Junge Freiheit

July 26, 2019 | Author: Max Schulz | Category: Islamism, Angela Merkel, Tax Haven, European Migrant Crisis, Democracy
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Wochenzeitung JAhrgang 2016 Ausgabe 13...

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Nr. 13/16 |  31. Jahrgang |  25. März 2016 |  EUR 4,20 (D)

www.jungefreiheit.de

W O C H E N Z E I T U N G

F Ü R

D E B A T T E

Was scharrt die alte Henne

Das Geheimnis von Ostern „Herr, erbarme dich!“ singen Christen in jedem Gottesdienst. Denn obwohl wir sie nicht verdienen, schenkt Gott uns seine Gnade Seite 13

Die Partei Konrad Adenauers hat Angela Merkel in eine politische Ich-AG umgebaut. Mit negativen Folgen für unsere Demokratie. MEINUNG, Seite 2

Fortwährend auf der Tenne Abistan ist ein islamistischer Staat. Noch existiert er nur im Roman des Algeriers Boualem Sansal. Aber eines Tages auch bei uns? INTERVIEW, Seite 3

 Wie  W ie auf dem Basar Der EU-Türkei-Plan EU-Türkei-Plan zur Asylkrise besteht aus überfälligen Selbstverständlichkeiten – und Zumutungen „Deal“ nicht unterbunden, sondern umdirigiert sie 2,7 Millionen Syrer aufnimmt, sondern trägt land zu entsenden, ist allerdings nur ein kleiner  werden. „Illegale Migration Migration wird wird in in legale legale MigraMigra- zuvörderst die Folgen eigener Politik. FlüchtlinPersonal aus anderen EU-Staaten nach Griechen-

MICHAEL PAULWITZ

 W 

o gedealt wird, geht es in der Regel nicht ganz sauber zu. Der auf dem EU-Türkei-Gipfel zur Asylkrise abgeschlossene Basarhandel, von dem sich die Bundeskanzlerin Entlastung vom Migrationsdruck erhofft, wird daher zu Recht im medialen Phrasensprech als „Deal“ herumgereicht. Was die

28 Regierungschefs auf Betreiben der deutschen Bundeskanzlerin mit dem türkischen Ministerpräsidenten Davutoğlu ausgehandelt haben, ist in Wahrheit eine unausgegorene Mischung aus verspäteten Selbstverständlichkeiten und unerträglichen Zumutungen, die in der Konsequenz

Schritt in die richtige Richtung. Entstanden ist die unhaltbare Lage ja nicht zuletzt dadurch, daß die Merkelsche „Willkommens-

kultur“ Griechenland erst so lange erlaubt hat,

sich aus seinen Verpflichtungen herauszustehlen. Im deutschen Interesse hätte die Kanzlerin schon vor Jahr und Tag auf mehr europäisches Engagement beim Grenzschutz in Griechenland dringen müssen. Daß sich jetzt etwas bewegt, ist nicht ihr

Erfolg, sondern dem Druck geschuldet, den die Schließung der Balkanroute durch die hauptbetroffenen Transitstaaten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa aufgebaut hat.  Auch der gegenwärtig gegenwärtigee Rückgang Rückgang der illegale illegalen n

tion umgetauft“, bringt es CDU-Dissident KlausPeter Willsch auf den Punkt: Die Krise b ekommt ein neues Etikett und bleibt doch dieselbe.

Die Kontingent-Lösung, die in Brüssel durch die Hintertüre eingeführt werden soll – syrische Kriegsflüchtlinge aus türkischen Lagern in die EU im Gegenzug für die Rücknahme illegaler Immigranten – ist nämlich keine: Die Aufnahme bleibt an den Staaten hängen, die dazu bereit sind, also Deutschland und vielleicht

noch Schweden und ein paar weite-

Übertritte über die deutschen Grenzen geht auf

re. Das konnten die anderen leichten Herzens unterschreiben. Zumal die in Brüssel ausgewürfelte Zahl von zunächst höchstens 72.000

diesen Druck zurück. Daß Merkel diese EntwickDaran ändert auch der merkeltreue Medien- lung dreist auch noch als eigenen Erfolg ausgibt,

ropa verbracht werden sollen, abseh-

vor allem zu Lasten Deutschlands gehen.

chor nichts, der wie bestellt die Standhaftigkeit

während sie die Staaten, die gegen ihren Willen

Syrern, die aus der Türkei nach Eubar nur der Einstieg in ein Umsied-

pflichtungen aus dem Dublin-Abkommen weder

Die Risiken und Nachteile trägt vor allem Dabei gibt es objektiv weder eine moralische Deutschland, vom Hauptanteil an den Subsidi- noch eine politische Verpflichtung, syrische Kriegs-

Hände zu nehmen, war überfällig. Der Beschluß,

flüchtlinge ausgerechnet nach Europa zu holen. Die Türkei erweist Europa auch keinen Dienst, wenn

erfüllen kann noch will, stärker in europäische enzahlungen an Ankara bis zur Aufnahme der kom-

menden Migrantenströme, die durch den Brüsseler

nanzminister Markus Söder (CSU)  warnt vor kurdisch kurdischer er Masseneinw Masseneinwananderung, und selbst der regierungsnahe

Kriminologe Christian Pfeiffer hält die Vereinbarung für eine gefährliche „Riesen-Dummheit“, weil die Reisefreiheit eine unkontrollierbare „Welle an illegaler Masseneinwanderung“

auslösen könnte, die das Asyl-Chaos noch in den Schatten stellen würde.

 All diese diese Zugeständnisse Zugeständnisse erhält erhält die Türk Türkei ei für eine weitere bare Selbstverständlichkeit, deren Einforderung viel zu lange verschleppt wurde: die Unterbindung der Einschleusung von ihrem

Demokratie und freie Marktwirtschaft hierzulande

doch tatsächlich bedeuten, daß es weder im Mediensektor noch im Parteiensystem dauerhaft Monopole gibt. Das Milieu der Hauptstadtjournalisten, der „Mief in diesem weltfernen

Raumschiff“ (Roland Tichy), erhält durch die Wahlerfolge der AfD einen Realitätsschock. Aufgeschreckt diskutieren

»Ich träume davon, daß es zum Wohle des Landes einen fairen Austausch von links, Mitte bis rechts gibt.«

KOLUMNE VON DIETER STEIN Politiker und Journalisten, wie die neue Partei gestoppt werden könnte: „Ignorieren? Attackieren? Von rechts umschmeicheln?“ fragt verzweifelt Spiegel Online  Anfang  Anfang der Woche in einer Analyse, wie Parteien „die AfD entzaubern“ wollen. lution folgt mit zeitlicher Verzögerung nun die Krise der Zunehmend macht sich Ratlosigkeit breit, daß der Ein- etablierten Parteien. Leser und Wähler sind kritisch wie nie

bruch der als „Rechtspopulisten“ Gescholtenen tief in die

gegen die manipulative Meinungslenkung von oben. Der

politische Mitte reicht, daß sogar bemerkenswert viele An-  Wahlerfolg  Wahlerfolg der AfD AfD ist auch ein regelrechter regelrechter Volksaufstand Volksaufstand hänger von Linken und Grünen zur AfD gewechselt wa- an der Wahlurne gegen die Arroganz der Mächtigen, gegen ren. Es fällt offenbar schwer anzuerkennen, daß viele Bürger die Platzhirsche der veröffentlichten Meinung. schlicht anderen Positionen, anderen Antworten zuneigen Indes glauben unbekümmert nach wie vor Teile der pound Dialogverbote, tabuisierte Debatten empören. litischen Klasse, mit den gleichen alten Rezepten gegen die Der Krise etablierter Medien im Zuge der Internetrevo-  AfD und mit ihr gegen gegen einen wachsenden wachsenden Teil Teil der eigenen

Die liefen aus alleine Total von der Rolle: Immer mehr Städte in Deutschland richten Großveranstaltungen für „Inliner“ und „Skateboarder“ aus. SEIN & ZEIT, Seite 24

Staatsgebiet. Für dieses ungleiche Abkommen mit fragwürdigen Erfolgsaussichten zahlt Deutschland einen

hohen Preis. Merkel selbst hat ihn in unverantwortliche Höhen getrieben und treibt ihn durch ihre fortgesetzte Weigerung, ein klares Signal für einen Aufnahmestopp zu geben, nur immer weiter. Sich dafür auch noch feiern zu lassen, ist grotesk.

Meinung .............................................. 2

 Abschied von den Monopolen Monopolen D

POLITIK, Seite 4

der in Aussicht gestellten Visafreiheit für türkische Staatsbürger: Bayerns Fi-

Umgang mit der AfD

ie Meinungseliten in Deutschland müssen derzeit in einem schmerzhaften Prozeß verarbeiten, daß

Zeit, endlich flügge zu werden: Nach den erfolgreichen Landtagswahlen brütet die AfD über ihrem ersten Parteiprogramm.

freisetzen dürfte. Sprengstoff steckt vor allem in

Die Risiken und Nachteile dieses Brüsseler „Deals“ trägt vor allem Deutschland.

und Durchsetzungsfähigkeit der Kanzlerin preist, die Notbremse gezogen haben, auch noch als „un- lungsprogramm großen Ausmaßes ist. österreichidie tapfer ihre „europäische Lösung“ erkämpft ha- solidarisch“ beschimpfte, werden diese nicht so  Wenn entsprechende – österreichische bezeichnenderweise – Medienberichte zube – und die ihren fatalen Schlachtruf jetzt auch bald vergessen. noch zu einem „Europa wird es schaffen“ aufbläst. Daß trotzdem alle den Brüsseler Basarhandel treffen, wurde auf dem EU-Türkei-Gipfel bereits Fragt sich nur, was. Griechenland schafft es je- unterschrieben haben, hat einen einfachen Grund: vereinbart, daß die „Koalition der Willigen“, also denfalls auch nach der Einigung von Brüssel nicht, Merkels angeblich „europäische Lösung“ ist in Deutschland vor allem, der Türkei jährlich Hun Wirklichkeit gar keine, keine, sondern sondern im wesentlic wesentlichen hen derttausende syrische Kriegsflüchtlinge abnehmen  Asyl- und Absch Abschiebev iebeverfahr erfahren en für auf seine seinem m Terri-  Wirklichkeit torium ankommende Immigranten in eigener Re- eine bilaterale Angelegenheit zwischen Deutsch- soll. Damit würde ein Plan umgesetzt, den die gie abzuwickeln, schon gar nicht in der gebotenen land und der Türkei, die zur Gesichtswahrung a ls „European Stability Initiative“ (ESI) der KanzleSchnelle. Den Schutz der EU-Außengrenzen im EU-Abkommen deklariert wurde. rin schon vergangenen Herbst eingeflüstert hat.

gescheiterten Staat Griechenland, der seine Ver-

ge müssen heimatnah untergebracht werden, um schnell zurückkehren zu können, betont der britische Forscher Paul Collier. Ein finanzielles Engagement der EU bei dieser Aufgabe ist gerechtfertigt, aber kein großes „Resettlement“. Zu schweigen von den neuen Migrationsströmen, die das EU-Türkei-Abkommen schon bald

Hat sieben Kücklein kleine

Bevölkerung vorgehen zu können. So findet im Frankfurter DGB-Haus Ende April ein Kongreß „Aufstehen gegen Rassismus“ statt, der von einschlägigen linksradikalen Organisationen ausgerichtet wird. Dort sollen Aktionen und Strategien erarbeitet werden, deren Ziel die „Ächtung und Isolation“ der AfD sei.

Den Aufruf zu diesem Antifa-Kongreß unterzeichneten neben Linksextremisten, Politikern der Linkspartei auch Verdi-Chef Ver di-Chef Frank Bsirske, die SPD-Generalsekretärin Katarina Barley – und SPD-Bundesfamilienministerin SPD-Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Letztere kündigte jetzt an, die Mittel für den „Kampf gegen Rechts“ ab 2017 von 50 auf 100 Millionen Euro zu verdoppeln. Diese Millionen werden in ein Biotop linksradikal-linksextremer linksradikal-linksext remer Gruppen sickern, aus dem heraus in Berlin auch Anschläge nicht nur auf AfD-, sondern auch SPD-Büros verübt werden. Ist es wirklich eine naive Vorstellung, daß es Konsen s wird, in einer Demokratie einen fairen, ohne von Gouvernanten kontrollierten Streit von links, Mitte bis rechts zum Wohle des Landes zu führen? Ich träume jedenfalls davon.

R e d a k t i o n & V e r l a g : J U N G E F R E I H E I T , H o h e n z o l l e r n d a m m 2 7 a , 1 0 7 13 13 B e r l i n | F a x : 0 3 0 / 8 6 4 9 53 53 - 1 4 | T e l e f o n : 0 3 0 / 8 6 4 9 53 53 - 0 | w w w . j u n g e f r e i h e i t . d e | E - P o s t : v e r l a g @ j u n g e f r e i h e i t . d e

Im Gespräch ............... ........................ 3 Politik ............................................... 4–6  Thema .................... .......................... ..... 7 Ausland ........................................... 8–9 Wirtschaft .................................. 10–11 Hintergrund ........................ ............. 12 Pankraz .......................... .................... 13 Kultur .......................................... 13–16 Medien .......................... .................... 17 Forum ........................ ........................ 18 Geschichte & Wissen ............ . 19–20 Literatur ........................ .................... 21 Natur & Technik ........................... ... 22 Leserforum....................... Leserforum ....................... ................. 23 Impressum ........................ ................ 23 Sein & Zeit Zeit ........................ ................ 24 FOTO TITELOPTIK: PICTURE ALLIANCE

Österreich EUR 4,70 Schweiz CHF 8,00

2 |

MEINUNG

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25. März 2016

Zitate D EE BBAATTT TE E W O CWHOECNH ZE EN IZTE UI TNUGN GF FÜÜRR D

„Wenn ich die meisten Männer an meiner Uni sehe oder auf der Straße, sehe ich schwarz. Bei vielen habe ich nicht selten das Gefühl, daß ich sie eher beschützen müßte als umgekehrt. Dabei geht es gar nicht mal so sehr nur um Gewalt, um die tatsächliche Auseinandersetzung mit Fäusten. Es geht um die selbstbewußte Verteidigung der eigenen Werte, um das Nicht-Kuschen vor Leuten, die diese Werte mit Füßen treten, um das Sich-nicht-auslachen-Lassen, weil man der dumme Deutsche ist, der

Bundesregierung für Verschärfung des Sexualstrafrechts

Problem liegt woanders Von Heiko Urbanzyk 

ituationen, in denen das Opfer aufgrund der überraschenden

SHandlungen des Täters keinen Widerstand leisten kann oder wenn das Opfer nur aus Furcht von Widerstand absieht, sind bisher sexualstrafrechtlich nicht erfaßt.

Das soll sich „nach Köln“ ändern. Im Detail wird noch darüber

einem eh nichts kann.“  Anabel Schunke, Schunke, Mannequin  Mannequin und Studentin, im Blog „Tichys Einblick“ am 17. März 2016 

gestritten, ob künftig ein einfaches „Nein!“ ausreichend Widerstand bedeutet und ob das Po- und Busengrapschen erst eine gewisse „Er-

heblichkeit“ erreichen muß oder nicht. Das Problem der aktuellen

Debatte liegt jedoch woanders. Der Gesetzentwurf der Bundesregie-

rung wurde erst nach den Ereignissen der Silveste rnacht in Köln (und ganz Deutschland) wieder aufgegriffen. Von „Köln“ und der eindeutig

„Man liest heute oft, die Landesgrenzen könnten ohne Gewalt sowieso nicht gesichert werden, aber so etwas  Ähnlichers gilt auch für die Grenzen des Parteiensystems. Wenn im Par-

identifizierbaren Täterherkunft Täterherkunft ist weder in dem Gesetzentwurf samt

Begründung noch in der politischen Debatte zur Gesetzesverschärfung die Rede. Aber hierauf kommt es an.

 Als potentielle Täter Täter haben sich Menschen aus bestimmten bestimmten Kulturkreisen herauskristallisiert. Diesen wäre durch entsprechende Verschärfungen im Asyl- und Ausländerrecht zu zeigen, daß die Konsequenzen einer Gesinnung, die Frauen als Freiwild betrachtet, schnell das Ende

im Paradies bedeuten können. Statt dessen wird das Grapscher-Problem auf die gesamtgesellschaftliche Ebene gehobe n – wo es vielleicht nicht

lament und in den Medien fast alles

links ist, dann setzen Migrationsströme ein, die niemand stoppen kann.“

 „Aber Großmutter Großmutter,, warum hast du du denn so einen dicken dicken Bauch ...?!“ 

Harald Martenstein, Kolumnist, im  „Zeit-Magazin“  „Zeit-Ma gazin“ vom vom 17. März 2016 

„Unter demokratischen Gesichtspunkten sind die AfD-Erfolge zu

ohne Grund ein Schattendasein führte.

Hier herrscht Raute

Gericht: Rundfunkbeitrag nicht verfassungswidrig

Bis es wieder paßt Von Markus Brandstetter

er weder einen Fernseher noch ein Radiogerät, geschweige denn

 W einen Computer mit Internetzugang besitzt, muß trotzdem Rundfunkbeitrag bezahlen bezahlen – ganz egal, was er oder sie sieht oder hört oder eben nicht sieht oder hört.

Dieses Urteil hat das Bundesverwaltungsgericht in der vorigen  Woche verkündet. Überrascht w ird das kein en haben, denn zwei Dinge sind bereits seit Jahren erkennbar: Erstens werden Rundfunk und Fernsehen immer mehr zum Staatsfunk, was man jederzeit an der regierungsfreundlichen Programmplanung Programmplanung und der unkritischen

Berichterstattung erkennen kann. Und zweitens sind die deutschen GeBerichterstattung richte bis zum Bundesverfassungsgericht in den zweifelhaften Habitus verfallen, alles, aber wirklich auch alles, was irge ndwie regierungskonform ist, einfach abzunicken. Der Ausstieg aus der Atomenergie, der

Schwenk in Richtung alternative Energien, die Rettung Griechenlands, die Millionen von Flüchtlingen, die Geld wollen und es bekommen

– alles ist ausnahmslos gut, gerecht und selbstverständlich mit dem geltenden Recht vereinbar.

Und sollte es einmal nicht mit geltendem Recht vereinbar sein, dann  werden alte Gesetze Gesetze entweder entweder radikal neu und ganz anders ausgelegt

oder neue Gesetze verabschiedet, die das gestatten, was die Regierung gerne will. Und dann paßt es wieder.

Union: Merkels Partei fehlen Inhalte und Köpfe, um verlorene Wähler zurückzuholen

E

s gab einmal eine Partei, die hatte ein Programm – und Köpfe, die für Inhalte standen, die etwas mit dem „hohen C“ zu tun haben. Heute hat dieses

 Wochen nach den Landtagswahlen den fatalen Eindruck erwecken, den ziemlich

lauten Schuß nicht wirklich gehört zu haben. Ist das eine perpetuierte Arroganz, mit Programm einen Namen, einen einzigen der man ja schon vor Jahren allen Kritikern Namen: Angela Merkel. Sie ist längst zum an einem dumpfen Linksrutsch der CDU allbeherrschenden Inhalt dieser Partei ge- Dummheit unterstellte? Oder ist es pure worden. Sie ist die Partei. Und sie hat viele  Angst vor Selbstkorrektur Selbstkorrektur und dem dem Mut um sich geschart, die genau deswegen in des Erkenntniszuwachses? Wann erkenihrer Partei sind. Wer mehr nicht will, dem nen diejenigen an der Unionsspitze, die CDU-Polierweist die Vorsitzende, die natürlich keine fahrlässig einen bürgerlichen CDU-PoliStaatsratsvorsitzende ist, ihre Huld. Wer zu tikraum haben verwaisen lassen und stur ihrem selbstkonstruierten Satellitensystem nach links schielten, was demokratische der Macht paßt und geräuschlos um sie  Wähler wollen? kreist, ist systemkonform. Alle anderen Eine Demokratie, die nur noch eine stören – und mußten gehen.

Das System duldet keinen Widerspruch. Die Systemvorsitzende auch nicht. Das System Merkel frißt seine Partei. Schon lange. Wehe, die Systemraute bekundet  jemandem ö ffentlich volle Rü ckendekkung! Der Betreffende sollte spätestens

 Viele Fragen Fragen Von Mina Buts

ier Monate hat es gedauert, bis die Hundertschaften von Ermittlern und Polizisten den meistgesuchten Terroristen aus Belgien,

 V 

Salah Abdeslam, endlich aufgespürt haben. Dabei hatte er doch auf

seiner Flucht stolze 300 Meter zurückgelegt und war von seinem elterlichen Wohnhaus gleich eine ganze Straße weiter gezogen. In einem „Safehouse“, leerstehend und von Islamisten genutzt, hatte er Unterschlupf gefunden. Dutzende davon gibt es in Belgien; wie gut sie Schutz bieten, zeigte sich jetzt. Die Ergreifung Abdeslams wirft viele Fragen auf: Wieso tappten

die Ermittler so lange im dunkeln? Warum kam niemand auf die Idee, Molenbeek etwas genauer unter die Lupe zu nehmen? Wie war es möglich, daß Abdeslam sich unbehelligt auf der Straße bewegen konnte? Und welche Polizeidienststellen sind dafür verantwortlich zu machen, daß die Medienvertreter schon ihre Kameras in Molen-

beek aufgebaut hatten, bevor die Polizei überhaupt vor Ort war?

Das Ausland lacht über die belgische Ermittlungsarb eit, die Absurdität dieses Kunststaates wird hier einmal mehr vor Augen geführt. Erfreulich nur, daß Abdeslam eine umfangreiche Aussage und eine Zusammenarbeit mit der Polizei angekündigt hat.

Die belgischen Behörden sollten gut zuhören, sie können bestimmt

noch etwas lernen.

»Rechts von der Merkel-Union ist eine breite Mitte, die dringend wählbar sein muß.«

fin an der Macht als nützliches Spielzeug

dient. Inhalt und Profil haben halt nur einen Namen. Gleichsam alternativlos. Und genau darin liegt das Problem.

 Wenn eine demokratische demokratische Partei, die eigentlich an der Willensbildung des Volkes dazu gehört nicht nur die Offenheit nach mitwirken soll und einen demokratie demokratiepopo- links, die Merkel der CDU oktroyiert hat, litischen Bildungsdienst leisten könnte, sondern auch die Zulassung legitimer Desich selbst zum Kanzlerinnenwahlverein mokratie rechts von der Mitte. Franz Josef degradiert, ist das eine Selbstdekonstrukt Selbstdekonstruktii- Strauß wußte, warum es rechts von der on auf hohem Niveau. Und es besteht die CSU keine legitime demokratische Partei Gefahr, im Zustand der Machttrunkenheit geben sollte. Sein Rat lastet jetzt wie eine bei dauernder Anhimmelung der großen Vorsitzenden, die ihre eigene Partei chlo-

roformierte und ihr das Inhaltsrückgrat herausoperiert herausoperi ert hat, die einst profilierte CDU ins politische Nichts zu chauffieren. Spätestens dann, wenn Kohls Mädchen, das sich nie wirklich für Adenauers Partei interessierte und diese als nahezu perfekte Ich-AG genial zu nutzen verstand, die

Bühne verlassen hat, fällt eine entkernte

Union in ein ganz tiefes Loch. Es grenzt an mentales Harakiri, wenn

die Vasallen rund um die Lehens-„Mutti“ in bedenklicher Selbstverliebtheit auch

Demokratiebeteiligung.

töse der Polemik zu versenken. Na-

Es muß eine panische Angst vor dieser Beteiligung herrschen. Anders kann man sich die undemokratische und toleranzfreie Verteufelung Andersdenkender kaum erklären. Und dabei fallen die Armin Laschets und Ursula von der Leyens

dieser Zeit auch schon mal gern hinter

einen Vordenker der Aufklärung namens

sagen darf.

Das alles funktioniert, solange die Partei eigentlich keine Rolle spielt und der Che-

erlösende Hypothek auf seiner Partei. Denn die steht im Dilemma zwischen

Bayern und der demokratischen Kultur für ganz Deutschland. Seit den Landtagswahlen wissen wir, daß viele von denen, die ihren Protest gegen die linken Einheitsparteien – einschließlich der CDU – mit

einem Kreuz für die AfD zum Ausdruck brachten, gerne ein Kreuz der Hoffnung bei der CSU gemacht hätten. Diese steht nämlich für eine bürgerliche Heimat im Politikspektrum,, das außerhalb des FreiPolitikspektrum

staates Bayern mutwillig mit großen Räumen der Heimatlosigkeit versehen wurde.

Eliten immer tun, wenn sie von un-

Viele Bürgerliche parkten ihre Merkelsche Vertreibung aus dem politischen Feld rund um die Mitte enttäuscht zunächst in der Wirklichkeit des Nichtwählers – bevor sie jetzt frustriert und ermutigt zum Protest zurückfanden in die aktive

Voltaire zurück, der zwar die Meinung des Andersdenkenden ein Leben lang braucht um die demokratische Mitte ei- bekämpfen wollte, mehr aber noch danen breiten Raum der Demokraten. Und für kämpfte, daß dieser seine Meinung VON MARTIN LOHMANN 

falt. Demokratie ist die Staatsform der Alternativen, oder sie ist keine Demokratie. (...) Das angeschossene Establishment macht aus Verzweiflung das, was Etablierte und verbrauchten Kräften Konkurrenz erhalten: Sie verteufeln und diffamieren. In Deutschland wird zum Machterhalt gerne mit dem NaziKnüppel auf Andersdenkende Andersdenkende eingedroschen. Die deutsche Geschichte liefert immer noch genügend Stoff, um unbequeme Sachfragen im Ge-

linke Mitte duldet, hat nicht nur Schieflage, sondern ist auf Dauer gefährdet. Es

dann schnellstens in Deckung gehen.

Festnahme des Terrorverdächtigen Terrorverdächtigen Salah Abdeslam

begrüßen. Vielfalt Vielfalt ist besser als Ein-

Offenbar ist die entkernte MerkelCDU tatsächlich inhaltlich inzwischen so leer, daß sie sich vor der argumentativen Auseinandersetzung fürchtet und sich vor lauter Dialog- und Streitphobie

ins Beschimpfen und Verweigern flüchtet. Das ist alles andere als souverän. Und das diskreditiert ein weiteres Mal jene Wähler als Teilhaber des Souveräns, die man einst überheblich in die Wahlverweigerung trieb und nun mit ihren Wünschen und Sorgen ignoriert. Rechts von der Merkel-Union ist eine

breite Mitte, die dringend wählbar sein muß. Weil die CDU jenseits ihrer C-losen Führerin nicht erkennbar ist und keine entmerkelten beziehungsweise merkelbefreiten Profilköpfe mehr hat oder sich

nicht mehr zutraut, steht jetzt die CSU vor einer historischen Herausforderung – weit über Bayern hinaus.

Es geht nicht darum, was gut für Merkel ist, sondern darum, was gut ist für Deutschland. Martin Lohmann  ist politischer Journalist und Historiker,, trat 2013 nach 42 Jahren als „nach Historiker wie vor überzeugter christlicher Demokrat“ aus der CDU aus. Lohmann ist außerdem Autor des Buches „Das Kreuz mit dem C – Wie christlich ist die Union?“ (Butzon & Bercker, 14,95 Euro).

türlich hat die AfD wie alle jungen Parteien Par teien auch ein paar Spinner, Ko-

miker und Irrläufer in den eigenen Reihen. Aber die Aufregung Auf regung über die Verirrten steht in keinem Verhältnis

zum viel gravierenderen Problem der gefährlichen, unsozialen und wahrscheinlich grundgesetzwidrigen  Asylpolitik  Asylpo litik der Bundesk Bundeskanzler anzlerin. in. Das Das offizielle politische Spektrum hat sich am Wochenende erweitert. Deutschland ist ein bißchen normaler und demokratischer geworden “ Roger Köppel, Herausgeber, Köppel, Herausgeber, in der  „Weltwoche“ vom 17. März  „Weltwoche“ März 2016 

„Toleranz heißt nicht, das alte Zwangsweltbild des Klerikalismus durch den Genderismus zu ersetzen. Toleranz heißt, daß man auch etwas

doof und daneben finden kann, und das ist speziell bei sexuellen Vorlieben und Beziehungen sehr wichtig. Ich

kann alle Eltern verstehen, die nicht

wollen, daß das, was sie ihren Kindern vorleben – eine gute Beziehung in der gesellschaftlichen Norm –, nur als eine Möglichkeit unter vielen gel-

ten soll.“ Don Alphonso,  Journalist und Blog ger, in seinem Blog Blog „Stützen „Stützen der Gesellschaft“ am 19. März 2016 

„Glauben sie, daß Menschen aus Ländern ohne Krieg oder politische Verfolgung brav ihren Paß vorlegen

werden, damit man auf den ersten Blick erkennen kann, daß der Asyl-

antrag unbegründet ist? Glauben sie, daß niemand die Bootsinsassen instruiert, wie man sich verhalten muß, damit man nicht zurückgeschickt wird?“ Bernd Lucke, Abgeordneter im Euro päischen Parla Parlament ment (Alfa), (Alfa), bei „Focus „Focus Online“ am 21. März 2016 

Aufgeschnappt

Bild der Woche

Lesereinspruch

Normen & Maßnahmen

Lila Wunder 

Falsche Tonart 

MATTHIAS BÄKERMANN

 Zu: „Wenn „Wenn der Saft einschießt“ einschießt“ von Torsten Finger schauen, ist Norbert Röttgen – Hinz (JF 11/16)  wenn denn Mutti Mutti ihn läßt. Schließlich Schließlich

Einfamilienhäusern, hatte nämlich „fahrlässig keine ausreichende Stra-

ßenreinigung vorgenommen (...). esorgte Bürger, die in Anbe-  Auf dem Gehwegs Gehwegs-- bzw. bzw. GrünbeGrünbe-

Btracht von Lageso-Flüchtlingskrise, polizeifreien Zonen oder Flughafenchaos in der Haupt-

stadt die staatliche Ordnung oder das Rechtsstaatsprinzip in Gefahr

wähnten, dürfen sich entspannt zurücklehnen. Der Staat hat alles prima im Griff, wenigstens im BerlinerBezirk Marzahn-H Marzahn-Hellersdorf. ellersdorf.  Wie es sich ge hört, a lso mit  Aktenzeichen, Anhörungsbogen und dreiseitige dreiseitigem m Anschreiben, setzt jetzt (März 2016) das Bezirksamt eisenhart den Paragra Paragraphen phen 56 des Ordnungswidrigkeitengesetzes durch. Der Missetäter, ein Anlieger eines ruhigen Wohngebiets mit

reich vor Ihrem Grundstück wurde verwelktes Laub festgestellt.“ Da-

mit der gemäß Paragraph 4, Absatz

1, Satz 2 nach Straßenreinigungs-

gesetz Verpflichtete nun nicht etwa auf den Gedanken kommt, seine Verfehlung vom Kontrollzeitpunkt Mitte Dezember (!) abzustreiten, hat der Bezirk noch allerhand in der Hinterhand: „Entsprechendes

Bildmaterial wurde gefertigt und

dient dem Vorgang als Beweisma-

terial.“ Für 35 Euro, zahlbar innerhalb von zwei Wochen, kann der beschädigte Rechtsfrieden in Berlin indessen wieder ins Lot gerückt  werden – wenigstens wenigstens ein bißchen. bißchen.

    S     N     O     M     M     O     C     A     I     D     E     M     I     K     I     W    :     O     T     O     F

Bunt statt grau: Der Winter zieht sich endlich zurück, und im Schloßgarten von Husum (im hohen Norden) blühen wie  jedes Jahr zu dieser Zeit über vier Million en Krokusse.

Talle Register eines kritischen Jour-

horsten Hinz zieht in seinem Beitrag

ist zu bedenken: Wer sich mit einem teuflischen Kriegstreiber dieser Couleur

nalisten. Lesenswert wie immer! Leider

(Syrien) zu Tische setzt, der braucht ei-

ist aber auch er nicht gegen Mißtöne und einen echten Fauxpas gefeit. Allein schon Norbert Röttgen in eine Reihe zu stellen mit der bundesdeutschen Politikquietschente Politikquietsch ente vom Dienst – und peinlichen Bundestagsvizepräsidentin (Fehlbesetzung) (Fehlbese tzung) – Claudia Roth, kann ich nur als schiefen Pfeifenton wahrnehmen. Ihn aber damit zu begründen, daß Röttgen ein „Anti-Rußland-Mantra der amerikanischen Neocons“ – etwa Scharfmacher – herunterbete, ergibt schon eine falsche Tonart. Einer der wenigen deutschen Politi-

ker, die dem Möchtegern-Imperialisten und Kreml-Macho öffentlich auf die

nen langen Löffel. Jeder, der einen Blick auf die europäische Geschichte wirft, wie Röttgen es tut, wird mit der Nase auf diese Einsicht gestoßen. DIRK JUNGNICKEL, BERLIN

Ihre Leserbriefe senden Sie an: JUNGE FREIHEIT Leserforum Hohenzollerndamm Hohenzollerndam m 27 a, 10713 Berlin E-Mail: l eserbriefe@jungefreihe [email protected] it.de Fax: 030 / 86 49 53 - 14

I M G E S PR ÄC H | 3

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25 . März 2016

Markus Meinzer

provoziert:

Wir sind nicht Opfer, sondern Nutznießer von Finanz flucht.

Steueroase Deutschland CHRISTIAN SCHREIBER

    G     N     O     D     O     G     /     E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

Dgen Geldwäsche und Steu-

eutschland als Vorreiter ge-

eroasen? Von wegen!“ Mit Sätzen wie diesen, etwa im öffentlichrechtlichen Fernsehen, im Stern oder der Zeit , provoziert Markus

Meinzer. Dabei scheiden sich an dem alerten Mittdreißiger mit dem markanten Kahlkopf die

Moslems protestieren in Brüssel gegen Mohammed-Karrikaturen (Archivfoto 2006): „Die Religion ist eine Errichtung der Macht, weiter nichts“

Geister. Die einen sehen in ihm

„Uns droht ein Islamistenstaat“ Der Bestsellerautor Boualem Sansal beschreibt in seinem Roman „2084. Das Ende der Welt“ die Herrschaft einer totalitären Religion

einen mutigen Kämpfer für ein gerechteres Steuersystem, andere einen (christlich motivierten) Idealisten, der sich weigert, die Regeln der internationalen Wirtschaftsbeziehungen zu verstehen. Meinzer ist Steuerexperte und quasi Sprachrohr des Netzwerks

Herr Sansal, Ihr Buch fand in den Medien große Beachtung und wurde mit dem Grand Prix der Académie française aus gezeichnet. Was erhoffen Sie sich dadurch?  Sansal:  Das Bewußtwerden von wich-

Hinrichtung aus. Es braucht viel Zeit und viele Mittel, die wir nicht haben. Die Revolte des einzelnen halte ich zwar für denkbar, wenngleich für hoffnungslos. Wie wollen Sie als einzelner gegen

ein System, das die gesamte Welt erfaßt, tigen emen: Zwei besonders besorgniserregende sind der Aufstieg des Fun- erfolgreich aufbegehren? Mein ProtagoAti wird sich des Gefangenseins im damentalismus im allgemeinen und die nist System bewußt. Anhand des Zweifels, moralische Schwächung der Elite. der ihn von einer Frage zur anderen Sie lassen in eine dunkle Zukunft blicken. treibt, entdeckt er nach und nach die innere Revolte und begibt sich auf die Sansal: In meiner Utopie zeige ich, wie eine totalitäre Glaubensrichtung Suche nach der Wahrheit. Verständlidie Bevölkerung beherrscht. Ich den- cherweise kommt er darin nicht weit, ke dabei an eine islamische eokratie.

Die Geschichte spielt in einem Land namens „Abistan“, das sich über den gesamten Planeten erstreckt. An der Spitze der Hierarchie steht Gott, der in

 weil das System in sich geschlossen ist.

„Die Menschen müssen dumm gehalten werden“

die Religion nach den Regeln zu prakti-

Europäer – dieses zu verteidigen. Diese können ihnen nur die Mittel wie Geld,

ein neues Leben aufgebaut. In Algerien

stehen vor dem mit dem Glauben ver- damit anbieten. Es wäre etwas anderes, bundenen Handeln und nicht vor dem  wenn Frauen und Kinder nach Europa persönlichen Verhältnis, das jemand zu strömten, aber hier sieht man doch, daß Gott pflegt. Die Religion ist eine Errich- es junge, kräftige Männer sind. Das ist

ten zu haben. Heute plagen sie enorme

werden sie jedoch dafür gehaßt, geflohen und Macht vorgegeben wurden. Wir  Waffen und die Ausbildung im Umgang zu sein und damit ihre Landsleute verrazieren, die von der religiösen Autorität

tung der Macht, weiter nichts. Irrtümlicherweise denken die Europäer oft, die

Islamisten sowie ihre Anhänger seien ungebildet und dumm. Doch handelt es sich hierbei um Ärzte, Ingenieure, Techniker, Beamte, die aus der ganzen Welt

stammen und dem Islamismus verfallen. Ist die Wahrscheinlichkeit eines islamistischen Gottesstaates tatsächlich so groß?  Sansal: Seit dreißig Jahren breitet sich

der Islamismus erfolgreich aus und hat

in vielen Ländern bereits seine Wurzeln geschlagen. „Abistan“ existiert in den arabischen Ländern, aber auch in euden Propheten „Abi“ vertreten ist. Zu- Sansal: Sobald die kleinen Bürger etwas ropäischen Vorstädten wie dem Brüsdem gibt es eine absolute Überwachung hinterfragen, erfolgt von den Mächten seler Molenbeek bereits hier und dort. durch die Polizei und die Abhängigkeit der Einwurf: „Das ist uns von Gott so In zwei, drei Generation könnte es sich

 Anlehnung an Allah „Yölah“ genannt wird und durch den auf Erden leben-

der Bürger von ihrem Staat, der für sie

Wie ist es möglich, daß dasWissen in dem imaginären Abistan so begrenzt ist? 

vorgegeben.“ So wird jeglicher Zweifel

alles übernimmt – von der Zuweisung unterbunden. Natürlich gibt es noch der Unterkunft bis hin zur Bereitstellung weitere Möglichkeiten: die Menschen der Nahrung. zu terrorisieren und zu ängstigen, ihnen Propaganda vorzuhalten oder unWie erhält sich solch absolute Macht?  entwegt Leitsprüche zu wiederholen. Ebenso essentiell ist die Veränderung Sansal:  Durch Zwang, mentale Manipulation, Sprachveränderung und der Sprache. Experten haben beobachvor allem durch Ritualisierung des tet, daß eine Sprache, um eine Ideologie Zusammenlebens. Dies geschieht un- zu stützen, von mal zu mal einfacher ter dem Einfluß einer rund um die wird. Damit die Menschen einer DikUhr ausgeübten Religion, die das Be- tatur folgen, müssen sie dumm gehalten wußtsein der Menschen einschläfert. werden. Dasselbe sehen wir in Kasernen: Überdies wird die Geschichte verfälscht. Binnen sechs Monaten lernen Soldaten Die Machthaber erzählen dem Volk eine mit einem Vokabular, das über keine neue Geschichte mit der Behauptung, fünfzig Worte verfügt, die Grundregeln sie sei von Gott oder einem vom Him- und werden zu Kämpfern. Sie sind einmel Gesandten so vorgegeben. Sollten ander gleich, sie essen dasselbe, gehen die Bürger sich dennoch an ihre „alte“ gleichzeitig ins Bett, sind gleich angeGeschichte erinnern und Zweifel ge- zogen und sprechen dieselbe Sprache. genüber der neuen hegen, wird ihnen Schickte man sie anschließend in den eingetrichtert, daß sie bislang unter fal- Krieg, wo der Tod auf sie wartet, würden schen Annahmen lebten, die ihnen von sie trotzdem losziehen. Dabei spielen vorigen Eroberern und Mächten aufge- Religion und Propaganda eine wesentzwungen waren. Es ist eine Frage der liche Rolle. So werden die Soldaten zu Konditionierung. „Ameisen“, die ihrem Befehlshaber – der Ameisenkönigin – hörig sind. Es ist Gibt es dagegen keine Revolte?  ein Kinderspiel, aus einem freien Volk Sansal: Es gibt zwei Möglichkeiten: die  Ameisen zu formen. Im Roman besteht kollektive Revolte und die des einzelnen. die Einheitssprache „Abilang“ fast nur Die kollektive halte ich in diesem System aus ein- und zweisilbigen Wörtern. für ausgeschlossen, denn die Menschen In „2084“ stellen Sie „Oberflächlichkeit“

 werden sich darin wie Schafe verhalten und das bis in alle Ewigkeit. Außerdem

mit „Glauben“ in Zusammenhang.

über die gesamte Welt erstrecken.

psychische Probleme, weil sie in Algerien auf eine mindestens so große Ablehnung treffen wie in Frankreich in der inakzeptabel! Man muß diesen Men- algerischen Gemeinschaft. Diese setzt schen helfen, sich neu zu erschaffen und sich aus Algeriern zusammen, die unter „normalen“ Umständen ausgewandert nicht sich zugrunde richten. waren, das heißt die ein neues Leben in Was verstehen Sie darunter?  Frankreich begannen, weil sie dort leben wollten. Das ist das Dilemma, was Sansal: Wenn die Syrer, Iraker, Afrikaner nicht innerhalb von sechs Mona- Deutschland morgen blüht: Leute mit ten in ihre Länder zurückkehren, sind psychischen Problemen! Es wird Selbstsie komplett zerrüttet, weil sie sich auf- morde und andere Greueltaten geben. grund ihrer hohen Anzahl nicht integrie- Darüber müssen die Menschen, die von ren können und untereinander bleiben Integration sprechen, endlich nachdenwerden. Sie werden ein paar Brocken ken, denn die mit der Aufnahme verbundenen psychischen, religiösen und Deutsch lernen, aber wozu taugt das? kulturellen Probleme sind sehr kompliziert. Zumal den Menschen, die wei„Es wird Selbstmorde und andere Greueltaten geben“ terhin in ihrem Land sind, trotzdem geholfen werden muß, auch weiterhin Ist Integration also nur Wunschdenken? 

Frage ist doch: Ist es Deutschland möglich, eine Million  Arbeitsplätze zu sch affen? Denn eine  Arbeitsstelle brauchen die Flüchtlinge  jetzt und nicht erst in fünf Jahren – was Wie erklärt sich dieses Wachstum?  katastrophale Konsequenzen mit sich Sansal: Die Menschen, die heute und führen wird. Wahre Integration kann morgen geboren werden, kommen mit sich nur vollziehen, wenn Arbeit und Frust und Sehnsüchten auf eine Welt, Unterkunft gesichert sind. Anders werdie ihnen keine Antworten bieten kann. den die Migranten zu Opfern der KriDie einzige Religion, die ihnen Antwor- minalität und des Hasses, weil sie den ten liefert, wird der Islam sein. Früher Einheimischen zum Vorwurf machen oder später werden alle Menschen die- werden, diese würden sie ausbeuten und sem neuen Regime aus Angst oder Über- verachten, ihnen nichts geben und ras-

„Die Flüchtlinge sollten um ihr Land kämpfen“

druß beitreten, weil sie ihre Ohnmacht

Sansal:  Die

sistisch begegnen. Auf diese Weise ent-

feststellen. Um ein Land zu erobern, be- wickelt sich eine Kultur des Grolls, und nötigt es keiner Armee an Islamisten. die Einheimischen werden die MigranBeispielsweise wird sich Deutschland ten wiederum kritisieren und feststellen, an dem Tag verändern, an dem es derer daß sie stehlen. Die Folge ist noch mehr zehn Prozent zählt. Gesellschaftssysteme Haß und die Spaltung der Gesellschaft. wie Demokratie oder Kommunismus Daher ist die Integration, von der die  werden nicht mehr existieren. Regierungen sprechen, eine Lüge. DaDie Flüchtlinge, die nach Europa strömen, mit verbinde ich auch Oberflächlichkeit, scheinen aber vor dem Regime zu fliehen.

dort bleiben zu können. Dafür wurden

schaltet das totalitäre Regime jegliche Sansal: In Wirklichkeit steht doch Querdenker aus. Allein der Gedanke, nicht der Akt des Glaubens im Vorder- gierungen dazu auf, ihr Land zu befreidaß ein Mensch nicht mehr wahrhaft grund. Dazu wird niemand jemals auf- en – einfach schockierend. Dabei wägläubig sein könnte, reicht für dessen gefordert; es geht doch vielmehr darum, re es ihre Aufgabe – und nicht die der

Der Öffentlichkeit ist der 1979 in Karlsruhe geborene Meinzer nicht nur durch seine Medienauftritte, sondern nun auch durch sein Buch „Steueroase Deutschland“ bekannt geworden. Dort gewährt er Einblick in seine Motivation: „Für meine Weggefährten im Glauben an den auferstandenen, lebendigen Gott bin ich zutiefst dankbar.“ Es sind Sätze wie diese, die im Gegensatz zu den steilen esen stehen, die Meinzer auf-

stellt. „Kapitalisten zahlen keine Steuern“, lautet eine seiner Bot-

schaften. Und prangert die mangelnden Erfolge bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung an.

es in „Steueroase Deutschland“.

Wie ist gegen den Islamismus vorzugehen? 

ten keineswegs nur die bekann-

Sansal: Es

gibt Sicherheitsmaßnahmen

seitens des Militärs, der Polizei und der

Geheimdienste. Die Mittel werden auch angewendet, doch handelt die Politik diesen häufig entgegengesetzt. Des weiteren muß sich die Politik in Hinblick auf die Migranten ändern. Dafür ist es

aber vielleicht schon zu spät. Man hätte von Beginn an versuchen müssen, dem

Islam Demokratie beizubringen. Statt dessen haben die Europäer, vor allem aber die Franzosen und Amerikaner, den Krieg manipuliert und somit das Klima des Hasses begünstigt. Für einen gläubigen Moslem stellt die Demokratie einen

 Abistan beschreiben Sie als „leer“.Was assoziieren Sie also mit „Heimat“? 

würde sagen, daß Heisich die Flüchtlinge schuldig fühlen, weil mat das Land ist, das man in seisie ihr Land im Stich gelassen haben. nem Herzen trägt. Dieses kann reell Im algerischen Bürgerkrieg war es ge- oder mystisch genauso wie ein bißnauso: Manche sind nach Frankreich, chen hier und ein bißchen dort sein. haben sich dort Papiere beschafft und KATHARINA PUHST Sansal: In zwei, drei Monaten werden

Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt.

 wanderung hervorrufen.

diese Menschen für die Industrie und kann ich nicht nachvoll-  Wirtschaft hierzubehal ten. Eine Art Man möchte, daß die Menschen sich integrieren, aber man sagt ihnen nicht ziehen. Wenn ein Land in Gefahr ist, Entführung!  wie und weshalb. müßten die Menschen dort bleiben es handelt sich um ihr Land und um ihre Kultur. Wozu lohnt es sich sonst zu leben? Die Flüchtlinge reisen nach Europa und fordern die dortigen Re-

oder der Evangelische Verband

 Aber nicht nur das. „Steueroasen? Das waren bis-

Sansal: Das

Glauben Sie an eine Rückkehr der Miter, Geschwister und Familien sind dort,  granten in ihre Heimatländer? 

sche Hilfsorganisation Misereor

internationale Gesetze eingeführt: damit die Menschen bei sich in Freiheit und Unabhängigkeit leben und nicht damit sie fliehen und eine weltweite Völker-

 Widerspruch zu den im Koran gelehrten Worten dar und verweist auf einen denn in Wahrheit geht es doch darum, Lernprozeß, der nie stattgefunden hat.

und dafür kämpfen. Sowohl ihre Müt-

Steuergerechtigkeit. Zu dessen Mitgliedern gehören globalisierungskritische Gruppen wie  Attac oder Transparency International, aber auch die katholi-

Sansal: Ich

her immer die anderen!“ heißt

Zuflucht und Unterstützung bö-

ten Steuerparadiese „unter den Palmen der Südsee“. Und auch die Verteufelung der Schweiz in

Sachen Steuerabkommen durch deutsche Politiker sei geradezu heuchlerisch. Deutschland, so Meinzer, verhalte sich im Kampf um das angeblich scheue, stets zur Flucht bereite Kapital selbst

nicht anders: Unsere Politiker müßten „sich unbedingt an die eigene Nase fassen. In vielerlei Hinsicht können wir es mit den

Cayman Islands oder den Virgin Islands – den notorischen Steu-

eroasen – aufnehmen“, erklärte der Autor in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.

So lagerten derzeit etwa 2.500

Milliarden Euro Vermögen aus-

ländischer Privatanleger in deutschen Banken – und zwar unversteuert. „Im Kampf um Investoren und im Buhlen um das

internationale Finanzkapital wird auch hierzulande bei den Steuertricks der Konzerne weggeschaut, rollt man Schwarzgeld den roten Teppich aus und bleiben die

 Aufsichtsbehörden zu schwach, um dem Treiben Einhalt zu gebieten“, klagt Meinzer.

 Aller dings finden sich im

Boualem Sansal     É     T     T     I     L     L     A     U     T     C     A     /     R     K     C     I     L     F    :     O     T     O     F

erhielt 2011 in Frankfurt am Main den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Geboren 1949 in Algerien, studierte er zunächst Ingenieurwesen und wurde in Volkswirtschaftslehre promoviert. 1996 ernannte man ihn zum Generaldirektor im Ministerium

für Industrie, den Posten verlor er jedoch aufgrund seiner islamkritischen Bücher und Äußerungen. 1999 veröffentlichte Sansal seinen ersten Roman „Der Schwur der Barbaren“, der in Frankreich von großem Erfolg gekrönt war. Alle seine Romane sind bei Merlin bisher auch auf deutsch erschienen, zuletzt der Essay „Allahs Narren. Wie der Islamismus die

Welt erobert“. Seine Utopie „2084. La fin du monde“ (zu deutsch: „2084. Das Ende der Welt“) wurde vergangenen Herbst in Frankreich publiziert und gilt als sein bislang bester Roman. Eine Übersetzung in deuscher Sprache liegt allerdings noch nicht vor. www.boualem-sansal.de

Buch zwar viele Behauptungen,

aber nur wenige Belege. Recht hat Meinzer aber ganz sicher, wenn er den Widerspruch zwischen dem staatlich propagierten Kampf gegen Steuerhinterziehung und dem gleichzeitig betriebenen Personalabbau bei den Finanzbehörden herausstreicht.

