,t + κ t ⋅ F N = κ t ⋅ FH 0 + κ t ⋅ F N = κ t ⋅ (FH 0 + F N )

mit

(6.129)

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992

28 Rumpf, H., Sommer, K. und K. Steier, Mechanismen der Haftkraftverstärkung bei der Partikelhaftung durch plastisches Verformen, Sintern und viskoelastisches Fließen, Chem.Ing.-Techn. 48 (1976) 300-307 29 Polke, R., Zur Haftung zwischen Festkörpern bei erhöhten Temperaturen, S. 7, Diss. TU Karlsruhe 1971 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

402 FH 0,t

=

4 ⋅ π ⋅ d ⋅ σ sg ⋅ σ Zs 5 ⋅ ηs

⋅ t = κ t ⋅ 2 ⋅ π ⋅ d ⋅ σ sg

(6.130)

σsg

spezifisch freie Grenzflächenenergie (Grenzflächenspannung solid-gassolid sgs) ≈ 0,1 ... 11,4 J/m² (...Diamant; s. auch Gl.(6.4)) σZs Zugfestigkeit des sinternden Brückenmaterials mit dem viskosen Repulsionskoeffizienten

κt =

2 ⋅ σ Zs 5 ⋅ ηs ( T )

⋅t

(6.131)

und einer Feststoffviskosität bzw. viskosen Partikelkontaktsteifigkeit ( ηs > 1013 Pa ⋅ s ) sowie deren exponentieller Energieverteilung

  E γ    . ηs = ηs,min ⋅ exp ( ) R  T T ⋅ − r      

E γ

(6.132)

Aktivierungsenergie des thermisch aktivierten Sinterprozesses

Temperaturparameter, 0 K < Tr  < Tg ≤ Tm= 200...400 K für Polymere Glastemperatur (Gläser = metastabile unterkühlte Flüssigkeiten, d.h. Bildung amorpher („formloser“) Festkörperstrukturen; nur Nahordnung der Atom- und Molekülverbände) Tm Schmelz- oder Erstarrungstemperatur (Bildung makroskopisch regulärer, kristalliner Festkörperstruktur = Fern- oder Volumenordnung) σZs Zugfestigkeit des Sintermaterials = 10...60 N/mm 2 für Polymere ηs,min Viskositätsparameter = ηs,∞  für T → ∞ Hier hat man es mit einem thermisch aktivierten Partikel-Mikrofusionsprozess zu tun. Unterhalb der sog. „Glastemperatur“ wird die Beweglichkeit (Elastizität) der Makromolekülketten von Polymeren stark eingeschränkt (Übergang von einer nichtlinearen „Gummi“-Elastizität in die lineare „Glas-“ oder Festkörper-Elastizität). Der E-Modul (= Steifigkeit) steigt dann von etwa E R  = 0,01...0,1 kN/mm2 bis auf E ≈ 1000⋅ER . Für die zeitabhängige Zugfestigkeit der unverfestigten Kontakte gilt: Tr  Tg

σ0t =

1 − ε 0 FH 0,t 1 − ε 0 4 ⋅ π ⋅ σ Zs ⋅ σ sg ⋅ t ⋅ 2 = ⋅ = κ t ⋅ σ0 . ε0 d ε0 5 ⋅ ηs ⋅ d

(6.133)

6.1.4 Formschlüssige Bindungen Bei faserigen, plättchenförmigen und sehr rauen Partikeln können formschlüssige Bindungen auftreten, indem sich diese ineinander verhaken oder verfilzen, Folie 6.8c. Dieser Mechanismus tritt z.B. beim Komprimieren von Natur- und Textilfasern oder beim Brikettieren von Metall- oder Holzsägespänen auf.

MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

403 6.2

Spannungszust and und Fließverhalten von Schüttg ütern

Eine Schüttung stellt eine ruhende oder sich bewegende ("fließende") Packung von Partikeln dar, deren Zwischenraumvolumen durch Gase und/oder Flüssigkeiten gefüllt ist. Trotz der daraus resultierenden Inhomogenität können Schüttgüter in mancher Hinsicht als Kontinuum  aufgefasst werden. Ein fluidisiertes feines Pulver verhält sich ähnlich wie eine NEWTONsche Flüssigkeit, während ein locker gepacktes mit einem idealen plastischen Medium verglichen werden kann. Mit Zunahme der Packungsdichte nähern sich die Schüttguteigenschaften denen eines porösen elastisch-plastischen Festkörpers . In neuerer Zeit gewinnen aber zunehmend Arbeiten an Bedeutung, die das kontinuumsmechanische Verhalten von Schüttgütern auf die Wechselwirkungen zwischen den Partikeln zurückführen19,27, 30 /3.147//3.148/.

6.2.1 Ruhedruckbeiwert Für Druck und Kompression  als wesentliche Beanspruchungen von Partikelsystemen wird das + Vorzeichen  vereinbart. Aufgrund der Belastung eines Schüttgutes - im Allgemeinen durch sein Eigengewicht - oder äußere Kräfte F N können elastische, plastische oder viskose Verformungen im Kontinuum eintreten (siehe auch Abschnitt 6.1.1.3). Im zuerst genannten Fall ergibt sich bei vertikaler Druckbelastung und verhinderter seitlicher Ausdehnung (- ∆l2 = -∆l3 = 0 und folglich σ 2 =σ3 ) für das Verhältnis der Normalspannungen (Hauptspannungen):

λ0 =

σ2 ≈ 1 − sin ϕi . σ1

(6.134)

λ0  wird in der Bodenmechanik  als Ruhedruckbeiwert bezeichnet, nachdem sich experimentell ergeben hatte, dass Proportionalität zwischen den Normalspannungen ( ϕi innerer Reibungswinkel) besteht, wenn nur Deformationen in vertikaler Richtung auftreten können /3.117/. λ0 hängt von den Materialeigenschaften und auch von der Packungsdichte 1 - ε ab: λ0 = 0 steifer oder starrer Festkörper, λ0 = 0,4...0,5 Schüttgüter, Böden (aktiver Spannungszustand), λ0 = 1 Flüssigkeiten und λ(∆l1=0, ∆l2=∆l3) > 1 Schüttgüter, Böden (passiver Spannungszustand). Die Aufstellung eines Kräftegleichgewichtes (die Schubspannungspaare sind momentenfrei!) in vertikaler y-Achse und horizontaler x-Achse an einem sol-

  Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 30 Tomas, J.: Modellierung des Fließverhaltens von Schüttgütern auf der Grundlage der Wech-

selwirkungskräfte zwischen den Partikeln und Anwendung bei der Auslegung von Bunkeranlagen, Diss. B (Habilitation), TU Bergakademie Freiberg 1991 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

404 chen Volumenelement dV = dx ⋅dy⋅dz lässt sich formal zu einer einzigen Darstellung mit m = 0, Formfaktor des ebenen Spannungsfeldes, dz > (3...6) ⋅dx, und m = 1 (Formfaktor des axialsymmetrischen Spannungsfeldes) gemäß Folie 6.18 zusammenfassen. Beide Differentialgleichungen bilden zusammen mit der für die Lösung (mindestens 3 Unbekannte!) notwendigen Beschreibung des Materialverhaltens die Grundlage für eine umfassende Modellierung der mehrachsigen Spannungsfelder (⇒ siehe auch numerische Charakteristiken- und FEM-Lösungsmethoden). Betrachtet man nunmehr ein horizontal mit dz ausgedehntes Schüttgut-Prisma gemäß Folie 6.18, dessen Querschnitt genügend klein ist, d.h.

dx  (25...100) d,

(6.135)

damit sein Eigengewicht vernachlässigt werden kann, so gilt das Kräftegleichgewicht in Folie 6.19.

6.2.2 Herleitung des MOHRschen Spannungskreises Kräftegleichgewicht am prismatischer Körper der Länge dz in σα- bzw. ταRichtung: 

∑F

σα





Fτα

σx + σy

=0

σα =

=0

τα = −

2

+

σx − σy 2

σx − σy 2

⋅ cos 2α + τ xy ⋅ sin 2α

⋅ sin 2α + τ xy ⋅ cos 2α .

(6.136)

(6.137)

Eliminiert man aus diesen Gleichungen den Winkel α durch Quadrieren und Addition beider Gln., so folgt in allgemeiner Form der MOHRsche Spannungskreis: 2

2

σ + σ y      σ α − x  + τ α2 2    

 σ − σ y    + τ 2xy . =  x   2  

(6.138)

Es ist nun von Interesse, wo die Spannung σα Extremwerte annimmt, d.h. 1) Für

∂σ α = 0 ≡ τα ∂α

tan 2α 0

=−

σ α → σ1 = → σ2 =

2 ⋅ τ xy

π   = tan 2   + α0  σx − σy  2   σx + σy 2

σx + σy 2



+

σx − σy 2

σx − σy 2

⋅ cos 2α 0 + τ xy ⋅ sin 2α 0

⋅ cos 2α 0 − τ xy ⋅ sin 2α 0 .

