[H_usel_Hans-Georg_Kauf_mich_wie_wir_zum_Kau_Book4.pdf

February 13, 2018 | Author: javierescritor14 | Category: Consciousness, Emotions, Self-Improvement, Unconscious Mind, Consumer Behaviour
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Inhaltsverzeichnis Vorwort Wie unser Gehirn beim Kaufen tickt Das Unbewusste – der wahre Kaufentscheider Warum das Gehirn Denken vermeidet Die Einflussmöglichkeiten unseres Unbewussten Wie Emotionen unsere Kaufwünsche steuern Die Emotionssysteme im Gehirn Balance: Wie wir Sicherheit kaufen Stimulanz: Wie wir Abwechslung kaufen Dominanz: Wie wir Durchsetzung kaufen Bindung und Fürsorge: Wie wir Zuneigung kaufen Sexualität: Wie wir Attraktivität kaufen Unser Wunsch nach Status und Individualität Wie (Kauf-)Stimmungen entstehen Warum Geld emotionalen Wert besitzt Kaufbeeinflussung durch Steinzeitprogramme Kaufverführung durch die Sinne Der Gesichtssinn Der Hörsinn Der Geruchssinn Der Geschmackssinn Der Tastsinn Alle Sinne zugleich: Wirkungsexplosion im Kopf Was uns noch beeinflusst Wie uns individuelle Gewohnheiten steuern Wie uns kulturelle Gewohnheiten lenken Wie uns Milieus prägen Wie uns Gruppennormen beeinflussen Was das situative Umfeld bewirkt Daumenregeln: schneller entscheiden So schützen Sie sich Wie uns Werbung verführt Wie Werbung im Gehirn wirkt Wie Aufmerksamkeit erregt wird

Auf leisen Sohlen ins Gehirn (Kauf-)Automatik durch Bekanntheit Wie unser Gehirn Wissen speichert Die Tricks der Werber Werbung emotionalisiert Inszenierung des Produktvorteils Status- und Individualitätsaufladung Liebes- und Sexualitätsversprechen „Gute Mutter“-Versprechen Unterschwellige Werbebotschaften Kleine Signale – große Wirkung Product Placement: Werbung durch die Hintertür Stars in der Werbung Autoritäten: Dr. Best lässt grüßen Schlüsselbilder: der schnelle Effekt Slogans: die Verstärker der Werbung Wie Werbung ihre Opfer findet Kundendaten: eine goldene Quelle Kunden- und Rabattkarten auswerten Geheimdienste ganz besonderer Art Suchmaschinen Social Networks Spuren aus dem Alltag Wohngegend Geschlecht, Alter und Zahlungsverhalten Die passgenaue Werbebotschaft So schützen Sie sich Warum wir billige Produkte teuer bezahlen Was Marken in unserem Gehirn anstellen Wie Marken unsere Wahl beeinflussen Wie uns Marken das Geld aus der Tasche ziehen Marken lösen Emotionen aus Marken erzählen Geschichten Die Placebowirkung Gemeinschaft und Abgrenzung Vertrauensverstärker Verpackungen – der schöne Schein Der erste Eindruck zählt

Verpackungen werten Produkte auf Bestätigung auf der Rückseite Wie uns Verpackungen täuschen Warum wir Mogelpackungen auf den Leim gehen Was uns das Gewicht suggeriert Was die Packungsoberfläche bewirkt Die versteckte Botschaft der Form Wie Geräusche verführen Warum wir gerne Illusionen kaufen Steigerung des Grundnutzens Zusatznutzen – das kleine „Mehr“ Löcher in den Sohlen machen Schuhe richtig teuer Wenn die Duschkabine zur Südseeinsel wird Nomen est Omen: Was Produktnamen auslösen Produkt-Tuning: den Sinnen schmeicheln Farben Geruch Geschmack Fühlen Hören Status und Distinktion So schützen Sie sich Warum wir mehr kaufen als geplant Wie unser Einkaufshirn vorprogrammiert wird Die Spar-Shoppingwelt Care-Shoppingwelt Die Erlebnis-Shoppingwelt Die Entdeckungs-Shoppingwelt Status-Shoppingwelt Power-Shoppingwelt Mehrkauf-Falle Supermarkt Der fehlende Einkaufszettel Hunger füllt den Einkaufskorb Warum Einkaufswägen immer eine Spur zu groß sind Warum die Obst- und Gemüseabteilung vorne ist Wie innere Landkarten genutzt werden Die unbewusste Wegeführung Links oder rechts herum?

Supermarkt als Schnäppchen-Parcours Wie alle Sinne umschmeichelt werden Warenpräsentation Licht Geruch als Appetitauslöser Geruch als Stimmungsaufheller Mit Musik richtig gestimmt Temperatur und Klima Kaufverführung im Regal Verführungszone Kasse Quengelware Kreditkarten erleichtern die Trennung vom Geld Wie Rabatte den Verstand blockieren Schnäppchen: Belohnung fürs Gehirn Wie Kaufgier ausgelöst wird Das Geheimnis der kleinen ersten Zahl Der Vorher-(Mond-)Preis Knappheit aktiviert das Jagd- und Beutemodul Rot und gelb: Wie aus Preisen Kampfpreise werden Der Schnaps obendrauf Bündelpreise: Versteckspiel mit dem Gehirn Massenpräsentation als Kaufauslöser Umfeld und Preiswahrnehmung Schlussverkäufe: Getürkte Ereignisse Wenn Käufer zu Tieren werden … So schützen Sie sich Welche Fallen im Verkaufsgespräch lauern Wie clevere Verkäufer unser Vertrauen gewinnen Der erste Eindruck zählt Die leichte Berührung zu Beginn Komplimente: die Zauberkraft der Verführung Kinder und Haustiere: der Geheimgang ins Gehirn Ähnlichkeiten herausstellen Auch der Popo redet mit Wie Geschenke wirken Wie wir zum Kaufen verführt werden Die Ja-Falle Die Fehlende-Alternativen-Falle Die Preistreiber-Falle

Wie Kaufemotionen aktiviert werden Menschenkenner – Menschenfänger Wie wir zum Kauf gedrängt werden Was typische Verkaufssituationen bewirken Kaffeefahrt Tupperware-Party Bankgespräch Urlaubskauf Weihnachtskäufe Wohnungsmakler und Wohnungskauf Telefonverkauf So schützen Sie sich Welcher Kauftyp sind sie? Die vier Kauftypen Testen Sie sich selbst Was Stimmung und Persönlichkeit bewirken Was uns als Menschen und Käufer unterscheidet Unsere Persönlichkeit bestimmt, was uns wichtig ist Die Testauswertung Was die vier Kauftypen auszeichnet Der Balance-Typ Der Harmonie-Typ Der Stimulanz-Typ Der Dominanz-Typ Die Verteilung der Kauftypen in der Bevölkerung Was Frauen und Männer beim Kaufen unterscheidet Was Frauen gerne kaufen Was Männer gerne kaufen Verkaufsargumente nach Geschlecht Warum Männer erfolgloser suchen Wie Männer und Frauen Sportartikel kaufen Wie Frauen und Männer Mode kaufen Verteilung der Kauftypen bei Frau und Mann Welche Rolle das Alter spielt 8 bis 12 Jahre: die Spontankäufer 14 bis 20 Jahre: die jungen Wilden Jungs: Orientierung an der Gruppe Mädchen: Hadern mit dem Spiegelbild

20 bis 30 Jahre: Freude am Konsum 30 bis 40 Jahre: die Zeit der Familiengründung 40 bis 50 Jahre: der überlegte Konsum 50 bis 60 Jahre: ein bisschen ruhiger 60 plus: sanfter Genuss und Sicherheit Ältere Menschen verlieren das Konsuminteresse Verteilung der Kauftypen in den Altersgruppen Die „neuen Alten“ So schützen Sie sich Der Autor Buchempfehlungen Stichwortverzeichnis Arbeitshilfen online Impressum

Vorwort Haben Sie an der Supermarktkasse oft auch viel mehr im Einkaufswagen, als Sie vorher planten? Haben Sie schon mal bei einem günstigen Sonderangebot ohne Nachdenken zugeschlagen und zu Hause festgestellt, dass Sie den gekauften Artikel eigentlich gar nicht so richtig brauchten? Besitzen Sie ein iPhone? Wenn Sie eine oder mehrere dieser Fragen mit „Ja“ beantwortet haben, geht es Ihnen wie 99 % der Bevölkerung: Wir werden oft zum Kaufen animiert, ohne dass wir das wollen. Aber warum funktioniert das? Die Antwort ist einfach: Weil wir, weit mehr als wir glauben, von unserem Unbewussten bestimmt werden. Dieser TaschenGuide soll Ihnen zeigen, wo und wie wir zum Kaufen beeinflusst werden, was dabei in unserem Gehirn abläuft und natürlich auch, wie man sich gegen diese Verführungen schützen kann. Dieses Buch ist fünf tollen Frauen gewidmet: Meiner Assistentin Marina Strachwitz, meiner Herzensfreundin Dr. Hanne Seelmann, meiner lieben Frau Iris und meinen bezaubernden Töchtern Felicia und Lisa. Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen! Dr. Hans-Georg Häusel

Wie unser Gehirn beim Kaufen tickt Weit mehr als wir nur im Entferntesten ahnen, werden wir von unserem Unbewussten gesteuert – auch und gerade beim Einkaufen. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum unser Gehirn das Denken vermeidet, wo und wie unsere Kaufwünsche entstehen, welche zum Teil widersprüchlichen Emotionen uns dabei leiten, wie wir über unsere Sinne manipuliert und zum Kaufen verführt werden und welchen Einfluss Kultur, gesellschaftliche Schicht- und Gruppenzugehörigkeit auf unser Konsumverhalten haben.

Das Unbewusste – der wahre Kaufentscheider Wenn Sie sich selbst oder Ihre Freunde oder Freundinnen fragen, warum sie etwas gekauft haben und wie diese Entscheidung gefallen ist, dann werden alle antworten: Wir haben bewusst gekauft und unsere Einkaufsentscheidungen rational getroffen. Dieses Bild des mündigen und bewussten Konsumenten prägt bis heute unser Selbstbild und damit auch die öffentliche Meinung. Es gibt allerdings ein Problem dabei: Es ist völlig falsch. Die moderne Hirnforschung zeigt nämlich, dass 70 bis 80 % unserer Entscheidungen unbewusst fallen und auch die verbleibenden 20 bis 30 % längst nicht so frei sind, wie wir glauben. Da wir aber in unser Unbewusstes keinen Einblick haben, glauben wir auch nicht, dass es das Unbewusste gibt. Doch das ist ein gewaltiger Irrtum. Ein kleines Beispiel soll uns das verdeutlichen. Beispiel Eine Bäckerei war mit ihrem Umsatz nicht so recht zufrieden. Der Inhaber überlegte, was er tun könnte, um seinen Umsatz zu steigern. Er kam auf die Idee, die Luft aus seiner Backstube nicht in den Hof, sondern direkt auf die Straße zu leiten. Der Erfolg war gigantisch: 22 % mehr Umsatz! Warum? Weil der frische Brötchenduft direkt über die Nase das Genuss- und Lustzentrum im Gehirn der vorbeilaufenden Passanten aktiviert hatte und diese – magisch angezogen – in die Bäckerei strömten. Warum sie dies taten, konnten sie selbst nicht erklären.

Um zu verstehen, warum unser Unbewusstes so einen großen Einfluss auf unser Verhalten und unsere Kaufentscheidungen hat, müssen wir die Funktionsweise unseres Gehirns verstehen. Wir glauben ja immer, dass unser Gehirn gerne und bewusst denkt, doch das ist ein Irrtum.

Warum das Gehirn Denken vermeidet Erinnern Sie sich noch an Ihre Schulzeit, wie Sie über einer Matheaufgabe gebrütet haben und plötzlich feststellten, dass Sie mit Ihren Gedanken irgendwo völlig anders waren? Warum ist das passiert? Ihr Gehirn hat Ihnen einen Streich gespielt und ist einfach „abgehauen“. Im Volksmund heißt es „Unser Kopf raucht“, wenn wir angestrengt nachdenken – und das ist tatsächlich ein Grund, warum unser Gehirn Denken vermeidet: Denken kostet ungeheuer viel Energie! Unser Gehirn macht nur 2 % der Körpermasse aus. Wenn wir denken, verbrauchen wir aber 20 % unserer gesamten Körperenergie. In der Evolution jedoch sind die Lebewesen am erfolgreichsten, die am meisten Energie sparen. Denn nutzlos vergeudete Energie kann nicht in die Nachkommen bzw. Kinder gesteckt werden. Der Effekt: Energieverschwender sterben aus. Auch beim Einkaufen möchte es sich unser Gehirn möglichst einfach machen und nicht allzu viel nachdenken. Wichtig Weil Denken ungeheuer viel Energie kostet und längst nicht so effizient ist, wie wir glauben, versucht unser Gehirn auch beim Einkaufen das Denken, wann immer es geht, zu vermeiden.

Die Einflussmöglichkeiten unseres Unbewussten Ein weiterer Grund, warum unser Gehirn das Denken vermeidet, ist, dass unser bewusstes Denken gar nicht so effizient und klug ist, wie wir glauben. Das Gegenteil ist der Fall: Unser bewusstes Denken schafft in der Sekunde 40 Bits. Unser unbewusstes Denken – ja, das Gehirn denkt unbewusst – schafft dagegen 11 Millionen Bits. Mit anderen Worten: Unser „Bauch“ ist oft viel klüger als unser Verstand. Damit keine Missverständnisse entstehen: Alle Entscheidungen fallen im Gehirn! Da Entscheidungen aber immer emotional sind und Emotionen unsere Körperzustände verändern, spüren wir oft bei Entscheidungen, wie unser Herz schneller schlägt und sich unser Bauch zusammenzieht. Im nächsten Abschnitt, wenn es um Emotionen geht, werden wir darauf nochmals eingehen. Warum ist das Unbewusste so klug? Die Antwort darauf ist relativ einfach: Weil im Unbewussten alle Erfahrungen und Programme gespeichert sind, die unsere Überlebens- und Fortpflanzungschancen erhöhen.

Wichtig Im Unbewussten sind alle biologischen Überlebensprogramme ebenso gespeichert, wie unsere kulturellen, sozialen und individuellen Erfahrungen. Diese Erfahrungen und Programme sind teilweise längst in unseren Genen und in unserer Hirnstruktur verankert und beeinflussen unsere Kaufentscheidungen in hohem Maße. Man kann die unbewussten Kaufbeeinflussungsprogramme in verschiedenen Ebenen darstellen: Unbewusste kulturelle und situative Kaufbeeinflussung Kultur, Milieu und Gruppen Daumenregeln und situative Reaktionen Unbewusste biologische Kaufbeeinflussung Emotionen Überlebensprogramme Sinne Während ich in dieser Aufzählung top to down vorgegangen bin, funktioniert es in unserem Gehirn genau anders herum. Am tiefsten im Gehirn und am weitesten unten verankert sind die biologischen Programme. Ihre Verarbeitung beginnt schon im Hirnstamm und den älteren Bereichen des sogenannten limbischen Systems und steuert und beeinflusst von dort unser bewusstes Denken, das eher im Großhirn stattfindet. Diese Hirnstrukturen sind entwicklungsgeschichtlich sehr alt und in ähnlicher Form bei allen Säugetieren zu finden. Oben im Gehirn ist das Großhirn. Das findet sich zwar auch bei den Säugetieren, aber beim Menschen ist es am differenziertesten und am weitesten entwickelt. Weil unser Großhirn viel schneller und flexibler lernt und agiert als die entwicklungsgeschichtlich älteren Strukturen, finden die kulturellen, sozialen und situativen Programme eher im Großhirn statt. Allerdings führen diese Ebenen kein getrenntes Eigenleben, sondern sind im Gehirn vielfach vernetzt.

Wo die Kaufbeeinflussungsprogramme im Gehirn wirken.

In die unbewussten Verarbeitungsmechanismen unseres Gehirns haben wir aber keinen Einblick – wir bekommen nur das Ergebnis in unser Bewusstsein gespielt. Der deutsche Hirnforscher Gerhard Roth hat das einmal so erklärt: „Das Bewusstsein gleicht einem Regierungssprecher, der auf die eigentlichen Entscheidungen keinen Einfluss hat und auch nicht weiß, wie sie in den Hinterzimmern der Politik entstanden sind.“ Noch knapper formuliert es der australische Hirnforscher Alain Synder. Wichtig „Bewusstsein ist nur eine PR-Aktion Ihres Gehirns, damit Sie denken, dass Sie auch noch was zu sagen hätten.“ Damit wir besser verstehen, wo und wie wir unbewusst beeinflusst werden können, müssen wir uns mit den Ebenen unseres Unbewussten und ihren unzähligen Einflussmöglichkeiten auf unsere Kaufentscheidungen etwas näher beschäftigen.

Wie Emotionen unsere Kaufwünsche steuern Haben Sie sich schon einmal darüber Gedanken gemacht, warum Sie überhaupt etwas kaufen – was Sie also zum Kaufen treibt? Wahrscheinlich nicht. Wir nehmen es als ganz normal hin, dass wir uns eine neue Hose, ein Auto, eine Limonade kaufen oder einen Abenteuerurlaub buchen. Was wir dabei nicht bemerken, ist, dass wir unbewusst zum Kauf getrieben werden. Die Antreiber sind unsere Emotionssysteme im Gehirn. Und sie sind nicht nur Antreiber – sie entscheiden erheblich mit, was gefällt und was nicht.

Bevor wir uns etwas genauer mit den Emotionssystemen beschäftigen, gilt es zu klären, was Emotionen überhaupt sind. Wichtig Emotionen sind unsere inneren Triebwerke, die uns aktivieren. Gleichzeitig sind sie unser Autopilot, der uns zeigt, ob wir auf Kurs sind und was wichtig und bedeutend für uns ist. Doch woher wissen die Emotionen, worauf es ankommt? Die Antwort: aus der Evolution. In unseren Emotionssystemen sind Erfahrungen über Milliarden von Jahren gespeichert, die das Überleben und die Fortpflanzung sichern. In der Alltagssprache werden Emotion und Gefühl oft synonym verwendet – doch das ist zu kurz gegriffen, wie Sie in der folgenden Tabelle sehen. Hinter dem Begriff „Emotion“ verbergen sich verschiedene Merkmale. Übersicht: Die Merkmale von „Emotion“ Merkmal

Erklärung

Gefühle

Die Wirkung der Emotionssysteme erfahren wir in unserem Bewusstsein als Gefühl. Gefühle sind also die „sichtbare“ Spitze unserer unbewussten Verarbeitung.

Belohnung/ Bestrafung

Die Emotionssysteme im Gehirn haben zwei Seiten. Eine belohnende Seite und eine bestrafende Seite. Wenn das Belohnungssystem aktiv ist, erleben wir das als positive Gefühle (Freude, Stolz, Liebe usw.). Wenn das Bestrafungssystem aktiv ist, macht sich das in negativen Gefühlen bemerkbar (Angst, Ärger, Trauer usw.)

Körperliche Reaktion

Da Emotionen unser Überleben und unsere Fortpflanzung sichern, muss auch unser Körper „mitmachen“. Bei Gefahr etwa müssen wir flüchten: Das Herz schlägt schneller, der Bauch zieht sich zusammen und unsere Muskeln werden besser durchblutet.

Wir wissen jetzt ungefähr, was Emotionen sind. Die Frage, die für uns besonders wichtig ist, lautet: Welche Emotionssysteme gibt es im Gehirn und welche Kaufwünsche leiten sich davon ab?

Die Emotionssysteme im Gehirn Welche Emotionssysteme gibt es nun in unserem Gehirn? In einer umfangreichen Forschungsarbeit verknüpften wir die vielfältigen Erkenntnisse der Hirnforschung mit bestehendem Wissen der Psychologie und umfangreichen eigenen Untersuchungen zu einem in dieser Form weltweit einzigartigen EmotionsGesamtmodell. Sein Name ist: Limbic® (mehr darüber finden Sie unter www.haeusel.com). Der Name hängt damit zusammen, dass die Bereiche im Gehirn, die mit der Emotionsverarbeitung beschäftigt sind, als limbisches System bezeichnet werden. Wie sieht nun das emotionale Betriebssystem in unserem Kaufhirn genauer aus?

Im Zentrum aller Emotionssysteme stehen die sogenannten physiologischen Vitalbedürfnisse, wie Hunger, Durst, Schlaf und Atmung. Mit diesen Bedürfnissen werden wir uns nicht weiter befassen. Neben diesen Vitalbedürfnissen gibt es drei große Emotionssysteme: Balance Ziel und Zweck: Sicherheit, Risikovermeidung, Stabilität, Aufbau von Gewohnheiten Dominanz Ziel und Zweck: Selbstdurchsetzung, Konkurrenzverdrängung, Autonomie Stimulanz Ziel und Zweck: Entdeckung von Neuem, Lernen von neuen Fähigkeiten

Die Emotionssysteme im Gehirn

Im Laufe der Evolution haben sich zusätzliche Emotionssysteme im Gehirn entwickelt. Besonders wichtig bei uns Menschen ist das Sozialsystem, das aus einem Bindungs- und Fürsorge-Modul besteht. Bindung Ziel und Zweck: Soziale Sicherheit Fürsorge Ziel und Zweck: Nächstenliebe Ein bedeutendes Emotionssystem fehlt noch: Sexualität Ziel und Zweck: Fortpflanzung

Die Sexualität ist evolutionsbiologisch später entstanden und hat sich teilweise bestehende Hirnstrukturen und vorhandene Hormone zu Nutze gemacht. Die männliche Sexualität ist eng mit dem Dominanz-System im Gehirn gekoppelt, die weibliche dagegen ist enger mit dem Bindungs- und Fürsorgesystem verknüpft. Im letzten Kapitel dieses Buchs, wenn es um Persönlichkeitsunterschiede geht, werden wir darauf nochmals eingehen. Die enge Verknüpfung der Sexualität mit den anderen Emotionssystemen führt dazu, dass der Kauf vieler Produkte auch einen sexuellen Ursprung hat. Wenn sich ein Mann einen Sportwagen kauft, ist das ein Potenzbeweis. Wenn sich eine Frau ein modisches Top kauft, will sie damit einen Sexualpartner anlocken. Wir betrachten jetzt, wie sich die Emotionssysteme beim Kaufen auswirken. Wichtig Viele Produkte haben auch einen sexuellen Hintergrund. Zum Beispiel bei Männern der PS-starke Sportwagen, bei Frauen das neue Outfit. Balance: Wie wir Sicherheit kaufen Wir beginnen mit dem stärksten Emotionssystem im Gehirn – dem BalanceSystem. Es bringt uns dazu, nach Sicherheit zu streben, Risiken zu vermeiden und Stabilität und Ordnung in unser Leben zu bringen. Das beginnt schon auf der körperlichen Ebene: Das Balance-System sorgt dafür, dass wir unseren Körper in Ordnung halten wollen. Gesundheitsprodukte sind deshalb Balance-Produkte. Wenn wir nun in höhere geistige Sphären aufsteigen – denken wir beispielsweise an den Glauben oder Esoterik –, treffen wir wieder auf das Balance-System: Denn die wichtigste Funktion des Glaubens ist es, uns Halt und Sicherheit im Diesseits und im Jenseits zu geben. Wenn wir also in der Buchhandlung ein Esoterikbuch kaufen, führt das Balance-System die Regie in unserem Kopf. Diese Beispiele sollen Ihnen verdeutlichen, dass unsere Emotionssysteme unser gesamtes Leben durchdringen – von einfachen körperlichen bis zu hochgeistigen Dingen. Wichtig Das Balance-System bewirkt, dass wir nach Sicherheit streben, Gefahren vermeiden und Gewohnheiten aufbauen. Es ist das stärkste Emotionssystem in unserem Gehirn. Nun werfen wir einen Blick in die Konsumwelt und schauen uns an, welche Produkte und Dienstleistungen auf das Balance-System zurückzuführen sind. Die Tabelle ist natürlich nicht vollständig, aber wenn Sie das Prinzip erkannt haben, werden Sie in Ihrem Leben viele weitere Balance-Produkte entdecken. Balance-System: Produkte und Dienstleistungen

Produkte

Wunsch nach …

Gesundheitsprodukte

körperlicher Konstanz, Sicherheit und Wohlbefinden

Bioprodukte

Herkunfts- und Erzeugungssicherheit

Versicherungen

Sicherheit und Risikobegrenzung

Putz- und Reinigungsmittel

Ordnung und Sauberkeit

Schließ- und Sicherheitssysteme

Sicherheit und Geborgenheit im Haus

Airbags, ABS und Co.

Fahrsicherheit

Ratgeberbücher

Orientierung und Sicherheit

Stimulanz: Wie wir Abwechslung kaufen Während das Balance-System uns dazu bringt, Sicherheit und Konstanz im Leben zu suchen, ist das Stimulanz-System der große Gegenspieler im Gehirn: Es hasst Sicherheit und Konstanz. Hier erkennen wir auch, dass die Emotionssysteme in unserem Gehirn einer übergeordneten Logik folgen. Während das Stimulanz- und das Dominanz-System Risiko und Herausforderungen lieben, versucht das Balance-System jedes Risiko zu vermeiden. Im Alltag führt das oft dazu, dass wir bei Entscheidungen innerlich hin- und hergerissen sind. Diese Konflikte spielen sich in unserem Bewusstsein als innerer Dialog in etwa so ab: Stimulanz-System: „Ich will mir einen neuen iPod kaufen.“ Balance-System: „Du hast kein Geld dafür. Wenn du ihn kaufst, kannst du deine Miete nicht mehr bezahlen.“ Wichtig Das Stimulanz-System ist für unsere Neugier zuständig. Es gibt uns vor, nach Neuem Ausschau zu halten und Neues zu entdecken. Das Stimulanz-System treibt uns an, neue Erfahrungen zu machen, Gewohnheiten zu durchbrechen und die Welt zu entdecken. Die folgende Tabelle zeigt typische Stimulanz-Produkte. Stimulanz-System: Produkte und Dienstleistungen Produkte

Wunsch nach …

Unterhaltungselektronik

Abwechslung

Genussmittel

neuen Geschmackserfahrungen

Urlaubsreisen

neuen Eindrücken

Unterhaltungsliteratur

geistiger Abwechslung

Musik

auditiver Abwechslung

Kino

Erlebnis

Spiele

„Kick“ und Abwechslung

Dominanz: Wie wir Durchsetzung kaufen

Das Leben ist hart, die Ressourcen sind begrenzt und der Wettbewerb ist groß. Nicht ohne Grund ist deshalb in der Evolution das Dominanz-System entstanden, das uns hilft, uns im Leben durchzusetzen und unsere Ziele zu erreichen. Aufgabe des Dominanz-Systems ist es, uns effizienter, stärker und besser zu machen. Wichtig Das Dominanz-System weckt in uns das Bedürfnis, uns durchzusetzen und in der sozialen Hierarchie nach oben zu streben. Es ist aber auch das System im Gehirn, das uns nach Macht und Ressourcen streben lässt und uns dazu bringt zu versuchen, unseren Status zu erhöhen. Die negative Seite des Dominanz-Systems liegt auf der Hand: Es ist das Neid- und Aggressions-System in unserem Gehirn. Die folgende Tabelle zeigt typische Dominanz-Produkte. Dominanz-System: Produkte und Dienstleistungen Produkte

Wunsch nach …

Automobil

größerer Freiheit und Mobilität

Maschinen und Computer

höherer Leistungsfähigkeit

Funktionskleidung

Leistungssteigerung

Sportgeräte

Leistungssteigerung

Waffen

Konkurrenzverdrängung

Kampfspiele

Sieg und „Kick“

Bindung und Fürsorge: Wie wir Zuneigung kaufen Der Mensch geht ohne sozialen Anschluss zugrunde; er kann alleine nicht leben. Er bindet sich schon als Baby an seine Mutter, weil sie ihm Sicherheit und Geborgenheit gibt, die Mutter wiederum antwortet auf den Bindungswunsch des Babys mit Fürsorge. Bindung und Fürsorge sind ein unzertrennliches Paar, das in allen sozialen Beziehungen zum Ausdruck kommt: in der Elternliebe, in der Partnerschaft, in der Familie, bei Freundschaften und letztlich auch in der (Haus)Tierliebe. Wichtig Das Bindungs- und Fürsorge-System ist der große Gegenspieler des Dominanz-Systems in unserem Gehirn. Es sorgt dafür, uns um unsere Kinder, unseren Partner, aber auch um andere Menschen (und Tiere) zu kümmern. Kein Wunder, dass auch das Sozialsystem in vielen Konsumprodukten zum

Ausdruck kommt. Die Tabelle zeigt typische Sozial-Produkte. Bindungs- und Fürsorge-System: Produkte und Dienstleistungen Produkte

Wünsche

Geschenke aller Art

Wunsch nach Stärkung der sozialen Bindung und „Liebesbeweis“

Baby- und Kinderprodukte

Wunsch, dass es dem Nachwuchs gut geht

Tierprodukte

Wunsch, dass es dem Haustier gut geht

Sexualität: Wie wir Attraktivität kaufen Die Sexualität hat nur ein Ziel: dass wir uns fortpflanzen und möglichst viele unserer Gene gesund und munter in die nächste Generation bringen. Damit uns das gelingt, brauchen wir einen Sexualpartner und der muss zunächst einmal angelockt werden. Aus evolutionsbiologischen Gründen sind die Attraktivitätsmerkmale von Männern und Frauen höchst unterschiedlich. Wertet man beispielsweise weltweit Partnerschafts- und Heiratsanzeigen aus, gibt es ein klares Muster: Frauen werben mit ihrer Schönheit und Attraktivität, Männer werben mit Status, Stärke und finanzieller Macht. Warum das so ist, habe ich zum Beispiel in meinem Buch „Brain View – Warum Kunden kaufen“ ausführlich beschrieben (siehe Literaturverzeichnis). Auch unsere Konsumwelt ist von Produkten durchdrungen, die versprechen unsere sexuelle Attraktivität zu steigern. Die Tabelle zeigt typische Sexualprodukte. Sexualitäts-System: Produkte und Dienstleistungen Produkte

Wünsche

Kosmetik (w)

„Ich will attraktiv sein.“

Mode (w)

„Ich will auffallen.“

Sportwagen (m)

„Ich will meine Potenz zeigen.“

Fitnessstudio (m)

„Ich will meine Stärke und Potenz steigern.“

Fitnessstudio (w)

„Ich will meinen Körper attraktiv machen.“

Bei Produkten, die etwas mit Sexualität zu tun haben, stoßen wir auf einen wichtigen Aspekt vieler Konsumprodukte: Wir kaufen Produkte nicht nur, weil sie uns selbst einen direkten emotionalen Nutzen bescheren, wir kaufen Produkte auch, um den anderen etwas zu zeigen und zu beweisen. Im Falle der Sexualität ist es die Attraktivität. Gerade dieser zweite Aspekt macht Produkte oft teuer – und besonders attraktiv. Diesen Aspekt schauen wir uns etwas genauer an. Unser Wunsch nach Status und Individualität

Der Mensch lebt in einer sozialen Gemeinschaft. Die Treiber hierfür sind das Bindungs- und Fürsorge-System – aber auch das Balance-System: Wir wollen Teil einer großen Gruppe sein und wollen zur Gemeinschaft gehören. Der Wunsch nach Harmonie und Gleichheit in der Gruppe wird durch die beiden großen Gegenspieler des Balance-Systems, dem Dominanz- und Stimulanz-System, erheblich gestört. Diese beiden verfolgen nämlich ein anderes Ziel – sie treiben uns an, uns von der breiten Masse abzuheben: Das Dominanz-System ist der Treiber unseres Wunsches nach Status und Macht. Das Stimulanz-System ist der Treiber unseres Wunsches nach Anderssein und Individualität. Während wir für Produkte, die kein soziales Unterscheidungsversprechen haben, also Massenprodukte, relativ wenig bezahlen, wird es bei Produkten, die Status oder/und Individualität versprechen, teuer. Beginnen wir mit dem Statusversprechen. Beispiel Eine normale Armbanduhr mit einem Quarzwerk bekommen Sie ab etwa 30 EUR. Wenn Sie eine Uhr mit Statusversprechen kaufen, zum Beispiel eine Rolex, sind Sie gleich mit 10.000 EUR dabei. Sie werden mit der Rolex keine Sekunde Zeit gewinnen und sie geht auch nicht genauer als eine billige Uhr. Ein anderes Beispiel: Für ein Kilogramm VW Golf bezahlen Sie 18 EUR für ein Kilogramm Rolls Royce müssen Sie 160 EUR berappen. Das gleiche Spiel läuft auch mit der Individualität ab. Ein normales Mineralwasser kostet ca. 60 Cent. Wenn Sie aber mit Paris Hilton und anderen Individualisten mithalten wollen, kaufen Sie ein „Bling-Wasser“ für 60 EUR. Geschmacklich werden Sie keinen großen Unterschied feststellen. Nun werden Sie sagen, das sei aber extrem und habe nichts mit Ihrem Alltag zu tun – deshalb ein anderes Beispiel: Haben Sie ein iPad oder ein iPhone? Wenn Ja: Herzliche Grüße aus Ihrem Stimulanz- und Dominanzsystem, die sich einfach nach etwas Status und Individualität gesehnt haben.

Wie (Kauf-)Stimmungen entstehen Erinnern Sie sich an Ihren letzten Einkaufsbummel im Urlaub und vor allem, dass Sie weit mehr Geld ausgegeben haben, als Sie eigentlich wollten? Woran liegt das? Ganz einfach – Sie waren in bester Stimmung. Im Urlaub vergessen wir die Sorgen des Alltags, das pessimistische Balance-System wird ausgeschaltet. Das Balance-System mahnt uns zur Vorsicht auch beim Geldausgeben und ist deshalb

unser „Sparsystem“ im Gehirn. Im Urlaub erleben wir neue spannende Dinge, das optimistische Stimulanz-System führt deshalb dort die Regie im Kopf. Das Stimulanz-System liebt aber auch das Risiko. Der Effekt: Wir geben mehr Geld aus, als wir uns eigentlich leisten können. Diesen Stimmungseffekt erleben wir nicht nur im Urlaub. Bei guter Stimmung können wir leichter verführt werden und geben deshalb mehr Geld aus, als wenn wir schlechter Stimmung sind.

Warum Geld emotionalen Wert besitzt Wie wir gesehen haben, sind die Emotionssysteme die großen Treiber in unserem Gehirn. Sie geben uns unsere Ziele vor und sie sagen uns, was für uns wichtig ist. Man kann es auch so ausdrücken: Nur Dinge und Ereignisse, die Emotionen auslösen, haben für unser Gehirn Wert und Bedeutung. Jetzt werden Sie einwenden: Das mag ja sein – aber Geld, das ich zählen kann, folgt doch einer anderen Logik. Leider nicht: Denn Geld ist für unser Gehirn ein hochemotionales Medium. Man muss sich nur fragen: Warum ist Geld für uns so attraktiv? Ganz einfach: Weil wir uns mit Geld fast alle unsere Wünsche erfüllen können. Wir können in den Urlaub fahren, ein neues Auto kaufen oder unsere Altersvorsorge verbessern. All diese Wünsche und Motive sind aber höchst emotional. Geld ist ein generalisiertes Wertsymbol. Wichtig Geld ist konzentrierte Lust in unserer Hosentasche, verbunden mit einer Zukunftsoption. Wenn ich Geld habe, erweitern sich meine zukünftigen Möglichkeiten. Geld ist ein Universaljoker zur Befriedigung unserer Wünsche. Die Rechnung des Gehirns folgt einer einfachen Logik: Der generalisierte Emotionswert des Geldes wird mit dem konkreten Emotionswert des Angebots verrechnet. Strahlt das Angebot nur schwache Emotionen aus, bleibt das wertvolle Geld im Geldbeutel. Aktiviert das Angebot gleichzeitig viele Emotionssysteme im Gehirn, steigt der Wert des Produktes für den Konsumenten – er ist bereit, dafür Geld auszugeben. Die Wirkung von Geld kann man auch im Hirntomogramm bestens beobachten. Gewinnen wir Geld oder sehen wir ein attraktives Produkt, dann leuchtet das Belohnungszentrum – der Nucleus accumbens – hell auf. Verlieren wir Geld oder zeigen wir dem Gehirn, was das attraktive Produkt kostet, wird die Insula im Gehirn aktiv. Diese ist auch aktiv, wenn wir Zahnschmerz haben. Wichtig Die Trennung von Geld ist für unser Gehirn ein extrem schmerzhafter und unlustvoller Prozess und aktiviert die gleichen Hirnzentren wie

Zahnschmerz. Diese Trennung erfolgt nur, wenn auf der anderen Waagschale viele Emotionen zur Wiedergutmachung aufgelegt werden. Je stärker die (positiven) Emotionen sind, die von einem Produkt, einer Dienstleistung oder/und einer Marke vermittelt werden und je mehr negative Emotionen vermieden werden, desto wertvoller sind Produkt, Marke oder Dienstleistung für das Gehirn und desto eher sind wir auch bereit, Geld dafür auszugeben.

Kaufbeeinflussung durch Steinzeitprogramme Die emotionale Bewertung von Situationen und Dingen braucht immer etwas Zeit, und in der Regel ist das kein Problem. Um das Gehirn zu entlasten, haben sich im Laufe der Evolution kleine Automatikprogramme entwickelt, die eng mit den Grundemotionssystemen verknüpft sind, aber quasi auf Knopfdruck ablaufen, um unsere Überlebens- und Fortpflanzungschancen zu erhören. Diese Programme sind in der langen Evolutionsgeschichte vom Tier zum Mensch entstanden und beeinflussen bis heute auch unser Kaufverhalten, ohne dass wir diesen Einfluss in unserem Bewusstsein bemerken. Um zu verdeutlichen, was ich meine, schauen Sie sich mal diese beiden Kaffeemaschinen genauer an. Was fällt Ihnen auf?

Was fällt Ihnen beim Vergleich dieser Kaffeemaschinen auf? (Quelle: Prof. Dr. Andreas Herrmann, Marketing Review 2/2007)

Zunächst wird es Ihnen so gehen, wie den meisten meiner Zuhörer auf meinen Vorträgen: Sie werden wenig bemerken. Doch wenn Sie genauer hinschauen, gibt es einen großen Unterschied: Die eine Kaffeemaschine lächelt, die andere schaut traurig und zieht die Mundwinkel herunter. Der St. Gallener Forscher, Professor Andreas Herrmann, hat nun nachgewiesen, dass die Kaufbereitschaft für die lachende Maschine erheblich größer ist als für die traurige – und das, obwohl die meisten Versuchspersonen die Unterschiede nicht bewusst erkannt hatten. Woran

liegt das? Aus evolutionsbiologischer Sicht kann der Mensch nur in der sozialen Gruppe überleben. Wir brauchen die Mutter, die uns ernährt, wir brauchen die Familie, wir brauchen die Freunde und heutzutage die Gesellschaft mit Krankenhäusern, Feuerwehr usw. Kurz gesagt: Der Mensch ist ein Sozialwesen und, um zu überleben, muss er in Sekundenschnelle erkennen, wem er vertrauen kann und von wem er sich besser fernhält. Das bei weitem wichtigste soziale Signal ist das menschliche Gesicht. Neugeborene lächeln schon nach wenigen Tagen zurück, wenn sie von der Mutter angelächelt werden. In unserem Gehirn haben wir sogenannte Spiegelneuronen, die uns mit dem anderen unbewusst synchronisieren. Wenn wir angelächelt werden, bringen die Spiegelneuronen auch uns in eine freundliche Stimmung, zudem finden wir den anderen sympathisch. Und genau deshalb wird die freundliche Kaffeemaschine häufiger gekauft: Die Kaufstimmung wird positiv beeinflusst und das Produkt erscheint sympathischer. Wenden wir uns nun einem weiteren Beispiel aus dem Repertoire der Überlebensprogramme zu. Beispiel Sie gehen in ein Restaurant. Es ist noch ziemlich leer und die Kellnerin sagt Ihnen, dass Sie Ihren Tisch frei wählen könnten. Welche Plätze im Restaurant werden Sie wie alle Gäste bevorzugen? Die in den Ecken! Die Tische in der Mitte des Lokals werden immer erst dann besetzt, wenn die Plätze in den Ecken und entlang des Randes besetzt sind. Woher kommt‘s? In unserem Gehirn ist seit Urzeiten ein „Höhlenprogramm“ gespeichert. Unsere Ur-Ur-UrVorfahren haben früh gelernt, dass die Ecken in den Höhlen die sichersten Plätze waren, weil dort von der Seite oder von hinten kein Bär oder Säbelzahntiger kommen konnte. Clevere Wirte machen ihre Restaurants anziehender, indem sie künstliche Nischen und Ecken schaffen und so das Angebot an attraktiven Plätzen erhöhen. In unserem Gehirn gibt es viele weitere solcher kleineren und größeren Programme, die wichtigsten werden wir im Laufe des Buches in verschiedenen Situationen noch kennenlernen.

Kaufverführung durch die Sinne Als ich noch ein kleiner Junge war, sagte mein Vater einmal zu mir: „Ich glaube nur, was ich sehe“. Vielen Menschen geht es wie ihm: Sie vertrauen ganz und gar auf ihre Augen und ihre Sinne und glauben, dass die Welt genau so wäre, wie sie sie gerade wahrnehmen. Dass aber unsere Sinnesverarbeitung im Gehirn weitgehend unbewusst abläuft und viele Störer darauf einwirken, ahnen sie nicht.

Zudem arbeiten unsere Sinne nicht unabhängig voneinander, vielmehr beeinflussen sie sich in hohem Maße gegenseitig. Und sie sind aufs Engste mit unseren Emotionssystemen im Gehirn verknüpft und aktivieren diese, ohne dass es uns bewusst würde. Werfen wir deshalb einen Blick auf die unbewusste Beeinflussung durch unsere Sinne.

Der Gesichtssinn Ohne Zweifel sind unsere Augen und unser Gesichtssinn unser wichtigstes Wahrnehmungssystem. Aber dieses ist keinesfalls so objektiv, wie wir glauben – denken wir dabei nur an die vielen optischen Täuschungen –, sondern es beeinflusst unsere Produktwahrnehmung unbewusst in höchstem Maße, wie das folgende Beispiel zeigt. Beispiel Versuchspersonen wurde Orangensaft in zwei Gläsern serviert. Es war der gleiche Orangensaft! Allerdings gab es einen kleinen Unterschied: In einem Glas wurde der Saft mit einem geschmacksneutralen Lebensmittelfarbstoff etwas dunkler eingefärbt – der Saft sah etwas „kräftiger“ aus. Nun ließ man die Versuchspersonen diesen Saft kosten und fragte sie, welcher Saft besser schmecken würde und welchen sie kaufen würden. Das Ergebnis: 67 % der Versuchspersonen bewerteten den dunkleren Saft als geschmacklich weit besser und präferierten deshalb seinen Kauf – obwohl es objektiv geschmacklich derselbe Saft war. Dieses Beispiel zeigt zum einen, dass unser Gesichtssinn die Tatsachen ganz schön verdrehen kann, es zeigt aber noch etwas Wichtiges: Unsere Sinne beeinflussen sich in erheblichen Maße gegenseitig! Im Beispiel hat der Gesichtssinn den Geschmackssinn überlistet. Ebensolche unbewussten Beeinflussungen sind es, die Profis nutzen, um unsere Kaufentscheidungen zu beeinflussen. Wie sie das tun – etwa indem sie Farben gezielt einsetzen – erfahren Sie später.

Der Hörsinn Dass die „Ohren“ uns und unsere Stimmung gewaltig beeinflussen können, erleben wir ja jeden Tag, wenn wir Musik hören. Die Stimmung, die wir erleben, wenn wir z. B. „Air“ von J. S. Bach hören, ist eine völlig andere als die von „Highway to Hell“ von AC/DC. Bei Bach fühlen wir uns entspannt, bei AC/DC eher aufgekratzt. Da Stimmungen einen hohen Einfluss auf unser Kaufverhalten haben, kann man es mit Musik natürlich erheblich beeinflussen. In einem späteren Kapitel werden wir hier noch in die Tiefe gehen.

Es ist aber nicht nur die Musik, die unser Kaufverhalten beeinflusst, es sind auch die Töne und Geräusche, die von einem Produkt selbst ausgehen, wie das nächste Beispiel zeigt. Beispiel Einer der erfolgreichsten Haushaltsgeräteverkäufer einer Elektromarktkette lüftete abends beim Bier das Geheimnis. Wie gelingt es ihm, weit überdurchschnittlich viele Waschmaschinen einer deutschen Premiummarke zu verkaufen, obwohl diese oft 30 bis 40 % teurer als die Geräte der Wettbewerber sind. Sein Geheimnis: „Bevor ich über Eigenschaften und Vorteile usw. spreche, bringe ich die Kunden zunächst zum billigeren Produkt und schlage die Waschmaschinentür zu. Das Geräusch ist meist ein helles, durchsichtiges ‚Klack’. Dann gehe ich zum Premiumprodukt und mache das Gleiche wieder. Hier hört der Kunde ein anderes Geräusch: ein sattes, dumpfes ‚Plupf’. Nach diesem ‚Plupf’ brauche ich nicht mehr über die Qualität des Premiumproduktes zu sprechen – das Ohr hat längst entschieden.“ Die gleiche Erfahrung lässt sich natürlich auch beim Autokauf machen. Untersuchungen zeigen, dass das Schließgeräusch der Autotür eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale überhaupt ist. Und wenn wir noch beim Auto bleiben, so ist es in der Regel das Motorengeräusch, das Leistung und Performance verspricht. Dabei ist es wichtig zu wissen, dass das Motorengeräusch eines Audi, BMW oder Porsche nicht so klingt, wie der Motor sich eigentlich anhören würde. Im Gegenteil: Heerscharen von Sounddesignern bearbeiten das Motorengeräusch so lange, bis alle Männerherzen jubeln.