4 | P O L I T I K 

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25. März 2016

Fehlstart in die Programmdiskussion

Haftstrafen für Anschlag auf Asylheim HANNOVER. Das Landgericht

Hannover hat zwei Männer und eine Frau wegen eines Brandanschlages auf ein Asylbewerberheim im niedersächsischen Salzhemmendorf zu mehrjährigen Gefäng-

AfD: Früher als geplant ist der Entwurf des Grundsatzprogrammes in die Öffentlichkeit gelangt und sorgt prompt für Diskussionen MARCUS SCHMIDT

nisstrafen verurteilt. Das Gericht

sah es als erwiesen an, daß die drei

Ende August 2015 aus Fremdenfeindlichkeit und Rassenhaß ver-

sucht hatten, Feuer zu legen. Den 31jährigen Haupttäter Dennis L., der gestanden hatte, einen Molotowcocktail in ein Fenster des Heimes geworfen zu haben, verurteilten die Richter wegen versuchten Mordes und Brandstiftung zu acht Jahren Haft. Sein 25

 Jahre alter Mittäter, Sascha D., er-

hielt sieben Jahre Gefängnis. Die

24jährige Saskia B., die die beiden

ein, der Entwurf für das Parteiprogramm der AfD war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Doch „geleakt“, also gezielt „durchgesto-

N

chen“, worden, sei das 72 Seiten starke

Grundsatzprogramm auch nicht, wird in der Partei versichert. Vielmehr habe

es sich bei der Veröffentlichung schlicht um ein Versehen gehandelt, an dem offenbar ein AfD-Landesvorsitzender nicht ganz unschuldig gewesen sei. Wie auch immer: Inmitten des Jubels über die zweistelligen Wahlergebnisse in drei Bundesländern hat die AfD jetzt eine handfeste Programmdiskussion am Hals.

betrunkenen Männer zum Tatort gefahren hatte, wurde zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. (ms)

 Am Freitag vergangener Woche mußte

Mehr Geld für „Kampf gegen Rechts“

dem Programm-Leck beschäftigen.

BERLIN. Die Bundesregierung hat angekündigt, von 2017 an doppelt soviel Geld wie bisher für den „Kampf gegen Rechts“ zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Initiativen und Projekte in den Kommunen sollen 50 Millionen Euro zusätzlich erhalten. Das Bundesprogramm „Demokratie Leben!  Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ wird künftig 100 Millionen

Euro jährlich bekommen, berichtete die  Zeit . Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) hatte bereits im Februar nach den Protesten in Clausnitz und Bautzen gefordert, das Budget zu verdoppeln. Darauf hätten sich nun

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) geeinigt. Das Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus wurde 2015 auf Schwesigs Initiative hin ins Leben gerufen. Es unterstützt „zivilgesellschaftliche“ Initiativen und Projekte, die sich gegen Rechtsex-

sich sogar der Bundesvorstand auf seiner turnusmäßigen Sitzung in Berlin mit

    S     R     E     T     U     E     R    :     O     T     O     F

Ans Revers geheftet: „Ideologiegetriebene Expansion der Staatsaufgaben stößt an Grenzen“

„Wir wollen Deutsche sein und bleiben“

Bevormundungs- und Ideologie-Staat und gegen die Willkür der politischen Klasse.“ Zugleich bekräftigt der Entwurf Für die AfD-Spitze kommt die Ver- den Anspruch der AfD, eine Volksparöffentlichung des Entwurfs zur Unzeit. tei zu sein, die sich nicht alleine rechts Denn das Papier legt einige Konfliktli- verorten lassen will: „Wir, überzeugte nien offen, die die Partei in den kom- Demokraten und freie Bürger, Liberale menden Wochen bis zum Programm- und Konservative, wollen uns mit ganzer parteitag Ende April in Stuttgart noch Kraft gemeinsam dafür einsetzen, unbeschäftigen dürften. Dabei droht vor ser Land im Geist von Demokratie und allem vom wirtschaftsliberalen Flügel Freiheit grundlegend zu erneuern und der Partei Widerspruch, der sich nicht eben diesen Prinzipien wieder Geltung nur gegen die Festschreibung des ge- zu verschaffen.“ und weiter: „Wir sind setzlichen Mindestlohns im Entwurf offen gegenüber der Welt, wollen aber sträubt.

Deutsche sein und bleiben.“

In der Präambel zum Entwurf geht Kritisch beurteilt das Papier den es zunächst sehr grundsätzlich – und Zustand der Demokratie. „Heimlicher pathetisch zu. „Entschlossen stellen wir Souverän“ sei eine kleine, machtvolle pouns den Kräften des alten und neuen litische Führungsgruppe innerhalb der Totalitarismus entgegen und verweigern Parteien, die für die Fehlentwicklungen uns dem Weg in die Knechtschaft“, ist der vergangenen Jahrzehnte verantwortdort über das Selbstverständnis der AfD lich sei. „Als einzige Möglichkeiten, dem zu lesen. Und weiter: „Wir sind freie wahren Souverän sein politisches EntBürger und keine Untertanen. Wir scheidungsrecht zurückzugeben, bleiben stellen uns gegen einen übermächtigen Volksbegehren und Volksentscheide“,

gegen die Euro-Rettungspolitik gegrün- von Alleinerziehenden. Wer unverschuldet wurde, nicht anders zu erwarten, det in diese Situation geraten sei, verdierem auch auf die Diäten der Bundes- fallen die Forderungen zur Gemein- ne selbstverständlich die Unterstützung tagsabgeordneten erstrecken. Auch das schaftswährung aus: „Wir fordern eine der Solidargemeinschaft. „Eine staatliche Grundgesetz dürfe „ohne Zustimmung Volksabstimmung über den Verbleib Finanzierung des selbstgewählten Ledes Volkes“ künftig nicht mehr geändert Deutschlands im Euro, sofern die EU bensmodells ‘Alleinerziehend’ lehnen wir werden. „Wie in der Schweiz wollen wir nicht unverzüglich zu den ursprüngli-  jedoch ab“, stellt der Entwurf aber klar. die Volksabstimmungen bürgerfreund- chen Stabilitätsgrundsätzen des Euros  Ausländischen Staaten und Geldgelich und demokratisch gestalten.“ zurückkehrt“, lautet ein Kernsatz in dem bern will die AfD untersagen, Moscheen ausführlich gefaßten Kapitel. in Deutschland zu errichten. Zudem Mit Blick auf die Familienpolitik wendet sich die Partei gegen Minaret Absage an Minarette beklagt der Programmentwurf, daß te „als islamisches Herrschaftssymbol“ und den Muezzinruf die Wertschätzung für die traditionelle

sowie den Muezzinruf. Beides stehe im

Sehr liberale Züge trägt das Kapitel Familie zunehmend verlorengehe. Zu-  Widerspruch zu einem toleranten Nezum Staatsverständnis. „Die ständige, dem greife der Staat immer stärker in die beneinander der Religionen. Schlecht bestellt ist es nach Auffasteils ideologiegetriebene Expansion der Erziehung ein. Gender Mainstreaming Staatsaufgaben stößt an finanzielle und und die generelle Betonung der Indi- sung der Partei um die Presse- und Meifaktische Grenzen“, heißt es in dem ent- vidualität untergrabe die Familie als nungsfreiheit. „Die AfD fordert: Schluß sprechenden Teil. Der Staat habe sich  wertegebende gesellschaftliche Grund- mit politischer Korrektheit.“ Zudem soll verzettelt. „Es bedarf neuer Konzentra- einheit. „In der Familie sorgen Mutter der Beitragsservice (GEZ) ersatzlos abtion auf die vier klassischen Gebiete: und Vater in dauerhafter gemeinsamer geschafft werden. „Die staatliche InforInnere und äußere Sicherheit, Justiz, Verantwortung für ihre Kinder“, lautet mationsversorgung wird durch einen  Auswärtige Beziehungen und Finanz- dagegen der familienpolitische Leitsatz. steuerfinanzierten Rundfunk mit zwei verwaltung“, fordern die Autoren. Dagegen wendet sich die Partei in dem Rundfunksendern und zwei Fernseh Wie von einer Partei, die aus Protest

Entwurf gegen eine gezielte Förderung sendern geleistet“, schlägt die AfD vor.

Einschlägig und schlagkräftig

tremismus und „Menschenfeindlichkeit“ einsetzen. (mv)

Zahl der Hauptschulen schrumpft deutlich

Aufruf: Ein Bündnis aus gewaltbereiten Linksextremisten, Gewerkschaften, Grünen und führenden SPD-Politikern hat der AfD den Kampf angesagt

 WIES BAD EN. Die Zahl der Haupt- und Realschulen in Deutschland ist in den vergangenen zehn Jahren deutlich geschrumpft. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes schlossen

in diesem Zeitraum 42 Prozent der Hauptschulen und 23 Prozent der Realschulen. Die Zahl der integrierten Gesamtschulen wuchs dagegen um mehr als das Doppelte (plus 144 Prozent). Insgesamt geht die Zahl der Lehranstalten in Deutschland aber weiter zurück. Im Schuljahr 2014/15 zählten die Statistiker in Deutschland rund 33.600 Schulen. Dies waren 5.500 weniger (minus 14 Prozent) als vor zehn Jahren. Im Durch schnitt besuchten 250 Schüler eine Schule.

Die größten allgemeinbildenden Lehranstalten waren mit Abstand die Gymnasien, an denen im Schul jahr 2014/15 durch schnittlich gut 740 Schüler unterrichtet wurden. Das waren 90 Schüler weniger als noch vor zehn  Jahren. (ms)

heißt es im Entwurf. Diese werden sehr

 weit gefaßt und sollen sich unter ande-

Parolen und hetzen gegen Andersden-  Anton Hofreiter, sowie ihre Parteichefs kende“, von der VVN-BdA, die ebenfalls Cem Özdemir und Simone Peter, die  jahrelang vom Verfassungsschutz beob- stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzennter Arbeitnehmern hat die AfD bei achtet wurde. Eine Kampfansage enthält de Eva Högl, die Linksparteichefin Katja den vergangenen Landtagswahlen der Aufruf auch: „Wir werden uns der Kipping, die Bundestagsvizepräsidentin besonders gut abgeschnitten. Das muß  AfD überall entgegenstellen, ob auf der Petra Pau und der Chef des Zentralrats den DGB schmerzen, hatte er doch vor Straße oder in den Parlamenten.“ der Muslime, Aiman Mazyek, haben Die Unterzeichner eint der schwere das Schriftstück, in dem die AfD mit der Wahl ausdrücklich dazu aufgerufen, nicht dieser Partei die Stimme zu geben. Vorwurf, daß die AfD der „Stichwortge- Mordanschlägen in Verbindung geSogar von den „Vollidioten der AfD“ ber“ für „Mordanschläge und Pogrome bracht wird, unterzeichnet. sprach eine DGB-Vize bei einem Wahl- gegen Geflüchtete“ sei. Daher kündiaufruf der baden-württembergischen gen die Initiatoren an, sie wollten verMobilisierung gegen Gewerkschaften. Das hat alles nichts hindern, daß Rassisten „Raum für ihre Bundesparteitag genutzt. Jetzt geht es weiter. Auf einer Hetze bekommen“. Im Zusammenhang „Aktionskonferenz“ im DGB-Haus in mit den permanenten Drohungen gegen  Wie sic h dies e Personen der AfD Frankfurt am Main am 23. und 24. Hotels und Gaststätten, in denen die „überall“, wie sie betonen, entgegen April soll der Kampf gegen die Partei  AfD Räume nutzen möchte, erhält dies stellen können, werden sie – wenn professionalisiert und weiter vernetzt eine pikante Note. Zumal nicht nur die gewünscht – bei der „Interventioni werden.  Antifa den Aufruf unterz eichnet hat, stischen Linken“ (IL) auf dem kurzen  Als Paket zu dieser Tagung gehört sondern auch Bundesfamilienministerin Dienstweg erfahren. Denn auch die vom Verfassungsschutz beobachte Gruppe, auch ein Aufruf gegen die AfD, den Manuela Schwesig (SPD). Politiker von FDP, SPD, Grünen und  Aber sie befindet sich in einer promi- die für zahlreiche gewaltsame Demonder Linken genauso wie Antifa-Grup- nenten Reihe, was das deutsche Politik- strationen verantwortlich ist, hat den pen und weitere laut Verfassungsschutz Establishment angeht: Auch die neue  Aufruf unterschrieben. Bei ihr sind laut „gewaltorientierte“ Linksextreme un- SPD-Generalsekretärin Katarina Barley, aktuellem Verfassungsschutzbericht terschrieben haben. Verantwortet wird SPD-Vize Ralf Stegner, die beiden Frak- mehr als 20 postautonome Gruppen der Aufruf, in dem es ohne Beleg heißt: tionsvorsitzenden von Bündnis 90/Die organisiert. Die IL will nach eigener „Abgeordnete der AfD verbreiten Nazi- Grünen, Katrin Göring-Eckardt und  Aussage als „radikale Linke in den gesellRONALD BERTHOLD

U

schaftlichen Kämpfen präsent sein“. Der antwortlich machen möchte, dann ist Verfassungsschutz schreibt, „wichtige es die Bundesregierung und die EZB“, Organisationen im gewaltorientierten sagte er. Erst kürzlich lehnte VerfassungsLinksextremismus“ hätten sich der IL schutzpräsident Hans-Georg Maaßen angeschlossen.  Auch in die Gesellschaft des Bun- Forderungen von SPD-Chef und Vizedesvorsitzenden der SDAJ, Paul Roder- kanzler Sigmar Gabriel ab, die AfD zu mund, begeben sich die prominenten beobachten, weil diese die freiheitlichBundespolitiker. Über dessen Organi- demokratische Grundordnung nicht besation, die Sozialistische Deutsche Ar- drohe. Unter den insgesamt 187 Erstunbeiterjugend, schreibt der Verfassungs-

schutz in seinem aktuellen Bericht,

terzeichnern findet sich nun das „Who is who“ der deutschen Linken und des

deutschen Linksextremismus sowie desverfolge „das Ziel, eine sozialistische/ sen Relativierer. Wie breit dieses Bündkommunistische Gesellschaft zu errich- nis gegen eine demokratisch gewählte ten“. Auf gut deutsch: Die SDAJ kämpft Kraft tatsächlich ist, zeigt, daß sich selbst diese sei „marxistisch-leninistisch“ und

für eine Art neue DDR.

 Auch der Sprecher der linksextremen Blockupy-Gruppierung, Frederic Wester, gehört dem Bündnis an. Bei den Protesten von Blockupy gegen die Eröffnung der EZB-Zentrale kam es im vergangenen Jahr zu massiven Ausschreitungen. Während der linksextremen Krawalle wurden mehr als 150 Polizisten verletzt. Wester gab nach der Randale der Bundesregierung die Schuld an der Eskalation. „Wenn man jemanden ver-

die schulpolitische Sprecherin der Köl-

ner FDP-Ratsfraktion, Stefanie Ruffen, nachträglich in die Liste der Unterstüt-

zer eingetragen hat. Inzwischen hat sich auch der Bundesverband Windenergie in Gestalt des Politikreferenten Georg Schroth dem Aufruf angeschlossen.

 Auf der Aktionskonferenz soll auch

besprochen werden, wie die „mögliche

bundesweite Mobilisierung gegen den Bundesparteitag der AfD“ aussehen könnte.

Parteien, Verbände, Personen AfD-Fraktion Baden-Württemberg

 Auf ihrer konstituierenden Sitzung hat die Fraktion der AfD im

Landtag von Baden-Württemberg in der vergangenen Woche  Jörg Meuthen zum Vorsitzenden ge-

abgeordneten wählten aufder konstituierenden Sitzung der Fraktion zu-

der Erhöhung der Diäten durch den alten rotschwarz-grünen Land-

dem Matthias Büttner und Tobias Rausch

tag ein Zeichen setzen,

zu stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden.  wählt. Der AfD-Parteichef erhielt Zum Parlamentarischen 20 von 23 Stimmen bei zwei Ent- Geschäftsführers wurde haltungen. Zu s tellvertretenden Daniel Roi bestimmt.  Junge Fraktionschefs gewählt wurden Emil Sänze und Rainer Balzer . AfD-Fraktion Bernd Grimmer, der bei der Land- Rheinland-Pfalz tagswahl im Wahlkreis Pforzheim Die AfD-Abgeordneten im Landmit 24,2 Prozent der Stimmen tag von Rheinland-Pfalz haben das beste Ergebnis aller AfD-Ab- Uwe Junge zum Fraktionsvorsitgeordneten erzielen konnte und zenden gewählt. Auf ihrer ersten eines von zwei Direktmandaten der Sitzung wurden zudem Joachim Partei errungen hatte, wurde zum Paul   sowie Timo Böhme zu Parlamentarischen Geschäftsführer stellvertretenden Vorsitzenden bestimmt. gewählt. Zum Parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer wählten die Abgeordneten der AfD AfD-Fraktion  Jan Bollinger . In einem ersten Sachsen-Anhalt Der Landesvorsitzende der AfD in Vorstoß sprach sich die Fraktion Sachsen-Anhalt, André Poggen- dafür aus, künftig nur noch eiburg, führt künftig auch die Frak- nen statt wie bisher drei Landtion seiner Partei im Magdeburger tags-Vizepräsidenten zu wählen. Landtag. Die 24 AfD-Landtags- „Damit könnte die Politik nach

daß wir nicht nur bei den Bürgern, sondern auch bei uns selbst den

Rotstift ansetzen“, sagte  Junge. Nach der bishe-

rigen Regelung würde der AfD-Fraktion als drittstärkster Partei der Posten eines stellvertretenden Landtagspräsidenten zustehen.

rechtlers Tobias Lettl festgestellte vorhandene Marktmacht werde dadurch weiter zunehmen. Die  Wettbewerbsbedingungen innerhalb der Lebensmittelkette verschlechtere sich, so daß es, wie aktuell schon sichtbar, zu stärkeren Wertschöpfungsverlusten in der Landwirtschaftkomme, befürchtet der Bauern-

eindeutig zu wenig, da

immer neue Einsätze auf die Bundeswehr zukämen und noch immer Personal für die Flüchtlingshilfe abgestellt werde, während der Wehrbeauftragte feststellen müsse, daß es der Truppe nahezu an allem fehle. „Der

für den Wohnungsbau bezeichnet. „Das Ziel der Bundesregierung, den Neubau von bezahlbaren Mietwohnungen für den sozialen Wohnungsmarkt anzuregen, wird dagegen nicht erreicht werden“, kritisierte der Bundes-

 Auffassung der Gewerkschaft der Polizei (GdP), daß die Gewalt in der kriminellen Szene eskaliere. „Die Polizei wird  jetzt natürlich zunächst in alle Richtungen ermitteln. Die Art und  Weise des Anschl ags Siebenkotten

könnte jedoch auf Aus-

klar sein, daß die Bundeswehr ein Mit Blick auf die Verhandlun- enormer Sanierungsfall ist. Wenn gen des Bundeshaushalts für  jetzt nichts passiert, werden d ie 2017 hat der Deutsche Bundes- Streitkräfte flächendeckend in

Mieterbundes (DMB), LukasSiebenkotten. „Notwendig wären eindeutige Mietobergrenzen für diese steuerlich per Sonderabschreibung geförderten Wohnungen. Die aber fehlen im Gesetzentwurf der Bundesregierung völlig.“ Die Gleichung, niedrigere Baukosten führten automatisch zu niedrigeren Mieten, sei nicht mehr

einandersetzungen der Organisierten Kriminalität oder zwischen rivalisierenden Banden hindeuten“, sagte der stellvertretende GdP-Chef,  Jörg Radek , dem Nachrichtensender N24. „Dieses Verbrechen zeigt die schiere Skrupellosigkeit der Täter, die schwere Verletzungen oder gar den Tod Unbeteiligter in Kauf genommen haben“, unter-

 wehrverband die Mitglieder des

als ein frommer Wunsch.

strich Radek.

verband.  www.bauernverband.de

Deutscher Bauernverband

Trotz verschärfter Auflagen ist die Ministererlaubnis von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für die Übernahme der Supermarktkette Kaiser‘s Tengelmann durch Edeka auf deutliche Kritik des Deutschen Bauernverbands (DBV) gestoßen. Dies gehe eindeutig zu Lasten der  Wettbewerbssituation der Landwirtschaft, der Verarbeiter und Vermarkter. Die auch in einem  jüngsten Gutachten des Kartell-

Verband liege mit seiner Forderung um 4,3 Milliarden über dem, was das Verteidigungsministerium in den Verhandlungen gefordert habe. Dies sei

Wüstner

Deutscher Bundeswehrverband

Bundesregierung muß

den Burn Out getrieben“, warn-

Bundeskabinetts aufgefordert, te Wüstner. die Ausgaben für die Bundeswehr kräftig zu erhöhen. „Wir Deutscher Mieterbund brauchen 18,5 Milliarden Euro  Als ein Milliardengeschenk für zusätzlich bis 2020“, sagte der Bauherren und Investoren hat der Verbandsvorsitzende, Oberst- Deutsche Mieterbund (DMB) die leutnant  André Wüs tner . Der geplanten Sonderabschreibungen

direktor des Deutschen

 www.mieterbund.de

Gewerkschaft der Polizei

Der Sprengstoffanschlag auf einen Autofahrer in der vergangenen Woche in Berlin belegt nach

Piraten-Fraktion Nordrhein-Westfalen

Nachdem die Fraktion der Piratenpartei im Landtag von Nordrhein-Westfalen in der vergangenen Woche zum wie-

derholten Male mit dem Versuch gescheitert ist, den Posten eines Vizepräsidenten des Landtages zu besetzen, hat die Partei juristische Schritte angekündigt. „Die Fraktion sieht in der vom Landtag entschiedenen

Nichtberücksichtigung bei der Besetzung des Präsidiums eine Ungleichbehandlung gegenüber allen anderen Fraktionen, die verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt erscheint. Daher werden wir eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof in Münster prüfen“, sagte Fraktionschef Michele Marsching.

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POLITIK| 5

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25 . März 2016

Die italienische Krankheit

Sarrazin kritisiert Asylpakt mit der Türkei

Nach den Landtagswahlen: In Berlin wird über eine schwarz-grüne Koalition spekuliert – für die Union könnte das verhängnisvoll enden PAUL ROSEN

D

as Zeitalter der Volksparteien geht zu Ende. Die SPD hat ihren Stimmenanteil seit 1972 halbiert, die Mitgliederzahl ebenfalls.  Auch die CDU befindet sich im Sinkflug. Gaben die Westdeutschen den beiden Volksparteien einst 90 Prozent der Stimmen, reduziert sich dieser Wert seit der Wiedervereinigung immer mehr. Inzwischen müssen die beiden Dinosaurier des Volksparteienzeitalters feststellen, daß sie sogar zusammen nicht immer Mehrheiten haben, und sich nach neuen Bündnispartnern umschauen.

 Verzwergung eines Dinosauriers Für die SPD ist der Traum vom rotrot-grünen Bündnis ausgeträumt. Rein rechnerisch hätte Rot-Rot-Grün im derzeitigen Bundestag sogar eine Mehrheit. Doch Tatsache ist auch, daß bei der vergangenen Bundestagswahl nur 42,7 Prozent für diese drei Parteien stimmten. Das waren schon ein paar Prozentpunkte weniger als 2009 (45,6 Prozent), und angesichts der Ergebnisse der jüngsten Landtags- und Kommunalwahlen dürfte das linke Lager nach jetzigem Stand bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr noch schlechter abschneiden.  Aus heutiger Sicht ist die rot-rot-grüne Koalition in üringen mit dem linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow kein Höhepunkt einer Entwicklung, sondern Endstation eines Fehlversuchs. „Tatsache ist, daß in Deutschland erstmals seit vielen Jahren die links-liberale Hegemonie über den politisch-gesellschaftlichen Diskurs zu schwinden droht“, warnte bereits die Frankfurter Rundschau. „Ich kenne derzeit keine Umfrage, die eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün im Bund hergibt“, stellt etwa Jürgen Trittin ernüchtert fest.

Von den alternden ehemaligen Volksparteien ist die CDU immer noch die stärkere Kraft. Dies könnte Bundeskanzlerin Angela Merkel 2017 tatsächlich erneut den Auftrag zur Regierungsbildung einbringen. Hält das Siechtum der SPD an und verliert auch die Union weiter Stimmen, würde eine Große Koalition nicht einmal mehr eine absolute Mehrheit der Mandate im Bundestag zusammenbekommen. Profitieren die Grünen von der Auszehrung der SPD, wären sie geborener Koalitionspartner von CDU/ CSU. Reicht es weder für die Große Koalition noch für Schwarz-Grün, kommt eine Union-SPD-Grünen-Koalition in Betracht. Auch ein Bündnis der CDU mit Grünen und FDP wäre denkbar, wenn sich die FDP weiter erholen sollte. „Wir leben politisch längst in einer  Art historischem Kompromiß. Im Bund sind die Grünen in der Opposition, aber über die Länder regieren sie mit. Politisch stehen sie der Kanzlerin längst näher als die Regierungspartei CSU“, freute sich die taz . Das ist richtig. Von der Energiewende bis zur Homoehe gibt es tatsächlich fast nichts mehr, was Union und Grüne inhaltlich trennt. Im Bundestag läuft es meist so, daß die Grünen eine Forderung erheben und die SPD sich sofort anschließt. Die CDU/CSU ziert sich daraufhin noch eine Weile und sagt wie weiland Rainer Barzel zu den Ostverträgen: so nicht und jetzt nicht – um dann die grüne Politik weitgehend oder komplett umzusetzen. Vorbild für ein schwarz-grünes Bündnis ist Hessen, wo die CDU angeblich besonders konservativ war. In Wirklichkeit entpuppte sich der hessische Konservativismus als tönerner Koloß, den Ministe rpräside nt Volker Bouffier mit einem Schlag zerschmetterte, als er eine Koalition mit den Grünen und ihrer Leitfigur Tarik Al-Wazir einging. Der einst in allen CDU-Wahlkampfreden übel beschimpfte Al-Wazir zeigt sich heu-

te in der Öffentlichkeit in Kumpelpose mit Bouffi er. Möglicherwe ise kommt es in Baden-Württemberg zur nächsten Verbindung zwischen Grünen und CDU. Daß die CDU in ihrem Stammland Juniorpartner der Grünen werden könnte, zeigt das Ausmaß der Verzwergung des einstigen Dinosauriers. Von den Grünen wird die Verbindung mit Merkel und der CDU bereits offen empfohlen: „Wir haben uns bei zwei Bundestagswahlen in Folge vergeblich um rot-grüne Mehrheiten bemüht. Da fällt uns jetzt kein Zacken aus der Krone, wenn wir uns nach anderen Mehrheiten umsehen, wo immer es sie unter den demokratischen Parteien gibt“, sagt etwa Grünen-Chef Cem Özdemir. Und Trittin erklärt mit Blick auf Sachsen-Anhalt, wo CDU, SPD und

Grüne möglicherweise ein Bündnis eingehen werden: „Die Grünen müssen also im Zweifel Teil der neuen, lagerübergreifenden Koalitionen werden.“ Ganz offen erklärt der Grünen-Fraktionsvorsitzende  Anton Hofreiter: „Ich will, daß Grüne 2017 realistische Machtoptionen haben.  Am liebsten mit der SPD. Wenn das nicht geht und die Inhalte passen: im Zweifel mit der Union.“ Daß bei den Inhalten passend gemacht wird, was noch nicht paßt, daran besteht angesichts der früheren Drehungen der Union in die grüne Richtung kein Zweifel. Und in der Flüchtlingspolitik sind sich CDU und Grüne beinahe zu 100 Prozent einig. Die Inkompatibilität mit der CSU ist allerdings ein größeres Problem für die

Union. Da zeigen sich Sollbruchstellen, die CSU-Chef Horst Seehofer sogar den KreutherAusdehnungsgeistbeschwören ließen. Ex-Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) wünscht sich bereits: „Der Merkel-Flügel der CDU kann sich  ja ins rot-grüne Team verabschieden.“ Vermutlich läuft es aber andersrum: Einige empörte Abgeordnete könnten die Unionsfraktion verlassen, während die große Masse sich über schöne Posten, Dienstwagen und üppige Büros freut – nicht ahnend, daß sie dem Weg der italienischen Schwesterpartei Democrazia Cristiana (DC) in den Abgrund bald folgen werden. Die DC war zum Schluß auch mit jeder Gruppierung links von ihr koalitionsfähig. 1994 zerfiel sie.

Statistiker zählen zwei Millionen Einwanderer  WIESBADEN. Fast zwei Millionen Ausländer sind 2015 nach Deutschland eingewandert. Die meisten von ihnen waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden Asylsuchende aus Ländern außerhalb der Europäischen Union. Die Zahl der Zuzüge sei damit 2015 um rund 49 Prozent gestiegen, während die Zahl der Fortzüge um zwölf Prozent zugenommen habe. Auch die Nettozuwanderung verdoppelte sich im vergangenen Jahr. Während knapp zwei Millionen Personen einreisten, zogen 860.000  Ausländer aus Deutschland fort. Daraus folge ein Wanderungssaldo von 1,14 Millionen Menschen. Das ist der höchste jemals gemessene Wanderungsüberschuß von  Ausländern in der Geschichte der Bundesrepublik. Im Jahr zuvor lag der Saldo bei 577.000. (mv)

    A     P     D     /     E     C     N     A     I     L     L     A        E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter, Bundeskanzlerin Merkel: „Im Zweifel mit der Union“

Getrennt marschieren, gemeinsam verlieren Linkspartei: Nach dem enttäuschenden Abschneiden bei den Landtagswahlen lecken die Sozialisten ihre Wunden und streiten über die richtigen Rezepte PAUL LEONHARD

K tagswahlen in Baden-Württemberg, napp zwei Wochen nach den Land-

Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt zeigt sich die deutsche Linke erneut tief gespalten. Sie hat den Einzug in beide westdeutschen Landesparlamente verpaßt und ist in dem östlichen Bundesland von 23,7 Prozent auf 16,3 Prozent abgestürzt. Diesmal geht der Riß nicht quer durch die Landesverbände und Fraktionen, sind es nicht Reformer und Traditionalisten, die sich bekämpfen. Diesmal wird deutlich, wie sehr sich die Parteispitze von der Basis entfernt hat.  Ausgerechnet an der Chefin der Linksfraktion, Sahra Wagenknecht, entzündet sich der Streit. Diese hatte kurz vor den  Wahlen in einem Interview darauf hingewiesen, daß es für die Aufnahme von FlüchtlingenKapazitätsgrenzengibt. Sie hatte von Ghettoisierung und Parallelwelten gesprochen und gefragt, ob sich

die Partei nicht „stärker von der sozial verantwortungslosen Ausgestaltung der Flüchtlingspolitik der Großen Koalition“ hätte abgrenzen müssen. Parteichefin Katja Kipping widersprach sofort und Dutzende Vertreter der Antikapitalistischen Linken forderten  Wagenknecht in einem offenen Brief auf, ihre „Positionen zu überdenken und zu korrigieren“. Sollte sich die Linke auf derartiges einlassen, laufe sie Gefahr, „als soziales, solidarisches, internationalistisches und antikapitalistisches Projekt endgültig zu scheitern“. Andererseits distanzieren sich die Briefschreiber von den „Vorwürfen Gregor Gysis und anderer“,  Wagenknecht sei mit ihren Ansichten Mitschuld an der Wahlniederlage. In den Leserkommentaren der linken Medien und sozialen Netzwerke finden die Äußerungen Wagenknechts Zustimmung. Sie sei die einzige, die Stimmungen in der Bevölkerung registriere, heißt es da. Andere warnen davor, jede  Abweichung von der Vorstandslinie in die rechte Ecke zu schieben: „Mit der

rechten Keule die Meinungsfreiheit in der Partei einzuschränken, wird nicht erfolgreich sein.“ Und es wird eine realistischere Flüchtlingspolitik angemahnt. Realitätsverweigerung habe noch nie Erfolg gehabt.  Ähnlich sehen es Parteistrategen in ihren Analysen. Es sei zuviel Rücksicht auf Bündnisfragen genommen worden, statt die Mitverantwortung von SPD und Grünen am Kahlschlag und der Entdemokratisierung zu benennen. So ist es der Linken nicht gelungen, Wähler zu mobilsieren, sondern dem ärgsten Gegner, der Alternative für Deutschland.

Streit über den Umgang mit der AfD Bündnisfähigkeit sei wichtiger denn  je, aber nicht so sehr mit anderen Parteien als mit der Gesellschaft, mahnt Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn. Wenn derzeit Sicherheiten schwänden, die etablierte Politik sich entdemokratisiere und zunehmend autoritärer werde und

gleichzeitig reihenweise gesellschaftliche Tabus fielen, dann müsse die Partei das zur Kenntnis nehmen. Ein gesellschaftlicher Diskurs über Inhalt und Form alternativer Politik sei erforderlich, alte Muster müßten hinterfragt werden. Eine „soziale Offensive“ fordert ein Leitantrag des Vorstandes. Die Willkommenskultur müsse „mit dem Kampf gegen Armut“ verbunden werden. Wichtig sei es, eine Strategie zu entwickeln, „wie wir wieder in die richtige Spur und zu den Menschen zurückfinden“, findet Dominic Heilig, Sprecher des Forums DemokratischerSozialismus. Uneins sind sich die Sozialisten im Umgang mit der AfD. Es nütze nichts, diese als „faschistische Partei zu etikettieren“, so die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, Alexander Ulrich und Heike Hänsel. Die Partei müsse die  AfD „sozial stellen“. Andere fordern die  Ausrichtung auf einen „demokratischen Klassenkampf“, da es rot-rot-grüne Bündnisse – abgesehen vielleicht von Berlin – vorerst nicht geben werde.

MARCUS SCHMIDT

HÜber die Asylkrise. Den Rechtsier im Keller wird Klartext geredet.

bruch an den deutschen Grenzen. Merkels eigenmächtiges Handeln. Bierhumpen kreisen, die Bedienung serviert Brezeln und Schweinebraten mit Klößen. Im historischen Gewölbekeller einer bayerischen Gaststätte, wenige hundert Meter vom Berliner Regierungsviertel entfernt, machen sich die Bürger Luft. Könnte man meinen. Doch es ist etwas anders. Die, die hier den Stab über die  Asylpolit ik des vergange nen h alben  Jahres brechen, gehören selbst Regierungsparteien an. Der eine, Hans-Peter

 Aktuell klammern sich die Genossen an kleinste Erfolge. Immerhin konnten in Freiburg, Heidelberg, Tübingen und Stuttgart etwas mehr als fünf Prozent der Wählerstimmen erreicht werden. Hoffnungsvoll stimmt die westdeutsche Linke, daß sich ihre überschaubare  Wählerschaft aus der jungen Generation speist. Im Südwesten sei der Anteil der 18- bis 34jährigen Linkswähler überdurchschnittlich, analysiert das Neue Deutschland : „Die Partei könnte so ein kleiner Anlaufpunkt für radikalisierte Jugendliche werden, wenn sie diese Neumitglieder schult und ihnen Raum für die Entfaltung und Aktivitäten bietet.“ Bedrohliches hat dagegen die RosaLuxemburg-Stiftung herausgefunden: eine „generell absinkende Mobilisierungsfähigkeit“ der Parteisympathisanten in den neuen Bundesländern. Viel Zeit, sich neu zu fi nden, bleibt der Linkspartei nicht. Im Herbst stehen bereits die für sie wichtigen Wahlen in Berlin und in Mecklenburg-Vorpommern an.

BERLIN. In Deutschland sind derzeit 687 Sporthallen, darunter 172 Großhallen, durch Asylbewerber belegt. Diese Zahlen nannte der Präsident des Landessportbundes Berlin (LSB), Klaus Böger, in der vergangenen Woche bei einer Sitzung des Sportausschusses des Bundestages. Er bezeichnete dieses Vorgehen als bedauerlich. Dies führe zu „Verdrückungen“ bei Sportlern, die ihrem Training nicht mehr nachgehen könnten sowie bei Eltern, deren Kindern keinen Sportunterricht mehr hätten, berichtete Böger. Oftmals seien Vereine sehr kurzfristig aus ihren Sporthallen ausquartiert worden. Dennoch habe es auch bei diesen Vereinen oft eine große Bereitschaft gegeben, Flüchtlingen zu helfen, versicherte Böger. Die Nutzung von Sporthallen als Flüchtlingsunterkünfte dürfe keine langfristige Lösung sein, war sich der Ausschuß einig. (ms)

Nach AfD-Wahlerfolgen: Wird Merkel ihre Politik nun ändern?

Klartext im Keller nen Jahr nach Deutschland gekommen sind, Anspruch auf Asyl, sagt er mit Blick auf die Drittstaatenregelung. „Die Bundesregierung hat mit ihrer Entscheidung zur Grenzöffnung Artikel 16a verletzt“, kritisiert Scholz. „Die Staatsgrenze ist ein elementarer Bestandteil des Staatsbegriffes.“ Erst durch die Grenze werde das Gebiet eines Staates definiert. „Ein Staat, der Grenzen aufgibt, ist kein Staat mehr“, verdeutlichte er. Das Recht und die Pflicht, eine Staatsgrenze zu haben und zu kontrollieren, sei ein unabänderlicher verfassungsrechtlicher Grundsatz.  Auch Friedrich läßt keinen Zweifel an seiner rechtlichen Einschätzung. „Es ist eine tolle Geschichte, daß eine Bundesregierung entscheidet, Gesetze nicht mehr anzuwenden“, kritisiert Friedrich und stellt gleichzeitg die Frage, ob Deutschland als christliches Land nicht eine Verpflichtung habe zu helfen. „Ja,

Flüchtlinge belegen 687 Sporthallen

http://jungefreiheit.de/umfrage-der-woche

Zwischen Reichstag und Kanzleramt

Friedrich (CSU), unter Merkel einst Innen- und Landwirtschaftsminister, ist sogar stellvertretender Fraktionschef der Union. Der andere, Rupert Scholz (CDU), war Ende der achtziger Jahre Verteidigungsminister und weiß als Verfassungsrechtler wovon er spricht, wenn er dem Handeln der Bundesregierung in der Asylkrise die rechtliche Grundlage abspricht. Und das Publikum, das auf Einladung des überparteilichen „Forums Mittelstand“ zusammengekommen ist, setzt sich nicht aus den in Verruf geratenen, demonstrationserprobten „besorgten Bürger“ zusammen, sondern aus  Abgeordneten, Bundestagsmitarbeitern, Beamten, Anwälten und Unternehmern. Sie hören, wie Scholz ein deutliches Urteil fällt: Wenn der Artikel 16a des Grundgesetzes wirklich ernst genommen würde, hätte keiner der mehr als eine Million Asylbewerber, die im vergange-

BERLIN. Der Publizist ilo Sarrazin hat die europäische Asylpolitik und den Pakt mit der Türkei scharf kritisiert. Jeder Staat müsse seine Grenzen selbst schützen, sagte er der Bild -Zeitung. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel sei der Pakt mit Ankara dennoch ein Erfolg, der aber zu spät komme. Die Grenzsicherung der Türkei zu überlassen, bedeute, „das Unangenehme von uns wegzuverlagern“, betonte Sarrazin. Sarrazin zeigte sich vom Erfolg der AfD nicht überrascht. Viele Bürger hätten das Gefühl, ihre Meinung nicht mehr offen sagen zu können. „So wählten sie in der Stille der Wahlkabine die einzige Alternative, die ihnen auf den Stimmzetteln angeboten wurde.“ Die weitere Entwicklung der AfD sei offen. „Merkels Politik hat bundesweit rechts der CDU ein heimatloses Wählerpotential von 20 bis 25 Prozent hinterlassen.“ Er wolle nicht ausschließen, daß die AfD dauerhaft ihre Rolle finde, wenn sie sich nachhaltig und glaubwürdig von rechtsextremen Strömungen abgrenzt. (ls)

indem wir Länder aufbauen und helfen.  Aber wir können doch nicht alle herholen“, lautet seine Antwort. „Niemand in Berlin kommt doch auf die Idee, Obdachlose mit nach Hause zu nehmen“, sagt Friedrich. Aber Politiker müßten sich um Obdachlosenheime kümmern. Deutschland müsse die Grenzen seiner Möglichkeiten beachten, mahnte der CSU-Politiker. Daher sei eine Obergrenze für Flüchtlinge notwendig. Sonst drohe das Land bei der Integration überfordert zu werden. Denn es reiche nach Friedrichs Auffassung nicht, daß sich alle an die Gesetze halten. „Eine menschlich warme Gesellschaft, in der man sich wohl fühlt, braucht Kitt und einen Unterbau“, sagt Friedrich. Er warnt davor, sich von den gesunkenen Flüchtlingszahlen blenden zu lassen. „Warum ist das denn so? Weil unsere Freunde so mutig waren, die Grenzen zu schließen!“

Ja, die Kanzlerin kann nicht zulassen, daß sich dauerhaft eine Partei rechts von der CDU bildet.

41 %

Nein, dazu bräuchte es einen starken Gegenspieler innerhalb der CDU.

0% 5%

Ja, denn auch innerhalb der Union verliert Merkel an Rückhalt.

54 %

Nein, die CDU-Chefin kann sich immer noch auf Grüne und SPD stützen.

abgegebene Stimmen gesamt: 1001

Aktuelle Umfrage: Streit in der Union: Sollte die CSU deutschlandweit antreten? Stimmen Sie ab unter www.jungefreiheit.de

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JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25 . März 2016

 Verhängnisvolle Ratschläge

Bundeswehr prüft Ergänzung zum A400M

BERLIN. In der Bundeswehr gibt es offenbar Überlegungen, als Ergänzung zum Transportflugzeug  A400M zusätzliche Flugzeuge des Typs C-130 Hercules des amerikanischen Herstellers Lockheed zu kaufen. Die von Airbus gelieferten Maschinen seien zu schwer und zu breit, um auf manchen Pisten zu landen, hieß es laut Medienberichten zur Begründung aus Militärkreisen in Berlin. So sei beim Einsatz der Bundeswehr in Norden von Mali festgestellt worden, daß der A400M auf dem Flugplatz in Gao z war landen, aber wegen seines Gewichts nicht die Start- und Landebahn zum Parken verlassen könne. Daher werde überlegt, zehn der leichteren Hercules-Maschinen zu beschaffen. (ms) Acht Jahre Haft für BND-Mitarbeiter

MÜNCHEN. Ein früherer Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist vom Oberlandesgericht München wegen Landesverrats zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Die Richter sahen es als erwiesen an, daß der 32 Jahre alte Markus R. zwischen 2008 und 2014 Dienstgeheimnisse an den amerikanischen Geheimdienst CIA verraten habe. Darunter war offenbar auch eine Datenbank mit Tarn- und Klarnamen deutscher Agenten im Ausland. Im Gegenzug habe der BND-Mitarbeiter insgesamt 80.000 Euro Agentenlohn erhalten. Zusätzlich habe R. 2014 aus eigenenm Antrieb dem russischen Geheimdienst drei Dokumente geliefert, von denen eines „sehr hochwertig“ gewesen sei. (ms)

Asylkrise: Die tödliche Flußüberquerung an der Grenze zu Mazedonien wurde offenbar von deutschen Flüchtlingsorganisationen unterstützt CHRISTIAN SCHREIBER

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orbert Blüms Stimme bebte. „Das ist nicht das Europa, das ich kenne. Das ist nicht mein Europa“, sagte der ehemalige Bundesarbeitsminister mit hochrotem Kopf. Der CDU-Politiker betätigte sich im stolzen Alter von 80 Jahren noch einmal als Camper. In der vergangenen Woche verbrachte Blüm eine Nacht im Migranten-Camp im griechischen Idomeni. Seit  Wochen halten sich in dem Lager an der mazedonischen Grenze mehr als 10.000 Menschen, vor allem aus Syrien und Afghanistan, auf und weigern sich, den  Anweisungen der griechischen Behörden Folge zu leisten und in bessere Camps im Landesinneren zu ziehen.  Am Montag vergang ener Woche wagten schließlich 2.000 von ihnen den  Ausbruch. „Suva Reka“ – zu d eutsch trockener Fluß – heißt das Gewässer, welches drei Menschen den Tod brachte. Denn trocken ist der Suva Reka überhaupt nicht. In einer halsbrecherischen  Aktion wollten die Menschen den Fluß überqueren, um über Mazedonien bevorzugt nach Deutschland weiterreisen zu können. Griechische Behörden haben internationale Hilfsorganisationen und Schlepper-Banden im Verdacht, an der Grenze ein schmutziges Spiel zu spielen. Kurz vor dem Aufbruch der Gruppe kursierte ein Flugblatt im Lager – unterzeichnet von einem „Kommando Norbert Blüm“. Darin war ein Weg eingezeichnet, wie die Migranten den mazedonischen Zaun meiden und über Umwege doch noch über die Grenze kommen könnten. Wenige Stunden

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Flüchtlinge durchqueren den Suva Reka:  Auffällig viele Journalisten und Helfer

später machten sich die Migranten auf die Suche nach der entsprechenden Stelle und überquerten schließlich den Fluß. „Ich verstehe die Verzweiflung dieser Leute – aber ich hätte sie nie zu so etwas ermuntert“, sagte Blüm Spiegel Online . „Auf die Idee wäre ich nicht gekommen.“ Er wisse nicht, wie sein Name auf das Flugblatt komme und wer dahinterstecke. „Ich verstehe das nicht und habe damit nichts zu tun.“ Griechische Behörden sind sich sicher, daß linksextreme Aktivisten dahinterstecken ( Seite 8 ).

Seit Wochen halten sich Dutzende „Helfer“ im Grenzgebiet auf. Beobachter sprachen daher von einer „inszenierten Katastrophe“. Als Drahtzieher der Unterstützung vor Ort wird der Münchner Verein Bordermonitoring des Migrationsaktivisten Bernd Kasparek vermutet, der auf seinem Twitter-Account einen „Live-Ticker“ aus Idomeni anbietet. Kaspareks Verein ist eng mit anderen linksgerichteten Gruppen verbandelt, die sich zu einem Netzwerk mit dem Namen „Moving Europe“ zusammen-

geschlossen haben. Federführende Kraft in diesem Zusammenschluß sind offenbar die „Forschungsgesellschaft Flucht und Migration“, die die Finanzen von „Moving Europe“ verwaltet und die Gruppe „Welcome to Europe“. Eine Verantwortung für die Aktion weisen diese Gruppen aber von sich. „Wir haben diesen Flyer nie gesehen, erst später in der Presse. Ich kann nicht mal sagen, ob der im Camp verteilt wurde. Der  Aufruf selbst ist absolut verantwortungslos“, zitiert die  Zeit  eine Aktivistin, die

mit „Moving Europe“ zusammenarbeitet. Via Twitter gaben die Gruppen außerdem bekannt, daß es sich um eine „Selbstorganisation“ gehandelt haben könnte. Schließlich seien die Migranten eine andere Route gelaufen. Doch dies könnte auch eine Schutzbehauptung sein. Denn die Kronen-Zeitung  aus Österreich hatte bereits kurz nach dem Unglück berichtet, daß auffallend viele Journalisten bei der Flußüberquerung anwesend waren. „Die Flüchtlinge wurden bei diesem Marsch in Idomeni bewußt in Lebensgefahr gebracht – und auf der anderen Seite des Flußufers warteten TV-Teams und Journalisten“, schrieb das Blatt unter Berufung auf österreichische Polizeikreise und wies darauf hin, „daß die mazedonische Exekutive beim Fluß auch 30 Journalisten verhaftet hat“. Sie seien nach Zahlung von 250 Euro Bußgeld wieder auf freien Fuß gesetzt worden.  Auch Recherchen der   haben Merkwürdigkeiten aufgedeckt: So sind auf den Fotos von der Flußüberquerung der Flüchtlinge neben zahlreichen Journalisten auffällig viele Helfer zu erkennen, die mit ihrer Kleidung, ihrer hellen Haut und den Rastazöpfen eher wie linke Studenten aussehen – und nicht wie afghanische oder syrische Flüchtlinge. „Moving Europe“ hatte wenige Tage zuvor davon gesprochen, „daß eine riesige Anzahl von Helfern in Idomeni eingetroffen sind“. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß die „Forschungsgesellschaft Flucht und Migration“ schon vor Monaten einen „Abend zur praktischen Fluchthilfe“ angeboten hatte. Oberste Devise sei künftig „Shutteln statt Schmuggeln“.