(6.139)

(6.140)

(6.141)

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405 Da auf der Fläche ds ⋅dz τα = 0 sein kann, liefert dies die sog. größte Hauptspannung 1 und die kleinste Hauptspannung 2. 2) Für τ xy = τ yx = 0   folgen zwei im Winkel α1, 2 = α 0 ±

π 4

 senkrecht aufei-

nander stehende Normalspannungen σx ⇒ σ1 und σy ⇒ σ2 sowie die Normal- und Scherspannung σα ⇒ σ und τα ⇒ τ

(σα − σ M )2 + τ2 = σ 2R   mit σ M = σ1 + σ 2  und σ R  = σ1 − σ 2 . (6.142) 2

2

Das ist die Gleichung eines Kreises (Folie 6.20). Im Koordinatensystem τ=f(σ) liegt dessen - Mittelpunkt bei σM = (σ1 + σ2)/2, - der Radius beträgt σR  = (σ1 - σ2)/2. Für jede um α  geneigte Fläche (im Gegenuhrzeigersinn aufgetragen!) lassen sich die Spannungen in einer Darstellung

 = f( )

 in

R =

f(

M)

 in

2 =

f( 1)

(6.143)

mit Hilfe dieses MOHRschen Spannungskreises umwandeln. In dreidimensionaler Darstellung beachte man: Spannungen (= Kraftvektoren auf geneigte Flächen mit Normalenvektor) sind Tensoren:

 σ x τ yx τ zx     τ xy σ y τ zy  . τ    xz τ yz σ z  

(6.144)

Im Falle eines Bruches stellt die o.g. Fläche eine Gleitfläche (Gleitebene) dar, wobei die Neigung der Hauptspannungen abgelesen werden kann (Folie 6.20). Aus der Darstellung in Folie 6.20 ist zu erkennen, dass die Koordinaten des Punktes P die Beträge von σ  und τ auf der Fläche mit der Neigung α liefern. Dabei ist zu beachten, dass Druckspannungen mit positivem, Zugspannungen mit negativem Vorzeichen aufgetragen werden. Gewöhnlich liegen für die in Schüttgütern anzutreffenden Spannungszustände die Mittelpunkte der MOHRKreise auf der positiven σ-Achse und ihr Radius ist von null verschieden (d.h. σ1 > 0; σ 2 > 0 ). Bei einem einachsigen (einaxialen) Spannungszustand ( einachsiger Zug oder Druck) ist nur eine Hauptspannung von null verschieden und der Kreis berührt die Ordinate. Sind die Hauptspannungen gleich groß ( σ1 = σ2; isostatischer oder hydrostatischer Spannungszustand ), dann schrumpft der Kreis zu einem Punkt, siehe dazu auch die zweiachsigen Spannungszustände einer gescherten Partikelpackung: Folie 6.21, Folie 6.22 und Folie 6.23.

6.2.3 Bruchhypothesen und Fließkriterien

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406 Für die Schüttgutmechanik ist von wesentlichem Interesse, bei welchem Spannungszustand das Fließen, d.h., der Bruch bzw. das Versagen des Schüttgutes eintritt. Ein Fließkriterium bzw. eine Bruchhypothese muss folglich eine Aussage über die Spannung machen, die zum Bruch, Fließen oder zu einer irreversible plastische Verformung führt. Dazu sind nur Zug- oder Schubspannung und keine Druckspannungen in der Lage. 1) HUBER-MIESES-HENCKY:  Bruch nach Erreichen maximaler Gestaltänderungsarbeit,  für Metalle,  Vergleichsnormalspannung σV ≤ σzul als maximal aufnehmbare Normalspannung bzw. zulässige Zugspannung gegen Zugbruch : σ V = σ1 = σ 2x + σ 2y − σ x σ y + 3 ⋅ τ 2xy ≤ σ zul . (6.145) Für eine große Anzahl von Stoffen reicht diese kontinuumsmechanische Bruchhypothese nicht mehr aus, da das Versagen  des Werkstoffes schon durch geringere Schubspannungen τzul < σzul verursacht wird. Der Zusammenhang einer Schubspannung als Funktion der Normalspannung τ = f( σ) (hier werden Druckspannungen positiv  dargestellt) wird für ein gegebenes Material durch die Einhüllende aller MOHR-Kreise dargestellt, die den Bruchzustand charakterisieren: 2) Von TRESCA:  Bruch durch maximale Schubspannung τmax,  Bruch- oder Scherfläche um den sog. Gleitwinkel  von α = π/4 = 45° zur Richtung der beiden Hauptspannungen geneigt,  für zähe Werkstoffe zweckmäßig,  Vergleichsnormalspannung ist:

σ V = 2 ⋅ τ max =



x

− σ y )2 + 4 ⋅ τ 2xy ≤ σ zul .

(6.146)

3) COULOMB-MOHR:  Festkörperreibung (sog. COULOMB-Reibung) eingeführt mittels inneren Reibungswinkel ϕi,  Verhältnis aus Scherkraft zur Normalkraft ≤ Reibungskoeffizient FS / F N ≤ µi = tan ϕi   (6.147)



 

Das Gleichheitszeichen gilt für die vollmobilisierte Reibung, d.h. für die Grenzspannungsfunktion der COULOMB-Reibung Druckfestigkeit (im Inneren jedoch Zug- oder Scherbrüche!) wesentlich größer als Zugfestigkeit, Für "bindige" bzw. "kohäsive" Böden, spröde Werkstoffe, Scherfläche um den Gleitwinkel σ2 τ (6.148) α = π / 4 + ϕi / 2   α zur Richtung der kleinsten Hauptspannung geneigt,

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407

Grenzspannungsfunktion bzw. Fließort (Folie 6.23):

τ max = τ = tan ϕi ⋅ σ + τc = tan ϕi ⋅ (σ + σ Z )   σ R  =

σ1 − σ 2

= sin ϕi ⋅ (σ M + σ Z )   mit σ M =

2

(6.149)

σ1 + σ 2 2

.

(6.150)

σZ  τc

(dreiachsige) Zugfestigkeit im negativen σ-Bereich, Kohäsion, d.h. Scherfestigkeit für σ = 0, Spannungszustände, die durch Kreise gekennzeichnet sind, die die Umhüllende schneiden, können nicht existieren, weil das Fließen schon bei niedrigeren Spannungen eingetreten wäre. Andererseits charakterisieren MOHR-Kreise innerhalb der Umhüllenden Spannungszustände, die noch kein Fließen, sondern nur elastische Deformation herbeiführen. 4) JENIKE (1961):  Grenzspannungsfunktion hat Endpunkt E und  ist von der Schüttgutdichte b bzw. Porosität abhängig.  Unterscheidung in beginnendes (instationäres) und  stationäres kohäsionslosen Fließens von  Schüttgütern  bei σ  < 100 kPa, d.h. effektiver Fließort, Folie 6.30

τ = tan ϕe ⋅ σ .

(6.151)

Mit dem effektiven (oder wirksamen inneren) Reibungswinkel ϕe: sin ϕe =

σ R ,st σ1 − σ2 = . σ M ,st σ1 + σ2

(6.152)

5) Gemäß MOLERUS (1978):  Erstmalige Einführung mikroskopischer partikelmechanischer Haftkraftmodelle  zur physikalisch  begründeten Erklärung bisher nur kontinuumsmechanisch zugänglicher Stoffgesetze.  Grenzspannungsfunktion ist von der Wirkung der Haftkräfte zwischen den Partikeln abhängig.   Nur  irreversible, rein plastische Partikelkontaktdeformation Apl betrachtet (- Vorzeichen = Haftung, + Vorzeichen = Repulsion):

∑ F = 0 = −F

H0



(6.153)

Diese mittleren mikroskopischen Kontaktkräfte FT und F N und die resultierenden Spannungen im Kontinuum τ und σ lassen sich unter bestimmten Voraussetzungen analytisch ineinander umrechnen (1- ε Packungsdichte):

τ, σ = 

− p VdW ⋅ A pl − F N +  p f  ⋅ A pl .

1 − ε FT , F N

ε



d 2

 

(6.154)

Einführung des kohäsiven stationären Fließens kohäsiver Schüttgüter bei σ < 100 kPa, siehe Gln.(6.55) und (6.56).

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408 

Physikalischer begründeter Zusammenhang zwischen dem stationären ϕst und dem inneren ϕi Reibungswinkel: tan ϕst







= (1 + κ p ) ⋅ tan ϕi = const.  

(6.155)

3 physikalisch begründete Fließkennwerte plus der Einfluss eines charakteristischen mittleren Druckes M,st Folie 6.23: (1) ϕi innere Festkörperreibung  (Gleitreibung) versagender Partikelkontakte, (2) ϕst stationäre Partikelreibung, charakterisiert Zunahme der Haftkräfte (Reibung) infolge verfestigender äußerer Kräfte, (3) σ0 dreiachsige Zugfestigkeit   des unverfestigten Schüttgutes und (4) σM,st  Einfluss der mechanischen Beanspruchungsvorgeschichte, svw. mittlerer Vorverfestigungsdruck , im Schüttgutkontinuum; unmittelbarer Zusammenhang zur Schüttgutdichte ρ b = f(σM,st) Gl.(6.182). stationärer Fließort: σM,st Mittelpunktspannung bei stationärem Fließen σR,st Radiusspannung bei stationärem Fließen (= Vorverfestigung) σ R ,st = f (σ M ,st )   (6.156)

τ = f (σ ) . Momentanfließort (beginnendes Fließen): σ R  = f [σ M ]   τ = f [σ].

(6.157) (6.158) (6.159)

6) NEU! (TOMAS 1987/1999):  Wesentliche Erweiterung bisheriger partikel- und kontinuumsmechanischer Bruchhypothesen   durch Einführung neuer , physikalisch begründeter Modelle 31 der  Momentanfließorte, stationären Fließorte und Verfestigungsorte  für elastisch-plastische Kontaktdeformationen und reibungsbehaftetem Kontaktgleiten mit lastabhängiger Haftkraft sowie der 30, ,  Zeitfließorte mit viskoplastischer Kontaktdeformation 32 33:  Grenzspannungsfunktion ist von der Summe der elastischen Ael, irreversibel plastischen A pl  und zeitabhängigen viskoplastischen (svw. viskosen) Avis Partikelkontaktdeformationen abhängig:   Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 31 Tomas,

J: Particle Adhesion Fundamentals and Bulk Powder Consolidation, KONA – Powder and Particle 18 (2000), 157-169 32 Tomas, J., Zur Produktgestaltung kohäsiver Pulver – mechanische Eigenschaften, Kompressions- und Fließverhalten, Chem.- Ing.- Technik 75 (2003) 6, 65 1 – 661 (Übersicht) 33Tomas, J., The mechanics of dry, cohesive powders, powder handling & processing 15 (2003) 296-314 (review) MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

409

∑ F = 0 = −F

H0

− p VdW ⋅ (A el + A pl + A vis ) − F N + FW ,el +  p f  ⋅ A pl + ηs / t ⋅ A vis (6.160)

Es werden sowohl geringe elastische A el als auch plastische Kontaktab plattungen A pl  mit dem Kontaktflächenverhältnis κA  (siehe Gl.(6.57))  berücksichtigt.  Verallgemeinert ist die gesamte Haftkraft somit: 

FH ,ges 

= FH + FHt = (1 + κ + κ t ) ⋅ FH 0 + (κ + κ t ) ⋅ FN .