Der Geruchssinn Der Geruchssinn ist evolutionsbiologisch einer unserer ältesten Sinne, und er hat wohl die höchste unbewusste Wirkung. Er erreicht direkt und ohne Umwege unsere Emotionszentren im Gehirn. Zudem ist er mit der erste Sinn, mit dem wir schon als Baby Kontakt zur Welt aufnehmen. Aus diesem Grund haben Gerüche, die wir in unserer Kindheit wahrnehmen, noch im Erwachsenenalter eine ungeheure emotionale Wirkung. Wie Gerüche wirken können, hatten wir ja weiter vorne bereits am Beispiel der Bäckerei gesehen . Doch es gibt noch mehr Aspekte. Beispiel In einer Studie, die an einer deutschen Hochschule mit Putzmitteln durchgeführt wurde, zeigte sich, dass ein angenehm riechender Badreiniger nicht nur die Freude am Putzen verstärkte. Die Studenten hatten auch das Gefühl, dass die Zeit mit dieser eigentlich unangenehmen Tätigkeit viel schneller vorbei ging. Der angenehme Geruch veränderte auch die

Wahrnehmung des Produktes selbst. Im Vergleich zum nicht riechenden Putzmittel (mit den objektiv gleichen Eigenschaften) wurde der „Nasenschmeichler“ als hautverträglicher und umweltschonender eingeschätzt. Da wir bei der Kaufverführung nicht nur an den Erstkauf, sondern auch an den Wiederholungskauf denken müssen, sind es angenehme Produkterlebnisse, wie gerade in dem Geruchsbeispiel beschrieben, die unsere Wiederholungskäufe erheblich beeinflussen.

Der Geschmackssinn Eng verbunden mit dem Geruchssinn ist der Geschmackssinn. Menschen, die ihr Essen nicht „riechen“ können, weil der Geschmackssinn gestört ist, klagen über eine erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität. Die Geschmackswahrnehmung an sich wird nicht nur über die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge und im Gaumen erzeugt. Die Düfte und Gerüche, die beim Kauen frei werden, werden durch den Rachenraum wieder auf die Geruchsrezeptoren geleitet und beeinflussen erheblich unsere Geschmackswahrnehmung. Der Geschmackssinn ist beim Wiederholungskauf von besonderer Bedeutung und er lässt sich, wie der Geruch, durch künstliche Geschmacksbeigaben in hohem Maße täuschen. Kein Wunder also, dass die sogenannten „Aromen- und Geschmacksverstärkerhersteller“ inzwischen riesige Industriekonglomerate mit Milliardenumsätzen sind. Beispiel In einer Studie mit amerikanischen Schülern wurden zwei Ananasssäfte serviert. Einer der Säfte war ein Natursaft, der andere ein Kunstprodukt voller Aromen und Geschmacksverstärkern. Den Schülern wurden die Augen verbunden und beide Säfte zum Kosten gegeben. Danach wurden sie um ihr Urteil gebeten: 85 % (!) der Schüler zogen den Kunstsaft dem Natursaft vor. Der Natursaft wurde als flach und langweilig schmeckend bewertet. Dieses Beispiel zeigt nicht nur den Einfluss der Aromen auf unsere Geschmackswahrnehmung. Es zeigt auch, dass wir uns in den Industriestaaten schon längst an die künstlichen Lebensmittel gewöhnt haben und diese als Geschmacksstandard betrachten. Im Mund und Rachenraum gibt es noch weitere Sinne, die unsere Produktwahrnehmung beeinflussen. Denken Sie nur an einen Keks oder an Cornflakes, die so richtig knacken. Oder an eine Praline, die außen hart ist und erst nach einem kräftigen Biss eine weiche Creme im Inneren freigibt. In der

Fachsprache nennt man dies die Textur eines Produktes. Insbesondere in der Genussmittelindustrie arbeiten Heerscharen von Lebensmitteldesignern daran, neue Beißerlebnisse zu entwickeln. Diese Beißerlebnisse lassen sich inzwischen sogar patentieren: Kellogs etwa ließ sich den Crunch seiner Cornflakes patentrechtlich schützen, Ferrero das besondere Beißerlebnis seiner Milchschnitte.

Der Tastsinn Auch diesen Sinn wollen wir wissenschaftlich etwas freier betrachten, denn der eigentliche Tastsinn ist das, was wir mit den Fingerspitzen und mit der Handoberfläche spüren: die Rauheit und die Oberflächenbeschaffenheit des Materials. Wir wollen hier aber auch die anderen Sinne mit betrachten: den Gewichtssinn, den Temperatursinn usw. Die letzteren Sinne werden als kinästhetische Sinne zusammengefasst. Auch den Einfluss dieser Sinne auf unsere Kaufentscheidungen betrachten wir viel zu wenig. Beispiel Stellen Sie sich vor, Sie wollen einem guten Freund oder einer guten Freundin ein teures Parfüm zum Geburtstag schenken. Zwei Verkäufer streiten sich um Ihre Gunst: Verkäufer 1 bringt Ihnen eine Plastikflasche mit einem Plastikdeckel. Verkäufer 2 bringt Ihnen eine Glasflasche mit einem Metalldeckel. In beiden Flaschen ist das gleiche Parfüm. Welches Produkt würden Sie kaufen? Wir haben es in einem kleinen Versuch ausprobiert: 95 % kaufen die Glasflasche. Warum? Weil das schwerere Glas unbewusst „Exklusivität“ und „Hochwertigkeit“ signalisiert. Die leichte Plastikflasche dagegen wirkt billig. Der Erfolg von Coca-Cola liegt nicht nur an seinem Geschmack – sondern auch an dem besonderen haptischen Erlebnissen der Coca-Cola-Glasflasche. Ähnliches erleben wir auch beim Erfolg von Apple-Laptops: Die gebürstete Aluminiumoberfläche vermittelt dem Gehirn ein besonderes haptisches Erlebnis. Auch bei Automobilen spielt die Haptik eine große Rolle. Insbesondere die Premiumhersteller geben im Jahr zweistellige Millionenbeträge dafür aus, die Haptik des Autos zu verbessern. Denken Sie an das umschäumte Lenkrad, das Ihnen das Gefühl gibt, die Welt und das Auto im Griff zu haben, an den Knauf des Ganghebels, an die vielen Schalter, die mit einem sanften Klicken einrasten, oder die Drehknöpfe, die Ihnen mit einem leichten Widerstand begegnen.

Alle Sinne zugleich: Wirkungsexplosion im Kopf Erinnern Sie sich an Ihr letztes Rockkonzert oder Ihren letzten Besuch im Fußballstadion? Sie sind vielleicht vom Sitz aufgesprungen, haben in die Hände

geklatscht und laut und frenetisch gejubelt. Was ist da in Ihrem Gehirn passiert? Die Antwort: Sie wurden Opfer eines besonderen Gehirnmechanismus, der multisensorischen Verstärkung. Es wurden mehrere Sinne zugleich aktiviert, im Rockkonzert hören und sehen wir den Rockstar, wir spüren den Basslauf der Gitarre im Bauch, wir schwingen im Rhythmus mit unseren Nachbarn, wir riechen den Geruch des Bühnenfeuerwerks, wir klatschen in die Hände usw. Wichtig Wenn alle Sinne zeitgleich aktiviert werden, ist die emotionale Wirkung in unserem Gehirn um ein Vielfaches höher als die Summe der Einzelwirkung der Sinne. Kurz und gut: Alle Sinne sind zugleich aktiv, dadurch verstärkt sich die emotionale Wirkung der Sinne erheblich. Anstatt der Summe der Einzelwirkung der Sinne steigert sich deren Wirkung im Quadrat. Der Effekt: Wir sind völlig überwältigt und begeistert.

Was uns noch beeinflusst Nachdem wir uns mit den unteren Hirnregionen und ihren unbewussten Programmen beschäftigt haben, steigen wir nun hoch ins Großhirn. Viele glauben, dass dort die pure Vernunft und das bewusste Denken säßen, die rational, computergleich die Kaufentscheidungen träfen. Wir werden feststellen, dass dem nicht so ist, oder, um mit dem amerikanischen Psychologen Dan Ariely zu sprechen: „Denken hilft – nützt aber nichts.“ Auch unser Großhirn und unser Verstand sind hochanfällig für Manipulation und Kaufbeeinflussung. Welche Aufgaben hat das Großhirn? Im Wesentlichen soll es die Ziele und Wünsche unserer Emotionsprogramme optimal in die Möglichkeiten und Gegebenheiten unserer Umwelt einpassen. Und zwar möglichst schnell und effizient. Unsere Kaufentscheidungen werden, wie wir gesehen haben, von den Emotionen, Sinnen und den Überlebensprogrammen aus den tieferen Hirnbereichen unbewusst beeinflusst. Damit sind wir aber noch längst nicht am Ende. Unsere Kaufentscheidungen basieren auch auf unseren kulturellen, sozialen und individuellen Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens gesammelt haben. Viele dieser Erfahrungen haben wir nicht bewusst aufgenommen, sondern ganz nebenbei gelernt – und: Unser bewusstes Ich hat keinen Einblick in das, was da im unbewussten Großhirn so alles gespeichert ist und unsere Kaufentscheidungen manipuliert. Beginnen wir also mit den unbewusst gespeicherten Lebenserfahrungen.

Wie uns individuelle Gewohnheiten steuern

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – auch beim Konsum. Ein paar Zahlen sollen das verdeutlichen: 90 % der erwachsenen Raucher bleiben ihrer Zigarettenmarke treu, 85 % der Konsumenten benutzen immer die gleiche Zahncreme, 87 % kaufen eine ganz bestimmte Kondensmilch zu ihrem Kaffee und 80 % schwören auf ihre Waschmittelmarke. Diese Liste könnten wir noch Seiten lang füllen. In unserem Supermarkt, den wir ebenso gewohnheitsmäßig aufsuchen, wissen wir genau, wo diese Produkte stehen, und denken beim Kauf kaum mehr darüber nach. Warum ist das so? Unser Gehirn liebt Gewohnheiten, weil sie uns das Denken ersparen (Energieersparnis), Komplexität reduzieren und Sicherheit geben. Der Wunsch nach Sicherheit ist das große Ziel des Balance-Systems. Viele dieser Gewohnheiten sind fest in unserem Tagesablauf verankert und damit doppelt gegen eine Veränderung gesichert. Denken wir an die Zahncreme jeden Morgen im Bad oder an die Frühstückszigarette. Und jedes Mal, wenn wir eines unserer Gewohnheitsprodukte nutzen oder kaufen, verstärkt sich ihre Verankerung im Gehirn und wir sitzen fest in der Gewohnheitsfalle. Solche Gewohnheitsfallen sind auch der Grund dafür, warum es oft so schwer ist, ein Verhalten zu verändern, auch wenn der Verstand längst eingesehen hat, dass es notwendig wäre. Denken wir dabei an die Einführung der Energiesparlampen und den vehementen Widerstand vieler Menschen dagegen oder einfach an einen Raucher, der das Rauchen aufgeben möchte. Insbesondere die so dringend notwendigen Verhaltensveränderungen, die der Klimawandel fordert, scheitern oft, weil alte Gewohnheiten viel stärker sind. Je älter wir werden, desto stärker sind unsere Konsumgewohnheiten zementiert. Während Jugendliche aufgrund des bei ihnen besonders stark vorhandenen Neugierhormons Dopamin noch viel experimentieren, lässt die Experimentierfreude im Alter nach. Aus diesem Grund gibt die Industrie fast kein Geld für die Werbung bei über 50-Jährigen aus: Ihre Konsumgewohnheiten sind so starr, dass sich der Aufwand, sie zum Wechsel auf ein anderes Produkt zu bewegen, finanziell nicht lohnt.

Wie uns kulturelle Gewohnheiten lenken Nehmen wir an, Sie erhalten den Auftrag, etwas zum Frühstück zu besorgen. Nach einer Stunde kommen Sie zurück und haben Brötchen, Butter und Marmelade sowie Käse und Wurst in Ihrem Einkaufskorb. Wenn wir die gleiche Aufgabe einem Chinesen stellen würden, sähe sein Einkaufskorb anders aus: Reis, Gemüse und vielleicht etwas Hühnerfleisch. Dieses Beispiel zeigt, dass unsere Konsummuster keinesfalls so frei sind, wie wir glauben. Sie spielen sich immer in einem kulturellen Rahmen ab, den wir in der Regel nicht hinterfragen. Von Kind auf lernen wir Speise- und Geschmacksvorlieben, Kleidungsstile und kulturelle Rollen. Für uns ist das so selbstverständlich, dass wir nicht darüber nachdenken. Wenn wir aber in ferne Länder reisen (und nicht in westlichen Hotelketten absteigen), werden unsere Gewohnheiten gestört. Im Erleben des Fremden können wir dann unsere Gewohnheiten als solche erkennen und reflektieren. Im

Alltag aber tun wir das nicht – wir kaufen das, was kulturell vorgeprägt ist und was wir seit unserer Geburt weitgehend unbewusst und nebenher gelernt haben. Beispiel Sie kaufen einen Haushaltsreiniger. Mit großer Wahrscheinlichkeit werden Sie mit einem Zitrusduft beglückt. In Deutschland, Österreich und der Schweiz verbinden wir Zitrusduft mit Frische und Sauberkeit. Dieser Zitrusduft ist nur ein Zusatz und trägt nichts zur Reinigung bei. Wollte man den gleichen Haushaltsreiniger in Russland verkaufen, müsste man Fliederduft beimischen, um die Reinigungskraft zu unterstreichen. Spanier erwarten einen völlig anderen Geruch: Nur wenn der Reiniger nach Chlor riecht, glaubt eine Spanierin, dass er auch sauber macht.

Wie uns Milieus prägen Kulturen sind aber nicht homogen, sie zerfallen, wie die Soziologen sagen, in unterschiedliche Schichten, Milieus und Gruppen. Und auch diese haben ihre eigenen Normen und Gewohnheiten. Sie fließen, ohne dass wir diese hinterfragen, in unser Konsumverhalten ein. In einem Arbeitermilieu im Ruhrgebiet wird man im Einkaufskorb andere Artikel finden als im Oberklassemilieu in Hamburg-Blankenese oder in Grünwald bei München. Zum einen hat das natürlich etwas mit den finanziellen Möglichkeiten zu tun, zum anderen aber auch mit den Milieu- und Schichtennormen. Beispiel Wenn eine Hausfrau aus dem Oberklassemilieu Käse und Wurst kauft, dann wird sie einen italienischen Peccorino, eine französische Leberpastete und eine italienische Mortadella nach Hause bringen. Bei der Arbeiterfrau aus dem Ruhrgebiet dagegen wird man eher einen Leerdamer, eine Leberwurst und einen Kochschinken in der Einkaufstasche finden.

Wie uns Gruppennormen beeinflussen Während die kulturellen und milieuspezifischen Konsummuster eher nebenbei gelernt werden und uns unbewusst prägen, gibt es Gruppennormen, die unser Kaufverhalten direkt beeinflussen. Der Mensch ist ein Herdentier. Er braucht die Gruppe zum Überleben. Nun haben Gruppen zwei wichtige Eigenschaften: Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe gibt Sicherheit und das Gefühl der Stärke. Damit dies aber funktioniert, müssen sich Gruppen nach außen sichtbar und deutlich abgrenzen. In früheren Zeiten waren das beispielsweise Trachten, in der heutigen

Zeit sind es oft Kleidungsstile und Marken, die diese Funktion übernehmen. Viele sozialpsychologische Untersuchungen zeigen, dass sich Menschen, ohne es selbst zu bemerken, der Gruppennorm unterordnen. Gerade bei Jugendlichen, die auf der Suche nach ihrer Identität sind, spielen solche Gruppennormen und der damit verbundene Konsumzwang eine große Rolle. Beispiel Ein Großvater wollte seinem 12-jährigen Enkel eine Freude machen und schenkte ihm ein Handy einer bekannten Marke. In der Gruppe des 12Jährigen war aber diese Marke völlig out. Der Effekt: Anstatt sich zu freuen, war der Junge frustriert. Er hatte Angst, mit diesem Handy laufend gehänselt zu werden.

Was das situative Umfeld bewirkt Wir haben gerade gesehen, dass unsere Kaufentscheidung in erheblichem Maße durch andere Personen beeinflusst werden kann. Unser Gehirn reagiert aber nicht nur auf andere Personen, es reagiert unbewusst auch auf Reize unseres Umfeldes und verändert so unser (Kauf-)Verhalten. Diese unbewusste situative Beeinflussung kann auf verschiedenste Arten geschehen, wie der folgende Versuch des amerikanischen Psychologen John A. Bargh zeigt. Beispiel Studenten wurden in zwei Gruppen aufgeteilt. Gruppe A bekam den Auftrag, einen Fantasie-Erlebnisbericht zu schreiben mit dem Titel: „Ein Tag im Altersheim aus Sicht eines Insassen“. Gruppe B musste auch einen Erlebnisbericht schreiben – allerdings aus einer ganz anderen Welt: „Ein Tag in einem Sportzentrum aus Sicht eines Sportlers“. Was die Gruppen nicht wussten war, dass sie nachher auf dem Gang gefilmt wurden. Dabei wurde ihre Bewegungsgeschwindigkeit gemessen. Das Ergebnis: Die Studenten, die über das Altersheim geschrieben hatten, bewegten sich viel langsamer als die Studenten, die in der Fantasie das Sportzentrum besucht hatten. Es gibt viele solcher unbewussten situativen Gehirnbeeinflusser, die sich natürlich auch in einem geänderten Kaufverhalten bemerkbar machen. In den nächsten Kapiteln werden wir noch einige davon kennenlernen. Warum wirken situative Beeinflussungen und warum läuft das alles unbewusst ab? Die Erklärung kennen Sie schon: Durch die unbewusste Verarbeitung spart unser Gehirn Zeit und Energie.

Daumenregeln: schneller entscheiden Und genau aus diesem Grund gibt es in unserem Kaufhirn noch weitere unbewusste Kaufknöpfe, die unsere Entscheidungen in erheblichem Maße beeinflussen, weil sie dem Gehirn das Denken abnehmen und das Denken beschleunigen. In der Fachsprache spricht man von Heuristiken. Was sind Heuristiken? Es sind unbewusste Daumen- und Faustregeln, die von unserem Gehirn benutzt werden, um schnell und einfach zu einer Entscheidung zu kommen. Ein kleines Beispiel soll die Wirkung von Heuristiken verdeutlichen. Beispiel Sie begegnen auf der Straße einem 1,95 m großen Mann, der ca. 25 Jahre alt ist. Nun die Frage: Ist der Mann eher Basketballspieler oder eher Bankangestellter? Die meisten von uns werden intuitiv sagen: Basketballspieler. Warum? Weil unser Großhirn gelernt hat, dass Basketballspieler immer groß sind. Diese Erfahrung wird unbewusst auf die Entscheidungssituation übertragen. Leider ist der Tipp des Großhirns falsch: Es gibt in Deutschland nämlich dreimal so viele männliche Bankangestellte, die 1,95 m groß sind und nicht Basketball spielen, wie 1,95 m große Basketballspieler! Diese unbewussten Entscheidungstäuscher gibt es in großer Zahl auch beim Einkaufen – und immer wieder fallen wir darauf herein. Beispiel Wenn man Konsumenten befragt, wie sie MediaMarkt preislich wahrnehmen, sagen sie: „MediaMarkt ist preiswerter als der Wettbewerb“. Objektive Untersuchungen zeigen aber, dass dem nicht so ist. Woher kommt diese „MediaMarkt-ist-billig-Heuristik“? Sie verdankt sich auch der lauten Werbung. Viel wichtiger aber ist die Warenpräsentation der Angebote in großen Kistenstapeln. In unserem Konsumleben hat unser Gehirn gelernt: Kistenstapel = Massenpräsentation = billig. Diese Heuristik wird unbewusst auf die Preiseinschätzung von MediaMarkt übertragen. Im Laufe dieses Buches werden wir noch viele weitere dieser Heuristiken kennenlernen. Dieses Kapitel hat gezeigt, wie unser Kaufhirn grundsätzlich funktioniert und wie vielfältig unsere Kaufentscheidungen von unserem Unbewussten beeinflusst werden. Was lernen wir daraus?

Wichtig Es gibt nicht einen Kaufknopf im Gehirn! Es gibt vielmehr tausend kleine und größere Kaufknöpfchen, um unsere Kaufentscheidungen unbewusst zu beeinflussen und zu manipulieren. In den folgenden Kapiteln werden wir, mit diesem Grundwissen ausgestattet, die wichtigsten Bereiche und Situationen unseres Konsum- und Kauflebens betrachten und lernen, wie wir uns gegen Kaufbeeinflussung und Manipulation schützen können. Allerdings: Vollständigen Schutz gibt es leider nicht. Der Grund ist einfach: Wir müssten jede Kaufsituation analysieren und darüber nachdenken. Dieses Denken versucht unser Gehirn, wie wir gesehen haben, aber gerne zu vermeiden.

So schützen Sie sich Decken Sie den emotionalen Grund Ihres Kaufwunsches auf. Was steckt wirklich dahinter? Denken Sie daran, dass Status-, Individualitäts- und Attraktivitätsversprechen Produkte teuer machen und Sie viel mehr dafür bezahlen, als das Produkt eigentlich wert ist oder leisten kann. Geben Sie Ihrem Großhirn eine Chance: Kaufen Sie (teurere) Dinge nicht spontan – nehmen Sie sich eine kleine Auszeit und denken Sie darüber nach, ob Sie das Produkt wirklich brauchen. Achten Sie auf das Umfeld des Kaufes. Eine Billigatmosphäre lässt Waren günstiger erscheinen, als sie es eigentlich sind. Misstrauen Sie Ihren Sinnen: Was schwer ist, ist nicht gleich gut – und was leicht ist, hat nicht unbedingt wenig Kalorien! Lesen Sie die weiteren Kapitel genau durch, um die vielen Kaufverführer noch besser kennenzulernen! Auf einen Blick: Wie unser Gehirn beim Kaufen tickt Unser Unbewusstes steuert uns wesentlich stärker, als wir annehmen. Nicht Vernunft und bewusstes Denken, sondern das Unbewusste führt die Regie über unser Handeln.

Die im Unbewussten gespeicherten evolutionsbiologischen, kulturellen, sozialen und individuellen Erfahrungen beeinflussen unsere Entscheidungen.

Die Emotionssysteme in unserem Gehirn sind unsere Antreiber und Korrektive zugleich – sie steuern auch unser Kaufverhalten. Neben dem Balance-, Dominanz- und Stimulanzsystem, leiten uns das Bindungsund Fürsorgesystem sowie die Sexualität.

Da wir uns mit Geld positive Emotionen erkaufen können, hat es sich zu einem Symbol entwickelt, das hoch emotionalen Wert für uns besitzt. Die Trennung von Geld aktiviert die gleichen Hirnzentren wie Zahnschmerz. Positive Emotionen müssen den Verlust wieder wettmachen.

Unsere Sinne werden vielfältig beeinflusst und gewähren uns keine objektive Wahrnehmung. Kaufverführung ist daher über alle Sinne ein leichtes Spiel.

Auch Gewohnheiten, Kultur, gesellschaftlicher Status und Gruppenzugehörigkeiten beeinflussen unser Kaufverhalten.

Wie uns Werbung verführt Viele unserer Kaufwünsche werden erst durch Werbung geweckt. Werbung hat aber auch die Aufgabe, Produkte zu emotionalisieren und so den Preis in die Höhe zu treiben. In diesem Kapitel erfahren Sie, wie Werbung uns unbewusst zum Kaufen animiert, wie die Werbung es schafft, unsere Aufmerksamkeit zu erregen, warum wir lieber kaufen, was wir (scheinbar) kennen, warum wir mit Produkten emotionale Werte verknüpfen und warum unterschwellige Botschaften, Autoritäten und Stars in der Werbung Erfolg haben.

Wie Werbung im Gehirn wirkt Glauben Sie, dass Sie von Werbung beeinflusst werden? Die meisten Menschen antworten auf diese Frage mit einem überzeugten „Nein“. Denn schließlich sind wir ja Herr in unserem eigenen Kopf und würden merken, wenn sich durch Werbung etwas verändern würde. Aber, wie wir im vorherigen Kapitel gesehen haben, ist unser Bewusstsein fest im Griff des Unbewussten und genau dort setzt Werbung an und manipuliert uns, ohne dass wir es merken. Pro Jahr werden in Deutschland weit mehr als 30 Milliarden Euro für Werbung ausgegeben. Das würde die Industrie sicher nicht tun, wenn sich diese Ausgaben nicht durch höheren Umsatz und höheren Gewinn rechnen würden. Werfen wir also einen Blick in unser Gehirn, um zu erfahren, wo und wie Werbung wirkt. An jedem normalen Arbeitstag sind wir als Konsument mehr als 3.000 bis 4.000 Werbeappellen ausgesetzt, die nur ein Ziel haben: Sie wollen in unser Kaufhirn kommen. Zunächst klingt diese Zahl riesig, aber denken Sie einfach mal daran, wo und wie wir überall umworben werden. Das beginnt, wenn wir aufstehen und das Radio einschalten. Beim Kurzfrühstück werfen wir einen Blick in die Zeitung, die voll mit Werbung ist. Wir gehen aus dem Haus, kommen an unzähligen Werbeplakaten vorbei, bis wir an unserem Arbeitsplatz sind. Dort gehen wir ins Internet und werden mit Werbebannern angesprochen. Dann nutzen wir unser ioder Smartphone. Insbesondere die kostenlosen Apps sind voll mit Werbung. In der Mittagspause und auf dem Nachhauseweg warten wieder Werbeplakate auf uns. Wir kommen heim – unser Briefkasten ist voller Werbebriefe und Prospekte und schließlich setzen wir uns müde vor den Fernseher und die Werbung geht bis tief in die Nacht weiter.

Eine solche Werbeflut wird für unser Gehirn zu einem kleinen Problem: Es ist ihr nicht gewachsen und versucht, um Energie zu sparen, möglichst wenig Werbung hereinzulassen. Die Werbeleute müssen unser Gehirn überlisten und es dazu bringen, sich mit ihrer Werbebotschaft zu beschäftigen. Das tun sie, indem sie für die Aufmerksamkeit unseres Gehirns sorgen.

Wie Aufmerksamkeit erregt wird Im Prinzip funktioniert es ganz einfach, Aufmerksamkeit zu erregen: durch Überraschung, durch Störung – durch Ungewohntes. Es gibt in unserem Gehirn einen Aufmerksamkeitsschalter, der aktiviert wird, wenn etwas in unserer Wahrnehmung nicht dem Gewohnten entspricht. Dieser Schalter ist überlebenswichtig: In Urzeiten wurden wir so vom Säbelzahntiger hinterm Busch gewarnt, heute ist es das hupende Auto, das uns beinahe überfahren hätte. Schauen wir uns diesen Aufmerksamkeitsmechanismus an einem Praxisbeispiel an. Beispiel Warum ist Milka zu einer der erfolgreichsten Schokoladen im deutschsprachigen Raum geworden? Die Antwort: durch die lila Kuh. In der Schokoladenwerbung wurden schon immer Kühe eingesetzt, um die Qualität der Milch für die Schokolade unter Beweis zu stellen. Auch die MilkaVerpackung zierte früher eine schwarzweiße Kuh. Aber für unser Gehirn wurde das mit der Zeit zur Gewohnheit.1973 hatte die Werbeagentur Young & Rubicam eine geniale Idee: Sie färbten die Kuh lila. Diese Störung des vertrauten und gewohnten Kuhbildes erwies sich als Glücksgriff. Durch die so gewonnene Aufmerksamkeit in der Werbung explodierten die Umsätze dieser Marke. Das ist also der Grund, warum gute Werbung immer auch kreativ ist. Nur so kann sie unsere Aufmerksamkeit für sich gewinnen. Wichtig Durch Störung des Gewohnten aktiviert Werbung den Aufmerksamkeitsschalter in unserem Gehirn. Kreative Werbung wirkt aber noch auf einer zusätzlichen Ebene in unserem Gehirn. Das Stimulanz-System haben wir schon kennengelernt. Es ist unser Neugier-System: Es freut sich über das lustvolle Ungewohnte. Und ganz wichtig: Es ist unser wichtigstes Emotionssystem im Gehirn, wenn es um das Lernen geht. Es öffnet unser Gehirn für neue Botschaften. Und wenn es einer Werbebotschaft

gelingt, für Aufmerksamkeit zu sorgen und gleichzeitig das Stimulanz-System durch Humor zu aktivieren, ist für diese Botschaft das Tor in unser Unbewusstes weit geöffnet. Die folgende Abbildung zeigt ein Musterbeispiel für eine solche Werbebotschaft. Der Erfolg des Autovermieters Sixt ist sicher zu einem erheblichen Teil darauf zurückzuführen, dass es Sixt seit vielen Jahren durch seine Werbung gelingt, die Aufmerksamkeit auf sich und seine Botschaft zu lenken.

Wie Werber Aufmerksamkeit erzeugen.

Auf leisen Sohlen ins Gehirn Wenn Werbung unsere Aufmerksamkeit gewinnt, wird sozusagen der Haupteingang zu unserem Gehirn geöffnet. Weil aber unser Gehirn – ohne dass wir es in der Regel merken – auch situative Reize verarbeitet, die uns dann beeinflussen, gibt es auch einen Nebeneingang für die Werbung in unser Hirn, wie folgendes Beispiel verdeutlicht. Beispiel Klaus telefoniert mit seinem Freund Günther. Er sitzt dabei im Wohnzimmer und der Fernseher läuft. Das Gespräch mit Günther ist interessant und Klaus beachtet den Fernseher nicht weiter. Das Programm wird wie üblich für Werbung unterbrochen und es kommt unter anderem ein Werbespot für Radeberger Bier. Klaus achtet nicht auf den Spot – sein Gehirn schon. Denn als Klaus mit seinem Gespräch fertig ist, geht er zum Kühlschrank und macht sich ein Radeberger auf. Zufall? Mitnichten.

Dieses kleine Beispiel zeigt, dass Werbung oft auch dann deutliche Spuren in unserem Gehirn hinterlässt, wenn wir gar nicht hinschauen oder hinhören.

(Kauf-)Automatik durch Bekanntheit Können Sie sich noch an Ihre erste Fahrstunde erinnern? Mit Sicherheit, denn die gesamte Situation war für Sie und Ihr Gehirn neu: Die Aufgabe zu lenken und gleichzeitig zu schalten, zu bremsen oder zu beschleunigen und dazu noch auf den Straßenverkehr zu achten. Ihr Gehirn und Ihr bewusstes Denken liefen auf Hochtouren. Nun haben Sie inzwischen schon viele Jahre Fahrpraxis. Denken Sie jetzt noch über das Autofahren nach? Gewiss nicht. Alles geht mehr oder weniger automatisch. Durch ständige Wiederholung in der Fahrpraxis hat sich das Autofahren automatisiert und sich vom bewussten Denken und Handeln ins Unbewusste verlagert. Das ist ein ganz wichtiger Mechanismus unseres Gehirns: Dinge, die sich permanent wiederholen, kommen als Automatikprogramme ins Unbewusste und beeinflussen oder steuern von dort unser Verhalten, ohne viel wertvolle Energie zu kosten. Diesen Automatikmechanismus macht sich auch die Werbung zu Nutze. Durch ständige Wiederholung des Produktnamens und der Werbebotschaft verankert sich das Produkt im unbewussten Automatikprogramm unseres Gehirns. Im Alltag stoßen wir auf Tausende solcher Verstärker des Bekanntheitsgrads, ohne dass wir diese bewusst wahrnehmen. In der Gaststätte auf dem Bierdeckel oder auf dem Sonnenschirm, im Fußballstadion auf der Bande, der Werbeaufdruck auf Streichholzbriefchen usw. Wir merken nicht, wie unser Gehirn diese Signale nebenbei lernt, und wir nehmen nicht wahr, dass unser Kaufverhalten davon beeinflusst wird. Entdeckt hat diesen Effekt durch flüchtige Wiederholung der USamerikanische Psychologe Robert Zajonc im Jahr 1968. Beispiel Der Psychologe Robert Zajonc zeigte Versuchspersonen chinesische Schriftzeichen, die ihnen völlig unbekannt waren. Während der Präsentation wurde eines der Zeichen eine zwanzigstel Sekunde lang immer wieder eingespielt. Da diese kurze Präsentationszeit unterhalb der bewussten Wahrnehmungsschwelle lag, bekamen die Versuchspersonen davon überhaupt nichts mit (ihr Gehirn allerdings schon). Am Ende des Versuches sollten die Versuchspersonen ihr Lieblingszeichen auswählen. Das Ergebnis: Das unbewusst eingespielte Zeichen wurde weit häufiger gewählt als die anderen Zeichen – zudem fanden die meisten Versuchspersonen dieses Zeichen sympathischer! Nicht nur in der Psychologie wurde dieser Effekt des bloßen Kontaktes vielfach bestätigt – auch in der Hirnforschung kann man ihn sehen: Bei der Präsentation

von bekannten Markenprodukten sieht man im Hirntomogramm, dass unser vorderes Großhirn, wo unser bewusstes Denken geschieht, deaktiviert wird. Die Forscher der Universität Münster, die diese Untersuchung gemacht hatten, nannten dies „Effekt der kortikalen Entlastung“. Diesen Effekt machen sich die Werber schon von Beginn der Werbung an zu Nutze. Wichtig Immer, wenn wir auch nur am Rande mit einer Werbebotschaft in Kontakt kommen, schleicht sich diese in unser Gehirn und sorgt dafür, dass unsere Kaufbereitschaft für dieses Produkt ein wenig steigt. Wenn wir dann im Supermarkt vor einem Regal stehen und das entsprechende Produkt sehen, ist dieses für unser Gehirn wie ein alter Bekannter, dem wir ohne Misstrauen, dafür mit einem Sympathievorschuss begegnen, und schon kaufen wir ihn.

Wie unser Gehirn Wissen speichert Ereignisse, die zusammen auftreten, werden von unserem Gehirn verknüpft, wenn dieses gemeinsame Auftreten oft genug erfolgt. Und die Werbung nützt diesen einfachen Lernmechanismus unseres Gehirns weidlich aus, insbesondere wenn es darum geht, Produkte oder Dienstleistungen zu emotionalisieren. Denn, wie wir bereits gelernt haben, sind es die positiven Emotionen, die uns den Schmerz des Geldausgebens vergessen machen. Klar ist also, dass unser Gehirn lieber nach Produkten greift, die zusätzlich Freiheit, Harmonie oder Status versprechen. Beispiel In einem Werbespot sehen wir ein wogendes Kornfeld vor sonnigem, blauem Himmel und ein glückliches, verliebtes junges Paar, das genussvoll von einem Müsliriegel abbeißt. Alle diese emotionalen Eindrücke (Kornfeld = natürlich, echt), Genuss, Liebe werden mit dem eigentlich langweiligen Müsliriegel im Gehirn verknüpft. Auf diese Weise wird der Müsliriegel wertvoller und attraktiver. Eine andere Besonderheit unseres Gehirns, die mit dem Lernen zusammenhängt, führt ebenfalls dazu, dass Werbung uns manipulieren kann. Erinnern Sie sich noch, wie Audi damals die Überlegenheit seines Allradantriebs beworben hat? Richtig – ein Audi fuhr eine Skisprungschanze hoch. Hier wurde ein Produktmerkmal besonders eindrucksvoll und überraschend inszeniert. Diese Leistungsdemonstration war monatelang in aller Munde. Warum? Weil unser

Gehirn die Bilder im Fernseh- oder Kinospot für bare Münze nimmt und nur unzureichend zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterscheidet. Diese Bilder werden also als „wahre“ Erfahrungen im Gehirn abgespeichert und untrennbar mit dem Produkt verknüpft.

Die Tricks der Werber Nachdem wir im vorhergehenden Abschnitt die Grundprinzipien der Werbewirkung kennengelernt haben, schauen wir nun in die Trickkiste der Werbeprofis. Neben diesen Grundprinzipien gibt es viele weitere Tricks, die Werbewirkung zu erhöhen und uns zum Kauf zu animieren, ohne dass wir das mitbekommen.

Werbung emotionalisiert Erst die Emotionen verleihen der Welt und damit auch Produkten Sinn, Wert und Bedeutung. Wie gelingt es, Produkte und Marken mit Emotionen aufzuladen? In der Werbung werden verschiedene Formen der Emotionalisierung eingesetzt. Inszenierung des Produktvorteils Damit ein Produkt oder eine Dienstleistung gekauft wird, müssen sie sich vom Wettbewerb unterscheiden und in den für den Konsumenten relevanten Produktvorteilen besser sein als die Konkurrenz. Oft sind diese Produktvorteile nur sehr klein, aber genau da setzt Werbung an. Was im Fernsehspot gezeigt wird, wird von unserem Gehirn – ob wir wollen oder nicht – als Realität wahrgenommen und als Erfahrung abgespeichert. Primäre Aufgabe der Werbung ist es also, emotional so eindrucksvolle Bilder zu erzeugen, dass sie in unserem Gehirn haften bleiben. Diese Bilder werden mit Musik zusätzlich emotional aufgeladen. Im ersten Kapitel haben wir gelernt, dass die emotionale Wirkung erheblich gesteigert werden kann, wenn mehrere Sinne zugleich angesprochen werden. Nicht ohne Grund werden für Werbespots die besten Werber und Regisseure der Welt gebucht, denn es gilt, innerhalb von 15 bis 30 Sekunden im Kundengehirn maximalen Eindruck zu hinterlassen. Diese emotionale Dramatisierung kann durch eine detaillierte Darstellung z. B. der besonderen Wirkung eines Produkts geschehen. Die klassische Form dieser Wirkungsdarstellung erleben wir bei Haushaltsreinigern, wie am Beispiel Calgon, in der folgenden Abbildung.

Dramatisierung und Emotionalisierung des Produktvorteils

Status- und Individualitätsaufladung Viele Produkte unterscheiden sich nur unwesentlich in ihren Grundeigenschaften. So können selbst versierte Bierkenner ein Warsteiner-Pils und ein KrombacherPils mit verbundenen Augen geschmacklich nicht auseinanderhalten. Und so verhält es sich auch mit allen anderen Bieren. Wenn jede Brauerei nun behaupten würde, ihr Bier schmecke besser, schaltet das Konsumentengehirn vor Langeweile ab. Da aber Werbung dann besonders wirksam ist, wenn der Verbraucher eine Besonderheit erkennt, muss so ein relevanter Unterschied künstlich geschaffen werden. Die Spielwiese dazu bieten unsere Wünsche nach Status und Individualität/Freiheit. An einem Produkt wie Bier lässt sich das besonders schön verdeutlichen. Beispiel Denken Sie an Radeberger und Beck’s Bier. Beide sind Pilsbiere und sehen fast gleich aus. Selbst Experten können bei verbundenen Augen die beiden Biere nicht unterscheiden. Nun gehen Sie auf die Straße und fragen Passanten, welche Eigenschaften sie mit Beck’s und Radeberger verknüpfen. Bei Beck’s werden Eigenschaften wie Freiheit und Abenteuer genannt werden, bei Radeberger sind es Status, Kultur und Tradition. Alle diese Eigenschaften haben eigentlich wenig mit Bier zu tun – sie wurden aber untrennbar mit Hilfe der Werbung mit dem Produkt verknüpft. An diesem Beispiel sehen wir einen wichtigen unbewussten Wirkungsmechanismus von Werbung. Produkte und Dienstleistungen werden mit positiven emotionalen Assoziationen und Versprechen aufgeladen, die die Produkte in Wirklichkeit überhaupt nicht haben. Ihr Emotionswert wird so

vergrößert, gleichzeitig sind wir auch bereit, mehr Geld dafür auszugeben. Liebes- und Sexualitätsversprechen Neben unserem meist unausgesprochenen Wunsch nach Status und Individualität, gibt es noch weitere Sehnsüchte und Wünsche, die von der Werbung genutzt werden, um Produkte attraktiver zu machen. Besonders anfällig: das Sexualitätssystem im Gehirn. Da die Ausprägung bei Männern und Frauen unterschiedlich ist – wir werden uns damit im letzten Kapitel des Buches beschäftigen – sind die sexuellen Wünsche in der Regel bei Männern und Frauen verschieden. Für Frauen ist Sexualität mit harmonischer Liebe und Partnerschaft verknüpft, bei Männern zählt eher die kurzfristige Eroberung. Die Erfüllung der sexuellen Wünsche wird durch Werbung untrennbar mit dem Produkt verbunden. Beginnen wir mit der weiblichen Sexualität und einem Alltagsprodukt: einer Tiefkühlpizza. Beispiel Im Werbespot für eine Pizza wird eine junge Frau gezeigt, die den Tisch für den Angebeteten herrichtet. Dieser kommt und die Pizza wird bei Kerzenschein und einem Glas Rotwein genussvoll gegessen. Das eigentliche Produktversprechen der Pizza, nämlich „schmeckt gut“ wird in ein viel wirkungsvolleres Versprechen eingebaut: Wenn Du diese Pizza kaufst, bekommst Du Liebe und einen attraktiven Lebenspartner. Da das männliche Gehirn in puncto Sexualität einfach gestrickt ist, funktioniert auch die Werbung mit einfachen Botschaften. Beispiel In der Werbung für das Männer-Deodorant AXE wird dem Konsumenten nicht nur eine sehr gute Deowirkung versprochen. Der hohe Verkaufserfolg von AXE liegt darin, dass jungen Männern durch die Werbung suggeriert wird, die Nutzung von AXE würde Frauen wild auf sie machen. Damit trifft AXE genau die Träume, die junge Männer zwischen 18 und 25 aufgrund des hohen Testosteronspiegels haben.

Wichtig Die emotionale Verknüpfung läuft weitgehend unbewusst in unserem Gehirn ab. Deshalb wirkt Werbung in unserem Kopf auch dann, wenn wir es selbst weder bemerken noch glauben.

„Gute Mutter“-Versprechen Die zunehmende Berufstätigkeit von Frauen führt diese in ein Dilemma: Sie müssen Beruf und Familie unter einen Hut bringen. Während es sich Männer hier vergleichsweise einfach machen und die Familie als Aufgabe der Frau sehen, kann sich eine Frau schon aus hormonellen Gründen weit weniger leicht aus der Verantwortung stehlen. Bei Frauen ist nämlich das Bindung- und Fürsorgesystem im Gehirn (auch zuständig für Familie) weit stärker ausgeprägt als bei Männern. Die Folge: Viele Frauen haben immer ein latent schlechtes Gewissen, ihre Kinder und ihre Familie zu vernachlässigen. Kein Wunder, dass dies von der Werbung schamlos ausgenutzt wird: In der Werbung insbesondere für Haushaltsprodukte wird der Produktvorteil, z. B. „Persil wäscht weißer, weißer geht’s nicht“ mit Bildern einer glücklichen Familie verbunden. Mit dem so beworbenen Produkt kauft eine Frau also nicht nur Sauberkeit, sondern auch das gute Gewissen, eine gute und perfekte Mutter zu sein.

Unterschwellige Werbebotschaften Im Jahr 1957 ging ein Aufruhr durch die amerikanische Presse: Der Journalist Vance Packard berichtete dort in seinem Buch „Die geheimen Verführer“ über die angeblich ungeheure Wirkung von Werbebotschaften, die unterhalb der bewussten Wahrnehmungsschwelle des Menschen in Kinofilme eingeblendet wurden. Diese Form der Werbung nennt man „subliminale“ Werbung. Die Kinobesucher erhielten auf diese Weise Befehle wie „Iss Popcorn“ und „Trinke Coca-Cola“. Durch diese Einblendung sei am Ende des Films der Cola- und Popcorn-Umsatz im benachbarten Kiosk erheblich gestiegen. Verbraucherschützer und Politiker stiegen auf die Barrikaden. Die Angst vor Manipulation steigerte sich fast zu einer Massenhysterie. Inzwischen wurden zu diesem Thema viele Versuche gemacht. Das Ergebnis: Unterschwellige Einblendungen wirken – aber die Wirkungszeit ist kurz. Was nicht funktioniert, sind Einblendungen von Marken oder komplizierten Botschaften. Nur ganz einfache Botschaften, möglichst Bilder, erzeugen einen Effekt. Wenn man also ein volles Bierglas wiederholt in einen Film einblendet, erhöht sich das Verlangen nach einem Bier ein wenig. Aber nur, wenn der Konsument die Möglichkeit hat, sofort zum Kühlschrank zu gehen. Schon zwei Minuten nach dem Film ist der Effekt vorbei. Kleine Signale – große Wirkung Trotzdem arbeiten die Werber mit unterschwelligen Signalen, die wir kaum beachten, die aber oft doch eine große Wirkung haben. Ein Beispiel soll das verdeutlichen.

Beispiel In einem Werbefilm für ein Süßwarenprodukt für die Zielgruppe „Frau um die 30“ kommt ein Dialog mit einem Mann vor. Nur wenige Sekunden wird gezeigt, wie der Mann aus seiner Hobbywerkstatt kommt, sich dann der Frau zuwendet und ihr das Produkt anbietet. Woran arbeitet der Mann? An seinem Motorrad? Nein, er repariert Schaukelpferde und alte Puppen. Obwohl diese Szene bei Befragungen kaum erinnert wurde, hinterlässt sie trotzdem gewaltige Spuren. Dem Gehirn genügen oft ganz wenige Botschaften oder Hinweisreize, um unbewusst seine Bewertung zu treffen. Das weibliche Gehirn identifiziert in kürzester Zeit das Signal „Schaukelpferd/Kinderpuppe“ als Fürsorge und verknüpft die ausgelösten Emotionen positiv mit dem Mann, der ihr das Produkt anbietet. Die Verknüpfung „Dieser Mann wird für deine Kinder sorgen“ bleibt dem Bewusstsein verborgen. Trotzdem wird dieser Inhalt auf den Mann und damit auch auf das Produkt übertragen. Mit der Einfügung des Schaukelpferds und der Puppe aktiviert der Regisseur das Bindungs- und Fürsorge-System, aber auch das Sexualsystem im Gehirn seiner Zuschauerinnen. Product Placement: Werbung durch die Hintertür Können Sie sich noch an den James Bond Film 1995 erinnern? Der Agent seiner Majestät kämpfte gegen das Böse nicht im gewohnten Aston Martin, sondern in einem BMW Z 3, der damals kurz vor seiner Markteinführung stand. Spätestens mit diesem Auftritt wurde einem breiten Publikum deutlich, dass die Accessoires in Filmen oft nicht zufällig dort erscheinen. Inzwischen gibt es einige Firmen, die davon leben, Produkte in Filmen unterzubringen. Die Frage ist nun: Wirkt Product Placement? Die Antwort: Ja – wenn man es nicht übertreibt. Product Placement erzielt nämlich dann Wirkung, wenn das Produkt ganz nebenbei vom angebeteten Filmstar benutzt wird.