Eine schwere Geburt

Osterbotschaft der Woche

Bundeswehr: Ein Sammelband zeigt, daß Deutschland trotz zahlreicher Auslandseinsätze noch immer mit dem Veteranen-Begriff fremdelt

Taufe unterm Eisernen Kreuz

ken sich vor allem in ihrer drohenden Möglichkeit aus. Verstärkungsfaktoren sind dann heimische gesellschaftlichchon im Untertitel ruft die von politische und private soziale VerhältMarcel Bohnert und Björn Schrei- nisse nach dem Einsatz. Tausende oder ber vorgelegte Textsammlung „Die un- auch nur Hunder te von Toten und Versichtbaren Veteranen“ den Krieg ins Be- wundeten hat die Bundeswehr nicht zu wußtsein. Noch immer ein Begriff, mit beklagen. Dies kann sich ändern, und dem die Bundesrepublik Probleme hat. deshalb kann dieses Buch einen bedeuUnd während verschiedenste Gremien tenden Beitrag leisten, zu zeigen, welche nun definieren, wer „Veteran“ und wer Verantwortung Politik und Gesellschaft „Einsatzveteran“ sein soll, kann man für das Militär tragen. im vorliegenden Buch unterschiedliche Sichtweisen von Betroffenen lesen. AkHang zum „Klagen tive und ehemalige Soldaten – wie die ohne zu leiden“ Herausgeber –, aber auch Wissenschaftler, Politiker oder auch für Veteranen  Allerdings muß dies es Buch dazu karitativ tätige Menschen kommen zu gelesen werden, was für Nichtmilitärs nicht immer ganz einfach ist, wenn  Wort. Ihre Beiträge sind in drei Kapitel ge- Soldaten ihre Ausführungen mit Fachordnet. Im ersten kommen die Soldaten begriffen spicken. Dennoch öffnet sich zu Wort, im zweiten wird das Verhältnis ein weites Spektrum, das auch nicht vor Bundeswehr und Gesellschaft beleuch- deutlicher Kritik an Politik und Militär tet, um dann zum emenfeld der „un- zurückschreckt. Gerade der Mythos Parsichtbaren“ psychischen Einsatzfolgen lamentsarmee wird deutlich behandelt. zu kommen. Mit dem letzten Abschnitt Das Buch ist den „Gefallenen, Hinwird auch deutlich, worin die Auswir- terbliebenen, Verwundeten und Traukungen auf die Bundeswehrveteranen vor matisierten“ gewidmet und sein Erlös allem bestehen. Der Tod beziehungsweise soll auch ihrer Unterstützung zugute die eigene körperliche Verwundung wir- kommen. Es ist ein bedeutendes Signal JAN HOFFMANN

Von Christian Vollradt

Dbräuchliche

ie einst ge-

Spottbezeichnung „Sündenabwehrkanone“ mag aus der Mode gekommen sein; die Militärgeistlichen  jedoch, auf die sie sich bezog, sind fester Bestandteil der Truppe. 98 evangelische und 80 katholische Seelsorger versehen derzeit ihren Dienst in der Bundewehr. Auch im Auslandseinsatz stehen sie an der Seite der Soldaten. Die wünschen sich von den eologen mit dem Kreuz auf der Schulterklappe meist allgemeine Lebenshilfe. Einige aber auch mehr. So haben sich nach Auskunft des Evangelischen Militärbischofs Sigurd Rink im vergangenen Jahr 125 Soldaten taufen lassen. Mancher von ihnen – vor allem aus den entkirchlichten östlichen Bundesländern – sei bei der Armee zum ersten Mal überhaupt ausführlich mit den Inhalten des christlichen Glaubens in Berührung gekommen.

S

in einer Zeit, in der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) als Beitrag zur Syrienkrise die zivile Berufsausbildung von Flüchtlingen anbietet und noch immer Stimmen zu vernehmen sind, daß besser Piloten in Gefahrenzonen fliegen als ferngesteuerte Flugapparate. Diese realitätsfremde Haltung gegenüber dem Militärischen zieht sich durch die westdeutsche Nachkriegsgeschichte und ist trotz des wachsenden zeitlichen  Abstandes nicht geringer geworden. Das spiegelt sich auch in manchem Beitrag, in dem ein Hang zum „Klagen ohne zu leiden“ spürbar wird. Selbst für Berufssoldaten scheint die deutlich entschärfte Realität der deutschen militärischen Einsätze – auch und gerade in Afghanistan –, aber auch der Dienst dafür in der Heimat bereits die Belastungsgrenze zu sein. Zum Beispiel fällt ein ganzes Kontingent in „eine Art Schockstarre“, weil ein Kamerad durch einen Unfall ums Leben gekommen ist. Hier werden tragische Einzelfälle zu einer Herausforderung stilisiert, die Zweifel an der grundsätzlichen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr wecken. Ein Eindruck, der vielen Soldaten sicher nicht gerecht wird, was in einer an anderer Stelle zitierten

Studie auch deutlich wird, wenn es dort heißt, daß Einsatzrückkehrer nach zwei  Jahren „sogar positive Veränderungen“ der eigenen Person feststellen. „Dazu gehören etwa ein gesteigertes Selbstbewußtsein, eine höhere Wertschätzung des Lebens oder eine gewachsene psychische Belastbarkeit.“ Aber das Unfallbeispiel zeigt, wie stark der Friedensdienst und eine sich dem zivilen Umfeld anpassende Führungsphilosophie sich auswirken können. Die Texte bieten viele Anknüpfungspunkte zur Lebenswirklichkeit jedes Lesers. Aber auch die Traditionsdiskussion findet ihre Spiegelung, wenn mit dem Leitspruch „Treu gedient – Treue verdient!“ eine Variante des „Treue um Treue“-Spruches erscheint, der im Heer verboten wurde. Diese Verbindung in die Zeit der Weltkriege wird in den Texten nur gestreift. Gleich zu Beginn ist eine Erzählung gedruckt, „die Kriegsheimkehrer der beiden Weltkriege mit dem Phänomen der jungen Veteranen in Deutschland“ verbindet. Die Herausgeber verbinden diesen Text mit dem Hinweis, daß Umfrageergebnisse zeigten, daß „lediglich sechs Prozent unserer Bevölkerung bei Veteranen intuitiv

Erstmals in kompletter deutscher Übersetzung: das ultimative Standardwerk über die Machtstrukturen der Welt  

Lange Zeit stand dieses Buch nur in einer stark gekürzten deutschen Version zur Verfügung. Jetzt liegt erstmals e ine

komplette Übersetzung des Meisterwerks eines der bedeutendsten amerikanischen Historiker vor: In Tragödie und Hoffnung  analysiert Carroll Quigley die Geschichte unserer Welt vom 19. Jahrhundert bis in die 1960er-Jahre. Das Ergebnis ist ein einzigartiges und in vielfacher Hinsicht bemerkenswertes Werk. Es zeichnet mit beispielloser Genauigkeit ein Bild von der Welt in Bezug auf die wechselseitige Beeinflussung verschiedener wirtschaftlicher und geopolitischer Interessen, und es erklärt

in bisher nicht erreichter Klarheit, wie eine geheime Machtelite die Entwicklung der Welt von heute beeinflusst hat. Carroll Quigley demonstriert, mit welchen Methoden die »geheime Weltregierung« immer mehr Einfluss gewann, und beleuchtet die  Vorgänge wie kaum ein anderer. Dafür gibt es auch einen Grund: Carroll Quigley gehörte über Jahrzehnte zum Umfeld der Elite. Dabei hatte er sogar Einblick in deren geheime Unterlagen. Das Meisterwerk über die »geheime Weltregierung« Carroll Quigley war ein bedeutender Historiker. Er lehrte an den Universitäten von Harvard und Princeton. Er unterrichtete zudem an der Georgetown-Universität in Washington, wo sein berühmtester Schüler die Vorlesungen bei ihm besuchte: Bill Clinton. Neben

diesen Tätigkeiten schrieb er an seinem Lebenswerk Tragödie und Hoffnung  – insgesamt 20 Jahre lang! Was viele erstaunen wird: Carroll Quigley steht der geheimen Elite keineswegs kritisch gegenüber. Er unterstützt die meisten ihrer Ziele. Sein einziger Kritikpunkt an dem Netzwerk: Die Aktivitäten der  Verbindung dürfen nicht länger geheim bleiben. Mit diesem Buch bringt er Licht ins Dunkel der verborgenen Machenschaften und verschafft Ihnen Einblicke in Machtstrukturen, die sich kaum jemand vorstellen kann. Wenn Sie dieses Buch lesen, werden Sie die Welt mit anderen Augen sehen.

Carroll Quigley: Tragödie und Hoffnung • großformatig gebunden • 1008 Seiten • Best.-Nr. 951 100 • 39.95 €  Telefon (0 74 72) 9 8 06 10 • Telefax (0 74 72) 98 06 11 • info@ kopp-verlag.de • www.kopp-verlag.de Jetzt bestellen! Versandkostenfreie Lieferung innerhalb Europas

an junge Menschen denken“ und drei Prozent eine „positive Assoziation zum Veteranenbegriff“ hätten. Das ließe sich  jedoch auch unter dem Gesichtspunkt diskutieren, daß die meisten Bundeswehreinsatzveteranen vielleicht nichts  Außergewöhnliches in einem Land sein können, in dem psychische Krankheiten zehntausendfach diagnostiziert werden, auch Entwicklungshelfer in Krisengebieten arbeiten, traumatisierte Flüchtlinge zu Hunderttausenden versorgt werden und es ohnehin kaum eine Gelegenheit gibt, Soldaten in Uniform in der Öffentlichkeit zu sehen, geschweige denn, mit ihm zu sprechen. Aber gerade für dieses Gespräch kann dieses Buch ein Ersatz sein! Wenn es denn im Land des „freundlichen Desinteresses“ gelesen wird. Marcel Bohnert, Björn Schreiber (Hrsg.): Die unsichtbaren Veteranen. Kriegsheimkehrer in der deutschen Gesellschaft. Carola Hartmann Miles-Verlag, Berlin 2016, kartoniert, 324 Seiten, 24,80 Euro

     ▼AUSLAND,

Seite 8 Brasilien: Die politische Krise weitet sich aus / Da Silvas Flucht in die Regierung

THEMA 

     ▼HINTERGRUND,

Seite 12 Hundert Jahre LeunaWerke: In Sachsen-Anhalt stimmt die Chemie

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 JU NG E FR EI HE I T | Nr. 13 /16 | 25. März 2016

Hand anlegen: Arbeiter montieren in Wolfsburg einen VW-Tiguan

 V weh     E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

PETER FREITAG

Volkswagen: Europas größter Autokonzern verliert Marktanteile / In Wolfsburg muß saniert werden

Selbst ein minimal höherer Verbrauch primus sei. Sosehr auch Veränderungen nötig seien, bleibe die weitreichende gen gelte eine „Null-Toleranz-Linie“. Mitbestimmung der Arbeitnehmer un Die Marke VW, der Kern des gl eich- antastbar. „Wir werden nicht zulassen, namigen Volkswagen-Konzerns, verkauf- daß planlos Stellen gestrichen werden. te im Februar weltweit 394.400 Autos. Diese Rasenmähermethode läuft bei uns Das entspricht einem Minus von 4,7 nicht“, stellte Osterloh klar. Diess betonte Prozent im Vergleich zum Vorjahres- in einem Interview mit der Braunschweimonat (Februar 2015). Zwar gingen die  ger Zeitung , er blicke für VW grundsätzVerkaufszahlen in Deutschland (plus 3,6 lich optimistisch in die Zukunft. „Die Prozent), in Westeuropa (plus 3,9 Pro-  Arbeitnehmerseite bei Volkswagen weiß, zent) und in Osteuropa (plus drei Pro- daß Arbeitsplätze an Kunden hängen. zent) hoch; doch in China sanken sie um Und Kunden findet man durch wettbedrei Prozent („China-Delle“ wegen des  werbsfähige Produktion und begeisternNeujahrsfestes) und in Südamerika sogar de Produkte“. Dies gelinge Volkswagen um über 30 Prozent. 13 Prozent weni- im wesentlichen in China und Europa, ger Fahrzeuge wurden an Kunden in den bekannte Diess. „In anderen Märkten

 wäre nicht zulässig, bei den Nachrüstun-



aterstimmung am Mittellandkanal. Europas Autogigant Volkswagen kommt nicht aus den Negativschlagzeilen heraus. Erst tauchten neue Vorwürfe auf, wonach die Wolfsburger noch während der Ermittlungen in Sachen geschönter

 Abgaswerte bei den Dieselmotoren noch  weiter an einer Aktualisierung der betreffenden Schummelsoftware gearbeitet und

Spuren verwischt hätten. Die Zahl der Beschuldigten, gegen die die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt, ist von sechs auf 17 gestiegen. Nun die nächste Hiobsbotschaft: Ein  Anwalt aus Süddeutschland kündigte an, er werde Schadenersatzklagen institutioneller Anleger in einer Gesamthöhe

von sieben Milliarden Euro einreichen. Der Jurist wirft dem Konzern vor, seiner

 Auskunftspflicht gegenüber Aktionären nicht nachgekommen zu sein. Und von denen wollen sich viele n un ihre Verluste aus dem abgesackten Aktienkurs von VW

erstatten lassen.

„Toyota ist uns Riesenschritte voraus“ „Die Software-Manipulationen und ihre Folgen werden uns noch lange Zeit beschäftigen“, prophezeite Vorstandschef Matthias Müller während einer Betriebsversammlung Anfang März. „Mir ist klar,

keine Hinweise, daß sich das ändert.“ Und der Landesvater bekräftigt fast trot-

zig: „Volkswagen gehört zu dem Besten, was wir in Niedersachsen haben.“ Voraussichtlich in der zweiten Aprilhälfte will der Konzern seinen eigenen Untersuchungsbericht zum Diesel-Skandal vorlegen. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch gab sich zuversichtlich, daß die 6,7 Milliarden Euro an Rücklagen für die technische Aufarbeitung der Diesel-Affäre ausreichen werden. Und das, obwohl ge-

rade die Rückrufaktion für das Modell Passat, die eigentlich Ende Februar an-

laufen sollte, stockt. Denn das KraftfahrtBundesamt (KBA) hat die Genehmigung

für die Nachbesserungen am Fahrzeug noch nicht endgültig erteilt. Die Freigabe

solle erst erfolgen, wenn klar ist, daß die Motoren alle Voraussetzungen erfüllen.

Kontrahenten im Konzern: Osterloh (links) und Diess

Die Sorgen der VW-Belegschaft werden in Niedersachsen sehr ernst genommen. Vor allem in der Region rund um das Stammwerk Wolfsburg weiß man: geht es Volkswagen gut, wirkt sich das positiv auch auf andere Branchen aus. Und umgekehrt. Doch es sind auch krischickte sich neben VW auch Mercedes- tische Stimmen vernehmbar. Benz an. Doch da die Stuttgarter in den Die üppigen Löhne, Gehälter und USA traditionell das Premiumsegment Bonuszahlungen hätten vielen Mittelbedienen, fallen die Kosten für die tech- ständlern schwer zu schaffen gemacht, bei den Stickstoffoxiden (NOx-Werte) schlechter ab. Während in der EU ein niedriger CO-Ausstoß das vorrangige Ziel ist, sind die Amerikaner bei den NOx-Werten strenger. Der Diesel hat dadurch per se die schlechteren Karten. Diesen Schwachpunkt zu beheben,

nisch aufwendige Stickoxid-Reduzierung

da sie damit auf dem Arbeitsmarkt nicht

plätze im strukturschwachen Südstaat nicht so stark ins Gewicht. Bei VW war mithalten konnten. Auch seien in der schuf. Allerdings hatte die Sache einen  jedoch klar, daß jede weitere Kosten- Region die Immobilienpreise immens folgenschweren Geburtsfehler, wie Fir- steigerung unmittelbar negative Aus- gestiegen. Denn VW-Leute können sich menangehörige unumwunden zugeben. wirkungen bei den Absatzchancen nach das leisten, auch weil die meisten von Denn in Chattanooga startete der Kon- sich ziehen würde. Der Diesel mußte also ihnen Firmen- oder sehr günstige JahresUSA verkauft. Das hängt wie zu erwarten habe wir Probleme. Da müssen wir besser zern mit gleich drei Unbekannten: Ein möglichst billig sauberer werden. Die Lö- wagen bekommen. Kritiker bemängeln, neuer (und unerfahrener) Mitarbeiter- sung für dieses Dilemma sahen einige daß eine große Zahl der – verhältnismäin erster Linie mit dem Skandal um ma- werden.“  Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD), stamm produziert in einem neuerrichte- dann offenbar in einem Software-Trick. ßig teuren – neuzugelassenen VWs, die nipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen zusammen. Auch wenn VW auf dem der wie Ministerpräsident Weil im Auf- ten Werk ein neues Modell, das so zuvor  Wie es dort nun angesichts drohender in der Statistik als verkaufte auftauchen, europäischen Markt insgesamt Zuwächse sichtsrat des Unternehmens sitzt, ver- noch nicht gefertigt worden war. Denn Massenklagen, Strafen und Schadens- in Wahrheit vom Unternehmen selbst verzeichnen konnte, so blieb deren Höhe wies das Gerede vom Stellenabbau ins der Passat „made in Tennessee“ ist nicht ersatzforderungen weitergeht, ist völlig angeschaffte Dienst- oder Jahreswagen weit hinter dem Durchschnitt. Denn Reich der Spekulation. Die Opposition identisch mit dem gleichnamigen Fahr- offen. Mit allen zuständigen Behörden sind, die dann in den Hauseinfahrten der angesichts niedriger Benzinpreise und aus CDU und FDP wirft Ministerprä- zeug aus Deutschland, er ist größer und befinde sich seine Firma in „intensiven  Angestellten stehen. Nicht ohne Grund Finanzierungszinsen legte der europäische sident Weil vor, seine Rolle als Kontrol- anders ausgestattet. Gesprächen über eine tragfähige Gesamt- lautet ein Spott, das Kennzeichen WOB leur nicht auszufüllen. Statt dessen, so  Automarkt um 14,3 Prozent zu. Der holprige Start hatte Folgen. We- lösung“, so VW-Chef Müller vage. Denn stehe in Wahrheit gar nicht für WolfsBeim Volkswagen-Konzern insgesamt CDU-Fraktionschef Björn ümler, habe sentlich mehr VW-Leute mußten nach bis zum Abschluß der Gespräche habe burg, sondern sei eine Abkürzung für – also inklusive der anderen Marken wie das VW-Aufsichtsratspräsidium dem im Übersee, um die Probleme dort in Griff man Stillschweigen vereinbart. „Wagen ohne Bezahlung“.  Audi, Porsche, Skoda, Seat, MAN, Sca- vergangenen September zurückgetretenen zu kriegen. „Was uns dort vor allem zu nia und VW-Nutzfahrzeuge – betrug Vorstandschef Matin Winterkorn einen schaffen gemacht hat, ist das völ lige Fehder Rückgang im Vergleich zum Febru- Persilschein ausgestellt. Daß der wirklich len der Facharbeiter. Dort gab es anfangs Verkaufte Fahrzeuge (im Februar 2016) ar vergangenen Jahres 1,2 Prozent. Der keine Kenntnis von der Manipulation nur Ingenieure – oder Ungelernte“, beEinbruch der Verkaufszahlen in Rußland an den Abgaswerten hatte, möchte so klagt ein Insider. Und dann komme noch beläuft sich auf 17 Prozent; das ist immer- entschieden niemand mehr behaupten. erschwerend hinzu, daß das Motto „hire hin eine Verbesserung zum Januar, denn and fire“ auch von Arbeitnehmerseite  Volkswagens Fehler der wies im Vergleich zum Vorjahresmoangewendet wurde. „Arbeiter, die VW nat noch ein Minus von 30 Prozent auf. qualifiziert hatte, wurden von anderen in Amerika Die verschlechterte Februar-StimFirmen abgeworben und kündigten von mung auf dem Markt drückt auch bei Volkswagens Schwierigkeiten in den einem Tag auf den anderen“, berichtet manchem in der Unternehmensführung Vereinigten Staaten sind älter als der der Mann weiter. Doch ungeachtet dieser Schwierigkeiaufs Gemüt. „Wenn es um die Produkti- Diesel-Skandal – und sind wiederum

daß es Ängste und Unsicherheit in der Belegschaft gibt. Daß sich auch manche Sorgen machen um ihren Arbeitsplatz.“ Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der für den Anteilseigner Niedersachsen vität geht, sin d uns Toyota und Hyundai (20 Prozent) im Aufsichtsrat sitzt, ver- Riesenschritte voraus“, stellte VW-Marsucht zu beruhigen: „Die Stammbeleg- kenchef Herbert Diess fest und forderte schaft bei Volkswagen ist sicher. Ich habe

    M     G     I    ;     S     N     O     M     M     O     C     A     I     D     E     M     I     K     I     W    :     O     T     O     F

mutmaßlich eine der Ursachen für die im vergangenen Jahr aufgedeckten Manipulationen. VW habe die Kundenwünsche

    M     O     C  .     G     A     N     E     G     A     W     S     K     L     O     V  .     W     W     W    :     E     L     L     E     U     Q

ten gab die damalige Konzernführung die

Parole aus, daß der Absatz in Amerika gesteigert werden müsse. eine bessere Effi zienz. In den vergangenen dort nicht richtig verstanden und daher Und genau hier sehen kritische Stim Jahren seien die Fixkosten in Wolfsburg je am US-amerikanischen Markt vorbei men innerhalb sowie außerhalb des Un Auto um 1.700 Euro gestiegen. Um pro- produziert, meinen Branchenbeobachter. ternehmens eine der Ursachen für die fitabler zu werden, könnten frei werdende Erfolgreich waren die Wolfsburger etwa unter der Bezeichnung „Diesel-Gate“ Stellen nicht oder erst später neu besetzt mit dem Jetta, der in Deutschland eher bekanntgewordene Abgas-Affäre. Denn und Zeitarbeitsverträge zurückgefahren ein Nischendasein fristet und häufig als mit seiner 2005 beschlossenen Offensivwerden. Ohne betriebsbedingte Kündi- „Rucksack-Golf“ verspottet wird. Doch kampagne für den „Clean Diesel“ wollgungen könnten so etwa 3.000 Stellen – die Amerikaner schätzen die Stufenhek- te Volkswagen die Amerikaner von den vorrangig in der Verwaltung – gestrichen klimousine mehr als den berühmteren Vorzügen des Selbstzünders überzeugen. werden. Bruder. Für amerikanische Verhältnisse Der ist bei US-Kunden eher unbeliebt,  Während Diess die Belegschaft auf ei- ist der Jetta ein Kleinwagen, doch VW sie mögen Benziner mit viel Hubraum. nen harten Sanierungskurs vorbereitete,  wollte partout auch ein größeres Fahrzeug Diesel ist zudem – anders als in den meireagierte der mächtige Betriebsratsvorsit- anbieten und dieses Segment nicht den sten europäischen Ländern – teurer. An zende Bernd Osterloh gereizt. „Machen deutschen Konkurrenten aus Stuttgart vielen Tankstellen kann man ihn darüber Sie die 215.000 Beschäftigten der Marke oder München überlassen. hinaus nur an den Lkw-Zapfsäulen einVolkswagen nicht zu Versuchskaninchen 2008 errichtete man in Chattanooga füllen. Das erhöht die Hemmschwelle für wirtschaftswissenschaftliche Experi- im Bundesstaat Tennessee ein neues Werk für den Kauf zusätzlich. Aber noch mente“, wetterte der Gewerkschafter bei und produziert dort das Modell Passat. schwerwiegender ist die Tatsache, daß einer Betriebsversammlung. Diess habe Mit 900 Millionen Dollar subventio- Dieselfahrzeuge zwar deutlich weniger mit seinen Bemerkungen VW schlecht- nierte der Staat Tennessee das Projekt, CO ausstoßen, unter anderem weil geredet, obwohl die Marke Branchen- nicht zuletz weil VW über 2.000 Arbeits- sie sparsamer sind; doch sie schneiden

VW-Konzern Westeuropa

156.900

Deutschland 

105.400

         K          I          F          A          R          G

davon Marke Volkswagen

Zentral- und Osteuropa 49.700        0        0        3   .        3        9        6

Nordamerika USA

Südamerika Asien-Pazifik

China

24.600 37.700 34.100 26.600

227.400

65.900

       0        0        4   .        4        9        3

44.600 15.900 18.700 22.300 27.000 14.700 170.500

-1,2%*

-4,7%* *weltweitim Vergleich zum Februar2015

8 | A U S L A N D

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25. März 2016

 Jubel für den Verhafteten

Religionsunterricht wird nicht abgeschafft

EUPEN. Die Deutschsprachige Gemeinschaft (DG) in Belgien hat nicht die Absicht, den Religionsunterrichtabzuschaffen.Angaben der Tageszeitung Grenzecho zufolge ist der zuständige Bildungsminister Harald Mollers vergangene Woche im DG-Parlament entsprechenden Gerüchten entschieden entgegengetreten. Weder er noch sein Vor-

gänger hätten Pläne gehabt, den

Religionsunterricht zu verändern,

zu kürzen oder gar zu streichen. Er

vermute, so der Minister, „daß ei-

nige Unwissende nicht den Unterschied zwischen der Französischen Gemeinschaft und der Deutschprachigen Gemeinschaft machen und davon ausgehen, daß alles, was in der Französischen Gemeinschaft (FG) beschlossen wird, auch hier-

zulande gilt“. Dabei stimme es, daß in der FG der Religionsunterricht

ab kommendem Schuljahr um eine  Wochenstunde gekürzt werde. Es

sei auch richtig, daß die Regierung in Luxemburg beschlossen habe, den Religionsunterricht abzuschaffen. Dies gelte jedoch nicht für die DG. (ctw)  www.grenzecho.net

 Justiz: Obamas Kandidat sorgt für Aufsehen

 WASHINGTON. US-Präsident Barack Obama hat den Juristen Merrick Garland als neuen Richter am Obersten Gerichtshof nominiert. Der 63jährige, der derzeit dem Bundesberufungsgericht in  Washington D.C. vorsitzt, würde die Nachfolge des am 13. Februar

verstorbenen Antonin Scalia (JF 8/16) antreten. Der Harvard-Absolvent gilt unter Experten als ge-

mäßigter Linksliberaler. Fox-News Justizexperte Andrew Napolitano nannte ihn „den konservativsten Kandidaten, der von einem demokratischen Präsidenten in der mo-

dernen Ära“ ernannt wurde. Der Senat muß der Berufung noch zustimmen. Die Republikaner sind gespalten, ob sie Garland eine  Anhörung gewähren wollen. Ihr Mehrheitsführer im Senat, Mitch

McConnell, hat sich festgelegt,

Grüße aus Kapstadt

Belgien: Die Festnahme des gesuchten Paris-Attentäters offenbart zahlreiche Mängel der Sicherheitsbehörden

Von Yorck Tomkyle MINA BUTS

frika ist sonderbar und wunderbar zugleich. Vor allem  A  der Spätsommer in Kapstadt ist

F

insbesondere beim Blick auf die  Wetterkarte Mitteleuropas immer angenehm. Ein Freund erzählte mir nun an einem dieser lauen  Abende eine Geschichte, die ich

ast wäre die Verhaftung des einzigen überlebenden Attentäters von Paris, Salah Abdeslam, gescheitert. Denn bevor die Sicherheitskräfte im Brüsseler Stadtteil Molenbeek überhaupt angerückt waren, standen die Ü-Wagen einzelner belgischer Fernsehstationen

Ihnen nicht vorenthalten will.

Er ist keiner dieser schmerbäuchigen Liegestuhlfläzer, sondern eher der Indiana-Jones-Typ. Daher verbringt er seine Freizeit in diversen Wüsten und Dschungeln

schon vor dessen Versteck.

Offenbar hielt sich Abdeslam seit dem Terroranschlag vom 13. November in Paris nur 300 Meter von seinem Eltern-

haus entfernt auf. Von hier aus plante er neue Anschläge. Schwere Waffen, gefälschte Pässe, aber auch Kontaktdaten zu einem Mitarbeiter im Kernkraftwerk

 Afrikas. Nun hatte er gerade eine

längere Kanutour auf dem Sambesi hinter sich gebracht. Geschlafen wurde auf Sandbänken und am Ufer – trotz der Krokodile, die man sich mit diversen Tricks vom Leib hielt. Tagsüber wurde stromabwärts gepaddelt. Die größte Gefahr, so betonte er immer wieder, gehe dabei von den vielen Nilpferdherden aus, die sich in kleineren und größeren Trupps in Ufernähe im Wasser aufhielten.

Doel – mutmaßlich um an radioaktives

Material für eine „schmutzige“ Bombe zu gelangen – fanden die Sicherheitskräfte bei ihm. Die flämische Tageszeitung De  Morgen berichtet, daß die ganze Nach-

barschaft sein Versteck in Molenbeek kannte. Mit tief sitzender Mütze be-

deckt sei er auf den Straßen angetroffen  worden und habe sich auch einen Spaß daraus gemacht, am Polizeirevier vorbei zu spazieren.

 Justizvorschriften behindern  Arbeit der Polizei Dabei sprach der belgische Innenminister Jan Jambon von der national-

konservativen N-VA schon unmittelbar nach dem Attentat vom November und den Hinweisen auf den Herkunftsort der Täter von Molenbeek als „Dschihadhauptstadt Europas“, die er nun gründlich aufräumen werde. Das Ergebnis der  Ankündigung offenbarte sich bei der Festnahme Abdeslams: Steine flogen auf Polizei- und Reporterautos, eine  Art „Fanclub“ jubelte dem Verhafteten

zu und feierte ihn gleichsam als Helden. Der erneute Anti-Terror-Einsatz in Molenbeek bringt die belgische Polizei-

chefin Catherine de Bolle in Erklärungsnöte. Keineswegs sei das ein Zufallserfolg, sondern das Ergebnis des unermüdlichen Einsatzes von 400 Mitarbeitern

Gefährlich werde es immer dann,

wenn man diesen Herden zu nahe komme, da die Nilpferde dann ab-

    S     R     E     T     R     O     P     E     R     /     O

tauchten und von unten die Boote angriffen, mit ihren mächtigen

Kiefern zerstörten und dann auf die im Wasser zappelnden Men-

    G     A     M     I    :     O     T     O     F

schen losgingen.

bei Sicherheitsbehörden und Polizei. Sie wehrt sich auch gegen Kritik aus

Frankreich, Belgien sei von „unglaublicher Naivität“

Molenbeeker Empfang für die Polizei: Medienberichten zufolge kannte die Nachbarschaft das „Versteck“ Abdeslams     E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

rismus, das durch die disparaten Staatsstrukturen noch begünstigt wird. 19 Verwaltungsbezirke und 6 Polizeibezirke gibt es allein

schon im November geplante Verhaftung  Abdeslams scheiterte, weil zwischen 21

Uhr und fünf Uhr morgens keine Hausdurchsuchungen durchgeführt werden dürfen – am nächsten Morgen war der zösische Sicherheitsexperte  Alain Mersaud ging sogar Salah Abdeslam in Brüssel, die Wochenzei- Gesuchte aber bereits entflohen. Nur weso weit zu fragen: „Ist Abtung Knack spricht von nig Geld fließt in den Kampf gegen den deslam so klug oder die belgische Polizei einem „Verwaltungschaos in Brüssel, Terrorismus. Entsprechend unterstrich so dumm?“ Donald Trump, amerikani- das die französischsprachigen Parteien der Innenminster: „Es gibt jetzt zwei scher Präsidentschaftskandidat, twitterte zu verantworten“ hätten. Polizei, Justiz Möglichkeiten. Entweder ziehen sich die gar von der „Hellhole“, dem finsteren und Geheimdienste, jeweils für Flan- Terrorzellen zurück oder sie aktivieren dern, Wallonien und Gesamtbelgien ihre Pläne. Die Arbeit geht also weiter.“ Loch Brüssel. Belgien hat ganz offenkundig ein vorhanden, behindern sich gegenseitig. Problem mit dem islamistischen Terro-  Jusitzvorschriften tun ihr übriges. Eine  Kommentar Seite 2 gekennzeichnet. Der fran-

daß erst der nächste Präsident den

Richterstuhl besetzen soll. Weigert sich der Senat, über Garlands Berufung abzustimmen, bliebe Obama nur noch die Möglichkeit eines „recess appointment“. Dabei handelt es sich um eine Berufung ohne Zustimmung des Senats während der sitzungsfreien Zeit. Damit wäre Garland aber nicht auf Lebenszeit

berufen, sondern nur bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode des Kongresses Ende 2017. (mf)

„Wenn ein Reicher klaut, wird er Minister“ Brasilien: Die politische Krise weitet sich auf den populären Ex-Präsidenten Lula da Silva aus / Flucht in die Regierung

 Jahres war sein Haus von 200 Beamten der Bundespolizei durchsucht, Lula zum Verhör zitiert worden. Am 10. März arte Vorwürfe brüllte der bärtige verkündete die Staatsanwaltschaft São  junge Mann mit der Schirmmütze Paulo schließlich, Anklage zu erheben. Der Arbeiterikone wird vorgeworfen, 1988 mit erhobenem Zeigefinger ins Mikrofon: „In Brasilien ist es so: Wenn einer der „führenden Nutznießer“ des ein Armer klaut, geht er ins Gefängnis. milliardenschweren KorruptionsskanUnd wenn ein Reicher klaut, wird er dals „Operação Lavo Jato“ – „Operation LUKAS NOLL

H

Minister.“ Den Wahrheitsgehalt seiner

eigenen Worte führt Lula da Silva seiner Heimat wohl erst heute vor Augen: Der

    O     T     O     H     P     P     A     /     E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

Merrick Garland

 Von wegen  Jägerlatein

Hochdruckreiniger“ in Anspielung auf Geldwäsche – zu sein.

Mein Freund hat schon einige solcher Geschichten im Busch erlebt, die ihm keiner glauben will.

Eigentlich sei dann auch alles glattgelaufen. Bis das erste Boot durch eine Stromschnelle in Richtung einer solchen Herde gedrückt wurde. Ein großer Nilpferdbulle zerschmetterte das Kanu und griff

Mike, den Führer der Kanutruppe, an. Alles ging blitzschnell, und während die anderen Boote durch die Stromschnellen fortgerissen wurden, sahen die entsetzten Kanuten noch, wie sich das Wasser des Sambesi an der Stelle, wo Mike zuletzt gesehen worden war, rot färbte.

Der Bulle hatte Mikes Bein schwer verletzt. Es gelang ihm gerade noch, sich ans Ufer zu ret-

mal“, sagt Dilma ihrem Amtsvorgänger

darin wenige Tage vor der Hausdurchsuchung. „Benutz’ es nur, falls es nötig

ten. Von den anderen konnte er keine Spur entdecken. Unfähig, sich zu bewegen und durch den Blutverlust geschwächt, sah er die Nacht anbrechen. Leichte Beute

Vorwürfe. Niemals habe er Vermögens-  wird. Das sind die Bedingungen für die

also. Da tauchte plötzlich ein rie-

der „kriminellen Erfolge“ ansieht. Auch sei ein Teil der Gelder in Immobilien Lulas geflossen. Lula selbst bestreitet die

werte verheimlicht oder sich Vorteile  Amtsübernahme.“ Konsequenzen hat erschlichen, weder während noch nach dennoch vorerst nur einer zu fürchten: seiner Regierungszeit. Doch daß Lula nur Richter Moro, für seinen „unverhohlewenige Tage nach den Enthüllungen auf nen Verstoß gegen das Gesetz und die die Regierungsbank wechselt, sorgt auf Brasiliens Straßen für Empörung. Hunderttausende demonstrierten in mehreren Großstädten für einen Rück-

Verfassung“, so Dilma.

EinAmtsenthebungsverfahrendürfte die angeschlagene Präsidentin dank parlamentarischer Mehrheit derzeit vermuttritt beider Spitzenpolitiker. Kritiker lich überstehen – auch wenn Umfragen werfen der Präsidentin vor, ihrem po- zufolge über 60 Prozent der Brasilianer litischen Mentor mit dem Ministeramt eine solche Enthebung befürworten Immunität gegenüber einer Strafverfol- würden. Auch Lulas Kabinettsposten gung zu verschaffen. Bestätigt fühlen ist für den Moment sicher. Die bundes-

 Bei dem Skandal, der Brasilien seit Ex-Präsident wird Kabinettschef seiner zwei Jahren in Atem hält, sollen GeNachfolgerin Dilma Rousseff. Dies zu winne des halbstaatlichen Ölkonzerns pikanter Stunde. Petrobras systematisch in die WahlkamZwar hatte Lula bereits im August pagne der Arbeiterpartei von Lula und seine Rückkehr in die Politik ange- Dilma geflossen sein. In vergangener kündigt, um der in Korruptionsaffären Zeit sei ein immer deutlicherer Bezug sie sich durch ein abgehörtes Telefonat, richterliche Verfügung, die Ernennung verwickelten Parteifreundin zur Hilfe zur Person Lula aufgedeckt worden, den das Bundesrichter Sérgio Moro publik zu stoppen, ist am Wochenende zum zu eilen. Doch erst am 4. März dieses die Staatsanwaltschaft als Schlüsselfigur machte. Sie schicke ihm „das Papier nur zweiten Mal annulliert worden.

Ein Tag mit dem AfD-Spitzenkandidaten

siger Büffel auf, starrte ihn lange an und kam langsam näher. Dann blieb er dicht bei ihm stehen. Die

ganze Nacht stand der Büffel an seiner Seite und keine der zahlreichen Hyänen wagte es, näher zu kommen. Erst am Morgen, als

das Rotorengeräusch des Rettungshubschraubers näher kam, habe der Büffel seinen Schützling verlassen, erklärte mein Freund, sah mich lange an. „Du glaubst, das ist  Jägerlatein?“ Mitnichten. Er habe schon viele solcher Geschichten im Busch erlebt, die ihm niemand glauben würde.

Frühsexualisierung stoppen

DOKUMENTATION

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Neue Reportagen sind im März für Sie online.

JF-Kampagne

Le

 jf.de/tv

Professor Jörg Meuthen – ist der Politiker die Alternative fürs Ländle?

Bildungsplan, Gender, Frühsexualisierung – Fakten für alle Familien

AUSLAND| 9

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25 . März 2016

 Ankara räumt den Spieltisch ab

Slowakei: Fico schmiedet Vier-Parteien-Koalition

Flüchtlingsabkommen: EU gibt Zusagen, die sich die herrschende AKP künftig auch innenpolitisch zunutze machen wird

PRESSBURG. Dem sozialdemokratischen Premier Robert Fico ist trotz des schwierigen Wahlergebnisses, das acht Parteien ins Parlament brachte (JF 11/16), die Bildung einer Vier-ParteienKoalition gelungen. Neben Ficos Smer-SD gehören die slowakischnationalistische SNS, die UngarnPartei Most-Híd sowie die christdemokratische Abspaltung #SIEŤ zum künftigen Regierungsbündnis. Da vier Parlamentarier von #SIEŤ und Híd die Koalition ablehnen, kann sich Fico nur auf 81 von 150 Stimmen verlassen. Parlamentspräsident soll der SNS-Chef  Andrej Danko werden. Als Fico von 2006 bis 2010 mit der SNS regierte, brachen die deutschen, französischen und belgischen Sozialdemokraten sofort den Kontakt zu Smer ab. Auf EU-Ebene wurde die Mitgliedschaft im Parteienbündnis SPE suspendiert. (fis)

Den Zustrom illegal über die Ägäis nach Griechenland Einreisender scheint das Abkommen bislang nicht bremsen zu können. Allein auf Lesbos wurden in den ersten Nachtstunden seit Inkrafttreten des türkisch-europäischen Vertrags über 875 Flüchtlinge aufgegriffen sowie die Leichen zweier Männer geborgen, welche die gefährliche Überfahrt mit ihrem Leben bezahlen mußten.  Auch daß sich nicht alle der 28 EUMitgliedsstaaten an der Aufnahme aus der Türkei stammender Flüchtlinge beteiligen würden, mußte EU-Kommissar Günther Oettinger vorab bereits eingestehen. Mit Sicherheit habe „Deutschland höhere Lasten zu tragen“, konstatierte Oettinger in einem Interview mit der Bild am Sonntag . Doch selbst dies würde „noch immer bedeuten, daß weit weniger Flüchtlinge als die 1,1 Millionen des vergangenen Jahres ankommen“, so Oettinger.

MARC ZOELLNER

och einmal werden Schultern geklopft und Hände geschüttelt, noch einmal wird symbolisch einträchtig in die Kamera gelächelt: Denn immerhin, so tönt es von Juncker bis Merkel, von Tusk bis Davutoğlu, sei am vergangenen Freitag in Brüssel ein historisches Abkommen getroffen worden. Ein Abkommen, welches nicht nur „darauf zielt, den Strom d er irregulären Migration von der Türkei nach Europa zu stoppen“, erklärt Donald usk, der Präsident des EU-Rats im Anschluß stolz auf der Pressekonferenz. Mit diesem Abkommen soll endlich auch dem reiben der Menschenschmuggler in der Ägäis das Handwerk gelegt werden; jenen mafiösen Banden in den Fracht- und Passagierhäfen Kleinasiens, die allein im vergangenen Jahr über 800.000 Flüchtlinge illegal über die Ägäis nach Europa verschifften und dabei für den Tod von rund 3.700 Menschen verantwortlich waren.

N

 Visumbefreiung öffnet Scheunentor nach Europa

Nicht alle EU-Staaten  wollen dem Pakt folgen

    O     G     A     M     I    :     O     T     O     F

Doch auf der insgesamt bereits neunten Flüchtlingskonferenz seit Beginn der Flüchtlingskrise gab es diesmal nur einen Sieger, und der heißt Türkei. Dabei brauchten Ankaras Diplomaten nicht einmal hoch zu pokern: Schließlich sah die EU, am anderen End e des Tischs sitzend, sich geradezu gezwungen, öffentlichkeitswirksam und unter dem Druck der Bilder aus Idomeni ihr Gesicht zu wahren, konstruktiv zu debattieren sowie natürlich ihre Mitgliedsstaaten nach den Dissenzen der vergangenen Konferenzen einmal mehr im Schulterschluß abzulichten. Daß Ankara dadurch die Jetons mit beiden Händen vom Spieltisch räumt, war zu erwarten. Der gewonnene Preis kann sich dabei durchaus sehen lassen: Nicht einen Flüchtling mehr, so wurde vereinbart, muß die ürkei nun unter dem Strich aufnehmen, als sie ohnehin

Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu (l.) und EU-Ratspräsident Donald Tusk: Punktsieg für die Türkei

bereits aufnimmt. Für diese Kooperati- zurückgeführt, von dieser wiederum für immer die Einzelfallprüfung gültig bleion erhält Ankara von der Europäischen  jeden Rückgeführten ein syrischer, in ben soll, müssen bis zum 4. April – dem Union bis 2018 nicht nur drei Milliar- der Türkei untergekommener Flüchtling Stichtag der ersten Rücksendung von den Euro mehr für deren kleinasiatische nach Europa übernommen werden soll. Flüchtlingen in die Türkei – noch bis zu Flüchtlingscamps beigesteuert. Überdies Dabei wurde eine provisorische Kon- 4.860 offene Stellen an Dolmetschern benötigen türkische Bürger, sollte An- tingentgrenze von 72.000 Flüchtlin- und Rechtsberatern besetzt sowie weitekara seinerseits bis Juni dieses Jahres die gen festgelegt, um Mißbräuche sowie re 280 Millionen Euro für die NoteinRahmenbedingungen hierzu erfüllt ha- Überlastungen der Erstaufnahmestellen richtungen auf den griechischen Inseln ben, vom Sommer an kein Visum mehr, innerhalb Europas zu vermeiden. Einzig vorfinanziert werden. „Wir wissen noch nicht, wie wir die um nach Europa einzureisen. Und die in Griechenland gestrandete Flüchtlinge, Beitrittsverhandlungen der ürkei zur die nachweisen können, in der ürkei Beschlüsse in der Praxis handhaben sollen“, berichtete ein griechischer PoEU sollen obendrein noch beschleunigt, ihres Lebens nicht sicher zu sein oder gar der türkische Staatshaushalt mit EU- politisch verfolgt zu werden, hätten dann lizeivertreter am vergangenen WochenUnterstützung auf EU-Kurs gebracht noch Anrecht auf sofortiges Bleiberecht ende der Nachrichtenagen tur AFP. „Wir werden. in Griechenland. warten vor allem dringend auf das von Mit dieser Regelung sollte Athen ei- der EU versprochene Personal, um die Im Detail erklärt das Abkommen, daß von vergangenem Sonntag früh gentlich maßgeblich entlastet werden.  Asylgesuche rasch bearbeiten zu können an sämtliche illegal nach Griechenland Doch gerade das Gegenteil scheint der – die Übersetzer, Anwälte, Polizisten. eingereisten Flüchtlinge in die ürkei Fall: Denn da für jeden Flüchtling noch  Alleine schaffen wir das nicht.“

Einzig wirklich über das Abkommen freuen darf sich bislang Davutoğlu. „Die  Anzahl der Flüchtlinge in der ürkei wird nicht weiter ansteigen“, zeigte sich der türkische Ministerpräsident bereits im Vorfeld siegesgewiß. Mit dem Abkommen ist die Türkei überdies de facto zum sicheren Herkunftsland geadelt worden. Eine Zugabe, welche sich Ankara sowie die herrschende AKP künftig auch innenpolitisch, speziell in der Kurden- und Menschenrechtsfrage zunutze machen wird. Und die Visumbefreiung ihrer Bürger öffnet der ürkei ab kommendem Sommer ein ganzes Scheunentor nach Europa. In der neunten Brüsseler Verhandlungsrunde hat Ankara allein verstanden, die Flüchtlingsproblematik für seine eigenen Ziele zu instrumentalisieren: für mehr finanzielle Unterstützung, für den Stopp des Flüchtlingsstroms ins eigene Land sowie für ein höheres politisches Gewicht im künftigen Umgang mit der Europäischen Union.  Kommentar Seite 1

Mit der Politik überfordert Griechenland: Ungebremster Flüchtlingszustrom, Streiks und Rücktrittsforderungen setzen die Regierung Tsipras unter Druck PANAYOTIS DOUMAS, ATHEN

rennpunkt Idomeni. Ganz Europa

Bschaut auf die mehr als 13.000

Flüchlinge, die in der nordgriechischen Region Zentralmakedonien ausharren und via Mazedonien ihre Reise gen Norden durchsetzen wollen. Mit legalem oder illegalem Grenzübetritt. Bei letzterem hatte vergangene Woche eine Gruppe griechischer Linksextremer, die sich den Bauern von Idomeni als Solidaritätsinitiative („Allilegii“) vorstellten, nach Angaben des Fernsehsenders „Antenna“ eine Broschüre mit arabischem ext und einer Karte mit Hinweisen für den Grenzübertritt gedruckt und verteilt. Die Gruppe befestigte demnach

im Abstand von 50 Metern Signale und Schilder auf Bäumen, die zum Grenzfluß führten. Nach Angaben des Privatsenders ANT1 wurde dabei ein 24jähriger  Autonomer aus Tessaloniki von Polizeikräften auf frischer at ertappt und festgenommen. Bei der Durchsuchung seines Autos wurden mehrere Broschüren gefunden, sowie eine geringe Menge von Drogen.

Disput um „Mazedonien“ erschwert Kooperation Diese linksextreme Gruppe existiert seit cirka acht Jahren und ist verantwortlich für verschiedene Solidaritätsaktionen für Einwanderer. Dabei nutzen die „Solidarischen“ die politische Immuni-

tät an den griechischen Universitäten für ihre Arbeit. Doch in Griechenland selbst sorgte dies nicht für Schlagzeilen. Sondern die atsache, daß der für die Migrationspolitik zuständige stellvertretende Innenminister Jannis Mouzalas (Syriza) während eines Fernsehinterviews nicht politisch-korrekt von der Ehemaligen  Jugoslawischen Republik Mazed onien (Uno-Kurzbezeichnung: FYROM) sprach, sondern schlicht und ei nfach von Mazedonien. Ein Skandal. Denn Athen erkennt den Verfassungsnamen „Republik Mazedonien“ nicht an und verweist in diesem Kontext auf seine eigene Region namens Makedonien. Das Verhältnis zwischen beiden Staaten ist aufgrund

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unterschiedlicher Ansprüche belastet. Eine enge Kooperation in der Flüchtlingsfrage kommt so nicht zustande. Es überwiegen Nadelstiche. Entsprechend forderte Verteidigungsminister Panos Kammenos von dem rechtspopulistischen Regierungspartner ANEL den sofortigen Rücktritt Mouzalas’. Auch die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia zeigte sich entsetzt und sieht die Athener Koalitionsregierung gerade in bezug zur Flüchtlingsproblematik „überfordert“. Und die Probleme nehmen weiter zu. Parallel zur nicht abebbenden Flüchtlingskrise sorgen die seit Januar andauernden Streiks von Rechtsanwälten, die Blockaden der Bauern, die schwierigen Verhandlungen mit den internationalen

Bargeldverbot und Cybergeld

Geldgebern für Unmut in der Bevölkerung und Rechenspielen der Parteien. Neuwahlen sind bereits in aller Munde. Vor allen Dingen aber betrachten die Griechen – unabhängig von der politischen Präferenz – das Verhalten der anderen Europäer in der Flüchtlingsfrage als unsolidarisch, unfair und ungererecht. Griechenland habe nun mal keine Grenze mit Belgien oder der Schweiz, sondern mit der Türkei und vom Meer her mit dem ganzen Nahen Osten. Dies müßten die Verantwortlichen in der EU und vor allem in Deutschland endlich berücksichtigen. Immer wieder wird auf der Straße die Frage gestellt, warum nun die Türkei die Toleranz des ganzen Westens genießt, ohne kulturell mit ihm verbunden zu sein.