Einführung einer zusätzlichen viskoplastischen Kontaktrepulsion  bzw. Kontaktverfestigung κt bei σ < 100 kPa ( σa ≡ pVdW Kontaktfestigkeit, siehe auch Gln.(6.129) und (6.131)):

κt =

 p σa ≈ VdW ⋅ t . ηV ⋅ ε V ηs (T)

ηV ε V   

(6.162)

Volumenviskosität (viskoplastische Steifigkeit), Kontaktdeformationsgeschwindigkeitsgradient

Damit folgt der Zusammenhang zwischen innerer Partikelreibung und viskoplastischer zeitabhängiger Kontaktdeformation tan ϕst



(6.161)

= (1 + κ + κ t ) ⋅ tan ϕit ≠ f ( t ) = const.  

(6.163)

oder umgerechnet für den Reibungswinkel (Anstiegswinkel eines Zeitfließortes): tan ϕit

= 1+

tan ϕi . tan ϕi ⋅ p VdW ⋅ t tan ϕst

(6.164)

⋅ ηs (T )



Zusätzlich zu den 3 Kennwerten ϕi, ϕst, σ0  in der Gl.(6.169),  2 neue  physikalisch begründete Fließkennwerte: (5) ϕit innere Festkörperreibung   versagender Partikelkontakte und (6) σ 0 t = κ t ⋅ σ 0 dreiachsige Zugfestigkeit  des Schüttgutes.



Mit dem linearen Stoffgesetz der lastabhängigen Haftkraft F H(F N), Gl.(6.55), FH = (1 + κ )⋅ FH 0 + κ ⋅ F N ,

(6.55)

der Grenzbedingung der Tangentialkraft bei Abgleiten im adhäsiven Partikelkontakt für Coulomb-Reibung FT ,C,H

= µ i ⋅ (1 + κ )⋅ (FH 0 + F N ) ,

(6.165)

sowie mit einem näherungsweise konstantem elastisch-plastischen Kontaktverfestigungskoeffizienten κ ≈ const., siehe Gl.(6.56), und mit dem Mikro-Makro-Übergang  der Kontaktkräfte in Spannungen,

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410 Gl.(6.154),  folgt eine bequeme lineare Gleichung des stationären Fließortes (Index st für stationäres Fließen)

τ = tan ϕi ⋅ (1 + κ ) ⋅ (σ + σ 0 ) = tan ϕst ⋅ (σ + σ 0 )  

(6.166)

und als Radius-Mittelpunkt-Funktion σR,st = f(σM,st):

σ R ,st = sin ϕst ⋅ (σ M ,st + σ 0 )

 

(6.167)

Mit dem kohäsionslosen effektiven Fließort nach JENIKE, siehe Gl.(6.151) und Bild 6.9,  folgt die Spannungsabhängigkeit des effektiven Reibungswinkels φe:

σ R ,st = sin ϕst ⋅ (σ M ,st + σ0 ) = sin ϕe ⋅ σ M ,st sin ϕe

  σ   = sin ϕst ⋅ 1 + 0      σ M ,st  

(6.168)

Bild 6.9: Der effektive und stationäre Fließort (EFO und SFO) im σ-τDiagramm 

Momentanfließort für beginnendes Fließen nach elastisch-plastischer Partikelkontaktverfestigung, Gl.(6.54) und Folie 6.23:

   sin ϕst   sin ϕst σ R  = sin ϕi ⋅ σ M +  − 1 ⋅ σ M ,st + ⋅ σ0    sin ϕi   sin ϕi    

(6.169)

oder vereinfacht mit der Gl.(6.167) des stationären Fließortes:

σ R  = sin ϕi ⋅ (σ M − σ M ,st ) + σ R ,st  

(6.170)

Der Fließort hat30 einen positiven Anstieg (+ Vorzeichen vor σM bzw. σ), beginnt links im Punkt der isostatischen Zugfestigkeit σZ und endet rechts im Mohrkreis des stationären Fließens σM = σM,st:

σR ,st  sin ϕst   sin ϕst ⋅ σ0   − σM ,st =  − 1 ⋅ σM ,st + sin ϕi sin sin ϕ ϕ i i     Dementsprechend ist im τ = f(σ) – Diagramm: σZ =

(6.171)

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411



  sin ϕst    sin ϕst τ = tan ϕi ⋅ σ +  − 1 ⋅ σ M ,st + ⋅ σ0    sin ϕi    sin ϕi   

(6.172)

σ   τ = tan ϕi ⋅ σ + R ,st − σ M ,st  = tan ϕi ⋅ [σ + σ Z ] .  sin ϕi 

(6.173)

Verfestigungsort als Grenzspannungsfunktion, der alle Spannungszustände beschreibt, die zu einer Vorverfestigung - also Vorverdichtung und Konsolidierung - eines kohäsiven Schüttgutes führen  Folie 6.23:

σR  = sin ϕi ⋅ (− σM + σiso ) = sin ϕi ⋅ (− σM + σM ,st ) + σR ,st  

(6.174)

   sin ϕst   sin ϕst σ R  = sin ϕi ⋅ − σ M +  + 1 ⋅ σ M ,st + ⋅ σ0    sin ϕi   sin ϕi    

(6.175)

Dieser Verfestigungsort hat einen negativen Anstieg (- Vorzeichen vor σM bzw. σ), beginnt links im Mohrkreis des stationären Fließens σM = σM,st und endet rechts im Punkt des isostatischen Druckes σiso:

σR ,st  sin ϕst   sin ϕst + σM ,st =  + 1 ⋅ σM ,st + ⋅ σ0   sin ϕi sin sin ϕ ϕ i i     Die Funktion τ = f(σ) ist:    sin ϕst   sin ϕst τ = tan ϕi ⋅ − σ +  + 1 ⋅ σ M ,st + ⋅ σ0    sin ϕi   sin ϕi     σiso =

σ   τ = tan ϕi ⋅ − σ + R ,st + σ M ,st  = tan ϕi ⋅ [σiso − σ] . sin ϕi  



(6.176)

(6.177)

(6.178)

Mikroskopische Ursache dieser typischen makroskopischen Schüttgutverfestigung sind die sich entwickelnden elastisch-plastischen Partikelkontaktverfestigungen gemäß Gl.(6.54). Zeitfließort, d.h. beginnendes Fließen nach zusätzlicher viskoplastischer Kontaktverfestigung , Gln. (6.160) und (6.161):

σ   σ Rt = sin ϕit ⋅ σ Mt + R ,st − σ M ,st    sin ϕit   und im τ = f(σ) – Diagramm ist: σ   τ t = tan ϕit ⋅ σ t + R ,st − σ M ,st  . sin ϕit  

(6.179)

(6.180)

Der Verlauf o.g. Grenzspannungsfunktionen hängt folglich ab von • den granulometrischen Eigenschaften, • den Bedingungen und Stoffgesetzen der Kontaktverfestigung  oder Haftkraftverstärkung der Partikel im Schüttgut und vor allem • von den Vorverfestigungsspannung σM,st sowie • von der Packungsdichte (Porosität).

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412

6.2.4 Fließkennwerte von Schüttgütern 6.2.4.1 Fließfunktion Vergleicht man ϕi bzw. ϕe mit dem vielfach zur Beurteilung der Fließfähigkeit von Schüttgütern herangezogenen Böschungswinkel ϕB, so gilt nur für kohäsionslose Güter ϕi ≈ ϕe ≈ ϕB Folie 6.24. Letzterer lässt sich durch Ausmessen eines aufgeschütteten Schüttkegels gut reproduzierbar ermitteln /3.145./. Für die Kennzeichnung der Festigkeitseigenschaften eines kohäsiven Schüttgutes ist vor allem die einaxiale (einachsige) Druckfestigkeit c  bedeutsam, die vom Gut als Folge einer Verfestigungsspannung (größte Hauptspannung  beim Verfestigen) σ1  aufgebracht wird (Folie 6.23). Den Betrag von σc erhält man aus dem zugehörigen Fließort, indem man einen MOHR-Kreis zeichnet, der durch den Koordinatenursprung ( σ2 = 0) verläuft und den Fließort tangiert. Die einaxiale Druckfestigkeit σc entspricht somit der Spannung, die in einem Schüttgutzylinder, der mit σ1  verfestigt wurde, bei einachsigem Druck zum Bruch bzw. Fließen führt. Folglich fließt ein Schüttgut umso leichter, je geringer σc  bei vorhandener Verfestigungsspannung σ1 ist. Für die Charakterisierung der Fließfähigkeit kohäsiver Schüttgüter eignet sich deshalb besonders der Quotient aus der größten Hauptspannung σ1 und der einaxialen Druckfestigkeit σc, der als Fließfunktion ff c (im Sinne einer dimensionslosen Kennzahl) bezeichnet wird: ff c =

σ1   σc

ff c 10 ≤ ff c 4 ≤ ff c 2 ≤ ff c 1 ≤ ff c ff c, ff ct

oder

< 10 < 4 < 2 < 1

ff ct =

σ1 . σ ct

Kennzeichnung freifließend (rieselfähig) leichtfließend kohäsiv sehr kohäsiv nicht fließend, verhärtet mit Festkörpereigenschaften

(6.181)

Beispiele trockener Sand feuchter Sand trockener Zement feuchte Pulver gealterter Zement

Tabelle 6.6: Fließfunktion von Schüttgütern Die von JENIKE /3.143/ vorgeschlagene Einteilung der Schüttgüter soll hier mit einer Ergänzung bezüglich verhärteten Gutes angeführt werden, Tabelle 6.6 /3.144/. Bei kohäsionslosem Gut ( τc = 0, Fließort geht durch den Koordinatenursprung) ist keine Druckfestigkeit vorhanden ( σc  = 0), so dass die Fließfunktion gegen unendlich geht. Die Klasse "verhärtet" wird dadurch abgegrenzt, dass hier die einaxiale Druckfestigkeit σct größer als die Verfestigungsspannung σ1 ist, Tabelle 6.6.