Stars in der Werbung In vielen Werbekampagnen präsentieren Stars und Prominente die zu bewerbenden Produkte. Werbeagenturen und Hersteller achten meist darauf, dass das Image des Stars und des entsprechenden Produkts übereinstimmen. Günther Jauch und Dieter Bohlen zum Beispiel haben ein völlig anderes, fast entgegengesetztes Image. Nicht jeder kann für jedes Produkt werben. Soll ein seriöses Produkt beworben werden, kommt Dieter Bohlen sicher nicht in die engere Wahl. Will man dagegen ein hippes Modeprodukt vermarkten, wird man sich kaum an Günther Jauch wenden. Der erste Wirkmechanismus von Promiwerbung ist der sogenannte Imagetransfer. Die emotionalen Assoziationen, die im Kopf des Konsumenten fest mit dem Promi verbunden sind, werden durch

das gemeinsame Auftreten von Produkt und Promi auf das Produkt übertragen. Der zweite Wirkmechanismus greift tiefer: Einer der wichtigsten Lernmechanismen in unserem Gehirn ist das Lernen von Vorbildern. Kleine Kinder kopieren ihre Eltern oder bewunderte Freunde. Und diesen Kopiermechanismus hat die Evolution mit einem besonderen zusätzlichen Befehl versehen. Dieser lautet: Kopiere den/die Erfolgreichen bzw. den Gewinner. Da Stars zumindest in der öffentlichen Meinung als die großen erfolgreichen Gewinner gefeiert werden, werden sie und ihre Empfehlung unbewusst aufgenommen. Dabei fragt das Gehirn wenig danach, ob sie wirklich in dem Produktbereich kompetent sind, für den sie werben. Eine besonders erfolgreiche Promiwerbung ist sicherlich der Einsatz von Thomas Gottschalk für Haribo.

Autoritäten: Dr. Best lässt grüßen Ein weiterer unbewusster Wirkmechanismus, der in der Werbung gerne genutzt wird, ist unsere Autoritätsgläubigkeit. Da Gesundheitsprodukte einen riesigen Markt darstellen, ist es kein Wunder, dass es vor allem Ärzte sind, die hier zum Einsatz kommen. Viele Leser erinnern sich sicher noch an den legendären Zahnarzt Dr. Best, der durch seinen Auftritt in der Werbung der Marke zur Marktführerschaft verhalf. Dr. Best war tatsächlich Professor für Zahnheilkunde. Er hatte allerdings keines der beworbenen Produkte entwickelt – er gab nur seinen Namen und sein Gesicht dafür her. Inzwischen werden die Ärzte und Ärztinnen in der Werbung von Models und Schauspielern gespielt. Ein einziges Utensil reicht dabei aus, um in unserem Gehirn Autoritätshörigkeit auszulösen: der weiße Kittel! Die meisten von uns wissen, dass es sich in der Werbung um Schauspieler handelt. Trotzdem entfaltet der weiße Kittel eine fast magische Glaubwürdigkeits- und Unterordnungswirkung. Beispiel Die legendärsten Versuche zur Wirkung von weißen Kitteln und Autoritäten führte der amerikanische Psychologe Stanley Milgram in den sechziger Jahren durch. Versuchspersonen wurden von einem Versuchsleiter angewiesen, anderen Versuchspersonen (= „Opfern“) Stromstöße zu verpassen. Solange der Versuchsleiter seine Anweisungen in normaler Kleidung gab, weigerten sich die Versuchspersonen. Wenn der Versuchsleiter aber in einem weißen Arztkittel erschien, änderte sich ihr Verhalten dramatisch: Sie folgten den Anweisungen des Versuchsleiters und waren bereit, die „Opfer“ brutal zu quälen.

Schlüsselbilder: der schnelle Effekt Werbung, die wirkt, steht auf drei Säulen:

Aufmerksamkeit, Bekanntheitsgrad und Emotion. Da Werbezeit im Fernsehen extrem teuer ist, gilt es, in kürzester Zeit ein Maximum zu erreichen. Besonders wirksam sind in dieser Hinsicht sogenannte Schlüsselbilder. Ein Schlüsselbild haben wir weiter oben schon kennengelernt. Richtig, es ist die lila Kuh. Es gibt noch viele weitere: das grüne, getakelte Segelschiff von Beck‘s, Meister Proper, natürlich die legendären Marlboro-Cowboys usw. Diese Schlüsselbilder lösen sofort Emotionen aus: Der Marlboro-Cowboy stand für Abenteuer und Freundschaft. Gleichzeitig erkennt das Gehirn in einem Bruchteil einer Sekunde, von wem die Werbung ist – die Verbindung zwischen Produkt und Emotion wird so gestärkt. Schlüsselbilder werden oft auch subtiler eingespielt und schleichen sich durch den Hintereingang in unser Käufergehirn. Beispiele für solche subtileren Schlüsselbilder sind die kleine grüne Insel im klaren See von Krombacher, die Semperoper von Radeberger, die Kirsche von Mon Chéri, die in die flüssige Schokolade fällt, der gedeckte Tisch, der bei der SomatWerbung aus der Spülmaschine kommt, oder der Biss in den Apfel von Blend-amed. Diesen Schlüsselbildern gelingt es oft, den Kern der Werbebotschaft in Sekundenbruchteilen zu vermitteln. Weil sie permanent wiederholt und meist noch durch eine eigene Musik verstärkt werden, graben sie sich tief in unser Käufergehirn ein.

Schlüsselbilder – die Emotionsbeschleuniger im Gehirn

Slogans: die Verstärker der Werbung Eine ähnliche Funktion wie Schlüsselbilder haben gute Slogans. Sie werden dem Anbieter eindeutig zugeordnet und vermitteln den Kern der Werbebotschaft in einem kurzen, einprägsamen Satz. Denken wir dabei an den Slogan von MediaMarkt „Ich bin doch nicht blöd“, an Zalando mit: „Ich schrei vor Glück“, an Audi mit „Vorsprung durch Technik“ oder BMW mit „Freude am Fahren“. Da die Slogans gemeinsam mit dem Markennamen am Ende eines Werbespots oder einer Anzeige auftauchen, bringen sie einen zusätzlichen Effekt hervor: Aus der Lernpsychologie wissen wir nämlich, dass die Aussagen am Schluss eines Werbespots eine extrem hohe Wirkung haben.

Wie Werbung ihre Opfer findet In den vorhergehenden Abschnitten haben wir gesehen, wie Werbebotschaften gemacht werden, die uns zum Kauf verführen. Damit wir aber kaufen, müssen uns diese Botschaften auch erreichen und zwar möglichst zielgenau! Werbung ist extrem teuer. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Fernseh-,

Radio-, Kinowerbung oder um Werbebriefe, Werbebanner auf Websites handelt. Das Teure an der Werbung ist aber weniger ihre Erstellung als vielmehr das InKontakt-Kommen mit dem potenziellen Kunden. Da Menschen unterschiedliche Vorlieben und Gewohnheiten haben, wirkt Werbung dort am besten, wo der Kunde schon ein Grundinteresse für die Produktkategorie hat. Die Werbung für das neue iPhone beispielsweise wird bei 20-Jährigen eine völlig andere Kaufwirkung erzeugen als bei 80-jährigen Rentnern. Die Anbieter und die Werbeindustrie haben deshalb ein großes Ziel: ihre Werbebotschaft möglichst effizient und ohne Streuverlust zum potenziellen Kunden zu bringen.

Kundendaten: eine goldene Quelle Wie gelingt das? Ganz einfach: Je mehr man vom Kunden, also von uns weiß, desto zielgenauer kann man ihn ansprechen. Wichtig Den wenigsten Konsumenten ist bekannt, wie viel und was genau man von ihnen weiß, und wie dieses Wissen eingesetzt wird, ohne dass sie es bemerken. Zwar versucht der Gesetzgeber durch Datenschutz, die Intimsphäre des Kunden zu schützen, trotzdem verfügen die Anbieter über mehr Informationen von uns, als wir nur im Entferntesten ahnen. Das gewinnbringendste Wissen für einen Anbieter ist es, wenn er unsere Kaufvorlieben und -gewohnheiten kennt. Die Wahrscheinlichkeit ist nämlich groß, dass wir gleiche oder ähnliche Produkte und Dienstleistungen immer wieder kaufen. Beispiel Claudia kauft in einem großen Versandhaus regelmäßig Schuhe und Mode und zwar immer solche, die im neuesten Trend liegen. Andere Warenbereiche im Katalog, wie Heimtextilien oder Unterhaltungselektronik, kauft sie nicht. Das Versandhaus speichert jeden Einkauf von Claudia, wie oft sie bestellt und was sie kauft, und hinterlegt dieses Wissen in einer Datenbank. Während Claudia früher noch den kompletten dicken Katalog des Versandhauses zugeschickt bekam, bekommt sie jetzt nur noch einen dünnen Spezialkatalog, der ausschließlich neueste Mode zum Inhalt hat. Der Effekt: Claudia kauft mehr, weil der ganze Katalog im Trendstyle aufgemacht ist. Und: Das Versandhaus hat viel Geld gespart, weil der dicke Hauptkatalog im Druck und in der Zustellung viel, viel teurer ist als der dünne Spezialkatalog.

Versandhäuser oder Webshops haben es hier verhältnismäßig leicht. Bei der Bestellung muss der Kunde ja seinen Namen und seine Adresse angeben und damit kann sein Kaufverhalten gut erfasst und genutzt werden. Schauen wir uns deshalb einige Beispiele an, wo und wie Daten über uns gesammelt und dann für Werbung benutzt werden bei Händlern oder Anbietern, wo der Kunde zunächst anonym ist.

Kunden- und Rabattkarten auswerten Schaut man in den Geldbeutel von manchen Konsumenten, finden sich darin eine Unzahl von Kunden- und Rabattkarten. Warum? Weil wir bei der Vorlage der Kundenkarte Rabatte bekommen und vielleicht noch einige andere Gratifikationen in Anspruch nehmen können. Wichtig Die Rabatte durch Rabatt- und Kundenkarten bekommen wir nicht geschenkt. Wir bezahlen dafür durch Aufgabe unserer Anonymität und lassen es zu, ein Stück weit gläserner zu werden Während wir sonst an der Kasse zahlen, ohne weitere Spuren zu hinterlassen, geben wir mit unserer Kundenkarte unsere Identität preis. Der Händler oder Anbieter hat also die Möglichkeit, unser persönliches Kaufverhalten bei ihm aufzuzeichnen und uns entsprechende Werbung zuzuschicken. Da das Management von Kundenkarten sehr aufwendig ist und nicht alle Konsumenten ihre Geldbeutel mit einer Vielzahl von Karten vollstopfen wollen, haben clevere Anbieter mit Rabattkarten à la Payback oder Deutschland-Card einen höchst lukrativen Markt gefunden. Die teilnehmenden Händler sparen sich das Kartenmanagement und in den Organisationen dieser Kartenanbieter sitzen Datenprofis, die in puncto Statistik mit allen Wassern gewaschen sind. Auf diese Weise bekommen die Händler ein tiefes Wissen von uns, dass sie zielgenau in der Werbung einsetzen können.

Geheimdienste ganz besonderer Art Das Internet ist nicht nur das am schnellsten wachsende Informationsmedium. Es ist auch das am schnellsten wachsende Werbemedium. Auch hier gilt natürlich: Je mehr ich über die Nutzer weiß, desto zielgerichteter kann ich sie mit Werbung ansprechen. Warum werden an den Weltbörsen so horrende Summen für Google, Facebook und Co bezahlt? Die Antwort ist einfach: Nicht für die technische Lösung, sondern für das einzigartige Wissen, das sie von unseren Interessen, unseren Vorlieben und unserem Verhalten und dem von weiteren Milliarden potenzieller Kunden in

aller Welt haben. Die Nutzung dieses Wissens ist für die Werbung Gold wert. Suchmaschinen Beginnen wir mit Google. Angenommen Sie schalten Ihren Computer, Ihren Laptop etc. ein, schon hinterlassen Sie im Netz eine Adresse: die IP-Adresse. Damit weiß man zwar noch nicht, wer Sie sind und wie Sie heißen, aber man kann Sie zuordnen. Da der Trend zunehmend zu mobilen Geräten geht, spielt das Google & Co in die Hände. Bei fest installierten Computern verbirgt sich oft eine Familie mit unterschiedlichsten Vorlieben hinter einer Adresse. Bei mobilen Geräten dagegen ist die Adresse einem Nutzer/einer Nutzerin fest zugeordnet. Wenn Sie nun in Google surfen, hinterlassen Sie mit jedem Click genauso Spuren wie mit jedem Begriff, den sie in die Suchmaske eingeben. Und alle diese Datenspuren werden gespeichert. Es werden Profile daraus erstellt und Ihrer IPAdresse zugeordnet. Wenn nun ein Unternehmen ein Angebot hat, beispielsweise für junge Frauen mit Vorliebe für Naturkosmetik und Sie zu dieser Gruppe gehören, dann landet das Angebot punktgenau auf Ihrem Computer oder Ihrem Smart Phone. Da die Google-Dienste schon heute mit GPS etc. verbunden sind, weiß man auch genau, wo Sie sich befinden, und kann lokale Angebote, die in der Nähe Ihres Aufenthaltsortes liegen und Ihren Interessenschwerpunkten entsprechen, zum richtigen Zeitpunkt direkt an Sie übermitteln. Social Networks Kommen wir nun zu Facebook & Co. Während Google aus Ihren Sucheingaben Profile erstellt, hat es Facebook viel einfacher. Die meisten Nutzer geben nämlich fast alles preis: vom Namen über die Interessen bis hin zu Freunden usw. Mehr Information hat weder die Polizei noch das Finanzamt von ihnen. Mit diesem Wissen wird es noch einfacher, uns gezielt anzusprechen und die IP-Adresse mit zusätzlichen persönlichen Daten anzureichern. Wenn wir den Computer einschalten, welch Wunder – bekommen wir nur noch solche Werbeeinblendungen und Angebote, bei denen die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass wir uns dafür interessieren. Dass der Nachbar ganz andere Einblendungen bekommt, weil er ganz andere Interessen hat, wissen wir natürlich nicht.

Spuren aus dem Alltag Das Ziel und die Mittel, uns als Konsumenten zu durchschauen und uns treffsicher anzusprechen, gibt es schon lange. Denn durch unser Leben und unser Verhalten hinterlassen wir Spuren. Zudem verändern Geschlecht, Alter, Persönlichkeit und unsere Ausbildung unsere Konsuminteressen und unser Kaufverhalten. Wir bezahlen mit Kreditkarte, wohnen in einer bestimmten Straße, kaufen ein Auto eines bestimmten Typs und bezahlen vielleicht mal eine Rechnung nicht. Es gibt nun eine Reihe von Firmen, die ihr Geld damit verdienen, alle diese Daten über uns zu sammeln und intelligent auszuwerten. An einem persönlichen Beispiel möchte ich erklären, wie das geht.

Wohngegend Ich wohne in München in einer Gegend, wo überdurchschnittlich viele besser verdienende Menschen leben. Die Soziologen wissen, dass es kein Zufall war, dass ich in diese Gegend gezogen bin: Gleich zu gleich gesellt sich nämlich gerne. In meiner Straße gibt es zudem viele BMW- und Audi-, aber fast keine MercedesFahrer. Diese Daten kann man vom Kraftfahrzeug-Bundesamt nach Straßenabschnitten kaufen. BMW- und Audi-Fahrer sind aber etwas offener und moderner eingestellt als beispielsweise Mercedes-Fahrer. Und schon weiß man wieder ein bisschen mehr von meiner Persönlichkeit. Geschlecht, Alter und Zahlungsverhalten Geschlecht und Alter spielen ebenfalls eine Rolle bei unseren Kaufgewohnheiten (im letzten Kapitel des Buches gehen wir näher darauf ein). Doch wie alt bin ich? Von der Behörde bekommen die Analyseunternehmen diese Daten nicht. Trotzdem kriegen sie es raus. Wie? Indem sie den Vornamen analysieren. Die Präferenzen für Vornamen verändern sich nämlich mit der Zeit, und dieses Wissen wird genutzt, um meine Adresse mit Alter und Geschlecht zu versehen. Wenn Sie beispielsweise Dieter heißen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Sie ca. 1950 geboren sind. Zusätzlich werden meine Adresse noch im Hinblick auf mein Zahlungsverhalten und meine Einkommensverhältnisse durch Kreditauskunftsvergleich überprüft. Noch viele weitere Merkmale spielen die Analyseunternehmen hinzu. Die passgenaue Werbebotschaft Was passiert nun? Eines Morgens öffne ich den Briefkasten und bekomme von einer Bank ein Angebot: „Sie sind gut situiert, Ihre Kinder sind gerade aus dem Haus, Sie reisen gerne und interessieren sich für Autos: Wir haben genau das richtige Angebot für Sie.“ In der Beilage des Werbebriefs ist ein dynamischer Mann etwa Anfang 50 zu sehen, der in seinem Lebensstil fast genauso aussieht wie ich selber. Ich bin zwar knapp über 60, fühle mich aber, wie die meisten Menschen, 10 Jahre jünger. Deshalb spricht mich dieser sportliche 50-Jährige unbewusst sofort an. Ist es ein Zufall, dass genau dieser Werbebrief in meinem Briefkasten gelandet ist? Natürlich nicht. Die entsprechende Bank hat sich nämlich mit einer bestimmten Suchanfrage an einen Adressanbieter gewandt: Sie hatten ein Angebot für gut situierte und risikobereitere männliche Akademiker, die über 60 und noch beruflich aktiv sind. Da ich genau diesem Typ entspreche und ich so selektiert werden konnte, habe ich dieses Angebot im Briefkasten gefunden. Selbstverständlich ist es genau auf meine Bedürfnisse zugeschnitten und die Bildwelt ist exakt auf meinen Lebensstil abgestimmt. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich aufgrund einer so zielgerichteten Ansprache bei dieser Bank einen Vertrag abschließe, ist um das Vier- bis Fünffache höher als bei einem Anschreiben mit einem Standardangebot für jedermann. So spart sich die Bank sehr viel Geld, weil sie weniger Werbebriefe aussenden muss, gleichzeitig gewinnt sie viel Geld, weil die Abschlussquote deutlich höher ist.

Wichtig Anbieter und Werbeindustrie haben das Ziel, möglichst viel über uns zu erfahren und unsere Wünsche und unser Kaufverhalten möglichst genau zu kennen: Ihr Ideal wäre der gläserne Kunde. Der Konsument und Bürger hat entgegengesetzte Interessen. Er möchte sein Privatleben verschlossen halten. Aus diesem Grund ist eine transparente Datenschutzdiskussion von großer Wichtigkeit. Ein funktionierender Markt braucht ein effizientes Marketing, eine offene und demokratische Gesellschaft braucht dagegen den Schutz des Privatlebens. Man muss sich also irgendwo treffen.

So schützen Sie sich Glauben Sie nicht, dass Werbung bei Ihnen nicht wirkt. Wenn Sie Werbung sehen, werden unbewusst Ihre Kaufpräferenzen verändert. Der beste Schutz gegen Werbung ist: Werbung auszuschalten oder weiterzublättern. Misstrauen Sie eindringlichen Werbeversprechen: In der Regel ist zum Beispiel die „gesteigerte Waschwirkung“ so minimal, dass Sie sie im Alltag nicht bemerken. Nutzen Sie das in diesem Kapitel Gelernte und schauen Sie sich Werbefilme und Anzeigen jetzt aus der Sicht des Profis an. Auf diese Weise verlieren die unbewussten Wirkmechanismen einen Teil ihrer Kraft. Wenn Sie Ihre Privatsphäre schützen wollen: Verzichten Sie auf Kunden- und Rabattkarten. Wenn Sie keine Werbepost bekommen wollen: Lassen Sie sich auf die sogenannte Robinson-Liste setzen. Misstrauen Sie Google, Facebook & Co. Geben Sie nur solche Daten von sich weiter, die Sie auch mitten in der Stadt an eine Plakatwand schreiben würden. Auf einen Blick: Wie uns Werbung verführt Auch wenn wir uns für immun halten: Werbung wirkt auf unser Unbewusstes ein und beeinflusst unser Kaufverhalten.

Kreative und überraschende Werbebotschaften erregen unsere Aufmerksamkeit und dringen so ins Unbewusste.

Was wir kennen, ist uns vertraut und sympathisch. Diese Vertrautheit wird durch permanente

Wiederholung von Werbebotschaften erreicht. Haben wir die Wahl, greifen wir häufiger zu den scheinbar bekannten Produkten.

Unser Gehirn verknüpft Ereignisse miteinander, wenn sie immer wieder zusammen auftreten. Diesen Effekt nutzt die Werbung, um Produkten emotionale Zusatzbotschaften anzuheften.

Möglichst umfassende Kundendaten sorgen dafür, dass die Werbeindustrie die Konsumenten zielgerichtet ansprechen kann. Das spart den Unternehmen nicht nur Geld, sondern steigert auch noch ihren Umsatz, weil die Werbung direkt bei den Vorlieben der Konsumenten ansetzen kann.

Warum wir billige Produkte teuer bezahlen Wenn wir Produkte kaufen, erwerben wir meist nicht nur das nackte Produkt – wir bekommen es in einer Verpackung und es trägt einen Markennamen. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum wir für Markenprodukte gern mehr bezahlen, warum Marken einen Placeboeffekt haben, wie Verpackungen auf unser Unbewusstes wirken und die verpackten Waren aufwerten, wie uns Produktverbesserungen und Zusatznutzen verführen, wie Produkte verändert werden, damit sie unseren Sinnen schmeicheln.

Was Marken in unserem Gehirn anstellen Angenommen Sie gehen ein TV-Gerät kaufen. Im Regal finden Sie zwei Geräte, die von der Form, Größe und Bildqualität und natürlich auch im Preis fast gleich sind. Der sichtbare Unterschied besteht aber in der Marke. Gerät A ist von einem namhaften Markenhersteller, Gerät B kommt von einem chinesischen Produzenten, von dem Sie noch nie etwas gehört haben. Welches dieser Geräte würden Sie mit höherer Wahrscheinlichkeit kaufen? Klar – das Gerät A. Warum? Eben weil es ein Markenprodukt ist.

Wie Marken unsere Wahl beeinflussen Einen ähnlichen Versuch hat der amerikanische Forscher Leslie de Chernatony vor einigen Jahren gemacht. Beispiel Die Versuchspersonen bekamen in zwei Gläsern, die nicht gekennzeichnet waren, Pepsi und Coca-Cola zum Probieren angeboten. Sie wussten also nicht, welche Marke sie tranken. Nach diesem Geschmackstest sollten sie entscheiden, welches der beiden Getränke sie kaufen würden. Das Ergebnis: 51 % entschieden sich für Pepsi, 44 % für Coca-Cola, 5 % konnten sich nicht entscheiden. Nun wurde der Versuch wiederholt – mit einem wichtigen Unterschied: Diesmal waren die Gläser deutlich mit dem Markenzeichen gekennzeichnet. Der Vorgang war der gleiche wie vorher – erst probieren, dann entscheiden. Völlig anders dagegen war das Ergebnis: Nur noch 23 %

entschieden sich für Pepsi und 65 % (!) dagegen für Coca-Cola (der Anteil der Unentschlossenen stieg auf 12 %). Offensichtlich hat also die stärkere Marke Coca-Cola die Kaufentscheidung der Versuchspersonen unbewusst dramatisch beeinflusst. Wichtig Marken beeinflussen unbewusst unsere Kaufentscheidungen in erheblichem Maße.

Wie uns Marken das Geld aus der Tasche ziehen Wir haben gesehen: Marken machen Produkte attraktiver. Das ist aber nur ein Effekt von Marken. Den anderen wichtigen Effekt spüren wir im Geldbeutel: Marken machen Produkte viel, viel teurer. Beispiel Die Herstellung von einem Paar Jogging-Schuhe kostet in China incl. Entwicklungskosten ca. 10 EUR. Der Importeur bringt sie nach Deutschland und bekommt dafür 5 EUR. Der deutsche Sportartikelhändler würde das Paar also um ca. 15 EUR einkaufen und es uns für 30 EUR verkaufen. Kommen diese Sportschuhe aber von adidas, Puma oder Nike, zahlen wir nicht 30 EUR, sondern 100 EUR für dieses Paar. Warum? Weil allein die Marke den Preis dieser Sportschuhe dramatisch gesteigert hat. Dieser durch Marken verursachte Mehrpreis hängt stark vom Produktbereich ab: Bei Luxusgütern bezahlen wir allein für die Marke bis zu 20-mal (2000 %) so viel wie das, was das Produkt in der Herstellung (incl. Transport etc.) kostet. Bei Lebensmitteln kostet das Markenprodukt zwischen 10 und 60 % mehr als die vergleichbare Handelsmarke. Jetzt werden Sie sicher denken, dass sich insbesondere die Luxusindustrie eine goldene Nase verdient. Das ist sicher richtig. Wir dürfen dabei aber nicht vergessen, dass der Aufbau von starken Marken durch Werbung etc. sehr, sehr teuer ist. Luxusgüterhersteller geben bis zu 40 % ihrer gesamten Einnahmen für Werbung aus, bei Lebensmittelherstellern sind es ca. 10 bis 15 %. Bei Lebensmitteln sehen wir die Preisunterschiede zwischen der Handelsmarke und dem Markenprodukt täglich bei unserem Einkauf. Viele Handelsmarken sind qualitativ gleichwertig. Sie werden, wie wir wissen, von den

Markenartikelherstellern sogar selbst für den Handel produziert, um ihre Produktion auszulasten. Wichtig Marken machen Produkte attraktiver und öffnen unseren Geldbeutel. All das erfolgt für uns weitgehend unbewusst.

Marken lösen Emotionen aus Im vorhergehenden Kapitel haben wir uns ausführlich mit den Mechanismen der Werbung beschäftigt. Dieses Wissen hilft uns, die Wirkung von Marken besser zu verstehen. Denn Werbung ist der wichtigste Weg, Marken in unserem Kaufhirn aufzubauen und zu verankern. Wir haben gesehen, dass es Emotionen sind, die im Gehirn Wert schaffen – und genau das ist die wichtigste Funktion von Marken: Marken sind hochemotionale Vorstellungsbilder, die unbewusst auf das entsprechende Produkt übertragen werden, sobald es mit dem entsprechenden Markenzeichen versehen wurde. Wenn ein Kleidungsstück das Markenzeichen von Marc O’Polo trägt, wird dessen gesamtes Markenimage auf dieses Kleidungsstück übertragen. Grundsätzlich gilt: Je mehr Emotionen eine Marke in unserem Gehirn auslöst, desto mehr sind wir bereit, für das entsprechende Markenprodukt zu bezahlen. Wichtig Je stärker die von einer Marke ausgelösten Emotionen sind, desto mehr geben wir für das entsprechende Markenprodukt aus. In den vorhergehenden Kapiteln haben wir gesehen, dass eine emotionale Aufladung, die Status oder Individualität beinhaltet, einen besonders großen emotionalen Wert für unser Gehirn hat. Aus diesem Grunde bezahlen wir auch so hohe Preise für Luxusmarken: Sie versprechen Status, Exklusivität und auch Individualität. Denn in der Regel beinhaltet die Botschaft, die mit einer Marke verbunden ist, ein emotionales Leistungsversprechen, das die Marke ganz deutlich von ähnlichen Marken unterscheidet. Nehmen wir als Beispiel die drei deutschen Auto-Premiummarken: Audi, BMW und Mercedes. Welches emotionale Leistungsversprechen fällt Ihnen spontan ein? Audi: (Technischer) Vorsprung (= Dominanz) BMW: Fahrfreude (= Stimulanz) Mercedes: Sicherheit/Qualität (= Balance) Alle drei Premiummarken haben neben ihrem emotionalen Leistungsversprechen

noch zusätzlich ein Statusversprechen. Volkswagen beispielsweise punktet auch bei Sicherheit, aber überhaupt nicht bei Status. Der Name „Volkswagen“ sagt ja schon: „Das ist ein Auto für alle“ und das ist das Gegenteil von Status, denn Status hat immer ein Exklusivitätsversprechen. Werbung ist ein wichtiges Mittel, um Marken in unserem Gehirn zu verankern. Sie alleine reicht aber nicht aus. Emotional starke Marken zeichnen sich dadurch aus, dass das Leistungsversprechen an allen Berührungspunkten mit der Marke erlebbar ist – möglichst mit allen Sinnen. Aus diesem Grund ist das Autodesign von BMW, das Fahrverhalten eines BMW und die Gestaltung von BMWAutohäusern völlig anders als bei Mercedes oder Audi.

Marken erzählen Geschichten Warum ist Apple heute weltweit eine der wertvollsten Marken? Weil die Produkte Emotionen auslösen, weil die Marke ein klares emotionales Leistungsversprechen hat (Individualität plus Einfachheit) und weil ihr verstorbener Gründer Steve Jobs, seine Lebensgeschichte und sein Anspruch weltbekannt sind. Die Gründungsgeschichte von Apple kennt jeder: wie Jobs mit seinem Freund Steve Wozniak in der Garage den ersten Tischcomputer baute, der von Nichtexperten bedienbar war. Später wurde Jobs aus seinem Unternehmen gedrängt – er wurde zurückgeholt und führte das Unternehmen durch seinen eisernen Willen und seine Visionen zur heutigen Blüte. Und genauso wie kleine Kinder emotionale Geschichten lieben, lieben wir Erwachsene sie: Geschichten geben nämlich Sinn und lösen Emotionen aus. Der emotionale Wert, den eine Marke auf ein Produkt überträgt, steigt erheblich, wenn mit der Marke eine Geschichte verbunden ist. Ein schönes Beispiel dafür ist die Antifaltencreme „Creme de LA MER“ vom Kosmetikkonzern Estée Lauder. Beispiel Ein kleines Tiegelchen der Hautcreme LA MER kostet im Handel ca. 240 EUR. Warum zahlen Konsumentinnen einen derart hohen Preis? Weil die Entstehung der Marke und das Markenversprechen mit einer einzigartigen Geschichte verbunden sind. Diese Geschichte geht etwa so: Der amerikanische Raketentechniker Dr. Max Huber verbrannte sein Gesicht, als er versuchte, einen neuen Treibstoff zu entwickeln. Das Gesicht war vernarbt und teilweise entstellt, deswegen forschte er jetzt in eigener Sache über 12 Jahre lang und machte Tausende von Versuchen – erfolglos. Eines Tages entdeckte er vor der Küste von Kaliforniern Algen mit einem speziellen Wirkstoff. Dieser glättete die Haut und die Narben auf wundersame Weise. Er entdeckte zudem, dass die Wirkung dieses besonderen Stoffes extrem gesteigert werden konnte, wenn man ihn mit sphärischen Klängen bestrahlte. Diese Zauberformel und vor allem die Geschichte machen den Erfolg dieser Hautcreme aus.

Nur am Rande sei erwähnt, dass diese besondere Hautcreme in dermatologischen Untersuchungen gut abschneidet, aber nicht besser als Cremes, die nur einen Bruchteil davon kosten – aber eben auch keine so schöne Geschichte erzählen.

Die Placebowirkung Einer der spannendsten Forschungsbereiche in der modernen Medizin ist die sogenannte Placeboforschung. Das Wort Placebo kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: Ich werde gefallen. Was sind Placebos? Es sind Medikamente, die keinen medizinischen Wirkstoff beinhalten. Das Faszinierende daran ist: Sie wirken trotzdem – und diese Wirkung lässt sich objektiv nachweisen! Ein PlaceboLungenmittel vergrößerte das Atemvolumen bei Patienten um ca. 39 %, ein Placebo-Herzmittel verringerte den Blutdruck um 15 % und PlaceboSchmerzmittel erhöhten die Schmerztoleranz um 45 %. Placebos wirken aber nicht nur im Medizinbereich. Auch im Sport gibt es viele Fälle von objektiver Leistungssteigerung durch eigentlich wirkungslose Mittel. Eine besondere Wirkung von Placebos ist, dass sie unser DopaminErwartungssystem im Gehirn aktivieren. Wenn ich mir Laufschuhe von Nike kaufe, dann wirkt die damit ausgelöste Erwartung auf mein Dopamin-System. Ich fühle mich toll und spüre, dass ich schneller und leichter laufe. Das Dopamin sorgt nicht nur für positive Gefühle, es aktiviert zusätzlich auch unser Bewegungssystem! Objektiv werde ich allein durch die Marken-Placebowirkung auch etwas schneller sein. Wenn eine Kosmetikcreme also Schönheit verspricht, wird mit der Creme auch das Dopamin-System aktiviert. Die Stimmung steigt, die Frau lächelt etwas mehr und wird dadurch natürlich auch etwas attraktiver. Beispiel Der amerikanische Forscher Craig Roberts zeigte Frauen kurze Videos von Männern, die sich selbst beschrieben. Die eine Hälfte der Männer hatte vorher einen Werbefilm mit AXE gesehen und dann AXE benutzt. Die andere Hälfte hatte ein billiges Deodorant ohne Marke verwendet. Dann ließ Roberts die Männer von den Frauen einschätzen. Das Ergebnis: Die Axe-Nutzer wurden als attraktiver eingeschätzt. Die Verwendung von Axe hatte sie selbstbewusster gemacht. Unbewusst veränderte das ihre Körperhaltung, ihre Gestik und ihre Sprache. Ihr maskulineres Auftreten machte sie für die Frauen anziehender.

Wichtig Marken haben oft einen Placeboeffekt. Sobald wir an die versprochene Wirkung glauben, tritt sie nicht selten tatsächlich ein.

Gemeinschaft und Abgrenzung Marken mit hohem Emotionswert (insbesondere Status und Individualität) haben noch eine weitere preistreibende Eigenschaft: Sie geben dem Konsumenten das Gefühl, Mitglied einer besonderen Gemeinschaft („Community“) zu sein. Damit verbunden ist aber auch eine Abgrenzung gegen andere Gemeinschaften, die natürlich minderwertig sind. Insbesondere bei Jugendlichen, die ihren Platz in der Gesellschaft erst suchen, ist das von hohem Wert. Aber auch bei Erwachsenen gibt es viele Marken, die fast Religionsersatz sind und eine gemeinschaftsbildende Wirkung haben. Beispiele für solche „religiösen“ Marken sind Harley-Davidson, Apple, Red Bull, Moleskine.

Vertrauensverstärker Im Kapitel über die Werbung haben wir gelernt, dass der Bekanntheitsgrad ein zentraler Erfolgsfaktor der Werbewirkung ist. Diese Erkenntnis können wir 1:1 auf Marken übertragen. Bekannte Marken lösen alleine durch ihre Bekanntheit im Konsumentengehirn das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen aus. Den Grund dafür haben wir auch schon kennengelernt: Bekanntes führt in unserem Gehirn dazu, dass es nicht mehr darüber nachdenken muss und der Sache blind vertraut. Da jeder Kauf für unser Gehirn ein (unlustvolles) Risiko darstellt, werden diese negativen Gefühle durch bekannte Marken erheblich reduziert. Damit ist die Marke als „Sicherheitsspender“ noch nicht vollständig erklärt. Tatsächlich ist es so, dass Marken meist auch objektiv eine verlässliche Sicherheit garantieren. Professionelle Hersteller wissen, dass eine erfolgreiche Marke den faszinierenden Schein mit einem objektiven Sein verbinden muss. Umfangreiche Qualitätskontrollen sind für sie deshalb selbstverständlich.

Verpackungen – der schöne Schein Wir haben gesehen, wie Marken unsere Produktwahl beeinflussen und Waren in der Regel auch viel teurer machen. Bis wir das ersehnte Erzeugnis in den Händen halten, dauert es aber noch ein wenig, denn der Weg zum eigentlichen Produkt führt meist über eine Verpackung. Verpackungen haben funktionelle Aufgaben – nämlich die Ware zu schützen, transportierbar zu machen und die gesetzlich vorgeschriebene Produktinformation zu vermitteln. Dafür würde in der Regel eine feste Tüte oder ein einfacher Karton genügen. Nur: So sehen die wenigsten Verpackungen aus. Warum geben Hersteller immens viel Geld für die Gestaltung und die Produktion von hochwertigen Verpackungen aus, wenn es doch billiger auch ginge? Die Antwort: Weil Verpackungen unsere Kaufentscheidungen erheblich beeinflussen und uns das Geld aus der Tasche ziehen, indem sie Produkte für uns unbewusst wertvoller machen, als sie es eigentlich sind. Häufig

sogar sind die Verpackungen teurer als das Produkt. Beispiel Die Herstellung von 50 ml eines Luxusparfums, für das wir im Geschäft 60 EUR bezahlen, kostet in etwa 2 EUR. Die Verpackung dieses Parfums, bestehend aus einer hochwertigen Umverpackung und einem Glasflacon mit Metallverschluss kostet dagegen 3 EUR. Die Verpackung ist also wesentlich teurer als das eigentliche Produkt! Wie gelingt es, uns durch Verpackungen das Geld aus der Tasche zu ziehen? Sie ahnen es bereits: Weil sie Produkte emotionalisieren. Schauen wir uns also an, was Verpackungen in unserem Unbewussten so alles treiben.

Der erste Eindruck zählt Nehmen wir einmal an, Sie wären auf eine Party oder ein Fest eingeladen, wo Sie weder die Gastgeber noch die Gäste kennen würden. Diese wären aber wichtig für Sie, weil Sie Ihnen beruflich den Weg nach oben öffnen können. Wie würden Sie sich anziehen? Würden Sie in der Kleidung kommen, die Sie jeden Tag zu Hause tragen, oder würden Sie schauen, was Ihr Kleiderschrank an schönen und attraktiven Kleidungsstücken hergibt? Ich nehme an, Letzteres wäre der Fall. Wenn wir zum ersten Mal mit Fremden zusammentreffen, dann wissen wir eines genau: Der erste Eindruck zählt doppelt und dreifach. Bei Produkten ist das nicht anders. Genau wie wir auf der Party mit unserer Kleidung, möchten Produkte im Supermarktregal mit ihrer Verpackung Aufmerksamkeit erregen und einen guten ersten Eindruck machen. Nur wenn es gelingt, unser Interesse zu wecken und uns eine emotionale Belohnung durch den Produktkauf in Aussicht zu stellen, werden wir die Packung in die Hand nehmen und uns näher mit dem Produkt beschäftigen.

Verpackungen werten Produkte auf Nachdem wir nun ein erstes Interesse für das Produkt zeigen, beginnt jetzt das eigentliche Verkaufswerk der Verpackung. Da ein großer Teil unseres Einkaufs in Selbstbedienung erfolgt, übernehmen die Verpackungen die Rolle des Verkäufers. Und damit wir kaufen, muss das Produkt in höchsten Tönen angepriesen und emotionalisiert werden. Das geschieht zunächst durch eine emotionale Bilddarstellung. Wie das funktioniert, schauen wir uns am Beispiel von Espressokaffee an. Das Produkt, das Sie tatsächlich kaufen, sieht in der Realität so aus.

Das eigentliche Produkt ist meist nicht sonderlich attraktiv.

Was macht aber die Verpackung aus diesen schnöden Bohnen: Sie verspricht Ihnen den allerfeinsten Kaffeegenuss. Wie funktioniert das? Gezeigt wird nicht der Kaffee, sondern die dampfende Tasse mit einer herrlichen Crema. Allein bei diesem Anblick wird das Belohnungszentrum in Ihrem Gehirn aktiviert. Und das gibt Ihrem Bewusstsein den Befehl, diese Kaffeebelohnung sofort in den Einkaufswagen zu packen. Wichtig Verpackungen verwandeln unattraktive Inhalte in Erlebnisillusionen. Insbesondere bei Lebensmitteln haben Packungen die Aufgabe, uns durch Bilder Genuss zu vermitteln, obwohl der Inhalt eigentlich nur aus Pulver, Sauce oder wie im obigen Beispiel aus Kaffeebohnen besteht. Erst die Packung macht das Produkt zum Erlebnis. Oder nehmen Sie eine Ketchupflasche in die Hand: Was stellt die Verpackung dar? Knackige, frische Tomaten. Das Ketchup selbst ist eine Sauce, die nur zum Teil aus Tomaten besteht, der Rest sind Bindemittel, Geschmacksverstärker und Emulgatoren. Die Verpackung signalisiert Ihnen aber, dass das Produkt aus lauter erntefrischen Tomaten bestünde. Diese emotionalen Produktinszenierungen bringen bares Geld nicht nur bei Markenartikeln, auch die Handelskonzerne werten ihre an sich billigeren

Handelsmarken auf diese Weise emotional auf. Die folgende Abbildung zeigt, wie EDEKA die Verpackung seiner Müsli-Eigenmarke verändert hat, um mehr Emotionen auszulösen.

Viele kleine Veränderungen der Packung schaffen ein Genusserlebnisversprechen.

Werfen wir einen genaueren Blick auf die alte und neue Verpackung. Wir sehen einige kleine, aber sehr wichtige Unterschiede. Das Müsli selbst sieht viel frischer und fruchtiger aus (vorher wurde das Müsli gezeigt, wie es wirklich war). Dafür gibt es spezielle Lebensmittelfotografen, die die Produkte aufpeppen und später im Studio digital nochmals bearbeiten, so dass sie schöner erscheinen, als sie sind. Auf der neuen Packung sieht man auch, wie frische Milch darüber läuft (Belohnungszentrum). Das Gesundheitsargument (Balance-System) „Reich an Ballaststoffen“ wird viel prominenter dargestellt. In der Ecke wird durch das DLGQualitätssiegel ebenfalls das Balance-System im Gehirn positiv angesprochen (Geprüfte Qualität = Sicherheit). Über die Wirkung von Bio- und Qualitätssiegel erfahren wir später noch etwas mehr. Schauen wir uns ein weiteres Beispiel für die vielen kleinen Tricks an, die man auf Verpackungen nutzt, um unsere Kaufbereitschaft zu erhöhen. Es geht um ein Nudelfertiggericht. Betrachten wir diese Verpackung einmal aus Sicht unseres unbewussten emotionalen Kaufhirns und analysieren, welche Bedeutung die einzelnen Verpackungssignale haben (siehe die folgende Abbildung).

Jedes Signal hat eine emotionale Bedeutung.

Beginnen wir mit der Produktbezeichnung „activ“. Sie klingt modern und signalisiert Aktivität und Leichtigkeit. So bestätigt sie uns Käufer als aktive und moderne Zeitgenossen. Die Produktbezeichnung „Penne mit Broccoli“ ist mit dem Zusatz „mit Frühlingskräutern“ verbunden. Und hier erkennen wir etwas ganz Wichtiges: Emotionalisierung ist nicht nur über Bilder, sondern auch über eine bildhaft-emotionale Sprache möglich. Es sind nicht nur Kräuter, es sind „Frühlingskräuter“, die wir verzehren. Wichtig Kleine Botschaften und große Wirkung: Das Wort „Frühlingskräuter“ aktiviert nicht nur unsere Emotionssysteme, sondern auch das Bewegungszentrum im Gehirn. Halten Sie einen Moment still und versuchen Sie mal zu spüren, was Sie empfinden, wenn Sie alleine das Wort Frühling hören: Freude, Aufbruch, Frische – all das erhöht den Genusswert dieses Produkts. Welche Bewegung verbinden Sie mit Frühling? Eine aktivierende Aufwärtsbewegung! Da es sich um ein Wellnessprodukt handelt, kommt auch das Gesundheitsversprechen nicht zu kurz: Die Bestätigung wird durch den O.k.-Haken weiter unterstützt. Nun steckt in den Nudeln eine Gabel. Zufall? Natürlich nicht. Unser Gehirn ist ein Handlungsgehirn.

Das Bild der Gabel reicht, um in unserem Gehirn die Zentren zu aktivieren, die mit der Ausführung der Gabelbewegung verbunden sind. Unser Gehirn ist bei diesem Anblick also bereits zum Essen aktiviert – die Kaufbereitschaft steigt. Nun zum wichtigsten, zur Produktabbildung: frischer Broccoli, der auf leckeren Nudeln liegt. Zum Reinbeißen! Völlig anders dagegen das Bild, wenn Sie die Verpackung öffnen. Weiße Nudeln, blasse, gefriergetrocknete Broccoli und ein gelbliches Soßenpulver – alles andere als appetitanregend. Wichtig Viele kleine Details auf der Verpackung erhöhen den Emotionswert des Produktes und damit den Preis, den wir bereit sind, dafür zu bezahlen. Dieser kleine Ausflug sollte deutlich machen, was alleine auf der Vorderseite der Packung stattfindet, um uns unbewusst zu beeinflussen und unsere Emotionssysteme und damit unsere Kaufbereitschaft zu aktivieren. Und unter dem Strich bringt das bares Geld. Beispiel Die beiden Konsumforscher Tobias Langner und Franz-Josef Esch haben Versuchspersonen die gleiche Schokolade in einer hässlichen und einer schönen Verpackung angeboten. Der Effekt: Für die Schokolade in der schönen Verpackung haben die Versuchspersonen fast doppelt so viel bezahlt. Doch eine Verpackung hat nicht nur eine Vorderseite, sondern auch eine Rückseite. Auch diese bietet viele Möglichkeiten, uns unbewusst zu beeinflussen.