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Ukraine: Übergroße Lenin-Statue abgetragen SAPORISCHSCHJA. Eine zwanzig Meter hohe Lenin-Statue ist vergangene Woche von den Behörden im südukrainischen Saporischschja abgebaut worden. Die Arbeiten an dem 1964 aufgestellten Monument dauerten über 30 Stunden. Hunderte Schaulustige versammelten sich zu dem Ereignis auf dem zentralen Platz des Industriezentrums am Dnjepr. Das Denkmal für den Gründer der Sowjetunion in Saporischschja war das größte der Ukraine. Nach Angaben des Vorsitzenden des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken in Kiew, Wolodimir Wjatrowitsch, habe der Staat seit 2013 mehr als 800 Lenin-Statuen abreißen lassen. In der Ukraine gilt seit Mai 2015 ein Gesetzespaket zur Entkommunisierung, das kommunistische Symbolik und Propaganda unter Strafe stellt. (ru)

Ungarn: Abschiebung nach Serbien rechtmäßig LUXEMBURG. Die Abschiebung eines Pakistaners von Ungarn nach Serbien verstößt nicht gegen EURecht. Dies bestätigte vorige Woche der Europäische Gerichtshof (EuGH/C-695/15), vor dem der  Asylbewerber geklagt hatte. Der illegale Einwanderer hielt sich zwischenzeitlich in d er Tschechei auf, wurde aber wieder nach Ungarn ausgewiesen und sollte von dort nach Serbien zurückgeschickt werden. Der EU-Beitrittskandidat Serbien gilt als sicherer Drittstaat. Die Dublin-III-Verordnung gestattet es den Mitgliedsstaaten, Schutzsuchende, die aus sicheren Drittstaaten einreisen, in ein solches Land auszuweisen. Ungarn hatte sich in dem Rechtsstreit mit dem Pakistaner auf die DublinIII-Verordnung berufen und vor dem EuGH recht bekommen. Ein Mitgliedsstaat habe das Recht, „eine Person, die um internationalen Schutz nachsucht, in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen“, so der EuGH. (mv) curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/

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JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25. März 2016

Die Technologiemesse und die Digitalisierung der Wirtschaft

Einfach überlebt Dland ganz oben auf der Agenda igitalisierung steht in Deutsch-

Sehen die Deutschen ihr Heil vielleicht gar nicht in Gigabits? Die – und ganz unten in der Wirklich- Cebit ist nur noch ein Schatten ihkeit. Seit Jahren predigen Politiker rer selbst. Als der Microsoft-Gründer das Mantra der neuen Zeit: Breit- Bill Gates vor 21 Jahren in Hannover bandausbau, Gigabit-Ziel, Cloud- das nagelneue Windows 95 vorstellComputing. Fragt man die Wirt- te, strömten über 750.000 Besucher schaft, dann ergibt sich ein anderes aufs Messegelände. Im Vorjahr waren Bild: Hauptkommunikationsmittel es gerade noch 200.000. Nun steht ist das Telefon, Nummer zwei die E- die Messe inzwischen nur noch dem Mail, Nummer drei das Fax. Was bei Fachpublikum offen. Doch wenn  App-Entwicklern als old school  gilt, es um Innovationen geht, um das ist bei 80 Prozent der Firmen voll im Gefühl von Zukunft und virtueller Einsatz: der Fernkopierer. Grenzenlosigkeit, haben Las Vegas, Videokonferenzen  Aust in und Barc elon a längst die Nase vorn. nutzt gerade einmal die Immerhin hat der Hälfte der Unternehmen. Mit sozialen Medien wie Deutsche-Messe-Chef Facebook oder Twitter Oliver Frese 2016 das arbeiten überhaupt nur Cloud-Schwergewicht 15 Prozent. DigitalisieSalesforce mit zwei komrung provoziert vor allem pletten Hallen an Bord geholt. Dafür verabschie Äng ste : Dat ens chu tz, Vorratsdatenspeicherung, dete sich der PublikumsVON freies WLAN. Da kann magnet Code-N. Der THOMAS die Kanzlerin noch so oft Start-up-Wettbewerb in FASBENDER sagen: „Die Zeit drängt“ der Code-N-Halle war »Beim Breit– es geschieht zu wenig mit über 80.000 Besuchern das Highlight für bandausbau und das zu langsam. Auch Sigmar Gabriels Strategie- hängt Deutsch- die junge Generation. land seinen papier „Digitale Agenda Initiator Ulrich Dietz, 2025“ wird nichts ändern. Wettbewerbern Vorstandsvorsitzender hinterher.« Das ema Breitbandausdes Stuttgarter Softwarebau wollte Angela Merkel

hauses GFT, will Code-N künftig in einer baden-württembergi-

schon bis 2009 gelöst haben, da war sie wohlgemerkt bereits Kanzlerin. Später hieß es, bis 2014 sollte jeder mit 50 Mbit je Sekunde am Internet

EZB: Chef Mario Draghi schließt Geschenke an die Euro-Bürger nicht mehr aus oder F ocus  in Aufruhr. Jens Weidmann  Was einleuchtend klingt, hat einen wurde vergangenes Wochenende noch Fehler: Die Euro-Geschenke ohne Gedeutlicher: „Statt immer waghalsigere genposten – wenn die Empfänger nicht geldpolitische Experimente ins Spiel zu Schuldnern der EZB werden sollen

BRUNO HOLLNAGEL

einer einzigen Halle, sondern parallel

an mehreren Orten. Das Problem ist nicht Deutsch-

halte surft allerdings immer noch land: Veranstaltungen wie re:publica deutlich langsamer. Inzwischen gilt in Berlin oder in Hamburg das Reedie neue Ziellinie 2018 – Hauptsache perbahn Festival und die Next Connach der nächsten Bundestagswahl. ference zeigen, daß und wie es geht. Sollten dann wirklich alle deutschen Vielleicht hat sich das „Centrum der Haushalte mit 50 Megabit angebun- Büro- und Informationstechnik“ (Ceden sein, haben andere Länder längst bit) unter dem Dach der Deutschen das Gigabit-Niveau erreicht. Messe AG auch einfach überlebt. Deutsche Wirtschaftsvertreter besorgt über AfD-Wahlerfolge

Überreaktion Von Jörg Fischer

Ddet dem Image von Deutsch-

as Erstarken der AfD „scha-

einstimmen: „Hätte die Kanzlerin in der Flüchtlingspolitik früher umland“, warnt Friedrich von Metzler, gesteuert, hätte die AfD nicht diese Gesellschafter des gleichnamigen Zustimmung erfahren“, meinte der Frankfurter Investmentbank. BDI- Chef des schwäbischen FamilienunChef Ulrich Grillo orakelt, daß der ternehmens Trigema. „Zuspruch für rückwärtsgewandte Selbst das arbeitgeberfinanzierte Parteien wie AfD oder Linke Investo- Institut der deutschen Wirtschaft ren abschreckt“. Ein Bosch-Sprecher (IW) rückt inzwischen vom „Refusieht das AfD-Ergebnis „mit großer gees welcome“-Kurs ab: Die ZuwanSorge“. Andreas Barner, Chef von derung belaste den deutschen StaatsBoehringer Ingelheim, hofft, daß die haushalt für die Jahre 2015 bis 2017  AfD-Präsenz in den Parlamenten nur „in einer Größenordnung von 55 von kurzer Dauer sei. Milliarden Euro“. Personen aus den Daß Kirchentagspräsdiale wie Bar-  wichtigsten Flüchtlingsherkunftslänner oder Zuwanderungslobbyisten wie dern fänden nur sehr schwer eine StelGrillo (JF 47/15) dies sagen, läßt sich le – und wenn, dann nur mit einem mit ihrer politischen Verortung erklä- geringen Stundenumfang und selten ren – doch ein Investorenschreck ist die in einem Engpaßberuf, schreibt das

 AfD wohl kaum. Selbst als die Repu- IW in einer Stellungnahme für den blikaner von 1992 bis 2001 im Land- Bundestagsausschuß für Wirtschaft. tag saßen, blutete Baden-Württemberg Nur elf Prozent der Firmen planten, keineswegs aus. Dresden oder Pots- Flüchtlinge zu beschäftigen. Nicht dam sind als Touristenziele weiterhin Mindestlohn oder Aufenthaltsrecht beliebter als Duisburg-Marxloh oder verhinderten meist die Beschäftigung, Gelsenkirchen-Süd. Auch der erklärte sondern fehlende Qualifikation und Grünen-Wähler Wolfgang Grupp will

Sprachkenntnisse. Daran dürfte sich

auch ohne AfD kaum etwas ändern.

nicht in den medialen Merkel-Chor

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Helikoptergeld im Anflug

schen Stadt ansiedeln – nicht nur in

hängen. Ein gutes Drittel aller Haus-

Expl.

Hubschrauber wirft Euro-Scheine ab: Immer waghalsigere geldpolitische Experimente werden inzwischen ernsthaft diskutiert

    Y     A     B     A     X     I     P    :     O     T     O     F

Autor/Kurztitel

Euro

zu bringen, wäre es sinnvoll, einmal

innezuhalten“, zürnte der Bundes-

bankpräsident. Geldgeschenke an die

D

ie Szene erinnerte an Günter Schabowskis Mauerfall-

Pressekonferenz am 9. November 1989: Damals verriet der SED-Pressesprecher

Geldwertstabilität unterminieren und schließlich die von Draghi gewünschte „dazu kein Mandat, auch weil damit eine Inflation anheizen. Und ist seit der Fimassive Umverteilung verbunden wäre“. nanz- und Eurokrise „Helikoptergeld“ Gigantisch wäre Draghis möglicher nicht schon gang und gäbe? Hubschraubereinsatz allemal: Milton Friedman hatte 1969 von 1.000 Dollar Es geht darum, Banken und Bürger seien „eine hochpolitische Entscheidung“, die Notenbanken hätten

erst auf Journalistennachfrage, das die DDR-Grenze „sofort, unverzüglich“ offen sei. Der 10. März 2016 könnte in der Euro-Geldpolitik eine ähnliche

gesprochen – in heutiger Kaufkraft ent-

antwortete auf die Frage, gehöre „Heli-

Selbst am praktischen Beispiel aus der

Staaten billig zu finanzieren spricht das etwa 6.000 Euro pro Kopf. Bei 339 Millionen Einwohnern wären Nur indirekt, denn bislang profidas zwei Billionen Euro, die die EZB tierten nur Banken und Staaten. Die  Wirkung entfalten, denn Mario Draghi direkt unter die Leute bringen müßte.  Auswi rkun gen betr üger isch er Makoptergeld“ auch „zum Instrumentenkasten“ der Europäischen Zentralbank (EZB), nicht mit Kopfschütteln, sondern zur Verblüffung der anwesenden  Wirtschaftsjournalisten mit dem Hin weis, dies sei ein „sehr interessantes Kon-

Bush-Zeit orientiert, wären das immer noch 300 Euro bzw. über 100 Milliar-

neuen IBAN-Kontonummern kein Problem. Und angesichts von 89 Milliarden

2002 die Idee wieder in Erinnerung. Doch erst Präsident George W. Bush

versuchte sich angesichts des drohenden Crashs im Rahmen des Economic Stimulus Act  an der Umsetzung: Jeder US-Steuerzahler sowie legale Ehegatten und Kinder erhielten im Mai 2008

per Überweisung oder Scheck mindestens 300 Dollar Steuergutschrift. Das

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steuerten, billigten sie sich wechselsei-

tig hohe Finanzspritzen (Rettungsfonds

EFSF, ESM) zu. Die Banken müssen nun bezahlen,

 wenn sie ihr EZB-Geld nicht verleihen. Doch jede Bank verleiht nur Geld, wenn die Zinsen so hoch sind, daß mindestens die Risiken gedeckt sind. Doch die EZB

drückt die Zinsen künstlich, indem sie auf dem Kapitalmarkt im großen Stil

 Anleihen kauft. Warum sollten Banken derzeit in Europa Geld verleihen? Es ist also nicht verwunderlich, daß „Buchkre-

Raum offi ziell bei minus 0,2 Prozent – es gab also Deflation. Aber die hausgemachte Inflation lag bei über null

demontiert. Also rast der Schuldenzug der meisten Euro-Staaten ungebremst weiter. Man darf gespannt sein, was geschieht, wenn die Konjunktur demnächst einmal lahmen sollte. Unverantwortliches Handeln wird –

siehe Euro-Rettung von Griechenland & Co. – nicht etwa bestraft, sondern

Fatalerweise gerade diejenigen, die ver-

lastete den US-Bundesetat und führte

antwortungsvoll handeln, die Vorsorge treffen und umsichtig wirtschaften.

Schulden zu machen, wenn andere dafür zahlen müssen. Und wer zahlt?

Hans-Werner Sinn

Hans-Hermann Gockel (Hrsg.)

Steueroase Deutschland

Der Euro

Finale Deutschland

Warum bei uns viele Reiche keine Steuern zahlen

Von der Friedensidee zum Zankapfel

Steueroasen sind nicht nur die Schweiz oder karibische Inseln. Auch Deutschland buhlt um Investoren und das internationale Finanzkapital. Dabei schaut man bei den Steuertricks der Konzerne weg und rollt Schwarzgeld den roten Teppich aus. Es wird Zeit für eine grundlegende

Der Euro sollte mehr sein als eine Währung: ein Garant für Einheit und Frieden in Europa. Heute ist Europa gespalten und zerrissen. Im Süden bleibt die Arbeitslosigkeit unerträglich, der Norden wurde von der EZB in Geiselhaft genommen und zum Zahlmei-

Asyl. Islam. Innere Sicherheit. Mit Klartext gegen die Gedankenfeigheit

menge und deren Zinsen beeinflußt.

Im Februar lag die Inflation im Euro-

Prozent Warum? Weil die Rohstoff- und

Ölpreise gesunken sind. Diese Importe drücken die Inflation, ganz gleich, was die EZB macht. Was ist daraus zu

schließen? Es geht gar nicht um Preisstabilität und Konjunktur, sondern darum, Banken und Staaten billig zu finanzieren

– zu Lasten Dritter. Das ist das wahre Ziel von „Helikopter-Mario“. Economic Stimulus Act of 2008: www.irs.gov/uac/Economic-Stimulus-Payment-Q&As:-Eligibility-

Franz-Xaver Kaufmann, Walter Krämer (Hrsg.) Die demografische Zeitbombe Fakten und Folgen des Geburtendefizits

Hans-Hermann Gockel, der TVJournalist und NachrichtenModerator (SAT.1 und N24), schreibt Klartext. Die politische Elite verfängt sich in Gedankenfeigheit, Heuchelei und Scheinheiligkeit und verliert dabei die Kontrolle über maßgebliche Bereiche des öffentlichen Lebens. Mit dramatischen Folgenfür Deutschland.

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gen werden nur zum Teil von der Geld-

nicht direkt von der Fed, sondern be-

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GM-Manager noch eine Abfindung von

Tages mit lautem Krach platzen werden. Und es wirkt wie Rauschgift für Finanz-

belohnt. Zudem ist es äußerst bequem,

ster gemacht. Was ist zu tun? 480 S., geb.

O’Neal im Zuge der Immobilienkrise 2007 die US-Investmentbank Merrill Lynch mit einem Milliardenverlust an die Wand fuhr, bekam der frühere

dite an nichtfinanzielle Unternehmen nach wie vor schwach“ ausfielen. Die zu alter Größe aufgepäppelt. Auch die Banken werden die höheren Kosten ungebremste Staatsüberschuldung ist vermutlich vermehrt auf die Kunden mittels der EZB-Druckerei möglich. abwälzen. Und wieso sollten sich poDas Billiggeld ist Gift für die Wirt- tentielle Investoren Geld leihen, wenn schaft, weil es zu Kapitalfehlleitungen sie keine neuen Märkte, Produkte oder und Blasenbildungen führt, die eines Ideen haben? Konjunkturschwankun-

entsprach kaufkraftbereinigt aber nur einem Zwanzigstel dessen, was Friedman vorschlug. Und das Geschenk kam zu einem Anstieg der Inflation.

sind es, die unter Negativzinsen und finanzieller Repression leiden. Als Stanley

künstlich am Leben erhalten und wieder

minister, die dazu verleitet werden die

Geldgeschenke der US-Regierung Was kann die US-Zentralbank Fed tun, wenn trotz Zinssenkung weiter Deflation und Wirtschaftsmisere herrschen? Im Notfall müsse ein Hubschrauber losfliegen, der Dollarscheine rauswirft und so unter den Konsumenten verteilt. Dieses Gedankenexperiment beschrieb 1969 der spätere Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman in seinem Essay „The Optimum Quantity of Money“, aber nicht ohne zu warnen, eine Geldmengenausweitung führe zu Inflation. Anläßlich der New-Economy-Rezession rief der spätere Fed-Chef Ben Bernanke

chenschaften von Finanzinstituten ver-

schwanden unter riesigen Mengen von Dollar und Euro. Notorische Versager, den Euro, die die EZB drucken müßte. die den Markt längst hätten räumen Die Verteilung des Geldes ist dank der müssen, wurden mit Geldinfusionen

zept“, das momentan in akademischen Euro Wohlstandsverlust, die die EZBZirkeln diskutiert werde. Niedrigzinspolitik laut Ifo-Chef Hans„Wir müssen das beobachten“, sagte  Werner Sinn Deutschland allein 2015 der EZB-Chef vielsagend zum Schluß – gekostet hat, wäre die Aktion vielleicht und seither sind FAZ , Welt , Handelsblatt nur ein kleiner Ausgleich?

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Flüchtlingskatastrophe, Spannungen zwischen den USA und Rußland, Kriege im Süden, Osten und Südosten der EU. Europa droht zu zerfallen; der Euro, unsere Sparguthaben und der Sozialstaat sind in Gefahr. Neuartige Cyber-Kriege drohen. Wir spü-

In Italien und Frankreich sind Bargeldzahlungen ab 1000 Euro illegal, und viele deutsche Banken haben neben Tageslimits schon Wochenlimits eingeführt. Ab 2018 soll Bargeld in der EU ganz abgeschafft werden. Welche Folgen hat das für Sie, und wie kön-

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 W I R T S C H A F T | 11

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25. März 2016

Versichertengelder für Integrationsmaßnahmen DUISBURG. Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) finanziert künftig Patien-

tenberatungen auf arabisch. Damit leiste die PKV einen „konkreten

Beitrag zur Integration von Flüchtlingen“,erklärte Verbandsdirektor Volker Leienbach. Gesundheits-

staatssekretär Karl-Josef Laumann (CDU) begrüßte den Ausbau des

muttersprachlichen Angebots, das bislang nur Deutsch, Türkisch und Russisch umfaßte. Die Unabhän-

gige Patientenberatung (UPD) leiste damit einen „wichtigen Beitrag

    R     E     K     O     J     /

Gnadenloser Wettbewerb

    E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

Verkehrspolitik: Die Preisschlacht zwischen Fernbussen und Bahn freut die Kunden

Fernbusse am Bahnhof Freiburg im Breisgau: Auch die Zusatzkosten durch das politisch gesteuerte „energiepolitische Umfeld“ bereiten der Deutschen Bahn AG Kopfzerbrechen

CHRISTIAN SCHREIBER

misch wachsender Fernbusmarkt und historisch niedrige Benzinpreise haben

Schwämmlein. Ja, noch können Verluste oder Düsseldorf–Antwerpen–London im den Geldgebern als Anfangsinvestitio-

Die Fernbusbranche blickt dagegen optimistisch in die Zukunft: In diesem

Schon jetzt ist Berlin–Breslau–Krakau

vierten Streiks“, klagte Finanzvorstand Millionen gerechnet. Der mit einem

bus ist den DB-Ablegern mit schon 6,8

sich ebenso bemerkbar gemacht wie die  Jahr wird mit einer Steigerung der Fahr-  Angebot. Das erst seit Herbst 2014 in nen verkauft werden, doch irgendwann im Vorjahresvergleich nochmals intensi- gastzahlen um ein Viertel auf über 27 Deutschland aktive Unternehmen Mega-  wollen sie Rendite sehen. Der ADAC

 W 

er vom Berliner Reichstag zur Frankfurter Börse will,

hat schon kalte Füße bekommen und

Richard Lutz vorige Woche bei der DB-  Anteil von über zwei Dritteln unbestrit- Prozent Marktanteil hart auf den Fersen. seine Anteile am zweitgrößen deutschen braucht für die 550 Kilome- Bilanzkonferenz, bei der ein Verlust von tene Marktführer Mein Fernbus/Flixbus Die zur schottischen Stagecoach Group Fernbusanbieter Postbus 2015 komplett ter mit dem Auto über fünf Stunden. 1,3 Milliarden Euro bei 40 Milliarden plant, künftig verstärkt auch Städte jen- (zweitgrößtes Verkehrsunternehmen an die Deutsche Post AG abgegeben. Die Mit dem ICE Sprinter sind es keine Euro Umsatz erklärt werden mußte. vier. Selbst mit dem Flugzeug ist man

– inklusive Anfahrt und Sicherheitskon-

trollen – nicht viel schneller da. Doch zwischen 50 und 120 Euro will dafür nicht jeder zahlen. Mit dem Fernbus sind für diese Strecke sieben Stunden einzukalkulieren – aber kaum mehr als 20 Euro. Wer von Kiel nach Bremen

muß, ist für die 200 Kilometer mit Auto oder Bahn über zwei Stunden unterwegs – der Bus braucht nur eine Stunde mehr

und das für weniger als zehn Euro, was immer mehr zum Umsteigen verführt. Seit Anfang 2013 ist der Markt f ür Fernbusse in Deutschland weitgehend freigegeben, und schon im ersten Jahr

nutzten neun Millionen geduldige Rei-

sende das schnell wachsende Angebot. 2014 wurden 16 Millionen Fahrten verkauft. Im vergangenen Jahr wuchs die Zahl der Fahrgäste um 36 Prozent

auf 21,8 Millionen – das ist inzwischen schon ein Sechstel dessen, was die Deutsche Bahn (DB) 2015 im Fernverkehr

transportierte. Diesen Wettbewerb spürt der Staatskonzern hautnah: „Ein dyna-

150 Millionen Euro EEGUmlage belasten die Bahn

Für über elf Prozent der Verluste sind aber weder DB-Vorstand, GdL-Gewerkschaftsführer Claus Weselsky oder die

seits der ICE-Magistralen anzufahren,  was die DB zusätzlich in die Bredouille bringen dürfte.

Großbritanniens) gehörende Firma betreibt nicht nur Fernbusse in den USA

und Kanada, sondern steuert schon jetzt „Es gibt noch viele weiße Flecken“, er- 150 Ziele in Europa an. klärt Geschäftsführer André Schwämmlein. „Das heißt für uns Verkehr in Mit-

telstädten, teilweise auch kleinere Städten mit 20.000, 30.000 Einwohnern. Es geht

Buskonkurrenz verantwortlich, sondern  jetzt einfach darum, das Angebot noch

IG Fernbus befürchet politische Begehrlichkeiten

50.000 Fahrkarten für fünf Euro, die

Postbus bis Ende März anbietet, werden

– zynisch formuliert – über verschlungene Umwege wohl über die jüngste Portoerhöhung gesponsert.

„Im abgelaufenen Jahr sind die Preise schon langsam angestiegen, das ist für die Betreiber auch durchaus sinnvoll“, konDer deutsche Markteintritt war statiert diplomatisch Christiane Leonard,

breiter aufzustellen.“ Der Unternehmer hat sogar seinen Blick über die Westgrenze geworfen: Seit die französische Regierung den Fernbusverkehr im August 2015 liberalisiert hat, steuern dort bereits 600 Busse knapp 150 Ziele an. „Der europäische Reiseverkehr ist ein

bislang vor allem den – wohl von der

Chefin des Bundesverbands Deutscher

– Kampfpreisen zu verdanken. Um das

mit dieser Trend anhält, haben die vier Großen zusammen mit Touring/Eurolines eine „Interessengemeinschaft“ ge-

mit Abstand ökologischsten Verkehrs- glaubt Schwämmlein. träger bereiten uns auch deshalb KopfDie DB ist mit ihren Marken Berzerbrechen, weil die Dieselpreise in den lin-Linien-Bus/IC-Bus und 7,4 Prozent letzten Jahren nicht gestiegen, sondern Marktanteil bislang nur der drittgrößte gefallen sind und der Verkehrsträger  Anbieter. Daher soll das VerbindungsanSchiene aufgrund seines hohen Anteils gebot bis Jahresende vervierfacht werden an Elektromobilität – rund 80 Prozent – etwa durch attraktive Auslandsziele. unserer Traktionsenergie beziehen wir So geht es ab April von Nürnberg nach aus Bahnstrom – dadurch an Wettbe- Prag, Straßburg und Paris. Von München werden Como und Mailand angesteuert.  werbsfähigkeit verloren hat.“

 Jugendliche aus Nichtakademikerfamilien zum Studium ermutigen. Megabus soll dafür werben und gleichzeitig die Studenten für kleines Geld vom Studienort nach Hause fahren. Wie sich dies

das von Angela Merkel geprägte „ener-

giepolitische Umfeld“: Im Geschäftsjahr 2015 sei die Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für die

DB „auf 150 Millionen angestiegen, was gegenüber dem Wert des Jahres 2012 fast eine Vervierfachung bedeutet“, erklärte

Lutz. „Diese zusätzlichen Kosten für den

großer Wachstumsmarkt mit Zukunft“,

Muttergesellschaft quersubventionierten Omnibusunternehmer (BDO). Und da-

Billigimage aufzupolieren, hat Megabus

kürzlich eine Kooperation mit der Bildungseinrichtung Arbeiterkind.de abgeschlossen. Die von Staat, Wirtschaft

und Stiftungen finanzierte Initiative will

finanziell rechnen soll, verriet Megabus-

gründet: Die IG Fernbus im BDO wolle auch politisch aktiv werden, denn „mit dem Erfolg des Fernbusses wachse auch die Begehrlichkeit, diese Form des Reisens einzuschränken und finanziell zu belasten“ – sprich: eine Mautpflicht für Busse (JF 2/16) oder eine Dieselsteuer-

anhebung (JF 3/16) muß verhindert wer-

den. Weitere emen seien langwierige

Direktor Edward Hodgson aber nicht.

Genehmigungsverfahren, Grenzkontrol-

die gesamte Branche so ihre Probleme. „Der Kunde definiert den Preis“, meint

len, „willkürliche“ Stationsentgelte und die Verdrängung von Fernbusstationen aus den Innenstädten.

Mit dem Geldverdienen hat allerdings

Ein Balanceakt mit großer Perfektion

D(Fed) läßt ihren Leitzins unverän-

Leitzins seit Dezember 2008 zwischen

Das war zu erwarten. Seit dem Früh- dung ist, daß die laufende Inflation nach  jahr 2013 sprechen Fed-Vertreter davon,  wie vor recht niedrig sei und daß sich Zögern wurde im Dezember 2015 dann

erstmalig der Dollarzins um 0,25 Prozentpunkte angehoben. Zuvor lag der

schon deswegen, weil die Wahrschein-

null und 0,25 Prozent. Im August 2007, davon ab, daß die Zinsen niedrig blei- lichkeit steigt, daß sich die amerikanikurz vor Ausbruch der Finanzkrise, ben beziehungsweise auf noch niedrigere sche Konjunkturlage wieder eintrübt.

ie US-Notenbank Federal Reserve  waren es noch 5,25 Prozent gewesen – danach senkte die Fed ihren Zins in dert bei 0,25 bis 0,5 Prozent. Das gab panischen Schritten Richtung Nullinie. Die Fed stellte jedoch in Aussicht, der Offenmarktausschuß vorige Woche in Washington bekannt und begründete daß sie die Zinsen im laufenden Jahr diese Entscheidung unter anderem mit noch zweimal anheben werde. Warum „Risiken in der Weltwirtschaft“. ist sie so zögerl ich? Die offi zielle Begr ündie Zinsen anzuheben. Nach langem

finden. Dessen „Funktionieren“ hängt

daher der Anstieg der Zinsen langsam über die Zeit vollziehen könne. Doch der eigentliche Grund dürfte ein anderer sein. Er ist im Schuldgeldsystem zu

auch immer mehr Euro-Sparer, Pensi-

onskassen oder Stiftungen hautnah. Die

Europäische Zentralbank (EZB) kennt

Niedrigzinsen halten kurzfristig Konjunkturen in Gang und verschaffen klammen Schuldnern Luft. Dabei

schon kein Halten mehr: Negativzinsen

die Zinsen nur „vorübergehend“ niedrig,

Doch statt der darbenden Wirtschaft entstehen jedoch weitreichende Fehlent- im EU-Süden setzen die deutschen Imwicklungen:Kapitalfehllenkung,Speku- mobilienpreise zu Höhenflügen an. Das lationsblasen, Boom-Bust-Zyklen und überrascht nicht, denn sein Vermögen in Überschuldung. Zudem drohen die nied- Dollar oder Euro zu halten bringt derzeit rigen Nominal- zu negativen Realzinsen nur Verluste ein, Gold und Aktien sind

harren die Geldanleger aus.

zu werden. Die Politik der Zentralban-

da vielversprechender.

Niveaus fallen. Würde sich bei den An-

legern aber die Erwartung durchsetzen, daß die Zinsen nahe Null verharren,  würden die meisten aus ihren Terminund Spareinlagen, Staats- und Bankschuldpapieren, Lebensversicherungen und Rentenfondsanteilen fliehen. Sind

den Beiträgen der gesetzlich Versicherten finanziert. Seit diesem Jahr wird die UPD von der Duisburger Sanvartis, einer Call-Center-Firma der Vendus Sales & Communication Group, betrieben. Die Fördermittel stiegen zugleich auf jährlich neun Millionen Euro. Der PKVVerband finanziert mit 630.000

Euro das fremdsprachliche UPD Angebot. (fis)  www.patientenberatung.de

Coco: Sechs Prozent Rendite oder Totalverlust BERLIN. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)  warnt vor steuersparenden Contingent Convertible Bonds (Co-

co-Bonds). „Dabei handelt es sich

um risikoreiche Wandelanleihen, die automatisch in Eigenkapital einer Bank umgewandelt oder abgeschrieben werden, wenn deren Kapitalpuffer unter eine bestimmte Schwelle fällt“, erklärte Forschungsdirektorin Dorothea Schäfer ( DIW Wochenbericht 

11/16). Coco-Investoren müßten

mit einem Totalverlust rechnen, „dafür erhalten sie, wenn es gutgeht, eine entsprechend lukrative Rendite von etwa sechs Prozent“.

Der Coco-Mechanismus solle dafür sorgen, daß strauchelnde Banken nicht mehr vom Staat gestützt

 werden müssen. Wenn aber eine Bank Coco-Anleihen einer anderen Bank kaufe, sei dieses Ziel gefährdet: „Die Bank, die CocoBonds gekauft hat, würde im Fall einer Zwangsumwandlung und

 Abschreibung der Anleihen sofort neues Eigenkapital brauchen“, er-

Geldpolitik: Die US-Notenbank Fed läßt Leitzins unverändert bei maximal 0,5 Prozent / Amerikanische Aktien und Gold im Aufschwung THORSTEN POLLEIT

auch für eine erste Orientierung in unserem komplexen Gesundheitssystem“. Die UPD wurde im Jahr 2000 als gemeinnützige GmbH gegründet und über eine 5,2-Millionen-Euro-Umlage aus

 Die Fed praktiziert diesen Balanceakt ken entwertet dann traditionelle Sparmit großer Perfektion; je länger Zinser- formen wie Termin- und Spareinlagen, höhungen hinausgezögert werden, desto Staats- und Bankanleihen, Rentenfonds unwahrscheinlicher werden sie – allein und Lebensversicherungen. Das erleben

sollen zum „Investieren“ zwingen.

Prof. Dr. Thorsten Polleit  ist Präsident des

Ludwig von Mises Instituts Deutschland.  www.misesde.org

läuterte die Finanzexpertin. (fis)  diw.de/deutsch#publikationen

Zahl der Woche Der Bau von 308.687 Wohnungen wurde 2015 von den Behörden in Deutschlandgenehmigt. Das waren 8,4 Prozent mehr als im Vorjahr. 268.083 der Unterkünfte werden in neuen Gebäuden errichtet, 40.604 entstehen durch Erweiterungsmaßnahmen. (Quelle: Statistisches Bundesamt)

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2.

erweiterte Auflage

12 | H I N T E R G R U N D

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25. März 2016

Die Chemie stimmt Hundert Jahre Leuna-Werke: Ein Symbol für enorme Probleme, aber auch für Lösungswege beim sogenannten Aufbau Ost HEIKO URBANZYK 

S

chon seit der Lehre hier und hoffentlich noch lange“, schreibt Michaela Düsterhöft auf der Facebook-Seite der Leuna-Werke. „Ja, Leuna, da hab ich auch gearbeitet“, schreibt Lothar Scholz. Der Rentner beschreibt einen  Arbeitsunf all im har ten Allt ag eines Industriearbeiters und wie er beinahe

nach einer Explosion durch einen Steinbrocken erwischt worden wäre: „Wenn er mich getroffen hätte, dann könnte

ich es heute nicht schreiben.“ Die Leuna-Werke in Sachsen-Anhalt  werden 100 Jahre alt. Sie prä gten das  Arbeitsleben von Generation en und setzten Maßstäbe einer ganzen Indu-

    N     N     A     M     H     E     L

strienation. „Dieses großartige Jubiläum verlangt einfach nach einer gebührenden Würdigung. Wir bereiten es mit unseren Partnern in Wirtschaft, Wis-

    F     L     A

    R    :     O     T     O     F

senschaft und Verwaltung engagiert vor

und wollen es zu einem Höhepunkt

für die ganze Region machen“, erklärt Christof Günther, Geschäftsführer der InfraLeuna GmbH. Die Festwoche des Chemieunternehmens findet im Mai

statt, für September ist wieder ein Tag der offenen Tür geplant.

Leuna: Produktion und Forschung auf 13 Quadratkilometern

    B     Z     /     E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T

    C     I     P    :     O     T     O     F

Tag der offenen Tür in Leuna: Zu DDR-Zeiten Arbeitgeber für 30 .000 „Werktätige“ – nun sind es noch 9.000

Stolz auf wachsende Investitionen

26 Produzenten verteilen sich auf nicht immer zu, wenn auch stets auf der dem 13 Quadratkilometer großen Areal. Höhe der Zeit und mit Pioniergeist. Im Den politischen Höhepunkt dürfte auch Lösungswege beim Aufbau Ost Darunter die otal Raffinerie Mittel- Ersten Weltkrieg, im Jahr 1916, wurden bereits der Festakt am 3. März darge- zu werden“. deutschland GmbH oder das Biotech- die Werke durch Carl Bosch im Auftrag stellt haben: Bundeskanzlerin Angela Heute, sei der Chemiestandort Leuna nologie-Unternehmen Actilor GmbH. der BASF als Ammoniakwerk gegründet. Merkel kam als Festrednerin an den mit 9.000 Mitarbeitern eine „op- Hinzu kommen 21 Dienstleister (IMO  Am 25. Mai 1916 war Grundsteinlegung Chemiestandort Leuna. „Endlich ein

entspannter Termin für die Kanzlerin“,

neue Chance gehabt – „nämlich zum

Symbol für die riesigen Probleme, aber

adresse“ und die chemische Industrie  Anlagenmontagen GmbH oder Wax ein „aktgeber für die Zukunft“. Die Umweltschutz GmbH) sowie drei

für die damals „Badische Anilin- und

Zentrum für Chemisch Biotechnologische Prozesse, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, TyssenKrupp

moniaksynthese bildete die Grundlage für die Herstellung von Düngemitteln und, im Ersten Weltkrieg viel wichti-

Neben der Versorgung mit Energie und Wasser wirbt die Gesellschaft mit modernem Standortmanagement, der

zweiten BASF-Werkes in Leuna wurde nötig, weil der Munitionsbedarf durch

 wie der Mitteldeutsche Rundfunk den

Branche investiere mehr als zehn Milliarden Euro in Forschung und Entwick-

auch nicht nehmen, die historische Bedeutung Leunas ebenso zu betonen  wie die Zukunftsfähigkeit des Standortes. Merkel zeigte sich beeindruckt

lung. „Sie ist damit Innovationstreiber nicht nur für die chemische Industrie,

Besuch kommentierte. Die ließ es sich

vom Wandel der Region. „Leuna stand immer für Stärke, allerdings haben wir 1990 gesehen, daß es so nicht mehr weitergehen konnte“, erklärte sie. Die DDR habe in Leuna geradezu einen „Hort des Fortschritts“ gesehen.

sondern für weitere Wirtschaftszweige“, Industrial Solutions). so Merkel. Zudem schaffe sie viele zu-

kunftsfähige und gut bezahlte Arbeits-

plätze. Mit 450.000 Arbeitsplätzen sei die Chemiebranche einer der größten

 Arbeitgeber in Deutschland.

Die Chemie in Leuna, südlich von Halle an der Saale, stimmt. „Aktuell erlebt der Standort ein so reges Inve-

„Natürlich war es ein sehr frag würdiges Verständnis von Fortschritt, stitionsgeschehen wie seit Jahren nicht  wie sich nach dem Mauerfall und der mehr“, sagte Geschäftsführer Günther  Wiedervereinigung r echt schnell her-  jüngst der Mitteldeutschen Zeitung . Die ausstellte. Denn der Standort konnte InfraLeuna GmbH ist heute Eigentümeaus dem Blickwinkel des Wettbewerbs, rin und Betreiberin der Infrastrukturtechnologisch, aber vor allem auch einrichtungen im Chemiepark Leuna. ökologisch nicht mithalten“, so die Gesellschafter sind verschiedene Firmen CDU-Politikerin. Leuna habe so eine am Ort.

Leuna in Zahlen 70 Prozent der produzierten Güter verlassen den Standort per Schiene 95 Prozent beträgt die durchschnittliche Senkung der Umweltbelastung am Chemiestandort seit dem Jahr 1989 600 Kilometer verlegte Rohrleitun-

Sodafabrik, Ammoniakwerk Merseburg“ Forschungseinrichtungen (Fraunhofer- genannte Anlage. Die industrielle Am-

5.000 Fahrzeuge befahren durchschnittlich täglich den Standort 9.000 Arbeitskräfte sind am Chemiestandort Leuna tätig

280.000Kesselwagen werden jähr-

lich am Standort bewegt – aneinandergereiht würde der Zug von Leuna bis gen zwischen den ansässigen Firmen nach Nowosibirsk reichen (4.480 km) garantieren schnelle Wege 12.000.000 Tonnen Güter werden 13 Quadratkilometer groß ist das  jährlich am Standort produziert Areal des Chemiestandortes, das ent- 6.000.000.000 Euro wurden seit spricht etwa 1.820 Fußballfeldern 1990 am Chemiestandort investiert

Gra ti s se - t: en Po s tkar t

ch  zum Bu rbuch ö H oder

ger, Sprengstoffen. Die Gründung dieses

    O     T     O     H     P   �     Z     S    :     O     T     O     F

Leuna-Arbeiter im Dezember 1992: Ungewisse Zukunft

das Stammwerk in Oppau (heute Lud- Investitionen in die Kohleverflüssigung Der hälftigen Demontage durch die Hilfe zur Ansiedlung neuer Unterneh-  wigshafen) nicht mehr gedeckt werden an Bedeutung. In der Geschichte der Sowjetunion folgte die Gründung der men und der Beantragung von För- konnte. Leuna-Werke läutete das Verfahren Ende VEB Leuna-Werke Walter Ulbricht dermitteln. „Zu möglichst günstigen und international wettbewerbsfähigen

Preisen werden den Chemiepark-Unternehmen sämtliche Infrastrukturdienstleistungen und -lieferungen aus einer

Merkel lobt Helmut Kohl für sein Engagement

erweiterung investieren und weitere organischen Verbindungen aus Stein Arbeitsplätze schaffen. Günther freut kohle“. Bergius brachte seine Forschung sich: „Wäre der Standort nicht attrak- 1931 den Chemie-Nobelpreis. tiv und wettbewerbsfähig, würde hier  Um die Kohleverflüssigung rankt

lung in der chemischen Industrie war.

Denn viele Verfahren sind hier entwikkelt worden.“ Management, Dienstleistung, saubere weiße Kittel: So sauber ging es in Leuna

(LWWU). Mit bis zu 30.000 Beschäf-

Versorgung der deutschen Wehrmacht

nahme der Erdölraffinerie durch den französischen Mineralölgiganten otal

tigten war es der größte ChemieproduDer ehrgeizige Plan, im Zweiten zent der DDR.  Weltkrieg mit Hilfe des Leuna-Benzins Nach der Wiedervereinigung vermit Ab 1923 wurde bei der Leuna erst- unabhängig von ausländischem Öl die telte Helmut Kohl persönlich die Über-

Hand angeboten“, wirbt sogar das Land malig im Weltmaßstab Methanol im Sachsen-Anhalt für seinen wichtigsten Hochdruckverfahren hergestellt. Dessen Standort. Erfinder, Matthias Pier (1882–1965), Die Position der in Leuna ansässigen entwickelte auch die sogenannte BraunFirmen sei laut Günther gut. 2015 seien kohlehydrierung zur Herstellung syntheso viele Gefahrguttransporte registriert tischer Treibstoffe (Leuna-Benzin) nach  worden wie seit Gründung der Infra- dem Bergius-Pier-Verfahren. Bereits am Leuna vor genau zwanzig Jahren nicht. 9. August 1913 erhielt Friedrich Bergius Ein ortsansässiger Papierhersteller wird das Patent auf das „Verfahren zur Herzehn Millionen Euro zur Produktions- stellung von flüssigen oder löslichen

auch niemand investieren.“ Den Leuna Werken bescheinigt Günther eine „stolze Geschichte, die vielfach maßgeblich für Deutschland und die weltweite Entwick-

der 1920er Jahre die Zeit als Standort

der Mineralölindustrie ein.

zu sichern, wurde Leuna zum Verhäng-

nis. 1916 erfolgte der Bau bewußt in Mitteldeutschland, um den Bomben

(damals Elf Aquitaine). Er erkannte den sozialen Sprengstoff darin und fürchtete

 Weltkrieg entluden die alliierten Luft-

ßung in sich barg. Beim Baustart der Erdölverarbeitungsanlage 1994 setzte

der Franzosen zu entgehen. Im Zweiten die Probleme, die eine Leuna-Schlieflotten zwischen dem 12. Mai 1944 und 4. April 1945 eine Bombenlast von etwa 18.000 Tonnen über Leuna – dennoch kam die Produktion erst kurz vor Kriegsende zum Erliegen. 1938 hatte laut InfraLeuna GmbH

die Damenwelt einen Grund zu Freude: „In Leuna gelang die Synthese von Casich bis heute ein Mythos, der mit dem prolactam zur Erzeugung von Perlon.“ zwischenzeitlichen Verbot des Verfah- Die Versorgung mit feinen Strümpfen rens durch die Alliierten nach dem Zwei- war künftig gesichert. Ein „Meilenstein ten Weltkrieg zusammenhängt. Ange- in der Geschichte“, bilanziert Infra-

der damalige Bundeskanzler dann folgerichtig den ersten Spatenstich in Leuna und gab sein berühmtes Versprechen von den „blühenden Landschaften“. „Viel-

leicht war es ein Glücksfall, daß Helmut Kohl selbst in einer Chemieregion groß geworden war und deshalb wußte, von  welcher Bedeutung (...) die chemische

Industrie ist, und wie wichtig es ist, daß solche Industrie nicht nur in der alten

Bundesrepublik überlebt, sondern auch in den neuen Bundesländern eine Chan1942, ging die weltweit erste Produkti- ce hat“, lobte Merkel ihren politischen onsanlage zur Herstellung synthetischer Ziehvater auf dem Festakt. letzten zehn Jahren gewinnen weltweit Tenside in Betrieb – die Grundlage für  wieder Gedankenspiele und handfeste  Waschmittel.   www.infraleuna.de sichts der damaligen Erdölpreise war das aus Kohle gewonnene Benzin aber auch schlichtweg zu teuer. Erst in den

Leuna stolz. Noch mitten im Krieg,

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KULTUR

     tMEDIEN, Seite 17

Wird die AfD aus den Rundfunkräten gedrängt? Die JF hat nachgehakt

     tFORUM,

Seite 18 Neue Gesellschaft der Bundesrepublik: deformiert und umstrukturiert

| 13

 JU NG E FR EI HE I T | Nr. 13 /16 | 25. März 2016

Pankraz, Ch. de Gaulle und das trocknende Blut

E

rinnert sich noch jemand an Susan Sontag, die 2004 im Alter von 71 Jahren verstorbene New Yorker Kunstkritikerin? Susan war höchst vielseitig, einfallsreich und formulierungsstark, man könnte viel aus ihren Essays lernen, aber die gutmenschlichen Meinungsaufseher unserer Tage haben eine damnatio memoriae , eine Art Schweigegebot über sie verhängt. Denn sie hat ja auch Leni Riefenstahl gelobt und seinerzeit den originellen HitlerFilm von Hans-Jürgen Syberberg positiv besprochen. In die Hölle des Vergessens mit ihr!  Jetzt hat ihr Sohn David Rieff (63), der seit Jahren die hochinteressanten nachgelassenen Tagebücher seiner Mutter herausgibt und sich damit viel Kritik eingehandelt hat, im Londoner Guardian eine grundsätzliche Betrachtung über das Verhältnis von historischer Erinnerung und Vergessen publiziert, die zu mancherlei Diskurs Anlaß gibt.  Ausgangspunkt sind für Rieff die aktuellen Kriege und Grausamkeiten im Nahen Osten und in Afrika, die kein Ende nehmen wollen und sich ganz über wiegend aus erinnerndem Haß speisen. „Erinnerung ist ein Verbündeter der Gerechtigkeit“, schreibt Rieff, „aber kein Verbündeter des Friedens. Es gibt Fälle, in denen das Vergessen der Vergangenheit unrecht tut. Doch wenn das kollektive Gedächtnis Gemeinschaften dazu verurteilt, den Schmerz historischer Wunden und die Bitterkeit historischen Grolls zu verewigen, sollte nicht die Pflicht zu erinnern hochgehalten werden, sondern die Pflicht zu vergessen. Kann man mit Bestimmtheit sagen, was in welchen Situationen besser wäre? Nein, darauf gibt es keine kategorische Antwort.“

 A 

ber „angesichts der menschlichen Neigung zur Aggression“, fährt Rieff fort, „könnte das Vergessen, bei allen damit verbundenen Opfern, die einzig verbleibende notwendige Reaktion sein (…) Es gibt so manches Beispiel in der Geschichte, in dem das Vergessen früher Oberhand gewann, als vernünftiger weise erwartet werden konnte.  Als etwa General de Gaulle in seinem berühmten Umschwung beschloß, daß Frankreich Algeriens Unabhängigkeit anerkennen  würde, soll einer seiner Berater mit dem Ausruf protestiert haben: ‘Es wurde doch so viel Blut vergossen!’, woraufhin Charles de Gaulle antwortete: ‘Nichts trocknet schneller als Blut’.“ Indes, trocknet Blut, Opferblut, Kriegerblut, Völkerblut,  wirklich schneller als alles andere? Daran darf man zweifeln. Das Gedächtnis der Völker währt lange, ist für sie geradezu existenzerhaltend, wie für einen von Demenz bedrohten Einzelmenschen die Erhaltung des eigenen individuellen Erinnerungsvermögens. Schlichtes Vergessen, bewußtes Wegschieben-Wollen schlimmer, unangenehmer oder auch positiver, den Geist befeuernder Erinnerungen bringt nichts, es vertieft die Misere nur, führt zu kultureller Dekadenz und macht politisch angreifbar. Doch vielleicht hilft hier ein Blick auf das Werk des Philosophen Hegel, der in seiner „Phänomenologie des Geistes“ geschrieben hat, daß dauerhafte, friedenstiftende Erinnerung nur möglich sei, indem man sie „aufhebt“, und zwar im dreifachen

Sinne des Wortes. „Aufheben“ bedeutet erstens, daß man eine Sache vom Boden, auf dem sie liegt, wegnimmt und in eine höhere Position bringt, zweitens, daß man sie in ein Behältnis legt und sie so vor dem Verschwinden bewahrt, drittens, daß man sie historisch macht, sie mit Gelassenheit betrachtet und einer gediegenen Forschung sine ira et studio  überantwortet. Nur in solcher Aufhebung, sagt Hegel, kann Erinnerung alt werden und Menschen zueinander bringen. Läßt man sie hingegen als Verkehrshindernis auf dem Boden liegen, so kann es gar nicht ausbleiben, daß sie beschmutzt und in den Zank der Leidenschaften hineingezogen  wird, ganz einerlei, o b es sich um eine positive oder um eine negative Erinnerung handelt.  Was dem einen seine Eule, ist dem anderen bekanntlich seine Nachtigall, was dem einen seine Heldentat, ist dem anderen seine Schande.

H

istoriker und Politiker, die nicht aufheben, sondern liegen lassen  wollen, verkümmern schnell zu bloßen Funktionalisierern. Ent weder mausern sie sich zu Geschäftsleuten, die für sich einen bestimmten finanziellen Nutzen aus der Erinnerung ziehen, oder zu „Priestern“ (D. Schwanitz), die einen Altar errichten, auf dem man Opfer zelebrieren und vor dem man sich in den Staub werfen soll. Die Erinnerung wird zum Mythos, aus dem sich angeblich alles herleitet und aus dem man seine Riten bezieht. Ist sie eine schändliche, so stiftet sie negative Religion, Satanskult, der mit der Zeit eine eigene düstere Faszination zu entfalten beginnt. Die drei Momente der Aufhebung, lehrte dagegen Hegel, sind nicht voneinander zu trennen, man kann sie nicht einzeln haben, ohne mit sich selbst in Zwiespalt zu geraten. Nur eine Erinnerung, die „historisch“ ge worden und zur gelassenen Erforschung freigegeben ist, läßt sich unbehelligt in ein Tabernakel oder Reliquiar einschreinen.  Andernfalls bedarf es zu ihrem Schutze gewisser Maßnahmen, die ihre Integrität dementieren und ihre Authentizität verdächtig machen: Strafparagraphen, Zuchthausandrohungen. Nicht zuletzt und gerade die jenigen, denen die betreffende Erinnerung teuer ist, kommen dadurch in Schwierigkeiten, geraten in die Verlegenheit des Verstummen-Müssens. Denn  welche r Gentl eman möcht e schon über eine Sache reden,  wenn eventuelle Gegenredner mit Gefängnis und allen möglichen anderen Sanktionen bedroht sind? Argumente, die ausgerechnet vom Staatsanwalt oder vom Großmufti privilegiert werden müssen, sind keine. Und Erinnerungen, die gewissermaßen mit dem Rohrstock eingebleut werden, verblassen am schnellsten, wie jeder Pennäler weiß. Vor allem aber: Erinnerungen, die nicht aufgehoben, sondern aktuell als Mythos exekutiert oder gar mittels Strafdrohungen erzwungen werden, stiften keinen Frieden. Das hat übrigens auch Susan Sontag in ihren Tagebüchern erörtert. Deren Lektüre (sie erscheinen auf deutsch bei Hanser in München) ist sehr zu empfehlen.