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413 Dies kann nach einer Verfestigung des Schüttgutes in zeitlicher Ruhelage als sog. Zeitverfestigung auftreten und entsteht einerseits als Ergebnis von Festkörperbrückenbindungen (Gln.(6.113) oder (6.121)). Die sind wiederum über sog. Zeitfließorte (Folie 6.30) mit den zugehörigen Kenngrößen wie Zugfestigkeit σZt, Kohäsion τct und innere Reibungswinkel ϕit beschreibbar. Andererseits, wenn ein Pulver längere Zeit unter dem Verfestigungsdruck σ1 in Ruhe lagert, so wird sich ebenfalls die einaxiale Druckfestigkeit σct erhöhen und der ff ct-Wert verringern (Folie 6.30). Ursache ist hier die zunehmende viskose Abplattung der Partikelkontakte (siehe Abschnitt 6.1.1.3, Gl.(6.131)). 6.2.4.2 Kompressionsfunktion Die Kompressibilität  bei Schüttgütern entspricht der Druckabhängigkeit der Packungsdichte und wird beeinflusst von folgenden Mikrovorgängen: (1) Umlagerung  steifer Partikeln mit steifen Kontakten zu einer dichteren Zufallspackung, (2) Deformation weicher Kontakte von harten (mineralischen) Partikeln und (3) Deformation weicher Partikeln (z.B. Biozellen). Siehe Folie 6.25, die typische Verdichtbarkeit oder Kompressibilität, d.h. die Druckabhängigkeit der Schüttgutdichte kohäsiver Pulver ist durch folgende Gleichung beschreibbar (Herleitung siehe Kapitel 7 MVT_e_7neu.doc#Schüttgutdichte_Sigma_Mst):

  σ   ρ b = ρ b,0 ⋅ 1 + M ,st    σ 0  

n

(6.182)

Hierbei ist ρ b0 ist die Schüttgutdichte der lockeren unverfestigten Packung beim mittleren Druck σM,st = 0. Diese Verdichtungs- oder  Kompressionsfunktion, Gl.(6.182), lässt sich auch durch Ersetzen von M,st mittels der größten Hauptspannung 1 berechnen: Die größte Hauptspannung σ1 ist am MOHR-Kreis des stationären Fließens:

σ1 =

σ1 − σ 2 2

+

σ1 + σ 2 2

= σ R ,st + σ M ,st

(6.183)

Ersetzen der Radiusspannung σR,st mit Hilfe der Gl.(6.167) des stationären Fließortes (6.167) σ R ,st = sin ϕst ⋅ (σ M ,st + σ 0 ) und es folgt Umrechnung σ1 = f(σM,st):

σ1 = sin ϕst ⋅ (σ M ,st + σ 0 ) + σ M ,st

(6.184)

σ1 = σ M ,st ⋅ (1 + sin ϕst ) + sin ϕst ⋅ σ 0

(6.185)

Addieren von σ0 auf beiden Seiten der Gleichung liefert:

σ1 + σ0 = σ M ,st ⋅ (1 + sin ϕst ) + sin ϕst ⋅ σ0 + σ0 = σ M ,st ⋅ (1 + sin ϕst ) + σ0 ⋅ (1 + sin ϕst ) σ1 + σ0 = (1 + sin ϕst ) ⋅ (σM ,st + σ0 )

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414

σ M ,st + σ 0 =

σ1 + σ 0 1 + sin ϕst

(6.186)

Einsetzen von Gl.(6.186) in Gl.(6.182) liefert die Verdichtungsfunktion  als Funktion ρb = f( 1), wie sie für die Trichterauslegung benutzt wird: n

ρ b   σ1 + σ 0     1    =  = ρ b,0  (1 + sin ϕst ) ⋅ σ 0    1 + sin ϕst   ρ b   1    = ρ b ,0  1 + sin ϕ st  

n

  σ   ⋅ 1 + 1    σ 0  

n

  σ   ⋅ 1 + 1    σ 0  

n

n

(6.187)

Dies kann man auch mit einer modifizierten Schüttgutdichte der lockeren unverfestigten Packung ρ b,0* ausdrücken:

  1    ρ b* ,0 = ρ b,0 ⋅  + ϕ 1 sin st    

n

(6.188)

n

  σ   ρ b = ρ ⋅ 1 + 1  .   σ0  *  b , 0

(6.189)

Der Exponent n lässt sich als Kompressibilitätsindex  physikalisch sinnvoll interpretieren. Kohäsive Pulver haben bei geringen Verfestigungsspannungen von etwa σ1 < 100 kPa meist Werte um n ≈ 0,1 (siehe Tabelle 6.7).

Kompressibilitätsindex Bewertung Beispiele 0 ≤ n < 0,01 inkompressibel trockener Sand 0,01 ≤ n < 0,05 wenig kompressibel feuchter Sand 0,05 ≤ n < 0,1 kompressibel kohäsive Pulver 0,1 ≤ n < 1 sehr kompressibel sehr kohäsive Pulver Tabelle 6.7: Charakterisierung der Kompressibilität von Schüttgütern Die Packungsdichte kohäsionsloser  Schüttgüter sollte wegen σ0 →  0 durch folgende halbempirische Formel beschrieben werden: 1  

n

σ   1− ε =  1  . 2  σ1/ 50  

(6.190)

Für σ1 = σ1/ 50  ist 1 − ε = 0,5 , d.h., es wird annähernd die Packungsdichte einer kubischen Packung erreicht 1 − ε = π = 0,5236 . 6 Für die praktische Charakterisierung des Verdichtungsverhaltens von Pulvern  bei nicht zu großen Drücken hat sich diese Vorgehensweise sehr bewährt. Um den effektiven Reibungswinkel als Funktion φe = f( 1) darzustellen, wandelt man Gl.(6.186) um MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

415

σ1 + σ0 − σ0 1 + sin ϕst σ − sin ϕst ⋅ σ0 σ M ,st = 1 1 + sin ϕst σ M ,st =

(6.186)

σ M ,st =

σ1 + σ0 − σ0 − sin ϕst ⋅ σ0 1 + sin ϕst

σ0 σ0 ⋅ (1 + sin ϕst ) = σ M ,st σ1 − sin ϕst ⋅ σ0

und setzt sie in Gl.(6.168) ein

  σ     σ ⋅ (1 + sin ϕst )   = sin ϕst ⋅ 1 + 0  (6.168) sin ϕe = sin ϕst ⋅ 1 + 0 sin σ σ − ϕ ⋅ σ M ,st   1 st 0        σ − sin ϕst ⋅ σ0 + sin ϕst ⋅ σ0 + σ0    sin ϕe = sin ϕst ⋅  1 sin σ − ϕ ⋅ σ 1 st 0     sin ϕe

  σ1 + σ0       σ1 − sin ϕst ⋅ σ0  

sin ϕe = sin ϕst ⋅ 

(6.191)

wie sie für die Trichterauslegung  benutzt wird, siehe  Folie 6.47.  Für vergleichsweise große Hauptspannungswerte σ 1 >> σ0 geht φe → φst über. Wenn ein Schüttgut entlang einer Wand gleitet, dann kann die Wandreibung mittels eines Wandfließortes  gekennzeichnet werden (Folie 6.30). Der wichtigste Parameter ist hierbei der Wandreibungswinkel ϕW, der wie folgt definiert ist /3.143/:

ϕ W =  arctan

τW . σW

(6.192)

ϕW hängt vor allem vom Wandmaterial und dessen Rauhigkeit sowie von den Fließeigenschaften des Schüttgutes (Feuchte, Partikelgröße u.a.) ab.

6.2.5 Messung der Fließeigenschaften von Schüttgütern Die Fließeigenschaften kohäsiver Schüttgüter sind überschlägig mit Hilfe sog. Schnelltests Folie 6.26 und, physikalisch begründet, mittels der Ergebnisse direkter Schertests quantifizierbar /3.143.//3.146./ (Folie 6.27). Die Messmethodik direkter Scherversuche in Translationsschergeräten 34, 35 und Ringschergeräten 36 wurde international standardisiert. Ein Translationsschergerät (Folie 6.27a) besteht aus einem oberen linear verschiebbaren Ring, einem unteren bodenseitig geschlossenen Ring und einem Deckel. Der Innenraum wird mit der Schüttgutprobe gefüllt und durch Auf bringen einer Normalspannung σ  = Normalkraft F N/Querschnittsfläche A auf   Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992

34 The Institution of Chemical Engineers (Publ), Standard shear testing technique for particulate solids using the Jenike shear cell, Ruby 1989, Fehler! Hyperlink-Referenz ungültig. = 35 ASTM Standard D6128 - 06: Standard test method for shear testing of bulk solids using the Jenike shear cell, ASTM International, http://www.astm.org/search/fullsitesearch.html?query=shear%20testing%20bulk%20solids&resStart=0&resLength=10& 36 ASTM Standard D6773 - 08: Standard test method for shear testing of bulk solids using the Schulze ring shear tester, ASTM International, MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