Bestätigung auf der Rückseite Manche meinen, dass wir Verbraucher die Packungsrück- oder -nebenseiten nicht lesen. Das ist falsch! Insbesondere, wenn ein Produkt zum ersten Mal gekauft wird, wollen Konsumenten schon genauer wissen, was da drin ist. Schließlich sind wir ja (so glauben wir) bewusste und rationale Konsumenten. Dass wir auch auf diesen Seiten weiter verführt werden, merken wir nicht. Hier finden sich nicht nur die gesetzlich vorgeschriebenen Inhaltsstoffe (incl. Nährwert) und die Bedienungsanleitung. Viele Hersteller verführen uns mit kleinen, kurzen Produkterklärungen. Diese sind keinesfalls so sachlich, wie wir glauben, sondern setzen nochmals ein paar zusätzliche emotionale Häkchen in unserem Kaufhirn. Bleiben wir im Lebensmittelbereich und nehmen eine ganz normale H-Milch. Was ist uns neben dem Geschmack und der Frische bei Lebensmitteln wichtig? Richtig – die kontrollierte Qualität. Der Lebensmittelhersteller könnte nun auf der Rückseite schreiben: „Unsere Milch wird nach der EU-Richtlinie XY täglich

geprüft“. Aber diese abstrakte, funktionale Sprache aktiviert das Gehirn nicht. Schauen wir uns deswegen den Originaltext an, den ein bekannter bayerischer Milchhersteller auf seiner Packung hat. Beispiel Text auf der Rückseite: Zertifizierte Spitzenqualität in der Herstellung Die Sicherung dieser Spitzenqualität in der gesamten Produktionskette ist uns eine Verpflichtung, die wir aus Tradition sehr ernst nehmen. Das bestätigt uns auch der unabhängige Sachverständige Dr. Jörg Roselt (Umweltgutachter und Lead Assessor QMS): „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie den Premiumanspruch, den Sie nach außen tragen, auch nach innen verkörpern. Die Mitarbeiter von Weihenstephan leben diesen Qualitätsanspruch.“ Was fällt Ihnen auf? Es wird nicht von Qualität gesprochen, sondern von „Spitzenqualität“. Zusätzlich wird die Qualität in der Tradition verankert. Und anstatt einer anonymen Richtlinie wird ein leibhaftiger Qualitätsprüfer mit Doktortitel zitiert, der seinen persönlichen Eindruck von der Firma schildert. Der Titel erhöht die Glaubwürdigkeit, der persönliche Eindruck unterstreicht die Echtheit und Authentizität. Welches Emotionssystem jubelt über diese Aussagen? Richtig: das Balance-System. Bleiben wir noch etwas bei der emotionalen Qualitätsverstärkung von Lebensmitteln, aber auch von anderen Produktbereichen. Hier werden neben textlichen Aussagen oft Gütesiegel verwendet – denken wir dabei an das TÜV-Zeichen bei technischen Produkten oder an das Biozeichen bei Lebensmitteln. Wichtig Scheinbar rationale Prüf- und Biosiegel verstärken den Emotions- und Belohnungswert von Produkten. Auch diese scheinbar rationalen Prüfzeichen haben für unser Konsumentengehirn eine höchst emotionale Bedeutung. Sie erhöhen das Sicherheits- und Vertrauensgefühl gegenüber dem Produkt und belohnen so das Balance-System. Beispiel Der Hirnforscher Bernd Weber zeigte Versuchspersonen im Hirntomografen Verpackungen mit Biosiegel. Das Ergebnis: Biosiegel aktivieren das Belohnungszentrum im Gehirn.

Wie uns Verpackungen täuschen Der erste Eindruck zählt – diese Weisheit gilt nicht nur für das Bild auf der Verpackung, es gilt auch für ihre Größe und ihr Gewicht. Unser Gehirn folgt dabei einer einfachen Logik: große Packung = viel Inhalt, schwere Packung = hochwertiger Inhalt. Da Denken und Rechnen anstrengend sind und unser Gehirn viel Energie kosten, versucht unser Kaufhirn, es sich so einfach wie möglich zu machen: Es prüft häufig weder nach, wie viel tatsächlich in der Verpackung drin ist, noch rechnet es den Vergleichspreis, beispielsweise „Was kosten 100 Gramm?“ aus.

Warum wir Mogelpackungen auf den Leim gehen Diese Leichtgläubigkeit unseres Gehirns nutzen Hersteller in verschiedenster Weise aus, seitdem im April 2009 eine EU-Verpackungsverordnung in Kraft trat, die es dem Hersteller erlaubt, Verpackungsgröße und Inhaltsgewicht frei zu wählen. Der häufigste Trick, der angewendet wird, ist, die Packung gleich zu lassen (70 bis 80 % unseres Alltagskonsums sind Wiederholungskäufe meist der gleichen Produkte), aber den Inhalt zu reduzieren. Beispiel Bei Pampers-Babywindeln blieb die Verpackung unverändert, der Inhalt wurde aber von 44 auf 40 Stück reduziert. Nur wenige Konsumenten haben bemerkt, dass der Hersteller auf diese Weise seine Preise um 10 % erhöhte. Der Hersteller der Clerasil Anti-Pickel-Creme verringerte den Tubeninhalt von 30 ml auf 15 ml. Auf diese Weise erhöhte er seinen Preis fast unbemerkt um 50 %. Diese versteckten Preiserhöhungen fallen kaum auf, weil die Packungen in der Regel optisch gleich bleiben und die veränderten Inhaltsangaben so klein aufgedruckt sind.

Die Packung bleibt fast gleich – so werden die veränderten Inhaltsangaben kaum beachtet.

Alle „Mogelpackungen“, die derzeit auf dem Markt sind, aufzulisten, würde das ganze Buch füllen. Interessierten Lesern empfehle ich die Website der Verbraucherzentrale Hamburg: www.vzhh.de. Dort ist eine umfangreiche Übersicht zu finden. Wichtig Mogelpackungen betrügen uns in der Regel dadurch, dass die gewohnte

Verpackung fast gleich bleibt, der Inhalt aber erheblich reduziert wird.

Was uns das Gewicht suggeriert Wir hatten es schon angesprochen: Auch das Gewicht einer Verpackung hat unbewusst große Auswirkungen auf unsere Kaufentscheidung. Mit dem Gewicht spielen Hersteller ganz bewusst. Wenn sie wollen, dass wir das Produkt als exklusiv erleben, dann wird die Packung schwerer gemacht. Besonders gut eignet sich dazu Glas. Das Beispiel der Parfümflasche haben wir schon kennengelernt. Den gleichen Effekt finden wir auch bei Spirituosen, teuren Olivenölen usw. Durch die dicken Glaswände wirkt die Verpackung zudem größer und signalisiert mehr Volumen. Leert man den Inhalt aus, wundert man sich, wie wenig tatsächlich drin war. Das Spiel mit dem Gewicht erfolgt aber auch in die andere Richtung: Hersteller lassen die Packung manchmal auch besonders leicht gestalten. Und zwar dann, wenn mit dem leichten Gewicht eine andere Eigenschaft des Produktes suggeriert werden soll. Zum Beispiel, dass das Produkt fast keine Kalorien hat. Denken Sie etwa an Raffaelo von Ferrero. Die Verpackung ist federleicht – und die verführerischen Kugeln auch. Schaut man aber, wie viele Kalorien in den Kugeln pro 100 Gramm enthalten sind, ist es mit der Leichtigkeit auch schon wieder vorbei, es sind nämlich ebenso viele, wie bei jeder anderen Schokolade auch!

Was die Packungsoberfläche bewirkt Nicht nur das Gewicht beeinflusst unser Preis- oder Qualitätsempfinden, auch die Oberfläche der Verpackung ist ein wichtiges Wertsignal für unser Gehirn. Ein glatter, dünner Glanzkarton wirkt funktional und eher billig. Anders ist es, wenn der Karton dick und beispielsweise mit feinen Rillen auf der Oberfläche durchzogen ist. Je mehr die Fingerspitzen zu tasten und zu greifen haben, desto wertvoller wirkt das Produkt. Diese Effekte können auch durch Prägung und besondere Drucktechniken hervorgerufen werden. Ein schönes Beispiel ist dafür die Verpackung der Toblerone-Schokolade. Fahren Sie mal mit Ihren Fingern darüber – die Verpackung ist nicht glatt, sondern sie bietet auch Ihren Fingerspitzen ein Erlebnis. Toblerone ist übrigens nicht nur ein gutes Beispiel für die unbewusste Beeinflussung durch Oberflächen, sondern auch durch die Packungsform.

Die versteckte Botschaft der Form Während herkömmliche Schokoladen als Tafeln verkauft werden, gibt es Toblerone nur in Form der typischen dreieckigen Packung. Diese Verpackungsform hebt sich nicht nur vom gleichförmigen Allerlei der restlichen Schokoladen ab, sie erinnert gleichzeitig an die Schweizer Herkunft und das Matterhorn. Außerdem

sorgt sie vom Öffnen bis zum typischen Abbrechen der Schokolade für ein einzigartiges Nutzungserlebnis. Verpackungsformen werden auch dazu genutzt, Produkteigenschaften, für die der Konsument gerne mehr bezahlt, unbewusst hervorzuheben. Eine Parfümflasche in Kugelform verspricht Harmonie und Geborgenheit, eine mit Ecken und Kanten und ohne Symmetrie Spannung und prickelnde Erotik. Verpackungen aktivieren oft auch tief verborgene Assoziationswelten. Ein besonders schönes Beispiel ist die Verpackung der Wrigley-ProfessionalKaugummis mit ihren runden Kaugummi-Boxen. Diese Kaugummis kombinieren frischen Geschmack mit medizinischem Zusatznutzen, nämlich sauberen und gesunden Zähnen. Dieser medizinische Anspruch wird unbewusst durch die Packungsform signalisiert: Sie sieht aus wie eine medizinische Pillendose.

Die Kaugummi-Box erinnert an eine medizinische Pillendose.

Wie Geräusche verführen Mit den Methoden der Hirnforschung hat man einmal untersucht, wann im Gehirn

des Konsumenten die größte Freude beim Verzehr eines Fruchtjoghurts entsteht. Das Ergebnis war überraschend: nicht etwa beim ersten Löffel im Mund, sondern schon in dem Moment, als die Versuchspersonen den Deckel des Joghurtbechers abzog. Offensichtlich ist dies der entscheidende Moment der Lust. Professionelle Hersteller achten bei der Packungsentwicklung auch darauf und inszenieren diesen entscheidenden Lustmoment. Das Öffnen der Ritter-Sport-Schokolade erfolgt durch den Bruch der Verpackung und der Tafel in der Mitte – verbunden mit einem deutlichen Knackgeräusch. Ein weiteres schönes Beispiel für die akustische Inszenierung dieses Lustmoments liefert die Verpackung des Schweizer Bonbonherstellers Ricola. Wird die Klappe der Bonbonschachtel geöffnet, hört der Konsument ein leichtes Klick. Dieses Geräusch wurde bei der Verpackungsentwicklung bewusst eingebaut. Ähnlich wie beim pawlowschen Hund, dem beim Glockenton das Wasser im Maul zusammenlief, aktiviert dieses Klickgeräusch nicht nur das Lustzentrum im Gehirn, sondern auch die Speicheldrüsen im Mund.

Warum wir gerne Illusionen kaufen Kommen wir nun zum eigentlichen Produkt. Wir haben ja im ersten Kapitel gesehen, warum wir etwas kaufen: Die erworbenen Gegenstände helfen uns, unsere Wünsche zu befriedigen und unsere Ziele zu erreichen. Diese Ziele und Wünsche sind uns selbst nur teilweise bewusst und dahinter stehen immer unsere Emotionssysteme. Mit einem Putzmittel versuchen wir Ordnung und Sauberkeit ins Haus zu bekommen, der Treiber ist unser Balance-System. Kaufen wir uns ein TV-Gerät oder einen MP3-Player, dann ist das Stimulanz-System daran schuld. Eine Bohrmaschine schließlich erhöht unsere Effizienz und Leistung und dieser Wunsch kommt aus dem Dominanz-System. Produkte haben also einen Grundnutzen, für den wir bereit sind, Geld zu bezahlen. Nun wollen wir uns anschauen, was sich die Industrie so alles einfallen lässt, damit wir unseren Geldbeutel etwas weiter aufmachen, als eigentlich geplant.

Steigerung des Grundnutzens Wenn Sie in einem Drogeriemarkt ein Stück Seife kaufen, bekommen Sie für 2 EUR eine gute Markenseife. Wären Sie bereit, für ein Stück Seife in der gleichen Größe nicht 2 EUR, sondern ca. 90 EUR zu bezahlen? Für ein profanes Stück Seife? Wenn Sie sich das nicht vorstellen können, kennen Sie das CorSeifen-Sortiment aus den USA noch nicht. Das Stück Cor-Seife auf unserem Bild kostet sage und schreibe 90 EUR. Im Vergleich zu unserer Seife sind das 4.500 % mehr!

Durch ein kaum nachprüfbares Produktversprechen steigt der Verkaufspreis um 4.500 %.

Warum ist dieses Produkt in den USA der große Renner, und warum wird so viel dafür bezahlt? Der Grund liegt in der Verstärkung des Grundnutzens „Reinigung“. Zwar reinigen andere Seifen auch, aber Cor Soap tut es noch viel, viel gründlicher. Warum? Weil Cor Soap keine normale Seife ist, sondern ein Hightech-Produkt, das auf modernster Nanotechnologie basiert. Die beigefügten Silbernanopartikel gehen (so die Behauptung) in die Tiefen der Haut und vernichten zudem alle Bakterien. Verbindet man den Konsumenten die Augen und bittet sie, sich Hände und Gesicht mit der billigen und der teuren Seife zu waschen (ohne dass sie sehen, welche Seife sie gerade benutzen), werden sie keinerlei Unterschiede in der Reinigungswirkung feststellen. Wichtig Viele Leistungs- und Nutzenversprechen sind objektiv nicht wahrnehmbar, machen Produkte aber erheblich teurer. Allein das Gefühl, jetzt das wertvolle Nanosilber auf der Haut zu verteilen, lässt das Belohnungszentrum in unserem Gehirn jubeln. Dieser Jubel, das wissen wir inzwischen, kostet meistens viel Geld. Jetzt werden Sie vielleicht sagen: Die Amis spinnen, ich würde darauf nicht hereinfallen. Sie täuschen sich. Auch wir werden im Alltag Opfer dieses „Mehr-vom-Gleichen-Glaubens“. Der Beweis: Gehen Sie doch einfach mal an den Schrank, in dem Sie Ihre Waschmittel und Ihre Geschirrmaschinenspülmittel aufbewahren. Nehmen Sie eine dieser Packungen in die Hand und Sie werden garantiert ein Wirkungsverstärker-Versprechen finden. Und Sie werden das Mittel in Ihre Spülmaschine oder Waschmaschine füllen und

das Gefühl haben, dass alles jetzt wirklich gründlich sauber ist. Wenn Sie sich allerdings die Zeit nehmen, das alte Produkt mit dem neuen Produkt und dem noch lauteren Wirkungsversprechen zu vergleichen, werden Sie keine Veränderungen feststellen. Natürlich wird in den Labors der Hersteller laufend daran gearbeitet, die Mittel besser zu machen. Die Fortschritte sind in der Regel aber so minimal, dass man sie nicht bemerkt. Oft werden diese Wirkungsverstärker im Alltag auch schlicht nicht gebraucht. Wichtig Viele Leistungsversprechen sind im Alltag nutzlos, vermitteln aber ein Sicherheitsgefühl, das die Kunden teuer bezahlen. Denken wir an Deodorants, die 72 Stunden Schutz versprechen. Auch große Hygienemuffel kommen spätestens nach zwei Tagen an einer Dusche vorbei. Obwohl die Wirkungsversprechen objektiv meist wertlos sind: Für unser Käufergehirn haben sie eine große Wirkung. Sie geben uns das Gefühl, die Sache besser im Griff zu haben und noch besser geschützt zu sein – und für diese Steigerung unseres Sicherheits- und Stärkegefühls sind wir bereit, auch mehr zu bezahlen.

Zusatznutzen – das kleine „Mehr“ Bleiben wir noch eine Weile beim Grundnutzen von Produkten. Eine weitere Strategie, Produkte attraktiver und damit teurer zu machen, ist es, sie mit einem Zusatznutzen anzureichern. Nehmen wir nochmals ein Deodorant. Der Grundnutzen ist der „Schutz vor unangenehmem Geruch“. Diese Schutzfunktion kann man, wie wir oben mit den 72 Stunden gesehen haben, immer weiter steigern, aber irgendwann ist damit auch mal Schluss. Was machen findige Hersteller, um aus dieser Immer-Mehr-Spirale herauszukommen? Sie versehen das Produkt mit einem sogenannten Zusatznutzen. Die Nivea-Deos sind beispielsweise deshalb so erfolgreich, weil sie nicht nur Schutz vor unangenehmem Geruch bieten, sondern für die sensible Haut unter den Achselhöhlen auch noch ein Pflegeversprechen beinhalten. Dieses Nutzenversprechen stammt aus dem Bereich der Hautpflege. Der Mehrpreis des Produktes wird also mit dem Zusatznutzen begründet. In der Regel ist die Herstellung des Produktes nicht viel teurer als ohne den Zusatznutzen. Aber so denkt unser Gehirn nicht. Es denkt: Da bekomme ich etwas dazu, also bezahle ich auch mehr dafür. Löcher in den Sohlen machen Schuhe richtig teuer Funktioniert dieses Prinzip auch in anderen Produktkategorien? Na klar! Folgen Sie mir in einen Schuhladen. Wir gehen zu den Geox-Schuhen. 1995 gegründet,

macht das italienische Unternehmen heute mehr als 800 Millionen Euro Umsatz. Warum kaufen so viele Konsumenten diese Schuhe? Weil sie einen einzigartigen Zusatznutzen haben. Geox-Schuhe versprechen nämlich, dass die Schuhe atmen!

Zusatznutzen: Löcher in den Sohlen machen Schuhe richtig teuer.

Ihnen fällt sicher die Geox-Werbung ein, in der die Schuhe immer wie Dampfbügeleisen dargestellt wurden. Für dieses zusätzliche Hygiene- und Frischeversprechen sind viele Konsumenten bereit, erheblich mehr als für einen normalen Schuh zu bezahlen. Im Konsumalltag finden wir Hunderte dieser Produkte mit Zusatznutzen. Denken Sie an Joghurts wie Actimel mit dem Versprechen, unser körpereigenes Immunabwehrsystem zu stärken usw. Oft gilt hier das Gleiche wie bei der Funktionsverstärkung: Glaube versetzt Berge – und geht ins Geld. Wenn die Duschkabine zur Südseeinsel wird Diese Zusatznutzen können aber auch ganz anderer Art sein: nämlich neue Erlebniswelten, die von profanen Produkten versprochen werden. Begleiten Sie mich einfach einmal zum riesigen Shampoo-Regal eines Drogeriemarktes. Da gibt es Shampoos mit funktionalem Zusatznutzen, wie Stärkung der Haarspitzen oder Verhinderung von Schuppen. Es gibt aber auch Shampoos, die versprechen, neue Lebens- und Erlebniswelten zu eröffnen. Da ist beispielsweise das Wellness-Shampoo, das Ihnen verspricht, dass Sie völlig entspannt aus Ihrer Dusche steigen, und schon taucht in Ihrem Bewusstsein die Erinnerung an Ihren letzten Spa-Besuch auf. Daneben steht ein Produkt, welches mit einem Anti-Aging-Versprechen ausgestattet ist. Ihre Dusche, so die Illusion, verwandelt sich in einen Jungbrunnen. Und natürlich gibt es auch Fitness- und Energizing-Shampoos, die Kraft und Vitalität versprechen. In diesen Erlebniskategorien finden wir auch Shampoos mit Regenwaldfrische oder einem

Ayurveda-Gesundheitsversprechen. Wichtig Produkte werden oft mit Erlebnisversprechen ausgestattet, deren Erfüllung allerdings nur in der Fantasie des Nutzers stattfindet. Die Inszenierung dieser Illusionen beginnt bei der Konsistenz und Farbe der Creme-Flüssigkeit. Das Energizing-Shampoo ist durchsichtig und rot, das Ayurveda-Shampoo ist milchig. Dann kommt der Geruch: Gerüche haben, wie bereits erwähnt, eine ungeheure Wirkung auf unsere Emotionssysteme. Besonders wichtig ist die Verpackung, also die Shampooflasche: Das männliche Energizing-Shampoo erhalten wir in einer schwarzen Flasche mit Noppen, die aussieht wie ein Pistolengriff, während das Anti-Aging-Shampoo medizinischpuristisch gestaltet ist. Produktversprechen und Verpackung werden so zu einer multisensualen Illusionsinszenierung, der sich unser Kaufgehirn nur schwer entziehen kann. Lesern, die sich etwas näher damit beschäftigen wollen, sei das Buch „Habenwollen: Wie funktioniert die Konsumkultur“ des Karlsruher Konsumphilosophen Wolfgang Ullrich wärmstens empfohlen. Diese Illusionsstrategien finden wir in allen Konsumbereichen: Pizzen, die uns das Erlebnis einer italienischen Dorfkneipe versprechen, oder die H-Milch, die uns direkt auf die Weide von Alpenkühen führt. Alle diese schönen Bilder, die oft unsere Sehnsucht nach Natur und Echtheit bedienen, haben eines gemeinsam: Die Produkte werden allesamt in industriellen Großanlagen gefertigt.

Nomen est Omen: Was Produktnamen auslösen Zur perfekten Produktinszenierung gehört auch die Namensgebung. Der Name ist die Visitenkarte des Produktes, und oft kommt der Konsument zum ersten Mal über den Namen mit dem Produkt in Kontakt. In Deutschland gibt es inzwischen eine Reihe von Agenturen, die sich einzig und allein auf Namensfindung spezialisiert haben. Meist sind dies künstliche Namen ohne jegliche konkrete, allerdings mit einer wichtigen emotionalen Bedeutung. Die Kunstnamen werden so gewählt, dass sie direkt die Kerngefühle des Produktversprechens auslösen. Beispiel Schließen Sie die Augen und sprechen Sie innerlich langsam die Produktnamen: Dove, Softlan und Balea. Welches Gefühl empfinden Sie dabei? Das Gefühl der Weichheit, der Harmonie und der sanften Pflege. Nun machen wir dieselbe Übung mit zwei anderen Produktnamen: TUC und Crunchips. Was empfinden Sie jetzt? Ein hartes Knacken.

Da insbesondere Auto-, Lebensmittel- und Kosmetikhersteller international vertreten sind, versuchen sie solche Produktnamen zu finden, die in den verschiedenen Absatzländern die gleichen Emotionen und Assoziationen auslösen. Das ist oft schwierig und kann verheerende Folgen haben, wenn man die Produktnamen nicht ausführlich testet. Erinnern Sie sich noch an das Auto von Ford mit dem Namen Ford Probe? In den deutschsprachigen Ländern ein riesiger Flop. Der Grund erschließt sich, glaube ich, von selbst. Wichtig Viele Produktnamen sind Kunstwörter. Neben der Schützbarkeit haben sie ein einziges Ziel: Das zentrale Produktgefühl ohne langes Nachdenken im Gehirn zu aktivieren und zu verankern.

Produkt-Tuning: den Sinnen schmeicheln Im ersten Kapitel haben wir gesehen, wie stark die unbewusste Beeinflussung über die Sinne geht. Kein Wunder, dass auch die Produkte selbst mit allen Mitteln „aufgehübscht“ werden. Farben Beginnen wir mit den Farben. Sie haben für uns eine hohe emotionale Bedeutung. Diese ist in verschiedenen Kulturkreisen unterschiedlich. Wir werden uns hier nur mit dem mitteleuropäischen Farbcode beschäftigen. Die folgende Tabelle zeigt, welche Emotionen wir in unserem Kulturkreis in der Regel mit bestimmten Farben verbinden. Übersicht: Farben und Emotionen Farbe

Bedeutung

rot

Kraft, Aggression

schwarz

finstere Macht, Trauer

blau

Ordnung, Stabilität, Vernunft

weiß

Reinheit, Klarheit, Heilung

grün

Ruhe, Harmonie

gelb

Freude, Überraschung

Aus diesem Grund werden an sich farblose Produkte eingefärbt, um ihre Wirkung psychologisch zu steigern. Beispiel In verschiedenen Versuchen hat man getestet, welche Pillenfarbe ideal bei welcher Indikation ist und bei den Verwendern die größte Wirkung erzeugte. Wurden Aufputschpillen gelb oder rot eingefärbt, hatten Konsumenten das Gefühl noch wacher zu sein. Grün gefärbte Beruhigungspillen steigerten ihre Beruhigungswirkung. Und die beste Farbe für Pillen, die Schmerz lindern oder z. B. als Antibiotika heilen sollen, ist weiß. Wenn man diese Zusammenhänge kennt und auf die Alltagsprodukte schaut, wird klar, warum Zahnpasten weiß / blau, Zahngels und Mundwasser blau, Biospülmittel grün und Energizer-Shampoos rot sind. Die Farbe unterstreicht und verstärkt unbewusst das Wirkungsversprechen. Geruch Gerüche sind emotionale Botschaften, die im Unterschied zum Hören und Sehen direkt und meist unbewusst auf das limbische System einwirken. In anderem Zusammenhang hatten wir bereits die Wirkung von Gerüchen gezeigt. So signalisiert der ein Duft in Haushaltsreinigern „Frische“ und „Reinigungskraft“, ein anderer in einem Familienshampoo dagegen „sanfte Pflege“. Auch Düfte werden dem eigentlichen Produkt künstlich beigemischt und beeinflussen unsere Produktwahrnehmung. Beispiel In einem Versuch wurden Toilettenpapierrollen, die in ihrer Stoffzusammensetzung und Produktqualität identisch waren, unterschiedlich behandelt. Ein Teil der Papierrollen wurde mit einem kaum wahrnehmbaren frischen, sanften Geruch versehen, der andere Teil blieb unbehandelt. Das Ergebnis des Tests: In 65 % aller Fälle zogen die Versuchspersonen die geruchsveredelten Rollen den unbehandelten vor. Und: Nur wenige Versuchspersonen (15 %) bemerkten den Unterschied. In den Forschungs- und Produktentwicklungslaboren arbeiten heute häufig Geruchsdesigner, die Produkte, gleich ob Nahrungsmittel, Putzmittel oder Innenräume von Autos, mit Gerüchen versehen. Geschmack Im Gehirn eng mit dem Geruchssinn gekoppelt ist der Geschmackssinn. Welche Bedeutung jeder dieser Sinne einzeln und beide zusammen haben, erkennt man

an den bereits erwähnten Milliardenumsätzen der Aromenindustrie. Wichtig In fast 80 % aller Lebensmittel (ohne Basisnahrungsmittel wie Obst, Gemüse, Salz, Mehl usw.) sind heute zusätzliche Aromen enthalten. Dabei spielt es nur eine geringe Rolle, ob es sich um natürliche Aromastoffe (die können aus Holzspänen gewonnen sein), um naturidentische Aromastoffe (die chemische Struktur muss gleich der natürlichen sein) oder um synthetische Aromastoffe handelt. Die meisten Erdbeerjoghurts beispielsweise verdanken ihr Erdbeer-Feeling nicht Erdbeeren, sondern Chemikern! Viele Produkte wären ohne die Arbeit von Geschmacksillusionisten nicht mehr verkäuflich. Erinnern Sie sich an den Versuch mit den Ananassäften? Er hat gezeigt, dass wir uns inzwischen so sehr an die künstliche Geschmacksüberhöhung gewöhnt haben, dass wir den echten Naturgeschmack als fade und langweilig empfinden. Fühlen Wenn Sie einmal in einem Automobilmuseum sind und sich beispielsweise mit einem alten VW-Käfer beschäftigen, dann werden Sie feststellen, dass das Lenkrad aus einem relativ dünnen und harten Rohr besteht. Ein kühles und billiges Griffgefühl. Nun machen Sie das gleiche Experiment mit einem modernen VW Golf: Das Lenkrad ist umschäumt und mit Leder oder einem Lederimitat bezogen. Hat man ein solches Lenkrad in Händen, hat man das Gefühl, ein solides und wertvolles Auto zu besitzen. DaimlerChrysler hat in Berlin ein eigenes Forschungslabor eingerichtet, in dem jährlich mit über 1.600 Versuchspersonen Tastversuche durchgeführt werden: Welche Oberflächen fühlen sich gut an? Wie wird das Drehen von Knöpfen empfunden? Wie müssen Schalter gebaut sein, dass sie gerne angetippt werden? Das Ergebnis dieser Forschung findet man in vielen kleinen Details in einem Mercedes wieder: Weiches Leder und warmes Holz am Lenkrad schmeicheln der Handfläche. Drehschalter, die sich präzise und genau einstellen lassen, geben das Gefühl der Kontrolle und aktivieren so unser Balance- und Dominanzsystem. Beispiel Und noch ein weiteres Beispiel, wie man durch Fühlen unbewusst das Balance- und Dominanz-System im Gehirn aktiviert: Der Hersteller von hochwertigen Hi-Fi-Anlagen, Mark Levinson, lässt Drehschalter aus einem Metallblock fräsen. Der Effekt: Die Drehschalter laufen extrem ruhig und fühlen sich satt und mächtig an. Das ruhige Laufen begeistert das BalanceSystem, das satte und mächtige Gefühl das Dominanz-System.

Hören Bleibt noch der Hörsinn. Auch er beeinflusst unsere Produktwahrnehmung, wie wir bereits zu Anfang des Buches gesehen haben. Die besten Beispiele kommen dafür aus der Autoindustrie. Hier werden Sounddesigner beschäftigt, die angefangen vom Motor- und Auspuffgeräusch über das Schließgeräusch der Tür bis hin zum Innenraumgeräusch, die Sounds erzeugen, die zum Produkt am besten passen. Das Porsche-Motorgeräusch beispielsweise ist aggressiv schreiend, obwohl der Motor selbst diesen Sound nicht macht. Ganz anders das Motorgeräusch einer Mercedes S-Klasse oder eines 7er BMW. Diese Autos stehen für absoluten Fahrkomfort. Aus diesem Grund versuchen die Sounddesigner das Motorgeräusch so weit wie möglich zu unterdrücken. Sounddesigner kümmern sich heute noch um viel mehr: Wie klingt Ihre elektrische Zahnbürste? Wie Ihre Bohrmaschine? Und: Vermittelt das Schließgeräusch Ihrer Waschmaschinenluke die vom Hersteller versprochene Qualität? Ein sattes „Plupf“ hat für unser Gehirn eine völlig andere emotionale Botschaft als ein wackeliges „Klack“. Das vorn erwähnte Beispiel des Haushaltsgeräteverkäufers hat diese Wirkung ja bereits eindrücklich belegt.

Status und Distinktion In den vorherigen Abschnitten haben wir gesehen, dass viele Produkte neben diesen Grundnutzen noch eine weitere Funktion haben. Wir nutzen Produkte auch dazu, um anderen etwas zu zeigen und/oder sexuell attraktiver zu werden. Kauft sich eine Frau eine farbige Bluse mit größerem Ausschnitt oder ein Mann einen Sportwagen mit dröhnenden Motorgeräuschen, steckt auch das SexualitätsSystem hinter diesen Kaufwünschen. Denn: Schönheit macht Frauen, Stärke und Reichtum machen Männer für das jeweils andere Geschlecht attraktiv. Eng verbunden mit der Sexualität ist der Wunsch nach Status und Individualität. Eine Oberklassenlimousine wird nicht nur wegen des besseren Fahrkomforts gekauft, sondern auch, um der Mitwelt zu zeigen, dass man jemand ist. Und das neueste Designeroutfit soll unterstreichen, dass man anders ist als die breite Masse. Insbesondere für Attraktivitäts-, Status- und Individualitätsversprechen von Produkten sind wir bereit, sehr viel Geld auszugeben. An einem einfachen Beispiel, nämlich Mineralwasser, soll das kurz gezeigt werden. Für ein durchschnittliches Markenmineralwasser bezahlen Sie im Supermarkt 80 Cent. Wenn Mineralwasser aber mit Status- oder Individualitätsversprechen ausgestattet werden, wird’s richtig teuer. Das Voss-Wasser (Status) aus Norwegen kostet ca. 8 EUR, das Bling-Wasser (Individualität) aus den USA kostet 60 EUR. Geschmacklich werden Sie keinen Unterschied zwischen dem billigen und dem teuren Wasser feststellen.

Mineralwasser oben: 8 EUR, unten: 60 EUR. Status- und Individualitätsversprechen machen Produkte teuer.

Diese Status- und Individualitätsinszenierung beginnt meist schon in der Werbung. Sie wird durch die Verpackung unterstrichen und endet schließlich beim Produkt selbst. Wichtig Produkte mit Status- und Individualitätsversprechen gehen richtig ins Geld und bieten oft keinen objektiven Vorteil. Natürlich werden bei solchen Premiumprodukten oft auch bessere Rohstoffe verarbeitet. An die Bohnen eines Billigkaffees werden im Durchschnitt weniger Anforderungen gestellt (Herkunft, Röstung, Verarbeitung) als an die eines exklusiven Premiumkaffees. Allerdings liegt die Betonung auf Durchschnitt. Denn wir haben ja bereits gesehen, wo und wie wir überall unbewusst beeinflusst werden können. Es gibt also preiswerte Produkte, die eine ähnlich gute Qualität wie Premiumprodukte haben, aber nicht durch Werbung und Verpackung „aufgewertet“ wurden.

So schützen Sie sich Machen Sie sich bewusst, dass Sie alleine für die Marke erheblich mehr bezahlen, als das Produkt wert ist. Ziehen Sie verstärkt Handelsmarken in Betracht. Die werden nicht beworben, haben aber oft die gleiche Qualität wie das beworbene Markenprodukt. Kaufen Sie eine billigere Handelsmarke und machen Sie mit Ihrer Familie den Gebrauchs- oder Genusstest. Schütten Sie den Inhalt der Handelsmarke in die Originalmarkenpackung und schauen Sie, was passiert. Wenn niemand den Unterschied bemerkt, können Sie bei der Handelsmarke bleiben. Lassen Sie sich von der Verpackung nicht blenden. Je wertvoller und aufwendiger die Verpackung ist, desto mehr bezahlen Sie für den Schein. Gehen Sie auf die Website der Verbraucherzentrale Hamburg und schauen Sie, bei welchen Packungen Sie getäuscht werden: www.vzhh.de. Misstrauen Sie Wirkungsverstärker- und Zusatznutzenversprechen. Im Alltag werden Sie oft keinen oder nur einen extrem kleinen Unterschied bemerken. In Ihrem Geldbeutel dagegen ist der Unterschied groß. Seien Sie misstrauisch gegen Erlebnisversprechen, die nur in Ihrer Fantasie wirken, aber im Geldbeutel große Löcher hinterlassen. Vermeiden Sie, wenn Sie sparen wollen, Produkte mit Status- und/oder Individualitätsversprechen. Auf einen Blick: Billige Produkte teuer bezahlen Unser Unbewusstes verbindet Marken mit positiven Emotionen, sodass Markenprodukte uns viel attraktiver erscheinen als No-Name-Produkte. Weil sie uns zudem durch die Omnipräsenz in der Werbung vertraut erscheinen, wirken sie sympathischer. Deshalb sind wir bereit, für Markenprodukte erheblich mehr zu bezahlen.

Die positive Erwartung, die wir in Markenprodukte setzen, führt zu einer Placebowirkung. So werden Produktversprechen über psychologische Mechanismen nicht selten tatsächlich eingelöst.

Verpackungen tragen dazu bei, Produkte zu emotionalisieren. Sie verknüpfen unattraktive Inhalte mit Erlebnisillusionen.

Auch die scheinbar objektiven Aussagen auf der Packungsrückseite sprechen Emotionen an.

Zusatzversprechen und Product-Tuning überlisten unser Unbewusstes, sodass wir uns gern vom schönen Schein verführen lassen.

Warum wir mehr kaufen als geplant Auch wenn der Internetkauf zunimmt: 90 % unseres Geldes geben wir im klassischen Handel aus. Gleich ob Supermarkt oder Modeboutique – gerade beim Shoppen warten viele Kaufverführer auf uns. In diesem Kapitel erfahren Sie, dass schon die Atmosphäre und Einrichtung eines Ladens unser Kaufverhalten beeinflussen, wie verschiedene Shoppingwelten gezielt bestimmte emotionale Bedürfnisse befriedigen, welche Kaufverführungen uns im Handel erwarten – von der Warenpräsentation bis zur Wegeführung und was Sonderangebote und Rabatte in unserem Unbewussten auslösen.

Wie unser Einkaufshirn vorprogrammiert wird Nehmen wir an, Sie möchten ein Parfüm kaufen, vielleicht um sich selbst etwas Gutes zu tun oder um eine gute Freundin zu beschenken. Das gleiche Parfüm wird nun in zwei Geschäften angeboten. In einem Geschäft ist die Atmosphäre kalt, die Warenpräsentation schlampig. Im anderen Geschäft ist die Ware wunderschön beleuchtet, alles ist hochwertig. Sehen Sie die beiden Shoppingszenen auf den folgenden Abbildungen an. In welchem dieser Geschäfte würden Sie Ihr Parfüm mit größerer Wahrscheinlichkeit einkaufen?

Ein eher schlampiges Umfeld

Eine hochwertige Warenpräsentation

Wir haben diese Befragung durchgeführt: 85 % entscheiden sich für das hochwertige Geschäft, obwohl das Produkt ja das gleiche ist. Warum? Weil das Geschäft selbst durch seine Einrichtung und die Art der Warenpräsentation bei uns bestimmte Emotionen anspricht und auslöst. Wichtig Allein die Ausstattung und die Atmosphäre eines Geschäfts lösen bei uns Emotionen aus und programmieren unser Einkaufshirn vor. Da Parfüms auch Statusprodukte sind, wollen wir dieses Erlebnis nicht nur vom Produkt selbst, sondern auch vom Geschäft haben, wo wir das Produkt einkaufen. Wenn wir ein Parfüm in Rudis Resterampe kaufen würden, wäre unser Belohnungsgefühl bei der Nutzung sicher nicht so groß, als wenn wir den Duft in einer hochwertigen Parfümerie eingekauft hätten. Auch die Ladeneinrichtung wertet ein Produkt auf oder ab – genauso wie die Verpackung. Und: Die emotionale Botschaft, die eine Ladeneinrichtung ausstrahlt, gibt unserem Gehirn schon unbewusst vor, was wir zu erwarten haben, und darauf stellen wir uns dann in unserem Kaufverhalten unbewusst ein. In unserem Gehirn gibt es sehr unterschiedliche Emotionssysteme mit sehr unterschiedlichen Erwartungen. Erfolgreiche Händler haben nun gelernt, diese Emotionssysteme durch die Art ihrer Ladeneinrichtung und ihrer Angebotspräsentation genau anzusprechen und verschiedene emotionale Shoppingwelten zu inszenieren. Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die emotionalen Welten, die wir in diesem Abschnitt im Einzelnen betrachten werden.

Die emotionalen Shopping-Welten im Überblick

Die Spar-Shoppingwelt Die Spar-Shoppingwelt richtet sich direkt an das Balance-System in unserem Gehirn. Was erwartet das Balance-System beim Einkaufen? Es wünscht sich Sparsamkeit, Zuverlässigkeit, Einfachheit und Kontrolle. Genau diese Werte aktiviert der klassische Discounter. Als Prototyp können wir hier ALDI nehmen. Dem Lebensmittel-Discounter gelingt es in 1.000 Details diese Emotionswelt zu bedienen. Er bietet Sicherheit, einfache Orientierung, eine geringe Auswahl zur Komplexitätsreduzierung, Dauerniedrigpreise als Vertrauensbilder und gleichbleibend verlässliche Warenqualität. Dieses Grundprinzip der Einfachheit findet sich in der Ladengestaltung eines jeden Discounters. Wichtig Discounter bedienen die emotionalen Erwartungen des Spar-Shoppings. Alles ist einfach. Die Auswahl ist gering. Der Laden ist karg eingerichtet. Die Qualität ist zuverlässig gut. Wie sieht die entsprechende Ladengestaltung aus? Sie ist von Einfachheit und Ordnung geprägt. Der Raum macht einen gegliederten, fast sterilen Eindruck. Breite gerade Gänge, die wie die Regale rechtwinklig angeordnet sind. Alles ist auf einen Blick überschaubar. Der Raum ist funktional und hell beleuchtet. Es ist keine oder nur eine geringe Lichtakzentuierung vorhanden. Die Auswahl ist begrenzt. Die Ware wird aus aufgerissenen Kartons angeboten. Abhängig vom Sortiment gibt es natürlich Abweichungen. Mode- und Drogerie-Discounter, wie der dm-Drogeriemarkt, gestalten etwas hochwertiger, ohne allerdings das

Grundprinzip zu verletzen. Durch die Ladengestaltung soll ja niedriger Preis und guter Wert vermittelt werden. Gespart wird auch beim Personal: Beratung? Fehlanzeige. Das wenige Personal hat nur zwei Aufgaben: Regale auffüllen und kassieren. Schon beim Eintritt weiß unser Gehirn: Hier ist es billig, hier kann ich einfach und sicher einkaufen.

Care-Shoppingwelt Während wir in der Spar-Shoppingwelt keinen persönlichen Kontakt erwarten, sieht das in der Care-Shoppingwelt völlig anders aus. Die Care-Shoppingwelt erfüllt die Wünsche unseres Bindungs- und Fürsorge-Systems im Gehirn. Hier suchen wir den Kontakt zu Menschen, die uns Rat geben und uns vor allem in unseren Sorgen und Nöten weiterhelfen. Wann haben wir in der Regel die größten Sorgen? Wenn es uns gesundheitlich schlecht geht. Und wohin gehen wir dann? Zum Arzt und meist in die Apotheke. Aus diesem Grund sind Apotheken der Prototyp für die Care-Shoppingwelt. Viele Beratungstische und eine eher hochwertige Einrichtung vermitteln Geborgenheit und Kompetenz. Zeitgemäße Apotheken sind oft in beruhigendentspannenden Pastelltönen gehalten. Das Angebot wird im Verkaufsraum (Freiwahl) und hinter den Beratungstischen (Sichtwahl) nach Gesundheitsthemen angeboten. Das Wichtigste aber sind die/der Apotheker/in und die Apothekenmitarbeiter, die den Kunden bei Bedarf ausführlich und mitfühlend beraten. Da für das Konsumentenhirn schon der weiße bzw. pastellfarbene Apothekerkittel ein Autoritäts- und gleichzeitig Helfersignal ist, kommt niemand auf die Idee, zu feilschen. Für das „Umsorgtsein“ ist unser Hirn bereit, auch mehr zu bezahlen. Wichtig Eine vertrauenerweckende Umgebung, kompetente Beratung erhoffen wir uns in der Care-Shoppingwelt.

Die Erlebnis-Shoppingwelt Die Erlebnis-Shoppingwelt wendet sich an den ruhigeren Teil des StimulanzSystems. Die damit verbundenen Werte sind: Phantasie, Genuss, Inspiration. Und genau diese Werte müssen als Shopping-Erwartung erfüllt werden: Man möchte nicht nur einen Bedarf decken, man möchte Ideen bekommen, man möchte den Genuss schon beim Einkaufen haben, man möchte in Ruhe flanieren und auswählen. Prototypisch für diese Shoppingwelt stehen Konzepte wie ThaliaBuchhandlungen, die Parfümerie Douglas, viele Modeboutiquen, aber teilweise auch die Frischebereiche der neuen EDEKA- und REWE-Supermärkte.

Wichtig In der Erlebnis-Shoppingwelt wirken Ladenatmosphäre und Warenpräsentation inspirierend und sind auf Erlebnis ausgerichtet. Dieser Anspruch kommt auch in der Ladengestaltung zum Ausdruck: Sie wirkt Erlebnis und Genuss versprechend. Die Wegeführung wird durch Erlebnisinseln unterbrochen, die Rechtwinkligkeit der Warenträger und Wege wird aufgelöst. Auf diesen Erlebnisinseln wird die Ware zu inspirierenden Lifestyle- oder Themenwelten zusammengefasst. Die Erlebniszonen im Geschäft werden durch eine besondere Beleuchtung hervorgehoben. Diese Inszenierungen versetzen das Kaufhirn in eine gute Stimmung, und bei guter Stimmung öffnet sich der Geldbeutel viel, viel leichter.

Die Entdeckungs-Shoppingwelt Im Vergleich zum ruhigeren Erlebnis-Shopping ist das Entdeckungs-Shopping deutlich aktiver. Der Treiber ist hauptsächlich der aktivere Teil des StimulanzSystems, das ja für Exploration, Neugier und Entdecken steht. Damit sind auch die wichtigsten Werte fast schon beschrieben – diese sind: Exploration, Aktivität und Freiheit. Der Kunde erwartet hier eine große Auswahl und will die Produkte spielerisch entdecken –eine erlebnisorientierte Warenpräsentation mit der Möglichkeit, die Ware anzufassen und aktiv auszuprobieren. Wichtig In der Entdeckungs-Shoppingwelt darf die Ware ausprobiert werden, die Mitarbeiter sind Freaks, die sich auskennen. Natürlich ist die Ladeneinrichtung ganz auf Erlebnis und Entdecken ausgerichtet. Die Verkaufsbereiche sind in themenspezifische Erlebnis- und Entdeckungszonen unterteilt, in denen der Kunde aktiv zum Ausprobieren und Entdecken der Ware eingeladen wird. Die Ladengestaltung ist höherwertig, die Wegeführung nicht streng, sondern ordnet sich der Wareninszenierung unter. Wie beim ErlebnisShopping ist auch hier das Licht ein wichtiger Teil der Inszenierung. Klar ist, dass die Kaufanreize nicht durch den Preis, sondern durch das Erlebnis mit der Ware ausgelöst werden. Ein Beispiel für die Erlebnis-Shoppingwelt ist der OutdoorSpezialist Globetrotter. Im Erdgeschoss der größeren Filialen befindet sich ein großes Wasserbecken, um zum Beispiel Kajaks oder eine Tauchausrüstung auszuprobieren. Ein weiteres Beispiel sind die Apple-Stores: Alle Produkte stehen angeschlossen auf Tischen und warten darauf, von Apple-Fans nach Herzenslust getestet zu werden.