Erbarme dich!  Wer die Macht hat, kann Gnade üben: Menschen, die sich ausgeliefert sehen, wissen darum KARLHEINZ WEISSMANN

I

n unserer Welt kommt der Begriff „Gnade“ kaum noch vor. Mir ist nur ein einziger Fall erinnerlich, in dem jemand im persönlichen Gespräch unironisch von „Gnade“ gesprochen hat. Es handelte sich um eine Rußlanddeutsche, die in den 1980er  Jahren mit ihrer Familie in die Bundesrepublik übersiedelt war. Ihr Sohn, der in der Sowjetunion längst ein Studium begonnen hatte, mußte hier noch einmal die Schulbank drücken. Also saß er in meiner Klasse, ein junger Mann mit der Gestalt eines westfälischen Bauern, nicht unfreundlich, aber eigenartig fremd unter den Jüngeren, einer, dem das Reden nicht lag. Eines Tages kam die Mutter zum Sprechtag, um zu erklären, warum es dem Sohn so schwer fiel, sich auf die Forderungen moderner Pädagogik einzustellen. Nachdem sie geendet und ich Verständnis bekundet hatte, sagte sie: „Ich danke für Ihre Gnädigkeit.“ Das kam so überraschend, daß ich einen Moment brauchte, bis ich erwidern konnte, daß es nicht um „Gnädigkeit“ gehe, sondern darum, ihrem Sohn in der besonderen Lage, in der er war, zu helfen.  Aber sie beharrte auf dem Dank für die „Gnädigkeit“. Auch mein Hinweis, wie ungewöhnlich das Wort klinge, machte sie nicht irre. Aber sie ergänzte, es sei ihrer Familie nach der Deportation während der Stalinzeit nur ein einziges Buch in deutscher Sprache geblieben, eine zerlesene Bibel aus dem 19. Jahrhundert. Mit der habe sie selbst Deutsch gelernt und auch noch ihre Kinder. Menschen, die sich ausgeliefert sehen, wissen, was Gnade ist. Das Gefälle, das zwischen dem Mächtigen und dem Ohnmächtigen besteht, ist so groß, daß vom Ohnmächtigen kein Anspruch auf Einhaltung von Regeln erhoben werden kann. In der westlichen Welt sind bei aller bleibenden Bedeutung von Rang- und Klassenunterschieden derartige Gefälle seit langem abgebaut. Schon vor dem Ersten Weltkrieg beschränkte sich die Anrede als „gnädige Frau“ oder „gnädiger Herr“ wesentlich auf Lakaien oder die bäuerlichen Gegenden, in denen die großen Grundbesitzer tatsächlich noch das unumschränkte Sagen hatten. Aber selbst da war die neue Zeit mit unpersönlichen Institutionen und Rechten, die jedes Individuum gegenüber jedem Individuum hat, unaufhaltsam vorgedrungen. Der Gnade blieb nur ein Reservat, das Talent des „begnadeten“ Pianisten oder das Charisma – eigentlich die „Gnadengabe“ – des berufenen Führers, und selbstverständlich die Sphäre des Rechts. Solange Autorität nicht als solche in Frage gestellt war und Strafen von außerordentlicher Härte verhängt wurden und nicht nur der Galgen oder das Fallbeil drohte, sondern auch Gefängnis oder Zuchthaus alles andere als Resozialisierungseinrichtungen waren, gab es zuletzt die Hoffnung auf Begnadigung. Sei es, daß man die Haft erleichterte oder die Dauer verkürzte, die Hinrichtung erspart blieb oder wenigstens von einer unehrenhaften in eine ehrenhafte umge wandelt wurde. Nichts davon hatte mit dem saloppen Gerede zu tun, daß jeder eine zweite Chance verdiene. Alles hing mit der uralten Vorstellung zusammen, daß der, der die Macht hat, Gnade üben

kann, wenn er darum gebeten wird. Die Gnade. Christus selbst hatte in unge Wurzel des deutschen Wortes „Gnade“  wöhnlicher Weise von der Gnade Gotbedeutet im Grunde nichts anderes als tes gesprochen, die den Menschen, trotz „Hilfe erbitten“. seines Abfalls, ohne eigenes Verdienst Solches Bitten kann und muß, wenn geschenkt wird. Im Gleichnis von den es um Wichtiges geht, sogar zudring-  Arbeitern im Weinberg geht es darum lich sein. Der Handel, den Abraham mit (und nicht etwa um gleichen Lohn für Gott schließen will, damit alle) und auch schon um der Sodom verschont, hat das Unverständnis der MenDie Wurzel etwas Zudringliches. Dasschen, die diese Art der Zuselbe gilt für Priamos, König des deutschen  wendung verstimmt, weil von Troja, der die Knie des sie sich im allgemeinen wie Wortes„Gna Achilles fest umfängt, damit im besonderen Fall der Bede“ bedeutet der Held den geschändeten ziehung zu Gott auf ihre im Grunde Leichnam Hektors herausLeistung berufen möchten. gibt. Dasselbe gilt für die Man will seinen Anspruch nichts andeProskynese, jenes Niedergegen Gott aufrechterhalres als „Hilfe fallen des Untertanen vor ten. Schon deshalb, weil dem Imperator und den Ruf man sicher ist, daß er deerbitten“. „Kyrie eleison!“ – „Herr, ernen fehlt, die im Weinberg barme dich!“ des Herrn nicht die Last des Daß die Formel in die Liturgie der Tages getragen haben. Solcher GnadenGottesdienste aufgenommen wurde, ist losigkeit hält Christus das „Schaust du so eine Erinnerung daran, wie es eigent- scheel, weil ich so gütig bin?“ entgegen. lich mit dem Verhältnis des Gläubigen Eine Frage, die sich jeder selbst beantzu Christus aussieht: der ist der Herr,  worten mag. und das Wort ist mit dem ganzen GeDie Vorstellung von dem „Allein  wicht seiner ursprünglichen Bedeutung aus Gnade“ festzuhalten, ist in der Gegemeint. Aber es geht dabei auch um schichte des Christentums schwergefaldas besondere christliche Verständnis der len. Paulus hat es mit der scharfen Ent-

gegensetzung des jüdischen „Gesetzes“ als Heilsweg und des „Evangeliums“, der frohen Botschaft vom gnädigen Gott, versucht. Luther folgte ihm mit seiner Feststellung, daß der Mensch nur durch seinen Glauben, nicht durch die guten  Werke vor Gott gerechtfertigt dastehe. Ein Argument, dem von katholischer Seite massiv widersprochen wurde, weil man schon aus erzieherischen Gründen dem Menschen eine Mitwirkung am eigenen Heil zuweisen und der Kirche ihre Kontrollmöglichkeiten erhalten wollte. Es ist deshalb so eindrucksvoll, daß einer der bedeutendsten katholischen Denker neuerer Zeit, Georges Bernanos, in seinem Roman „Tagebuch eines Landpfarrers“ als zentrale Figur einen Priester wählt, dessen Leben ein einziges Scheitern ist. Er vermag nichts aus eigener Kraft. Schließlich kommt er auf den Tod erkrankt zu einem Freund. Es wird ein Geistlicher gerufen, der die Beichte abnehmen und die Sakramente spenden soll, wie es die Lehre der Kirche vorschreibt. Doch es ist schon zu spät. Der Sterbende bleibt aber ganz gefaßt, hält nur seinen Rosenkranz in Händen, beruhigt den Freund und sagt als letztes: „Alles ist Gnade.“

    E     G     A     M     E     E     L     /     I     R     O     D     A     D     N     O     M     /     O     G     A     M     I    :     O     T     O     F

Lorenzo Lotto, Dreifaltigkeit, um 1524: „Schaust du so scheel, weil ich so gütig bin?“

 Allen Stacheln zum Trotz  Aus der Wildnis gestohlen: In Amerika findet ein schwunghafter Kaktusschmuggel statt RICHARD STOLTZ

 W 

enn man der Presse trauen darf, leiden zur Zeit mehrere amerikanische Länder, vor allem die USA, unter einer ganz neuartigen Kriminalität: dem „Kaktusschmuggel“. Viele Kakteenarten, so ist zu lesen, stünden wegen des Treibens brutaler Diebe bereits vor dem Aussterben, so besonders der sogenannte Saguaro, ein – wie schon der lateinische Name carnegieagigantea  sagt – riesenhaftes Gewächs, das auch als Standard-Hintergrund vieler berühmter  Westernfilme gedient hat.  Außer seiner Größe und seiner wehrhaften Stach-

ligkeit zeichnen den Saguaro noch andere interessante Eigenarten aus, die jetzt leider ebenfalls zu seinem Verschwinden beitragen. Die ersten zehn Jahre seines Lebens mißt er nämlich gerade mal einen einzigen Zoll, und es dauert volle 75 Jahre, bis er seine berühmten Arme ausfährt. „Da Hausbesitzer“, lesen wir in der US-Zeitschrift Te Atlantic  in einem  Alarmbericht des engagierten Reporters J. Weston Phippen, „einen stattlichen Saguaro bereits in ihrem Vorgarten stehen haben wollen, bevor sie über 80  Jahre alt sind, stehlen Verbrecher sie aus der Wildnis.“  Was das Schicksal des Saguaros beispielhaft vorführt, steht mittlerweile offenbar stellvertretend für das Schicksal der gesamten Gattung. Es geht den

Kaktussen (oder muß man sagen „Kakteen“?) in freier Wildbahn schlecht, dafür um so besser bei privaten Liebhabern und Sammlern, weshalb dann also eine – vielfach ins Kriminelle verrutschte – Umpflanzung aus der öffentlichen Wüste ins private Gewächshaus stattfindet.  Wie heißt es in dem Kabarettsong „Mein kleiner grüner Kaktus“ (1934) der Comedian Harmonists? „Mein kleiner grüner Kaktus steht draußen am Balkon, / Was brauch’ ich rote Rosen, was brauch’ ich roten Mohn,/ Und wenn ein Bösewicht was Ungezog’nes spricht, / dann hol‘ ich meinen Kaktus und der sticht, sticht, sticht.“ Nun, vielleicht hat der Saguaro bisher einfach noch zuwenig gestochen.

14 | K U L T U R

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25.

Die staatliche Zensur tarnt sich

Historiker Winkler kritisiert Asylpolitik  LEIPZIG. Der Historiker Heinrich August Winkler (77) hat die deutsche Asyl- und Flüchtlingspolitik kritisiert. Eine „humanitäre Asylpolitik, die nachhaltig sein will“, müsse darauf achten, daß „die Bedingungen ihrer Möglichkeit auch morgen und übermorgen noch gesichert sind. Zu diesen Bedingungen gehört nicht nur die Beachtung der Grenzen der Aufnahme- und Integrationsfähigkeit, sondern auch der politische Rückhalt in der Bevölkerung“, sagte  Winkler vorige Woche in seiner Dankrede anläßlich der Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2016. Die mit 20.000 Euro dotierte Auszeichnung erhielt er für sein vierbändiges Werk „Geschichte des  Westens“. Eine „nachhaltige, ihrer möglichen innenpolitischen Folgen bewußte Asylpolitik“ müsse alles tun, so Winkler, „damit das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates erhalten bleibt“. Das im Grundgesetz verankerte Asylrecht sei insofern „ein Sonderweg, als fast alle anderen westlichen Demokratien das Asylrecht nicht als individuelles Grundrecht, sondern als ein vom Staat zu gewährendes Recht kennen“, sagte der Historiker. Er frage sich, ob es bei der Reform des Asylrechtsartikels 1993 nicht ehrlicher gewesen wäre, sich „zu dem Prinzip zu bekennen: Politisch Verfolgten gewährt die Bundesrepublik Deutschland nach Maßgabe ihrer Aufnahme- und Integrationsfähigkeit Asylrecht?“ In einem Gespräch mit dem ARDKulturmagazin „titel, thesen, temperamente“ fügte er noch hinzu: „Wir dürfen nicht mehr versprechen, als wir halten können. Kein einziges westliches Land kann auf seinem Territorium die Weltprobleme lösen.“ Die Leipziger Buchmesse verzeichnete dieses Jahr mit 260.000 Besuchern einen Rekordzuspruch. (tha)

Blasphemieparagraph soll gestrichen werden BERLIN. Der sogenannte „Blasphemieparagraph“, der die Beschimpfung von Religionsgemeinschaften unter Strafe stellt, sollte gestrichen werden. Das fordert die Kommission „Weltanschauungen, Religionsgemeinschaften und Staat“ der Partei Bündnis 90/ Die Grünen in ihrem Abschlußbericht. Dieser wurde am 17. März in Berlin vorgestellt und enthält Vorschläge für ein neues religionspolitisches Konzept der Partei. In einer demokratischen Gesellschaft sollte es „nicht im Interesse von Religionsgemeinschaften liegen, für geistige Auseinandersetzungen das Strafrecht zu bemühen“, heißt es zu der Forderung. (idea/JF)

Sprachpranger Future driven Werbespruch der in KölnPorz ansässigen Deutz AG, die Motoren für Fahrzeuge und Maschinen herstellt

 

März 2016

Dorn im Auge

Netzwerke der Macht: Private US-Firmen verstärken die politisch-ideologische Einhei tsfront Von Christian Dorn

lles „Merde“ und „Shit“ –  A  auch der neue Gehweg ändert nichts an der allgemeinen Befind-

THORSTEN HINZ

lichkeit. Auf den Hundehaufen am Wegrand stecken kleine französische oder britische Flaggen wie bei Petits fours, damit läßt sich die ganze Sch... immerhin sprachlich nobilitieren. So ist die anarchische Kunst im urbanen Raum wirklich auf den Hund gekommen, irgendwo zwischen Dada und Gaga.

 W 

as sind schon drei vergeigte Landtagswahlen gegen eine Übereinkunft mit FacebookChef Mark Zuckerberg, wird sich Angela Merkel denken. Wie recht sie damit hat, sieht man an Horst Seehofer, dem mächtigsten Ministerpräsidenten der Republik, der gegen ihre Politik der offenen Grenzen so verzweifelt wie vergeblich anrennt. Im Netzwerk der Macht besitzen die Landesparlamente und -regierungen – genauso wie die Parteigremien – nur noch geringe Bedeutung. Schwerer als das Gegrummel aus München, Stuttgart, Mainz oder Magdeburg wiegen beispielsweise die Regeln der sozialen Medien, die international agieren und bei jüngeren Nutzern längst die herkömmlichen Medien ersetzen. Im September 2015 hatte Merkel deshalb den Facebook-Gründer bei einem Essen am Rande der Uno-Vollversammlung gedrängt, in Deutschland sogenannte Haßkommentare, Hetze, rassistische oder fremdenfeindliche Äußerungen aus dem Netz zu verbannen. Überflüssig zu erläutern, daß es sich um  Allerweltsbegriffe und Entsprechungen zum berüchtigten Gummiparagraphen handelt. Die staatliche Zensur tarnt sich, indem sie sie an ein Privatunternehmen auslagert. Es ist das Ziel, politischen Meinungsäußerungen das Wort abzuschneiden und das Entstehen einer effektiven Gegenöffentlichkeit zu unterbinden. Zuckerberg erklärte sich dazu bereit.

 Als Popstar gefeiert, als Politstar hofiert Im Februar 2016 war er e inige Tage in Berlin, um den „Axel-Springer-Award“ des großen Pressehauses entgegenzunehmen. Er wurde halb als Popstar gefeiert, halb als Politstar hofiert. Auch Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments, stellte sich neben ihn ins Bild. Das für Staatsgäste obligatorische Durchschreiten des Brandenburger Tores absolvierte der 31jährige imagegemäß als Jogger. Die neugeschaffene Ehrung des Springer-Verlags wurde ihm zuteil, „ weil er mit Facebook das wichtigste Kommunikationsmittel einer neuen Generation geschaffen hat“ und sich intensiv mit der Frage auseinandersetze, wie „man mit dieser Macht verantwortungsvoll“ umgeht. Gleichzeitig wurde sein „fairer“ Umgang mit Verlegern und Kreativen gelobt. Springer setzt seit längerem ganz auf die Digitalisierung und kooperiert auch mit Facebook als neuem Vertriebskanal. „Millionen von Nutzern des Sozialen Netzwerks in Deutschland können künftig Bild.de-Angebote direkt in ihrem Facebook-‘News Feed‘ lesen“, heißt es in einer Pressemitteilung vom Mai 2015. Bild  gibt sich in Sachen Asyl, Islam und AfD kanzlernah bis zur Beleidigung des eigenen Publikums und versucht, der Kanzlerin den Rücken freizuhalten. Merkels Ehemann Joachim Sauer sitzt wiederum im siebenköpfigen Kuratorium der Friede-Springer-Stiftung. Zukkerberg hat die politisch-ideologische und wirtschaftliche Einheitsfront komplettiert und verstärkt, als er in Berlin erklärte. „Ich hoffe, daß mehr Länder dem Vorbild Deutschlands folgen. Ich hoffe, daß die USA dem Vorbild Deutschlands folgen.“ Die Rolle der deutschen Regie-

    A     P     D     /     E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) spricht mit Facebook-Gründer Mark Zuckerberg am 6. September 2015 am Rande einer UN-Veranstaltung in New York: Die Politik hat sich vom Demos freigemacht

rung in der Flüchtlingskrise sei eine Inspiration und „definitiv ein Modell für die Welt“. Facebook habe Flüchtlinge in Deutschland inzwischen zu den Gruppen von Menschen hinzugefügt, für die besonderer Schutz auf der Plattform gelte. Mit seiner Versicherung: „Für Haßrede gibt es keinen Platz bei Facebook und in unserer Community“, können die Kanzlerin und ihr Justizminister mehr als zufrieden sein. Zuckerberg ist weder Experte für internationale Politik noch kennt er sich in den Untiefen der deu tschen Paranoia aus. Für ihn stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergund. Der Großteil der Facebook-Umsätze in Europa fließt nach Irland an die Facebook Limited in Dublin, die deutsche Tochter firmiert als Dienstleister. Als professioneller Steuervermeider hat man Gründe, sich der Bundesregierung erkenntlich zu zeigen. Die großen Erwartungen, die sich mit dem Internet im allgemeinen und Unternehmen wie Facebook, Google,  Wikipedia, Amazon, Twitter, Youtube, Instagram im besonderen verbunden haben, sind deutlich geschrumpft. Was war nicht alles prophezeit worden: Ein neues Zeitalter der Emanzipation sollte beginnen, überholte Hierarchien gestürzt, Strukturen aufgebrochen, Machtverhältnisse neu geordnet werden. Rechts von der Mitte hoffte man, an Presse, Rundfunk und Fernsehen vorbei die eigene Stimme öffentlich vernehmbar machen und die Mauern der Politischen Korrektheit niederreißen zu können.  Anfangs schien die Hoffnung aufzugehen und die neuen Kanäle und Plattformen, die von US-Firmen betrieben wurden, sich als technische und neutrale Mittler zu betätigen. Doch je mehr sie sich zu international agierenden Konzernen und globalen Spielern entwickelten, gerieten sie ins Blickfeld der Politik und wurde die technische Innovation zum Vehikel wirtschaftlicher und politischer Interessen. Amazon nimmt heute ohne Begründung politisch mißliebige Bücher und Autoren aus dem Programm. Bei Wikipedia ist die herrschaftsfreie  Akkumulation von Wissen zum Ding der Unmöglichkeit geworden, seitdem es in weiten Teilen von anonymen, gut

organisierten und blitzschnell agierenden Säuberungskommandos kontrolliert wird. Google entscheidet durch seinen unter Verschluß gehaltenen Algorithmus über Relevanz und Reihenfolge der Informationen. Eine Sperrung bei Facebook kann die Ohnmacht verdoppeln, aus der aufmüpfige Nutzer sich eben befreit zu haben glaubten. Die Ausschluß- und Zensurdrohung richtet sich eindeutig gegen „Rechts“ und folgt den Intentionen staatlicher Stellen.

Der politische Gegner  wird zum absoluten Feind Die Freiheit durch das Netz war eine schöne, aber keine zufällige Illusion. Die technischen Innovationen gingen einher mit eorien über die Neuerfindung des Politischen, über die „reflexive“ oder „Zweite Moderne“ und die „Risikogesellschaft“. Ein Hauptvertreter war der 2015 verstorbene Soziologe Ulrich Beck. An die Stelle der Verteilungskämpfe, welche die „Erste Moderne“ der Industriegesellschaft kennzeichnete, sah er die Reflexion über ihre Schäden und Risiken – Umweltzerstörung, Gefahren der Technik usw. – treten . Weil niemand mehr den absoluten Wahrheitsanspruch erhebe, stattdessen die Möglichkeit des eigenen Irrtums mitdenke und dem Kritiker seine Berechtigung zubillige, würde die Politik ihre antagonistische Härte verlieren. Die Freund-Feind-Konstellationwürde durch den Dialog abgelöst werden und gesellschaftliche Kräfte verstärkt an den Entscheidungen teilhaben. Das Politische würde durch die Delegierung an das engagierte Individuum seinen Charakter verändern und zur „Subpolitik“, zur „Gesellschaftsgeschichte von unten“, werden. Das Internet war das dazu passende Medium. Neben der individualisierten prognostizierte Beck eine kosmopolitische Zukunft, in der internationale Kommunikation, Handel, Arbeitsteilung und Migration den Staat und die Gesellschaft von innen her globalisierten. Der politische Konflikt zwischen links und rechts würde zum Gegensatz zwischen Modernisten und Traditionalisten eingedampft werden.

Tatsächlich geht die Entscheidungsmacht von nationalen auf transnationale  Akteure über, um den Preis allerdings der fortschreitenden Entdemokratisierung. Statt der Emanzipation hat der einzelne nur die Wahl, sich dem Zweckrationalismus der Globalisierungsvorgaben zu unterwerfen oder seine Verdammung zur Unperson hinzunehmen. Der politische Konflikt ist mitnichten verschwunden, er hat sich sogar noch verschärft, weil er aus der Politik auf das Gebiet der Moral verlegt worden ist.  Wer aktuell in der Frage der Massenzuwanderung eine konträre politische Position vertritt, dem wird statt mit Argumenten mit der Behauptung begegnet, er verbreite „Haß“. Man unterstellt ihm damit moralische und intellektuelle Fehlfunktionen und ein quasi-kriminelles Handeln. Der politische Gegner wird in einen absoluten Feind verwandelt! Die großen sozialen Netzwerke verstehen sich als Träger der globalistischen Ideologie. Das erschließt sich auch aus der Videobotschaft, die Microsoft-Gründer Bill Gates an Zuckerberg und seine Frau nach Berlin sandte: „Mark, du und Priscilla, ihr bereitet den Weg für eine neue Generation von Menschenfreunden.“ Der Gegner muß logischerweise ein Menschenfeind oder gleich ein „hostis humani generis“, ein Feind der Menschheit, sein, gegen den jedes Mittel recht ist. So wendet sich das Medium gegen seine Nutzer, wenn sie vermeintlich falschen Meinungen anhängen. Die globalisierte Form der Machtausübung steht erst am Anfang. Man darf sie sich nicht als einen simplen, hierarchisch gesteuerten Prozeß vorstellen. Sie verläuft auch horizontal. Regierungen, internationale Organisationen, Denkfabriken, Banken, große Firmen, Pressekonzerne bilden Knoten innerhalb eines weitgespannten Netzwerks und senden je nach Größe und Bedeutung Impulse von unterschiedlicher Stärke aus. Stattgefunden hat eine Emanzipation der anderen Art: Die Politik hat sich vom Demos freigemacht. Die machtbewußte Kanzlerin weiß besser als ihre Kritiker, daß es nicht mehr auf ihn, sondern auf das Netzwerk ankommt.

Volk, Volker, AfD – der selbstkonstruierte Komparativ hilft noch immer über die neuesten Enttäuschungen hinweg. So kippte am  Wahlabend die Stimme des AfDSiegers in Sachsen-Anhalt, André Poggenburg, bei der pathetischen Verkündung, die „neue Volkspartei“ zu sein, unversehens in eine tümelnde Tonhöhe, als ginge nun auch mit ihm Im Leben der völkische bekommt Gaul durch. Das mag dem man immer  Augenblick ge- mal irgendschuldet gewesen wo eins „in sein, doch seine die Fresse“. neueste Äußerung führt mich dann doch zum Spitznamen André „Putinburg“. So wendet sich der AfD-Landeschef in der jüngsten FAS -Ausgabe gegen „Exzesse wie auf dem Christopher Street Day“, denn „daß Schwule halbnackt tanzten, dürfe nicht sein“, gibt ihn die Zeitung wieder.  Wie gut für Poggenburg, daß er nicht in Berlin lebt. Hier feiert die schwule Leder- und Fetischszene alljährlich zu Ostern ihr eigenes Fest zur Auferstehung des Fleisches. Öffentlicher Höhepunkt dürfte zweifellos am Ostersonntag die „Puppies Easter Walking Tour“ durch den Tiergarten sein, wo Herrchen und „Kerlchen“ zu Dogplay-Spielen im Park den Herrchen mit den wirklichen Hunden begegnen werden – Mensch und Tier endlich auf Augenhöhe. Zusammen mit den türkischen und osteuropäischen Gruppen, die hier am Wochenende picknicken, gibt das ein wirklich idyllisches Paradies auf Erden – bevor es dann wieder „auf die Fresse“ gibt, etwa am Kottbusser Tor.

Dort residiert auch der Musikclub „Monarch“ im ersten Stock eines Hauses, dessen Treppenflur bestialisch nach Urin und Fäkalien stinkt. Als im Club die neue Ausgabe des schwul-lesbischen Magazins Siegessäule   vorgestellt wird, warnt Chefredakteur Jan Noll davor, die Übergriffe auf sexuelle Minderheiten durch die „Flüchtlinge“ zum Gegenstand zu machen, da dies nur rassistische und xenophobe Stereotype befeuere. Es gehöre nun einmal dazu, daß man im Leben immer mal irgendwo „eins in die Fresse bekommt“. Als ich dies bei der Jubiläumsfeier von Beate Uhse TV einer Kollegin erzähle, die gerade an den Außengrenzen Europas Flüchtlinge versorgt hat, entgegnet sie tonlos: „Das ist ja die Kapitulation.“

Zeitschriftenkritik: Exit! 13

CD-Kritik: Robert Svärd

Die Geschäftsidee Europa scheitert

Schweden-Flamenco

JENS KNORR

ie weltweite Migrationsbewegung, als „FlüchtD lingskrise“ verniedlichtes Krisensymptom des warenproduzierenden Systems, hat dessen Kernländer

erreicht – und der waren- und wertkritische Begriff des „failed state“ d en BWL-Mainstream. Wenn nun Bundeskanzlerin Angela Merkel meint, allein in die große Welt hinein reisen zu müssen, um das Flüchtlingsproblem dort zu lösen, wo seine Ursachen liegen, dann verwechselt sie Erscheinung und Wesen,  Wirkung und Ursache. In Zeiten der Notstandsverwaltung dürften sich sowohl Rüstungs-Keynesianismus als auch Asylindustrie-Konjunktur als untaugliche Mittel erweisen, aus der abschmelzenden absoluten Mehrwertmasse auf Dauer nennenswert nationale Anteile he rauszuschinden. Wo die aus den realwirtschaftlichen Kreisläufen  Ausgeschlossenen außerhalb der Grenzen zu halten und innerhalb der Grenzen durch Bespaßung wie Repressionen bei der Stange zu halten bzw. jene durch diese bekriegen zu lassen sind, bieten allein Exekutive

und Mafia noch krisensichere Vollzeitstellen. Der Ausnahmezustand verschmilzt mit dem Normalzustand, die Gewaltenteilung existiert nur noch formal, das „Lager“ wird in verschiedensten Varianten von allen und für alle durchexerziert.  Anlaß genug für die Redaktion der unregelmäßig erscheinenden Zeitschrift Exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft , im aktuellen Heft zwei Abschnitte aus Robert Kurz’ Buch „Weltordnungskrieg“ aus dem  Jahre 2008 wieder abzudrucken: Gegen Carl Schmitt und mit Giorgio Agamben dechiffriert Kurz den Ausnahmezustand als Kern und äußerste Grenzposition der liberalen Demokratie. Eine kritische Revision von Kurz’ verkürzter und nicht ganz neidloser AgambenLektüre steht weiter aus. Mit „Landnahme“-Konzepten (Klaus Dörre, Silvia Federici), neuerdings in linken Debatten aufgekommen, setzt sich Roswitha Scholz auseinander. Entgegen den Annahmen dieser Konzepte lasse sich die gegenwärtige globale und nationale Krisenverwaltung nicht als Mobilisierung von Ressourcen und Arbeitskraft für eine erneuerte kapitalistische Akkumulation beschreiben, sondern im Gegenteil als beider Demo-

bilisierung. Leih- und Wanderarbeiter wie Flüchtling seien keine „neue Ausgabe“ des Proletariers, Arbeiters, sondern stillgelegtes „Humankapital“, das eben genau das nicht sei, sondern schlichtweg überflüssig. Daniel Cunha unterzieht den Begriff des „Anthropozäns“ einer Ideologiekritik – nicht ohne in  Anmerkungen und redaktionellem Nachsatz geschulmeistert zu werden. Gerd Bedszent schildert am Beispiel „Nigeria – vom Ölparadies zum zerbrechenden Staat“, einem „failed state“, der seine kapitalistische Modernisierung und Demokratisierung längst hinter sich hat, die Auflösungsszenarien in der Peripherie der Weltwirtschaft. Im Rezensionsteil rät Bedszent zu dem Buch des Stadtsoziologen Mike Davis „Planet der Slums“. Kontakt: Exit!

Krise und Kritik der Warengesellschaft“, hrsg. vom Verein für kritische Gesellschaftswissenschaftene.V., Horlemann-Verlag, Lindenallee 9, 16278 Angermünde. Das Heft kostet 13 Euro.  www.exit-online.org

SEBASTIAN HENNIG

er Schwede Robert „Robi“ Svärd D ist eigentlich Hausgitarrist an der Flamencoschule La Pantera in Göteborg.

Nach seinem Studium in Australien lebte er eine Weile in Sevilla, wo er sich wegen seiner selbstverständlichen Versiertheit hohes Ansehen erwarb. Als er ein Video ins Internet stellte, war darunter bald die Bemerkung zu lesen, wenn Svärd wolle, würde der Kommentator dazu singen. Dieser war Alfredo Tejada, der 1979 im andalusischen Málaga geborene derzeit berühmteste Flamenco-Sänger. Mit dem Perkussionisten Miguel „El Cheyenne“ Rodríguez Fernández, dem sevillanischen Bassisten Nani Conde und dem jordanischen Oud-Spieler  Ahmad Al Khatib versammelten sie sich zur Aufnahme von Svärds Debütalbum „Pa’ki pa’ka“ im legendären E studio De

Grabación Fernando Javier Romero in Granada. Das Ergebnis ist kein EthnoTrip in andalusischer Folklore geworden. Obgleich der Gitarrist die schwierigsten Figuren spielt, sticht er nicht hervor. Gerade weil er außerordentlich flink und virtuos ist, bleibt er ganz lässig. Er macht sich leicht und läßt sich immer wieder in den Grundrhythmus von Baß und Trommel zurückfallen. Ein subtiles Geflecht ist entstanden. Unsere Zivilisation ist weltweit ihrem Ursprung entrückt. Darum kann ein Schwede, der über Australien nach  Andalusien kommt, durch Bodenständigkeit auffallen. Robi Svärd

Pa‘ki pa‘ka Asphalt Tango Records 2016 www.asphalt  tango.de

KULTUR|

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25 . März 2016

DVD: Das Geheimnis

Der Graphiker  verdiente sehr gut

des Marcelino

Christus wird lebendig

 Ausstellung: Das Hessische Landesmuseum zeigt Holzschnitte und Kupferstiche Albrecht Dürers

Von Werner Olles

im 18. Jahrhundert: Als Spanien Säugling wurde Marcelino vor

 In vielen Bildern findet sich ver-

CLAUS�M. WOLFSCHLAG

steckte Symbolik, etwa bei einer Badehaus-Szene, in der sich Dürer mit den lbrecht Dürer (1471–1528) war vier menschlichen Temperamenten

 A 

ein Ausnahmekünstler an der Schwelle zwischen Mittelalter und Neuzeit. Wissenschaft und Alchemie, Glaubensmysterium und Studium der Natur verschwimmen bei diesem Michelangelo des Nordens zur einer spannungsreichen und in

die Moderne ausgreifenden Melange. Vor allem die Drucktechnik machte den als Sohn eines Goldschmieds

geborenen Nürnberger Graphiker berühmt, stellte er seine Drucke doch in für damalige Verhältnisse hohen Auflagen her und verkaufte sie erfolgreich auch außerhalb seiner Heimatstadt. In Darmstadt ist derzeit die graphische Dürer-Sammlung des späteren Großherzogs Ludwig I. von Hessen zu besichtigen, dessen Sammelleidenschaft

gelobte, so lange am Boden zu krie-

chen, bis Gott ihm vergebe.

Hinzu kamen erfundene, nicht eindeutigen Quellen zuzuordnende Szenerien wie beispielsweise „Das

Meerwunder“ von 1498, in dem eine leichtbeschürzte Frau von einem halbmenschlichen Seeungeheuer entführt wird. Heute würde man von „Fantasy“ sprechen. Dürer bildete die seinerzeit

mann. Dürers Fertigkeit wurde von seinen Zeitgenossen sehr geschätzt. Insofern entspricht der Kupferste-

cher keinesfalls dem Bild des „armen Künstlers“, das spätere Jahrhunderte prägen sollte. Modern war beispielsweise seine vom Geist der Renaissance beeinflußte Idee, 1498 mit der „Apokalypse“ als erster Künstler ein Buch selbständig zu gestalten und zu verlegen. Die Holzschnittfolge zu den

Visionen des Johannes paßte gut zum damaligen Zeitgeist, der für das Jahr der kontrastreichen Lichtabstufung 1500 den Weltuntergang erwartete. ermöglichte. Es ist ein Verdienst der 1513 wurde Dürer Nürnberger

erklären. Die gezeigten Bilder spiegeln sehr deutlich die Übergangszeit wider, in

Ehrenbürger. Kaiser Maximilian I. verschaffte ihm zahlreiche Aufträge

und bewilligte ihm ab 1515 eine jährliche Leibrente. Doch allein für ein

Porträt, das er Kardinal Albrecht von

die Dürers Schaffen fiel. Einerseits Brandenburg 1519 mit 200 Abzügen begegnen einem Bildreihen teils lieferte, bekam er ein Honorar von kleinformatiger Andachtsbilder zu 200 Goldgulden, was dem zweifachen biblischen Szenen, die Passion oder  Jahresgehalt entsprach, das der Künstdas Marienleben darstellend. Ande- ler vom Kaiser erhielt.

rerseits finden sich in Dürers Œuvre auch ausgesprochen modern wirkende Temen und Bildlösungen. Über

mehrere Lebensabschnitte beschäftigte er sich immer wieder mit dem

Landleben und den Unterschichten,

zeigte musizierende oder tanzende

Bauern in den rachten ihrer Zeit

Die Ausstellung „Albrecht Dürer“ ist bis zum 24. April im Hessischen Landesmuseum Darmstadt, Friedensplatz 1, täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, Sa./So. von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Der Katalog kostet im Museum 14,95 Euro. Telefon: 061 51 / 16 57 - 000  www.hlmd.de

gen. Als in dem Jungen schließlich der eindringliche Wunsch wächst, seine offenbar verstorbene Mutter wiederzusehen, hat das herzzerreißende Folgen … Mit „Das Geheimnis des Mar-

Hündin Lolabelle musiziert: Die groteske Abrichtung des erblindeten Tieres ist völlig ironiefrei

Ein Terrier spielt Keyboard

celino“ (Marcelino Pan y Vino,

1954) schuf der ungarische Regisseur Ladislao Vajda ein zu Herzen

Experimentelle Hundephilosophie: Laurie Andersons Film „Heart of a Dog“ Die Erzählerin wird in einem Traum

SEBASTIAN HENNIG

nach der Art Alfred Kubins per Kaiser-

wacht werden kann. Der Kamerafokus streicht von der Makroeinstellung des

blind werdenden Augapfels der Hündin in die monochrome Welt ihrer vermutliie Performance-Künstlerin und kommen die seltsame Wöchnerin. In die chen Wahrnehmung. Graphische Muster Musikerin Laurie Anderson be- Lebensgeschichte der Terrier-Hündin aus digitalen Chiffren und Telefonkabeln legte 1982 mit „O Superman“ Lolabelle werden autobiographische Er- laufen über die Leinwand. den zweiten Platz der englischen Single- innerungen verflochten. Das Gewebe ist  Als das Tier erblindet ist, wird es von Charts. Im Konzertfilm „Home of the Flickwerk aus Acht-Millimeter-Heimfil- einer Trainerin zur bildenden KünstleBrave“ von 1986 unterstreicht ein Back- men, Albumbildern, unscharfen Einstel- rin ausgebildet. Mit der Pfote kratzt die ground-Chor und eine Rhythmusgruppe lungen und hündischen Blickwinkeln. Hündin die Farbe auf und modelliert schnitt von einem Terrier entbunden. Gefühle von Freude und Schuld über-

ihr postmodernes Philosophieren. Da-

Der gelernte Goldschmied war

 Ausstellung, den Besuchern die verschiedenen Verfahren gründlich zu

sogar mit Brot und Wein versor-

D

aber auch ein erfolgreicher Geschäfts-

Groberen Holzschnitten stehen feine Kupferstiche und schließlich frühe Eisenradierungen gegenüber. Dabei entwickelte Dürer eine ausgefeilte Strichtechnik, die meisterhafte Lösungen in

    H     I     E     L     R     E     V     M     L     I     F     L     A     N     E     S     R     A    :     O     T     O     F

von vier scheinbar nicht in Beziehung zueinander stehenden Figuren umgeben, deren Gesichter von feinstrichig eingefangener Individualität geprägt

gewonnen hatte.

aus dieser Sammlung ausgestellt.

nicht tun: den Dachboden betreten. Als seine Neugier siegt und er dort ein großes Kruzifix entdeckt, geschieht das Wunder: Die Christusfigur erwacht für den Knaben zum Leben und läßt sich von ihm

Figuren („Der Verzweifelnde“) von 1515. Ein kauernder, mit Muskeln und Sehnen konturierter Mann ist

sind. Auch hier scheint der Einfluß des antiken Südens durch, den der Franke bei zwei langen Italienreisen

130 Blätter mit unterschiedlichen Drucktechniken der Dürer-Zeit sind

den Ordensbrüdern aufgezogen, sollte er jedoch vor allem eines

des Kriegswesens. Deren bekanntestes

Drucke in gut erhaltener Druckquali- auch unter dem Titel „ Ritter, Tod und tät erwerben, die sich zuvor im Besitz eufel“ bekannt wurde.  Ausges proc hen moder n wirkt des Pariser Kunstsammlers Pierre-Jean Mariette befunden hatten.  wiederum das Studienblatt mit fünf

Dürer, Das Meerwunder, um 1498: Fantasy

sters abgelegt. Fortan liebevoll von

bekannte siamesische Mißgeburt eines Schweins ebenso ab wie fliegende Hexen oder Momentaufnahmen

das dortige Hessische Landesmuse-  Werk dürfte der stolz in seiner Rüum erst gründete. Ab 1802 konnte stung auf dem Rücken seines Pferdes Ludwig zahlreiche originale Dürer- sitzende „Reiter“ von 1513 sein, der

    G     N     U     L     L     E     T     S     S     U     A    :     O     T     O     F

der Pforte eines Franziskanerklo-

beschäftigt. Teils absonderliche Geschichten verarbeitete der Künstler,

beispielsweise jene des heiligen Chrysostomus, eines Eremiten, der nach einem mißglückten Vertuschungsmord

15

Durch die Straßen von New York

mit erreichte sie gleichzeitig halbstarke spazieren wir in vierbeiniger PerspekFans und intellektuelle Kunstgenießer. Nahezu ein Popstar und zugleich per „Documenta“-Teilnahme als seriöse Künstlerin zertifiziert zu sein war eine äußerst komfortable Situation. Wenn

nämlich die Hits nicht in den Niederungen der Charts explodieren wollten, blieben ihr noch die Spielfelder der Hoch-

kultur, um sich bedeutungsvoll darauf

auszubreiten. Dreißig Jahre später ist die Party abgeklungen und der Hauptstrom erweiterter  Wahrnehmung wieder zum Rinnsal des artistischen Experiments zusammengeschrumpft.Auch Performance-Künstler können spießige Existenzen führen und zuweilen den Hund Gassi führen. In An-

ausbreitet und während die Polizeiboote hektisch über den Hudson rasen, zieht sich Anderson mit ihrer Hündin in die dersons neuem Film „Heart of a Dog“ kalifornischen Berge zurück. sind die Hauptfiguren die Rat Terrier Søren Kierkegaards Bemerkung, das Gatto, Archie und Lolabelle. Zur Seite Leben lasse sich nur rückwärts verstehen stehen ihnen Pudel Etta, Border errier und vorwärts leben, wird über den alLittle Will und Schäferhund Nitro. Zwi- les aufzeichnenden Überwachungsstaat schen all der zutraulichen Hündischkeit mit dem Hundeleben verbunden. Zur blitzen menschliche Gesichter nur kurz Verwendung für das Heimatschutzmieinmal auf. nisterium werden Hunde von Insassen In einem seiner „Venezianischen Epigramme“ stellte Goethe 1790 fest:

„Wundern kann es mich nicht, daß Menschen die Hunde so lieben, / Denn ein erbärmlicher Schuft ist, wie der Mensch, so der Hund.“ Ähnliche Beobachtungen bewegten den Misanthropen und Philosophen Arthur Schopenhauer dazu,

seinen Pudel „Mensch!“ zu rufen. Lau-

rie Andersons Film nun treibt die Ver-

menschlichung des Köters auf die Spitze. Es beginnt mit einer gezeichneten  Animation aus wilden Kreidestrichen.

der Haftanstalten trainiert. Die Devise der infolge des 11. September 2001

des wohltätigen Publikums überlagert die erzeugten Töne. Das Hundeleben endet beinahe auf der Intensivstation der Tierklinik. Doch die Großmutter

mahnt, die Hündin zu Hause verenden zu lassen. Der Film verästelt sich weiter über das Sterben eines Freundes, eine Schwimm-

badverletzung nebst folgendem Krankenhausmartyrium, Nahtoderlebnisse beim Einbrechen durch die Eisdecke, Geistererscheinungen und ein 49 Tage währendes Zwischenreich von Le-

ben und od. Wir erblicken Film- und

Fotoaufnahmen, abgefilmt durch matt

transparente, zerkratzte Flächen, die wie antike Fenster aus Alabaster wirken, oder durch nasse Glasscheiben, an denen unDoch die Hunde haben nur eine be- ablässig Regen herabrinnt. Dem gesamschränkte Farbwahrnehmung, den mo- ten Film ist eine grummelnde, röhrende nochromen Aufzeichnungen der Über- und dräuende Musik unterlegt. Darüber wachungskameras ganz ähnlich. Der gi- rezitiert die Regisseurin ihren ext. Ein gantische Neubau des Datenzentrums Experiment ist das zweifelsohne, wenn der NSA in der Wüste von Utah ist zu auch kein gelungenes. sehen, wo mit einer Kapazität von 420 MB pro Erdenbürger zum erstenmal der Kinostart: 24. März

gegründeten Homeland Security lautet „If you see something, say something“.

gesamte Datenverkehr der Welt über-

dene Palme in Cannes nominiert

 war. Die Geschichte des kleinen Marcelino, der die lebensgroße Christusfigur entdeckt, mit Jesus

spricht und ihm aus Mitleid Essen

bringt, ist handwerklich ein eher durchschnittlicher Film nach einer spanischen Legende. Er wird  jedoch sehr liebevoll erzählt und

von Vajda mit religiösem aktgefühl inszeniert.

eine Masse. Auch die Tasten des Key-

boards lernt sie unter Gekläff niederzutive. Das Tier kam infolge der Schei- drücken. Ein nervendes Rhythmusprodung von Herrchen und Frauchen ins gramm unterstützt die Darbietung. Die Heim. Ursprünglich wurde seine Ras- groteske Abrichtung ist völlig ironiefrei, se nicht zum Kuscheln gezüchtet. Der ganz anders als die Nummern der russiRatten-Terrier sollte die Farmer dabei schen Dressurclowns Durow und Popow. unterstützen, der Rattenplage auf ihrem Dressur gilt hier als engagierte Selbstver Anwesen Herr zu werden. Der niedli- wirklichung. Die blinde Lolabelle spielt che otbeißer wird zur Projektion aller am Bühnenrand auf dem Keyboard, wie denkbaren Daseinsfragen genutzt. Bei- Stevie Wonder oder Ray Charles, ein läufig kommt die Rede auf den Einsturz Benefizkonzert für Tierrechtsorganisader Zwillingstürme in der Heimatstadt tionen. Das Geplauder und Gelächter der Künstlerin und die Exekution von Osama bin Laden. Als sich der Staub von der Trümmerstätte über die Stadt

gehendes Filmdrama, das neben dem Gewinn des Silbernen Bären in Berlin auch für die Gol-

www.heartofadogfilm.com

DVD/Blu-ray: Das Geheimnis des Marcelino. Koch Media 2016, Laufzeit etwa 85 Minuten

In einer Rückblende durch einen Mönch, der die Geschichte einem sterbenden Mädchen erzählt, basiert der Film auf einer

Romanvorlage des spanischen Autors José María Sánchez Silva, der gemeinsam mit Regisseur Vajda das Drehbuch schrieb. Der Film

lebt in erster Linie vom Spiel seiner Hauptdarsteller: Pablito Calvo als Marcelino, Rafael Rivelles als Prior des Klosters sowie Fernando Rey

als erzählender Mönch.

Doch auch das Spirituelle kommt nicht zu kurz. Es ist ein

sehr ehrfürchtiger Moment, als die Christusfigur für Marcelino lebendig wird, und als Jesus von dem

 Jungen Brot und Wein annimmt, ist dies eine deutliche Anspielung auf die eucharistischen Gaben. Der Gekreuzigte unterweist den Jungen in der christlichen Religion, doch vom Ende sei nur soviel verraten: In der Kapelle des Klosters findet Marcelino schließlich seine Ruhestätte, und viele Pilger kommen

von nah und fern, um des Wunders zu gedenken und zu beten.  Aufwendig restauriert, ist „Das Geheimnis des Marcelino“ ein Erwachsene und Kinder gleichermaßen berührender Filmklassiker.

TERMINE ALKERSUM/FÖHR

Bis 11.09.2016: Max Liebermann und Zeitgenossen. Neue Werke in der Sammlung. Ausstellung im Museum Kunst der Westküste, Hauptstraße 1. Täglich außer montags 10 bis 17 Uhr. Info: 046 81 / 747 40 - 0, www.mkdw.de BADEN�BADEN

Bis 29.05.2016: Gerhard Richter. Birkenau. Ausstellung im Museum Frieder Burda, Lichtentaler Allee 8 b. Täglich außer montags 10 bis 10 Uhr. Info: 072 21 / 398 98 - 0, www.museum-frieder-burda.de BERLIN

Bis 28.03.2016: Ich. Menzel. Ausstellung im Märkischen Museum, Am Köllnischen Park 5. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr. Info: 030 / 24 00 21 62, www.stadtmuseum.de Bis03.04.2016:Elizabeth Taylor – „Grit and Glamour“. Foto-Ausstellung in der Deutschen Kinemathek, Potsdamer Straße 2. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr. Info: 030 / 30 09 03 - 0, www.deutsche-kinemathek.de Bis 03.04.2016: Zeitenwende – Von der Berliner Secession zur Novembergruppe.Ausstellungim Bröhan-Museum, Schloßstraße1a. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr. Info: 030 / 32 69 06 - 00, www.broehan-museum.de Bis 03.04.2016: Kunst aus dem Holocaust – 100 Werke aus der Gedenkstätte Yad Vashem. Ausstellung im Deutschen Historischen Museum, Unter den Linden 2. Täglich 10 bis 18 Uhr. Info: 030 / 203 04 - 0, www.dhm.de Bis 04.04.2016: Frauen der

Secession II. Ausstellung in der Liebermann-Villaam Wannsee, Colomierstraße 3. Täglich außer dienstags 11 bis 17 Uhr. Info: 030 / 805 85 90 - 0, www.liebermann-villa.de

Bis 17.04.2016: Erich Heckel – 120 Werke. Ausstellung im Museum Gunzenhauser, Falkeplatz. Täglich außer montags 11 bis 18 Uhr. Info: 03 71 / 488 70 24, www. kunstsammlungen-chemnitz.de

BONN

DARMSTADT

Bis 03.04.2016: Schamlos? Sexualmoral im Wandel. Ausstellung im Haus der Geschichte, Willy-BrandtAllee 14. Täglich außer montags 9 bis 19 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr. Info: 02 28 / 91 65 - 0, www.hdg.de

(Besprechung siehe oben auf dieser Seite)  aus dem Hessischen

Bis 17.04.2016: Unter Druck! Medien und Politik. Ausstellung im Haus der Geschichte, Museumsmeile,Willy-Brandt-Allee14. Täglich außer montags 9 bis 19 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr. Info: 02 28 / 91 65 - 0, www.hdg.de Bis 22.05.2016: Traum und Tristesse. Vom Leben in der Platte. Fotografien von Harald Kirschner. Ausstellung im Haus der Geschichte, Museumsmeile, Willy-Brandt-Allee 14. Täglich außer montags 9 bis 19 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr. Info: 02 28 / 91 65 - 0, www.hdg.de BREMEN

Bis 24.04.2016: Faszination Wale – Mensch. Wal. Pazifik. Ausstellung im Übersee-Museum, Bahnhofsplatz 13. Täglich außer montags 9 bis 18 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr. Info: 04 21 / 160 38 - 0, www.uebersee-museum.de CHEMNITZ

Bis 10.04.2016: Karl SchmidtRottluff. 490 Werke in den Kunstsammlungen Chemnitz, Theaterplatz 1. Täglich außer montags 11 bis 18 Uhr. Info: 03 71 / 488 44 24, www. kunstsammlungen-chemnitz.de

Bis 24.04.2016: Albrecht Dürer– Meisterwerke der Druckgraphik Landesmuseum, Friedensplatz 1. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, Sa./So. 11 bis 17 Uhr. Info: 061 51 / 16 57 - 000, www.hlmd.de Bis16.05.2016:Verborgene Schönheit. Ernst Haeckels Kunstformen der Natur. Ausstellung im Hessischen Landesmuseum, Friedensplatz 1. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 20 Uhr, Sa./So. 11 bis 17 Uhr. Info: 061 51 / 16 57 - 000, www.hlmd.de DRESDEN

Bis 03.07.2016: Fast Fashion. Die Schattenseite der Mode. Ausstellung (JF 53/15–1/16) im Deutschen Hygiene-Museum, Lingnerplatz 1. Täglich 10 bis 18 Uhr. Info: 03 51 / 48 46 - 400, www.dhmd.de FRANKFURT AM MAIN

Bis 12.06.2016: Joan Miró. Wandbilder,Weltenbilder.Ausstellung mit etwa 50 Werken in der Schirn-Kunsthalle, Römerberg. Täglich außer montags 10 bis 19 Uhr, Mi./Do. bis 22 Uhr. Info: 069 / 29 98 82 - 0 , www.schirn.de HAMBURG

Bis 10.04.2016: Stille Bauern und kernige Fischer? Norddeutschland in der Fotografie. Ausstellung im Altonaer Museum, Museumstraße

23. Täglich außer montags 10 bis 17 Uhr. Info: 040 / 42 81 35 35 82, www.altonaermuseum.de Bis 16.05.2016: Picasso. Fenster zur Welt. Ausstellung mit etwa 40 Arbeiten im Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2. Täglich 11 bis 19 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Info: 040 / 36 09 96 - 0, www.buceriuskunstforum.de Bis 30.10.2016: Hamburg in den zwanziger Jahren. Ansichten und Visionen. Ausstellung im Museum

für Kunst und Gewerbe, Steintorplatz. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, Do. bis 21 Uhr. Info: 040 / 42 81 34 - 880, www.mkg-hamburg.de HANNOVER

Bis 30.03.2016: Elly Beinhorn – Fliegeras und Powerfrau aus Hannover. Ausstellung im Luftfahrtmuseum Laatzen, Ulmer Str. 2. Täglich außer montags 10 bis 17 Uhr. Info: 05 11 / 879 17 91, www.luftfahrtmuseumhannover.de

HILDESHEIM

Bis 28.08.2016: Mumien der Welt. Ausstellung mit etwa 200 Exponaten im Roemer- und PelizaeusMuseum, Am Steine 1-2. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr. Info: 051 21 / 93 69 - 0, www.rpmuseum.de KARLSRUHE

Bis 03.10.2016: Cowboy & Indianer – Made in Germany. Ausstellung imBadischen Landesmuseum, Schloßbezirk 10. Täglich außer montags 10 bis 17 Uhr, Fr.–So.