416 eine bestimmte Porosität ε verdichtet. Durch Verschieben des oberen gegen den unteren Ring wird die Probe bei einer festgelegten Anschernormalspannung σA, die auf den Deckel aufgebracht wird, mittels der erforderlichen Schubspannung τ = FS/A angeschert (Folie 6.29). Dabei muss die Probe gemäß der Grenzbedingung ideal-plastischer Deformation unter Volumenkonstanz, d.h. dV = 0,  bzw. ε = const. oder ρ b = const., und damit auch stationär, d.h. mit zeitlich konstanter Schubspannung fließen. - Unter-, Überverfestigung und kritische Verfestigung beim Scherversuch (Folie 6.28) - beginnendes und stationäres Fließen (Folie 6.29) Wird die Probe dann unter schrittweise verminderter Normalspannung σ = F N/A abgeschert, so erhält man mit der jeweils zugehörigen Schubspannung τ = FS/A Wertepaare, die das beginnende Fließen (bei Auflockerung bzw. Porositätszunahme) auf dem Fließort charakterisieren (Folie 6.29). Wird das Schüttgut zwischen dem An- und Abschervorgang einer Lagerzeit unter Belastung mit einer Normalspannung σ  ausgesetzt, so erhält man den entsprechenden Zeitfließort, siehe Folie 6.30 links. Mit Hilfe der in Folie 6.27b dargestellten Anordnung ist die Ermittlung von Wandfließorten möglich.  Neben der Translationsscherzelle haben sich auch andere Geräte, wie die Torsionsscherzelle (Folie 6.27c) und die Ringscherzelle (Folie 6.27d), eingeführt, die auf dem Prinzip der Scherung mittels Drehbewegung - das Drehmoment M t wird gemessen - beruhen. Mit einem Triaxialgerät (Folie 6.27e) sind die Hauptspannungen σ1  und σ2 direkt messbar, wobei sich dann die zugehörigen Normalspannungen σ  und Scherspannungen τ  als innere Spannungen an den Gleit- bzw. Scherebenen entsprechend der Fließbedingung einstellen. • Gesamtdarstellung momentaner und stationärer Fließorte, Zeit- und Wandfließort Folie 6.30 Die einaxiale Druckfestigkeit σc von kohäsiven Schüttgütern kann auch direkt mit der in Folie 6.27f  dargestellten Anordnung gemessen werden. Sie besteht aus einer zylindrischen Form, in die die Schüttgutprobe eingebracht und mit der größten Hauptspannung σ1 weitestgehend wandreibungsfrei verdichtet wird. Danach wird die Form entfernt und die stabile Probe auf Druck bis zum Bruch belastet und den σc-Wert liefert. Der Zusammenhang zwischen c = f( 1) wird Verfestigungsfunktion genannt und wird in der Folie 6.31 beispielhaft für ein ultrafeines bis nanoskaliges, sehr kohäsive TiO2-Pulver gezeigt. Das steife  bis nachgiebige  Partikelkontaktverhalten und das daraus resultierende freifließende bis sehr kohäsive Pulverfließverhalten sowie das inkompressible bis sehr kompressible   Verdichtungsverhalten feinkörniger (d < 100 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

417 µm), ultrafeiner (d < 10 µm) bis nanoskaliger (d < 0,1 µm) kohäsiver Pulver wird in der Folie 6.32 zusammengefasst dargestellt. 6.3

Lagerung von Schütt gütern

Verfahrenstechnische Aufgaben einer Speicheranlage

(Folie 6.33)

6.3.1 Verfahrenstechnische Probleme mit Silos und Bunkern Schacht- und Brückenbildung

(Folie 6.34)

Schüttgutfluss in Bunkern, Massen- und Kernfluss

(Folie 6.35)

Entmischungen

(Folie 6.34)

ungünstige Verweilzeitverteilungen

(Folie 6.36)

Überlastungen und Havariegefahr

(Folie 6.37)

6.3.2 Auslegung von Silos und Bunker 6.3.2.1 Auslegungsschritte einer Speicheranlage wirtschaftliche Zielstellung

(Folie 6.38)

Auslegung Schaft und Trichter

(Folie 6.39)

Hilfs- und Nebenanlagen

(Folie 6.40)

Verfahrenstechnische Bunkerauslegung: - Der Speicherbedarf  hat übergeordnete Bedeutung für die Gesamtkosten der Anlage, z. B. in T€/m 3 Lagervolumen, ⇒ z.B. Haus ≈ 400 €/m3 umbauter Raum. - Gewöhnlich Auslegung für den ungünstigsten Fall, d.h., + Häufung der Anfuhr und Verzögerung der Abfuhr oder + Häufung der Abfuhr ohne Anfuhr. - Ermittlung mit den Massebilanzen verfahrenstechnischer Prozesse: dm dt

m

= m A − m d 

(6.193)

gespeicherte Masse

MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

418  d, m A m

Auslaufmassestrom (discharge), Einlaufmassestrom (Aufgabe)

∫ dm = ∫ m dt − ∫ m dt . A

(6.194)

d

→ Für den Stillstand des Einlaufes,

 E m

= 0 , ergibt sich die notwendige

Speichermasse) m Füll,1

= m d  ⋅ ∆t E,max .

(6.195)

∆tE,max

maximales Zeitintervall des Stillstandes des Einlaufstromes, d.h. der Austrag muss nachgeschaltete Prozesse versorgen → Für den Stillstand des Auslaufes, m d  = 0 , muss der Speicher noch aufnahmebereit sein, d.h. m Füll, 2

∆td,max

= m A ⋅ ∆t d , max .

(6.196)

maximales Stillstandszeitintervall des Austrages

→ Es muss der ungünstigste beider Fälle, d.h. die maximal notwendige Füllmenge, ermittelt werden:  ⋅ ∆t max . m Füll = k V ⋅ m

mFüll k v = 1,2...1,3

(6.197)

gesamte notwendige Füllmenge sog. Vorratskoeffizient zur Sicherheit

6.3.2.2 Auslegung eines Massenflusstrichters

- fließgerechte Auslegung der Apparatehauptabmessungen des Trichters für Massenfluss zur Vermeidung von Schacht- und Brückenbildung Folie 6.41, - Neigungswinkel Θmax,

(Folie 6.42, Folie 6.43)

- entscheidend für das gewünschte Massenflussprofil ist die fließgerecht gestaltete Trichterform, (Folie 6.44, Folie 6.45) daher nur Spannungen in Auslaufnähe betrachtet, siehe Folie 6.46.  unabhängig von den Bedingungen des Schüttgutfüllniveaus  aber typische Abhängigkeit der wesentlichen Fließkennwerte der Schüttgüter von der Verfestigungsspannung σ1, siehe Folie 6.47  Radiales Spannungsfeld  wird als einfacher Modellansatz angenommen: • Polarkoordinaten r und θ • in der Trichterspitze r = 0 sind alle Spannungen σr  = 0  Kräftegleichgewicht am Schlitzauslauf: Σ F ↓ = 0 = dFG - dFV dFT = dFF  = 0 vernachlässigt Mit der wirksamen Hauptspannung  an der Trichterwand σ1‘ oder Auflagerspannung ist:

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419

ρ b ⋅g⋅ b⋅ l⋅ dh B = σ1' ⋅2 ⋅ l⋅ dh B ⋅ sinδ⋅cosδ ρ ⋅g⋅ b σ1' =  b sin 2δ

(6.198)

oder Kreisöffnung:

ρ b ⋅g⋅π 4⋅ b 2 ⋅ dh B = σ1' ⋅π ⋅ b⋅ dh B ⋅ sinδ⋅cosδ ρ ⋅g⋅ b σ =  b 2⋅ sin 2δ ' 1

(6.199)

oder zusammengefasst:

σ1' =

ρ b ⋅g⋅ b . (1+ m)⋅ sin 2δ

(6.200)

m = 0 keilförmiger Trichter m = 1 konischer Trichter →  vergleiche auch in der   Folie 6.18 die Differentialgleichungen des ebenen und axialsymmetrischen Spannungsfeldes  b oder D = 2⋅r ⋅sinθ eingesetzt in Gl.(6.200) (in der Trichterspitze sei voraussetzungsgemäß σ1 = σ'1  = 0, d.h., Hauptspannung und wirksame Hauptspannung an der Wand sind gleich) ⇒ wegen des linearen Verlaufes des radialen Spannungsfeldes gilt δ = θ + ϕw r ⋅ g ⋅ ρ b ⋅ 1 + sin ϕe ) ⋅ s(θ*) ⋅ ( m + 1) ⋅ sin 2δ σ1 ff  = = 2 ⋅ r ⋅ g ⋅ ρ b ⋅ sin θ σ1'

(6.201)

 bzw. ff  = (1 + m) ⋅ sin 2(θ + ϕ w ) ⋅ s(θ*) ⋅

(1 + sin ϕ w ) 2 ⋅ sin θ

(6.202)

in dimensionsloser Darstellung von JENIKE gelöst; dabei ist die Funktion s(θ*) = f(θ, ϕw, ϕe), dafür  Aufstellung von 2 gewöhnlichen nichtlinearen Differentialgleichungen erster Ordnung und deren Lösung notwendig,  Lösungsgrenzen, d.h., Randbedingung ob an der Wand Fließen oder nicht eintritt ergibt die folgenden Massenfluss/Kernflussgrenzen (Folie 6.42, Folie 6.43),  entsprechend Gl.(6.202) ist ebenfalls der Fließfaktor ff  = f( θ, ϕw, ϕe) Folie 6.48,  komplett s. alte Umdrucke der BAF bzw. JENIKE’s Bull. 123 (1964) 37. Kriterium der Brückenbildung, siehe Folie 6.46:   Dr.- Ing.habil . J. Tomas 1992 37 Jenike, A. W., Storage and flow of bulk solids, p. 68, Eng. Exp. Station Bull. No. 123, Univ.