Status-Shoppingwelt Treiber für das Status-Shopping ist insbesondere das Dominanz-System, das Status reklamiert, zum Teil aber auch das Stimulanz-System, das auf Individualität dringt. Die damit verbundenen Werte sind: Status, Hochwertigkeit, Luxus und Individualität. Schon beim Kaufen selber möchte man etwas Besonderes sein und eine Welt betreten, die Krethi und Plethi verschlossen bleibt. Die Ware muss diesen Anspruch ebenfalls erfüllen: Nur Luxusmarken mit deutlichem Statusanspruch finden sich im Sortiment. Diesem Wunsch muss auch das Personal Rechnung tragen. Es ist durch sein Aussehen und sein Beratungsverhalten Teil der Gesamtinszenierung. Prototypisch für diese emotionale Shoppingwelt sind die Geschäfte von Wempe, Hermès, Montblanc, Gucci, Boss usw. Wichtig In der Status-Shoppingwelt muss alles edel und luxuriös wirken. Die Artikel werden aufwendig inszeniert, das Verkaufspersonal muss ins Ambiente passen. Juweliere, aber auch Luxusmarkengeschäfte sind typisch für die StatusShoppingwelt. Alles ist edel. Die Artikel werden fast wie in einem Museum präsentiert. Die Ladeneinrichtung ist auf absolute Hochwertigkeit und Luxus ausgerichtet. Verbaut werden teure Materialien, die von namhaften Designern in Gesamtkonzepte umgesetzt werden, die aus der Marke abgeleitet sind. Die Auswahl ist extrem begrenzt, Produkte werden oft einzeln gezeigt und inszeniert. Betreten wir ein solches Geschäft, dann wissen wir, dass es in der Regel sehr, sehr teuer wird.

Power-Shoppingwelt Das Dominanz-System hat noch eine zweite Seite. Es ist auch für Durchsetzung und Effizienz zuständig. Diese zweite Seite kommt beim Einkaufen von Produkten zum Ausdruck, wo der Gebrauchs- und nicht der Statuswert an erster Stelle steht. Die damit verbundenen Werte sind Leistung, Effizienz, Autonomie, Größe, aber auch (Preis-)Durchsetzung. Welche emotionalen Shopping-Erwartungen sind damit verbunden? Große Auswahl, um möglichst an einem Ort, alles, was man braucht, zu finden, (Kampf-)Preise, hohes Maß an Selbstbedienung. Wichtig In der Power-Shoppingwelt findet der Kunde eine sehr große Auswahl, dazu kommt eine extrem aggressive Preisdarstellung.

Prototypisch für diese Shoppingwelt stehen MediaMarkt, Baumärkte wie Praktiker oder Hornbach, Möbelmärkte und im Lebensmittelbereich Kaufland oder real. Da neben der riesigen Auswahl der (Kampf-)Preis im Vordergrund steht, ist die Ladeneinrichtung ähnlich funktional wie beim Spar-Shopping. Es gibt allerdings einen entscheidenden Unterschied: Die Größe des Verkaufsraums und damit natürlich auch die Präsentation des Angebots. Eine typische Präsentationsform ist die Massenpräsentation eines Artikels. Der Verkaufsraum gewinnt seinen zusätzlichen (Kampf-)Preis-Charakter durch eine aggressive und laute Beschilderung. Während in der Spar-Shoppingwelt das Kaufgehirn relativ entspannt arbeitet, läuft das Dominanz-System beim PowerShopping auf Hochtouren. Es hat den „Giermodus“ eingeschaltet und lässt sich von den vermeintlichen Billigangeboten blenden. Tatsache ist nämlich, dass ein großer Teil des angebotenen Sortiments nicht billiger ist als in anderen Geschäften.

Mehrkauf-Falle Supermarkt Im vorherigen Abschnitt haben wir gesehen, dass schon die Art des Geschäftes unsere Erwartungen und unser Einkaufsverhalten prägt. Wenn wir einen Discounter betreten, erwartet unser Kaufhirn „Jetzt wird es billig“, während wir uns beim Betreten eines Luxusmode-Shops darauf einstellen, dass dieser Besuch teuer werden könnte. In diesem Abschnitt wollen wir unseren Blick auf die Einkaufsstätte konzentrieren, die wir am häufigsten besuchen: den Supermarkt. Emotional liegt er zwischen dem Spar- und Erlebnisshopping. Ich werde Sie begleiten und Ihnen entlang Ihres Einkaufsbummels zeigen, wo die kleinen und größeren Kaufverführer auf Sie lauern. Wichtig dabei ist uns zu erinnern: Es gibt nicht einen einzigen großen Kaufknopf, sondern tausend kleine.

Der fehlende Einkaufszettel Die Gefahr, viel mehr in den Einkaufswagen zu packen, als man eigentlich wollte, beginnt lange vor dem eigentlichen Einkauf: Nur 35 % aller Einkäufe sind genau geplant. Bei weiteren 40 % geht der Konsument davon aus, dass er die Artikel bald braucht, und durch das Angebot im Supermarkt wird er daran erinnert. Die verbleibenden 25 % sind die sogenannten echten und impulsiven Spontankäufe. Die finden sich am Ende völlig „überraschend“ im Einkaufswagen. Im letzten Kapitel werden wir sehen, dass sich Kunden in ihrem Einkaufsverhalten aufgrund ihrer Persönlichkeit unterscheiden. Deshalb gibt es Kunden, die mit einem Einkaufszettel kommen und am Schluss nur wenig Impulskaufartikel im Einkaufswagen haben. Andere kommen ohne jegliche Planung und wundern sich am Ende, was sich so alles im Einkaufswagen angesammelt hat. Die oben genannten Zahlen stellen den Bevölkerungsdurchschnitt dar. Wer ohne Planung einen Supermarkt betritt, ist also höchst anfällig verführt zu werden.

Wichtig Der Einkaufszettel schützt vor Kaufverführungen. Im Schnitt sind ein Viertel der Waren, die wir einkaufen, Spontankäufe, zu denen uns Umfeld und Präsentation animiert haben.

Hunger füllt den Einkaufskorb Nun steigen wir vom Verstand im Kopf runter in den Bauch. Hier wartet schon die zweite große Mehrkauf-Falle: der Hunger. Frei nach dem Philosophen Ludwig Wittgenstein kann man sagen: Die Welt sieht für einen Hungrigen anders aus als für einen Satten. Klar ist: Wenn wir hungrig sind, werden wir unruhig und suchen die Welt unbewusst danach ab, wo und wie unser Hunger gestillt werden kann. Kein Wunder dass unser „Haben-Wollen“-System im Gehirn, das die Welt nach möglichen Belohnungen absucht, im hungrigen Zustand im Supermarkt unter Daueralarm steht. Und da unser Einkaufsverhalten, wie wir gelernt haben, sehr stark von unserem Unbewussten beeinflusst wird, setzen wir dieses hungrige „Haben-Wollen“ sofort in einen Lebensmittelkauf um. Der Effekt: Wir kaufen viel mehr, als wir eigentlich bräuchten. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Hungrige ca. 15 bis 20 % mehr Lebensmittel im Einkaufswagen haben als Satte! Da wir ja im Supermarkt die Pizza aus der Kühltruhe nicht gleich aufessen können, bleibt der Hunger als Einkaufstreiber zudem während des gesamten Einkaufs bestehen. Wichtig Ein voller Magen schützt vor Mehrkäufen! Wenn wir beim Einkaufen Hunger haben, kaufen wir bis zu 20 % mehr Lebensmittel, als wir brauchen. Wir erkennen: Schon vor dem eigentlichen Einkauf ist häufig entschieden, wie anfällig wir für die größeren und kleineren Verführer rechts und links des Einkaufsweges sind. Nun kommen wir zum eigentlichen Einkauf – aber bereits bevor wir den eigentlichen Markt betreten, wartet der nächste Verführer auf uns.

Warum Einkaufswägen immer eine Spur zu groß sind Wir nehmen die Euromünze und stecken sie in das Schloss, das den Einkaufswagen freigibt. Wir wollen zwar nur einige Artikel einkaufen, entschließen uns aber doch für den Einkaufswagen – und damit haben wir einen Kaufverführer bei uns, der uns über den gesamten Einkauf begleitet. Warum? Weil unser Unbewusstes den leeren Einkaufswagen als Aufforderung sieht, diesen auch zu füllen. Der große Einkaufswagen flüstert uns zwar nicht ein, was wir kaufen sollen. Bei der Menge redet er aber in unserem Unbewussten durchaus ein

Wörtchen mit: „Nimm drei statt zwei Joghurts – ich hab ja Platz.“ Der Verführungseffekt von zu großen Einkaufswägen ist nicht besonders groß – etwa 1 bis 3 % Mehrkauf – aber Kleinvieh macht auch Mist. Am schlimmsten für einen Supermarktbetreiber sind allerdings Kunden, die gar keinen Einkaufswagen oder Einkaufskorb nehmen – der Anteil an Impulskäufen tendiert bei ihnen gegen Null. Der Grund ist einfach: Die Tragekapazität von zwei Händen und Armen ist doch sehr begrenzt.

Warum die Obst- und Gemüseabteilung vorne ist Nun betreten wir endlich den Supermarkt und sind auch schon in der Obst- und Gemüseabteilung, die wie ein Marktplatz in einem Dorf aussieht. Da das BalanceSystem wissen will, wo das Obst und Gemüse herkommt, wird ihm durch diese rustikale Szene vorgegaukelt, das Obst und Gemüse käme direkt vom Bauern und dem Feld nebenan. Angepflanzt wurde es aber auf industriellen Feldern und Plantagen auf der ganzen Welt. Würde man im Hintergrund Bilder zeigen, wo und wie das Obst tatsächlich produziert wurde, würden ca. 20 % weniger Obst und Gemüse gekauft werden. Oft übrigens wird, um den Dorfplatzcharakter zu unterstreichen, der Fußboden in der Abteilung etwas rauer gemacht. Das hat noch einen zweiten wichtigen unbewussten Effekt: Der Schritt des Konsumenten verlangsamt sich unmerklich und er kauft etwas mehr! Doch zurück zu unserer Ausgangsfrage. Warum ist die Abteilung vorne und nicht hinten in der Nähe der Kühlräume, was für den Betreiber doch ganz praktisch wäre? Dafür gibt es zwei wichtige Gründe. Der erste Grund liegt darin, dass ein Supermarkt für unser Gehirn ein unbekanntes Territorium ist. Das Betreten eines solchen Territoriums löst in unserem Steinzeitgehirn Angst und Stress aus (könnte ja sein, dass sich ein Bär oder Tiger verborgen hält). Diese Ur-Reaktionen haben sich natürlich erheblich abgeschwächt, aber sie sind immer noch wirksam. Angst und Stress beim Kunden sind die wichtigsten Umsatzverhinderer überhaupt. Denn wenn wir Stress empfinden, versuchen wir den Ort der Unlust so schnell wie möglich und auf dem direktesten Weg zu verlassen. Wir rennen an den Kaufverführern vorbei und beachten sie nicht. Gleichzeitig ist auch unsere Stimmung schlecht – und in schlechter Stimmung kaufen wir deutlich weniger! Sind wir dagegen entspannt, geben wir lockerer Geld aus. Denken Sie nur daran, wie leicht es Ihnen fällt, das Geld im Urlaub auszugeben, wo Sie sich pudelwohl fühlen. Welchen Effekt hat nun die Obstabteilung? Das bunte frische Bild aktiviert unser Stimulanz- und Genuss-System im Gehirn. Beide sind für gute Laune zuständig. Auf diese Weise wird der Eintrittsstress weggeblasen und unsere Stimmung etwas besser. Es gibt aber noch einen zweiten wichtigen Grund: Mit der Obst- und Gemüseabteilung vorne wird eine „Frischevorurteil“ aufgebaut. Wie funktioniert das? Wie wir in den vorangegangenen Kapiteln gesehen haben, ist der erste Eindruck für unser Gehirn sehr wichtig und unser Gehirn hält sehr

lange an diesem ersten Eindruck fest. Was ist für uns beim Lebensmittelkauf das wichtigste Entscheidungskriterium? Nein, es nicht der Preis – es ist die Frische! Für unser Gehirn gibt es nun kein stärkeres Frischesignal als Obst und Gemüse. Und wenn im Eingangsbereich Berge von frischem Obst und Gemüse liegen, dann überträgt unser Gehirn dieses Frischeversprechen als Vorurteil auf das ganze Geschäft! Wichtig Die Obst- und Gemüseabteilung im Eingangsbereich baut den Eintrittsstress ab und erzeugt ein „Alles-ist-frisch-Vorurteil“. Wäre das Obst am Eingang dagegen verfault oder runzelig, würde unser Gehirn niemals glauben, dass das Fleisch, die Wurst oder das Brot des Supermarktes frisch und gut sind. Die Obst- und Gemüseabteilung versetzt unser Gehirn also in einen lang anhaltenden Alles-ist-frisch-Glauben!

Wie innere Landkarten genutzt werden Bleiben wir noch ein wenig beim Aufbau eines Supermarktes. Zu Beginn kommt die Obst- und Gemüseabteilung – aber wie geht es dann weiter? Neben Obst und Gemüse kommen oft die Konserven, Öl und Essig. Auch das hat einen guten Grund. Unser Gehirn folgt nämlich einer einfachen Logik: Was zusammen verwendet wird, wird auch häufiger zusammen gekauft. Wenn wir einen Salatkopf in den Händen halten und vor uns stünde ein Olivenöl und ein Shampoo, dann würde unser Gehirn in 99 % der Fälle zum Öl und nicht zum Shampoo greifen. In den Netzwerken unseres Gehirns ist Salat fest mit Olivenöl, nicht aber mit Shampoo verknüpft. Professionell gestaltete Supermärkte versuchen, die Waren so anzuordnen, dass möglichst viele dieser Verwendungsverknüpfungen berücksichtigt werden. Wichtig Supermärkte, die nach unseren meist unbewussten Verwendungslandkarten aufgebaut sind, senken den Einkaufsstress, weil wir Artikel leichter finden. Außerdem führt diese Einteilung zu Mehrkauf, weil Artikel, die zusammen verwendet werden, auch häufiger zusammen gekauft werden. Das beginnt schon bei der Anordnung der großen Warengruppen – die Reihenfolge ist meist Obst und Gemüse, Konserven, Öl, dann kommen Cerealien, Kaffee, Tee, Milchprodukte, dann die Fleisch-, Wurst- und Käsetheke und zum Schluss Schokolade, Wein und Knabbergebäck. Die Logik, die hinter dieser Anordnung steckt ist ganz einfach: Sie folgt unserem täglichen Ablauf der Mahlzeiten:

Frühstück, Mittagessen, Abendessen und Entspannen. Diese Reihenfolge trifft man nicht immer an, weil durch die besonderen baulichen Anforderungen der Kühl- und Tiefkühlregale die Platzierung häufig verändert werden muss. Auch innerhalb der Regale werden die Waren nach unserer inneren Verwendungslandkarte geordnet. Direkt neben den Nudeln stehen die Spaghettisaucen. Im Milchregal sind die Kräuterquarks von den Süßquarks und Desserts getrennt. Nicht nur, weil sie zu unterschiedlichen Anlässen gegessen werden, sondern weil „süß“ in unserem Gehirn eine stärkere Verbindung ist als Quark. Aus diesem Grund erwarten wir im Regal „Süßes“ nebeneinander. Ein Molkereifachmann dagegen, der die Welt aus der Herstellungsbrille sieht, würde Süß- und Kräuterquarks zusammenstellen, weil für ihn der Quark das Ordnungskriterium wäre. Diese innere Logik eines Supermarktes bis hinein in das Regal bemerken wir bewusst nicht. Unser Kaufgehirn schon: Durch die inneren Verwendungszusammenhänge kaufen wir mit größerer Wahrscheinlichkeit die Artikel, die für unser Unbewusstes zusammengehören. Gleichzeitig gibt es noch einen weiteren wichtigen Effekt: Das Finden von Artikeln wird wesentlich einfacher, wenn der Supermarkt unserer inneren Verwendungslogik entsprechend aufgebaut ist. Da Suchen für unser Gehirn Unsicherheit und Unsicherheit Stress bedeutet, wird so Stress vermieden. Der Kunde ist entspannter und kauft mehr. Unsere Untersuchungen zeigen, dass Kunden bis zu 5 % mehr kaufen, wenn die Wegführung im Supermarkt ihren inneren Verwendungslandkarten konsequent entspricht.

Die unbewusste Wegeführung Da viele Kunden nicht planen und den Laden selbst als Einkaufszettel nehmen, wird diejenige Ware, die sie sehen, weit überdurchschnittlich oft gekauft. Ziel jedes Supermarktbetreibers ist es also, den Kunden so lange wie möglich im Laden zu halten und ihn an möglichst vielen Regalen vorbeizuführen. Den Extremfall können wir bei IKEA studieren: Dort werden wir zwangsweise durch das ganze Geschäft geführt (nur Stammkunden kennen die Abkürzungen). Weil IKEA fast ein Monopol hat und die Kunden meist lange anreisen, lassen sie sich diese Bevormundung wohl oder übel gefallen. Im Supermarkt um die Ecke, den wir oft mehrmals in der Woche besuchen, würden wir gegen diesen Zwang rebellieren. Was machen nun Supermarktbetreiber? Sie bauen einen heimlichen Zwang auf. Zum einen, indem Sie „Muss-Produkte“, also Milch, Eier etc. möglichst weit nach hinten packen, zum anderen aber auch durch Regalstellungen, die uns unbewusst nach hinten in den Verkaufsraum ziehen und uns so mit möglichst vielen Waren in Kontakt bringen. Wie das im Prinzip funktioniert, zeigt die folgende Grafik eines Drogerie-Markt-Grundrisses. Je dunkler das Rot, desto höher die Kundenfrequenz an dieser Stelle. Oben sieht

man den Markt vor der Umstellung, unten nach der Umstellung der Regale. Schauen Sie mal genauer hin, was Sie erkennen!

Oben vorher, unten nachher: Durch Veränderung der Wege und der Regalstellung kommt der Kunde mit mehr Ware in Kontakt.

Vor der Umstellung sind die Kunden entgegen dem Uhrzeigersinn außen herum gelaufen und haben die inneren Bereiche des Marktes gemieden. Der Grund dafür: Lange, enge Regalreihen lösen unbewusst Angst aus. Nach der Umstellung: Die Kunden konnten barrierefrei eintreten und wurden fast zwanglos nach hinten geführt. Durch die veränderte Regalstellung wurden sie eingeladen, den Markt entspannt zu erkunden. Den Effekt sieht man deutlich auf der Grafik: Viel mehr dunkle Flächen, also eine viel bessere „Durchblutung“ des ganzen Marktes. Und man spürt den Effekt natürlich in der Kasse: 10 % höherer Umsatz, obwohl etwas weniger Ware im Laden war. In beiden Drogeriemärkten sehen wir, dass die Strecke entlang der Außenwände am meisten begangen wurde. Dies zeigt, dass Läden für den Kunden unterschiedlich attraktive Zonen haben. Wird die Ware dort platziert, wird sie stärker beachtet und mehr gekauft. In der Regel liegen die attraktivsten Flächen in einem Markt entlang der Außenwände, bei Auflaufflächen – also dort, wo wir geradeaus von einem Gang direkt ins

Regal blicken, bei Kreuzungen von Gängen, bei den Regalstirnseiten, im Fachjargon Gondelköpfe genannt, bei der Leergutannahme, bei der Kasse. Links oder rechts herum? Was man auf der Grafik des Drogeriemarktes auch erkennt, ist die Laufrichtung des Kunden: Sie gehen vom Eingang aus gesehen nach rechts und kommen dann gegen den Uhrzeigersinn auf der linken Seite bei den Kassen heraus. Wie Sie sich denken können, ist das natürlich kein Zufall. Vielmehr entspricht es dem natürlichen Bewegungssinn des Menschen; ca. 70 % haben diesen leichten Rechtsdrall (auch Engländer). Bei Linkshändern verändert sich das Verhältnis übrigens auf ca. 50 %. Die meisten Supermärkte halten sich an diese Vorgabe.

Die meisten Kunden haben einen Rechtsdrall.

Manchmal sind es aber auch bauliche Einschränkungen, die eine andere

Laufrichtung vorgeben. Und es gibt auch den Fall, dass der Laden bewusst gegen die natürliche Laufrichtung des Kunden gedreht wird. Der Grund dafür ist, dass Kunden dadurch etwas langsamer werden. Der nach wie vor bestehende innere Rechtsdrall des Kunden lenkt seinen Blick nicht gegen die von Haus aus attraktivere Seitenwand, sondern in das Innere des Geschäfts. Die weniger attraktiven Innenregale werden so etwas belebt.

Supermarkt als Schnäppchen-Parcours Gondelköpfe, also Regalstirnseiten, gehören, wie wir gerade gesehen haben, zu den besonders attraktiven Flächen im Markt. Händler und Hersteller kümmern sich um sie mit besonderer Zuneigung: Hier werden meist die unwiderstehlichen Sonderangebote platziert. Diese Sonderangebote sind häufig sogenannte Zweitplatzierungen. Artikel, die im normalen Sortiment vorhanden sind, werden hier nochmals, meist in Massenpräsentation und zu einem reduzierten Preis angeboten. Oft sind es auch die Artikel, mit denen der Supermarkt in seinen Handzetteln seine günstigen Preise unter Beweis stellt. Und da unser Gehirn bei attraktiven Schnäppchen kaum „Nein“ sagen kann, landen viele dieser Angebotsartikel ganz spontan in unserem Einkaufswagen.

Wie alle Sinne umschmeichelt werden Im Supermarkt gibt es aber nicht nur die „Preisverführung“ sondern auch die „Frischeverführung“. Diese Verführung findet neben Obst und Gemüse in den Bedientheken auch bei Brot, Fleisch, Wurst, Käse und Fisch statt (siehe auch weiter oben). Warenpräsentation Verführt werden die Kunden zunächst einmal durch die Warenpräsentation selbst. Das Brot wird in rustikalen Körben und Holzregalen angeboten. Wir wissen warum: So wird suggeriert, es handele sich um Brot, das von einem leibhaftigen Bäcker alter Schule in einem Backofen, wie wir ihn von Hänsel und Gretel kennen, gebacken wurde. Wurst und Schinken bekommen oft ebenso diesen ländlichen Hintergrund. Anders das Fleisch: Es wird auf glänzendem Stahl präsentiert. Auf diese Weise wird Hygiene und Frische demonstriert. Der Fisch dagegen liegt auf Eis. Da er am verderblichsten ist, muss seine Frische besonders unter Beweis gestellt werden. Licht Damit unsere Helden richtig gut herauskommen, werden sie buchstäblich ins rechte Licht gesetzt. Und jeder unserer Helden bekommt sein eigenes, abgestimmtes Licht. Denn Licht ist nicht gleich Licht. Neben der Helligkeit lässt sich bei Licht der Farbton verändern. Das macht seine besondere Wirkung aus.

Dieses Farbspiel wird perfekt genutzt, ohne dass wir die Lichtquelle sehen. Das Licht beim Brot hat einen sehr warmen (gelblich-braunen) Farbton. Das Brot wirkt noch knuspriger und frischer. Der Käse bekommt vom Licht ein gelbliches Makeup, das unterstreicht seine Eigenschaften besonders. Das Fleisch errötet leicht unter seinem besonderen Licht und sieht frischer und appetitlicher aus. Der Fisch erhält durch ein bläuliches Licht eine vornehmere, weißere Blässe – damit wird auch sein Frischeeindruck verstärkt. Geruch als Appetitauslöser Damit sind aber noch nicht alle Mittel der Kaufverführung ausgereizt. Bei sehr großen Supermärkten (in der Fachsprache Hypermärkten) wird auch mit Geruchsmarketing gearbeitet. Wie Gerüche per se funktionieren, wissen wir ja bereits. Welche Gerüche kommen nun zum Einsatz? Bei Brot natürlich der Brotgeruch – bei Fleisch der Geruch eines leckeren Bratens. Und bei Fisch? Nein, kein Fischgeruch (bei vielen Menschen löst das Ekel aus), sondern der Geruch einer leicht salzigen Meeresbrandung. Warum funktioniert das nur in größeren Märkten? Der Grund ist einfach: In kleinen Märkten liegen die Bedienungsbereiche zu nah beieinander. Die Gerüche würden sich überlagern und hätten den gegenteiligen Effekt. Sie sind übrigens keine Naturgerüche, sondern werden in den Labors der Aromen- und Geruchsindustrie künstlich hergestellt. Geruch als Stimmungsaufheller Geruch wird aber auch dazu eingesetzt, die Stimmung des Kunden etwas zu heben. Wir wissen ja, dass unsere Ausgabenbereitschaft mit unserer Grundstimmung steigt, und wir wissen auch, dass wir Orte mit schlechter Luft schneller verlassen und somit weniger kaufen. Im Supermarkt besteht das Geruchsmarketing darin, möglichst eine frische, unverbrauchte Luft im Verkaufsraum zu haben. Ganz anders ist das in Einkaufsstätten, die in der Erlebnis-, Entdeckungs-, Careund Status-Shoppingwelt liegen. Hier versucht man auch über die Nase ein passendes Erlebnis zu inszenieren. Leicht unterhalb der Wahrnehmungsschwelle wird über Geruchsautomaten ein entsprechender Geruch im Verkaufsraum verteilt. In der Care-Shoppingwelt ist es eher ein sanfter, beruhigender Geruch, in der Entdeckungs-Shoppingwelt ein vitalisierender Geruch. Inzwischen gibt es professionelle Geruchsspezialisten, die passgenaue Gerüche anbieten. Untersuchungen zeigen, dass sich durch Geruchsmarketing im Handel der Umsatz um 1 bis 3 % steigern lässt. Mit Musik richtig gestimmt Auch Musik wird mitunter zur Stimmungsmodulation von Handelskunden eingesetzt. Die Zeiten, in denen man einfach den lokalen Radiosender in den Verkaufsraum übertragen hat, sind längst vorbei. Diese Form der Stimmungsaufhellung hat nämlich zu Umsatzverlusten geführt. Denn die Kunden haben auf die Verkehrsdurchsagen, Moderationen und Nachrichten geachtet und

ihre Aufmerksamkeit wurde von der Ware abgelenkt. Wie beim Geruch gibt es heute auch hier professionelle Sounddesigner. Sie bieten Musik an, die direkt unsere Stimmung verändert, ohne dass wir diese Musik bewusst wahrnehmen. Insbesondere der Rhythmus von Musik bewegt uns – im wörtlichen Sinne – mehr als wir ahnen. Beispiel In einem Test-Modefachmarkt wurden im Hintergrund zwei verschiedene Musikstücke eingespielt, ein schnelles und ein langsames klassisches Stück. Mittels Deckenkamera wurden die Testkäufer beobachtet. Gemessen wurde, wie schnell sie sich bewegten, wie lange sie sich im Markt aufhielten und natürlich auch die Höhe des Einkaufs. Das Ergebnis: Die Testkäufer, die mit langsamer Musik beschallt wurden, verweilten 3 % länger im Markt und hatten 2 % mehr Geld ausgegeben. Je länger ein Kunde im Markt bleibt, desto mehr sieht und kauft er. Es ist aber nicht nur der Rhythmus, der unser Einkaufsverhalten verändert, sondern auch das Thema der Musik und der Musikstil. Ein schönes Beispiel über diese unbewusste Beeinflussung kommt aus England. Beispiel In der Weinabteilung eines großen englischen Supermarktes wurde im mehrmaligen Wechsel jeweils eine Woche deutsche Marschmusik und dann eine Woche französische Akkordeonmusik als ganz leise Hintergrundmusik eingespielt. Nach dem Einkauf wurden die Kunden befragt, ob ihnen in der Weinabteilung etwas aufgefallen wäre. Sie verneinten. Anders das Bild an der Kasse: Bei deutscher Marschmusik stieg der Umsatz der deutschen Weine, bei Akkordeonmusik der Umsatz der französischen Weine signifikant an. Mit Musik lässt sich auch das Wertigkeitsgefühl der Ware verändern. Wurde in Testfilialen von Victoria's Secret klassische Musik gespielt, wurde die Ware von den Kunden als hochwertiger eingestuft. Während in Großbritannien und den USA Musik im Lebensmittelhandel gang und gäbe ist, wird diese Form der Beeinflussung in deutschen Supermärkten seltener eingesetzt.

Temperatur und Klima Ein Sinn, der leicht übersehen wird, sei noch kurz erwähnt: unser Temperatursinn. Er findet bei Supermarktbetreibern mehr Beachtung. Der Grund: Wenn es zu warm oder zu kalt ist, fühlen sich die Kunden nicht wohl. Sie verlassen den Markt schneller. Da Frauen etwas sensibler für Kälte sind und sie

die Haupteinkaufsgruppe in Supermärkten bilden, wird ihr Temperaturoptimum (in Bewegung) als Referenz genommen: 19 bis 20 Grad und eine relative Luftfeuchtigkeit von 40 bis 50 % werden als ideal empfunden.

Kaufverführung im Regal Nun stehen wir vor dem Regal und suchen das Produkt unserer Wahl. Damit wir auch zugreifen, hat der Handel viele kleine und größere Tricks eingebaut. Dass Waren in Verwendungszusammenhängen im Regal stehen, wissen wir bereits, es gibt aber noch ein paar weitere. Glauben Sie, dass Sie mit Ihren Augen die ganze Welt und damit auch den gesamten Supermarkt sehen? Leider ist das nicht so. Unser Gesichtssinn hat Grenzen: Wir sehen nämlich Dinge nur dann scharf, wenn sie direkt vor unseren Augen liegen. Alles, was sich darüber oder seitlich davon befindet, wird nur verschwommen wahrgenommen. Jetzt werden Sie sagen: Aber ich kann meine Augen doch bewegen. Ja, das geht, aber wir tun es normalerweise nicht, weil es Energieverschwendung für unseren Körper bedeutet. Diese „Sehbehinderung“ macht sich auch vor dem Supermarktregal bemerkbar. Wir sehen die Artikel am besten, die genau vor unseren Augen, also in Augenhöhe, platziert sind. Der Effekt: Artikel in Augenhöhe, der sogenannten Sichtzone, verkaufen sich weit besser als Artikel, die beispielsweise im untersten Regalboden platziert sind. Unsere „Augenfaulheit“ macht sich aber auch horizontal bemerkbar: Artikel, die in der Mitte des Regals stehen, werden besser verkauft als solche, die an den Regalrändern stehen. Aus vielen Untersuchungen weiß man nun ungefähr, wie groß die Abverkaufswirkung eines Regals ist. Die folgende Abbildung zeigt, wie sich die unterschiedlichen Höhen auf den Abverkauf auswirken.

Die Wertigkeiten der verschiedenen Regalhöhen

Wenn Sie nun Supermarktbetreiber wären, welche Artikel würden Sie bevorzugt in die Augenhöhenzone stellen? Klar – die Artikel, an denen Sie in der jeweiligen Warengruppe am meisten verdienen. Die für Sie weniger attraktiven Artikel würden Sie dagegen in die Bück- oder Reckzone verbannen. Natürlich gibt es hier ein paar Einschränkungen: Besonders schwere und große Artikel werden nach unten gestellt, denn wenn sie von oben herunterfallen, ist der Schaden groß.

Verführungszone Kasse Endlich ist der Einkauf geschafft. Nur noch die Kasse und das Bezahlen warten. Und weil im Supermarkt Hochbetrieb ist, bildet sich davor natürlich auch die obligatorische Schlange. Was passiert in unserem Gehirn? Das Stresshormon Cortisol schießt durch den Autonomieverlust beim Warten und die ungeduldigen Mitmenschen senkrecht in die Höhe. Unsere Stimmung verändert sich dadurch in die andere Richtung. Sie geht deutlich nach unten und wir merken, wie wir leicht unruhig und ärgerlich werden. Gegen diese Unlustgefühle kennt unser Gehirn aber ein probates Heilmittel: Lustgefühle. Und diese kann man an der Kasse

einfach kaufen, zum Beispiel Kaugummis, Süßigkeiten oder Zigaretten, wenn man raucht. Quengelware Da kleine Kinder noch weit ungeduldiger als Erwachsene sind, fangen sie beim Warten zum Quengeln an. Nicht ohne Grund heißt die Kassenzone auch Quengelzone und viele schwache Mütter oder Väter, die ihre Kinder rasch zur Ruhe bringen wollen, kaufen die Süßigkeiten an der Kasse für ihre Kleinen. An der Kasse werden wir auch an die Artikel erinnert, die wir mit Sicherheit immer brauchen können: Batterien, Kleber usw. Nicht ohne Grund zählt die Kassenzone für den Handel zu den wichtigsten Ertragsbringern. Kreditkarten erleichtern die Trennung vom Geld Der Einkaufskorb ist voll, die Kassenkraft tippt fleißig ein und am Schluss geht es ans Bezahlen. Macht es einen Unterschied, ob man mit EC-/ Kreditkarte oder bar bezahlt? Ja, den macht es. Denn Kreditkartengeld ist für unser Gehirn eine eher abstrakte Größe, während Bargeld konkret über alle Sinne zu greifen ist. Nun wissen wir ja, dass Geld für unser Gehirn ein hoher Lustbringer ist und die Trennung erhebliche Schmerzen verursacht. Dieser Trennungsschmerz ist beim konkreten Bargeld höher als beim abstrakten Kreditkartengeld. Der Effekt: Wenn wir mit Bargeld bezahlen, sind wir wesentlich sparsamer als mit der Kreditkarte. Je nach Einkaufsort sind das zwischen 5 und 25 %, die wir bei Bargeldzahlung weniger ausgeben. Wichtig Kredit- und EC-Kartenzahlung reduziert den Trennungsschmerz vom wertvollen Geld. Der Effekt: Wir geben das Geld viel leichter aus. Beim Lebensmitteleinkauf ist der Effekt nicht so groß – aber beim Kauf von Kleidung, Unterhaltungselektronik oder gar beim Shoppen im Urlaub ist die Verführung durch Kreditkarten riesig.

Wie Rabatte den Verstand blockieren Bei unserem Einkaufsbummel durch den Supermarkt haben wir Rabatte und Sonderangebote ausgespart. Das hat einen guten Grund. Denn alles, was rund um Preis- und Preisreduzierung geschieht, hat einen eigenen größeren Abschnitt verdient. Letztendlich geht der ungewollte Mehrkauf beim Einkaufsbummel nämlich häufig auf das Konto solcher Lockangebote. Rabatte und Schnäppchen stellen für unser Kaufhirn die größte Gefahr dar, weil unser Gehirn im wahrsten Sinne des Wortes bei ihrem Anblick den Verstand verliert.

Beispiel In einem Feldversuch der Wissenschaftssendung Quarks & Co wurde ein Verkaufsstand aufgebaut, auf dem verschiedenste Artikel angeboten wurden. Unter anderem auch ein Putzutensil für 0,59 EUR und als Sonderangebot drei Stück für 1,99 EUR. Das Sonderangebot war also wesentlich teurer, als wenn man drei Mal das Einzelstück gekauft hätte (1,77 EUR). Trotzdem wurden mehr Artikel im Sonderangebot verkauft als einzeln! Offensichtlich reicht unserem Gehirn schon das Signal „Sonderangebot“ aus, um hemmungslos zuzuschlagen. Aber warum ist das so? Was läuft da in unserem Kopf ab? Das wollen wir uns jetzt etwas genauer anschauen.

Schnäppchen: Belohnung fürs Gehirn Wie wir ja wissen, kaufen wir Produkte, weil sie einen Nutzen und damit einen emotionalen Wert für uns haben. Um nun ein Produkt zu besitzen, müssen wir unser wertvolles Geld ausgeben. Geld hat einen hohen emotionalen Wert für unser Gehirn. Beim normalen Kauf geben wir ungefähr so viel emotionalen Geldwert her, wie der emotionale Nutzenwert des Produkts ausmacht. Im Gehirn herrscht sozusagen ein Gleichgewicht zwischen dem positiven Gefühl, das wir durch den Kauf des Produktes bekommen und dem Trennungsschmerz, den das Geld in unserem Kopf verursacht. Was passiert nun bei Schnäppchen? Dieses Gleichgewicht wird gestört: Wir erhalten ein attraktives Produkt und müssen dafür weit weniger Trennungsschmerz aushalten. Für unser Gehirn stellt dies aber eine unerwartete Belohnung dar. Nun wissen wir aus dem ersten Kapitel, wie unser Belohnungssystem funktioniert, es springt richtig an, wenn es weit mehr Belohnung gibt, als es erwartet hatte. Wichtig Schnäppchen schalten das Belohnungssystem ein und den Verstand aus. Ein Schnäppchen bringt also unser Belohnungssystem zum Rasen. Kern des Belohnungssystems ist der sogenannte Nucleus accumbens. Nun sitzt über unserem Belohnungszentrum unser Großhirn, das uns befähigt, nicht immer sofort unseren emotionalen Impulsen zu folgen, sondern nachzudenken und nachzurechnen. Unser Großhirn ist aber, wie wir wissen, denkfaul, weil es so Energie spart. Direkt unterhalb des Großhirns sitzt ein Bereich, der das Großhirn aktiviert, wenn es etwas zu denken gibt. Sozusagen ein Aktivierungsschalter. Dieser springt beispielsweise an, wenn wir in eine überraschende und unerwartete Situation kommen oder wenn es Konflikte zwischen unserer Gewohnheit und

unseren Sinneseindrücken gibt. Bei Schnäppchen will das Belohnungszentrum – zuständig für das Haben-Wollen – sofort gierig zuschnappen. Damit ihm der Verstand, das Großhirn, die vermeintliche Beute aber nicht madig macht, blockiert der Nucleus accumbens vorsichtshalber den Großhirn-Aktivierungsschalter, den sogenannten anterioren Gyrus Cinguli. Das Ergebnis: Wir schlagen zu, obwohl wir möglicherweise noch den ganzen Schrank voll von diesem Artikel haben, und wir schlagen auch zu, wenn der Artikel gar nicht so günstig ist, wie im obigen Quarks-Beispiel gezeigt wurde. Diesen Effekt konnten übrigens die beiden Bonner Professoren Christian Elger und Bernd Weber im Hirnscanner nachweisen. Nun gibt es in der Praxis viele Möglichkeiten, diesen Schnäppchengiertrieb weiter anzuheizen.

Wie Kaufgier ausgelöst wird Einige dieser Schnäppchenverstärker schauen wir uns jetzt etwas genauer an, indem wir ein Lockpreisangebot in kleinen Schritten aufbauen. Ausgangspunkt unserer Reise ist das Preisschild in der nächsten Abbildung. Nehmen wir an, der Artikel kostet 20 EUR.

Das Angebot ohne Schnäppchenreize

Das Geheimnis der kleinen ersten Zahl Unsere erste Maßnahme ist eine leichte Preisveränderung. Aus 20 EUR machen wir 19,99 EUR. In der Kasse des Händlers macht dieser eine Cent nichts aus, denn allein durch diesen kleinen Trick steigt der Abverkauf um bis ca. 10 % an.

Ein Cent weniger mit großen Folgen

Doch wie funktioniert das in unserem Gehirn? Unser Gehirn sucht immer nach Orientierung, deshalb wird in einer Serie von Zahlen die erste Zahl mehr beachtet als alle weiteren. Und die erste Zahl ist jetzt eine Eins und keine Zwei mehr. Obwohl der Händler objektiv nur 0,05 % nachgelassen hat, ist die neue Zahl für unser Gehirn subjektiv deutlich kleiner geworden. Unser Gehirn glaubt dem ersten Eindruck mehr, weil Denken ja anspruchsvoll ist. Um den großen Zahlen „99“ hinter dem Komma ihre Wirkung zu nehmen, werden diese zudem sehr klein geschrieben. Diese gebrochenen Zahlen am Schluss suggerieren unserem Gehirn zusätzlich, dass der Händler knallhart kalkuliert hat (was in der Regel so nicht der Fall ist). Überhaupt geht unser Gehirn mit scheinbar rationalen Zahlen schlampig um. Ein Preis von 8.689 EUR erscheint unserem Gehirn auf den ersten Blick höher als ein Preis von 8.752 EUR Warum? Weil der Wert im ersten Preis ansteigt und hoch endet, während der Wert beim zweiten Preis absteigt. Diese unbewusste Aufwärts- oder Abwärtsbewegung wird von unserem Gehirn auf die gesamte Zahl übertragen. Der Vorher-(Mond-)Preis Nur bei den wenigsten Artikeln weiß unser Kaufhirn, was dieser Artikel kostet und kosten darf. Manchmal haben wir eine ungefähre Ahnung, aber eben nur ungefähr. Unser Gehirn versucht, Unsicherheiten aufzuheben, und freut sich über jede Orientierungshilfe. In unserem Fall stellt es unbewusst die Frage: Ist dieser Artikel wirklich preiswert? Auch hier gibt es einen guten Trick, das Gehirn zu überlisten. Man setzt einfach einen fiktiven Preis fest, was der Artikel vorher gekostet haben soll, und setzt den auf das Preisschild. Gleichzeitig macht man es dem Gehirn ganz einfach und zeigt ihm nochmals, was es gespart hat. Das fürs

Schnäppchenhirn optimierte Preisschild sieht nun aus wie in der folgenden Abbildung – der Gierfaktor steigt weiter.

Durch den Vorher- und Nachher-Preis wirkt das Angebot noch günstiger.

Knappheit aktiviert das Jagd- und Beutemodul Sind nun alle Möglichkeiten schon ausgeschöpft? Natürlich nicht. Unser Belohnungssystem im Gehirn ist mit vielen Bereichen verknüpft, unter anderem auch mit unserem Jagd- und Beutemodul. Dieses Jagd- und Beutemodul hat in Millionen Jahren der Evolution eines wirklich gelernt: Das Jagdglück ist sehr flüchtig. Und Schnäppchen sind Jagdbeute! Um das Jagdmodul zu aktivieren, muss man dem Gehirn das Signal geben, dass es von der Ur-Steinzeitjagd kennt: Jetzt oder nie! Und: Die Beute ist knapp! Wie das geht, schauen wir uns nun im wiederum überarbeiteten Preisschild an. Anstatt „Angebot“ lesen wir jetzt: „Sonderposten“ und „Nur heute“.

Durch die zeitliche Begrenzung des Angebots wird das Jagd- und Beutemodul aktiviert.

Rot und gelb: Wie aus Preisen Kampfpreise werden Zum Schluss nutzen wir noch die Erkenntnisse der Farbpsychologie. Wir wissen ja bereits, dass Farben eine emotionale Bedeutung für unser Gehirn haben. Gleichzeitig will der Händler Aufmerksamkeit für sein Angebot schaffen. Hier bieten sich zwei Farben geradezu an, nämlich Rot und Gelb. Rot aktiviert und signalisiert Durchsetzung und Kampf – und um Kampfpreise geht‘s schließlich bei Schnäppchen. Auch Gelb ist eine laute Signalfarbe, die Überraschung verheißt – und überraschend niedrig sollen die Preise ja sein. Das Endprodukt mit der größten Schnäppchenkraft sieht jetzt aus wie in der folgenden Abbildung.

Rot und Gelb bedeuten Kampf und Überraschung.

Der Schnaps obendrauf Nun gibt es Schnäppchen nicht nur als reduzierte Preise, sondern auch als scheinbare Zugabe, wie beispielsweise „eins bezahlen = zwei bekommen“.

Auch Zugaben aktivieren das Schnäppchenhirn.

Angebote dieser Art finden wir häufig im Handel, aber natürlich auch bei Produkten. Wie uns Mogelpackungen verführen, wissen Sie bereits. Auch diese scheinbar kostenlose Zugabe ist für unser Gehirn ein Schnäppchen. Hersteller nutzen diesen Mechanismus, indem sie damit werben, dass die neue Verpackung „25 % mehr Inhalt“ hätte. Dass allein dieses „Mehr als erwartet“ schon unseren Verstand ausschaltet, zeigt das folgende Beispiel. Beispiel Die alte Ariel-Flasche versprach 20 Waschladungen. Bei der neuen Flasche waren es wieder 20 Waschladungen, diese wurden aber anders dargestellt, wie die folgende Abbildung zeigt – nämlich 18 + 2. Das ist für das Gehirn attraktiver als 20. Unser Belohnungssystem wird durch 20 nicht aktiviert, durch 18 + 2 aber schon.

Links neu, rechts alt: 18 + 2 ist für unser Gehirn mehr als 20!

Bündelpreise: Versteckspiel mit dem Gehirn Die Faulheit unseres Gehirns wird noch mit einer anderen Form von Angeboten ausgenutzt, mit sogenannten Bündeln oder englisch „bundles“. Zum eigentlichen Hauptartikel erhält der Kunde andere Dinge dazu. Zum Laptop sind es weitere Programme, eine Tasche und einen Drucker – und alles zusammen zu einem scheinbar attraktiven Preis. Da ein Teil oder alle Zusatzprodukte in der Regel NoNames sind, die der Händler billigst eingekauft hat und die sich jedem Preisvergleich entziehen, scheint der Endpreis extrem günstig, ohne das wirklich zu sein. Zudem wird jeder Preisvergleich verhindert, weil der Kunde den Preis der Zusatzprodukte, aber auch des Hauptartikels nicht kennt.

Massenpräsentation als Kaufauslöser Während wir bisher die innere Logik von Schnäppchen betrachtet haben, gehen wir jetzt einen Schritt weiter. Nämlich, wie Schnäppchen von Händlern auf der Fläche präsentiert werden, damit sie gekauft werden. Und das wichtigste auslösende Signal heißt: Massenpräsentation. Massenpräsentation suggeriert unserem Gehirn: billig. Da viele Artikel vorhanden sind, glaubt unser Gehirn, es gibt sie im Überfluss. Ihr Wert ist also nicht sonderlich hoch. Ein Artikel, der einzeln gezeigt wird, bedeutet für das Gehirn: Dieser Artikel ist exklusiv und damit wertvoll.

Allein die Masse signalisiert „billig“.