    T     D     A     T     S     M     R     A     D     M     U     E     S     U     M     S     E     D     N     A     L     S     E     H     C     S     I     S     S     E     H    ©     /     K     E     N     N     A     M     R     H

    U     F     G     N     A     G     F     L     O     W    :     O     T     O     F

Discomedusae – Scheibenquallen, Arachnida – Spinnentiere:

Ausstellung „Verborgene Schönheit. Ernst Haeckels Kunstformen der Natur“ im Hessischen Landesmuseum in Darmstadt (bis 16. Mai)

bis 18 Uhr. Info: 07 21 / 926 - 65 14, www.landesmuseum.de LEIPZIG

ren D5. Täglich außer montags 11 bis 18 Uhr. Info: 06 21 / 293 31 50, www.rem-mannheim.de

Bis 17.04.2016: Immer bunter. Einwanderungsland Deutschland. Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum, Grimmaische Str. 6. Täglich außer montags 9 bis 18 Uhr, Sa./So. ab 10 Uhr. Info: 03 41 / 22 20 - 0, www.hdg.de/leipzig/

Bis 30.07.2016: Ägypten – Land der Unsterblichkeit. Ausstellung mit etwa 500 Exponaten in den Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Weltkulturen D5. Täglich außer montags 11 bis 18 Uhr. Info: 06 21 / 293 31 50, www.rem-mannheim.de

Bis 29.05.2016: Leipzig in Schwarz – 25 Jahre Wave-Gotik-Treffen. Ausstellung des Stadtgeschichtlichen Museums im Haus Böttchergäßchen, Böttchergäßchen 3. Täglich außer montags 9 bis 18 Uhr. Info: 03 41 / 96 51 30, www. stadtgeschichtliches-museumleipzig.de

Bis 03.07.2016: Joaquín Sorolla. Spaniens Meister des Lichts. Ausstellung in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, Theatinerstraße 8. Täglich 10 bis 20 Uhr. Info: 089 / 22 44 12, www. kunsthalle-muc.de

LÜNEBURG

Bis 29.05.2016: Wolfskinder – Verlassen zwischen Ostpreußen und Litauen. Ausstellung im OstpreußischenLandesmuseum, Neubau, Heiligengeiststraße 38. Täglich außer montags 12 bis 17 Uhr. Info: 041 31 / 759 95 - 0, www.ostpreussisches-landesmuseum.de MAGDEBURG

Bis 29.04.2016: Stasi im Westen. Der einstige DDR-Staatssicherheitsdienst in Niedersachsen und anderen alten Bundesländern. Ausstellung in der BStU-Außenstelle, Georg-KaiserStraße 7. Mo-Fr. 8 bis 18 Uhr. Info: 03 91 / 62 71 - 0, www.bstu. bund.de MANNHEIM

Bis 24.04.2016: Die Duckomenta. Weltgeschichte neu ENTdeckt. Ausstellung in den Reiss-Engelhorn-Museen, Museum Weltkultu-

MÜNCHEN

NÜRNBERG

Bis 22.05.2016: Zwischen Venus und Luther. Cranachs Medien der Verführung. Ausstellung mit 60 Werken im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr. Info: 09 11 / 13 31 - 0, www.gnm.de RATZEBURG

Bis 01.08.2016: A. Paul Weber: Glasgemälde und Glasgemäldeentwürfe. Ausstellung im A. Paul Weber-Museum, Domhof 5. Täglich außer montags 10 bis 13 Uhr und 14 bis 17 Uhr. Info: 045 41 / 86 07 20, www.webermuseum.de SPEYER

Bis 31.07.2016: Detektive, Agenten & Spione. Ausstellung im Historischen Museum der Pfalz, Domplatz. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr. Info: 062 32 / 62 02 22, www.museum.speyer.de

ULM

Bis 03.07.2016: Glaubensfragen. Chatrooms auf dem Weg in die Neuzeit. Ausstellung im Ulmer Museum, Marktplatz 9. Täglich außer montags 11 bis 17 Uhr, Do. bis 20 Uhr. Info: 07 31 / 161 43 - 30, www.ulm.de VÖLKLINGEN

Bis 03.04.2016: Schädel – Ikone. Mythos. Kult. Ausstellung im Weltkulturerbe Völklinger Hütte, Rathausstraße75-79. Täglich von 10 bis 19 Uhr. Info: 068 98 / 91 00 - 100, www.voelklinger-huette.org WARENDORF

Bis 28.03.2016: Backsteinarchitektur im Ostseeraum – Neue Perspektiven der Forschung. Ausstellungim Westpreußischen Landesmuseum, Klosterstraße 21. Täglich außer montags 10 bis 18 Uhr. Info: 025 81 / 927 77 - 0, http://westpreussischeslandesmuseum.de WIEN

Bis 26.06.2016: Chagall bis Malewitsch – Die russischen Avantgarden. Ausstellung in der Albertina, Albertinaplatz 1. Täglich 10 bis 18 Uhr, Mi. bis 21 Uhr. Info: 00 42 / 1 / 534 83 - 0, www.albertina.at *** Alle Angaben ohne Gewähr! Fehlt hier Ihr Veranstaltungshinweis? Ankündigungen schicken Sie bitte per Fax (030 / 86 49 53 14), E-Mail (redaktion@jungefreiheit. de) oder Brief (Hohenzollerndamm 27 a, 10713 Berlin) an die JF-Terminstelle.

16 | K U L T U R

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25. März 2016

Luther-Schriften sind  Weltdokumentenerbe BERLIN. Die Unesco hat 14 Manuskripte, Briefe und Originaldrucke des Wittenberger Reformators Martin Luther (1483– 1546) in ihre Liste des Weltdokumentenerbes „Memory of the  World“ aufgenommen. Darunter befindet sich auch einer der wenigen erhaltenen Plakatdrucke seiner berühmt gewordenen 95 Tesen, die Luther der Überlieferung nach am 31. Oktober 1517 an das Portal der Schloßkirche zu Wittenberg geschlagen haben soll. „Mit Blick auf das Reformationsjubiläum im nächsten Jahr bekommt diese Würdigung durch die Unesco besonderes Gewicht“, erklärteBundesbildungsministerin  Johanna Wanka vorige Woche. Die wertvollen Originale der Lutherexte bleiben in Archiven und Bibliotheken in Berlin, Dessau, Dresden, Gotha, Heidelberg, Jena,  Weimar, Wittenberg, Wolfenbüttel und Worms aufbewahrt. (tha)

Der erfüllte Augenblick bleibt unvergänglich

Das Ende der Demokratie

Literatur: Zur Erinnerung an die vor 75 Jahren verstorbene englische Schriftstellerin Virginia Woolf 

Zur Debatte um die Zukunft der Volksherrschaft

wird. Gerade die Behandlung des Zeiterlebnisses zeigt Virginia Woolf auf dem Höhepunkt der europäischen Bewußtseinskunst. 1997 wurde der Roman mit Vanessa Redgrave in der Hauptrolle verfilmt. Regie führte die niederländische Regisseurin Marleen Gorris. Virtuos gehandhabte Bewußtseinsstromtechnik kennzeichnet auch Virginia Woolfs späteren Romane „o the Lighthouse“ (1927) und vor allem „Te  Waves“ (1931). Ihr reges Interesse an Geschichte schlug sich auf kapriziöse Weise in „Orlando“ (1928) nieder, einem der ungewöhnlichsten historischen Romane überhaupt. In dieser phantastischen Biographie spaziert der Protagonist, der zunächst in der elisabethanischen Zeit als  junger Adliger auftritt und sich im Zeitalter Karls II. in eine Frau verwandelt, durch die verschiedenen Epochen der englischen Geschichte. Virginia Woolfs durchgängiges Anliegen der Bestimmung personaler Identität verbindet sich in dieser elegant dahingetupften, aber bildungsgesättigten Erzählung mit dem sie ebenfalls beschäftigenden Tema weiblicher Emanzipation. Orlandos androgyne Veranlagung ermöglicht es der Autorin, die Geschlechterrollen selbstbewußt durchzuspielen, wobei die Grenzen zwischen männlicher und weiblicher Persönlichkeitsstruktur fließend sind.

HEINZ�JOACHIM MÜLLENBROCK 

 V 

Schwangerenberatung: Nachfrage steigt HEIDELBERG. Die überkonfessionelle Lebensschutz-Initiative „1000plus“ hat noch nie so viele Frauen in Schwangerschaftskonflikten beraten wie 2015. Das bestätigte ihre Pressesprecherin Paula von Ketteler auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Von den 2.439 beratenen Frauen standen rund 85 Prozent vor der Frage „Abtreibung ja oder nein“. 637 Schwangere teilten der Initiative nach Abschluß der Beratung ihre Entscheidung mit: 61 Prozent haben sich laut von Ketteler für ein Leben mit ihrem Baby entschieden, 39 Prozent für eine  Abtreibung. Als häufigsten Grund für einen Schwangerschaftskonflikt gaben die Frauen Probleme in der Partnerschaft an (39 Prozent). Sie nannten ferner biographische Motive (29 Prozent), die  Angst vor Überf orderung (zehn Prozent), medizinische Ursachen (neun Prozent) oder materielle Sorgen (vier Prozent). Die Lebensschutz-Initiative mußte aufgrund der gestiegenen Nachfrage im Februar ihre Beratungsanzeigen im Internet abschalten. Über die Suchmaschine Google seien zu viele Frauen auf die Internetseite gelangt und hätten telefonisch um Hilfe gebeten. „Wir hätten mit unseren damals 17 Beraterinnen den  Ansturm sonst nicht mehr bewältigen können.“ Mittlerweile habe die Initiative zwei weitere Beraterinnen eingestellt. Von Ketteler nannte auch die aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik. Danach seien Abtreibungen im vergangenen Jahr um 0,5 Prozent auf 99.237 zurückgegangen: „Es ist und bleibt eine unvorstellbar große, traurige Zahl von Frauen, die in ihrer verzweifelten Situation keinen anderen Ausweg gesehen haben als eine Abtreibung.“ Die  Aktion „1000plus“ hat von 2009 bis heute nach eigenen Angaben über 10.000 Frauen beraten. räger ist die Beratungs- und Hilfsorganisation „Pro Femina“. (idea/JF) www.1000plus.de

irginia Woolf wurde am 25. Januar 1882 als ochter des bedeutenden Literaten Leslie Stephen, des Herausgebers des „Dictionary of National Biography“, in eine wohlhabende Familie der oberen Mittelklasse geboren. rotz der Intellektualität des Vaters wurde das Leben der Stephens von den patriarchalischen Geschlechterrollen des Viktorianismus beherrscht, denen gegenüber Virginia Woolf früh eine abwehrende Haltung einnahm. Ihren Drang nach geistiger Unabhängigkeit konnte sie seit 1905 in Bloomsbury verwirklichen, wo sie zusammen mit ihrem Mann Leonard Woolf 1917 die Hogarth Press gründete, einen Alternativverlag für modernistische Literatur, in dem ihre Werke bis heute in preiswerten Ausgaben erscheinen. Ihr Heim wurde Mittelpunkt der nach dem Londoner Stadtteil benannten Bloomsbury Group, eines freisinnigen Freundeskreises, zu dem neben anderen E. M. Forster, Lytton Strachey, Roger Fry, Clive Bell, Vita Sackville-West und John Maynard Keynes gehörten. Der Hausphilosoph dieses avantgardistischen Intellektuellenzirkels war G. E. Moore, der dessen Wertekanon formulierte. Insbesondere in seiner Schrift „Principia Ethica“ (1903) legte er dar, daß es nur zwei absolute Güter in der Welt gebe, die Freuden ästhetischen Genusses und die Freuden des persönlichen Umgangs mit anderen Menschen.

Die Tyrannei des Plots lehnte sie ab

Eine kultivierte Ikone des Feminismus

    O     G     A     M     I    :     O     T     O     F

Vanessa Redgrave in der Rolle der Clarissa Dalloway (1997):  Ihr Bewußtseinsprozeß ist der inneren Wirklichkeit gewidmet

 Wahrnehmu ngen andere r Personen Virginia Woolfs Romanwerk kann vermittelt werden. Es handelt sich um in vieler Hinsicht als Spiegel der Men- eine kaleidoskopische Abfolge von Autalität Bloomsburys betrachtet werden. genblickseindrücken, die unaufhörlich Ihre gegen die gängige Romanpraxis ge- fragmentarische Einblicke in die sorgrichtete Literaturauffassung drückte sie fältig, aber wie zufällig ausgeleuchtete unter anderem in ihrem Essay „Modern Persönlichkeit der Hauptfigur gewähren. Fiction“ (1919) aus, in dem sie sich geIm Vergleich zu dem assoziativgen die von ihr als Materialisten etiket- sprunghaften Vorgehen des Autor-Ertierten Romanciers H. G. Wells, Arnold zählers von „Jacob’s Room“ mutet „Mrs. Bennett und John Galsworthy wandte, Dalloway“ (1925) weniger revolutionär die nach ihrer Auffassung nur die mate- an. Dieser populärste Roman Virginia rielle Oberfläche der Wirklichkeit wie-  Woolfs stellt das gepflegtere Pendant zu dergäben. Insbesondere lehnte sie die  Joyces „Ulysses“ (1922) dar. Ähnlich wie yrannei des Plots ab, der dieser weist „Mrs. Dalloway“ mit seiner streng kausalen mit der Konzentration auf  Anordnung der einz elnen einen Junitag des Jahres Handlungsteile bereits eine 1923 in London eine geraVerfälschung der Realität dezu klassische raum-zeitlibedeute. Sich der Zwangsche Beschränkung auf. Im Unterschied zu Joyces rein  jacke des Plot zu entledigen wurde zum Leitfaden ihrer naturalistischer, den inneErzählkunst. ren Monolog ungefiltert reVirginia Woolf, die den produzierender Erzählweise führt Virginia Woolf, die Materialisten den Spirituasich gern der erlebten Rede listen James Joyce entgegenstellte, erhob die program- Virginia Woolf bedient, jedoch Mrs. Dallomatische Forderung, die (1882–1941) ways Gedanken- und GeUnzahl von Impressionen fühlsbewegungen in einer aufzuzeichnen, die sich mit wechseln- korrekten, stilistisch gezügelten Sprache der Intensität in das Bewußtsein eines vor, die ihrem gesellschaftlichen Umfeld  jeden Menschen drängen. Der Darstel- entspricht. In der Radikalität ihres Erkenntlung von Bewußtseinszuständen als der letzten Realität des Lebens widmete sie nisansatzes steht sie Joyce aber keinesihr Romanschaffen. wegs nach. Die ohnehin triviale HandIhr erstes markantes Romanexpe- lung eines üblichen Alltagsverlaufs wird riment war „Jacob’s Room“ (1922), fast ausschließlich im Bewußtsein Mrs. die Biographie eines jungen Mannes, Dalloways und der Personen ihrer Umdessen Wesensart und Lebensumstän- gebung gespiegelt. Dennoch bleibt die de hauptsächlich durch die flüchtigen opographie Londons stets gegenwärtig.

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Clarissa Dalloway, diese kultivierte Vertreterin des oberen Bürgertums, welcher der psychisch labile, lebensuntüchtige und Selbstmord verübende Septimus Warren Smith – Woolfs biographisches Alter ego – in der Nebenhandlung kontrastiv beigesellt ist, gibt sich ganz der Entfaltung ihres individuellen Bewußtseins inmitten eines fließenden Lebensrhythmus hin – das den Roman beherrschende Symbol der  Welle taucht bereits auf der ersten Seite auf. Diese Vergewisserung ihres Selbst als der eigentlichen Realität des Daseins mündet immer wieder in die oft von äußeren Sinneseindrücken ausgelöste Vergegenwärtigung der Vergangenheit ein.

Erinnerungen an das Gewesene sammeln Die den agesablauf begleitenden Glockenschläge von Big Ben – der Roman sollte ursprünglich „Te Hours“ heißen – stimmen das Tema der Zeit und damit der Vergänglichkeit an, der sich die schon alternde Hauptfigur stellt. In dem Gleiten zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vollzieht sich ihr der inneren Wirklichkeit gewidmeter Bewußtseinsprozeß. Gemäß der an Henri Bergson und Marcel Proust angelehnten Zeitauffassung der Autorin, die eine Aufgabe der herkömmlichen Chronologie bedingt, setzt Mrs. Dalloway dem Verrinnen der Zeit das Gefühl der Dauer entgegen, welches der erfüllte  Augenblick ermöglicht, durch den sie der Unvergänglichkeit des Gewesenen im Sammeln der Erinnerungen bewußt

Virginia Woolf, die in ihren sozialkritischen Essays „A Room of One’s Own“ (1929) und „Tree Guineas“ (1938) die mangelnden Bildungschancen für Frauen beklagte, ist auch eine Ikone des Feminismus. Allerdings hebt sich die disziplinierte Kultiviertheit dieser Repräsentantin Bloomsburys wohltuend ab von dem martialischen Gepolter und zelotischen Eifer späterer, ästhetisch meist unbedarfter Feministinnen. Mit „Between the Acts“ (1941), ihrem zweiten historischen Roman, verabschiedete sich Virginia Woolf buchstäblich von der literarischen Szene. Schauplatz dieses an einem Junitag des Jahres 1939 spielenden Romans ist ein traditionelles Dorffest, dessen Höhepunkt die Aufführung eines Bilderbogens der englischen Geschichte bildet. Die zeitgeschichtliche Sensibilität der Autorin bekundet sich in den mehr angedeuteten als explizit geäußerten Zweifeln, ob die durch gemeinsame Sprache und Literatur gestiftete nationale Kontinuität, die sie zerstörerischen endenzen entgegenstellen möchte, von Dauer sein werde. Geschichte wird als ein von polaren Spannungen wie Fortschritt und Dekadenz beherrschtes Konfliktfeld begriffen, das in der ominöse Vorzeichen aufweisenden Gegenwart, deren Zivilisation brüchig geworden ist, einer ungewissen Zukunft harrt. Noch bevor „Between the Acts“ erschien, hatte sich Virginia Woolf dem von ihr vorausgeahnten und sie bedrükkenden Unheil Europas durch ihren Freitod am 28. März 1941 entzogen. Prof. Dr. Heinz-Joachim Müllenbrock

ist emeritierter Ordinarius für Anglistik an der Georg-August-Universität Göttingen. In der JUNGEN FREIHEIT  schrieb er zuletzt über H. G. Wells (JF 3/16).

FELIX DIRSCH

ie Zukunft der Demokratie ist D nicht gesichert. Der Eintritt in das Zeitalter der Globalisierung

bringt die Schleifung der Bastionen dieser Staatsform. Demokratie lebt traditionell vom nationalen Raum und von nationalen Repräsentanten. Mit der internationalen Digital-Kommunikation und der wirtschaftlichen Globalität sinkt die Bedeutung relativ überschaubarer erritorien unablässig. Formell fügen die genannten Veränderungen den demokratischen Einrichtungen keinen Schaden zu. Faktisch jedoch sind sie schon seit geraumer Zeit ins postdemokratische Stadium eingetreten. Colin Crouch sieht in seinem Klassiker „Postdemokratie“ den Grund für die resignativen Stimmungslagen in der Dominanz neoliberaler Finanzeliten. Doch die Öde der Entpolitisierung läßt weitere Gründe erkennen, nicht zuletzt die Austauschbarkeit des politischenFührungspersonals und die Machtlosigkeit der nationalen Parlamente, deren Abgeordnete im Eiltempo das abnicken, was kleine Runden im Hinterzimmer vorher ausgekungelt haben.

Selbst Kritikern ist die Tragweite nicht bewußt In den letzten Jahren zeigt sich mehr und mehr, daß der wirtschaftliche und politische Aufstieg eines Staates nicht an demokratisch-rechtsstaatliche Strukturen geknüpft ist. In seinem Beitrag „Die neuen Despotien“ in der Zeitschrift  Merkur , der den Untertitel „Vorstellungen vom Ende der Demokratie“ trägt, machte der australische Politikwissenschaftler  John Keane deutlich, daß einige von ihm als „Despotien“ eingestufte Staaten, von China über Rußland bis zu Saudi-Arabien, einen ökonomischen wie politischen Frühling erleben. Sämtliche Regierungen dieser Länder berufen sich laut Keane auf das Volk, das umgarnt wird, faktisch jedoch ausgeschaltet ist. Die ultimative Diskussion über die Zukunft der Demokratie im nationalen Kontext steht noch aus. Eine klassische Richtung der Demokratietheorie, von Jean-Jacques Rousseau bis Carl Schmitt, nimmt an, daß Demokratie eine wenigstens relative Homogenität der Bevölkerung voraussetzt. Die zunehmende Multikulturalisierung durch den derzeitigen Immigrationsschub dürfte jedoch endenzen in Richtung eigener Repräsentationsorgane verstärken. Der ethnischen Fragmentierung wird bald die politische folgen. Daß dadurch das Ende der Demokratie, wie wir sie kennen, beschleunigt wird, ist wahrscheinlich. Selbst den meisten Kritikern der jüngsten Einwanderungswelle dürfte die ragweite der Umbrüche nicht bewußt sein.

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M E D I E N | 17

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25 . März 2016

„Das ist kein Reserveparlament“

Blick in die Medien

 Vorsicht beim Zitieren

Mehr als eine Lokalposse: In B remen darf die AfD nicht in den Rundfunkrat – noch ist das ein Ei nzelfall

Von Tobias Dahlbrügge

I

m Mai 2014 veröffentlichte der  Journalist Wolfgang Röhl auf dem  Autoren-Blog „Die Achse des Guten“ einen Beitrag über dramatische Kapitalverluste von Windparkanlegern. Röhl zitierte mehrmals einen Bericht der Süddeutschen Zeitung über finanzielle urbulenzen beim Cuxhavener Windparkentwickler „Umwelt Management AG“. (Uma  AG) Dessen Geschäftsführer, Uwe Leonhardt, hatte Röhl selbst auf einer Presseveranstaltung erlebt und seine persönlichen Eindrücke wenig schmeichelhaft formuliert. Der  Artikel mit der ironischen Überschrift „Wind of Change“ war eine  Abrechnung mit Pleiten und unseriösen Geschäftsmodellen im Bereich „verteuerbarer Energien“. Die Uma AG ließ die Betreiber der „Achse“ abmahnen. Sie verlangten erstens, Aussagen über Leonhardt zu unterlassen, und zweitens, angeblich falsche Aussagen aus dem SZ -Artikel nicht weiter zu zitieren. Die Süddeutsche Zeitung als Quelle wurde jedoch nicht angegangen. Im Berufungsverfahren belegte Röhl die Richtigkeit des „SZ“-Artikels – und gewann.

 Aber die vermeintlich leichtere Beute zeigte Zähne: Röhl drehte den Spieß um und erhob seinerseits Klage gegen das Vorgehen der Windparkfirma. Das Landgericht Berlin befand, Röhl als Journalist hätte die Aussagen der Süddeutschen Zeitung nicht ungeprüft übernehmen dürfen, sondern selbst „nachrecherchieren“ müssen. Ein Aufwand, der aberwitzig wäre! Zudem handelt es sich schließlich um ein sogenanntes „Qualitätsmedium“. Auch Röhls Hinweis, die Süddeutsche habe Passagen aus der taz kopiert, stimmte die Richter nicht um.  Absurd: Im Berufungsverfahren belegte Röhl tatsächlich mit vielen Fakten die Richtigkeit des SZ -Artikels – und gewann so den Prozeß. Interessant für die BloggerSzene: Auch Blogautoren haben eine „journalistische Sorgfaltspflicht“, vor allem, wenn sie einen journalistischen Hintergrund haben, denn dann können sie sich nicht auf das „Laienprivileg“ berufen. Für einen kleinen Blogger ist ein Prozeß um seine Darlegungspflicht natürlich wirtschaftlich ein hohes Risiko.

CHRISTIAN SEECK 

E

s sind genau 84 Wörter eines Satzes im Text des neuen RadioBremen-Gesetzes, die in Bremen

für Aufregung sorgen. Der Inhalt läßt sich allerdings schnell zusammenfassen: Künftig sind nur noch Parteien im

Rundfunkrat des kleinsten Bundeslan-

Urteil: Rundfunkgebühr ist verfassungsgemäß LEIPZIG. Das Bundesverwaltungsgericht hat den Rundfunkbeitrag für verfassungsgemäß erklärt und damit die Klage mehrerer Privatpersonen abgewiesen.  Auch wer keinen Fernseher und kein Radio besitze, müsse die 2013 eingeführte Haushaltsabgabe bezahlen, urteilten die Richter. Die alte Rundfunkgebührenordnung sah vor, daß Privatleute ohne Fernseher oder Radio von der monatlichen Gebühr befreit sind oder nur einen ermäßigten Satz entrichten müssen. Die Richter in Leipzig

des vertreten, die in Fraktionsstärke im

 wiesen die Revisionen der Kläger mit der Begründung zurück, daß

 AfD ist raus.

in Deutschland 100 Prozent der Haushalte ein TV-fähiges Gerät

Parlament sitzen. Und noch kürzer: Die

Laut dem vorher geltenden Gesetz hätte der Partei ein Sitz in dem Kontrollgremium zugestanden. Voraussetzung war ursprünglich, daß eine Partei bei den Wahlen zur Bremischen Bürgerschaft mehr als fünf Prozent der Stimmen erreicht haben mußte. Dies war der AfD im vergangenen Jahr mit 5,5 Prozent gelungen. Nun muß es also eine Fraktion sein. Die allerdings hat die

 AfD nach dem Übertritt von drei der vier Abgeordneten zur Alfa-Partei von Bernd Lucke nicht.

Die rot-grüne Mehrheit im Parlament will die Neuregelung nicht als „Lex AfD“ verstanden wissen. Vielmehr setze das Land damit ein Urteil des Bundesverfassunsgerichtes um, das die Einschränkung des Einflusses politischer Parteien

auf die Rundfunkräte fordert. Zudem solle eine „Zersplitterung“ des Gremiums verhindert werden. Den derzeitig einzigen AfD-Bürgerschaftsabgeordneten überzeugt das nicht. „Die AfD soll mit allen Mitteln kleingehalten werden“, sagte Alexander assis der ������ ��������. Auch das Argument, es gehe um  weniger politischen Einfluß, hält Tassis

für vorgeschoben. Nun würden dort alle möglichen Interessengruppen sitzen, die sowieso schon Grünen und SPD nahestehen, monierte der Abgeordnete.

 Wieviel Einfluß haben die Rundfunkräte? Tassis bedauerte, daß er seine politischen Gegner nun in den Diskussionen

nicht stellen könne. Gerade als homosexueller Migrant hätte er einiges sagen

können. Aber dazu wird es nun nicht

kommen. Neben Tassis stimmten auch CDU und Alfa gegen das Gesetz. FDP

und Linke enthielten sich. Die Union kritisierte jedoch eine andere Änderung.

hätten. (mv)  Kommentar Seite 2

Bestechung: Ex-NDR Journalist verurteilt KIEL. Das Landgericht Kiel hat in der vergangenen Woche den früheren NDR-Redakteur Gerd R. wegen Bestechlichkeit in 77 Fällen zu einer zweijährigen Be-

    A     P     D     /     E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

 währungsstrafe verurteilt. Zudem

müssen der 62jährige und seine Frau rund 160.000 Euro an die

Radio-Bremen-Mitarbeiter: Sender soll sich für die dauerhafte Integration von Asylbewerbern einsetzen

da keine falschen Vorstellungen machen. entfernt, ihre möglichen Kandidaten Der Rundfunkrat ist kein Reserveparla- durchsetzen zu können. von „Menschen mit Migrationshinter- ment.“ Rein politische Debatten seien  Also viel heiße Luft um nichts? In grund“ einzusetzen, wird dieser Passus eher selten. Meist gehe es um formelle Baden-Württemberg und Rheinlandnun auf Flüchtlinge ausgedehnt. Da- Dinge. Etwa die Wahl des Verwaltungs- Pfalz hat die AfD mit ihren Wahlerfolmit werde den Journalisten vorgegeben, rates des MDR oder die Absegnung des gen genug Rückenwind, um auf einen „was sie machen sollen“, heißt es aus der Budgets. „Der Rundfunkrat ist erst mal Sitz im SWR-Rundfunkrat zu pochen. CDU. Neu vertreten in dem 30köpfigen ein Aufsichtsgremium“, stellt Dietrich Drei Landtagsabgeordnete aus den beiGremium sind nun ein Vertreter der Ale- klar. Zudem können die Mitglieder den Ländern, die noch im Rundfunkrat viten, des Lesben- und Schwulenverban-  Anfragen an den öffentlich-rechtlichen sitzen, haben ihre Mandate nun verlodes sowie der Humanistischen Union. Sender stellen, die auch alle beantwor- ren. „Es ist s ehr wahrscheinlich, daß die Gibt es nun aber Bestrebungen, die tet werden. Trotz der oft überschätzten neuen Landtage – irgendwann nach ih AfD aus den Rundfunkräten heraus- Macht der Rundfunkräte kostet die Ar- rer Konstituierung – anhand der neuen zuhalten? Zumindest für den MDR beit viel Zeit. Bis zu vier Stunden dauert Kräfteverhältnisse über die Entsendung kann das ausgeschlossen werden. Dort eine der etwa zehn Sitzungen des Rates, neu entscheiden“, teilte der SWR auf sitzt seit Dezember 2015 der Türinger verrät Dietrich. Hinzu kommt die Arbeit  Anfrage der JF mit. Zudem könne jedes  AfD-Politiker Jens Dietrich im Rat. Ein in Unterausschüssen. Mitglied „bei Verlust der Mitgliedschaft Einen direkten Einfluß auf das Pro- in der entsendenden Organisation oder deutschlandweites Novum. Schlecht behandelt fühlt er sich nicht. Gegenüber gramm haben die Institutionen aller- aus wichtigem Grund von der entsender ������ �������� spricht der Che- dings nicht. So heißt es etwa in Bremen: denden Stelle praktisch jederzeit abbemiker von einem zivilisierten Umgang. „Eine Kontrolle einzelner Angebote rufen“ werden. Hier müssen die anderen Parteien, „Ich saß auf der ersten Sitzung zwischen vor ihrer Ausstrahlung oder Veröffentdem Vertreter des DGB und des Landes- lichung ist nicht zulässig.“ Inhaltlich die bereits in dem Gremium vertreten  jugendringes, da gab es kein Problem.“ steht das so in allen Gesetzen zu den sind, nun eine Entscheidung treffen. Die Es werde sich damit arrangiert, „daß die Rundfunkräten der öffentlich-rechtli- für sie schlechtgelaufene Debatte um  AfD kein kurzfristiges Phänomen ist“, chen Sender. Die wichtigste Aufgabe die Aus- und Einladung der AfD vor sagt Dietrich. Der Einfluß des Gremi- ist sicherlich die Wahl der Intendanten. den Landtagswahlen werden sie nicht ums sei zudem begrenzt. „Man darf sich  Aber auch hier ist die AfD weit davon vergessen haben. Hatte Radio Bremen bisher den Auftrag, sich für die nachhaltige Integration

Teufels Werk und Merkels Beitrag Pressefreiheit in der Türkei: Journalisten kritisieren das Schweigen der Kanzlerin

Landeskasse zahlen, berichten die Kieler Nachrichten. Der ehemalige  Journalist hatte bis zu seiner Kündigung im Jahr 2010 unangemel-

det als Medienberater gearbeitet und vorgetäuscht, er könne seinen Kunden Sendezeit verschaffen und ihre Temen in das NDRProgramm aufnehmen. Während des viertägigen Prozesses nahm die  Wirtschaftsstrafkammer sechs von zehn Firmen ins Visier, die dem geständigen 62jährigen in den Jahren 2005 bis 2010 insgesamt 366.000 Euro zukommen ließen. (ls)

Kinder von Oliver Kahn scheitern mit Klage STRASSBURG. Die Kinder des früheren Fußballprofis Oliver Kahn sind mit einer Klage gegen den Burda-Medienkonzern gescheitert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wies eine Beschwerde der Kinder zurück, das Verlagshaus habe durch die Veröffentlichung von Fotos in

den Jahren 2004 bis 2009 gegen ihre Persönlichkeitsrechte verstoßen. Insgesamt forderten sie 40.000 Euro. Da die Gesichter der Kinder nicht zu erkennen gewesen seien, sei nicht gegen die Rechte der Be-

schwerdeführer verstoßen worden, urteilte das Gericht. In Deutschland mußte Burda zuvor ein Buß-

geld von 55.000 Euro zahlen. (ho)

TV-Tip Montag, 28. März, 15.30 Uhr, BR Welt der Tiere – Die Wölfe kommen Offenbar erobert der Canis lupus auch die Alpen langsam zurück. Ist der Wol Risiko oder Chance für die Region?

Er fordert: „Die Bundeskanzlerin graphen auf Journalisten, Akademiker muß endlich öffentlich Stellung bezie- und Abgeordnete. „Zwischen Terrorihen zu den immer dreisteren Angriffen sten, die Waffen und Bomben tragen, rägt Bundeskanzlerin Angela Merkel der ürkei auf unabhängige Medien und und jenen, die ihre Position, ihren Stift eine Mitschuld an der zunehmen- kritische Journalisten.“ Bisher hat die oder ihren itel den erroristen zur Verden Drangsalierung der Presse in der Kanzlerin ihre Kritik an der ürkei eher fügung stellen, damit diese an ihr Ziel Türkei? Diesen Vorwurf zumindest ha- allgemein formuliert. Grund genug für gelangen, besteht überhaupt kein Unben die Reporter ohne Grenzen erhoben. klare Worte gibt es allerdings ohne Fra- terschied“, meint Erdoğan. HENNING HOFFGAARD

T

„Wer zu so schweren Verletzungen der

Pressefreiheit schweigt, leistet letztlich willkürlichen Prozessen gegen Journalisten und Zwangsmaßnahmen gegen kritische Medien Vorschub“, sagt Geschäftsführer Christian Mihr.

Pressefreiheit in dem Land hat in den

 Am 25. März beginnt nun der Pro-

vergangenen Wochen an Dynamik ge-

Scharia in Deutschland

Wenn die Gesetze des Islam das Recht brechen Islamunterricht an deutschen Schulen. Öffentliche Forderungen, auch i n Deutschland die Scharia einzuführen. Aufrufe zum Mord an Andersgläubigen. Die zum Christentum konvertierte islamkritische Aktivistin Sabatina James warnt vor den Folgen unserer besinnungslosen Toleranz.

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 Wie ernst es Ankara ist, zeigt auch die Verweigerung der Presseakkreditierung für den Spiegel -Journalisten Hasnain Kazim und seinen Welt -Kollegen Deniz  Yücel. Beiden wird von der türkischen

Regierungspresse vorgeworfen, die erzeß gegen den Chefredakteur der re- rorgruppe PKK zu unterstützen. Aus gierungskritischen Zeitung Cumhuri- Sicherheitsgründen zogen beide Zeiwonnen. Ganz offen fordert Staatspräsi-  yet , Can Dündar, sowie einen weiteren tungen ihre Reporter aus dem Land ab. dent Recep ayyip Erdoğan mittlerweile  Journalisten. Das Blatt hatte Indizien Genug Material für eine Verurteilung die Ausweitung des Terrorismus-Para- für eine mutmaßliche Beteiligung des durch Merkel gibt es also. ge. Die schleichende Ausschaltung der

Sabatina James

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türkischen Geheimdienstes an Waffenlieferungen an Islamisten in Syrien ver-

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FORUM

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25. März 2016

Ausschnitt aus dem „Marilyn Diptych“ (1962) von Andy Warhol als Zifferblatt einer Uhr: Durch den „American Way of Life“, die neue Zeit von Toleranz und Optimismus, schufen sich die Amerikaner hierzulande viele Freunde. Bis in die letzte Schulstube lehrte man, daß neben der „freien Entfaltung der Persönlichkeit“ alles Sonstige „relativ“ sei, weswegen absolut nichts und niemand für sich Autorität beanspruchen dürfe.

    A     I     D     E     M     I     O     T     O     F     /     O     G     A     M     I    :     O     T     O     F

Bundesrepublik und Kulturrevolution

Die Welt ohne Morgen Von Wolf Kalz Lonely Crowd“ dargestellter Konfor- zum Anarchonihilismus. Die folgende stanz des gesunden Menschenverstands Bonner Republik war mismus. Nichtsdestoweniger schufen „christlich-liberale Koalition“ fand die ad absurdum. Das System erweist sich noch aus der Kraft der sich die Amerikaner durch ihre leichte Liberalen wieder mit im Boot zu weiterer heute als des deutschen Bürgers entschieVolksgemeinschaft be- Lebensart hierzulande viele Freunde, „Liberalisierung“, das heißt Deregulie- denster Feind.

D

ie Aufbauphase der

stritten worden. Es  ja man konnte vermuten, diese Amis  war das di e Zeit, als hätten das Glück – the pursuit of happidie taktlos als „rümmerfrauen“ Be- ness  – erfunden, denn wo immer auf der nannten den Schutt der errorangriffe  Welt Coca Cola zu finden war, da war,

wegräumten, die Straßen für den Wie-

rung, Auflösung der Gesellschaft und der ihr Halt gebenden Institutionen.

Das war die Ära, in der sich ein Medium vom Schlage der  Zeit  zum Flaggschiff 

da ist ein Stück glücklichen Amerikas. liberaler Agitation auswuchs. Die Bundesrepublik gedieh unter solNichts sollte bleiben, wie es gewesen deraufbau pflasterten und als Notgemeinschaft aller Deutschen das „Wirt- cher Schutzmacht prächtig. Doch als am  war: Sämtliche Institutionen und die schaftswunder“ auf den Weg gebracht 9. November 1989 unter dem Stakkato als „Sekundärtugenden“ beargwöhnten „Wir sind das Volk!“ unversehens die deutschen Werte, sie alle wurden wie hatten. Doch je reicher das Gemeinwesen innerdeutsche Mauer fiel, da wurde das besessen „reformiert“, „liberalisiert“,  wurde, um so mehr machte es uns zu längst für verloren Gegebene zum Mene- „demokratisiert“, „dereguliert“ oder Zeugen der Implosion der Volksgemein- tekel einer vermeintlichen Wiedergeburt „privatisiert“ – ein Bildersturm, ja eischaft hin zu einer Gesellschaft von Indi- der Deutschen als Nation. Damit aber ne Kulturrevolution – angefangen beim viduen. (Wer von einer nicht nachweis- solches in dem gegebenen europäischen Staat über die Schulen und Universitäten baren „Völkergemeinschaft“ schwärmt, Umfeld keinesfalls geschehe, arbeitete bis hin zur Ehe. Ob eine Einrichtung dürfte am Singular der Volksgemein- Bonn mit seinen Wirtschaftsliberalen, funktionstüchtig war oder der Gemeinschaft schwerlich Anstoß nehmen.) Die einen machten fortan das „Ohne mich!“ zur Devise, andere erklärten frech – „Mein Bauch gehört mir“. Bis

in die letzte Schulstube lehrte man, daß neben der „freien Entfaltung der Per-

mit der „reuhand“ und allerlei War-

nern und Mahnern hoch effektiv dagegen und stürzte sich Hals über Kopf in den Sumpf „Europa“ mit dessen Entartungen auf allen Gebieten, und „alle“ heißt hier nicht manche, sondern

sönlichkeit“ alles Sonstige „relativ“ sei, buchstäblich alle. weswegen absolut nichts und niemand für sich Autorität beanspruchen dürfe. Ob eine Einrichtung Diese Haltung wurde für die Generation funktionstüchtig war der Achtundsechziger das Einfallstor zu deren praktiziertem Nihilismus. oder der Gemeinschaft  Was dann in den siebziger und achtförderlich, das sprach ziger Jahren die Öffentlichkeit ausmachte, wurde immer mehr zum Abziehbild nicht für deren Erhalt, einer von Amerika geprägten Democraim Gegenteil. Dazu

schaft förderlich, das sprach nicht für

deren Erhalt – im Gegenteil, das machte sie verdächtig. Dazu genügte, daß sie sich – privatwirtschaftlich betrachtet –

Auch die gesellschaftlichen Schranken, die früher zueinander Distanz halten ließen, wichen der Kumpelhaftigkeit, wie überhaupt der gesellschaftliche Rang eines Menschen dem Beil der Demokratisierung – alle Menschen sind gleich! – anheimfiel.

ein rüder Krieg aller gegen alle statt –

vordergründig auf den Straßen, in Parteien und Chefetagen, auf den Weltmärkten und auf den unüberschaubaren errains schier unausdenklicher Verbrechen; und das nicht nur inner-

halb der Nation, sondern von Land zu Land in der „Wertegemeinschaft“ und der „Weltgemeinschaft“ als unter an-

geblichen Freunden.  Wollte man sich eine Ahnung davon verschaffen, was des Bürgers Sicherheit in einer Welt war, die den Krieg noch als ehrliche ultima ratio regis  im Reper-

toire ihres Denkens und Handelns führte, und wo das Kriegsministerium noch Kriegsministerium hieß und

nicht zum „Verteidigungsministerium“ des gegenwärtigen Raubstaatensystems verkommen war, dann brauchte einer nur die ersten Sätze aus

Stefan Zweigs Autobiographie  Alles, was dem Bürger einst Hort sei- „Die Welt von Gestern“ zu leals nicht profitabel erwies, daß sie von ner Sicherheit gewesen war – sein Volk sen, und er erführe, was un„Opa“ her war oder daß ihr Existieren innerhalb seiner Grenzen, die Zuge- serer Zeit, die vor Moral und an Recht und Ordnung appellierte in hörigkeit zu einer geachteten Nation  Weltfriedensgesäusel trieft, an dem Maße, daß sich der gute Bürger und die Liebe zum Vaterland –, das fin- echter Sicherheit, die solchen det sich unter den Moralkeulen seiner Namen verdiente, fehlt: Dr. Wolf Kalz, Jahrauf sie verlassen konnte. Fortan führte die unter dem Tarnwort Schinder und Schänder in Neurosen „Alles in unserer fast tau- gang 1933, ist HistoReformierung veranstaltete Revolutio- bohrenden Zweifels wieder, und jed- sendjährigen österreichischen riker, Germanist, Ponierung sämtlicher Lebensverhältnisse  wede Zuversicht erdrosselt der opos

zum Grundgefühl allgemeiner Unbere- von der „deutschen Schuld“. Die Deutchenbarkeit, und die als Multikulturalität schen reagieren auf die offiziöse Verachpropagierte Invasion von Millionen aus tung alles dessen, was ihnen einst teuer aller Welt trug zu weiterer Verunsiche- gewesen, in sich selbstverwirklichender

Monarchie schien auf Dauer gegründet und der Staat

selbst der oberste Garant die-

litologe und Künstler. Von 1970 bis 1995 arbeitete er als Lehrer für Deutsch und Geschichte in Riedlingen an der Donau. Er verfaßte Zeitschriftenaufsätze sowie zahlreiche Bücher, darunter „Das entfesselte Gute“ (2012), „Jüngeriana“ (2013).

rung aller Verhältnisse ganz wesentlich

Individualisierung mit Zerstreuungs-

ser Beständigkeit (...). Alles Radikale, alles Gewaltsame schien bereits unmöglich in

Von „unseren Werten“ ist zwar viel Kitt zum Zusammenhalt der multirasdie Rede, doch präsentieren diese sich sischen Gesellschaft.

bei. Auch Regulatorien wie das Steuerwe- und Konsumidiotismus, dabei in stän- einem Zeitalter der Vernunft. sen wurden so unverständlich und unbe- diger Furcht vor ihrer „Freisetzung“ in Dieses Gefühl der Sicherheit rechenbar wie die Justiz, und die Urteils- die Arbeitslosigkeit.  war der anst rebenswerteste sprüche des einst hochgeachteten BunGleichgültigkeit herrscht gegenüber Besitz von Millionen, das gedesverfassungsgerichts (unter anderem den Vorgaben des Gemeinwohls. Das meinsame Lebensideal. Nur „Soldaten sind Mörder“!) lösten beim nicht zuletzt deshalb, weil die korrum- mit dieser Sicherheit galt das Bürger zunehmend Kopfschütteln aus. pierten „Eliten“ nurmehr miserable Bei- Leben als lebenswert (...). Es So hetzten die in der Verfassung ge- spiele abgeben, die entweder abschrek- war eine geordnete Welt mit nannten drei Gewalten den Bürger von ken oder zur Nachahmung verführen. klaren Schichtungen und gelassenen Reform zu Reform, stießen ihn von einer Und die Medien? Die schlagen mit der Übergängen, eine Welt ohne Hast.“ technischen Revolution in die nächste, von ihnen libertär interpretierten Mei Was Zweig nicht erkannte, war, daß

Mit diesem Way of Life   hatten die Deutschen schon in den „goldenen Zwanzigern“ Bekanntschaft gemacht,

stachelten ihn an zu jedweder Art von „Mobilität“ und ließen in frenetischer Neuerungswut in der ihm vertrauten

nungsfreiheit den akt dazu. Auch die

es gerade die von ihm auch gerühm-

chen der Kumpelhaftigkeit, wie überhaupt der gesellschaftliche Rang eines

Kritik zersetzten – den Neid und die Eifersucht der großen Mächte entzündeten und in notorischer Aufsässigkeit

cy . Dabei handelt es sich in ihrer US-

amerikanischen Variante nicht etwa um ein „demokratisches“ Regierungssystem, sondern primär um einen Lebensstil: den AmericanWay of Life . Der hat durchaus liebenswerte Seiten wie eine überschätzte oleranz, einen unerschöpflichen Optimismus, eine – wenn auch

undefinierte – Freiheit und den Passus

genügte, daß ihr Existieren an Recht und Ordnung appellierte dergestalt, daß man sich auf sie verlassen konnte.

des Social Behaviors  als dem saloppen

ausschließlich als Grenzüberschreitungen und abuzerstörungen als der er-

klärten Lieblingsbeschäftigung aller Lieinschließlich allerdings des Schwarzen beralen. In der politischen Praxis führte Freitags, der die Kehrseite des amerika- das zur „sozialliberalen Koalition“. Die nischen Systems offenlegte: Profitgier, sah ihren Zweck in der „Demokratisieexzessive Werbung, Konsumidiotismus rung“ aller Lebensverhältnisse mit Wirund ein von David Riesman in „Te kung der Entfesselung der Gesellschaft

Umwelt keinen Stein auf dem anderen. Mit anderen Worten: Die „rechtsstaatlichen“ Prozeduren der einst als Lebenshilfen für das Gemeinwesen gestifteten Institutionen führten sich vor der In-

gesellschaftlichen Schranken, die früher ten liberalen Kreise gewesen waren, die zueinander Distanz halten ließen, wi- das Konzert der k.u.k Nation mit ihrer Menschen dem Beil der Demokratisierung – alle Menschen sind gleich! – an- dem erzkonservativen Gut allgemeiner heimfiel. Jetzt findet der Nihilismus als Sicherheit den Garaus machten.