Utah, 1964 MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

420

σc > σ'1  Brückenbildung! σc < σ'1 keine Brückenbildung! Aus der Gl.(6.200) folgt für den kritischen Schnittpunkt

σ1' = σ1 / ff  = σc ,krit

(6.203)

die minimale Öffnungsweite zur Vermeidung von Brücken (Folie 6.41):  b min =

( m + 1)⋅σc ,krit ⋅sin2(θ + ϕw ) . ρ b ,krit ⋅g

(6.204)

Die ausgeführte Öffnungsweite zur Vermeidung von Brückenbildung muss  b ≥ bmin sein! Gelingt dies nicht, muss an dieser Stelle die Austraghilfe angesetzt werden! Als Grundlage einer numerischen Berechnung ist mit der neuen allgemeinen Fließortgleichung (6.169) die charakteristische,  physikalische begründete Verfestigungsfunktion, siehe Folie 6.47, anzusetzen (siehe auch 6.1): 2 ⋅ (sin ϕst − sin ϕi ) 2 ⋅ sin ϕst ⋅ (1 + sin ϕi ) ⋅ σ1 + ⋅σ (1 + sin ϕst ) ⋅ (1 − sin ϕi ) (1 + sin ϕst ) ⋅ (1 − sin ϕi ) 0

σc =

(6.205)

Analog dazu läßt sich für Zeitverfestigungen und Zeitfließorte, Gl.(6.180) die neue allgemeine Gleichung der  Verfestigungsfunktion gewinnen:

σ ct =

2 ⋅ (sin ϕst

2 ⋅ sin ϕst ⋅ (1 + sin ϕit ) − sin ϕit ) ⋅ σ1 + ⋅ σ . (6.206) (1 + sin ϕst ) ⋅ (1 − sin ϕit ) (1 + sin ϕst ) ⋅ (1 − sin ϕit ) 0 t

Beide approximierte lineare Funktionen werden durch lineare Regression der Messergebnisse der Scherversuche σc = f(σ1) numerisch quantifiziert:

σ c = a 1⋅ σ1 + σ c,0

(6.207)

mit dem Anstieg der Verfestigungsfunktion a1 a1 =

2 ⋅ (sin ϕst

− sin ϕi )   (1 + sin ϕst )⋅ (1 − sin ϕi )

(6.208)

und dem Ordinatenabschnitt

σ c ,0 =

2 ⋅ sin ϕst ⋅ (1 + sin ϕi )

(1 + sin ϕst ) ⋅ (1 − sin ϕi )

c,0 der Verfestigungsfunktion für

⋅ σ0  

σ1 = 0: (6.209)

Mit den beiden Gln.(6.201) und (6.207) lässt sich die kritische Druckfestigkeit im Schnittpunkt beider Funktionen ermitteln σc = σ1’: σc = a 1⋅ σ1' ⋅ff  + σc ,0

σc ,krit =

σ c,0 1 − a 1⋅ff 

(6.210)

und eingesetzt in Gl.(6.204) folgt die minimale Auslaufweite bmin zur Vermeidung einer kohäsiven Brücke :

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421  b min =

( m + 1) ⋅ σc ,0 ⋅ sin2( θ + ϕw ) . ρ b ,krit ⋅ g⋅ (1 − a 1⋅ ff )

(6.211)

6.3.2.3 Auslegung eines Kernflusstrichters  Ermittlung der Mindestauslaufweite bmin  zur Vermeidung  einer stabilen Schachtbildung! (Folie 6.49)  da gewöhnlich bmin Schacht > b min Brücke, hier keine Berücksichtigung der Brückenbildung notwendig!   Nichtsdestotrotz in mangelhaft ausgelegten Kernflussbunkern kann natürlich Brückenbildung auftreten, z. B. → Baustellensilos für Zement. Daher:  Abschätzung des maximalen Verfestigungsdruckes σ1, d.h. des wirksamen Vertikaldruckes pv ≈ σ1 in einem möglichen Schacht mit Hilfe der Schei ben-Element-Methode (Folie 6.50)  Funktion G(ϕi) als „Sicherheitsbeiwert“ (Folie 6.51)

Optional: 6.3.2.4 Austraggeräte und Austraghilfen

Anforderungen an Austraggeräte, Förderer und Dosierer: Schüttgutförderer, sind im Allgemeinen einfache - daher auch oft unterschätzte - allerdings sehr wesentliche Strukturelemente  von Haupt-, Hilfs- und Ne benanlagen verschiedener Zweige einer stoffwandelnden Industrie oder Stoffwirtschaft. Ihre auf die Gewährleistung der Qualität des Fördergutes bezogenen und somit verfahrenstechnischen Hauptaufgaben  sind: • Vermeidung von ∗ Materialflussstörungen, ∗ Betriebsstörungen, zur Gewährleistung der Funktion und Verfügbarkeit der Gesamtanlage; • Gewährleistung einer hohen Konstanz der Schüttgutmengenströme und Qualitätskenngrößen hinsichtlich ∗ Momentangenauigkeit bei Messzeitintervallen ∆t = 1 s für Messzeiten t m = 1 min, ∗ Kurzzeitgenauigkeit bei Messzeitintervallen ∆t = 1 min für Messzeiten t m = 1 h, ∗ Langzeitgenauigkeit bei Messzeitintervallen ∆t = 1 min für Messzeiten t m > 10 d; MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

422

• dem entsprechend Vermeidung von Schwankungen der ∗ Feststofffüllvolumenanteile oder -beladungen, ∗ Partikelgrößenverteilungen und Dichten, ∗ chemisch-mineralogischen oder biologischen Zusammensetzungen, ∗ Vermeidung von Stoffumwandlungen während des Förderns, ∗ Vermeidung von Staubbildung, Stör- oder Schadstoffemissionen, ∗ Vermeidung von Anbackungen oder Bildung von Agglomeraten, ∗ Vermeidung von Verunreinigungen durch Abrieb oder Verschleiß, zwecks Gewährleistung der Fördergutqualitäten; • Ausreichende Flexibilität beim Verwenden verschiedener Produkte und Mengenströme. Leider werden Schüttgutförderer ihrer eigentlichen Aufgabenstellung oftmals nicht gerecht und bringen darüber hinaus noch zusätzliche funktionelle Probleme durch Fließstörungen infolge Anbackungen, schwankende Mengenströme, Entmischungen, breite Verweilzeitverteilungen verbunden mit der Gefahr von Zeitverfestigungen, Stoffumwandlungen, Explosionsgefahr, Verderbgefahr, mangelhafte Mengenstrom- bzw. Qualitätskontrolle sowie Havariegefahr durch Überlastungen der Bauwerke und Fördertechnik und letztlich mangelhafte Verfügbarkeit des Verfahrens bzw. der gesamten Anlage.  Austraggeräte für Massenfluss (Folie 6.52, Folie 6.53)  Druck auf Austraggeräte (Folie 6.54)

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423 6.4

Verw eilzeitverhalten bei statio närem Parti keltrans port

6.4.1 Verweilzeitverteilungsfunktion und –verteilungsdichte In der Verfahrenstechnik strebt man kontinuierliche Prozesse an - Fließprozessketten, z.B. bestehend aus: Rohstofflagerung, Dosieren, Fördern, Vorklassieren, Zerkleinern, Nachklassieren, Zwischenlagern, Dosieren, Fördern, Sortieren, Lösen, Sedimentieren, Filtrieren, Trocknen, Produktlagerung. Deshalb werden kontinuierlich arbeitende Apparate und Maschinen bevorzugt (Durchflussapparate und -maschinen). Dann unterscheidet sich im Allgemeinen die Aufenthaltszeit der einzelnen Partikelvolumenelemente im Prozessraum. Was ist die Folge? Im Allgemeinen genügt es für die Prozessführung nicht, nur die mittlere Verweilzeit zu kennen, während der sich die Partikeln im Prozessraum aufhalten: dm dt

= m →

1

m

m

 m

∫ dm = ∫ dt → τ m = 

.

(6.212)

Die Verweilzeitverteilungsfunktion F( )  liefert eine Aussage darüber, welcher Anteil der zu einem Zeitpunkt τ  = 0 in den Prozessraum eingetretenen Partikelmasseelemente nach der Zeit τ wieder ausgetreten ist - auf den Index r = 3, d.h. Mengenart Masse, kann hier deshalb verzichtet werden, da ohnehin masse- oder volumenbezogene Partikelkonzentrationen verwendet werden. Die Verweilzeitverteilungsdichte f( )  - auch Verweilzeitspektrum  genannt - ist nach  ( τ) = f ( τ) = F

dF(τ)

(6.213)

d τ

mit der Verweilzeitverteilungsfunktion verknüpft. Sie vermittelt folglich eine Aussage über die Verteilung der austretenden Partikelvolumenelemente auf die verschiedenen Verweilzeiten. Bei einem diskontinuierlichen Prozess sind alle Partikelvolumenelemente die gleiche Zeit τR   den Wirkungen des Prozesses unterworfen. Die Verweilzeitverteilungsfunktion F(τ) entspricht folglich der gewählten Verweildauer t = τR  im Prozessraum (Θ-Funktion, Folie 6.55.1):

0 für  τ< τ R  F(τ) = Θ( τ) =  1 für  τ≥ τ R 

(6.214)

und die Verweilzeitverteilungsdichte f(τ) der Dirac-schen δ-Funktion (δ - Im puls):

 0 für  τ≠ τ R  . für  ∞ τ = τ R  

 ( τ) = δ ( τ) = f ( τ) =F 

(6.215)

Bei kontinuierlichen  Prozessen wird die Verweilzeit der Partikelvolumenelemente meist unterschiedlich sein. Dabei kann sich weiterhin die Verweil-

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424 zeitverteilung des dispersen (körnigen) Stoffes von der kontinuierlichen Phase (Dispersionsmittel Fluid) unterscheiden. Man kann weiterhin sagen, dass sich vielfach sogar das Verweilzeitverhalten der einzelnen Partikelgrößenklassen unterscheiden wird. Will man nun die Verweilzeitverteilung ermitteln, so geht man wie folgt vor: Zunächst ist es erforderlich, eine Probe des zu verarbeitenden Stoffes so zu markieren (z.B. farblich), dass sich Anteile dieser Probe im gesamten Mengenstrom mit genügender Genauigkeit erfassen lassen. Dann setzt man diese Probe stoßartig dem Aufgabemengenstrom zu, ohne diesen wesentlich zu stören, und verfolgt den Austritt der markierten Probe aus dem Prozessraum als Funktion *  A =m  0 den bei τ = 0 zugesetzten Indikatorder Zeit. Bezeichnet man mit m *  d  = m  ( τ)  die nach der Zeit τ insgesamt aus mengenstrom (Aufgabe) und mit m

*  0 , so erhält dem Prozessraum austretenden Teilmengenstrom (Austrag) von m

man die Verweilzeitverteilungsfunktion nach: *  ( τ) m m * ( τ) = * . F(τ) = * 0 m m0

(6.216)

Für die Verweilzeitverteilungsdichte folgt: f ( τ) =

dF( τ)

=

d τ

1 dm * m*0 d τ

.