Beispiel In einem Live-Test, den die Gruppe Nymphenburg vor einiger Zeit in verschiedenen Verbrauchermärkten für einen großen Markenartikelhersteller durchführte, galt es herauszufinden: Wie viel Prozent Preisnachlass führen zu wie viel Prozent Umsatzsteigerung? Die Warenpräsentation wurde konstant gehalten, es war die typische und oben beschriebene Massenplatzierung. Die Arbeitshypothese lautete: Je mehr Preisnachlass, desto größer der Abverkauf. Nun passierte Folgendes: Durch einen Übermittlungsfehler wurde in einigen Filialen, die am Test teilnahmen, der Aktionspreis nicht wie geplant, um 10 % gesenkt, sondern um 10 % erhöht. Die Überraschung war groß, als wir das Ergebnis sahen: Der Abverkauf in den Filialen, in denen der Preis erhöht wurde, steigerte sich auch erheblich! Die Umsatzzuwächse lagen nur wenig unter denen derjenigen Filialen, die den Preis gesenkt hatten. Allein die Anordnung der Ware als Massenpräsentation hatte also genügt, um im Konsumentengehirn eine starke Kaufautomatik auszulösen. Die Massenpräsentation hat viele Gesichter: Sie kann als Menge in einer Schütte oder als Kistenstapel auf einer Palette gestaltet werden.

Umfeld und Preiswahrnehmung Eingangs dieses Kapitels haben wir die verschiedenen emotionalen Shoppingwelten betrachtet und gelernt, dass allein Ladeneinrichtung und Art der Warenpräsentation eines Discounters dem Kaufgehirn schon sagten: Hier ist es

billig. Unser Schnäppchengehirn glaubt also zusätzlich, dass die im Laden angebotenen Schnäppchen wirklich billig sind und rechnet noch weniger nach.

Schlussverkäufe: Getürkte Ereignisse Nun wissen wir in etwa, wie unser Schnäppchengehirn funktioniert. Allerdings fehlen noch ein zwei Aspekte. Beginnen wir mit dem etwas harmloseren Preisereignis, das gerne vom Handel inszeniert wird: Der Sommer- oder Winterschlussverkauf, der insbesondere im Modebereich normal ist. Dieser Verkauf hatte früher einen Sinn, denn irgendwann neigten sich Sommer oder Winter dem Ende zu und die Saisonware wurde schon angeliefert. Durch moderne Warenwirtschaftssysteme und Schulung haben die Händler aber längst gelernt, ihre Ware durch Preisreduzierungen frühzeitig, also bereits während der Saison zu verkaufen, so dass diese Schlussverkäufe eigentlich nicht mehr nötig sind. Doch da sich diese Schnäppchenereignisse tief in unserem kollektiven Bewusstsein verankert haben, werden sie natürlich vom Handel gerne genutzt, um Kunden anzulocken. Wer ein Schnäppchen kauft, ist ja schon mal im Laden und schaut sich gerne die neue (nicht reduzierte) Kollektion an und kauft. Übrigens: Circa 60 bis 70 % der in diesen Schlussverkäufen angebotenen Ware stammt nicht aus dem übrig gebliebenen, unverkauften Sortiment des Händlers, sie wird extra für dieses Ereignis zugekauft!

Wenn Käufer zu Tieren werden … Erinnern Sie sich an die MediaMarkt-Eröffnung vor einigen Jahren in Berlin? Damals standen mehr als 5.000 Menschen vor der Tür und stürmten den Markt, als er morgens geöffnet wurde. Um die in der Werbung groß angekündigten Sonderangebote spielten sich wüste Szenen ab. Das Ergebnis dieses Krieges um Schnäppchen: über 15 Verletzte. Die Zeitung „Die Welt“ zitierte im Titel eine Kundin: „Das sind keine Menschen, das sind Tiere“. Wie konnte es zu solchen Exzessen kommen? Natürlich nutzte der MediaMarkt alle die oben beschriebenen Mechanismen, um die Schnäppchengier anzuheizen incl. Werbung. Was aber viel zu wenig beachtet wurde und schließlich zu dieser Beinahe-Katastrophe führte, sind die Gesetze der Sozial- und Massenpsychologie, die hier in voller Kraft wirksam wurden (abgeschwächt finden wir sie bei jedem Schluss- oder Räumungsverkauf). Der Mensch ist ein Sozialwesen und zwei Reaktionsweisen sind tief in seinem Erbgut verwurzelt: Die erste heißt Neid und kommt aus dem Dominanz-System, das ja auch für Verdrängung des Anderen zuständig ist. Durch die Knappheit der wirklich preiswerten Sonderangebote und durch das offensichtliche Vorhandensein von Konkurrenten wird nicht nur der Kaufwunsch, sondern auch Kampfverhalten ausgelöst.

Wichtig Locken besonders attraktive Produkte viele Käufer an, wird nicht nur das Schnäppchen- und Gierhirn aktiv, auch das Dominanz-System, das für Neid und Kampf zuständig ist, wird eingeschaltet. Da die Produkte des MediaMarkts vor allem junge Männer anlocken, bei denen der Testosteronspiegel sowieso schon extrem hoch ist, staute sich vor der Tür des Marktes schon ein riesiges Aggressionspotenzial auf. Ein zweites wichtiges Prinzip kommt noch hinzu: Wir orientieren uns in unserer Weltbewertung stark an der Masse. Wir erleben das bei jedem Fußballspiel, wenn kollektiv gejubelt oder gebuht wird. Wenn unser Gehirn nun entdeckt, dass bestimmte Produkte für andere attraktiv sind, steigert sich deren Attraktivitätsgrad für uns zusätzlich. Ähnliche Szenen gab es übrigens beim Schlecker-Ausverkauf vor einiger Zeit – nicht ganz so brutal – aber auch Frauen können zu wilden Tieren werden. Apropos soziale Beeinflussung beim Einkaufen: Wir werden nicht nur von gierigen Fremden, sondern auch von Freunden beeinflusst, etwa wenn sie uns beim Einkaufen begleiten. Während wir alleine durchaus einmal die billige Handelsmarke kaufen, passiert das in Begleitung weit seltener. Unbewusst wollen wir zeigen, das wir uns das leisten können.

So schützen Sie sich Achten Sie auf die emotionale Vorprogrammierung durch die Ladeneinrichtung und Ladenatmosphäre. Auch wenn der Laden billig aussieht, ist die Ware nicht immer billig. Und wenn der Laden hochwertig wirkt, ist es nicht automatisch auch die Ware. Planen Sie Ihren Supermarkteinkauf zu Hause. Gehen Sie niemals hungrig einkaufen. Nehmen Sie bei kleineren Einkäufen einen Einkaufskorb und keinen Einkaufswagen. Sagen Sie „Nein“ bei der Frage: „Darf es etwas mehr sein?“ Fragen Sie sich bei jedem Sonderangebot, das Sie kaufen, ob Sie es auch wirklich brauchen. Widerstehen Sie der Versuchung, Ihren Kindern an der Kasse etwas zu kaufen. Sie werden nämlich so fürs Quengeln belohnt. Zahlen Sie, wann immer es geht, mit Bargeld, um den Geldtrennungsschmerz hoch zu halten. Gehen Sie bei vermeintlich attraktiven Sonderangeboten nochmals eine Runde durch das Geschäft und fragen Sie sich, ob Sie die Artikel wirklich brauchen.

Auf einen Blick: Warum wir mehr kaufen als geplant Verschiedene Shoppingwelten – das Spar-, das Care-, das Erlebnis- und das Entdeckungs-Shopping – sprechen gezielt die jeweiligen emotionalen Bedürfnisse in uns an und beeinflussen unser Kaufverhalten.

Die Läden sortieren ihre Produkte nach Verwendungszusammenhängen. Das regt Kunden zu Mehrkäufen an.

Allein die geschickte Regalstellung führt zu längeren Aufenthalten im Laden und damit zu höherem Umsatz.

Schnäppchen und Sonderangebote werden so platziert, dass der Kunde nicht daran vorbeikommt. Andere Produkte werden mit Hilfe spezieller Licht-, Musik- oder Geruchseffekte so inszeniert, dass das Unbewusste die Kaufversprechen für authentisch hält.

Rabatte lassen das Belohnungszentrum in unserem Gehirn mit Sitz im Nucleus accumbens jubeln. Damit der Verstand nicht zum Spielverderber wird, wird der Großhirn-Aktivierungsschalter blockiert und wir schlagen hemmungslos zu. Dieser Mechanismus kann gezielt ausgenutzt werden und ungebremste Kaufgier auslösen.

Welche Fallen im Verkaufsgespräch lauern Egal ob Sie ein Auto kaufen, mit Ihrem Bankberater sprechen oder ob es klingelt und der klassische Staubsaugerverkäufer vor der Tür steht: Auch im persönlichen Kauf- und Beratungsgespräch warten viele Manipulationsfallen auf uns. In diesem Kapitel erfahren Sie, warum es für Verkäufer so wichtig ist, unser Vertrauen zu gewinnen, und wie sie das anstellen, warum Geschenke ein gefährliches Verführungsinstrument sind, welche Tücken bestimmte Verkaufssituationen bergen, wie leicht Verkäufer ihre Verkaufsargumente dem jeweiligen Kauftyp anpassen können.

Wie clevere Verkäufer unser Vertrauen gewinnen Das Bild des Staubsaugervertreters, der der Frau des Hauses einen sündteuren Staubsauger nebst Zubehör verkauft, obwohl sie eigentlich noch einen ganz guten hat, ist legendär. Doch es sind nicht nur die Staubsaugerverkäufer, die an unser Geld wollen, es ist der Bankberater, der Autoverkäufer und sogar die nette Nachbarin, die uns zur Tupperware-Party eingeladen hat. Oft ist das Ergebnis, dass wir Dinge kaufen, die wir gar nicht wollten. In diesem Kapitel werden wir uns mit den Kaufsituationen beschäftigen, in denen uns ein Berater, Verkäufer oder Vertreter persönlich etwas verkaufen will. Diese sind in der Regel bestens geschult und sie beherrschen zahlreiche Manipulationstechniken, mit deren Hilfe sie unsere Kaufbereitschaft erhöhen. Damit wollen wir uns nun befassen. Clevere Vertreter müssen zuallererst und bevor es zum eigentlichen Verkaufsgespräch kommt, unser Vertrauen gewinnen. Und in dieser Reihenfolge ist auch dieses Kapitel aufgebaut: Im ersten Abschnitt schauen wir uns an, welche Tricks und Maßnahmen Verkäufer anwenden, um uns vertrauensselig zu stimmen, im zweiten Abschnitt kommen wir zu den eigentlichen Verkaufstechniken und im dritten Abschnitt betrachten wir einige klassische Verkaufssituationen von der Kaffeefahrt über viele weitere Situationen bis hin zur Tupperware-Party. Warum ist Vertrauen beim Kauf so wichtig? Wenn wir diese Frage andersherum stellen, wird es sofort deutlich: Würden Sie einem Menschen etwas abkaufen, von dem Sie wüssten, dass er Sie nur betrügen will? Mit Sicherheit nicht. Gute Verkäufer wissen also, dass sie nicht mit der Tür ins Haus fallen dürfen, sondern zuerst etwas Zeit in den Vertrauensaufbau investieren müssen.

Der erste Eindruck zählt Dieser Aspekt ist uns schon begegnet: Der erste Eindruck ist in der zwischenmenschlichen Beziehung von besonderer Bedeutung. Aus der Psychologie und Hirnforschung wissen wir übrigens, dass unser Unbewusstes nur zwei Zehntelsekunden dafür braucht. Davon bekommt unser Bewusstsein relativ wenig mit. Wir merken nur am Rande, dass uns dieser Mensch – in dem Fall der Verkäufer – sympathisch ist. Besteht dieser erste Eindruck erst mal, tut unser Gehirn alles dafür, nach Bestätigung für diese erste Einschätzung zu suchen. Ist dieser Eindruck gut, hat es der Verkäufer viel leichter, uns zum Beispiel für den Abschluss eines Kaufvertrags zu gewinnen. Warum? Wenn uns jemand sympathisch ist, wird in unserem Gehirn das Vertrauenshormon Oxytocin freigesetzt. Das Oxytocin wiederum hemmt den Kern im Gehirn, der für soziale Vorsicht zuständig ist. Der Effekt: Wir glauben dem Verkäufer leichter und sind nicht mehr so misstrauisch. Wie das Vertrauenshormon Oxytocin funktioniert, zeigt folgender Versuch, der an einer Schweizer Universität durchgeführt wurde. Beispiel An der Universität Zürich wurden Versuchspersonen von einem Versuchsleiter Verträge vorgelegt, die sie unterschreiben sollten. Da die Versuchspersonen den Versuchsleiter nicht kannten, waren sie natürlich misstrauisch. Nun wurden die Versuchspersonen in zwei Gruppen aufgeteilt. Der einen Hälfte wurde mit einem Spray Wasserdampf in die Nase gesprüht, der anderen Hälfte das Vertrauenshormon Oxytocin (dieses kommt über die Nase direkt ins Gehirn). Der Effekt: Die Versuchspersonen, die Oxytocin in die Nase bekamen, unterschrieben den Vertrag häufiger als die Wasser-Gruppe. Wie wird der erste Eindruck gebildet? Zunächst sind es die Kleidung, die Körperhaltung, die Sprache und – besonders wichtig – der Gesichtsausdruck. In Verkaufstrainings lernen gute Verkäufer, diese Signale so einzusetzen, dass sie auf Anhieb sympathischer wirken.

Die leichte Berührung zu Beginn Normale Verkäufer geben Ihnen zu Beginn die Hand – gute Verkäufer machen noch etwas: Neben dem eigentlichen Handschlag berühren sie mit der freien Hand ganz leicht Ihren Unterarm oder geleiten Sie ebenfalls mit einer Berührung zu einem Platz. Was Ihnen kaum auffällt, hat für Ihr Unbewusstes eine enorme Bedeutung. Normalerweise halten wir uns Fremde, wenn es geht, immer etwas auf Distanz. In der Regel sind es etwa 70 cm, die wir gerne um uns herum frei halten. Was passiert nun durch diesen fast unmerklichen Körperkontakt? Unserem Unbewussten wird signalisiert: Ich bin dein Freund. Die Berührung verstärkt das

Vertrauen in eine fremde Person erheblich. Wichtig Durch leichte Berührung wird unbewusst Misstrauen ab- und emotionale Nähe aufgebaut: Wir vertrauen dem Verkäufer und kaufen. Schauen wir dazu nur in den Alltag. Wem erzählen Frauen (fast) alles? Richtig – dem Friseur, dem Masseur und dem Arzt. Dies alles sind Berufsgruppen, wo die Kunden bzw. Patienten berührt werden – und allein durch diesen körperlichen Kontakt deren Vertrauen gewinnen. Beispiel In einem amerikanischen Coffeeshop wurde folgender Versuch gemacht: Die Bedienungen wurden angehalten, ihre Gäste bei der Begrüßung oder bei der Bestellaufnahme ganz kurz und ganz leicht zu berühren. Nach einer „Berührungswoche“ folgte eine Woche ohne Berührung. Um genügend Daten zu sammeln, wurde dieser Wechsel einige Male wiederholt. Dann wurde der Versuch nach dem Kriterium ausgewertet, wie sich die Berührung auf die Höhe der Trinkgelder auswirkte. Und in der Tat: In den „Berührungswochen“ bekamen die Bedienungen 15 % mehr Trinkgeld als in den berührungslosen Wochen. Den höchsten Effekt erzielten die Berührungen, die mit sanftem Hautkontakt verbunden waren, beispielsweise einer leichten Berührung der Handoberfläche usw. Die Berührung führte dazu, dass die Gäste die Bedienungen unbewusst sympathischer fanden – die Trinkgeldkasse klingelte.

Komplimente: die Zauberkraft der Verführung Nachdem die Begrüßung zu Ende ist, geht der Vertrauens- und Sympathieaufbau weiter. Gute Verkäufer sprechen Sie immer wieder mit Ihrem Namen an – denn nichts hören wir so gerne wie den eigenen Namen. Nun beginnt die „Zuckerwattenfütterung“: Es hagelt kleine, aber gezielte Komplimente: „Sie haben eine schöne Handtasche. Wo haben Sie die denn gekauft?“; „Sie sehen für Ihre 60 aber sehr jung und fit aus. Alle Achtung!“ Da wir im normalen Alltag eher selten so gelobt werden, wirken diese Schmeicheleien doppelt. Selbst wenn wir wissen, dass der Verkäufer oder die Verkäuferin uns etwas verkaufen will: Die Komplimente klingen toll und tun einfach gut. Das Vertrauen und die Sympathie für den Verkäufer steigen weiter.

Kinder und Haustiere: der Geheimgang ins Gehirn Neben den Komplimenten für die eigene Person sind vor allem Frauen einer

weiteren Gefahr ausgesetzt: den Komplimenten für die Kinder und für Haustiere, falls vorhanden. „Sie haben aber nette Kinder.“; „Das ist ja ein süßes Baby.“; „So ein hübscher Hund.“ Der Grund: Bei Frauen ist das Fürsorgezentrum im Gehirn im Durchschnitt doppelt so stark ausgeprägt wie bei Männern. Das Bestreben des Fürsorgezentrums ist es aber, die schönsten, klügsten und nettesten Kinder zu haben. Und da das Fürsorgezentrum auch für Haustiere zuständig ist, gelten die gleichen unbewussten Wünsche auch für Hund und Katze.

Ähnlichkeiten herausstellen Nachdem durch leichte Berührung und Komplimente unser Misstrauen und unsere Vorsicht schon ziemlich ausgehebelt wurden, geht es noch weiter. Jetzt beginnt der Small-Talk und auch diesen nutzen clevere Verkäufer, um sich in unser Kaufhirn zu schmeicheln. Je nach Situation und Anlass haben sie sich vielleicht im Vorfeld schon über uns oder unsere Hobbys erkundigt, und wenn nicht, dient auch dazu der Small-Talk. Und siehe da: Unser Verkäufer hat ganz viele Dinge mit uns gemeinsam: Er liebt wie wir klassische Musik, er kocht sehr gerne asiatisch, er läuft morgens eine halbe Stunde, um sich fit zu halten … Allesamt Dinge, die wir selber gerne tun. Was passiert in unserem Gehirn? Das Vertrauen und die Sympathie steigen weiter. Warum? Tief in unserem Gehirn gibt es einen Steinzeit-Mechanismus, der uns sagt: „Misstraue Menschen, die anders sind als du. Traue Menschen, die gleich oder ähnlich sind, denn die gehören zu deinem Stamm.“ Verkäufer lernen in ihren Trainings, in Sekundenschnelle solche Ähnlichkeiten zu erkennen und anzusprechen.

Auch der Popo redet mit Findet das Verkaufs- oder Beratungsgespräch in den Räumen des Verkäufers statt, stehen ihm noch weitere Tricks zur Verfügung, um unseren natürlichen Widerstand und unser Misstrauen abzubauen. Beginnen wir mit dem Stuhl oder Sessel, auf den wir gesetzt werden. Ist es ein harter oder weicher Stuhl? Geschickte Verkäufer werden Ihnen einen ganz weichen Stuhl anbieten. Denn wir nehmen die Welt nicht nur mit Augen, Ohren und Nase wahr, sondern – Sie glauben es kaum – auch über unseren Allerwertesten! Beispiel Bei diesem Versuch wurden die Versuchspersonen entweder auf einen harten oder auf einen weichen Stuhl gesetzt. Zuvor wurden sie instruiert, dass es bei dem Versuch um Durchsetzungsfähigkeit ginge und dass sie versuchen sollten, ein bestimmtes Verhandlungsziel zu erreichen. Was war das Ergebnis? Die Versuchsteilnehmer, die auf einem weichen Stuhl saßen, waren wesentlich kompromissbereiter und gaben schneller nach als die auf dem harten Stuhl.

Es gibt noch weitere solcher kleinen, unbewussten Beeinflussungen. So bieten Ihnen gewitzte Verkäufer lieber einen heißen Kaffee als ein kaltes Cola an. Denn auch durch scheinbar so Nebensächliches wird unser Unbewusstes beeinflusst. Beispiel Versuchspersonen, denen entweder ein kaltes oder ein warmes Getränk serviert worden war, bekamen die Aufgabe, fremde Personen in puncto Sympathie einzuschätzen. Das Ergebnis: Die Personen aus der Gruppe mit einem warmen Getränk in der Hand beurteilten Fremde wesentlich sympathischer als Personen aus der Gruppe mit einem kalten Getränk. Offensichtlich wird die Wärme des Getränkes unbewusst auf die Beziehung übertragen: warm = Gefühlswärme, kalt = Gefühlskälte.

Wie Geschenke wirken Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. Diese Aussage kennen wir aus dem Alltag. Findige Verkäufer ersetzen aber den Begriff „erhalten“ durch „schaffen“. Denn kleine Geschenke haben es in sich: Sie sind regelrechte trojanische Pferdchen, die unser Kaufhirn erheblich beeinflussen. Geschenke lösen nämlich einen tief in unserem Gehirn sitzenden „Rückzahlmechanismus“ aus. Der Mensch ist ein Sozialwesen und braucht die anderen und deren Kooperation, um zu überleben. Für die Festigung dieser sozialen Bindungen hat die Natur einige Mechanismen in unserem Gehirn verankert. Besonders wichtig ist der „Rückzahlmechanismus“, der durch Geschenke ausgelöst wird. Den gibt es übrigens nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Vögeln und Säugetieren, die in größeren sozialen Gruppen leben. Das Prinzip ist einfach: Ein Affe oder Rabe findet Futter und gibt nun seinem Artgenossen freiwillig etwas ab. Diese gute Tat wird im Gehirn des Beschenkten nicht vergessen. Findet er selbst Futter, wird der „Rückzahl- und Wiedergutmachungsmechanismus“ aktiviert und der frühere Spender wird seinerseits beschenkt. Nun werden Sie fragen, was das mit Verkaufen zu hat. Beispiel Die Hare-Krishna-Anhänger waren lange Zeit mit die erfolgreichsten Spendenund Almosensammler weltweit. Während herkömmliche Bettler ihre „Opfer“

auf der Straße direkt um eine Spende angingen, nutzte Hare-Krishna geschickt den Rückzahlmechanismus. Ihre Spendensammler fragten zunächst nicht nach einer Spende, sondern schenkten dem Opfer zuerst eine Kleinigkeit, meist eine Blume: „Die ist für Sie und wird Ihnen Glück bringen.“ Damit setzten Sie den Rückzahlmechanismus bei ihren Opfern in Gang. Diese wurden jetzt von ihrem Unbewussten gedrängt, die erhaltene Herzensgabe auszugleichen. Da die Blume zwar einen geringen materiellen, aber einen hohen emotionalen Wert hatte, erhielten die Hare-Krishna-Spendensammler hohe Summen als Spenden. Auch clevere Verkäufer bringen Ihnen ein kleines, emotionales Geschenk mit – und wenn es dann um den Verkaufsabschluss geht, zahlen Sie es mit Ihrer Vertragsunterschrift wieder zurück. Wichtig Geschenke des Verkäufers lösen in unserem Gehirn einen unbewussten Rückzahlmechanismus aus: Wir kaufen dann auch, um das Geschenk wiedergutzumachen.

Wie wir zum Kaufen verführt werden Wir haben im vorherigen Kapitel gesehen, wie clevere Verkäufer Schritt für Schritt und mit vielen Tricks unser Vertrauen gewinnen. Jetzt sind wir soweit eingelullt und sie beginnen langsam, den Angelhaken nach unserem Geld auszuwerfen. Verkäufer haben auch für diese Etappe viele kleine und größere Kniffe parat, um a) uns überhaupt zu einem Kaufabschluss zu bewegen und b) einen möglichst hohen Preis zu erzielen. Die wichtigsten Methoden schauen wir uns nun ein wenig genauer an.

Die Ja-Falle Der Verkäufer hat unser Vertrauen in kleinen Schritten gewonnen. Und genau das ist auch die richtige Strategie. Nachdem das Vertrauen hergestellt ist, geht es mit der Ja-Falle weiter, um möglichst bald zum Abschluss zu kommen. Das Prinzip ist einfach: Bringe den Kunden dazu, vor dem eigentlichen Abschluss oft Ja zu sagen, dann wird die Wahrscheinlichkeit viel höher sein, dass er bei der entscheidenden Frage wieder Ja sagt, nämlich beim Vertrag oder Kauf. Herzensbrecher, die mit der Angebeteten ins Liebesnest wollen, kennen diesen Trick bestens. Würden sie direkt und unverblümt fragen: „Wie wär‘s mit uns zwei?“ wäre die Wahrscheinlichkeit einer Abfuhr relativ hoch. Sie können aber

auch harmlos beginnen: „Magst Du einen Kaffee?“ – „Ja.“ – „Magst Du etwas essen?“ – „Ja.“ So gestalten sie immer mehr unverfängliche Situationen, die die Möglichkeit zum Ja-Sagen bieten. Bei der alles entscheidenden Frage wird die Wahrscheinlichkeit einer Abfuhr so deutlich geringer. Der amerikanische Psychologe Robert Cialdini hat die unglaubliche Wirkung dieses Tricks in vielen Versuchen nachgewiesen. Beispiel Auf der Straße wurden wildfremde Passanten von Studenten direkt angesprochen, ob sie ihnen einen Dollar schenken würden, weil ihnen das Geld ausgegangen sei. Das Ergebnis: Bei 100 angesprochenen Passanten waren am Ende ca. 5 Dollar in der Kasse. Nun kam der zweite Teil des Versuchs: Die gleichen Studenten gingen wieder auf Passanten zu. Dieses Mal fragten sie aber: „Entschuldigen Sie, können Sie mir sagen, wie viel Uhr es ist?“ Alle Passanten zeigten sich hilfsbereit und antworteten mit: „Ja, gerne.“ Erst jetzt fragten die Studenten: „Ach, noch eins – mir ist das Geld ausgegangen – könnten Sie mir einen Dollar schenken?“ Das Ergebnis: Bei 100 angesprochenen Passanten waren nun ca. 10 Dollar in der Kasse. Anders ausgedrückt: Durch das „Ja“ am Anfang hat sich die Abschlussquote der Studenten verdoppelt. Raffinierte Verkäufer fallen also nicht mit der Tür ins Haus, sondern treiben Sie mit einigen harmlosen Ja-Antworten in die Ja-Falle. Anstatt also direkt zu fragen „Wollen Sie eine Haftpflichtversicherung für Ihre Kinder?“, beginnen sie anders: „Die Kinder von heute wachsen viel freier und ungezwungener auf?“ (Ja) „Und wenn man, wie Sie beide, berufstätig ist, hat man auch nicht mehr so viel Zeit, auf die Kinder aufzupassen.“ (Ja) „Als wir klein waren, konnten wir noch richtige Streiche aushecken, da waren die Nachbarn noch viel toleranter, ist es nicht so?“ (Ja). „Heute in der Großstadt ist alles anonymer, da gibt‘s gegenüber Kindern keine Toleranz mehr.“ (Ja) „Und Kinder wollen trotzdem spielen und passen halt, wie wir ja oft genauso, nicht immer auf.“ (Ja) „Sie haben zwei Jungs – wir wissen ja, was Jungs so alles einfällt.“ (Ja) „Da kann leicht etwas passieren.“ (Ja) „Heutzutage können schon kleinste von Kindern verursachte Unfälle oder Schäden viel, viel Geld kosten.“ (Ja) „Und die Gerichte sind heute, was die Verletzung der Aufsichtspflicht betrifft, viel härter in ihren Urteilen.“ (Ja), „Schon viele Eltern haben so ihre gesamten Ersparnisse verloren.“ (Ja). Und jetzt kommt es: „Sie stimmen mir doch zu, dass eine Kinderhaftpflichtversicherung heute unabdingbar ist?“ – Ihre Antwort: „Ja“. Und schon ist die Ja-Falle fast zugeschnappt.

Die Fehlende-Alternativen-Falle Ungeschulte Verkäufer fragen jetzt: „Wollen Sie eine

Kinderhaftpflichtversicherung abschließen?“ Bei dieser Frage kann es nun passieren, dass Sie Nein sagen. Wenn Sie aber Nein gesagt haben, hat der Verkäufer ein Problem, denn ein einmal ausgesprochenes Nein ist fast nicht oder nur mit großem Aufwand revidierbar. Geschulte Verkäufer versuchen also ein Nein zu vermeiden wie der Teufel das Weihwasser. Wie machen sie das? Sie nutzen einen weiteren Trick: Sie bieten Ihnen eine Entscheidungsalternative an. Ihr Gehirn hat nun das Gefühl, es könnte frei entscheiden. Diese Alternative birgt allerdings ein Problem für Sie: Ein Nein ist nämlich nicht vorgesehen! Wie funktioniert das in der Praxis? Der Versicherungsvertreter wird Ihnen Folgendes anbieten – wir bleiben beim Beispiel der Kinderhaftpflichtversicherung: „Sie haben zwei Jungs – da hätte ich drei Versicherungen für Sie zur Auswahl, die für Sie ideal sind.“ Jetzt erklärt er Ihnen die Alternativen und spricht am Schluss eine Empfehlung aus. Wichtig Im Verkaufsgespräch bieten clevere Verkäufer am Schluss mehrere Alternativen an. Eine Alternative fehlt allerdings völlig: das Angebot nicht anzunehmen. Durch das aufgebaute Vertrauen ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Sie seine Empfehlung annehmen. Wenn Sie allerdings ein Freigeist sind, kann es passieren, dass Sie sich für eine der anderen Alternativen entscheiden. Das Problem dabei ist: Sie haben das Gefühl, frei entschieden zu haben und sind trotzdem in die Falle getappt. Die Fehlende-Alternative-Falle nutzen Verkäufer auch sehr häufig bei der Terminvereinbarung für ein Verkaufsgespräch. Sie fragen nicht: „Ist es Ihnen recht, dass ich vorbeikomme?“ Sie fragen so: „Ich bin am Mittwochvormittag oder am Freitagnachmittag in Ihrer Gegend – welcher Termin ist Ihnen lieber?“

Die Preistreiber-Falle In der Regel haben Verkäufer mehrere Alternativen für Sie, die fast immer auch unterschiedlich teuer sind. Und an den teureren Angeboten verdient der Verkäufer mehr. Sein Bestreben ist es also, Ihnen eines der teureren Angebote zu verkaufen. Nehmen wir als Beispiel einen Weinverkäufer. Er hat einen Wein für 5,65 EUR und einen für 12,95 EUR. Nun bietet er diese beiden Weine an. Da der große Teil der Menschen eher sparsam ist, kaufen 85 % den billigeren und 15 % den teuren Wein.

Bei der Auswahl von zwei Weinen wählt der Kunde zu 85 % den billigeren.

Der Verkäufer möchte Ihnen aber mehr vom teuren Wein verkaufen, ohne dass Sie das merken. Wie macht er das? Er nutzt die kleinen Schwächen unseres Gehirns. Da wir in der Regel nicht wissen, was ein Wein genau kostet und was billig oder teuer ist, sucht es Sicherheit und Orientierung. Dies nutzt der geschäftstüchtige Weinverkäufer aus und stellt zu seinen beiden Flaschen noch eine weit teurere für 33,95 EUR. Auf diese Weise narrt er Ihr Gehirn, weil sich der Bezugsrahmen geändert hat. Denn plötzlich sind 33,95 EUR teuer – im Vergleich dazu erscheinen 12,95 EUR billig. Was durch diesen kleinen Trick passiert, zeigt die folgende Abbildung.

Durch einen weiteren, deutlich teureren Wein wirkt der zuvor als teuer empfundene jetzt billiger.

Während vorher von dem Wein für 12,95 EUR 15 % verkauft wurden, sind es

jetzt 29 %! Der Verkäufer hat also fast doppelt so viel von seinem Lieblingswein verkauft. Der Wein für 33,95 EUR bleibt mit nur 2 % zwar liegen, das ist aber nicht weiter schlimm. Er hat seine Schuldigkeit als Preistreiber bestens getan! Raffinierte Verkäufer haben aber noch einen weiteren Trick, um das höherpreisige Angebot zu verkaufen. Ihrem Gehirn ist nämlich nicht egal, in welcher Reihenfolge die Angebote präsentiert werden. Zur Abwechslung gehen wir jetzt in einen Elektrofachmarkt und Sie sind dabei, sich eine neue Waschmaschine zu kaufen. Drei Alternativen stehen zur Wahl: Waschmaschine 1: 799 EUR Waschmaschine 2: 1.475 EUR Waschmaschine 3: 989 EUR In welcher Reihenfolge bietet Ihnen der clevere Verkäufer diese Waschmaschinen an? Die Antwort: Zuerst Nr. 2, die teuerste, dann Nr. 3 und schließlich Nr. 1, die billigste. Auch hier nutzt der Verkäufer den unbewussten Orientierungsmechanismus Ihres Gehirns aus. Der erstgenannte Preis wird nämlich für unser Gehirn zu einem Bezugsanker, an dem alle anderen Preise gemessen werden. Zusätzlich stellt Geldgewinn für unser Gehirn eine Belohnung dar. Durch die Nennung der teuren Waschmaschine an erster Stelle lernt unser Gehirn: Waschmaschinen kosten 1.475 EUR. Kommen jetzt die preiswerteren Alternativen, erlebt das Gehirn dies fast wie einen belohnenden Rabatt (es bekommt ja die Waschmaschinen billiger). Beispiel Ich wohne in München, und es war wieder einmal Oktoberfest. Meine Tochter Felicia kam auf mich zu und sagte mit schmeichlerischer Stimme: „Papi, es ist Oktoberfest.“ Ich: „Ja, ich weiß.“ Felicia: „Ich bekomme da doch immer einen Zuschuss von dir?“ Ich: „Ja. An welche Summe hast du denn gedacht?“ Sie: „200 EUR.“ Da das für mich als Schwaben viel Geld ist, brauchte ich eine Weile, um mich von dem Schock zu erholen. Dann sagte ich: „O.k. – du kriegst 100 EUR.“ Sie nahm das Geld und lachte spitzbübisch. Ich: „Warum lachst du denn so frech?“ Sie: „Weißt du Papi – ich habe deine Bücher über Verkaufstricks gelesen und wollte es einfach mal ausprobieren. Eigentlich habe ich nur mit 50 EUR gerechnet – aber durch den Trick hat sich die Summe verdoppelt. Danke dafür!“ Was war passiert? Die 200 EUR waren für mein Gehirn der Bezugsanker. Alles, was weniger war, bedeutete Ersparnis und Belohnung, obwohl es unter dem Strich ein Verlustgeschäft war. Dieses Beispiel macht noch etwas deutlich: Selbst wenn man die meisten Tricks kennt, ist man doch nicht immer davor geschützt. Denn unser Gehirn, wie wir inzwischen gelernt haben, hasst nichts so sehr wie Denken. Und würden wir bei

jeder Situation alles bis ins kleinste Detail analysieren, wären wir handlungsunfähig. Wichtig Clevere Verkäufer beginnen immer mit dem Angebot zum höchsten Preis. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mehr bezahlen, steigt so erheblich. Völlig anders dagegen reagiert das Gehirn, wenn der Verkäufer die preiswerteste Maschine zuerst anbietet. Dann lernen wir: Waschmaschinen kosten 799 EUR. Folgen jetzt die teureren Alternativen, erlebt das Gehirn dies wie eine Strafe – die Trennung von Geld ist ja, wie wir wissen, sehr schmerzhaft. Der Effekt: Verkauft der Verkäufer von oben nach unten, bietet er also die hochpreisige Ware zuerst an, verkauft er von den beiden teureren Waschmaschinen 10 bis 15 % mehr, als wenn er mit der billigsten sein Verkaufsgespräch anfängt! Auch beim Autokauf entfaltet dieser unbewusste Mechanismus eine große Wirkung. Wir kaufen ja immer zuerst das teure Grundmodell und erst dann die Ausstattung. Wenn sich unser Gehirn also am Anfang auf 20.000 EUR für das Grundmodell als Ankerwert eingestellt hat, dann sind die dazu vergleichsweise kleinen Summen für Sonderlackierung, Navigationssystem, Halogenscheinwerfer, Lederausstattung fast Peanuts. Am Schluss verlassen wir das Autohaus und haben oft nochmals 50 % und mehr des Grundpreises für Zusatzausstattung ausgegeben. Wären wir im Alltag mit den Einzelsummen der verschiedenen Sonderposten konfrontiert, würden wir wesentlich länger über diese Ausgaben nachdenken. Wichtig Bei sehr hochpreisigen Produkten verführt uns der hohe Grundpreis als Preisanker dazu, viel für Ausstattung und Zubehör auszugeben, da uns die Kosten dafür verhältnismäßig klein erscheinen.

Wie Kaufemotionen aktiviert werden Die Reihenfolge der Darbietung beeinflusst unsere Preiswahrnehmung, wie wir gesehen haben, erheblich. Das reicht aber noch nicht aus, um ein Produkt wirklich attraktiv zu machen. Die Hauptwerttreiber in unserem Gehirn sind ja nun mal die Emotionen, denn nur Emotionen schaffen Wert im Gehirn. Aus diesem Grund werden Verkäufer darin geschult, in kürzester Zeit im Verkaufsgespräch ein Maximum an Emotionen in unserem Gehirn zu aktivieren. Die Grundprinzipien der Emotionalisierung kennen Sie schon – sie gelten uneingeschränkt auch für das Verkaufsgespräch. Wie clevere Verkäufer diese Emotionalisierung nutzen, zeigt folgendes Beispiel.

Beispiel Die Verkäuferin eines amerikanischen Kosmetikkonzerns klingelt bei Margot an der Tür. Margot kennt sie bereits und hat auch schon bei ihr gekauft. Der Hinweis der Verkäuferin, ihr eine völlig neue Hautcreme zu zeigen, aktiviert ihr Stimulanz- und Neugier-System, und es dauert nicht lange, da sitzen beide am Wohnzimmertisch. Die Kosmetikvertreterin fängt an, Margot ihre neue Hautcreme schmackhaft zu machen. Was ist das Neue an der Hautcreme? Ein Wirkstoff – nennen wir ihn Q 30, der die Haut glättet. Wie weckt die Verkäuferin Margots Kaufwunsch? Sagt sie: „Ich habe eine Creme mit Q 30, das glättet Ihre Haut“? Nein, sie macht es anders: „Diese neue Creme wirkt wie ein frischer Mairegen auf Ihrer Haut.“ Dann reicht sie Margot das Cremetiegelchen: „Riechen Sie mal, diese natürliche Frische“. Jetzt nimmt sie mit ihrer Fingerkuppe etwas Creme auf und streicht sie auf Margots Handrücken. Dabei sagt sie: „Spüren Sie in jeder Pore, wie gut Ihnen diese Creme tut?“ Margot ist begeistert. Doch die Vertreterin ist noch nicht fertig. „Diese ganz besondere Frischewirkung kommt von Q 30. Dieser einzigartige Wirkstoff wurde durch puren Zufall in unserem Forschungslabor entdeckt.“ Jetzt erzählt sie Margot eine erstaunliche Geschichte, wie der Wirkstoff entstanden ist. Das Ergebnis ist klar: Margot kauft. Welche emotionalen Kaufknöpfe hat die Verkäuferin in kürzester im Gehirn ihrer Kunden gedrückt? Zunächst einmal hat sie die abstrakte Q 30-Argumentation in ein wunderschönes emotionales Bild gepackt, das zudem viele Sinne aktiviert. Allein das Wort „Mairegen“ vitalisiert und erfrischt uns. Nun wissen wir, dass unsere Emotionssysteme besonders aktiviert werden, wenn möglichst viele Sinne zugleich angesprochen werden. Auch dies hat die Vertreterin geschickt genutzt, indem sie ihre Kundin die Creme riechen und sie auf ihrer Haut spüren ließ. Beim Auftragen der Creme ist aber noch etwas Wichtiges passiert. Erinnern Sie sich noch an die Wirkung von Berührungen und ihre Rolle beim Vertrauensaufbau? Genau dieser Mechanismus wurde beim Auftragen der Creme aktiviert. Wichtig Verkäufer lernen, ihre Verkaufsargumente zu emotionalisieren und über alle Sinne zu verkaufen. Auf diese Weise verleihen sie ihren Produkten einen emotionalen Mehrwert und die Kaufbereitschaft beim Kunden steigt. Da unser Gehirn neben dem Erleben auch immer Gründe sucht, wurde auch dieses Bedürfnis mit einer emotionalen Geschichte über das Entstehen des Q30Wirkstoffs befriedigt. Geschickte Verkäufer verstehen es bestens, an sich langweilige Produkte oder Dienstleistungen in hochemotionale Bilder und Erlebnisse zu packen. Das macht die Produkte attraktiv für uns und unser

Geldbeutel öffnet sich bereitwillig.

Menschenkenner – Menschenfänger Menschen, und damit natürlich auch Kunden, sind höchst verschieden und haben völlig unterschiedliche Bedürfnisse. Doch woher kommen diese Unterschiede? Der Hauptgrund dafür ist, dass wir uns in unserer Grundpersönlichkeit von anderen unterscheiden. Im nächsten Kapitel werden wir darauf genauer eingehen. Die Differenzen in der Persönlichkeit basieren auf unterschiedlichen Ausprägungen der Emotionssysteme in unserem Gehirn. Jeder Mensch verfügt immer über alle Emotionssysteme, sie sind jedoch individuell stärker oder schwächer ausgeprägt. Bei dem einen Kunden ist das Dominanz-System einflussreicher, beim anderen das Stimulanz-System, beim dritten das Balance-System und beim vierten das Bindungs- und Fürsorge-System. Aufgrund dieser emotionalen Unterschiede betrachten wir Produkte mit ganz anderen Augen und springen auf die jeweiligen emotionalen Verkaufsargumente unterschiedlich stark an. Wichtig Gute Verkäufer haben die Fähigkeit, in Sekundenschnelle unsere Persönlichkeit einzuschätzen und ihre Verkaufsargumentation gezielt darauf abzustimmen. Verkäufer lernen in ihrer Ausbildung, Persönlichkeitsunterschiede zu erkennen, die Kunden zu typologisieren und ihre Verkaufsargumentation genau auf den jeweiligen Kundentyp zuzuschneidern. Wir Konsumenten haben im Verkaufsgespräch deshalb das Gefühl, dass das präsentierte Produkt genau für uns geschaffen wäre. Wie das funktioniert. schauen wir uns am Beispiel eines Autoverkäufers an, der das gleiche Auto vier verschiedenen emotionalen Kundentypen mit der entsprechenden Argumentation verkauft. Beispiel Beginnen wir den Autoverkauf mit dem Dominanz-Typ, also einem Kunden, bei dem das Dominanz-System besonders stark ausgeprägt ist. Das DominanzSystem fordert Macht, Kraft und Status. Welche Argumentation wird der clevere Verkäufer wählen? Ungefähr diese: „Dieses Auto hat 250 PS und beschleunigt von 0 auf 100 in 6 Sekunden. Der Motor ist absolutes Hightech und die breiten Alufelgen wurden aus einer hochwertigen Legierung gepresst.“ Nun betritt der Stimulanz-Typ den Verkaufsraum. Das Stimulanz-System will Neues, Spaß und Individualität. Welche Argumente wird der Verkäufer nun dem Stimulanz-Typ gegenüber auffahren? „Das Auto bringt durch eine völlig neue Technik einen ungeheuren Fahrspaß. Schauen Sie sich doch mal dieses

tolle Infotainment-System an – und übrigens: das Auto gibt es in fantastischen Sonderlackierungen.“ Als nächstes interessiert sich der Harmonie-Typ für dasselbe Auto. Das Bindungs- und Fürsorgesystem will das Beste für die Familie und ein schönes, bequemes und harmonisches Leben. Auch hier drückt unser Verkäufer auf die richtigen Gefühlsknöpfe: „Durch die vielen Airbags bietet das Auto den besten Schutz für Sie und Ihre Familie. Die Bedienung des Autos ist ganz einfach und Sie sitzen darin wie in einer Sänfte.“ Zum Schluss kommt noch der Balance-Typ. Sein ausgeprägtes BalanceSystem will Sicherheit und Kontrolle. Der clevere Autoverkäufer trifft auch bei ihm ins Schwarze: „Das Auto ist allerbeste deutsche Wertarbeit mit erprobter Technik. In der ADAC-Pannenstatistik belegt es Platz Nr. 1, zudem ist dieses Fahrzeug besonders sparsam.“ Vielleicht haben Sie an diesem Beispiel gesehen, wie zielgerichtet ein geschickter Verkäufer seine Verkaufsargumentation für dasselbe Produkt auf die vier Typen ausrichten kann. Obwohl es immer das gleiche Auto war, hat er jedes Mal völlig anders argumentiert. Jeder dieser Emotionstypen hatte aber das Gefühl, dass dieses Auto genau zu seinen Bedürfnissen passt. Die Emotionalisierung der Verkaufsargumentation und die typgerechte „Zubereitung“ hat uns inzwischen vom Produkt oder der Dienstleistung schon ziemlich überzeugt. Allerdings ist der Preis hoch und wir zögern noch. Doch der clevere Verkäufer hat auch für den Abschluss noch ein paar Tricks auf Lager und weiß, wie er uns unter Kaufdruck setzen kann.