 WISSEN

     ▼LITERATUR, Seite 21

Felizitas Kübles Biographie über den konservativen Bischof Johannes Dyba

     ▼NATUR & TECHNIK, Seite 22

Vietnamesischer PangasisusExport gefährdet die Umwelt des Mekongdeltas

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 JU N GE FR EI HE I T | Nr. 13 /16 | 25. März 2016

„Furor teutonicus“ im Erbgut des Schäferhunds Eine Köpenickiade blamiert den Wissenschaftsbetrieb: Frei erfundene Forschung über das Tierisch-Böse im Deutschen THORSTEN HINZ

D

er deutsch-deutsche Schäfer-

 widmet ist, muß der Leser unverdünnt

genießen: „CHRISTIANE SCHULTE (Bochum) berichtete aus ihrem Forschungsprojekt über den deutschdeutschen Schäferhund im 20. Jahr-

hund – Ein Beitrag zur Gewalt- hundert. Der Schäferhund spielte einergeschichte des Jahrhunderts der seits als Projektionsfläche menschlicher Extreme“ war der Aufsatz überschrie- Staatsgewalt und andeerrseits als ‘Nutzben, den die Zeitschrift Totalitarismus tier’ diktatorischer Regime eine Rolund Demokratie  (ehemals Jahrbuch für le. Schulte deckte dabei weitreichende Extremismus & Demokratie ) des Dresd- Kontinuitäten, sowohl was die Funktion

ner Hannah-Arendt-Instituts im De- der Hunde als Instrumente totalitärer zember 2015 abdruckte. Staatsgewalt als auch die züchterische Die Verfasserin, die junge Dokto- Generationsfolge betrifft, auf. Schwerrandin „Christiane Schulte“, gab sich punkt ihres Vortrages waren die über bescheiden und doch selbstbewußt ob

ihres kühnen historiographischen Zugriffs: „Die Geschichte der deutschdeutschen Teilung aus dem Blickwinkel des Schäferhundes zu betrachten,

    S     S     E     R     P     A     M     U     Z     /     O     G     A     M     I    :     O     T     O     F

ist nicht selbstverständlich.“ Nämlich: „Die Einengung von Haus-, Nutz- und Zootieren wirkt nichtig angesichts der

5.000 Hunde der DDR-Grenztruppen

und hier vor allem die Hunde an den

Laufleinen, die als ‘lebende Grenzsiche-

rungsobjekte’ die Unüberwindbarkeit der innerdeutschen Grenze sicherstel-

len sollten. (...) Peters und Schulte stießen anschließend eine Debatte über die

DDR-Gedenkkultur an. So gibt es in Berlin etwa einen Erinnerungsort für der die SED ihre Bevölkerung umerzie- die Grenzkaninchen. Die zahlreichen hen wollte.“ Doch dürften wir darüber Grenzhunde haben hingegen (noch) vergessen, daß das erste Maueropfer ein keinen Eingang in eine umfassende Ideologie des ‘Neuen Menschen’, mit

Platz inmitten des Judenviertels und die Brücke ins „Gheto Novo“, Venedig 2004: Bedrückende Enge aber auch Schutz vor Übergriffen

Schäferhund der West-Berliner Schutz- Erinnerungskultur der innerdeutschen

polizei war, der auf den Namen Rex

Im Schatten der Gießerei  Vor 500 Jahren führte Venedig erstmals die Residenzpflicht für Juden in abgeschirmten Ghettos ein WOLFGANG KAUFMANN

 J

Trotzdem freilich kam es bald zu er-

sollten nämlich unbedingt daran gehindert werden, nachts in der übrigen Stadt „umherzustreunen“. Und das war durch eine Sperrung der beiden Zugänge zwiche Schikanen noch verschärft wurden: schen 24 Uhr und dem morgendlichen Unter anderem mußten die Juden ein Geläut der großen Glocke des Campagelbes Zeichen an ihrer Kleidung tragen, nile di San Marco problemlos möglich.

heblichen Spannungen zwischen den alteingesessenen Bürgern und ihren neuen Nachbarn, die durch behördli-

uden waren in Venedig bereits seit dem 5. oder 6. Jahrhundert ansäs-

sig und konzentrierten sich dann zum Ausgang des Mittelalters an

wenn sie das Haus verließen. Um die

mit bis zu acht Etagen bei sehr niedriger Zimmerhöhe. Ungeachtet dessen wur-

de es schnell unerträglich eng, zumal

nun noch verstärkt sephardische Juden aus der Levante in die Metropole an der  Adria drängten.  Aus diesem Grunde richtete die Stadt

Dennoch barg die Zwangsumsiedlung 1541 ein zweites Ghetto auf San Leo-

verschiedenen Stellen der Stadt wie dem immer explosiver werdende Situation mit nachfolgender Teil-Ausgangssperre nardo ein, welches direkt auf dem früFondaco dei Tedeschi, wo die aschke- zu entschärfen, beschloß der Senat von und Residenzpflicht auch Vorteile für die heren Gießereigelände lag und deshalb nasischen Händler deutscher Herkunft Venedig mit 130 zu 44 Stimmen, eine  Juden: So erschwerte die isolierte Lage irreführenderweise Gheto Vecchio („Alresidierten. Dabei nahm die Bevölke- rigide räumliche Segregation zwischen Übergriffe ganz erheblich; zudem war tes Ghetto“) genannt wurde. Das Areal rungszahl in diesen Quartieren konti-  Juden und Christen vorzunehmen. An- ein weitgehend ungestörtes religiöses gehörte damals dem Adligen Leonardo nuierlich zu. schließend ordnete der Doge Leonardo und soziales Leben möglich, obgleich Minotto, der sich von der Umwidmung Das resultierte zum einen aus den Loredan am 29. März 1516 an, sämt- die Inselbewohner nun Mieten zahlen seiner heruntergekommenen Immobilie  Judenverfolgungen im üb rigen Euro- liche Juden auf die ein Hektar große mußten, welche das Ortsübliche um ein sehr viel höhere Mieteinnahmen verpa aufgrund der großen Pestepidemie Insel Gheto Novo im Stadtteil Sestiere Drittel überstiegen. sprach, die er dann tatsächlich auch von 1347 bis 1353 sowie den späteren Cannaregio nördlich des Canale Grande erzielen konnte, wobei in dem neuen Einrichtung des Ghettos Massenausweisungen von Sephardim aus umzusiedeln.  Judenviertel jetzt weniger die LeihhäuDas kleine, fünfeckige Eiland hatSpanien und Portugal im Nachgang zur ser als Geschäfte und Handelskontore machte in Europa Schule Reconquista, zum anderen handelte es te bislang als Arsenal sowie Mülldepodominierten. sich hier um eine beabsichtigte Konse- nie für die vierzehn KanonenrohrmaDiese venezianische „Lösung des JuDoch damit nicht genug: In den Jahquenz venezianischer Wirtschaftspolitik: nufakturen auf der Nachbarinsel San denproblems“ machte bald in weiten ren ab 1589 kam es zu einem weiteren  Weil der Stadtstaat wegen seiner fortwäh- Leonardo gedient – daher auch der Na- Teilen Europas Schule, wobei man die Zustrom von Juden, und zwar jetzt vor renden Kriege immer mehr in finanzielle me, welcher sich von „Geto“ (Gießerei) den Juden zugewiesenen, ummauerten allem von solchen, die aus dem OriBedrängnis geriet, erteilte er den Juden ableitete. Aus der Sicht der Republik- sowie temporär abgeriegelten Stadt- ent oder Mitteleuropa geflohen waren. die Erlaubnis, sich in Venedig niederzu- führung bestand der Vorteil von Gheto viertel zumeist ebenfalls „Geto“ oder Hieraus resultierte 1633 die nächste lassen und Leihhäuser (Banchi) zu betrei- Novo vor allem darin, daß es komplett „Ghetto“ nannte. Das geht beispiels- große Erweiterung des venezianischen ben, was eine Steigerung des Steuerauf- ummauert und nur über zwei kleinere  weise aus einer Bulle von Papst Pius IV. Ghettos durch die Schaffung des Gheto kommens garantierte – darüber hinaus Brücken zu erreichen war. Die Juden aus dem Jahre 1562 hervor. Dabei wa- Novissimo im Osten von San Leonardo. konnte die hochverschuldete „Alren die anderen Ghettos, wie das Dadurch stieg die Bevölkerungszahl in lerdurchlauchteste Republik des von Worms, aber nicht mit Ghe- den drei jüdischen Quartieren auf über Heiligen Markus“ den Zuwanto Novo vergleichbar: Sie befan- 5.000, wobei dann aber schon wenige derern aber auch Zwangsdarle-  Juden in Venedig den sich auf keiner geschützten  Jahrzehnte später eine massive Abwanhen zu unvergleichlich günstigen Insel, sondern lagen weit besser derung einsetzte. Diese war die Folge Konditionen abpressen. zugänglich innerhalb der Stadt- der immer drückenderen Steuerlasten  Allerdings befürcht ete man mauern. Außerdem genossen die aufgrund der erneut höchst prekären fiGheto Novo wegen dieser „toleranten“ Ver Juden in Venedig aufgrund ih- nanziellen Lage der Republik sowie auch fahrensweise den Zorn Roms, rer bilateralen Verträge mit der Reaktion auf das Auffl ammen eines miweshalb die Stadtväter vorsorgRepublik eine für damalige Ver- litanten Antisemitismus, den man in lich ein Gutachten bei Kardinal hältnisse bemerkenswerte Rechts- Venedig bisher so nicht gekannt hatte. Basilius Bessarion einholten, welsicherheit. Die Zeit des Ghettos auf den Inseln ches bestätigte, daß keine Gefahr  Wegen des äußerst beschränk- Gheto Novo und San Leonardo endete ten Platzangebotes auf Ghe-  jedoch trotzdem erst 1797, als Napolefür das Seelenheil von Christen bestünde, wenn Juden unter ihto Novo entstanden dort soge- on Venedig einnahm und anschließend nen lebten. nannte Case torri (Turmhäuser) die Residenzpflicht für Juden aufhob.          K          I          F          A          R          G

Gleichgültigkeit gegenüber dem tieri-

schen Leid mit der rhetorischen Frage auf den Punkt: „Ein toter Hund – was  war das schon angesichts des ungeheuren Leids, das die Mauer auf beiden Seiten verursachte?“

Spätestens an dieser Stelle hätten sprachliches Ungeschick und Betrof-

 Animal Studies“ (HAS), die „sich als interdisziplinäres Forschungsfeld mit

den vielfältigen Beziehungen zwischen

Menschen und Tieren (beschäftigen), ohne dabei gängige Deutungsmuster zu bedienen“.

könne solchen „Fluchtursachen“ nicht mehr

Historiker, das der Berliner HumboldtUniversität angeschlossen ist. Den Ab-

schnitt, der „Christianes“ Auftritt ge-

auf die übrigen Millionen. Als Hauptauslöser nen verhänge, Menschenrechte zum Investitides Exodus stufen beide Sozialwissenschaftler onsmaßstab mache sowie den Internationalen die politischen Strukturen in 75 Prozent der afrikanischen Länder ein, die als undemokratisch,

kleptokratisch und korrupt gelten. Deren Re-

Strafgerichtshof in Den Haag mobilisiere. (dg)  www.blaetter.de

Ides gesamten ausländischen Lehr- und For-

sraelische Wissenschaftler stellen 28,8 Prozent senschaftskooperation, die unter der Federführung der Max-Planck-Gesellschaft auf eine fast schungspersonals in den USA. Darunter seien, sechzigjährige Tradition zurückblickt, kann den  wie Suanne Knaul aus einer Studie des Tel Aviver „Brain drain“ nicht stoppen, aber, wie Knaul Taub-Zentrums zitiert (Deutsche Universitäts- berichtet, zumindest verlangsamen. Insgesamt  Zeitung , 1/2016), führende Wissenschaftler Is- bestehen mehr als 180 Kooperationen deutscher raels, die in festen Anstellungen an den besten und israelischer Universitäten, und 6,5 MillioUS-Universitäten arbeiten. Mangelnde Stellen, nen Euro aus dem Etat des Bundesforschungs-

niedrigere Löhne und, im Vergleich mit den

Laboren in Europa und den USA, schlechtere Forschungsbedingungen an den Hochschulen

Man begnügt sich mit einer Fußnote,

des Schäferhundes tue nämlich heute Dienst an den Außengrenzen der EU!

 Was sagt man dazu? Ganz einfach: Danke, Christiane & Freund_innen! Das war genial! Überzeugender als jede wissenschaftliche Analyse habt ihr

Ein Tagungsbericht erschien in H- uns gezeigt, was von 95 Prozent unserer Soz-Kult ( Humanities – Sozial- und Gewalt-, Extremismus-, Konflikt-, FaKulturgeschichte ), dem Fachforum für schismus-, Migrations-, Frauenforscher

 Vergessene nationale Prioritäten

Referenten Volker Riehl und Jonas Wipfler für vorbeugen. Gefragt sei eine „neue Radikalität“,  Afrika als Normalität (Blätter für deutsche und um in Afrika „funktionierende Staaten“ aufzuinternationale Politik , 2/2016). Dort finde zwar bauen. Dafür müsse man Regierungen, die ihr  je die Hälfte von 15 Millionen Migranten und Land als Beute behandeln, international isolie17,5 Millionen „Geflüchteten“ innerhalb Afri- ren, indem man die Entwicklungshilfe einfriere, kas Platz, doch die „Ziehkraft Europas“ wirke  weitere politische und wirtschaftliche Sanktio-

Köpenickiade weiterhin zu archivieren.

Tagung zum ema „Tiere unserer Hei- gestimmten Hunden des Bundesgrenzmat“, die vom „Center for Metropolitan schutzes. Nach 1989 kamen die meisten Studies“ an der Technischen Universi- DDR-Grenzhunde in „westdeutsche tät Berlin veranstaltet wurde, um die Pflegefamilien“ und fielen in der neuen „Auswirkungen der SED-Ideologie auf Freiheit durch ängstliches Verhalten auf. gesellschaftliche Mensch-Tier-Verhält- Doch das deutsch-totalitäre Verhängnis nisse in der DDR“ zu diskutieren. Die ist damit nicht an sein Ende gekomVeranstaltung war Teil der „Human- men. Der furor teutonicus  im Erbgut

Einfach die Kleptokraten ablösen

ein Kuriosum ist, beschreiben die Misereor-

H-Soz-Kult verfügt immerhin über

genügend Souveränität und den Humor, um ihren Reinfall auf „Schultes“

der Text sämtliche Klischeebausteine folgt der Hinweis auf Blondi, „einen enthielt, die man bei der Aufarbeitung weiblichen Schäferhund im persönlider „deutschen Geschichte“ erwartet, chen Besitz Adolf Hitlers“. Biopolitisch durfte „Christiane“ anderthalb Jahre hochgezüchtete Exemplare kamen in lang vermeintliches wissenschaftliches KZs und anschließend in sowjetischen Neuland beackern. Speziallagern und an der Mauer zum Ihren ersten Auftritt erlebte sie im Einsatz. Ihre latente Aggressionsbereit Juli 2014 auf einer wissenschaftlichen schaft unterschied sie von den defensiv

Mangelnde Stellen, niedrigere Löhne: Exodus israelischer Spitzenforscher in die USA

gierungen exportierten ihre arbeitslosen Jugendselnden EU keine Lebensperspektive mehr lichen und seien froh, mit diesen Frustrierten sahen, sind seit 2010 in Portugals einstige Kolo- den Nährboden potentieller Opposition auszunie Angola ausgewandert. Was für Europa noch dünnen. Herkömmliche Entwicklungspolitik

KZs und an Zonengrenze

in der mitgeteilt wird, daß der Text als fenheits-Tremolo bei der Redaktion für „satirische Intervention in das Feld der Mißtrauen sorgen müssen. Natürlich Geisteswissenschaften“ gemeint und wie gibt es keine Doktorandin, die „Chri- die Referentin „komplett erfunden“ war. Die Zeitschrift Totalitarismus un d stiane Schulte“ heißt und die Geschichte aus der Perspektive des Schäferhundes Demokratie  hingegen hat den Text komaufarbeitet. Der Text ist eine Satire, ver- mentarlos aus dem Netz genommen. faßt von einem Autorenkollektiv „Chri- „Schulte & Freund_innen“ hatten darin stiane Schulte & Freund_innen“, wie noch einen draufgesetzt. Die „Staatswerdas Internetportal Telepolis im Februar dung des Schäferhundes“ wird auf die 2016 mitteilte. Doch weil die Betroffen- Reichsgründung 1871 datiert. Ab dem heit den Grundton der politischen Be- Zeitpunkt sei der Schäferhund zum „tierichterstattung, des kultur- und geistes- rischen Teil einer imaginären nationa wissenschaftlichen Betriebs bildet und len Gemeinschaft“ erhoben worden. Es

Neue Radikalität im Kampf gegen Fluchtursachen: Tabula rasa in Afrika

Rund 200.000 Portugiesen, die in der kri-

Grenze gefunden. Daran schloß sich

hörte? Bereits am 14. August 1961 war eine eingehende Diskussion über Schäer den Schergen des Ulbricht-Regimes ferhunde als ‘Mittäter’ an (...).“ in der Bernauer Straße zum Opfer geSchäferhund als Waffe in fallen. „Christiane Schulte“ brachte die

ministeriums fließen jährlich in Projekte und Stipendien. Ohne diese Unterstützung hätten

etwa Spitzenforscher vom Weizmann-Institut,

des jüdischen Staates hätten zu dem Exodus  wie sich der dort tätige Veterinärmediziner Nageführt. Offenbar vergaß Tel Aviv seit Jahren, hum Y. Shpigel vernehmen läßt, „schon lange der Wissenschaft als Basis des Wohlstandes und aufgeben müssen“. (wm) der Sicherheit des Landes „nationale Priorität“ einzuräumen. Auch die deutsch-israelische Wis-  www.duz.de

etc. pp. zu halten ist.   www.hait.tu-dresden.de/td/home.asp

Historisches Kalenderblatt 25. März 1941:

Die Ende 1939 begonnene und zuvor im Geheimabkommen von Molotow und Ribbentrop vereinbarte Übersiedlung von 60.000 Deutschen aus den von Stalin annektierten baltischen Staaten ins Deutsche Reich ist offi ziell abgeschlossen.

20 | G E S C H I C H T E

JUNGE FREIHEIT Nr. 13 / 16 | 25.

Blockadebrecher aus dem US-Bürgerkrieg entdeckt

1991) mit 88,5 Prozent bzw. 93,2 Pro-

zent Zustimmung stellten eine eindrucksvolle Legitimation dieses Schrittes dar. Dennoch wurden auf internationalen Druck hin die Unabhängigkeitserklärungen für drei Monate ausgesetzt, weitere Verhandlungen und Vermittlungen durch die Europäische Gemeinschaft

RALEIGH. Während des amerikanischen Bürgerkrieges ordnete der Nordstaatenpräsident Abraham Lincoln 1861 an, die insgesamt 180 Seehäfen der Konföderierten zu blockieren, um deren Belieferung mit Nachschub zu verhindern. Allerdings blieb die 5.500 Kilometer lange Sperrlinie

(EG) blieben in dieser Zeit aber erfolglos. Völkerrechtlich anerkannt wurden beide Staaten durch die EG und weitere Länder

Zwei Tote an Winnetous Silbersee

relativ durchlässig. Das resultierte nicht zuletzt aus dem Einsatz von

Blockadebrechern, also schnellen, modernen Dampfern britischer Bauart, welche zwischen der Karibik und der US-Küste pendelten. Jetzt entdeckten Unterwasserarchäologen des North Carolina Department of Natural and

Cultural Resources seit langer Zeit  wieder einmal das Wrack eines solchen, sehr selten zu findenden Schiffes (Mitteilung der Behörde vom 9. März 2016). Dieses liegt rund vierzig Kilometer vom Hafen Wilmington entfernt in der

Mündung des Cape Fear River auf

 Vor 25 Jahren entzündeten Schüsse zwischen Serben und Kroaten an den Plitvicer Seen den Jugoslawienkrieg

McCaw“. (wk)  www.ncdncr.gov

Homo erectus: Schlauer durch Fleischverzehr LONDON. Der moderne Mensch verdankt seine intellektuellen Fähigkeiten offenbar dem Fleisch-

verzehr. Wie die Experimente von

Daniel Lieberman und Katherine Zink von der Harvard University in Cambridge ergaben, erfordert das Kauen von pflanzlicher Nah-

In Kroatien eskalierte die Lage jedoch. Innerhalb kurzer Zeit

    E     C     N     A     I     L     L     A     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

brutale Weise vertrieben. Glei-

Idylle der Plitvicer Seen; kroatische Spezialeinheiten nehmen serbische Rebellen aus der Krajina im Nationalpark Plitvice fest, Ostern 1991 (r.):

MARTIN GROSCH

 J

 Jahrhunderte beschieden war. Dies wirkte sich massiv in politischer, wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht aus. Im Zweiten Weltkrieg sollte der Kampf an dieser Schnittstelle von uner-

osip Jović und Rajko Vukadinović hießen die ersten Opfer des ersten bittlicher Brutalität gekennzeichnet sein. großen europäischen Krieges nach  Während der faschistischen Herrschaft 1945. Sie starben ausgerechnet am Oster- in Zagreb nach 1941 kämpften kroatitag, dem 31. März 1991, in einer der sche Ustascha-Einheiten und serbische reizvollsten Regionen ihres Geburtslan- Tschetniks und kommunistische Partisades, dem Nationalpark Plitvicer Seen. nen mit grausamer Härte gegeneinander. Der „Kaluderovac jezero“, eines der Mordaktionen an Zivilisten und Vertreischönsten Gewässer dieser wildroman- bungen von Ustascha-Kämpfern wurden

tischen Landschaft, ist als „Silbersee“ mit der Schatzhöhle, durch die Pierre Brice

als Winnetou streifte, aus der Karl-May-

spätestens 1945 von den Tito-Partisanen bitter vergolten. Danach herrschte Fried-

hofsruhe, in der viele Jugoslawen die offenen Rechnungen noch jahrzehntelang konservieren sollten. Nicht ganz zufällig

ches galt für die Kraijna, wo kroatische Familien aus ihren Häusern von serbischen Milizen, die zuvor Polizei- und Verwaltungsstellen besetzt hatten, gejagt wurden. Trotz zu befriedigen sowie einem Großserbisdes Abkommens von Brioni mus den Boden zu  wählt. Dies bedeutete den entscheiden-  weiteten sich die bewaffneten Auseinentziehen, lebten doch die Völker der den Richtungswechsel in der serbischen andersetzungen zu einem klassischen Serben, Kroaten, Slowenen, Montene- Politik nach Titos Tod und eine abrupte konventionellen Krieg aus mit Tausengriner, Makedonen, Albaner und Un-  Abkehr von dessen auf ein Gleichgewicht den Gefallenen und Hunderttausenden zwischen den verschiedenen Volksgrup- zivilen Flüchtlingen. garn in diesem Staat zusammen. Tito erklärte 1948 die Nationalfra- pen ausgerichteter Innenpolitik. Nach unzähligen Waffenstillstandsbege zur „allseitigen Zufriedenheit unIm Zuge der Auflösungserscheinun- mühungen, die oft am unnachgiebigen serer Nationen“ für gelöst. Das dem gen im kommunistischen Lager grün- serbischen Präsidenten Milošević oder nicht so war, sondern neben verordne- deten sich in Slowenien und Kroatien den kaum zu bändigenden Kämpfern der ter Eintracht sich auch noch eine ser- Parteien, die Liberalismus, freie Mei- „Republika Srpska“ scheiterten, stoppbisch-montenegrinische Dominanz im nungsäußerung und Autonomie und so- te im Februar 1992 eine 14.000 Mann Staatsapparat etablierte, verdeutlichen gar Unabhängigkeit propagierten. Am starke Uno-Blauhelmmission (Unprofor) folgende Zahlen: Bereits 1961 stellten Beispiel Kroatiens läßt sich dieser Weg die bewaffneten Auseinandersetzungen. diese beiden Volksgruppen bei einem gut nachzeichnen. Vater der kroatischen Da die serbische Führungsspitze in Bel Anteil von 45 Prozent der Gesamtbe- Unabhängigkeit war der ehemalige Ge- grad und in der Krajina jeden Rückzug völkerung 84 Prozent der Minister, neral der Jugoslawischen Volksarmee und von kroatischem Staatsgebiet ablehnBeamten und Funktionäre, 84 Prozent Historiker Franjo Tudjman, Gründer ten, die Uno-Truppen die Vertreibung der Bunde sricht er, 70 Prozent der Offi- der Kroatischen Demokratischen Ge- der Kroaten („ethnische Säuberungen“) ziere usw. Die wirtschaftlich effektiven meinschaft (HDZ). Bei den ersten freien nicht verhinderten und die serbische BeTeilrepubliken Slowenien und Kroati-  Wahlen im April 1990 errang die HDZ satzung dadurch im Prinzip festigten, en wurden von den Serben, die sich als in der Teilrepublik Kroatien die absolute war eine politische Lösung des Konflikt Staatsnation verstanden, vollständig do- Mehrheit. Am 30. Mai wurde eine eigene nicht in Sicht. miniert. Eine gewisse Autonomie der Verfassung verabschiedet, doch zunächst     T     O     H     S     N     E     E     R     C     S    :     O     T     O     F

hes Wurzelgemüse und ähnliches

Verfilmung von 1962 vielen bekannt.  Jović gehörte einer Spezialeinheit an,  welche im Auftrag Zagrebs die Kontrolle der Straße durch das dünnbesiedelte Gebiet wiedererlangen sollte. Zwei Tage zuvor war die kroatische Leitung des

te der Homo erectus, welcher vor

Serben, die dieses Gebiet für sich bean-

begann, Fleisch zu essen, weniger kräftige Zähne und Kaumuskeln.

ihnen war Vukadinović. Später sollten beide als Märtyrer ihrer Nationen gefeiert werden, Jović als kroatisches Opfer „terroristischer serbischer Tschetniks“,

Volksrepublik Jugoslawien“ am 11. No- Teilrepubliken stand auf serbischer Seite vember 1945 und der Verfassung vom nie zur Debatte. Dies zeigte sich auch an 30. Januar 1946 gliederte sich das Land der gewaltsamen Niederschlagung des

teidigen wollte.

sowie den beiden autonomen, zu Ser-

der Vielvölkerstaat Jugoslawien seinen beinahe unausweichlichen Untergang erlebte und die von den Serben dominierten Nationen ihre Unabhängigkeit erlangten. Jugoslawien war ein Staat, in dem – je nach Lesart – sechs bis acht Völker lebten, die sechs Sprachen pfleg-

und Kosovo. Damit wurde der Versuch

rung 46 Prozent mehr Kraft als das

Zerbeißen von Fleischstücken – zudem ist auch eine größere Zahl

von Kaubewegungen nötig, um ro-

zu zerkleinern. Deswegen brauchrund zwei Millionen Jahren damit Und das wiederum führte zu einer

Veränderung des Gesichts, durch die dann Raum für das größer  werdende Gehirn entstand (Online-Ausgabe von Nature , 9. März

2016). Verstärkt wurde der positive Effekt des Fleischgenusses nach  Ansicht der US-Forscher außerdem noch dadurch, daß der Homo erectus bald in der Lage war, größere

Fleischstücke mit Hilfe von Werkzeugen zu zerlegen. Dies ersparte

ihm geschätzt zwei Millionen Kaubewegungen pro Jahr. (wk)  www.nature.com

Erste Sätze Dieses Buch verfolgt die weitesten Ziele und wendet sich deshalb an die weitesten Kreise. Wilhelm Sauer: Philosophie der Zukunft. Eine Grundlegung der Kultur, Stuttgart 1923

erst am 15. Januar 1992, nicht zuletzt dank der deutschen Vorreiterrolle, wo unter Regie von Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher die Anerkennung schon am 23. Dezember 1991 erfolgte. besetzten serbische Einheiten mehr als ein Drittel des Landes, darunter auch rein kroatisch besiedelte Gebiete, wie die Stadt Vukovar in Slawonien, aus der die Serben sämtliche kroatischen Bewohner auf

Grund und scheint den Sonarbildern nach ungewöhnlich gut er-

halten zu sein. Vermutlich handelt es sich dabei um die Überreste der „Agnes E. Fry“ oder der „Spunkie“ beziehungsweise der „Georgianna

März 2016

Nationalparks von bewaffneten Krajinaspruchten, vertrieben worden. Einer von

wurden 1991 Begriffe wie Tschetnik oder Ustascha reanimiert.

Serbisch-montenegrinische Dominanz in Jugoslawien Nach Ausrufung der „Föderativen

in die sechs Teilrepubliken: Serbien,

Vukadinović als Held, der das „serbische Kroatien, Slowenien, Bosnien und HerLand vor den kroatischen Ustascha“ ver- zegowina, Montenegro und Makedonien Mehr als 25 Jahre sind vergangen, seit bien gehörenden Regionen Wojwodina

ten, drei Religionen angehörten, zwei Alphabete verwendeten und einer Partei unterstanden. So läßt sich in Kurzform

die Problematik und Konfliktträchtigkeit dieses Staates umschreiben und dennoch

existierte er fast siebzig Jahre: von 1918 bis 1941 und dann wieder ab 1945. Durch Jugoslawien verlief ein westöstliches Kulturgefälle zwischen dem katholischen und europäisch geprägten Nordwesten (Slowenien, Kroatien) und dem orthodox-byzantinisch sowie isla-

unternommen, nationalitätenpolitisch-

ethnischen Erwägungen Rechnung zu tragen, um die nichtserbischen Völker

„Kroatischen Frühlings“ 1971. Nach dem Tod des Diktators Tito 1980 fehlte dem Staat die einigende Klammer. Slowenien begann ab 1986 auf Reformen zu setzen, Serbien dagegen auf ein eigenes nationalistisches

Selbstbewußtsein. 1987 wurde dort Slobodan Milošević zum Vorsitzenden der

serbischen KP und zum Präsidenten ge-

Slowenien

Rest-Jugoslawien

Kroatien

serbisch besetzt

Laibach

und zum Osmanischen Reich im Osten, wie sie den jugoslawischen Völkern über

bliken zu bilden, zumindest aber sollte eine unbehinderte wirtschaftliche Zu-

sammenarbeit aufrechterhalten werden. Doch es kam anders. Obwohl den Serben und allen weiteren Minderheiten

kulturelle Autonomie und alle bürgerlichen Rechte garantiert wurden, steuerte die serbische Partei Kroatiens von Beginn

11. Januar 1994 kündigte er an, daß Kroatien einer Erneuerung des Unprofor-Mandats über den 31. März 1995 hinaus nicht zustimmen werde, da die Vereinten Nationen zu geringe Aktivi-

täten gezeigt hätten, das von den Serben völkerrechtswidrig besetzte Gebiet unter die Souveränität Kroatiens zurückzu-

kroatischen Krieges. Besonders, als serbische Freischärler, die sogenannten Tschetniks, im April 1991 dank massiver Unterstützung

rück (Operation „Bljesak“–Blitz). Vom 4. bis 7. August erfolgte im Zuge der

die Unabhängigkeit der überwiegend von Serben bewohnten Krajina ausriefen, beschloß Tudjman, bis zum 25 . Juni 1991 im Einklang mit Slowenien die

es, auch die Serbenhochburg Knin in Dalmatien zu erobern.

Operation „Oluja“ (Gewittersturm) mit etwa 120.000 Soldaten die Befreiung der

durch die „jugoslawische“ Bundesarmee Krajina. Kroatischen Verbänden gelang

Zagreb Vukovar Plitvice

Belgrad

 

Tudjman entschloß sich nun, militärisch offensiv zu werden und die serbisch den anderen jugoslawischen Teilrepu- besetzten Gebiete zurückzuerobern. Am Das Ziel war, eine Gemeinschaft mit

führen. Innerhalb weniger Tage eroberte schenfall bei den Plitvicer Seen markierte die mittlerweile aufgerüstete kroatische dann im 1991 den Beginn des serbisch-  Armee im Mai 1995 Westslawonien zu-

Konfliktherd Jugoslawien 1991

Knin

sich 94 Prozent der Kroaten ebenfalls für einen Bund souveräner Staaten aus.

1995 erobert die kroatische  Armee die Gebiete zurück 

an auf Konfrontationskurs. Der „Zwi-

völlige Unabhängigkeit seines Landes zu

misch beeinflußten Südosten; historisch

gesehen eine Konsequenz der Zugehörigkeit zur Donaumonarchie im Westen

favorisierte Tudjman eine konföderative Lösung. In einem Referendum sprachen

Sarajevo          K          I          F          A          R          G

vollziehen, ein laut der jugoslawischen Verfassung von 1974 legitimer Schritt. Die Volksabstimmungen über eine Unabhängigkeit in Slowenien (am 23.

 Januar 1990) und Kroatien (am 19. Mai

Einschließlich des Bosnienkrieges zwi-

schen 1992 bis 1995 forderte der Jugo-

slawienkrieg 150.000 bis 200.000 Menschenleben, Millionen wurden vertrieben und konnten oft später nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Weite Teile

Bosniens und Kroatiens wurden zerstört, bis heute sind die Narben noch sichtbar.

L I T E R A T U R | 21

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25 . März 2016

Starke Worte gegen den Relativismus

Frisch gepreßt

Beate Sander:

Wohlstand sichern im demographischen Wandel. Finanzbuchverlag, München 2016, gebunden, 272 Seiten, 29,99 Euro

Zivilcourage: Ein Erinnerungsband über den Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba FRIEDERIKE HOFFMANN�KLEIN

S

o verschieden die Persönlichkeiten der 33 Autoren auch sind, die in dem jetzt im Komm-Mit-Verlag erschienenen Gedenkband über den Fuldaer Erzbischof Johannes Dyba einen Beitrag schreiben, so vollkommen stimmen sie überein, wenn es darum geht, seine Person zu beschreiben, seine Menschlichkeit, seine Zivilcourage und Klugheit, seinen unerschrockenen Mut und seinen Humor, ja bisweilen sogar Galgenhumor. Er war Diplomat, aber nicht bereit, sich vor klaren Stellungnahmen zu drücken. „Nicht was ankommt, ist wichtig, sondern worauf es ankommt“, so könnte man Dybas Haltung umschreiben. Eine Haltung, die gerade in unserer Zeit Seltenheitswert besitzt. Geboren in Berlin-Wedding am 15. September 1929, wächst Erzbischof Dyba mit drei Geschwistern in Berlin und Heiligenstadt auf. Zum Studium der Philosophie und Rechtswissenschaft geht er zunächst nach Bamberg. In Heidelberg – dort wird er Mitglied der katholischen Studentenverbindung Arminia – legt er 1952 das erste Staatsexamen ab. Mit einer völkerrechtlichen Arbeit wird er 1954 zum Dr. jur. promoviert. Doktor des kanonischen Rechts wird er 1962. 1959 empfängt er die Priesterweihe durch Kardinal Frings, 1979 die Bischofsweihe. Er besucht die päpstliche DiplomatenFelizitas Küble (Hrsg.):  Der Löwe

von Fulda. 33 Autoren schreiben über Erzbischof Johannes Dyba. Komm-Mit-Verlag, Münster 2015, broschiert, 208 Seiten, 14,80 Euro

akademie in Rom und wird 1962 Leiter der deutschen Abteilung im päpstlichen Staatssekretariat. Als Nuntiaturrat geht er in verschiedene außereuropäische Länder. Über zwanzig Jahre verbringt er im diplomatischen Dienst des Heiligen Stuhls. Nicht seine glänzende Karriere stand jedoch für ihn an erster Stelle, sondern die Familie: die Eltern, die Geschwister und deren Kinder. Die Erinnerung an Dyba ist in seinem Bistum bis heute lebendig. Und weit darüber hinaus. Mit großer Übereinstimmung, die bis in die Wortwahl reicht, zeichnen die verschiedenen Autoren ein lebendiges Bild des Erzbischofs. Erfrischend und humorvoll beschreibt ihn seine Schwester Barbara Dyba-Roth. Furchtlosigkeit und Freude, Klugheit und Humor seien die ihn zuallererst kennzeichnenden Eigenschaften gewesen. Sein Blick für das Wesentliche wird von vielen Autoren betont, ebenso sein Realismus und seine Zivilcourage. Seine Haltung in Bezug auf die Frage der Abtreibung ist ohne diesen Realismus schwer zu verstehen. Ein klares Verbot wird oft als Einmischung verstanden, statt als eine ethisch-moralische Vorgabe. „Das verstehen die gar nicht“, so gibt B. DybaRoth die Beurteilung ihres Bruders wieder. Als Priester dürfe er, der Diplomat, auch nicht immer nur diplomatisch sein.  Abstand von sich selbst und Selbstironie sind Eigenschaften, die einen guten Diplomaten kennzeichnen. „Wenn die sagen, ich solle doch am besten dorthin gehen, wo der Pfeffer wächst, dann kann ich ihnen nur entgegnen: Was soll ich dort? Da komme ich ja gerade her!“ Eine humorvolle Bemerkung, die ihn beschreibt.  Als Diplomat im Dienst des Heiligen Stuhls hat er die herausragende Rolle verstanden, die der Kirche dabei zukommt, für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt einzustehen. Dies muß im

Geld-Ratgeberin. Wir werden

    E     C     N     A     I     L     L     A   �     E     R     U     T     C     I     P    :     O     T     O     F

 Johannes Dyba als katholischer Militärbischof, Mainz 1998: Für seine klare Haltung geschätzt

Blick haben, wer seinen Kampf gegen Liberalismus und Relativismus besser verstehen will. Hart und unnachgiebig, wie ihn seine Gegner gerne beschreiben wollten, war er nur, wenn es darum ging, Gefahren für die Kirche und für unser Land zu begegnen. Erzbischof Dyba beschrieb die Situation in Deutschland mit den Worten: „In zwanzig Jahren auf dem spiegelglatten Parkett des vatikanischen diplomatischen Dienstes ist mir nicht so oft bedeutet worden: ‘Das darf man aber nicht sagen!’ wie in einem einzigen Jahr als Bischof in Deutschland.“

immer teilten“, schreibt einer der Autoren über ihn. Dyba war aber auch deshalb in den Medien so präsent, weil sich die anderen gerne davor drückten. Die FAZ  bezeichnete ihn einmal als „agent provocateur“. Oft hatte Dyba unter dem mangelnden Mut seiner Mitbrüder zu leiden, die viele seiner Ansichten teilten, aber dann doch nicht den Mut fanden, für ihre Überzeugung in der Öffentlichkeit einzustehen. Mehr als einmal hat er einen seiner Bischofskollegen fragen müssen: „Warum sagen Sie das nicht in der Öffentlichkeit?“ Wesensfremd war  Angepaßte Haltung seiner ihm eine solch angepaßte Haltung seiner Mitbrüder, ihm, der während seiner Mitbrüder war ihm fremd diplomatischen Karriere d ie apferkeit Dabei ließ Erzbischof Dyba auch der afrikanischen Bischöfe erlebt hatte. Höchste Achtung und Wertschätzung seine Gegner nicht gleichgültig. Seine Position forderte heraus. „Er war ein erfuhr er auch von evangelischer Seite. Mensch mit Standpunkt und machte Viele evangelische Christen sahen in ihm keinen Hehl daraus. Das imponierte vie- „ihren“ Bischof. Auch als Militärbischof len, auch wenn sie seine Meinung nicht seit 1990 wurde Dyba für seine klare Hal-

tung geschätzt. Der damalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping umriß anläßlich von Dybas od 2000 dessen Rolle, die er als Militärbischof ausgefüllt hatte, mit den Worten: „Militärbischof Dyba hat mit seiner Ausstrahlung den Soldaten der Bundeswehr das Bewußtsein vermittelt, daß Frieden und Versöhnung höchste Güter menschlichen Zusammenlebens sind. In den f ast zehn Jahren seines  Wirkens für die Katholische Militärseelsorge der Bundeswehr hat er die Herzen vieler Soldaten für sich gewonnen.“ Seine Beliebtheit bei den Soldaten verdankte er nicht allein der Verteidigung gegen den Angriff auf ihre ethische Integrität in Form des Soldatensind-Mörder-Urteils des Bundesverfassungsgerichts, gegen das er sich empört gewehrt hat. Dyba selbst hat die Militärseelsorge einmal als seine Erholung bezeichnet. Das Buch zeichnet ein sehr lebendiges Bild des früheren Fuldaer Bischofs.

immer älter und bekommen immer weniger Kinder. Wie bereitet sich die jetzige Erwerbsgeneration richtig darauf vor, daß sie im  Alter weniger Rente bekommen wird als heutige Senioren? Beate Sander, eine der wenigen Frauen in dieser Produktnische von Ratgeberliteratur für Geldanleger, fordert ihre Leser auf: „Packen Sie das Tema Geldanlage mutig an.“ Sie analysiert die Lage – auch vor dem Hintergrund der Schuldenkrise und der noch drängerenderen Asylkrise. Sie kritisiert die wachsenden Schuldenberge, singt dafür aber das hohe Lied der Willkommmenskultur. Sander nennt stets nicht nur Namen, sondern liefert in abellen gleich  Aktien, Wertpapierkennummern und dazugehörige Rahmendaten mit. Ihre Tese: Am besten sind  Anle ger mit Akt ienf onds (Index- oder Spezialfonds) beraten. Gold spielt nur eine untergeordnete Rolle. Immobilien tauchen gar nicht auf. Das ganze Buch strotzt vor Fakten. Es wirkt fast so wie ein kleiner Sarrazin. Was ihm leider fehlt, ist neben einer einheitlichen Schriftart eine Prise kritischen Denkens in bezug auf Temen wie Erderwämungsreligion oder Massenzuwanderung. (rg) Gerhard Wisnewski: ungeklärt, un-

heimlich, unfassbar – Die spektakulärsten Kriminalfälle 2015. Knaur, München 2015, Taschenbuch, 320 Seiten, 8,99 Euro

Aufklärung. Der Fall uğçe Al-

 Auf die katholische Gemeinwohllehre besinnen Der spanische Jurist Álvaro d’Ors klärt nach 1945 vermiedene politische wie völkerrechtliche Begrifflichkeiten larisierten Denkens ab. In d ’Ors’ später Schrift „Gemeinwohl und Öffentlicher Feind“, deren Übersetzung ins Deutsche er spanischen Jurist und Philologe nunmehr erschienen ist, verweist der  Álvaro d ’Ors (1915–200 4) zählt zweite eil des itels auf Schmittsche zu den bedeutendsten Rechtshistori- Einflüsse. Der konservative Katholik kern seines Landes im 20. Jahrhundert. erörtert mit dem bonum commune  eines Grundlegend sind die Arbeiten des Or- der Grundprinzipien der katholischen dinarius für römisches Recht besonders Soziallehre neben dem Subsidiaritätszu naturrechtlichen Fragestellungen und dem Solidaritätsprinzip, freilich und Problemen. stärker in juristischen als in philosoÜber Jahrzehnte hinweg dauerte phischen Zusammenhängen. d’Ors’ nicht unkritischer Kontakt zu Carl Schmitt. Vor über einem Jahrzehnt Ein Staat ist verpflichtet, ist der Briefwechsel zwischen beiden seine Identität zu wahren erschienen (Berlin 2004). Der spanische Gelehrte versuchte weitaus stärker Natur- und römisch-rechtliche Einals der Meister aus Plettenberg, theo- sichten werden von d’Ors in Verbindung gebracht mit öffentlich-rechtlichen logische Substanz in sein juristisches Denken einzubringen. So lehnte er – Fragestellungen und völkerrechtlichen anders als der deutsche Etatist – den Hintergründen. Eine solche juristische modernen erritorialstaat, der im 16. Mixtur ist reizvoll, aber manchmal auch  Jahrhundert anhebt, als Ausfluß säku- schwer verständlich, zumindest für den FELIX DIRSCH

D

 Thilo Sarrazin Wunschdenken

Europa, Währung, Bildung, Einwanderung warum Politik so häufig scheitert

Laien. Einfache Konklusionen, bei- bleibend bedeutsam. An einigen Stelspielsweise vom Naturrecht zu den Men- len ist der ext sogar von erstaunlicher schenrechten, sind seine Sache nicht.  Aktualität. So wird auch a uf das ProZu den grundsätzlichen Überlegun- blem der Einwanderung eingegangen. gen des Autors zählen die diversen Im- D’Ors sieht es als zu kurz gegriffen an, plikationen der Unterscheidung von wenn Zuwanderung aus wirtschaftligemeinen, öffentlichen und privaten Wolfgang Hariolf Gütern – eine Differenzierung, die auf Spindler (Hrsg.): Lehren des römischen Rechts zurückÁlvaro d’Ors. Gegreift. Im Kapitel „Öffentlicher Feind“ meinwohl und Öffentlicher Feind. geht es vor allem um verschiedene Arten Karolinger Verlag, von Kriegen, etwa Vernichtungs-, ReliWien 2015, gebungions- und Bürgerkriege, Genozide und den, 128 Seiten, andere. Das letzte Kapitel setzt sich mit 19,90 Euro dem Tema „Kriminalität“ auseinander. Viele seiner Ansichten sind politisch unkorrekt, darunter auch seine Stellung- chen Gründen forciert werde. Das könnahme zu einer etwaigen Kriminalisie- ne zu Rassenunruhen führen, die auch rung und ribunalisierung von Kriegs- durch die u nterschiedliche Fertilität der verlierern. Dieser Beitrag ist im Umfeld Neubürger im Vergleich zu den Autoder Debatten um den Internationalen chthonen verursacht werden könnten. Strafgerichtshof und die Legitimität der Ein Staat sei in der Lage, Immigration Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse zu begrenzen, ja in gewisser Weise so-

gar dazu verpflichtet, um seine Identität zu wahren. Nachträglich jedoch sei es der Gemeinschaft aus naturrechtlichen Gründen verboten, sich „zu reinigen“. Der nüchterne Realismus des spanischen Juristen ist gerade im hypermoralisch exaltierten Deutschland, dessen Eliten sich schwertun mit der Einsicht, daß es Freunde nur im privaten Bereich, nicht unter Staaten geben könne, ein unverzichtbares Antidot gegen einen Wirklichkeitsverlust, der sich nicht zuletzt in den Reaktionen auf die Snowdenschen Enthüllungen gezeigt hat. Die Einführung in den ext durch den Herausgeber und Übersetzer, den Dominikaner und Juristen Wolfgang Hariolf Spindler, ist grundlegend. Weiterhin ist dessen vorzügliche Kommentierung hervorzuheben. D’Ors Veröffentlichung ist ein Musterbeispiel für die fruchtbare Rezeption des Denkens von Schmitt in Europa.

bayrak lieferte den Willkommensmedien eine geniale Story: Eine  junge, gut integrierte ürkin stellt sich einem Schlägertypen entgegen und wird getötet. All das, weil sie zwei kleineren Mädchen in einer Offenbacher McDonald ’s-Filiale zu Hilfe geeilt ist. Das erste, was an der Geschichte von Anfang an schief war, war die atsache, daß auch der A ngreifer einen Migrationshintergrund hatte. Es kamen weitere Ungereimtheiten ans Licht: Die beschützten Mädchen tauchten erst nach Wochen auf. Warum? Eine Videoaufnahme der at zeigt, daß der äter uğçe eher versehentlich getötet hat. Die im Juni 2015 verhängte Strafe fiel mit drei Jahren daher milder aus, als die Öffentlichkeit erwartet hatte, nachdem sie „zum Engel“ (Spiegel ) stilisiert worden war. Noch viel mehr offene Fragen lieferten der Absturz der Germanwings-Maschine von Andreas Lubitz und andere Kriminalfälle, die Gerhard Wisnewski mit der gewohnten Akribie aufarbeitet. (rg)

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Die Medien gerieren sich meist nurnoch alsHofberichterstatter der etablierten Politik. Statt kritischem Qualitätsjournalismus herrschen Alarmismus, Moralismus und tendenziöse Lügenpresse, garniert mit Fußball und Krimis. Die längst fällige Medienkritik von Wolfgang Herles! 256 S., geb.

Oft wurden Flüchtlinge als politisches Druckmittel eingesetzt allein fünfzigmal im letzten halben Jahrhundert. Die Autorin präsentiert die erste systematische Untersuchung der Migrationswaffe und liefert EmpfehlungenfürPolitiker,Wissenschaftler und die Flüchtlinge selbst. 432 S., geb.

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Keine Zeitung ist so umstritten wie die Bild-Zeitung. Peter Bartels war ihr Chefredakteur. Unter ihm erreichte sie eine Auflage von 5 Millionen. Er beschreibt, wie Bild unter der Leitung von Kai Diekmann zum Propagandablatt der Machtelite wurde und 3 Millionen Leser verlor. 255 S., geb.

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Warum verfehlt die Politik so oft ihre Ziele? Und wie könnte man das ändern?  Thilo Sarrazin beschreibt in seinem neuen Buch die Mechaniken der Politik, ihre typischen Fehler und die schädlichen Auswirkungen irrealer Utopien. Daraus ergibt sich ein neuer Blick auf die Gegenwart. 576 S., geb.

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Markus Gärtner

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Lügenpresse

Mainstream

Wie uns die Massenmedien durchFälschen,Verdrehenund Verschweigenmanipulieren

Warum wir den Medien nicht mehr trauen

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Ulf Küch

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SOKO Asyl EineSonderkommission offenbartüberraschende WahrheitenüberFlüchtlingskriminalität

Es gibt in den großen Medien tatsächlich eine Verengung des Meinungsspektrums, durch die bestimmte Positionen unterrepräsentiert sind. Dieser Mainstream-Effekt hat mit LobbyNetzwerken und vertraulichen Hintergrundkreisen ebenso zu tun wie mit der sozialen Herkunft der Journalisten und den dramatisch verschlechterten ArbeitsbedingungenderBranche. 170 S., Pb.

Manipulationstatt Information: Markus Gärtner belegt an Hunderten von Beispielen, warum der Begriff Lügenpresse gerechtfertigt ist. Immer mehr Leser haben das arrogante Oberlehrergebarender gekauften und gleichgeschalteten Presse satt. Dieses Buch zeigt Alternativenauf! 284 S., geb.,

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Ladendiebstähle, Einbrüche, Vergewaltigungen. Seit der Flüchtlingsinvasionschnellt die Kriminalitätsrate nach oben. Der Braunschweiger Kripo-Chef Ulf Küch richtete bereits im Sommer 2015 die erste Sonderkommission zur Flüchtlingskriminalität ein. Er weiß, wovon er redet. 224 S., geb.