(6.217)

Da man die Messung im Austragsmengenstrom meist diskretisiert nach den Zeiten τi  (i = 1, 2, 3 ...) vornehmen wird, so folgt aus der letzten Gleichung (6.217):

f (τi−1...τ i ) =

F(τi ) − F(τ i−1 )

τi − τi −1

=

m*τi m*τi−1 − m*0 m*0

τi − τi−1

1 ∆m*i = * . m 0 ∆τ i

(6.218)

Mit den zuletzt errechneten Werten erhält man für die Verweilzeitverteilungsdichte zunächst ein Histogramm, das sich durch Flächenausgleich in eine stetige Kurve überführen lässt. Einerseits liefert das erste vollständige Anfangsmoment der Verweilzeitverteilungsfunktion  (siehe auch Gl.(1.27) im Abschnitt 1.2.2.2 (MVT_e_1neu.doc#mittlere_Partikelgröße) die Schätzung des Erwartungswertes und damit die mittlere Verweilzeit m ∞

M1, 3

= τ m = ∫ τ1 ⋅ f (τ) d τ

(6.219)

0

mit der Gl. (6.217) * 0 m  * dm 1 τm = τ ⋅ ⋅ dτ = * ∫ τ ⋅dm * 0 dτ m 0 0





(6.220)

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425 und wiederum für die numerische Auswertung diskretisiert ergibt sich: 1 τm ≈ * ⋅ 0 m

 N

1 τ m,i ⋅ (m − m ) = ⋅ c i =1 s,0



τm,i  /V c s ,i =m * i

* i

* i −1

 N

∑ τ ⋅ (c m ,i

s ,i

− c s ,i−1 ).

(6.221)

i =1

Mittelwerte der Verweilzeitklassen i = 1, 2, 3 ... N gemessene Partikelkonzentration der Verweilzeitklasse i

Andererseits gilt aber auch unter Beachtung, dass das

∫ τd V  das Füllvolumen



  die Füllmasse m Füll darstellt: VFüll bzw. τ d m

τm =

m Füll  m

=

VFüll  V

.

(6.222)

Von Bedeutung ist weiterhin das zweite zentrale Moment . Es bezieht sich auf die Abweichungen von der mittleren Verweilzeit und stellt die Varianz  der Verweilzeitverteilung dar: c



1 s ⋅ (τ− τ m ) 2 dc s . τm M 2 ,3 = σ ( τ) = ( τ − τ m ) ⋅ f ( τ) dτ = c s , 0 cs , 0 0



2

2



(6.223)

Wiederum für die numerische Auswertung diskretisiert, ergibt sich: σ 

2

(τ ) ≈

1

 N 

1

0 m

i =1

cs , 0

⋅ (τ  − τ m )2 ⋅ (m i* − m i*−1 ) = * ∑ m ,i

 N 

⋅ ∑ (τ m,i − τ m )2 ⋅ (cs ,i − cs ,i−1 ) i =1

(6.224)

6.4.2 Charakteristische Prozessmodelle des Verweilzeitverhaltens Bei der Kennzeichnung des Verweilzeitverhaltens kontinuierlicher Prozesse lassen sich typische Idealmodelle abgrenzen (Folie 6.55.2) und zwar - das ideale Strömungsrohr (Pfropfenströmung Folie 6.55.2a), - der ideale Durchlaufmischer (Folie 6.55.2b) und - die ideale Mischerkaskade, Reihenschaltung ideal. Mischer (Folie 6.55.2c). Das ideale Strömungsrohr entspricht hinsichtlich des Charakters der Verweiltzeitverteilung einem diskontinuierlichen Prozess. Beim idealen Durchlaufmischer erfasst die Mischwirkung das gesamte Volumen, und sie ist so intensiv, dass jedes neu eintretende Partikelvolumenelement sofort gleichmäßig über das Gesamtvolumen des Prozessraumes verteilt wird und somit die stoffliche Zusammensetzung des Austragsmengenstromes der momentanen Füllung des Prozessraumes entspricht. Zur Ableitung der Verweilzeitverteilung  für den idealen Durchlaufmischer verhelfen folgende Überlegungen. Während eines differentiellen Zeitelementes  dτ  den Prozessraum, und somit bedτ verlässt das Partikelvolumenelement V trägt die äquivalente Änderung der gespeicherten und markierten Probemenge MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

426 dm p* im Prozessraum mit deren Massenanteil µ P* in Form einer Komponentenbilanz geschrieben: dm p* d τ dm p* *  p

m

= −m A , p = −m A ⋅

=−

 A m

m Füll

m p* ( τ)

⋅ d τ = −

m Füll 1

τm

= −m A ⋅ µ p*  

bzw.

⋅ d τ .

(6.225)

m p* zur Zeit τ noch im Prozessraum vorhandene markierte Probemenge Die Integration in den Grenzen von τ = 0 und mP* = m0* bis τ liefert dann die nach τ noch im Prozessraum verbliebene Restmenge  bzw. -konzentration an markierter Probe:

 τ . τ  m

m p* (τ) = m*0 exp −

(6.226)

Die Verweilzeitverteilungsfunktion F(τ) (Folie 6.56.5) macht demgegenüber eine Aussage über den nach der Zeit τ bereits aus dem Prozessraum ausgetragenen Anteil der markierten Probe, also: F( τ) =

f ( τ) =

m * ( τ) m 1

τm

* 0

= 1−

m p* m

* 0

 τ = 1− exp −   τm 

 bzw.

 τ . τ  m

exp −

(6.227)

(6.228)

τ m ⋅f (τ)  bezeichnet man als normierte Verweilzeitverteilungsdichte. Sie ist für den idealen Durchlaufmischer in Folie 6.56.4 mit dargestellt (n = 1). Dem ungünstigen Verweilzeitspektrum eines idealen Durchlaufmischers - sog. Kurzschlussströmung, da meist eine bestimmte Verweildauer gefordert wird kann man durch Hintereinanderschalten mehrerer Durchlaufmischer zu einer Kaskade idealer Mischer  begegnen (Folie 6.55.2). Für deren Verweilzeitverteilungsfunktion ergibt sich: n

i −1

  τ      ⋅exp − τ  ⋅ F(τ) = 1− ∑   τ m ,n  i = 1 (i − 1)!  τ m,n   1

(6.229)

i = 1, 2, 3, ... n Stufenzahl

τ m ,n =

Vn  V

=

V  n⋅V

=

τm n

mittlere Verweilzeit in einer Stufe

und die normierte Verweilzeitverteilungsdichte

  τ    τ m ⋅f (τ) = ⋅ (n − 1)!  τ m ,n   n

n −1

 τ  ⋅ exp − . τ  m,n 

(6.230)

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427 In Folie 6.56.4 sind die normierten Verweilzeitverteilungsdichten  von Mischerkaskaden als Funktion der dimensionslosen Verweilzeit τ/τm  mit verschiedener Stufenzahl n dargestellt, wobei vorausgesetzt wurde, dass der Gesamtinhalt der Kaskade und damit ihre mittlere Gesamtverweilzeit τm = n⋅τm,n konstant bleibt. Man erkennt deutlich, dass sich mit wachsender Stufenzahl die Verweilzeitspektren immer mehr an die mittlere Verweilzeit anschmiegen. Eine Mischerkaskade mit n → ∞ ist dem idealen Strömungsrohr gleichwertig. Muss man für einen Prozess eine genügend enge Verweilzeitverteilung realisieren, so ist bei gleich bleibendem Gesamtprozessraumvolumen eine ausreichende Stufenzahl  vorzusehen, z.B. für: * mechanische und thermische Stofftrennprozesse, * chemische Reaktionen. Sowohl der ideale Durchlaufmischer als auch die reine Pfropfenströmung sind in der Praxis kaum verwirklicht. Vielfach überlagern sich beide. In diesem Sinne lässt sich das Strömungsrohr mit axialer Vermischung ( Rückvermischung durch Turbulenz) abgrenzen (Folie 6.56.6), das für eine Reihe von mechanischen Prozessen typisch ist (z.B. Mahlen in Trommelmühlen). In diesem Zusammenhang ist eine dimensionslose Kenngröße von Bedeutung, die das Verhältnis aus gerichtetem konvektiven  Partikeltransport v⋅L (L Länge des Prozessraumes, v - Partikelgeschwindigkeit) zum zufälligen diffusiven  Partikeltransport DP  (= axialer Diffusionskoeffizient, z.B. D t im Falle der Turbulenz) charakterisiert und BODENSTEIN-Zahl Bo genannt wird: Bo =

v⋅L DP

.