Wie wir zum Kauf gedrängt werden Gleich ob Bankberater, Versicherungsvertreter oder Autoverkäufer, ein erheblicher Teil ihres Einkommens ist direkt davon abhängig, wie viele Abschlüsse sie vorweisen können. Aus diesem Grund tun sie alles dafür, uns nicht von der Angel zu lassen und zu einem Abschluss zu kommen. Viele ihrer Tricks haben wir bereits kennengelernt. Doch es gibt noch zwei weitere, die uns gehörig unter Druck setzen können, sofern wir noch zögern, unsere Unterschrift unter einen Vertrag zu setzen oder in den Kauf einzuwilligen. Erinnern Sie sich noch an den Aufbau des Preisschildes und wie eine zeitliche Begrenzung und Verknappung des Angebots unser Jagd- und Beutemodul aktiviert hat? Nun, genau diesen Mechanismus nutzen auch erfolgreiche Verkäufer, um uns unter Druck zu setzen. Beispiel Klaus und Tina sind frisch verheiratet und richten sich neu ein. Im Möbelgeschäft finden Sie eine Polstergarnitur, die ihnen gefällt. Da es sich für

beide doch um eine hohe Summe handelt, zögern sie. Ein so teurer Kauf will schließlich gut bedacht sein. Der Verkäufer berät sie und bemerkt ihr großes Interesse. Nun will er die Kunden nicht mehr von der Leine lassen, denn von der Verkaufssumme warten schließlich 10 % Provision auf ihn. Also macht er ein bisschen Druck: „Das ist eines unserer am besten verkauften Modelle – und Sie haben Glück: Das ist unser letzte Garnitur. Deswegen kann ich Ihnen sogar einen Nachlass von 10 % geben, wenn Sie die Garnitur nehmen. Da es sich um einen Sonderrabatt handelt, kann ich Ihnen diesen attraktiven Preis allerdings nur heute anbieten.“ Der Verkäufer spielt so das Knappheits-Begrenzungsprinzip voll aus. Was passiert nun bei Klaus und Tina? Die Garnitur gefällt ihnen. Der Preis ist zwar hoch, aber mit dem Nachlass (Belohnungszentrum im Gehirn jubelt) erscheint das Ganze für beide äußerst attraktiv. Trotzdem ist es noch viel Geld. Die beiden zögern noch. Da zieht der Verkäufer eine weitere Waffe aus seinem Köcher, um Klaus und Tina endgültig zu fangen. Er nutzt das Neidprinzip. Beispiel Klaus und Tina haben sich also noch nicht endgültig entschieden. Da setzt der Verkäufer sein wichtigstes Druckmittel ein: „Ach übrigens – heute Vormittag war noch ein weiteres Paar da, das ebenfalls großes Interesse an dieser letzten Polstergarnitur hatte und darum bat, die Garnitur bis morgen zu reservieren … Das konnte ich den beiden allerdings nicht versprechen. Deshalb bin ich mir sicher, dass sie heute Abend wiederkommen. Morgen ist die Garnitur also bestimmt weg.“ Nun sind alle Kaufknöpfe gedrückt: ein attraktives und knappes Angebot, ein zeitlich begrenzter Rabatt und – besonders wichtig – die vermeintliche Konkurrenz, die Klaus und Tina die attraktive Beute vor der Nase wegschnappen will. Bei einer solchen Kombination aus unbewussten Druckmitteln fällt es dem Kaufhirn von Tina und Klaus schwer zu widerstehen: Sie unterschreiben. Dass vom gleichen Modell noch fünf weitere im Lager des Möbelhändlers stehen, wissen sie genauso wenig, wie dass sie die ersten seit Wochen waren, die sich für diese Garnitur interessierten. Wichtig Clevere Verkäufer sorgen für erheblichen Kaufdruck, indem sie einen engen zeitlich begrenzten Nachlass geben und vortäuschen, dass andere Kunden ebenfalls großes Interesse am begehrten Objekt hätten.

Was typische Verkaufssituationen bewirken Schauen wir uns nun einige typische Situationen und Ereignisse an, in denen wir zwar auch auf schlaue Verkäufer treffen, in denen aber die Situation selbst einige zusätzliche unbewusste Kauffallen für uns bereithält. Diese Verführer, die unbewusst wirken, gilt es zu erkennen. Beginnen wir mit einer klassischen Verkaufssituation, der sogenannten Kaffeefahrt.

Kaffeefahrt Beispiel Gerlinde ist Rentnerin und lebt seit dem Tod ihres Mannes alleine. Ihre Kinder sind längst aus dem Haus. Eines Tages findet sie in ihrem Briefkasten die Einladung zu einer kostenlosen Kaffeefahrt in ein schönes Ausflugsgebiet. Die Einladung ist als Gewinn getarnt: „Sie haben eine Reise gewonnen!“ Ein Gewinn? Da kann sie nicht Nein sagen und natürlich fährt sie mit. Nach einer kurzen Besichtigung des Ausflugsortes geht es zu kostenlosem Kaffee und Kuchen in ein abgelegenes Lokal. Dort beginnt auch schon die Verkaufspräsentation. Am Ende hat Gerlinde ein teures Küchengerät erstanden und für ihre Tochter ein nicht gerade preiswertes Kaffeeservice. Die ausgegebene Summe frisst einen Teil ihrer mühsam zurückgelegten Ersparnisse auf. Wie konnte das passieren? Hier die wichtigsten unbewussten Fallen, deren Opfer Gerlinde geworden ist: Die Schnäppchen-Falle Durch den vermeintlichen Gewinn der Reise wurde das Schnäppchenhirn aktiviert und der Verstand ausgeschaltet. Die Vertrauens-Falle Auf der längeren Reise hatten die begleitenden Verkäufer genug Zeit, das Vertrauen der meist älteren Teilnehmer zu gewinnen. Mit ein paar Nettigkeiten, Komplimenten, charmanten Witzen und kleine Hilfen beim Einund Aussteigen bauten sie eine hohe Sympathie für sich auf. Die Wiedergutmachungs-Falle Die Fahrt und die Einladung zum Kaffee waren kostenlos und damit ein wertvolles Geschenk. Auf der Verkaufsveranstaltung wurde Gerlinde durch ihr Unbewusstes gedrängt, dieses Geschenk wieder zurückzugeben und zwar in Form eines Kaufes. Die Knappheits-Falle Auf der Veranstaltung wurde immer wieder betont, dass es diese sensationelle

Ware nur jetzt und heute gäbe und die Ware auch nur in begrenzten Stückzahlen vorhanden sei. Die Herdentriebs-Falle Menschen orientieren sich in ihrem Verhalten und ihrem Urteil unbewusst sehr stark an anderen. Wenn im Theater nach einer Aufführung einige zu klatschen beginnen, klatschen wir mit. Dieses Prinzip wird auch auf der Kaffeefahrt angewendet. Unter den Teilnehmern sind nämlich oft einige, die zum Veranstalter gehören. Falls der Verkauf nur schleppend zustande kommt, kaufen sie und lösen so den Herdentrieb aus. Die Emotionalisierungs-Falle Die Produktpräsentation der Verkäufer ist emotional perfekt. Sie versprechen den Himmel auf Erden. Durch kleine Demonstrationen, bei denen die Teilnehmer eingebunden sind, werden zusätzlich alle Sinne aktiviert. Die Kaufstyp-Falle Da an solchen Kaffeefahrten meist ältere Menschen, insbesondere ältere Frauen, teilnehmen, ist alles, vom Programm über die Sprache bis hin zum Angebot, auf ältere Frauen abgestimmt. Alle diese Fallen wirken zusammen und sorgen dafür, dass die Opfer Produkte kaufen, die sie meist nicht wirklich brauchen und deren Preise weit überhöht sind.

Tupperware-Party Monika lädt ihre Freundinnen und Bekannten zur Tupperware-Party ein. Auch eine nette Tupperware-Vertreterin ist da. Monika serviert Kaffee, Wasser und etwas Kuchen. Die Frauen unterhalten sich glänzend. Nun lädt die TupperwareVertreterin zu einem Gewinnspiel ein. Einige Frauen gewinnen attraktive Preise. Trotzdem geht niemand leer aus. Aus einem Sack dürfen sich die zu kurz Gekommenen einen Trostpreis ziehen und die Tupperware-Vertreterin beginnt mit der Präsentation der Produktvorzüge. Immer wieder fragt sie Frauen, die Tupperware besitzen, nach ihren Erfahrungen und die sind in der Regel gut. Jetzt geht es an den Kauf und die Frauen kaufen reichlich. Es ist übrigens kein Geheimnis für die Gäste, dass ihre Gastgeberin für die Organisation dieser Party eine Verkaufsprovision in Form von Waren erhält. Schauen wir uns die Tupperware-Partys und deren unbewusste Wirkung etwas genauer an. Viele Prinzipien haben wir schon bei der Kaffeefahrt kennengelernt. Die Vertrauens-Falle Bei Tupperware-Partys sind die private Umgebung der Freundin und die Freundin selbst die großen Vertrauensspender. Zudem kennen sich die Teilnehmer meist, was für zusätzliches Vertrauen sorgt und die Situation fast familär und damit wenig bedrohlich macht. Die Stimmungs-Falle

Da sich die Freundinnen kennen und Partys immer lustig sind, ist die Stimmung bestens. Wie wir wissen, steigt unsere Kauf- und Ausgabebereitschaft bei guter Stimmung erheblich an. Die Wiedergutmachungs-Falle Die scheinbar wertvollen Geschenke beim Gewinnspiel am Anfang und die netten Trostpreise aktivieren unbewusst das Gefühl, etwas kaufen zu müssen. Die Glaubwürdigkeits-Falle Durch geschickte Einbindung der Teilnehmerinnen in die Produktpräsentation wird die Glaubwürdigkeit der Tupperware-Produktvorteile erheblich verstärkt. Denn: Wenn die eigene Freundin überzeugt und begeistert ist, fällt jedes Misstrauen. Die Knappheits-Falle Da es Tupperware nicht im Handel gibt, sind die Möglichkeiten, an diese attraktive Ware zu kommen, auf die eher seltenen Partys beschränkt. Das „Jetzt-oder-lange-nicht-mehr-Gefühl“ lässt uns den Geldbeutel noch bereitwilliger öffnen. Die Herdentrieb-Falle Auch hier wirkt der Herdentrieb mit voller Kraft. Da alle kaufen, kann es sich niemand leisten, nichts zu kaufen. Die Konkurrenz-Falle Insbesondere bei jüngeren Frauen ist der Konkurrenz-Trieb noch deutlich ausgeprägt. Durch die Einkaufshöhe kann man zeigen, wer man ist und wie viel Geld man hat. Der Wettbewerb unter den Kundinnen wird schon mit dem Gewinnspiel am Anfang angefacht. Das spornt alle an, mehr zu kaufen, um besonders gut dazustehen. Die Kauftyp-Falle Auch Tupperware-Partys haben eine klare Ausrichtung: Frauen von 30 bis 45 Jahren. Diese Gruppe ist nicht nur aktiv – sie ist auch höchst kommunikativ, was zur Verbreitung der Tupperware-Partys erheblich beiträgt. Inzwischen gibt es einige weitere Anbieter, die nach ähnlichen Prinzipien arbeiten, beispielsweise mit Dessous-Partys.

Bankgespräch Beispiel Karl hat vor einigen Jahren von seiner Tante ein kleines Vermögen geerbt und bei seiner Hausbank angelegt. Karl ist städtischer Beamter mit einem mittleren Gehalt. Neben seiner Arbeit pflegt er viele Hobbys und engagiert sich im Musikverein. In Finanzen kennt er sich nicht sonderlich gut aus. Aber dazu hat man ja die Bank. Einmal jährlich besucht er seinen Bankberater, um

mit ihm seine Finanzen zu besprechen. Karl geht nicht gerne auf die Bank und überhaupt ist er froh, wenn sich jemand um sein Geld kümmert. Dieses Mal empfiehlt ihm der Bankberater einige Fonds, die Karl auch kauft – obwohl er ein schlechtes Gefühl dabei hat, weil er die Fonds nicht versteht. Schauen wir uns nun diese Beratungssituation etwas genauer an. Warum kauft Karl Bankprodukte, obwohl er sich nicht wohl dabei fühlt? Die Vertrauens-Falle Insbesondere bei Menschen, die sich nicht sonderlich in Gelddingen auskennen, hat die Bank fast Behördenstatus. Der Bankberater wird als eine Art Beamter gesehen, der nur das Wohl des Kunden im Auge hat. Aus diesem Grund glaubt Karl, dass die Empfehlungen des Bankberaters uneigennützig sind. Was Karl nicht weiß: Sein Bankberater hat klare Verkaufsziele und ist eigentlich schon längst mehr Verkäufer als Berater. Die Autoritäts-Falle Menschen ordnen sich unbewusst Institutionen und anderen Menschen unter, die scheinbar hierarchisch über ihnen stehen. Allein das Bankgebäude, gebaut aus Marmor und anderen edlen Materialen, löst bei Karl Ehrfurcht aus. Der perfekt gekleidete Bankberater und das teuer eingerichtete Besprechungszimmer verstärken Karls unbewusste Unterwürfigkeit. Die Folge: Karl wagt nicht zu widersprechen, auch wenn er ein ungutes Gefühl hat. Die Kauftyp-Falle Der Bankberater ist in Kundenpsychologie geschult und weiß, dass Karl eher ein Harmonie-Typ ist. Da der Harmonie-Typ sehr autoritätshörig ist und sich mit Gelddingen nicht auskennt, ist er der Lieblingskunde des Bankberaters: Bei ihm hat er nämlich leichtes Spiel. Er kann ihm die Produkte verkaufen, die er an misstrauische Kunden nicht so schnell loswird. Dieses Beispiel ist absichtlich etwas negativ gewählt, was die Bank und den Bankberater betrifft. Viele Banken sind seriös und betreiben eine seriöse Beratungspolitik. Trotzdem: Zahlreiche Bankkunden haben viel Geld verloren, weil sie Opfer der oben dargestellten Mechanismen wurden.

Urlaubskauf Beispiel Markus und Jessica machen Urlaub in Marrakesch. Es ist ihre erste größere Reise und sie sind begeistert von der Exotik dieser Stadt. Natürlich machen sie einen Einkaufsbummel und kommen bei einem Teppichhändler vorbei, der seine Ware in höchsten Tönen anpreist. Da Markus und Jessica gerade ihre

frisch bezogene Wohnung einrichten und noch Teppiche fehlen, lassen sie sich dem Händler einladen. Er serviert ihnen Kaffee und erklärt, dass er nur echte Ware hätte, die von Hand geknüpft sei. Im hinteren Bereich des Geschäftes stehen in der Tat auch einige Webstühle, auf denen Teppiche in Arbeit sind. Der Teppichhändler holt einige Stücke heraus und erklärt, diese würden in Deutschland das Zehnfache kosten. Jessica sucht einen Teppich aus, der Händler nennt einen Preis und Jessica, die im Reiseführer gelesen hatte, dass man handeln muss, handelt ihn etwas herunter. Sie bezahlen 200 EUR für ihren handgeknüpften Teppich und freuen sich über den guten Kauf. Zuhause angekommen legen sie den Teppich aus. Farblich passt er nicht so gut zur Einrichtung, wie sie sich das vorgestellt hatten. Sie zeigen ihn ihren Freunden. Jan kennt sich mit Teppichen aus und grinst: „Da seid ihr ganz schön reingefallen. Das ist ein Maschinenteppich aus billigstem Material, solche Teppiche könnt ihr hier im Baumarkt für 50 EUR kaufen.“ Gleich ob Teppiche, Edelsteine, Antiquitäten, Schmuck, Mode oder Handwerkskunst. Im Urlaub fallen wir wie tausende anderer Touristen beim Einkaufen häufig herein. Schauen wir uns deshalb die Wirkmechanismen und Fallen etwas genauer an. Stimmungs-Falle Im Urlaub sind wir entspannt und in bester Laune. Je besser unsere Stimmung ist, desto risikobereiter sind wir und desto leichter geben wir unser Geld aus. Untersuchungen zeigen: Im Urlaub sitzt das Geld um 20 bis 30 % lockerer in der Tasche! Selbstbelohnungs-Falle Im Urlaub haben wir das Gefühl, das wir uns selbst etwas Gutes tun dürfen und müssen. Einkäufe, bei denen wir Zuhause ein schlechtes Gewissen haben, erlauben wir uns im Urlaub. Schließlich haben wir ja das ganze Jahr hart gearbeitet. Realitätsverlust-Falle Im Urlaub sind wir in einer völlig anderen exotischen Welt. Unbewusst werden die Regeln und Normen der Heimat abgelegt. Wir schnallen uns im Auto nicht an. Wir legen unser Misstrauen gegenüber Fremden ab. Wir sind im Gegensatz zum Alltag leichtgläubig. Die Glaubwürdigkeits- und Umfeld-Falle Dadurch, dass wir die Produkte in einem ursprünglichen und archaischen Umfeld erleben, übertragen wir die scheinbare Echtheit des Umfelds unbesehen auf die Produkte. Der exotische Verkaufsraum des Teppichhändlers, die alten Webstühle im Hintergrund signalisieren unserem Gehirn: Hier ist alles echt und handgemacht. Dass der gerissene Teppichhändler diese Inszenierung ausnutzt und billige Produkte verkauft, die er aus Fernost importiert hat, merken wir nicht.

Die Knappheits-Falle Da es sich beim Urlaub um ein einmaliges Ereignis handelt und wir mit großer Wahrscheinlichkeit so schnell nicht mehr an diesen Ort kommen, bedeutet das für unser Gehirn bei einem vermeintlich attraktiven Produkt: Jetzt oder nie. Wenn wir nicht sofort kaufen, ist die Chance für lange Zeit vertan. Die Schnäppchen-Falle Da insbesondere in exotischen Ländern der Lebensstandard nicht so hoch ist wie bei uns, sind viele in der heimischen Wirtschaft hergestellten Produkte viel billiger als bei uns. Sehen wir nun ein attraktives Produkt, wie Jessica und Markus den Teppich, dann glauben wir automatisch, dass dieses Produkt hier besonders billig ist, und schlagen zu. Es muss sich übrigens nicht immer um ein exotisches Land handeln, viele der gerade genannten Fallen wirken bereits im Duty-free-Shop auf dem Flughafen, auf der Fähre usw.

Weihnachtskäufe Beispiel Caroline ist verheiratet und Mutter von zwei Jungs im Alter von 7 und 9 Jahren. Es ist Ende November. Draußen fallen die ersten Schneeflocken und, um nicht in den Tagen vor Weihnachten in Stress zu kommen, beschließt Caroline in die Stadt zu fahren, um ihre Weihnachtskäufe jetzt schon zu erledigen. Die Fußgängerzone ist schon weihnachtlich geschmückt, die Weihnachtsmärkte sind geöffnet. Als Caroline am Abend nach Hause kommt, hat sie viel mehr Geld ausgegeben, als sie geplant hatte. Wie kam es dazu? Schauen wir uns die Weihnachtskauf-Fallen etwas genauer an. Die Bindungs- und Fürsorge-Falle Weihnachten, so heißt es, ist das Fest der Liebe. Insbesondere den Menschen, denen wir nahestehen, wollen wir etwas Gutes in Form von schönen Geschenken tun. Der Gedanke an die freudigen Gesichter ihrer Kinder und ihres Mannes öffnet den Geldbeutel von Caroline. Die Wiedergutmachungsfalle Caroline erinnert sich an die Geschenke, die sie von ihren Freunden und Freundinnen letztes Jahr zu Weihnachten bekommen hat. Ihr Unbewusstes gibt ihr nun vor, diese Schuld wiedergutzumachen. Das Problem dieser Falle ist: Wir werden dazu angehalten, mehr gutzumachen, als wir erhalten haben. Die Geruchsfalle Der Geruch von Glühwein und gebrannten Mandeln liegt überall in der Luft. Caroline wird in die Zeit ihrer Kindheit versetzt und denkt nicht mehr über

Geld nach. Die Umfeld-Falle Alles ist weihnachtlich geschmückt, Weihnachtsmusik tönt aus den Lautsprechern. Die künstlich erzeugte Weihnachtsstimmung ruft ebenfalls schöne Erinnerungen wach, verstärkt die gute Stimmung und die Bindungsund Fürsorge-Gefühle. Die Herdentrieb-Falle Caroline kommt in eine volle Stadt, wo schon viele Menschen Weihnachtseinkäufe tätigen. Unbewusst wird sie so bestärkt: Viel Einkaufen ist gut! Die Kreditkarten-/EC-Kartenfalle Durch die Nutzung dieser Zahlungsmittel verliert Caroline im Laufe ihrer Tour den Überblick, was sie schon alles ausgegeben hat. Weil das Zahlen mit Karte im Gehirn einen viel geringeren Trennungsschmerz vom Geld erzeugt als Bargeld, gibt sie zusätzlich mehr aus als geplant.

Wohnungsmakler und Wohnungskauf Beispiel Volker und Anne träumen von einer eigenen Wohnung. Endlich lassen es die Finanzen zu, sich konkret mit Immobilienangeboten zu beschäftigen. Die beiden wissen ungefähr, in welchem Stadtteil die Wohnung liegen soll, die Größe und die Ausstattung ist durch ihre finanzielle Situation ein Stück weit vorgegeben. Im Internet finden sie das Angebot eines Maklers, das in etwa ihren Vorstellungen entspricht. Sie vereinbaren einen Termin. Er führt sie durch die Wohnung. Aus der Einbauküche kommt sanfter Espressoduft. Es klingelt: Der Makler verabschiedet sie, als ein weiteres Paar zur Besichtigung kommt. Sie vereinbaren, sich am nächsten Tag zu melden – nach einer schlaflosen Nacht tun sie das und sagen zu. Natürlich kommen ihnen Zweifel, ob dieser Kauf richtig war. Betrachten wir auch hier einige beliebte Fallen. Die Emotionaliserungs-Falle 1 Schon im Internet oder im Verkaufsprospekt beginnt eine geschickte Emotionalisierung. Es heißt nicht: „4-Zimmer-Wohnung in der Kraller Strasse“, sondern „4-Zimmer-Traumwohnung am Klosterpark“. Dass es diesen Klosterpark gar nicht mehr gibt, ist eine andere Sache. Die Emotionalisierungs-Falle 2 Der Makler ist ein Verkaufsprofi. Der Espressoduft ist kein Zufall, sondern wird geschickt eingesetzt, um die an sich noch karge Wohnung heimelig zu

machen. Die Konkurrenz-Falle Das zweite Paar, das am Ende der Besichtigung von Volker und Anne kam, wurde bewusst so einbestellt, dass sich die Paare trafen. Die Knappheits-Falle Dass sich für diese eine Wohnung mehrere Paare interessieren, macht sie wertvoller. Die Kauftyp-Falle Schnell hat der Makler mitbekommen, dass Anne von Kindern träumt. Ihr hat er erklärt, wie viele junge Familien in der Nähe wohnen und dass der Spielplatz nicht weit wäre. Auch Volker hat er rasch durchschaut: Als Partner in einer Unternehmensberatung ist dieser sehr ehrgeizig und statusbewusst. Der Makler hat Volker ganz nebenbei erzählt, welche „wichtigen“ Menschen in der Wohnanlage und in deren Umgebung wohnen.

Telefonverkauf Beispiel Es ist Donnerstagabend, Hannes sitzt beim Abendessen, als das Telefon klingelt. Hannes geht ran und eine nette, aber bestimmte Frauenstimme verwickelt ihn in ein Gespräch über Wein … Am Ende des Gesprächs stimmt Hannes zu, sich eine Probekiste besten französischen Rotweins liefern zu lassen. Eigentlich ist der Weinkeller ja voll, aber ein gutes Tröpfchen zu einem vermeintlich günstigen Preis kann man ja mal versuchen. Wie ist es dieser Frau gelungen, Hannes in kurzer Zeit 200 EUR für diese erste Weinlieferung aus der Tasche zu ziehen? Die wichtigsten Wirkprinzipien des Telefonverkaufs kennen Sie schon, schauen wir sie in diesem Zusammenhang etwas näher an. Die Ja-Sage-Falle Das zunächst wichtigste Prinzip ist das Ja-Sage-Prinzip. Bei Hannes Maier funktioniert das so. „Guten Abend, lieber Herr Maier, … Sie trinken doch sicher gerne abends einen guten Wein, um sich zu entspannen.“ (Ja) „... und ich nehme an, dass Sie dabei auch auf die Qualität achten.“ (Ja). „Die besten Rotweine kommen ja immer noch aus Frankreich.“ (Ja) „Allerdings haben diese immer einen hohen Preis.“ (Ja). Hannes wird über viele dieser JaFragen zum finalen Ja-Sagen vorprogrammiert. Nun wartet die nächste Falle. Die Schnäppchen-Falle Hannes erfährt, dass es einen ganz besonders tollen französischen Wein, der im Handel 60 EUR kostet, durch den Direktbezug des Telefonhändlers für

20 EUR gäbe. Die Knappheits-Falle Die Verkäuferin erwähnt natürlich, dass nur noch wenige Flaschen vorhanden seien und der Wein morgen mit Sicherheit schon ausverkauft wäre. Hannes müsste sich also schnell entscheiden. Die Fehlende-Alternativen-Falle Natürlich fragt die Telefonverkäuferin zum Schluss nicht: „Wollen Sie bestellen?“ Da würde sie sich ja möglicherweise ein Nein einhandeln. Sie fragt: „Lieber Herr Maier, darf ich Ihnen 12 oder 24 Flaschen aufschreiben? Ich würde Ihnen 24 empfehlen, da bekommen Sie nämlich noch einen wertvollen Korkenzieher gratis dazu.“ So oder so ähnlich laufen die meisten Telefonverkäufe ab. Die Telefonverkäufer sind geschult, in kürzester Zeit zum Abschluss zu kommen. Und wenn sie trotzdem eine Absage erhalten – kein Problem, das nächste Opfer wartet schon. Nach diesem Prinzip funktioniert übrigens auch der Haustürverkauf des „Staubsaugervertreters“. Er nutzt aber zusätzlich noch eine Reihe von Mechanismen zur Vertrauensbildung aus, wie etwa Komplimente oder leichte Berührungen, zudem kann er eine hoch-emotionalisierte Produktpräsentation durchführen.

So schützen Sie sich Schalten Sie vor jedem Verkaufsgespräch Ihren Misstrauensgenerator an und denken Sie daran, dass der Verkäufer nur Ihr Bestes will: Ihr Geld. Vermeiden Sie „gemütliche“ Verkaufssituationen, weil Ihr natürlicher Widerstand dabei abgeschwächt wird. Nehmen Sie keine Geschenke an, denken Sie daran: Sie müssen sie wieder zurückzahlen. Sagen Sie im Verkaufsgespräch öfter mal bewusst Nein. Lassen Sie sich von teuren Büros und geschniegelten Anzügen nicht einschüchtern. Lassen Sie sich bei einem Kauf nie zeitlich unter Druck setzen. Prinzipiell gilt: Immer eine Nacht darüber schlafen. Lassen Sie sich bei einem Kauf nie durch vermeintliche Konkurrenz unter Druck setzen. Achten Sie darauf, was der Verkäufer alles getan hat, um das Produkt oder seine Leistung zu emotionalisieren. Auf einen Blick: Fallen im Verkaufsgespräch

Wir kaufen nur von Menschen, denen wir vertrauen. Deshalb wenden geschickte Verkäufer zahlreiche Tricks an, unser Vertrauen zu erringen. Das Repertoire reicht vom seriösen Aussehen, über kleine Berührungen, das Betonen von Parallelen, netten Komplimenten bis hin zu kleinen Geschenken.

Wer einige Male in Folge bestätigende Antworten gegeben hat, gerät in eine Ja-Falle. Diese Tatsache wird von Verkäufern gezielt genutzt.

Preise werden immer in Relation wahrgenommen. Über sehr teure Alternativangebote werden wir für preislich höher liegende Produkte anfällig.

Gute Verkäufer passen ihre Argumente dem jeweiligen Kauftyp an.

Durch (künstliche) Verknappung eines Produkts und Konkurrenz wird Kaufdruck erzeugt. Statt den Kauf gründlich abzuwägen, schlagen wir zu, damit uns das Produkt niemand wegschnappt.

Bestimmte Verkaufssituationen – von der Tupperware-Party über den Urlaubskauf bis zum Bankgespräch – halten typische Kauffallen für uns bereit.

Welcher Kauftyp sind Sie? Menschen sind unterschiedlich. Sie haben verschiedene Interessen und Bedürfnisse und bevorzugen gänzlich andere Produkte. Jeder Mensch befindet sich in einer anderen Lebensphasen und verhält sich allein deshalb beim Einkauf völlig anders. In diesem Kapitel erfahren Sie, zu welchem Kauftyp Sie selbst gehören, wie sich die Kauftypen in Interessen, Produktvorlieben und Einkaufsverhalten unterscheiden, warum Männer anders einkaufen als Frauen und welche Auswirkungen das Alter auf unsere Wünsche hat.

Die vier Kauftypen Wundern Sie sich, liebe Leserin und lieber Leser, auch manchmal über Ihre Mitmenschen und deren Einkaufsverhalten? Die kaufen Dinge, die wir uns selbst nie im Leben angeschafft hätten. Zum Beispiel die 18-jährige Tochter Ihres Nachbars, die für 15 EUR ein billiges T-Shirt mit dem Aufdruck „Fuck you“ in schreienden Farben stolz mit nach Hause bringt. Dann der Nachbar selbst, dessen Garten wie geschleckt aussieht und der mindestens einmal im Monat im Bau- und Gartenmarkt anzutreffen ist. Auf der Straße überholt uns ein Porsche Cabrio mit seinem stolzen Besitzer. Dass man für ein Auto 150.000 EUR ausgibt, obwohl man mit einem VW Golf genauso weit kommt, ist doch völlig unvernünftig – oder? Dann wäre da noch die nette Frau von gegenüber, die die Blumen auf ihrem Balkon mit Leidenschaft pflegt und zwischen ihre Pflanzen nostalgische Kerzenleuchter und Windspiele drapiert.

Testen Sie sich selbst Bevor wir die Hintergründe für diese Unterschiede in den Produktvorlieben und im Kaufverhalten erhellen, möchte ich mit Ihnen einen kurzen und einfachen Selbsttest machen. Natürlich ist das nur ein Spiel, aber es gibt doch einige Hinweise auf Ihre Käuferpersönlichkeit. Der Test ist ganz einfach: Sie müssen lediglich die vier folgenden Wortgruppen kurz durchlesen und sich dann eine aussuchen, die Ihnen spontan am sympathischsten ist und am meisten zusagt. Wichtig: Sie müssen sich für eine Wortgruppe entscheiden!

A: Leistung, Erfolg, Zielstrebigkeit, Effizienz B: Familie, Herzenswärme, Geborgenheit, Fantasie C: Spaß, Abenteuer, Neugier, Kreativität D: Vernunft, Verlässlichkeit, Fleiß, Heimat Das war‘s auch schon. Nun merken Sie sich den Buchstaben Ihres Favoriten. Auf den nächsten Seiten werden Sie mehr über die Kauftypen erfahren, die dahinterstecken.

Was Stimmung und Persönlichkeit bewirken Unsere Emotionssysteme im Gehirn – Balance, Dominanz, Stimulanz und Bindung/Fürsorge – bestimmen unsere Kaufwünsche. Die Frage, die uns jetzt interessiert, lautet: Warum gibt es so große Unterschiede in den Produktvorlieben und Kaufwünschen von Konsumenten? Ja, warum unterscheiden wir uns überhaupt und wie? Dahinter verbirgt sich eine weitere Frage: Gibt es so etwas wie stabile Persönlichkeitseigenschaften? Oder hängt das, was wir uns wünschen und kaufen, letztlich nur von unserer momentanen Stimmung oder Situation ab? In diesem Fall gäbe es also keinen Unterschied zwischen Klosterfrau-Melissengeist-Käufern und Red-Bull-Konsumenten. Tatsache aber ist: Man trifft relativ viele ältere Frauen, die Klosterfrau Melissengeist trinken oder auf ein Stück Zucker träufeln, aber relativ wenig junge Männer mit dieser Vorliebe. Gleichzeitig gibt es viele junge Männer, deren Lieblingsgetränk Red Bull ist, aber nur wenige alte Frauen, die sich mit Red Bull einen Koffein-Kick geben. Offensichtlich gibt es also stabile Präferenzen. Nun zur Stimmung – auch sie hat selbstverständlich einen starken Einfluss auf unser Kaufverhalten. Besucht uns zum Beispiel unsere Angebetete oder unser Angebeteter abends zum Essen, kaufen wir für dieses Treffen Dinge, die eine romantische Stimmung erzeugen. Was uns als Menschen und Käufer unterscheidet Wir alle wissen, dass es sehr unterschiedliche Typen von Menschen sowie Temperamente gibt. Vielleicht haben Sie einen Kollegen, der sehr ehrgeizig und manchmal sogar egoistisch ist. Ein anderer mag ein eher lockerer Typ sein, der vor allem an einer guten Beziehung zu seinen Kollegen interessiert ist. Bei beiden gibt es gelegentliche Stimmungsschwankungen, aber der Grundtyp der Persönlichkeit ist doch relativ stabil. Genau das interessiert uns: Persönlichkeitseigenschaften, die augenscheinlich über die Zeit relativ konstant sind. Halten wir uns dazu die Grundsäulen der Persönlichkeit des Menschen vor Augen. Diese Grundsäulen sind die Emotionssysteme, die wir bereits kennengelernt

haben, also Dominanz, Stimulanz, Balance und Bindung/Fürsorge. Wichtig Die Grundsäulen der menschlichen Persönlichkeit sind unsere Emotionssysteme im Gehirn. Menschen verfügen immer über alle Systeme, aber in unterschiedlicher Stärke und Ausprägung. Unser individueller Emotionsmix gibt uns vor, was wir kaufen und wie wir kaufen. Wichtig dabei ist: Bei jedem Menschen sind alle diese Emotionssysteme vorhanden. Aber sie sind individuell unterschiedlich stark ausgeprägt. Bei dem einen ist das Dominanz-System stärker, bei der anderen vielleicht das Bindungsund Fürsorge-System. In der Psychologie geht man heute davon aus, dass zwischen 40 bis 50 % der Ausprägung angeboren ist – die andere Hälfte ist variabel und lässt sich durch Erziehung, Ausbildung, Kultur und Umfeld beeinflussen. Besonders flexibel und formbar ist unsere Persönlichkeit im frühen Kindesalter. Wenn wir aber in das Erwachsenalter kommen, hat sich unsere Persönlichkeit weitgehend stabilisiert. Zwar sind auch dann noch Persönlichkeitsveränderungen möglich, aber diese sind nur mit größerem Aufwand zu erreichen. Die möglichen Veränderungen durch Erziehung, Lebenserfahrungen und Kultur vollziehen sich innerhalb unseres Emotionsprogramms. Das eine Emotionssystem wird verstärkt, das andere abgeschwächt. Etwas Neues oder Anderes entsteht nicht. Wenn nun unsere Persönlichkeit aus einem Mix unterschiedlich stark ausgeprägter Emotionssysteme besteht, kann man die Persönlichkeitsstruktur eines Menschen und Konsumenten darstellen wie in der folgenden Abbildung. Wir sehen, dass bei diesem Konsumenten das Bindungs- und Fürsorge-System sehr stark, die Dominanz- und Stimulanz-Kräfte eher schwach ausgeprägt sind. Es handelt sich also um eine Käuferin oder einen Käufer, die im Leben und natürlich auch in dem, was sie bzw. er kauft, Geborgenheit und Harmonie sucht.

Die Persönlichkeitsstruktur eines Konsumenten (Beispiel)

Wie der Konsument in unserem Beispiel haben die meisten Menschen in ihrem individuellen Emotionsmix einen Schwerpunkt. Auf diese Weise lassen sie sich relativ einfach als Kauftypen beschreiben. Wenn das Dominanz-System überdurchschnittlich stark ausgeprägt ist, haben wir es mit dem Dominanz-Typ zu tun, beim Balance-System mit dem Balance-Typ, bei Bindung/Fürsorge mit dem Harmonie-Typ und beim Stimulanz-System schließlich mit dem Stimulanz-Typ. Wichtig Eines ist klar und darf nicht vergessen werden: Jede Art der Typisierung bedeutet eine starke Vereinfachung, weil ein Teil der Persönlichkeit ausgeblendet und nicht beachtet wird. Auch der Dominanz-Typ kann durchaus manchmal nach Harmonie streben und der neugierige und abenteuerlustige Stimulanz-Typ sucht mitunter Sicherheit und Geborgenheit. Unsere Persönlichkeit bestimmt, was uns wichtig ist Es ist eine wichtige Erkenntnis in der Philosophie, dass unsere Wahrnehmung und unsere Weltsicht nicht objektiv sind. Wir betrachten und bewerten die Welt immer durch die Brille eigener Erfahrungen sowie kultureller und geschichtlicher Muster. Diese Brille und ihr Einfluss auf unsere Wahrnehmung sind uns nicht bewusst. Ein

alter Römer beispielsweise, der im Kolosseum vergnügt dem tödlichen Kampf von Gladiatoren zugesehen hat, hätte die Frage nach den Menschenrechten völlig anders beantwortet als ein Westeuropäer, der mit den Werten „Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit“ aufgewachsen ist. Beide wären aber vermutlich der Überzeugung, dass ihre Meinung objektiv richtig ist. Doch diese geschichtlichkulturelle Brille ist nicht das einzige, was unsere Wahrnehmung der Welt beeinflusst. Wesentlich stärker und genauso unbewusst wird unsere Weltwahrnehmung und damit auch unser Kaufverhalten von unseren Emotionen bestimmt. Wir haben das am Beispiel des Autokaufs gesehen: Für den Balance-Typ sind Sicherheitsaspekte besonders wichtig, während der Dominanz-Typ viel mehr Wert auf Leistung und Status legt. Nun aber zu den einzelnen Kauftypen und ihrem Einkaufs- und Konsumverhalten. Damit lösen wir auch gleich den Test auf: Denn durch die Wahl Ihrer bevorzugten Emotionswelt können Sie auf Ihren emotionalen Kauftyp schließen.

Die Testauswertung Wenn Sie A (Leistung, Erfolg, Zielstrebigkeit, Effizienz) gewählt haben, sind Sie mit größerer Wahrscheinlichkeit ein Dominanz-Typ. Haben Sie B (Familie, Herzenswärme, Geborgenheit, Fantasie) gewählt, sind Sie am ehesten ein Harmonie-Typ. Hat Sie C (Spaß, Abenteuer, Neugier, Kreativität) am meisten angesprochen, sind Sie vermutlich ein Stimulanz-Typ. Und falls Sie sich für D (Vernunft, Verlässlichkeit, Fleiß, Heimat) entschieden haben, sind Sie wohl ein Balance-Typ.

Was die vier Kauftypen auszeichnet Welche Auswirkungen der Kauftyp auf das Kaufverhalten, die Produktvorlieben und die Wahl des Einkaufsortes haben, wollen wir im Folgenden etwas näher beleuchten. Der Balance-Typ Den Balance-Typ haben wir ja schon in Ansätzen kennengelernt. Aufgrund der Vormacht des Balance-Systems ist er eher etwas ängstlich, vorsichtig und Neuem gegenüber nicht sehr aufgeschlossen. Wie wir bereits gesehen haben, sind für ihn bei seinen Kaufentscheidungen Aspekte, die Sicherheit, Vertrauen und Qualität vermitteln, von sehr großer Bedeutung. Auch seine Konsum- und Einkaufsgewohnheiten sind vergleichsweise starr. Er ist der prototypische Stammkunde, der einem Geschäft oder einem Unternehmen lange treu bleibt. Er richtet sich sehr stark nach dem Massengeschmack und dem breiten Common

Sense. Nicht auffallen ist seine Devise. Auf neueste Mode legt er keinen Wert. Marken haben für ihn in erster Linie eine Sicherheits- und Vertrauensfunktion. Sein Preisverhalten ist durch eine Grundsparsamkeit geprägt, weil jede größere Ausgabe ein potenzielles Risiko darstellt. Der Balance-Typ kauft nur das, was er wirklich braucht. Er kauft keinen Schnickschnack. Da er oft unsicher ist, braucht er Beratung. Regionale Produkte aus der Heimat finden sich in seinem Warenkorb verstärkt. Häufigere Arztbesuche und höheres Interesse an Gesundheitsfragen gehören dazu. Der Balance-Typ ist ein Rechner: Er vergleicht Preise und braucht sehr lange, bis er eine Kaufentscheidung fällt. Der Balance-Typ: Geld- und Kaufverhalten Verhalten

Ausprägung

Einkommen

mittel bis niedrig

Geldverhalten

sparsam

Statusorientierung

niedrig

Individualitätsorientierung

niedrig

Interesse an Unterhaltungselektronik

niedrig

Interesse an Mode

niedrig

Interesse an Autos

niedrig

Interesse an Gesundheitsprodukten

hoch

Interesse an Sportartikeln

niedrig

Interesse an Haus- und Gartenprodukten

hoch

Der Harmonie-Typ Ähnlich wie der Balance-Typ ist der Harmonie-Typ eher zurückhaltend und nicht besonders risikobereit. Manche Merkmale des Balance-Typs finden sich deshalb auch beim Harmonie-Typ. Was unterscheidet die beiden Typen? Das Sozial-und Kuschel-Hormon Oxytocin ist im Gehirn des Harmonie-Typs besonders stark vorhanden. Er ist viel offener und lange nicht so rigide wie der Balance-Typ. Besonders wichtig sind ihm Geborgenheit und Harmonie in der Familie. Insbesondere Produkte, die mit Garten, Heim, Herd und Haustieren zu tun haben, stoßen bei ihm auf besonderes Interesse. Für technische Produkte, wie beispielsweise Computer, interessiert er sich weniger. Produkte mit einem Statusoder Individualitätsversprechen kauft er weit unterdurchschnittlich. Sein Modestil ist nicht auffallend, er liebt bequeme und unspektakuläre Kleidung. Besonders interessiert er sich für Gesundheits- und Wellness-Produkte. Verwöhnen und verwöhnen lassen ist sein Motto. Da er nicht sonderlich ehrgeizig ist, ist sein Einkommen eher niedriger. Auch im Geldverhalten ist er eher sorglos – er interessiert sich wenig für Finanzprodukte. Der Harmonie-Typ: Geld- und Kaufverhalten Verhalten

Ausprägung

Einkommen

niedrig

Geldverhalten

sorglos

Statusorientierung

niedrig

Individualitätsorientierung

niedrig

Interesse an Unterhaltungselektronik

niedrig

Interesse an Mode

mittel

Interesse an Autos

niedrig

Interesse an Gesundheitsprodukten

sehr hoch

Interesse an Sportartikeln

niedrig

Interesse an Haus- und Gartenprodukten

sehr hoch

Der Stimulanz-Typ Man kann den Stimulanz-Typ auch als Hedonisten (griechisch „Hïdonï“ = Freude, Vergnügen, Lust) bezeichnen. In seinem Gehirn regiert das Stimulanz-System und damit das Dopamin. Er ist immer auf der Suche nach Neuem, nach der nächsten Belohnung. Dieser Typ ist übrigens auch weit überproportional auf den Suchtstationen von Krankenhäusern zu finden. Das Laute, das Schrille, das Extravagante und das Individualistische sind für ihn wichtig. Die Qualität und Herkunft eines Produktes spielt eine geringere Rolle, Hauptsache das Ganze ist neu und anders. Insbesondere Marken mit einem hohen Individualitätsversprechen liebt er. Der Stimulanz-Typ ist der typische „Early Adopter“, der sich als erster mit neuen Trends und neuen Produkten beschäftigt. Seine Vorliebe für neue Mode ist deshalb besonders groß. Er ist der klassische Impulskäufer, der viel und gern einkauft, selbst wenn er das Produkt nicht unbedingt braucht. Seine Einkaufsstätten-Treue ist sehr gering, sein Beratungsbedarf ebenso, weil er durch seine extrem optimistische Grundstimmung das Risiko verdrängt. Er ist überall dort zu finden, wo es etwas Neues oder Außergewöhnliches gibt. Gesundheitsfragen spielen eine geringere Rolle, der eigene Körper wird zur Erlebnis- und Gestaltungszone, mit dem man sich darstellen kann. Geld gibt er freizügig und gerne aus. Der Stimulanz-Typ: Geld- und Kaufverhalten Verhalten

Ausprägung

Einkommen

mittel

Geldverhalten

freizügig, impulsiv

Statusorientierung

mittel

Individualitätsorientierung

sehr hoch

Interesse an Unterhaltungselektronik

sehr hoch

Interesse an Mode

sehr hoch

Interesse an Autos

hoch

Interesse an Gesundheitsprodukten

sehr niedrig

Interesse an Sportartikeln

hoch

Interesse an Haus- und Gartenprodukten

sehr niedrig

Der Dominanz-Typ Das Sexual- und Dominanzhormon Testosteron führt hier im Gehirn stärker die Regie. Testosteron hat die Eigenschaft, den Dominanz-Typ nach vorne zu treiben und seinen Ehrgeiz zu aktivieren. Während Dopamin für eine leichte Ablenkbarkeit sorgt, bewirkt Testosteron das Gegenteil: Ein ins Auge gefasstes Ziel wird eisern verfolgt. Für den Dominanz-Typ sind Einkaufsorte und Produkte von großer Relevanz, die für Cleverness stehen oder hohen Status versprechen. Der Performer will zeigen, dass er der beste und der größte ist. Er kauft Produkte, die überlegene Leistung, technische Perfektion und/oder Status versprechen. Er liebt deshalb Luxusmarken, zum Beispiel teure Luxusuhren. Der Modestil ist klassisch und elegant. Um sich gegenüber anderen abzuheben, werden gerne exklusive Restaurants und Geschäfte aufgesucht. Weil er besonders clever sein will, verachtet er Discounter aber nicht. Ein Blick in den Einkaufskorb zeigt allerdings, dass hier bevorzugt solche Artikel eingekauft werden (Salz, Mehl, Milch, Spülmittel, Putzmittel usw.), die unbemerkt verwendet werden können. Artikel dagegen, die andere zu sehen bekommen, wie zum Beispiel Kleidungsstücke, werden dort nicht gekauft. Genauso ist sein Preisverhalten: Er versucht, wo es geht, den Preis zu drücken, um sein Ego durchzusetzen. Allerdings: Wenn der Status und Prestigegewinn eines Produktes groß sind, spielt der Preis eine geringe Rolle. In Gelddingen kennt er sich bestens aus. Der Dominanz-Typ: Geld- und Kaufverhalten Verhalten

Ausprägung

Einkommen

hoch bis sehr hoch

Geldverhalten

gezielt, strategisch

Statusorientierung

sehr hoch

Individualitätsorientierung

mittel

Interesse an Unterhaltungselektronik

hoch

Interesse an Mode

mittel bis hoch

Interesse an Autos

sehr hoch

Interesse an Gesundheitsprodukten

mittel

Interesse an Sportartikeln

hoch

Interesse an Haus- und Gartenprodukten

mittel bis hoch

Die Verteilung der Kauftypen in der Bevölkerung Nun interessiert es Sie vielleicht, wie hoch der jeweilige Anteil der vier verschiedenen Kauftypen ist. Diese Frage lässt sich beantworten. Der BurdaVerlag untersucht im Rahmen seiner Konsumstudie „Typologie der Wünsche“ jedes Jahr repräsentativ 10.000 Konsumenten. Seit vielen Jahren ist unser

Kauftypentest dort integriert, und inzwischen haben wir mehr als 100.000 Konsumenten getestet. Deshalb können wir relativ genau sagen, wie hoch der Anteil der verschiedenen Kauftypen in Deutschland ist. Kleinere Studien haben wir inzwischen auch in der Schweiz und in Österreich durchgeführt – die Ergebnisse sind fast die gleichen wie in Deutschland.