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BUCHDIENST  JUNGE FREIHE IT Medi enversand

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JUNGE

Nach Ebola: Wieder herrscht normaler Mangel BONN. Die von der Bundesregierung infolge der westafrikanischen Ebola-Epidemie angekündigte Formation einer „Schnell einsetzbaren Expertengruppe bei Gesundheitsgefährdungen“ (SEEG) ist seit Januar 2016 abmarschbereit. In den betroffenen Ländern, die seit November 2015 wieder als ebolafrei gelten, konnten die Gesundheitssysteme hingegen weniger effi zient auf die Kris e antworten. Wie der Erfahrungsbericht des deutschen Chirurgen Martin Mohme aus Sierra Leone belegt, herrsche dort jetzt wieder der „normale Mangel“, der die  Ausweitung der Epidemie verursachte. Seit 2010 bemüht sich der Hilfsverein German Doctors in den Krankenhäusern der früheren britischen Kronkolonie um die elementare medizinische Versorgung. Eine Sisyphosarbeit in dem Land, in dem 120 von 1.000 Lebendgeborenen sterben. Allein in Mohmes Hospital seien täglich ein bis zwei Kinder gestorben. „Normale“ Zustände, die während der Ebola-Epidemie lediglich eskalierten (Deutsches Ärzteblatt , 6/16). (ft) www.german-doctors.de

 Weltklima-Gipfel kein historischer Durchbruch? BADEN-BADEN. In ersten wissenschaftlichen Analysen, die drei Monate nach dem Pariser Weltklima-Gipfel auf die damalige politische Euphorie reagieren, wird der „historische Durchbruch“ angezweifelt. So auch bei der Umweltrechtlerin Sabine Schlacke (Uni Münster), die meint, es bleibe abzuwarten, ob das Übereinkommen als Aufbruch zur Dekarbonisierung des globalen Energiesystems oder als „Freifahrtschein“ für die Nutzung risikobehafteter Maßnahmen wie CO2-Speicherung oder GeoEngineering interpretiert werde. Zudem fehlten Sanktions- und Durchsetzungsmechanismen, die die Vereinbarungen über den verbesserten Rechtsschutz ergänzt hätten, wie sie bereits die Aarhus-Konvention von 1998 enthalte ( Zeitschrift für Umweltrecht , 2/16). (rs)

Der Fischsegen wird zum Fluch  Vietnams     H     O     M     H     P     O     T     S     I     R     H     C     /     E     C     N     A     I     L     L     A

Im Mekongdelta zeigen sich die ökologischen Schattenseiten der  Aquakultur / Reisanbau gefährdet?

    E     R     U     T

    C     I     P    :     O     T     O     F

Fischzucht im Mekongdelta: Pangasiusfilets für europäische Teller

DIETER MENKE

D

as Mekongdelta an der Südspitze Vietnams ist mit 39.000 Quadratkilometern so groß wie die Schweiz, hat aber mit 17,5 Millionen eine doppelt so große Bevölkerung. Nur das Delta des Roten Flusses mit der Hauptstadt Hanoi ist in dem 93-Millionen-Einwohner-Land noch dichter bewohnt. Doch nicht aus ihrer Bevölkerungszahl resultieren die Probleme dieser südlichsten vietnamesischen Region. Paradoxerweise ist es deren wirtschaftliche Erfolgsgeschichte, die seit Jahrzehnten von der Aquakultur in den 13 MekongProvinzen geschrieben wurde.

Dank des Monsunklimas, großer Frischwasserressourcen und nährstoffreicher Sedimente war das Delta von  jeher nicht nur für seinen Reisanbau, sondern auch für seine artenreiche Fischfauna bekannt. Nach dem Ende des Vietnam-Krieges 1975 begann der  Aufbau einer exportorientierten Fischzucht. Nach bescheidenen Anfängen steigerte sich der Ertrag von Mitte der neunziger Jahre bis heute von 0,26 auf 2,22 Millionen Tonnen. Allein in der Südprovinz Cà Mau – zweimal so groß wie das Saarland – verdoppelte sich die Shrimpsproduktion zwischen 2003 und 2013 von 62.000 auf 136.000 Tonnen. In der vom Meer am weitesten entfernten Provinz Đòng áp, dem Zentrum der Süßwasserfischzucht, verzehnfach-

te sich die Produktion von 41.000 auf 417.000 Tonnen. Das Gros entfällt dabei auf den bei Supermarkt-Einkäufern immer beliebter gewordenen Pangasius. Der fettarme, auch als Schlankwels verkaufte Speisefisch landet meist auf europäischen Tischen. Der US-Hunger wird durch eigene Aufzucht gestillt, denn ein prohibitiver Zoll verhindert den Export nach Amerika – zumindest solange der von Donald Trump oder Bernie Sanders attackierte Freihandelsvertrag TPP noch nicht ratifiziert ist. Derzeit stammt 70 Prozent der vietnamesischen Aquakulturproduktion aus den Teichen des Deltagebietes. Mit 1,5 Millionen Tonnen ist Vietnam nach Brasilien der zweitgrößte Kaffee-Erzeuger  Welt. Bei der Aquakultur liegt das Land mit 3,1 Millionen Tonnen Fisch, Garnelen und anderen Krustentieren nach ailand und Indonesien auf Rang drei.

Die Hälfte des größten Mangrovengebiets abgeholzt Doch mittlerweile droht der ökologische Schaden den ökonomischen Nutzen der Aquakultur erheblich zu mindern, warnt die am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (Oberpfaffenhofen) tätige Geographin Claudia Künzer (Geographische Rundschau, 2/16). Die Expertin für satellitengestützte Erderkundung dokumentiert zusammen mit zwei Kollegen, wie Düngemittel-, Pestizid- und Antibiotika-Einsatz den Mekong verschmutzen. Schadstoffeinträge und Überdüngung seien als Hauptursachen für Artenvielfaltsverlust und Degradierung der natürlichen Küstenökosysteme klar identifiziert. Die Übernutzung der Wasserressourcen durch Entnahme für Fischund Garnelenteiche führe zum Absinken des Grundwasserspiegels, zur Zerstörung wertvoller Feuchtgebiete und zur Versalzung des Bodens. Das führe wiederum vielerorts zu schmerzlichen Rückgängen beim Reisanbau, der immer noch die Hälfte des Territoriums der Region einnimmt. Hinzu kämen bereits 2.000 wissenschaftlich nachgewiesene Veränderungen der Magrovenbedeckung, deren „Rückgang und Konvertierung eindeutig“ auf den „enormen Flächenbedarf“ der extensiven Aquakultur zurückgehe. Zugunsten der Shrimpszucht habe man in der Provinz Cà Mau inzwischen die Hälfte des größten Mangrovengebiets Vietnams abgeholzt. Eine derartige Dezimierung der für den Kü stenschutz unent-

behrlichen Mangrovenwälder verstärke die Küstenerosion und erhöhe das Risiko für Sturmschäden, Flutwellen und Überschwemmungen. Für Künzer stehen die positiven Impulse der Aquakultur außer Frage, weil sie dem Mekongdelta wirtschaftlichen  Aufschwung und Arbeitsplätze beschere und zur vietnamesischen Nahrungssicherung beitrüge. Zudem kompensierte die Aquakultur teilweise den Rückgang der Fangerträge der Seefischerei infolge der Überfischung des Südchinesischen Meeres. Dennoch deute sich an, daß aus dem Segen ein Fluch werde, da unzureichend ausgebauter Umweltschutz die „unkontrollierte Ausweitung der Aquakultur“ begünstigt. Inzwischen erkenne man die Abhängigkeit von der Produktivität der angrenzenden Ökosysteme und könne absehen, wie Umweltverschmutzung, Abholzung und Verlust von Küstenökosystemen langfristig auch die Rentabilität der Aquakultur gefährdeten. Leider sei zu erwarten, daß ökologische Bedenken dem Wachstum geopfert würden. Unaufhaltsam steige die Nachfrage nach proteinreicher Fischnahrung.  Was in dem faktischen Entwicklungsland, wo es erst Ansätze des nachhaltigen Ressourcenmanagements gebe und das mit den ökologischen Altlasten des Vietnam-Krieges wie mit denen der enthemmten Industrialisierungspolitik seit 1975 kämpfe, zwangsläufig die Umweltproblematik verschärfe.

Vietnam Hanoi

Delta Roter Fluß

   r    e    e     M    s    e     h    c    s     i    s    e    n     i     h    c     d     ü     S

 Đòng Tháp Mekongdelta

Cà Mau

BERLIN. Umweltministerin Barbara Hendricks will im Sommer ihren Plan zur Erreichung der Klimaziele bis 2050 vorlegen. Darin könnte, wie der Wissenschaftsjournalist Christopher Schrader vermutet (Science  6272/16), auch ein auf 2040 vorgezogener Kohleausstieg enthalten sein. Laut einem Gutachten von „Agora Energiewende“ lieferten Kohlekraftwerke 43 Prozent des deutschen Stroms und führten mit 800 Millionen Tonnen die EU-CO2-Liga an. Ein beschleunigter Ausstieg müßte daher zur Abschaltung der größten Braunkohlekraftwerke – Neurath, Niederaußem, Jänschwalde – führen. Deutschland könne nicht das Land der Energiewende werden, wenn es „Kohlenland“ bleibe. (ck) www.agora-energiewende.de

Ein Segen für die deutsche Tiefseeforschung Kein Elfenbeinturm in der Provinz: Das Forschungszentrum für Meeresbiologie in Wilhelmshaven CHRISTOPH KELLER

önnte man das exakte Datum seiner K  Kopfgeburt ermitteln, dürfte das Deutsche Zentrum für Marine Biodi-

versitätsforschung (DZMB) wohl sein 20jähriges Jubiläum feiern. Aber der Oldenburger Professor für Zoologie, der Meeresbiologe Horst Kurt Schminke, erinnert sich nur an eine „Vision“ in den 1990ern, an seine Idee, das auf ozeanischen Forschungsreisen gewonnene Material systematisch zu inventarisieren. 1999 kam es tatsächlich zur formellen DZMB-Gründung, 2001 zur Angliederung an das Frankfurter Forschungsinstitut und Naturmuseum Senckenberg und

2003 endlich zum Einzug in das generös bemessene Domizil, drei modernisierte Kasernengebäude am Südstrand von  Wilhelmshaven. Der Artikel, mit dem Pedro Martínez Arbizu, derzeit DZMBLeiter, die Gründungsinitiative Schminkes würdigt (Senckenberg ,1-2/16), ist daher nicht dem Kalenderblatt geschuldet, sondern will mit dem Forschungsalltag eines – neben dem Kieler Geomar-Zentrum – von der Öffentlichkeit weniger beachteten Standorts der deutschen Meeresforschung bekannt machen, der nichts von provinzieller Abgeschiedenheit im Elfenbeinturm ausstrahlt. Das DZMB versteht sich als Global Player , der, zumeist mit internationaler Teilnehmerschaft, bislang 50 Expedi-

tionen auf allen Weltmeeren und in allen Klimazonen organisiert, logistisch und technisch betreut und durchgeführt hat. Davon 27 seit 2010. Denn in dem Maße, wie die Ozeane als Ressourcenquelle auch außerhalb der Fischerei an Bedeutung gewinnen, steigt die Nachfrage nach den Wilhelmshavener Dienstleistungen. Entsprechend expandieren, gestützt auf den ursprünglichen Schwerpunkten Taxonomie und Systematik mariner Organismen, die Bereiche Artenvielfalt (Biodiversität), Ökosysteme, Klima und Biogeographie. Seit kurzem werden drei Großprojekte bearbeitet, unter deren Dach etliche Untersuchungen dem Abbau mineralischer Ressourcen in der Tiefsee gelten.

Vor der industriellen Förderung der als „Manganknollen“ firmierendenkleinen Kugeln steht allerdings die Klärung der Frage, welche ökologischen Auswirkungen von einem massiven Ab- und eventuell Raubbau für die betroffenen Lebensgemeinschaften zu erwarten sind.  An solchen, fast über Nacht aktuell gewordenen Forschungsaufgaben erweise sich, daß der Zusammenschluß von Senckenberg und DZMB, von Grundlagen- und angewandter Wissenschaft ein „Segen für die deutsche organismische Tiefseeforschung“ sei. Deutsches Zentrum für Marine Biodiversitätsforschung (Wilhelmshaven/Hamburg): www.senckenberg.de/dzmb/

Ein Schlagabtausch zur Lage der Nation.

 N E U

ng  Emp fe h lu

Der eine ist ägyptischer Politikwissenschaftler, der andere deutscher Unterhaltungsautor. Kein Wunder also, daß beide aus ganz unterschiedlichen Richtungen auf die Situation in Deutschland blicken. Persönlich, humorvoll und streitlustig diskutieren Hamed Abdel-Samad und Hans Rath über die Flüchtlingskrise und was sie für unsere Gesellschaft bedeutet.

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Umwelt

Kostspielige Plagegeister Von Bernd Rademacher

er Frühling hat begonnen D und in der Nacht sucht der Steinmarder Unterschlupf.Damit

ist der Konflikt vorprogrammiert, denn die Kulturfolger suchen geeignete Plätze, um ihre Jungen aufzuziehen. Die Paarung war zwar schon im vergangenen Sommer, doch die Keimruhe sorgt dafür, daß der Nachwuchs erst jetzt geboren wird. Die Räuber lieben Dachböden. Beim Eindringen richten sie Schaden an, der fatale Folgen haben kann. Marder zerstören Dämmstoff und Dampfsperren, so daß Feuchtigkeit ins Dach eindringt und sich Schimmel ausbreitet. Muß das Dach abgedeckt werden, um verschimmelte Dämmung zu entsorgen, wird das teuer: Im Ruhrgebiet entstand so an einem Mietshaus 200.000 Euro Schaden, weil die Bewohner in Hotels evakuiert werden mußten. Gesundheitsgefahren gehen von Viren, Bakterien und Parasiten (Würmer, Zecken, Flöhe, Räudemilben) aus, welche die ungebetenen Gäste ins Haus tragen. Marderbisse an Autos sind die zweitgrößte Gruppe der Kaskoschäden durch Tiere.

www.zur.nomos.de

Kraftwerke: Schneller aus der Kohle aussteigen?

FREIHEIT März 2016

Nr. 13 / 16 | 25.

128 Seiten, Paperback, Best.-Nr.: 93015 EUR 10,00

Dasselbe gilt für den Waschbären, der bei der „Wohnungssuche“ inzwischen als Konkurrenz auftritt. Daneben kommt es zunehmend zu Bißschäden an Photovoltaikanlagen, weil Marder hier Kabel anknabbern. Bislang taten das die Biester bevorzugt im Motorraum parkender Autos. Nach den 238.000 Wildunfällen sind die 216.000 gemeldeten Marderbisse die zweitgrößte Gruppe der Kaskoschäden durch Tiere. Die Versicherer mußten dafür 2014 aber nur insgesamt 64 Millionen Euro zahlen, da viele Autobesitzer eine Selbstbeteiligung haben und die kostspieligen Folgeschäden meist nicht versichert sind. Die Zahl der angepriesenen Vergrämungsmittel ist so zahlreich wie nutzlos. Als effektiv haben sich Geräte erwiesen, die Stromschläge austeilen. Beratung bieten die Kreisjägerschaften, die häufig einen Marderbeauftragten haben. Da Dachschäden oft zunächst nicht bemerkt werden, raten die Jäger dazu, die Böden häufiger zu kontrollieren – und zu entrümpeln, denn auch das mögen Marder überhaupt nicht.

Erkenntnis „Genaugenommen ist die Vorstellung, unser Gehirn brauche spezielles BrainFood, nichts anderes, als die Idee vom Nürnberger Trichter in modernem Outfit.“ Udo Pollmer, Lebensmittelchemiker und Sachbuchautor 

L E S E R F O R U M | 23

 JU NG E FR EI HE IT Nr. 13 /16 | 25. März 2016

„Ein blaurotes Wunder erleben“ ten. Das ist das angestrebte weltweite „Dar al Islam“ – „Haus d es Islam“. Gebiete noch außerhalb des islamischen Einflusses sind „Dar al harb“ – „Haus des Krieges“, die man mit Attentaten zu überziehen hat, und Gebiete, in denen sich Muslime so lange arrangieren, bis sie die Oberhand bekommen, heißen „Dar as sulh“ – „Haus des Übereinkommens“. Bei der Belagerung von Wien seinerzeit scheiterte der Infiltrationsversuch durch Tunnel unter der Stadtmauer, weil diese dank ausreichender Wachsamkeit vorher entdeckt wurden. Heute haben wir aber die Infiltration dank fehlender  Wachsamkeit, falsch verstandener Toleranz und Merkels Selbstherrlichkeit im Lande. Deutschland als „Dar as sulh“.

 Zum Schwerpunktthema: „Quittung für

 Merkel“, JF 12/16 

Nr. 12/16 | 31. Jahrgang |  18. März 2016 |  EUR 4,20 (D)

w www.jungefreiheit.de . ju n f rr i i hh i i t..t

Große Genugtuung

Ich empfinde große Genugtuung über die Abstrafung der etablierten Parteien. Denn sie alle, besonders die Linken und die Grünen, betreiben eine Politik zur Veränderung des deutschen Volkes. So verbinde ich große Hoffnung mit der gegenwärtig einzigen politischen Alternative gegen die Selbstdisziplinierung und Selbstverleugnung des Eigenen.  Auch von den Kirchen ist nichts zu erwarten. Statt sich im propagandistisch aufgebauschten „Kampf gegen Rechts“ mit Predigten und Dom-Verdunkelung gegen das „dunkle Deutschland“ zu ereifern, sollten unsere mutigen Oberhirten dort Aktivitäten entwickeln, wo täglich Christen verfolgt und massakriert werden. Lediglich Bayern verspricht eine gewisse Hoffnung.

u s e r en BrennendeAutos,Angriffeau AndersdenkendeundPolizisten: Berlinhat einProblemmit Linksextremen.WeilWahlenkommen, handeltnunder Innensenator.  POLITIK, Seite 6

e g e r en DerDeutschePresserat istder BlinddarmderMedien:Nützt nichts,kann aber schmerzen.Man sollteihn besser enternen.  KULTUR, Seite 13  MEDIEN, Seite 17

Die Demokratie lebt Mit der AfDgibt es plötzlich einemeßbarepolitische Opposition /Gelingt dieEtablierung?

e im e r en

DR. PHIL. FRIEDRICH LEDERER, BAD REICHENHALL

 JF-Ausg abe 1 2/16 vom 1 8. Mär z 20 16

 Zu: „Ein tiefer Graben“ von Konrad Adam,

 JF 11/16 

PROF. H.C. KONRAD ZIMMER, KÖNIGSBERG/BAYERN

Der Charme der Angela Merkel

ben Medienwelt gesagt, ist es dann doch  Zu: „Durchkreuzt“ von Christian Schreiber, nicht. Die Regierung und die linkspopulistische „Opposition“ erhielten für  JF 12/16  Volltreffer durch rechten Haken ihre Bürgerferne, für Griechenland und Die anschaulichen Grafiken zu den für Silvester die Quittung. Und eines ist Stimmenverteilungen nach den Land- sicher: Es werden in Zukunft noch mehr tagswahlen rechtfertigen vollständig Quittungen ausgestellt. MANFRED HEMMERSBACH, KÖLN Merkels „Veilchen“ auf der Titelseite, korrekt am linken Auge. Was mir politisch unerklärlich bleibt, ist der Stim-  Zu: „‘Die Demokratie funktioniert ’“, im menzuwachs für die weitestgehend ge- Gespräch mit Hugo Müller-Vogg, JF 12/16  räuschlose FDP, insbesondere in den Von jeglicher Haftung befreit „alten“ Bundesländern. Da soll noch Trotz aller zur Schau gestellten Unabhäneinmal jemand behaupten, (N-)Ostal- gigkeit ist das Denken von Herrn Müllergiker und Vergangenheitssehnsucht gäbe Vogg fest in den Vorurteilsschemata des es nur unter betagten Romantikern aus schwarz-grün-roten Mainstreams gegen den „neuen“ Bundesländern! die AfD verankert. Er hantiert mit der LUTZ WERNER, DRESDEN Rassismuskeule wie Claudia Roth und ist – wie auch diese – zu keiner Defini Zu: „Abschott ung von der R ealität“ von tion von „Rassismus“ bereit oder fähig. Es scheint, daß er den Erfolg der AfD Paul Rosen, JF 12/16  Einheitspotential überwältigend immer noch nicht verstanden hat. Immer Die Reaktionen von Unionsparteien, mehr Menschen in Deutschland empBündnis 90/Grünen, SPD und Linken finden nämlich den ungebremsten Zuauf die Ergebnisse der Landtagswahlen zug nicht integrationsbereiter und häufig verleiten mich zu der Frage: Wann er- mehr fordernder als dankbarer Muslime folgt deren Zusammenschluß zu einer als einen Einbruch von Barbarei in ihr neuen Sozialistischen Einheitspartei gewohntes Leben. Eine MultiminoritäDeutschlands? Das Einheitspotential ist tengesellschaft, wie sie von Politik und überwältigend. Alle haben Wähler an die Mainstreammedien als Zukunftsmodell  AfD verloren, auch mobilisierte Nicht- für Deutschland gepriesen wird, lehwähler haben nicht zu ihnen gefunden. nen sie ab. Sie registrieren, daß in der Das Phänomen erklären sie mit einem Umgebung von Aufnahmeeinrichtunschockierenden Rechtsruck, der durch gen die Immobilienwerte abstürzen und die Gesellschaft gehe, und sie meinen, daß „Flüchtlinge“ faktisch von jeglicher allein ihre Parteien seien demokratisch. Haftung befreit sind. Und ihre Kinder  Jegliche politische Zusammenarbeit mit erleben Gewalt und Ausgrenzung durch dem neuen Partner wird ausgeschlossen. muslimische Kinder. Sie erleben, daß FiEr wird in die rechte Ecke verbannt, um nanzmittel, die für sie und ihre berechRevoluzzern und der Antifa zu zeigen, tigten Bedürfnisse angeblich nicht zur wo der Feind steht. In Gesprächsrunden Verfügung stehen, plötzlich unbegrenzt werden AfD-Politiker mit strafenden zur Behausung, Verpflegung, Mobilität und ignorierenden Blicken isoliert oder und als Taschengeld für „Flüchtlinge“ niederpalavert. Sie hoffen, so erledige ausgegeben werden. Und wer alles dies sich die Angelegenheit von selbst. Nicht thematisiert, denkt aus der Sicht des Puzuletzt eint sie die allgemeine Ratlosig- blizisten Müller-Vogg „völkisch“. Dabei keit zu den aktuell anstehenden Proble- könnte er in den kommenden Jahren men und die Frage, wieso verschwindet noch ein blaurotes Wunder erleben. PROF. DR. JÜRGEN ALTHOFF, unser Wahlvolk. Die Suche nach einer ST. WENDEL „Alternative“ ist da und wird bleiben, nach einer Volkspartei. GÜNTER W. SCHNEIDER, DRESDEN

Bald noch mehr Quittungen

Kaum war das letzte Wahllokal geschlossen, hieß es bereits in der etablierten Medienlandschaft, die AfD-Wähler seien größtenteils „Protestwähler“. Unausgesprochen: wie unmündige Kinder, die ihren Willen nicht bekommen haben und deshalb mit den Füßen aufstampfen. Doch ganz so einfach, das sei der lie-

herbeigeführt haben. Muß vor künftigen Wahlen beim Zentralrat der Muslime angefragt werden, ob das Kreuz bei dieser oder jener Partei erlaubt ist, oder befindet darüber doch noch das deutsche Verfassungsgericht? Wer die Linien dessen, was sich abzuzeichnen beginnt, weiterzieht, wird unschwer feststellen können, daß wir die deutschen  Angelegenheiten längst nicht mehr in der Hand haben. Aus Angst, daß die Futtertröge weggezogen werden könnten, liefern „unsere“ Damen und Herren Volksvertreter mit ihren permanenten Unterstellungen und Abqualifizierungen der AfD die Stichworte für derartige Beschwerden über unsere Wahlergebnisse. Zur aktuellen Diffamierung der  Alternative für Deutschland fällt mir ein Vergleich ein: Jemand gibt – ohne  Autorisierung und gegen den Willen anderer – grünes Licht für eine riesige Baugrube inmitten eines dichtbebauten, noch dazu historischen Stadtkernes. Die Baugrube hat nicht einmal ein Drittel der geplanten Tiefe erreicht, da kommt es bereits in sämtlichen umstehenden Häusern zu Rissen. Woraufhin dem Verantwortlichen nichts Besseres einfällt, als denen, die die Baugrube am wenigsten wollten, vorzuwerfen, für eine Sanierung der entstandenen Schäden ja nicht einmal Lösungen zu haben.

Der Türke treibt Angela Merkel vor sich her, mal der eine, mal der andere, und bei gemeinsamen Auftritten lacht Merkel immer zusammen mit Erdoğan oder eben Davutoğlu – und diese scheinen sich immer zu wundern, was es da für Merkel zu lachen gibt. Mit so einer naiven Kanzlerin ist kein Staat zu machen.  WOLFGANG RICHTER, STAUDERNHEIM

Unüberlegt, unklug, uneinsichtig

 Als unsere Kanzlerin am 4. September letzten Jahres die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge in unser Land rief, handelte sie zwar großherzig, jedoch unüberlegt und unklug, beachtete sie doch nicht den Grundsatz allen verantwortungsvollen Politikhandelns: „Bedenke das Ende!“ – zunächst in Form eines endlosen Menschenstroms. In der Folge erwies sie sich als uneinsichtig, rechthaberisch und starrköpfig und ließ die Dinge einfach laufen. Als sie ihr über den Kopf wuchsen, wandte sie sich in ihrer Not ausgerechnet an die Türkei um Hilfe und lieferte die EU den bekannten Forderungen Ankaras aus. Der jüngste Vorschlag der Türkei auf dem Gipfeltreffen in Brüssel enthält die erwartenden gewesene Erpressung. Die EU sollte ihn zurückweisen und lieber die in der Türkei gestrandeten bis zu drei Millionen Flüchtlinge vorrangig aus Syrien in die DIETER LUTTRUP, HAGEN EU holen und Asylverfahren unterziehen, als achtzig Millionen Türken in die  Zu: „Blick in die Medien / Viel Kauder- EU aufzunehmen: Bedenke das Ende! HENNING SACHS, KIELHOLTENAU welsch“ von Tobias Dahlbrügge, JF 12/16  Deutschland als „Dar as sulh“

Das Kauderwelsch beginnt bereits an ganz anderer Stelle. So findet in der öffentlichen politischen Diskussion zum Zuwanderungsstrom eine unverantwortliche Begriffsverwirrung statt. In den Gesprächsaufzeichnungendes Konfuzius (Lun Yü: „Analekten“, XIII, 3) antwortet der Meister auf die Frage nach der rechten Hilfe für das Regieren: „Unbedingt die Begriffe richtigstellen!“ Leider wird in Presse, Funk und Fernsehen nicht mehr sauber zwischen Nachricht und Kommentar getrennt.  Zur Meldung: „Türkische Gemeinde warnt „Asylant“, „Flüchtling“, „Migrant“, „Einwanderer“ werden unreflektiert vor AfD“, JF 12/16  Nicht mehr Herr im eigenen Haus miteinander vermengt. Der „WirtSoweit sind wir nun schon, daß sich schaftsmigrant“, der nur der besseren Gemeinden und Zentralräte unter uns Sozialleistungen wegen unbedingt nach lebender, also bei uns gastierender Völ- Deutschland will, kommt bislang kaum ker über u nsere politischen Wahlergeb- vor. Die gefährlichste Gruppe sind aber nisse empören. Was ja doch nichts an- die „Infiltranten“, jene Muslime, die für deres heißt, als daß sie sich über Hun- eine seitens des Islam gebotene Ausbreiderttausende Wähler empören, die das tung in der Welt die nötigen Brücken Wahlergebnis auf demokratische Weise köpfe und Parallelgesellschaften errich-

OE CN H EZNEZI ET IU T N U N D E E B W O CW H GG F FÜÜRR D B AATTT TE E

Bereich des Möglichen rücken würden. Merkel und ihre Paladine zeigen auf diesem Gebiet eine erschreckende Eile. GUNTER WIGAND, KARBEN

 Zu: „Bedenkliche Schadenfreude“ von Die-

ter Stein, JF 10/16  Erst „getortet“, dann „gemessert“

Es ist unglaublich, wie die Qualitätsmedien des Landes diesen Angriff eines Linksextremisten auf Beatrix von Storch als „kreative Aktion“ eines sogenannten „Künstlerkollektivs“ loben, und wie etwa die Berliner Zeitung  dieser Clownsgestalt in einem Interview auch noch ein Forum für seine krude Tat gibt, in dem dieser die AfD als gefährliche Partei bezeichnet.  Wer wirklich gefährlich für unsere Gesellschaft ist, sind solche Leute wie dieser Täter. Liebevoll wurde davon gesprochen, daß Frau von Storch mit der n euen Wortschöpfung „getortet“ wurde. Die seltsame Künstlergruppe nennt sich bezeichnenderweise auch noch „Peng Collective“, was wohl treffend ihren Geisteszustand bezeichnet, der dringend einer Behandlung bedarf. Auf die „künstlerische“ Bereicherung dieser Nichtsnutze kann getrost verzichtet werden. Was wäre, wenn statt der Torte ein Messer benutzt worden wäre? Würde man dann auch liebevoll von „gemessert“ sprechen? Die linkskriminellen Angriffe und Bedrohungen gegen AfD-Politiker und Pegida-Teilnehmer haben in letzter Zeit eine neue Eskalationsstufe erreicht, aber den tonangebenden Medien sind diese – falls überhaupt – nur Randnotizen wert. Doch brennt eine Mülltonne, uriniert  jemand an eine Mauer in d er Umgebung einer „Flüchtlingsunterkunft“, wird tagelang aufgeregt berichtet und Politiker aller Parteien melden sich zu  Wort, faseln vom „rechten Terror“, unter dem die Bundesrepublik ächze. Es wird das Verbot von Meinungen und Parteien gefordert, und natürlich ermittelt gleich der Staatsschutz.

Literarische Rüstzeit

 Als ich vor geraumer Zeit orsten Hinz’  Abhandlung „Zurüstung zum Bürgerkrieg“ (Kaplaken 9) las, konnte ich mir nicht vorstellen, daß seine geradezu prophetischen Gedanken so rasch in den

    U     T     K     A     P     P     O     K    :     O     T     O     F

Fragebogen

Peter Bartels  Journalist & Buchautor Wo möchten Sie jetzt am liebsten sein?

 Auf meinem Pferd in der Heide. Wofür lassen Sie alles stehen und liegen?

Für meine Sabine und ihr Ossobuco alla genovese. Was bedeutet Heimat für Sie?

Deutschland (Oberschlesien, Schwäbische Alb, Lüneburger Heide). Was ist Ihnen wichtig im Leben?

 Jetzt nur noch Sabine, John-David, Benjamin-Patrick, „Texans Jet“. Was haben Ihnen Ihre Eltern mitgegeben?

Meine Mutter: Nichts ist zu schwer für den, der will. Welches Buch hat Sie nachhaltig beeinflußt?

Die Bibel, Goethe, Dostojewski,  Wolfgang Borchert, der junge Hemingway. Welche Musik mögen Sie?

DETLEF BRITT, BERLIN

Haydn, Händel, Mozart, Beethoven.

 Zu: „Über das Fortleben der kommunistischen Ideologie / Die Verkleidung gewechselt“ von Lothar Fritze, JF 10/16 

Welches Ereignis ist für die Welt daseinschneidendstegewesen?

Prophet Solschenizyn

Diesen Beitrag habe ich mit großem Interesse gelesen, erweist er doch einmal mehr, wie recht Alexander Solschenizyn mit seiner Behauptung hatte, das Leichengift des untergegangenen Kommunismus werde noch lange die Welt vergiften. Leider folgt auch die heutige Kirche immer mehr diesem Hirngespinst,  Zu: „Das Abschmelzen beginnt“ von Ronald das in absolutem Widerspruch steht zu dem, was Gott den Menschen nach der Gläser, JF 11/16  Enteignung durch die Hintertür Vertreibung aus dem Paradies verheißen Niedrig- oder Nullzinsen bedeuten eben- hat. So kommt es dann zur Pervertierung so eine Enteignung durch die Hinter- der Nächstenliebe zur universalen Ferntür wie die Verschuldung der westlichen stenliebe. Dabei scheint sich die Kirche Staaten bis zum Bankrott. Da waren die allmählich die sozialistische Illusion vom kommunistischen Diktaturen ehrlicher. „Paradies auf Erden“ zu eigen zu machen. Enteignung und Überführung des PriHANS WIRTZ, NEUBIBERG vateigentums in Volkseigentum stand in ihrem Programm. Nur, unsere kalte Liebe Leser! Enteignung überführt unser Vermögen Leider können wir nicht alle Zuschrifnicht in Volkseigentum, sondern in die ten, die uns täglich erreichen, veröfTaschen der Banken und ihrer Hinterfentlichen. Auch müssen wir manchUDO KNAU, MINDEN männer. mal kürzen. Alle Briefe werden aber  Zum Schwerpunktthema: „Ein Klima der  Angst“, JF 10/16 

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sorgfältig ausgewertet, wenngleich wir sie nicht in jedem Fall beantworten können. Ihre Leserbriefredaktion JF-Leserbriefredaktion, Hohenzollerndamm27 a, 10713 Berlin, Fax: 030 / 86 49 53 - 14, E-Mail: [email protected]

Die Geburt Jesu. Was möchten Sie verändern?

Immer noch mich, frei nach Goethe: So laßt mich scheinen, bis ich werde. Woran glauben Sie?

 An Gott! Aber nicht an den eifersüchtigen, jähzornigen, kleinkarierten „Gott“ aus der Bibel – an den, der die Universen geschaffen hat. Welche Werte sollen wir unseren Kindern weitergeben?

Das Leben ist ein kurzer Traum. Welche Bedeutung hat der Tod für Sie?

Das Ende! Aber vielleicht hat Buddha ja recht ... Peter Bartels, geboren 1943 in Schön-

wald, Kreis Gleiwitz (Oberschlesien), führte von 1989 bis 1991 die Bild -Chefredaktion (zusammen mit Hans-Hermann Tiedje). Seine jüngste Abrechnung, „Bild. Ex-Chefredakteur enthüllt die Wahrheit über den Niedergang einer einst großen Zeitung“ (Kopp-Verlag), stellt er am 8. April in der Stadthalle Reutlingen vor. info.kopp-verlag.de/autor.html?id=589

 JF-Int ern

Buchverlag sucht Mitarbeiter(in)

Gehen und Kommen

Konservativer Buchverlag – meinungsstark und zeitgeistabstinent – sucht für zunächst 20 Std./Woche eine Verstärkung seines Berliner Büros. Zu den Aufgaben gehören: Büroorganisation, Pressearbeit, Pflege der Verlagshomepage und des Verteilers sowie Unterstützung bei der Produktion. Im Falle entsprechender Eignung sind auch gelegentliche Schreib- und Lektoratsarbeiten möglich.

GEGRÜNDET 1986 IN FREIBURG I. BR.  WOCHENZEITUNG IN BERLIN SEIT 1994  ISSN 0932660X

Herausgeber und Verlag:

Vertrieb für den Zeitschriftenhandel: IPS-Vertrieb

JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG

GmbH, Postfach 1211, 53334 Meckenheim

REDAKTION Chefredakteur: Dieter Stein Stellv.Chefredakteur:  Thorsten Thaler Chef vom Dienst: Matthias Bäkermann

Druck: Frankfurter Societäts-Druckerei GmbH,

VerantwortlicheRedakteure:  Titel, Meinung,  Thema: Christian Vollradt; Im Gespräch: Moritz Schwarz; Politik: Marcus Schmidt; Online: Felix Krautkrämer (Leitung), Henning Hoffgaard, Anni Mursula; Reporter: Hinrich Rohbohm, Elena Hickman; Außenpolitik, Hintergrund: Dr. Curd-Torsten Weick; Wirtschaft, Natur & Technik: Jörg Fischer; Kultur: Thorsten Thaler; Medien: Ronald Gläser; Forum, Sein & Zeit: Christian Rudolf; Geschichte, Literatur: Matthias Bäkermann; Leserforum: Christian Dorn; Schlußredaktion: Matthias Seegrün

Kurhessenstr. 4 – 6, 64546 Mörfelden-Walldorf Anzeigen: Berliner Medien Vertrieb. Es gilt die An-

zeigenpreisliste vom 1.1.2016. Tel: 030 / 66 40 67 55 Jahresabonnement: EUR 182,– (Sozialabo

EUR 118,50; Schülerabo EUR 86,–); Bezugspreis für das Ausland: Europa EUR 222,– (Sozialabo EUR 158,50; Schülerabo EUR 126,–); Übersee/Luftpost: EUR 238,– (Sozialabo EUR 174,50; Schülerabo EUR 142,–). Das Abonnement verlängert sich um ein Jahr, wird es nicht vier Wochen vor Ablauf schriftlich gekündigt. Konten: Postbank Berlin

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Ständige Korrespondenten: Prof. Dr. Günter Zehm,

Nachdruck: Nur mit Genehmigung des Verlages.

 Thorsten Hinz, Michael Paulwitz, Alain de Benoist (Paris), Prof. Elliot Neaman (San Francisco) Satz und Gestaltung: Daniela Lemke, Andrea Müller, Kristina Tarras

Sammelanschrift: JUNGE FREIHEIT,

Die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT hält sich an die bewährtetraditionelledeutsche Rechtschreibung, wie sie bis zum 1. August 1999 gültig war.

Hohenzollerndamm 27 a, 10713 Berlin Telefon:  030 / 86 49 53 - 0 Fax: 030 / 86 49 53 - 14 E-Mail: [email protected] Internet: www.jungefreiheit.de

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ine geht, einer ist gekommen: Zum Monatsende verläßt uns Elena Hickman. Die 26jährige arbeitete festangestellt erst seit dem Juli vorigen Jahres als JF-Reporterin, nachdem sie zuvor ein dreimonatiges Praktikum bei uns abgeleistet hatte ( JF-Intern 14/15). Ursprünglich aus Hessen von einem evangelischen Radiosender kommend, kehrt sie nun dorthin zurück. Die Sehnsucht nach der Heimat, ihren Eltern und Geschwistern war schließlich doch zu übermächtig. Für ihre weitere berufliche Karriere wünschen wir ihr alles erdenklich Gute und viel Erfolg! Neu an Bord ist dafür seit voriger Woche Lukas Steinwandter. Der

ebenfalls 26jährige nahm 2011 am JF Jungautoren-Wettbewerb teil und war seither als Autor für die Zeitung tätig.  Jetzt ist er aus seiner Südtiroler Heimat – aufgewachsen ist Steinwandter in der kleinen Gemeinde Toblach im Pustertal – nach Berlin gezogen, um bei uns ein Volontariat zu absolvieren. Die Sportskanone – als Halbprofi siegte er voriges  Jahr bei einem Skilanglauf-Rennen (JFIntern 5/15) – hat Politik und Verwaltungswissenschaft an der Fernuniversität Hagen studiert und muß nur noch seine Bachelor-Abschlußarbeit schreiben. Auf seine geliebte Sportart wird er künftig allerdings verzichten müssen. Skilaufen ist in Berlin eher ein randständiges Phänomen. orsten aler 

Voraussetzungen: Berufsausbildung oder Studium. Sie sollten möglichst über Erfahrungen im Verlagswesen oder Buchhandel verfügen und organisatorische Fähigkeiten, eine solide Allgemeinbildung sowie stilsichere deutsche Sprachkenntnisse mitbringen. Mit den sozialen Medien sollten Sie kompetent umgehen können. Kenntnisse europäischer Fremdsprachen sind sehr willkommen. Ihre Bewerbung richten Sie bitte an:  [email protected]

24 | S E I N & Z E I T Der Flaneur

JUNGE

FREIHEIT März 2016

Nr. 13 / 16 | 25.

BERND RADEMACHER

 Wer sind diese Leute?

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ie Schneeglöckchen blühen, endlich Frühlingsboten. Damit beginnt auch die Straßensaison für Rollschuhfahrer aller Art. Inliner und Skateboards erobern Bürgersteige und Fußgängerzonen zurück. Doch es sind nicht die Kinder, die auf Rollen unterwegs sind, sondern über wiegend Studenten, junge Familien bis hin zu agilen Jack-Wolfskin-Senioren. Man könnte über eine Infantilisierung der Gesellschaft spötteln, doch andererseits wird ständig über Bewegungsmangel und Medienkonsum geklagt, darum sollte man die rollenden Scharen im Sinne der Volksgesundheit begrüßen!

Von Tobias Dahlbrügge

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in ungemütlicher Karfreitag. Der Hund will nach draußen; ihm ist der Schneeregen egal. Also raus, den alten Prozessionsweg entlang. Am Wegesende, vor dem Bildstock mit der Kreuzigung, steht eine größere Personengruppe. Ich bin neugierig. Gut vier Dutzend Menschen haben sich um den Gemeindepfarrer geschart. Zwei halten große Kerzen mit Windschutzgläsern. Einer trägt eine kleine Lautsprecheranlage, der Pfarrer spricht in ein Mikrofon, damit ihn alle gut verstehen. Ein älterer, aber kräftiger Mann hat ein großes Holzkreuzgeschultert.

Deutschland auf Rädern

 Wie hält man auf so einem Ding das Gleichgewicht? Zwischen März und Oktober finden in ganz Deutschland Inliner-Großveranstaltungen statt, an denen Tausende teilnehmen. Von Bremen bis Freiburg, von Münster bis Berlin, selbst in Käffern wie Seligenstadt (bei Offenbach) oder Dieburg (bei Darmstadt) sperren Polizei und kommunale Behörden die Straßen für Pulks auf Rädern.  Was für nichtinformierte Autofahrer zur Tortur wird, ist für die Skater ein herrliches Vergnügen: ungestört von Verkehr und roten Ampeln mitten über die Hauptverkehrsstraßen zu fahren. Da die Marketingabteilungen der Kommunen den Reklame wert solcher „Events“ lieben,  werden den Veranstaltern selten Steine in den Weg gelegt. Doch während sich die Rollsportler bislang mit Inlinern oder Skateboards begnügten, hat die Vielfalt der Gefährte stark zugenommen. Die Deutschland-Tour der Youtuber um Simon Unge von Sylt nach Schloß Neuschwanstein hat das Longboard zum Kultgegenstand der Jugend gemacht. Das lange Brett garantiert sicheren Stand mit weit auslaufendem Schwung. Das wesentlich kleinere Pennyboard ist dagegen der schnelle Flitzer, der sich jederzeit im

Das ist nicht die typische Gemeinde aus alten Mütterchen in Persianermänteln.

Ich bin erstaunt. Die Menschenmenge ist ungewöhnlich. Es sind alle Altersklassen vertreten:  junge Elternpaare mit Kleinkindern, Grundschüler und Jugendliche, Erwachsene und ein paar Senioren. Das ist nicht die typische Kirchengemeinde aus alten Mütterchen in Persianermänteln. Sie haben sich auch nicht schick gemacht. Die meisten frieren in schlichten Anoraks, einer der Erwachsenen trägt ein BorussiaDortmund-Fankäppi. Der Geistliche erzählt von den Kreuzen, die jeder im Alltag zu tragen hat, daß ein Christ niemals traurig sein sollte, und lobt mehrfach die sozialen Botschaften von Papst Franziskus. Alle hören dem Pfarrer aufmerksam zu, auch die Kinder. Mein Hund scheint sich als einziger zu langweilen. Nur ein  Jogger in grotes kem Leistungssportlerdreß keucht vorbei, ohne Notiz zu nehmen, den Blick stur auf den Weg gesenkt. Das sind auch nicht die jungen Familien aus dem Baugebiet des Bionade-Bürgertums, wo die Kinder mit dem Multivan zur Kita gefahren werden und man sich auf der Straße über die Unzeitgemäßheit des Tanzverbotes am Karfreitag mokiert. Wer sind die Leute? Dann löst sich das Rätsel: Der Pfarrer dankt den Mitgliedern der polnischen Gemeinde herzlich für ihre zahlreiche Teilnahme. Der Mann, der vorher das Kreuz getragen hat, stellt sich nun als polnischer Kollege heraus.

Fahrbare Untersätze in allen Variationen: Mit dem Frühling kommt der Bewegungsdrang – Straße frei den Inlinern und Bretterkünstlern!

    O     G     A     M     I    :     O     T     O     F

Im Sportgeschäft darf man einen iO- genläufig – Kurve. Die ersten Versuche Rucksack mitnehmen läßt und wendiHawk probefahren. Allerdings nur mit enden kläglich. Mein Sohn lacht mich gere Manöver erlaubt. Das neueste Spielgerät ist der iO-  Anleitung und unter Aufsicht eines Ver- aus: „Papa, du bist voll peinlich!“ Aber Hawk, eine Art motorisiertes Zwischen- käufers. Ich traue mich. Das Schwierigste ich lache zuletzt, denn wer versteht, daß ding aus Waveboard und Segway-Rol- ist, erst einen Fuß nur leicht aufzusetzen man nicht nachdenken, sondern einfach ler, nur ohne Haltegriff. Die verrückten und dann schnell mit dem zweiten auf- intuitiv losfahren muß, rollt schon nach Elektroflitzer mit der coolen Beleuch- zusteigen, denn das Gefährt setzt jede  wenigen Minuten erstaunlich souverän tung sind immer häufiger auf den Belastung der Trittflächen sofort in einen durch die Kaufhausgänge. Allerdings Straßen zu sehen. Doch wie kann Bewegungsimpuls um. Füße nach vorne kommen einem dabei die zehn Kiloman auf so einem Ding bloß das neigen – vorwärts fahren, Gewicht auf meter pro Stunde mindestens fünfmal Gleichgewicht halten? die Fersen – rückwärts fahren. Beides ge- so schnell vor.  Als reale Anwendungsmöglichkeit sind große Warenlager oder Archive

F OT     O  S : F LI  C K R   , P E  TE    R  P E A R SO   N     ;   /   W W  W .I O  H AW  K .D E 

Waveboard, Longboard, Pennyboard und iOHawk (v. l.): Gewöhnungsbedürftig sind Namen und Handhabung, der Fahrspaß unvergleichlich!

Haltungsnote

Knapp daneben

Seeluft hält jung

 Wahrheitsliebe kann fatal sein

mandant versenkte er auf Feindfahrten insgesamt 22 Schiffe mit 118.314 Bruttoregistertonnen, für die Operammer wieder verblüffend ist, daß tion „Paukenschlag“ vor der amerikaMenschen, die durch die schwere, nischen Küste Anfang 1942 erhielt der entbehrungsreiche Kriegszeit gegangen Haudegen das Ritterkreuz, drei Mosind, späterhin ein biblisches Alter er- nate später noch das Eichenlaub dareichen. So durfte vergangenen Freitag zu. Nach Kriegsgefangenschaft blieb ein bemerkenswerter Mann seinen 103. der vierfache Vater an Land, gründete Geburtstag feiern: Reinhard Hardegen die Bremer CDU mit: „Wir waren der Meinung, daß es zu viele ist der älteste noch lebende U-Boot-Kommandant der Sozis in Bremen gibt, und Kriegsmarine. Im Kreise vieler  wollten das ändern.“ Mit Gäste und im Geiste noch voll  weniger Erfolg freilich als sein Wirken auf See. Nach da, hob er das Glas und gab im eigenen Hause Schwänke zwanzig Jahren Bürgerund Anekdoten aus einem schaftsarbeit unternahm  Jahrhundertleben zum besten. er mit über 70 noch ausgedehnte Weltreisen, umIn Bremen geboren, trat er mit zwanzig in die Reichsmarundete Australien, durchrine ein, kam auf die „Gorch querte die NordwestpassaFock“. Als U-Boot-Kom- R. Hardegen ge. Ahoi, alter Seebär! CHRISTIAN RUDOLF

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 Wer Deutschland für kapitalistisch hält, der hält auch Kuba für demokratisch.“

    A     P     D    :     O     T     O     F

Guido Westerwelle (1961–2016)

denkbar, wo Mitarbeiter lange Wege über Flure zurücklegen müssen. Als Hobbygerät zu teuer und zu empfindlich gegenüber einem strapazierfähigen Skateboard. Und solange die Techniker noch kein Luftkissenbrett wie in „Zurück in die Zukunft II“ erfunden haben, sind die guten alten Kugellagerrollen immer noch erste Wahl. Wer Kinder hat, kann zudem heimlich den Fuhrpark des eigenen Nachwuchses nutzen, ohne sich beim Kauf eines „Titus“-Brettes als alter Sack zu blamieren.

KARL HEINZEN

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unsch und Wirklichkeit zu verwechseln ist, das hat sich in Europa herumgesprochen, ein Wesensmerkmal der Berliner Republik. Auch die Schüler der Hauptstadt sollen offenbar in diesem Geist erzogen werden. „Der rund drei Milliarden teure Flughafen Berlin-Brandenburg BER (auch BBI) bei Schönefeld ist“, so dürfen sie im Erdkundeunterricht aus der „Seydlitz Geographie“ lernen, „seit 2012 einziger Flughafen der Region.“ Klassenausflüge, um dieses Wunderwerk moderner Verkehrsplanung zu bewundern, finden allerdings wohl nicht statt. Dabei wäre es didaktisch reizvoll, Schüler mit der  Aufgabe zu befassen, ein neues Nutzungskonzept für die Luxusbauruine zu erstellen. Weniger Kompetenz als jene,

die hier bislang fünf Milliarden Euro in den Sand gesetzt haben, weisen sie sicher nicht auf. Ein Infrastrukturmuseum? Eher nicht, denn auch Museen müssen Brandschutzbestimmungen einhalten.

Lassen sich auf dem weitläufigen  Areal möglicherweise „Flüchtlinge“ unterbringen? Dazu sind die gespenstischen Bauten nicht nur zu deprimierend, sondern vor allem zu weit ab vom Schuß, um eine Integration von Be wohnern in den deutschen Alltag zu erlauben. Aber vielleicht ließe sich hier ein Infrastrukturmuseum einrichten, um die Erinnerung wachzuhalten, daß unsere Vorfahren große Bauvorhaben erfolgreich zum Abschluß brachten? Eher nicht, denn leider müssen auch

Museen Brandschutzbestimmungen einhalten. Als einziges Konzept dürfte daher der Abriß übrigbleiben. Auf dem Gelände könnte dann der Bund der Steuerzahler ein Mahnmal gegen die öffentliche Verschwendung errichten. In der nächsten Auflage von „Seydlitz Geographie“ werden die Schüler  jedoch, so deutet der herausgebende Verlag an, nicht mehr auf diese Aussage stoßen. Das ist zu bedauern. Wahrheitsliebe ist gut und schön. Wenn man sie übertreibt, können die Folgen jedoch fatal sein. Menschen ist nicht damit gedient, wenn man sie ständig mit Problemen konfrontiert, an denen sie sowieso nichts ändern können. Sie werden dann bloß schlecht gelaunt und unberechenbar. Wenn wir wollen, daß Jugendliche voller Optimismus in unsere Gesellschaft hineinwachsen, sollte dies uns ein paar Lügen wert sein.

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