(6.231)

Sie kennzeichnet den Mischungszustand eines strömenden Partikelkollektives; und zwar gilt • Bo  0: D → ∞ großer Diffusionskoeffizient, ideale Mischung, • Bo : D → 0 ideale Verdrängung (Pfropfenströmung). Deshalb kann man auch die Frage aufwerfen, ob sich ein gegebener kontinuierlicher Prozess nicht angenähert mit einer Mischerkaskade von n Stufen vergleichen lässt. Dadurch gelangt man zur äquivalenten Rührstufenzahl n äq : n äq =

1 2

(

⋅ 1+

)

Bo 2 +1 .

(6.232)

• näq =1: Bo → 0, D → ∞, ideale Mischung, • näq : Bo → ∞, D → 0, ideale Pfropfenströmung. Praktisch lässt sich die BODENSTEIN-Zahl über ein Modell des diffusionsgesteuerten axialen Partikeltransportes in einem Apparat gewinnen:

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428 Dem konvektiven axialen Partikeltransport durch den Prozessraum ist eine diffusionsgesteuerte axiale Partikelvermischung überlagert. Konzentrations- und Geschwindigkeitsunterschiede quer oder radial dazu werden vernachlässigt.

6.4.3 Lösung der zweiten KOLMOGOROFF-Differentialgleichung Einerseits lässt sich dieses vereinfachte eindimensionale Partikeldispersionsmodell aus dem allgemeinen Modell mechanischer Prozesse Gl.(2.82) im Abschnitt 2.4 MVT_e_2.doc gewinnen. Andererseits kann man es auch aus einer integralen Modellgleichung für den Transport oder die „Verschiebung“ molekularer Fluidteilchen ableiten - FOKKER-PLANCKGleichung der   statistischen Physik  – (siehe Abschnitt 4.3.1 MVT_e_4neu.doc#Fokker_planck , Gl. (4.153)):

∂q ( x,t ) u 1 ( x ) ∂q ( x,t ) u 2 ( x ) ∂ 2 q ( x ,t ) 1 ∂ 3 [q ( x,t ) ⋅ u 3 ( x )] =− ⋅ + ⋅ − ⋅ + ... ∂t 1! ∂x 2! ∂x 2 3! ∂x 3 (6.233) Dabei wird vorausgesetzt, dass sich der dem Fluidteilchentransport zugrunde liegende physikalische Grundvorgang bei jedem Schritt δx nicht ändert und nur vom Zustand des Stoffsystems zum Zeitpunkt t abhängt. Ein derartiger stochastischer Prozess wird in der statistischen Physik stetiger MARKOFF-Prozess genannt. Höhere Ordnungen werden gewöhnlich u n >2 ( x )≈0   gesetzt und man erhält die sog. zweite KOLMOGOROFF-Differentialgleichung  für die Wahrscheinlichkeit q ( x ,t ) ⋅ dx dafür

∂q ( x,t ) ∂[u1 ( x ) ⋅ q ( x,t )] 1 ∂ 2 [D( x ) ⋅ q ( x,t )] =− + ⋅ , ∂t ∂x 2 ∂x 2

(6.234)

dass sich das betrachtete Fluidteilchen zum Zeitpunkt t im Intervall x bis x + dx  befindet ( D( x ) ≡ 2 ⋅ D * ). Mit der Partikelkonzentration  c(x, t) und der

Partikelgeschwindigkeitsverteilung v(x, t) lautet Gl.(6.234) nunmehr in normierter Schreibweise:

∂C(X,θ) ∂C(X,θ) 1 ∂ 2 C(X,θ) =− + ⋅ . ∂θ ∂X ∂X 2 Bo ax

(6.235)

C(X,θ) = c( x ,t ) / c 0

normierte Partikelkonzentration

(6.236)

X = x / L θ = τ / τm

normierte Apparateaxialkoordinate normierte Verweilzeit axiale BODENSTEIN-Zahl mittlere Partikeltransportgeschwindigkeit

(6.237) (6.238) (6.239) (6.240)

Bo ax = v ⋅ L / D ax v

= L / τm

Dax axialer Partikeldispersionskoeffizient Diese Differentialgleichung lässt sich mit den Randbedingungen 1) an der Partikelaufgabe bei x < 0 findet keine „Rückdiffusion“  aus dem Bilanzraum 0 ≤ x ≤ L heraus statt, d.h. für x = 0 und t > 0 ist: MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

429 1 ∂C(0,θ) ∂C(0,θ) ∂ 2 C(0,θ) = 0= − + ⋅ , Bo ax ∂θ ∂X ∂X 2

(6.241)

2) am Partikelaustrag bei x = L findet keine „Rückdiffusion“ in den Bilanzraum 0 ≤ x ≤ L hinein statt:

∂ 2 C(L,θ) 0= , ∂X 2

(6.242)

analytisch durch die Berechnung des axialen Dispersionskoeffizienten D ax (Partikeltransportkoeffizient) mit Hilfe des zweiten zentralen Momentes einer gemessenen Verweilzeitverteilung gemäß Gl.(6.223) berechnen 2⋅D σ (τ,L) = 3 ax v 2

 D ax    v ⋅ L     ⋅ L − ⋅ 1−exp − v  D    ax   

(6.243)

oder mit der BODENSTEIN-Zahlen Bo ax = v ⋅ L / D ax und der mittleren Strömungsgeschwindigkeit v = L / τ m  nach Gl.(6.240)

σ (τ,L) = 2

2 ⋅ τ 2m Bo ax

  1 ⋅ 1 − ⋅ [1 − exp(− Bo ax )] .  Bo ax 

(6.244)

Dax gewinnt man iterativ mit Hilfe der numerisch berechneten Varianz σ 2 (τ,L) gemäß Gl.(6.224) zweckmäßig durch quadratische Auflösung:

 D ax = ⋅ 1 − 2 ⋅ [1 − exp(−Bo ax )]   v⋅L

1−

2 ⋅ v2

⋅ σ 2 (τ,L) L2

 ⋅ [1 − exp(−Bo ax )] .  (6.245)

Für große Bo ax > 3   ist der Term 1 − exp(− Bo ax ) = 0,95 ≈ 1   vernachlässigbar und es folgt vereinfachend:

 v ⋅ L  2 ⋅ v2 2 L2 D ax ≈ ⋅ 1 − 1 − 2 ⋅ σ (τ,L)  = 2  L  2 ⋅ τ m

 σ 2 (τ,L)  ⋅ 1 − 1 − 2 ⋅ . 2 τ   m (6.246)

Der letzte Term unter der Wurzel stellt eine auf den geschätzten Erwartungswert bezogene Varianz 2( , L)  oder Standardabweichung ( , L)  dar. Dies lässt sich somit auch als eine dimensionslose statistische Kennzahl - sog. Variationskoeffizient der Verweilzeitverteilung v vk - aufschreiben: v vk  (τ,L) =

σ(τ,L) . τm

(6.247)

Daraus gewinnt man nun die Beziehungen der dimensionslosen Kennzahlen und zwar aus der Gl.(6.244) v 2vk  ( τ,L) =

2 Bo ax

  1 ⋅ 1 − ⋅ [1 − exp(−Bo ax )]  Bo ax 

(6.248)

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430 und angenähert für die BODENSTEIN-Zahl Bo ax ≈

2 1 − 1 − 2 ⋅ v (τ,L) 2 vk 

.

(6.249)

Betrachtet man darüber hinaus in Gl.(6.248) vereinfachend nur den ersten Term vor der geschweiften Klammer, erhält man den unmittelbare Zusammenhang zwischen der BODENSTEIN-Zahl und dem Variationskoeffizienten der Verweilzeitverteilung: Bo ax =

2 v ( τ,L) 2 vk 

.

(6.250)

Der axiale Partikeldispersionskoeffizient D ax ist folglich: D ax

σ 2 (τ,L) ⋅ v 3 σ 2 (τ,L) ⋅ L2 ≈ = = 2⋅L 2 ⋅ τ 3m

v 2vk ( τ,L) 2

⋅ (v ⋅ L ) .

(6.251)

Mit Hilfe der Gln.(6.250) und (6.102) wird auch der in der statistischen Analogiebetrachtung der turbulenten Diffusion im Abschnitt 4.2.2.1 MVT_e_4neu.doc#Diffusionskoeffizient_turb  benutzte Zusammenhänge zwischen dem tur bulenten Diffusionskoeffizienten Dt, einer mittleren Partikelgeschwindigkeit und charakteristischen Fluidgeschwindigkeit v ≈ u 0   sowie einer für den Partikeltransport längs des Weges L wesentlichen Apparateabmessung L ≈ D 0 deutlich: D t ≈ D ax ∝ v ⋅ L ≈ u 0 ⋅ D 0 .

(6.252)

 Neben der idealen Mischung und Verdrängung können zusätzliche Beeinflussungen des Verweilzeitverhaltens durch - Toträume  (d.h. Bereiche, die sich der Mischwirkung entziehen ⇒lange Verweildauer, sehr flaches F( τ)), - Kurzschlüsse zwischen Aufgabe- und Austragöffnung ⇒ sehr kurze Verweildauer ("Schnelldurchläufer", großer Anstieg von F( τ)) sowie - Rückvermischen  bei mehrstufigen Anordnungen eintreten. Diese Einflüsse wirken sich auch in charakteristischer Weise auf die Kurvenverläufe aus und lassen sich angenähert durch Korrekturglieder erfassen. So kann man für die Verweilzeitverteilungsfunktion F(τ) einer Rührstufe setzen:



F( τ) = 1 − exp − η ⋅



(τ− τε ) 

τ m 

mit

F(τ) ≥ 0.

(6.253)

Der Parameter η macht folglich eine Aussage über die Vollkommenheit, d.h. den Wirkungsgrad der Mischung. Bei vollständiger Mischung  ist η = 1; mit  positiven oder negativen Abweichungen. Der Parameter τε ist ein Maß für die Phasenverschiebungen  im System (Tabelle 6.8) MVT_e_6neu Mechanische Verfahrenstechnik Schüttgutspeicherung und -transport Prof. Dr. J. Tomas, 30.07.2015

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