Die Verteilung der Kauftypen in Deutschland

Es fällt auf, dass es in Deutschland sehr viel mehr Balance- und Harmonie-Typen als Stimulanz- und Dominanz-Typen gibt. Das ist einer der Gründe, warum die Deutschen im Ausland als sparsam und ordentlich wahrgenommen werden.

Was Frauen und Männer beim Kaufen unterscheidet Wie wir gesehen haben, basieren unsere Emotionssysteme zum einen auf Gehirnstrukturen und zum anderen auf einem Mix verschiedenster Nervenbotenstoffe bzw. Hormone. In den letzten Jahren hat die Hirnforschung viele Unterschiede in den Gehirnstrukturen zwischen Mann und Frau gefunden. Es sind weit mehr als 300! Bei Männern ist das Dominanz- und Aggressionszentrum fast doppelt so groß wie bei Frauen. Bei Frauen dagegen ist das Empathie- und Fürsorgezentrum fast doppelt so groß wie bei Männern. Aber auch die Zusammenarbeit der Gehirnbereiche erfolgt teilweise unterschiedlich. Bei der Lösung von Denkaufgaben kommen Männer und Frauen zum gleichen Ergebnis, schaut man ihnen aber mit dem Hirntomografen beim Denken zu, sind bei Männern und Frauen unterschiedliche Gehirnbereiche bei der Lösungsfindung aktiv. Doch diese Unterschiede erklären die Geschlechtsunterschiede im Fühlen und Kaufen nur zum Teil. Von weit größerer Bedeutung sind die Nervenbotenstoffe und Hormone, die auf die Gehirnstrukturen einwirken und diese teilweise dauerhaft verändern. Besonders wichtig sind die männlichen Hormone, wie z. B. Testosteron, und die weiblichen Hormone, wie z. B. Östradiol. Auch das Oxytocin ist bei Frauen deutlich stärker ausgeprägt als bei Männern. Wissenschaftlich ist

die Bezeichnung männliches bzw. weibliches Hormon übrigens inkorrekt. Der Grund: Alle diese neurochemischen Substanzen inklusive Östradiol und Testosteron sind sowohl bei Männern als auch bei Frauen vorhanden, allerdings in teilweise extrem unterschiedlichen Konzentrationen. Wichtig Männer und Frauen unterscheiden sich im Durchschnitt in vielerlei Hinsicht in ihrem Gehirn. Das hat auch erhebliche Auswirkungen auf ihr Kaufverhalten.

Was Frauen gerne kaufen Wir haben gesehen, dass im weiblichen Gehirn die Fürsorge- und Bindungshormone stärker am Werk sind. Und auch beim Östrogen, das für Weichheit und Sanftheit sorgt, ist das der Fall. Wie macht sich dies nun im Kaufverhalten bemerkbar? Zunächst einmal dadurch, dass 85 % aller Geschenke von Frauen gekauft werden. Des Weiteren sind es überwiegend Frauen, die Haustiere halten oder Pferdesport treiben. Aufgrund der Bindungs- und Fürsorgemodule sowie der Hormone haben Frauen ein wesentlich stärkeres Interesse am „Nestbau“, also an den Themen Einrichten und Wohnen. 80 % aller Wohnzeitschriften werden von Frauen gekauft und gelesen. Soziale Themen, wie z. B. das Wohlergehen der Familie, haben für Frauen einen weit höheren Stellenwert als für Männer. Die Versorgung der Familie, der Lebensmittelkauf, wird zu 70 % von Frauen getätigt. Nun zum Östrogen: Es ist ja auch ein Sexualhormon und das Grundprinzip des weiblichen Sexualerfolgs heißt Schönheit. Im ersten Teil des Buches hatten wir es schon erwähnt: In den Heiratsanzeigen aller Kulturen dieser Welt beschreiben Frauen immer prominent ihre äußeren Reize (Männer dagegen stellen ihren beruflichen und finanziellen Erfolg in den Vordergrund). Und noch ein weiterer Beweis: 60 % aller jungen Mädchen in Deutschland wollen Model werden. Schönheits- und Attraktivitätsprodukte wie z. B. Mode und Kosmetik werden aus diesem Grund zu 70 % von Frauen gekauft. Natürlich werden diese Produktvorlieben auch durch Erziehung und Kultur etwas verstärkt – die eigentliche Ursache liegt aber in den Hormonen im Gehirn.

Was Männer gerne kaufen Es gibt kein anderes Hormon, das für so viele Kontroversen in der Gesellschaft sorgt, wie Testosteron. Denn wenn ein Hormon hauptsächlich für das Böse im Menschen verantwortlich ist, wird es mit sehr viel Argwohn betrachtet. Das Testosteron verstärkt den Wunsch nach Macht, nach Status, nach Risiko und nach Effizienz. Kein Wunder, dass 90 % der Porsche-Käufer Männer sind. Da fast alle

technischen Produkte etwas mit Macht, Effizienz und mit „Weltbeherrschung“ zu tun haben, überrascht es kaum, dass das Interesse zum Beispiel für Sportgeräte, Computer, Maschinen, Autos bei Männern doppelt bis dreimal so stark ausgeprägt ist wie bei Frauen. Ich habe übrigens einmal eine Auswertung gemacht, ob sich in den letzten 10 Jahren hier etwas verändert hat. Die Antwort: ein klares Nein. Testosteron erhöht auch die Risikobereitschaft. Das macht sich auch im Gesundheitsverhalten bemerkbar: Männer achten zu 50 % weniger auf ihre Gesundheit als Frauen. Der unterschiedliche hormonelle Mix im Gehirn von Mann und Frau hat noch weitere Auswirkungen. Besonders wichtig in unserem Zusammenhang aber ist, dass Östrogen und Testosteron auch das Formempfinden verändern: Während Männer quadratische, geradlinige und praktische Formen mögen, bevorzugen Frauen eher weiche und runde Formen.

Weibliches und männliches Design

Verkaufsargumente nach Geschlecht Auch in der Sprache gibt es große Unterschiede. Frauen sprechen eine andere Sprache als Männer. Sie benutzen wesentlich mehr Wörter, die Sprache ist differenzierter, sie reden mehr über Beziehungen und viele Wörter haben einen weicheren, sanfteren Klang. Clevere Werber und Verkäufer passen deshalb ihre Produktargumentation den unterschiedlichen Emotionsschwerpunkten an, zum Beispiel beim Autokauf. Wenn der Autoverkäufer dem männlichen Kunden mit leuchtenden Augen verkündet: „Durch den 250-PS-Motor beschleunigt der Wagen von 0 auf 100 in 6 Sekunden“, dann dauert es nur wenige Zehntelsekunden bis das Dominanz-System im Gehirn des Kunden vor Freude jubelt. Das weibliche Gehirn dagegen bleibt kalt und gelangweilt. Wenn der Verkäufer das gleiche Argument für seine Kundin aber etwas verändert, nämlich in: „Durch den 250-PS-Motor beschleunigt der Wagen von 0 auf 100 in 6 Sekunden – so können Sie und Ihre Familie sicher bei der Autobahnauffahrt einfädeln“, jubelt auch das weibliche Gehirn. Und während sich beim Mann bei der Vorführung des schweren Geländewagens wieder das Dominanz-System freut – das weibliche Gehirn aber im Energiesparmodus

interesselos vorbeischaut, hat der Verkäufer auch hier die Möglichkeit zu punkten: „Sieht doch toll aus – Ihr 3.000-kg-Schutzengel.“

Warum Männer erfolgloser suchen Aus vielen Untersuchungen in Handelsgeschäften wissen wir, dass Männer weit häufiger als Frauen das Verkaufspersonal fragen: „Wo finde ich …?“ Diese Frage bezieht sich meist auf kleinere Artikel und Zubehör. Warum ist das so? Testosteron verändert sogar die Suchbewegungen der Augen. Aufgrund des Testosterons und der stärkeren inneren Aktivierung haben männliche Augen offensichtlich keine Lust, sich beim Einkaufen mit Details zu beschäftigen. Regale werden nur grob überflogen, was dazu führt, dass die Kleinigkeiten eher übersehen werden. Männer sind sogenannte „Large Scale Navigatoren“, frei übersetzt könnte man das als „visuelle Überflieger“ bezeichnen. Völlig anders der Blick von Frauen: Sie schauen viel genauer hin und sie betrachten das ganze Regal mit weit höherer Aufmerksamkeit und häufigeren Blickstopps als Männer.

Wie Männer und Frauen Sportartikel kaufen Die unterschiedlichen Auswirkungen der Hormone kann man besonders schön in konkreten Einkaufssituationen beobachten. Angenommen, eine Frau und ein Mann entschließen sich, mit dem Joggen zu beginnen. Sie suchen ein Sportgeschäft auf, um sich mit Joggingbekleidung einzudecken. Kaum sind sie dort angekommen, trennen sich ihre Wege aber. Warum? Weil Männer vom Testosteron gesteuert werden, Frauen vom Östrogen. In einem größeren Sportgeschäft haben Mitarbeiter der Gruppe Nymphenburg Männer und Frauen beobachtet. An der Kasse wurden diese Kunden dann befragt, ob es sich um einen Erst- oder Ersatzkauf handelte. Die Ergebnisse: Von zehn Jogginganfängerinnen begannen fünf ihre Jogging-Zukunft in der Abteilung, wo Sport-Tops und Sport-Shirts in allen Farben und Modestilen präsentiert wurden. Der nächste Weg führte dann direkt weiter zu den Jogginghosen, wo sehr viel Zeit damit verbracht wurde, Hosen und Shirts farblich passend abzustimmen. Erst dann ging es in die Schuhabteilung. Auch hier wurde auf die farbliche Harmonie von Schuhen, Hose und Shirt großen Wert gelegt. Die funktionellen Aspekte des Schuhs wie innerer Aufbau, Schockdämmung, Beschaffenheit der Sohle und Leistungscharakteristik interessierten nur am Rande. Nun zu den männlichen Joggern. Hier war der Verlauf des Weges eindeutig: Alle zehn suchten ohne Umwege die Schuhabteilung auf. Zwar spielten Farben und Design der Joggingschuhe ebenfalls eine Rolle, viel wichtiger allerdings waren die Funktionen und das mit den Schuhen verbundene Leistungsversprechen. Sie ahnen, welche Gründe dies hat. Das Östrogen hält Frauen prinzipiell dazu an, immer auch auf das attraktive Aussehen zu achten, während Testosteron vor allem Überlegenheit und Leistung einfordert.

Wie Frauen und Männer Mode kaufen Auf Grund des Sexualhormons Östrogen hat Mode, wie wir gesehen haben, für Frauen eine viel höhere Bedeutung als für Männer. Sie interessieren sich mehr dafür und nehmen sich viel mehr Zeit bei der Auswahl als Männer. Im Jahr 2005 hat stern TV dazu einen interessanten Versuch gemacht. Das Redaktionsteam wählte willkürlich drei Ehepaare im Alter zwischen 30 und 40 Jahren, gab ihnen 100 EUR in die Hand und steckte ihnen ein GPS-System in die Tasche, um die Einkaufsdauer zu messen. Die Aufgabe war einfach: Kaufen Sie sich ein Paar Jeans. Aufgezeichnet wurde natürlich auch, wie viele Geschäfte besucht wurden. Die folgende Tabelle zeigt das Ergebnis. Übersicht: Versuch stern TV 2005 – Männer und Frauen beim Hosenkauf Aufgesuchte Läden

Zurückgelegte Entfernung

Einkaufsdauer

Mann

1

152 m

19 min

Frau

5

577 m

54 min

Mann

2

420 m

27 min

Frau

8

1200 m

117 min

Mann

3

585 m

21 min

Frau

13

3260 m

280 min

1. Paar

2. Paar

3. Paar

Quelle: Joachim Hurth; Angewandte Handelspsychologie 2006

Wie nicht anders zu erwarten, gibt es hier riesige Geschlechtsunterschiede aufgrund der verschiedenen Produktinteressen. Man muss allerdings kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass in der Maschinenabteilung eines Baumarkts die Ergebnisse genau andersherum wären.

Verteilung der Kauftypen bei Frau und Mann Wir wissen jetzt, dass im männlichen Gehirn das Dominanz- und Sexualhormon Testosteron eine große Rolle spielt, während im weiblichen Gehirn das Toleranzund Sexualhormon Östrogen und das Fürsorge- und Bindungshormon Oxytocin stärker den Ton angeben. Nun wollen wir natürlich erfahren, wie sich Geschlechtsunterschiede auf die Verteilung der Kauftypen auswirken.

Die Verteilung der Kauftypen zwischen Frauen und Männern

Durch das Testosteron ist bei Männern das Dominanz-System stärker ausgeprägt. Dementsprechend ist der Anteil an Dominanz-Typen größer als bei Frauen. Umgekehrt wird durch das Oxytocin und Östrogen das Bindungs- und FürsorgeSystem verstärkt. Aus diesem Grund gibt es bei Frauen wesentlich mehr Harmonie-Typen als bei Männern. Allerdings zeigt die Verteilung der Kauftypen auch, dass Männer nicht grundsätzlich dominant und Frauen nicht grundsätzlich harmoniebedürftiger sind. Bei Frauen ist zwar im Durchschnitt das Bindungs- und Fürsorge-System stärker und das Dominanz-System schwächer ausgeprägt als bei Männern. Trotzdem gibt es auch unter Frauen leistungsorientierte DominanzTypen, wie es unter Männern eine stattliche Anzahl an Harmonie-Typen gibt. Diese Vermischungen sind ebenfalls teilweise hormonell zu erklären. Es gibt nämlich auch Frauen, die einen hohen Testosteronspiegel haben. Ebenso wie es Männer gibt, deren Oxytocin-, Prolactin- und Östrogenspiegel höher ist als im Durchschnitt ihrer Geschlechtsgenossen. Hormonelle Unterschiede sind natürlich nur ein Teil der Wahrheit, denn selbstverständlich haben auch die Erziehung und das Umfeld einen großen Einfluss.

Welche Rolle das Alter spielt Wir haben gesehen, wie insbesondere die Sexualhormone für ein unterschiedliches Kaufverhalten von Mann und Frau sorgen. Es gibt noch eine weitere wichtige Veränderung im Kaufhirn – Auslöser ist das Altern. Das Gehirn, die Emotionssysteme, aber auch unsere geistige Leistungsfähigkeit verändern sich nämlich mit dem Alter erheblich – damit aber auch unsere Produktinteressen und unser Einkaufsverhalten. Um das Folgende zu verstehen, werfen wir einmal einen Blick darauf, wie sich die wichtigsten Nervenbotenstoffe, die auf unsere Emotionssysteme den größten Einfluss haben, mit dem Alter verändern. Wir sehen in der folgenden Abbildung beispielsweise, dass das Stimulanz- und Neugierhormon Dopamin schon bei Kindern sehr hoch ist, seinen Höhepunkt mit 20 Jahren erreicht und dann im Alter immer weiter abfällt. Einen ähnlichen Verlauf hat das Dominanzhormon, allerdings ist es im Kindesalter noch sehr schwach. Es erreicht seinen Höhepunkt mit 25 Jahren und geht danach ebenfalls zurück.

Der Verlauf der Konzentration der wichtigsten Nervenbotenstoffe im Gehirn mit dem Alter

Völlig anders ist der Verlauf des Angst- und Stresshormons Cortisol. Es ist im Kindesalter noch relativ hoch, fällt dann bis zum Alter von 25 Jahren stark ab und steigt im Alter wieder an. Wie sich diese Entwicklung im Kaufverhalten bemerkbar macht, schauen wir uns im Folgenden an. Wir beginnen unsere Reise durch das alternde Kaufgehirn bei einem Alter von 8 bis 12 Jahren, weil erst zu diesem Zeitpunkt das eigene Einkaufen richtig beginnt. Vorher entscheiden die Eltern noch zum großen Teil mit.

8 bis 12 Jahre: die Spontankäufer Die Wirtschaft hat schon längst das Milliarden-Kaufkraft-Potenzial dieser

Altersgruppe entdeckt. Taschengeld und Geldgeschenke von Verwandten addieren sich zu enormen Summen. Was geht aber im Kopf eines Kindes dieses Alters, genauer in seinem Kaufhirn vor? Das Gehirn hat in dieser Lebensphase eine primäre Aufgabe und die heißt: lernen. Besonders aktiv sind deshalb das Stimulanz-System und bei Jungen ein kleines Raufmodul. Aus diesem Grund verbraucht das Gehirn eines 8-jährigen Kindes doppelt so viel Energie wie das eines Erwachsenen. Die Anzahl der Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen im Gehirn ist in diesem Alter ca. 20-mal so hoch wie bei Erwachsenen. Die Hirnforschung zeigt zudem, dass der vordere Teil des Großhirns in diesem Alter erst langsam mit seiner Arbeit beginnt oder anders ausgedrückt: Er ist noch längst nicht ausgereift. Dieser Hirnbereich ist mit der Verarbeitung komplexerer Gefühle und Werte, der Zukunftsplanung, aber auch mit logischem Denken beschäftigt. Gleichzeitig sind in ihm negative und positive Konsequenzen von Handlungen gespeichert, die spontanem, impulsivem Verhalten oft einen Riegel vorschieben. Kinder in diesem Alter schlagen deshalb häufiger über die Stränge. Das vordere Großhirn ist aber auch für Planung und Belohnungsaufschub zuständig. Da dieser Teil des Hirns noch nicht funktioniert, sind Kinder sehr spontan und unkritisch in ihrem Einkaufsverhalten. Alles muss sofort und gleich sein. In diesem Alter saugt das Gehirn neue Informationen wie ein Schwamm auf. Deshalb fallen Werbe- und Markenbotschaften auf fruchtbaren Nährboden. Besonders wichtig für das kindliche Lernen in diesem Alter ist die Nachahmung. Während in den ersten Lebensjahren die Eltern die wesentlichen Vorbilder sind, übernehmen ab ca. 6 Jahren die gleichaltrigen Freunde oder ältere Jugendliche diese Funktion. Neue Fantasy-Figuren verbreiten sich aus diesem Grund wie Lauffeuer unter den Kindern. Auch hier sei erwähnt, dass auch schon kleine Jungs völlig andere Interessen entwickeln als kleine Mädchen. Während Jungen Spielzeug und Aktionen mit Technik- und Dominanzcharakter bevorzugen, tauchen Mädchen stärker in die soziale Welt ein: Puppen, Plüschtiere, Rollenspiele und Fantasy-Geschichten prägen vorrangig ihr Kaufverhalten.

14 bis 20 Jahre: die jungen Wilden Das wohl schwierigste Alter für die meisten Menschen ist die Pubertät und die Zeit des Erwachsenwerdens. Dafür gibt es aus Sicht der Hirnforschung zwei Gründe. Den ersten Grund haben wir schon kennengelernt – das ist unser vorderes Großhirn. Es ist erst mit 20 bis 22 Jahren weitgehend ausgereift. Deshalb sind in diesem Altersabschnitt hohe Impulsivität, eingeschränkte Zukunftsplanung und mangelnde Risiko- und Selbstkontrolle häufig anzutreffen. Der zweite Grund liegt in der Veränderung des Hormonmixes im Gehirn. In der Pubertät steigt die Hormonproduktion der Sexualhormone, insbesondere Testosteron und Östrogen, dramatisch an. Das Stimulanz-System, das ja seit der Kindheit auf Hochtouren läuft, erhält jetzt durch ein explodierendes DominanzSystem einen starken, ebenfalls nach vorne drängenden Partner. Insbesondere

bei männlichen Jugendlichen kommt es dadurch zu extremem Risikoverhalten, Alkoholmissbrauch und vielen sozialen Problemen. Die Sexualhormone wie Testosteron und Östrogen motivieren Jugendliche, besser und attraktiver als die Konkurrenz zu sein. Dies führt zu erheblichen inneren Spannungen und einem großen Wettbewerbsdruck. Deshalb sind Jugendliche extrem reizbar und launisch. Gleichzeitig sind sie sehr unsicher, nach dem Motto: „Bin ich attraktiv genug?“ Jungs: Orientierung an der Gruppe Testosteron verstärkt insbesondere bei Jungs den Wunsch nach Autonomie. Sie beginnen, sich vom Elternhaus zu entfernen. Gleichzeitig ist aber das BindungsSystem noch sehr aktiv. Die Folge: Sie schließen sich mit Gleichaltrigen zu Gruppen (Peer-Groups) zusammen. Diese Gruppen vermitteln gleichzeitig Macht, Autonomie und Sicherheit. Sie bauen ihre eigenen Rituale, Symbole und Konsummuster auf und sind der Kern von Jugendszenen und Jugendtrends. Für Jungen sind vor allem Produkte von hohem Interesse, die ihre männliche Rolle unterstreichen: Zigaretten, Alkohol, Autos, aber auch Computer oder Unterhaltungselektronik. Wegen der hohen Stimulanz- und Dominanzkräfte, ausgelöst durch eine starke Testosteron- und Dopaminkonzentration, engagieren sich diese männlichen Jugendlichen in risikoreichem und kämpferischem Verhalten (Abenteuer-Kaufmodul). Marken, die männliche Überlegenheit, Abenteuer und Coolness vermitteln, haben deshalb eine enorme Bedeutung. Mädchen: Hadern mit dem Spiegelbild Die mit der Pubertät einsetzenden körperlichen Veränderungen bringen insbesondere für Mädchen enorme Probleme. Östrogen beispielsweise baut im weiblichen Körper Fettpolster für die von der Natur vorgesehene Mutterrolle auf. Die beim Blick in den Spiegel wahrgenommene rundliche Körperform entspricht aber oft nicht den Mager-Model-Idealen, die von der Mode- und Jugendpresse propagiert werden. Das Ergebnis: Magersucht und Bulimie (selbst herbeigeführtes Erbrechen bereits aufgenommener Nahrungsmittel). Insbesondere durch Östrogen, aber ebenso durch Testosteron, das ja auch bei Frauen vorhanden ist, werden Mädchen von der Natur unerbittlich in den Schönheitswettbewerb getrieben. Der Auftrag: Mach dich attraktiv, um viele Männer anzulocken. Während für Jungen eher die körperliche Stärke und der Rang in der Peer-Group von Bedeutung sind, steht für Mädchen das eigene Aussehen im Mittelpunkt. Mode, Kosmetik und alles, was dazu beiträgt, sich selbst attraktiver und begehrenswerter zu machen, gewinnt an Bedeutung. Exklusive Mode- und Kosmetikmarken sind deshalb besonders anziehend.

20 bis 30 Jahre: Freude am Konsum Die Wünsche sind riesig, der Körper ist in Topform und das Einkommen – zwischen 20 und 25 Jahren oft noch niedrig – wächst von Jahr zu Jahr. Aus Sicht

der Biologie ist dieser Zeitabschnitt die Zeit der Partnersuche, des sexuellen Wettbewerbs und der Fortpflanzung sowie der Rangordnungs- und Territoriumssicherung. Sowohl für Männer als auch für Frauen gilt es, den besten Partner zu bekommen und die Geschlechtskonkurrenz auszutricksen. Welche Fähigkeiten braucht man dafür? Frau muss schöner und Mann stärker und cleverer sein als der Wettbewerb. Gleichzeitig muss man bereit sein, auch gewisse Risiken einzugehen. Junge Männer kaufen Sportgeräte, interessieren sich brennend für Autos und Computer. Wichtig dabei: Marken und zwar in ihrer Funktion als Individualitäts- und Statusverstärker. Bei jungen Frauen liegt der Konsumschwerpunkt auf Mode und Kosmetik.

30 bis 40 Jahre: die Zeit der Familiengründung Doch der leidenschaftliche Konsumdrang wird mitunter von der Biologie auch wieder unterbrochen. In die Altersphase zwischen 30 und 40 Jahren fällt bei vielen jungen Menschen die Entscheidung für die Familiengründung. Schwangerschaft und Geburt gehen sehr stark einher mit Veränderungen des Mixes von Östrogen, Oxytocin und einer Reihe weiterer Hormone. Während der Schwangerschaft beginnen sich Frauen für das Thema „Kind“ zu interessieren, sie fragen Müttern, die bereits Kinder haben, Löcher in den Bauch und beschäftigen sich mit der Einrichtung von Kinderzimmern. Nach der Geburt des Kindes arbeitet das Fürsorgemodul insbesondere der Frau mit voller Kraft. Endorphine – die aus den Illustrierten bekannten Glückshormone – sorgen für das belohnende Glücksgefühl in der Beziehung zum Kind. Durch diese Veränderung im Mix der Nervenbotenstoffe und Hormone verändert sich schließlich sogar die Reihenfolge des Einkaufs im Supermarkt. Zwar bleibt der grundsätzliche Ablauf ähnlich. Das Baby und sein Bedarf rücken aber auf Platz eins vor, während die Besorgungen für den Mann auf hintere Rangplätze absinken. Auch die Einstellung zu Lebensmitteln verändert sich: Der Anteil hochwertigerer Bioprodukte nimmt zu. Manche Frauen, die keine Kinder bekommen (können), suchen Ersatz in Form von Haustieren. Jetzt wird es spannend: Vor, während und nach der Schwangerschaft verändert sich nicht nur der Hormonmix bei der Mutter. Auch bei Vätern kommt es bei der Geburt eines Kindes zu einer Veränderung im Mix der Nervenbotenstoffe und Hormone. Der Testosteronspiegel geht leicht zurück, die Fürsorgehormone nehmen mit jedem körperlichen Kontakt zum Kind zu. Die Auswirkung von Kindern und den entsprechenden Hormonveränderungen auf Konsum- und Kaufverhalten: Bei Frauen und Männern steigt die Bereitschaft zum Kauf von Familienprodukten stark an. Der Sportwagen wird gegen einen Van getauscht, Ausbildungs- und Lebensversicherungen werden abgeschlossen. Der Traum vom eigenen Haus tritt in Konkurrenz mit dem Wunsch nach einem noch stärkeren Auto oder einem Urlaub auf den Malediven.

40 bis 50 Jahre: der überlegte Konsum Die meisten Menschen haben im Alter zwischen 40 und 50 Jahren ihre Stellung und Position im sozialen, aber auch im beruflichen Bereich gefunden. Trotzdem sind die konsumtreibenden Stimulanz- und Dominanz-Kräfte noch relativ stark. Hinzu kommt, dass diese Altersgruppe sowohl beruflich als auch finanziell langsam den Höhepunkt erreicht und deshalb über ein vergleichsweise höheres Einkommen verfügen kann. Während mit 25 bis 35 Jahren noch spontan und oft unüberlegt gekauft und konsumiert wird, verändert sich das mit 40 plus. Wünsche sind zwar noch in großer Zahl vorhanden, das Laute und Schrille, das Protzige und Übertriebene verliert aber seinen Reiz. Man achtet auf Qualität und, wenn man es sich leisten kann, auf Luxus mit Stil. Klasse ersetzt Masse. Man ist wesentlich markentreuer, Experimentierfreude und Wechselbereitschaft lassen nach.

50 bis 60 Jahre: ein bisschen ruhiger Keine Generation und kein Altersabschnitt erfährt derzeit so viel Beachtung wie die 50-plus-Generation – die „Best Ager“. Wie sieht das Einkaufs- und Konsumverhalten dieses Altersabschnitts aus? Dazu zuerst ein kleiner Blick in das Kaufhirn: Die Dominanz- und Stimulanz-Treiber Testosteron und Dopamin sind im Vergleich zu einem 30-Jährigen doch schon erheblich zurückgegangen. Der prozentuale Anteil des besonders konsumfreudigen Stimulanz-Typs hat erheblich abgenommen, der eher sparsame Balance-Typ hat dagegen Zuwachs bekommen. Produkte mit hoher Stimulanz- oder Dominanz-Ausstrahlung, wie die neueste Mode oder das extreme Mountainbike, verlieren an Bedeutung. Frauen ersetzen die dekorative Kosmetik zunehmend durch pflegende Kosmetik. Der nach außen gerichtete demonstrative Statuskonsum geht stark zurück. Wellness, Haus und Garten rücken stärker ins Zentrum des Interesses. Man ist gerne zu Hause, lädt Freunde ein und lässt alles ruhiger angehen. Man achtet beim Essen verstärkt auf Qualität: Premium-Nahrungsmittel und gute Weine werden am häufigsten von dieser Altersgruppe gekauft. Kulturreisen, Theater usw. stehen hoch im Kurs. Größere Kaufentscheidungen werden nur nach längerem Abwägen getroffen. Funktionalität rückt in den Mittelpunkt, Individualität weicht zunehmend der Konformität. Besonders wichtig: Der Konsum besteht überwiegend aus festen Gewohnheiten, die nur schwer aufzubrechen sind.

60 plus: sanfter Genuss und Sicherheit Die über 60-Jährigen bilden nach Aussagen der Bevölkerungsstatistiker die MegaBoomer-Generation überhaupt. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung wird von derzeit 13 % auf über 20 % im Jahre 2040 wachsen. Zunächst die gute Nachricht: Die 60- bis 75-Jährigen haben das größte frei verfügbare Einkommen überhaupt. Nun zur schlechten Nachricht: Sie geben es nur ungern aus. Die

Hoffnung von Industrie und Handel auf die „neuen Alten“, die ihre Füllhörner voller Geld in Einkaufsstraßen und Luxusgeschäften leeren, wird nicht erfüllt. Um diese Generation richtig zu verstehen, lohnt auch hier ein Blick ins Gehirn und auf die Veränderung der Nervenbotenstoffe mit dem Altern. Die Stimulanz- und Dominanztreiber Testosteron und Dopamin sind inzwischen stark zurückgegangen, während das Stress- und Angsthormon Cortisol stark angestiegen ist. Ältere Menschen verlieren das Konsuminteresse Nun zum Konsumverhalten der älteren Generation. Warum gibt sie ihr Geld nur ungern aus? Zunächst einmal ist das Balance-System die Mutter der Sparsamkeit. Ältere Menschen haben die höchste Sparquote überhaupt. Sie sparen selbst von ihren aktuellen Einkünften, obwohl sie schon viel auf die Seite gelegt haben. Größere Anschaffungen werden als Risiko wahrgenommen, sie lösen Angst und Unsicherheit aus und alarmieren damit das Balance-System. Der Einfluss des Dominanz- und Stimulanz-Systems im Gehirn nimmt ab. Stimulanz- und Dominanz-Produkte verlieren im Bewusstsein älterer Kunden deshalb an Attraktivität und Wert. Ein weiterer Aspekt: Das Dominanz- und das Stimulanz-System sind die Kräfte, die uns auch in den Sexualwettbewerb (Status) und Besitzneid treiben. Wenn der Nachbar ein tolles neues Auto hat, dann möchte ich das auch. Wenn beide Kräfte nachlassen, gehen der Neid und damit der Konsumwettbewerb zurück. Das Interesse an Mode nimmt ab: Unauffälligkeit, Zweckmäßigkeit und Funktionalität bestimmen das Einkaufsverhalten. Dieses Konsummuster, bestehend aus dem Wunsch nach mehr Sicherheit gekoppelt mit Sparsamkeit, zieht sich wie ein roter Faden durch alle Bereiche. Das Interesse an Reisen (eher Stimulanz) beispielsweise geht von 40 % bei 20- bis 40-Jährigen auf 20 % bei 60- bis 75Jährigen zurück. Wenn Reisen unternommen werden, meidet man zudem fernere und damit psychologisch unsichere Urlaubsorte und bevorzugt vertraute Länder wie Deutschland oder Österreich. Ein weiteres Beispiel sind Autos. Während ca. 30 % der 20- bis 40-Jährigen großes Interesse an diesem Produkt zeigen, fällt das Interesse bei 65 plus auf 12 % ab. Geldspekulationen werden gegen sichere Anlagen wie Sparbriefe oder Rentenpapiere eingetauscht. Sportliche Aktivitäten begrenzen sich zunehmend aufs Wandern und Spazieren. Auch das Interessenspektrum verengt sich. Während bei den bis 40-Jährigen ca. 40 % angeben, ein breites Interessenspektrum (eher Stimulanz) zu haben, sind es knapp über 20 % bei den 60- bis 75-Jährigen. Allerdings gibt es auch Produktbereiche, die vom Alter profitieren. Ältere Menschen sind ängstlicher. Nun wissen wir aber auch, dass Gesundheit ein absolutes Balancethema ist. Während nur 24 % der bis 40-Jährigen ein Interesse an Gesundheitsfragen haben, wächst dieser Anteil auf über 50 % bei der 60-plusGeneration. Gesundheit und Sicherheit sind die wichtigsten Themen in dieser Generation.

Verteilung der Kauftypen in den Altersgruppen Die oben geschilderten Altersentwicklungen beziehen sich auf den Durchschnitt. Und diese Veränderungen im Laufe der Lebenszeit schauen wir uns in der folgenden Abbildung einmal an. Wir sehen sehr deutlich, wie sich die Emotionsschwerpunkte und damit die Typenverteilung mit dem Alter verändern. Während in der Jugend die weitaus größte Gruppe, der Stimulanz-Typ, bei 50 % liegt, schrumpft dieser Typ im Alter auf magere 7 % zusammen. Völlig entgegengesetzt der Balance-Typ. Er macht bei den Jugendlichen nur 11 % aus, bei den Senioren aber 46 %.

Verteilung der Kauftypen alt/jung

Die „neuen Alten“ Es gibt jetzt sicher Leser, die sagen: „Das stimmt nicht. Mein Nachbar zum Beispiel ist 70 und hat sich ein Top-Mountainbike gekauft und seine Frau mit 60 kommt immer mit der neuesten Mode daher.“ Auch in den Medien wird immer wieder das Bild dieser neuen Alten propagiert. Was ist da dran? Zunächst einmal

sind die Alten von heute sehr viel modischer und offener als die Alten von gestern. Aber: Die Jugendlichen auch! Moderne Jugendliche sind viel freier und risikobereiter als die Jugendlichen früherer Zeiten. Die gesamte Gesellschaft ist also ein wenig in Richtung Stimulanz gewandert! Nun zu den neuen Alten: Die gibt es tatsächlich, sie sind aber in der Minderzahl und keinesfalls repräsentativ für ihre Altersgruppe. Mit Sicherheit gehören in unserer Verteilung der Dominanz-Typ und der Stimulanz-Typ dazu – es sind also sicher 11 %. Von den eher konservativen Typen können wir noch ein paar hinzuzählen, vielleicht 10 % – dann kommen wir auf einen Anteil von ca. 20 %. Warum prägt diese Minderheit unser öffentliches Bild? Dafür gibt es zwei Gründe: erstens das Prinzip Hoffnung. Es ist einfach schön, den neuen Alten als Leitbild zu haben, auch wenn die Realität etwas anders ist. Der zweite Grund: Diese aktiven älteren Menschen sind viel mehr in der Öffentlichkeit unterwegs, melden sich stärker zu Wort und erscheinen deswegen auch häufiger in den Medien. Nun zur anderen Seite der Verteilung: Zu den Jugendlichen. Auch hier könnte ein Leser einwenden: „Ich kenne Jugendliche, die haben ein 10 Jahre altes Handy und ziehen sich altmodischer an als meine Großeltern.“ Genauso ist es, wenn wir auf die Verteilung schauen. Hier haben wir 11 % Balance-Typen und ca. 20 % Harmonie-Typen, beide Typen sind eher konservativ. Dieser kleine Ausflug zeigt, dass es sich manchmal lohnt, genauer hinzuschauen.

So schützen Sie sich Die einzige Möglichkeit, sich zu schützen, wäre eine Veränderung der Persönlichkeit. Das ist erstens sehr schwer, außerdem gibt es dafür in der Regel auch gar keinen Grund. Denn welcher Kauftyp ist ideal? Keiner! Jeder hat Vorund Nachteile, Stärken und Schwächen. Der Dominanz-Typ verdient mehr Geld, dafür hat er in der Regel weniger Freizeit. Das Gegenteil finden wir beim Harmonie-Typ. Er macht es sich gern gemütlich, dafür ist aber sein Geldbeutel nicht so voll. Akzeptieren Sie sich also so, wie Sie sind. Es gibt allerdings eine Ausnahme: Wenn das Stimulanz-System oder das Balance-System extrem stark, also krankhaft ausgeprägt ist. Im Falle des Stimulanz-Systems führt das zur Manie und einer pathologischen Kaufsucht, im Falle des Balance-Systems zu einer Zwangsneurose und krankhaftem Geiz. In diesem Falle hilft kein Rat, sondern nur ein Psychotherapeut oder ein Psychiater. Auf einen Blick: Welcher Kauftyp sind Sie? Unsere Emotionssysteme bestimmen unsere Kaufwünsche, sodass sich vier Kauftypen unterscheiden lassen: der Dominanz-, der Harmonie-, der Stimulanz- und der Balance-Typ.

Je nach Kauftyp haben wir nicht nur verschiedene Interessen, sondern wir hegen auch unterschiedliche Produktvorlieben und bevorzugen andere Einkaufsorte.

Frauen und Männer unterscheiden sich deutlich in ihrem Kaufverhalten.

Die Konzentration der wichtigsten Nervenbotenstoffe im Gehirn ändert sich im Lauf des Lebens – entsprechend wandeln sich auch die Konsuminteressen.

Der Autor Dr. Hans-Georg Häusel Diplom-Psychologe, zählt international zu den führenden Experten in der Marketing-, Verkaufs- und Werbe-Hirnforschung. Er ist Autor vieler Wirtschaftsbestseller. Sein Buch „Brain View – Warum Kunden kaufen“ wurde von einer internationalen Jury zu einem der 100 besten Wirtschaftsbücher aller Zeiten gewählt. Er ist Mitglied im Vorstand der Gruppe Nymphenburg Consult AG, Dozent an der Hochschule für Wirtschaft in Zürich und hat einen Sitz im wissenschaftlichen Herausgeberbeirat der Zeitschrift „NeuroPsychoEconomics“. Sein faszinierender Ansatz und sein unterhaltsamer Vortragsstil machten Dr. Häusel zu einem gefragten Keynote-Speaker bei nationalen wie internationalen Veranstaltungen. Vom Unternehmen Erfolg® wurde er mit dem Excellence Award als einer der besten Redner im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Mehr über Dr. Häusel erfahren Sie unter www.haeusel.com.

Buchempfehlungen Jedes Buch basiert auf Wissen. Wissen ist aber nicht das Werk eines Einzelnen, sondern wird von vielen zusammengetragen, neu gedacht und dann veröffentlicht. Manches, was Sie in diesem Buch gelesen haben, basiert auf meiner eigenen Forschung, aber auch diese hat immer Vorläufer. Vieles haben andere erforscht und veröffentlicht – ich konnte es nutzen. Für Leserinnen und Leser, die sich etwas näher mit dem Thema beschäftigen wollen, hier noch ein paar Buchtipps. Ullrich, Wolfgang: Habenwollen. Wie funktioniert die Konsumkultur?, Frankfurt 2006 . Wolfgang Ullrich ist ein begnadeter Philosoph und untersucht Konsum aus der Sicht der Philosophie. Leicht lesbar und erhellend. Schneider, Willy; Alexander Henning: Zur Kasse, Schnäppchen, München 2010. Die beiden Professoren haben mir manche Anregungen gegeben – dafür vielen Dank. Hurth, Joachim: Angewandte Handelspsychologie, Stuttgart 2006. Wer die Psychologie des Einkaufens etwas mehr von der wissenschaftlichen Seite kennenlernen will, findet in diesem Buch viel Futter. Cialdini, Robert B.: Die Kunst des Überzeugens. Ein Lehrbuch für alle, die ihren Mitmenschen und sich selbst auf die Schliche kommen wollen, Bern 2009. Cialdini ist ein Pionier der unbewussten Mechanismen. Viele Erkenntnisse und Anregungen habe ich von ihm. Dijksterhuis, Ap: Das kluge Unbewusste: Denken mit Gefühl und Intuition, Stuttgart 2010. Wer wissen will, wie heute über das Unbewusste geforscht und gedacht wird, findet hier eine leicht lesbare, aber trotzdem profunde Lektüre. Häusel, Hans-Georg: Brain View. Warum Kunden kaufen. Freiburg, München 2012. Natürlich habe ich viele meiner über die Jahre erworbenen Erkenntnisse in diesem TaschenGuide dargestellt. Wer sich jedoch für die wissenschaftlichen Erkenntnisse etwas genauer interessiert, kann sich hier weiter informieren. Das Buch wurde von einer Jury internationaler Wirtschaftsjournalisten zum einem der besten 100 Wirtschaftsbücher aller Zeiten gewählt!

Stichwortverzeichnis Alter 228 Altersgruppe 240 Aufmerksamkeitsmechanismus 46 Auge 27 Automatikmechanismus 49 Autoritäten 60 Balance 12, 14 Balancesystem 15 Balance-Typ 211 Bankgespräch 193 Belohnung 11 Belohnungssystem 148 Berührung 167 Bestrafung 11 Bindung 13 Bindungs-System 19 Bündelpreise 156 Care-Shoppingwelt 121 Daumenregeln 40 Dominanz 12 Dominanzsystem 18 Dominanz-Typ 215 EC-Karte 146 einfacher Lernmechanismus 51 Einkaufswagen 128 Einkaufszettel 126 Emotion 10 Emotionalisierung von Werbung 52 Energie 6 Entdeckungs-Shoppingwelt 123

Erlebnis-Shoppingwelt 122 erster Eindruck 84, 166 Evolution 6 Facebook 67 Farbe 106 Fehlende-Alternativen-Falle 176 Frauen und Männer 218 Fühlen 109 Fürsorge 13 Fürsorge-System 19 Geld 23 Gemüse 129 Geräusch 97 Geruch 107, 140 Geruchssinn 30 Geschenk 172 Geschmack 108 Geschmackssinn 31 Gesichtssinn 27 Gewicht 94 Gewohnheiten 35 Gewohnheitsfalle 36 Großhirn 8 Gruppennormen 38 Gute Mutter-Versprechen 56 Harmonie-Typ 213 Haustier 169 Hören 110 Hörsinn 28 Hunger 127 Illusionen kaufen 98 Individualität 21 innere Landkarte 131 Internet 67

Ja-Falle 174 Kaffeefahrt 188 Kampfpreise 153 Kassenzone 145 Kaufemotionen 181 Kaufentscheider 5 Kaufgier 149 Kauftyp 1 Kind 169 Klima 143 Kompliment 168 Kreditkarte 146 Kundendaten 65 Kundenkarte 66 Licht 139 Limbic® 12 Marke 75 Massenpräsentation 156 Massenprodukte 21 Milieu 38 Mode 225 Mogelpackungen 93 Musik 141 Obst 129 Persönlichkeit 206 Placebowirkung von Marken 80 Power-Shoppingwelt 125 Preisschild 149 Preistreiber-Falle 177 Product Placement 59 Produktnamen 105 Produkt-Tuning 106 Produktvorteile 53 Prominente 59

Quengelware 145 Rabatt 147 Regal 143 Schlüsselbilder 62 Schlussverkäufe 158 Schnäppchen 138, 147 Sexualität 13 Sexualitäts-System 20 Sicherheit 36 Sinn 27 Slogans 64 Social Networks 68 Sonderangebot 147 Sonderposten 152 Spar-Shoppingwelt 119 Sportartikel 224 Status 111 Status-Shoppingwelt 124 Statusversprechen 21 Steinzeitprogramme 24 Stimmungen 22 Stimulanz 12 Stimulanzsystem 17 Stimulanz-Typ 214 subliminale Werbung 57 Suchmaschine 67 Supermarkt 126 Tastsinn 32 Telefonverkauf 200 Temperatur 143 Tricks der Werber 52 Tupperware-Party 190 Überlebensprogramme 8 Unbewusste, das 5

Urlaubskauf 194 Verkaufsgespräch 1 Verpackungen 83 Warenpräsentation 117, 139 Wegeführung 133 Weihnachtskäufe 197 Werbung 45 Wohnungskauf 199 Wohnungsmakler 199 Zuneigung 18 Zusatznutzen 101

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Impressum Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar. Print: ISBN: 978-3-648-03559-7 Bestell-Nr.: 01355-0001 ePub: ISBN: 978-3-648-03562-7 Bestell-Nr.: 01355-0100 ePDF: ISBN: 978-3-648-03564-1 Bestell-Nr.: 01355-0150 Dr. Hans-Georg Häusel Kauf mich! – Wie wir zum Kaufen verführt werden 1. Auflage 2013, Freiburg © 2013, Haufe-Lexware GmbH & Co. KG, Munzinger Straße 9, 79111 Freiburg Redaktionsanschrift: Fraunhoferstraße 5, 82152 Planegg/München Telefon: (089) 895 17-0 Telefax: (089) 895 17-290 Internet: www.haufe.de E-Mail: [email protected] Redaktion: Jürgen Fischer Konzeption und Realisation: Nicole Jähnichen, München Lektorat: Gisela Fichtl, München Satz: Beltz Bad Langensalza GmbH, 99947 Bad Langensalza Umschlag: Kienle gestaltet, Stuttgart Druck: freiburger graphische betriebe, 79108 Freiburg Alle Angaben/Daten nach bestem Wissen, jedoch ohne Gewähr für Vollständigkeit und Richtigkeit. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Mikrokopie) sowie der Auswertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen, vorbehalten.

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