Historische Tatsachen - Nr. 20 - Udo Walendy - Die Schuldfrage Des Ersten Weltkrieges (1984, 40 S., Scan-Text)

February 4, 2017 | Author: OpenToSuggestions | Category: N/A
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Die Schuldfrage des Ersten Weltk r1eges •

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Historische Tatsachen Nr. 20

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Dipl.

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Udo Walendy

Pol.

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"Es ist die allgemeine Herrschaft der Furcht, die das System der Bündnisse hervorgerufen hat; man hielt es für eine Garantie des Friedens, es erwies sich nun aber als die Ursache des Allerwelts-Unglückes .... Diese allgemeine Furcht hat schließlich eine viel größere Katastrophe heraufbeschworen, als man durch die Bündnisse je abzuwenden hoffte." Bertrand Russeii • I

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::::: - Wissenschaftliche Zeitschrift -

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Dieses Heft ist vor Drucklegung juristisch dahingehend

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"Im Verhältnis wie die Rüstungen aller Mächte zunehmen, erfüllen sie immer weniger den Zweck, den sich die Regierungen vorgesetzt haben. Wirtschaftliche Krisen, großenteils durch das System der Rüstungen hervorge� rufen, und die fortwährende Gefahr, die in dieser Anhäufung von Kriegsmaterial liegt, verwandeine den bewaffneten Frieden unserer Tage in eine zermalmende Last, die von den Völkern mit stets größeren Schwierigkeiten getragen wird. Es erscheint daher klar, daß, wenn dieser Zustand andauert, er unfehlbar zu eben der Katastrophe führen muß, die man abwenden will und deren Schrecken jedes denkende Wesen vorahnend schaudern macht." Zar Nikolaus II. in einer Zirkularnote an die Mächte ) vom 24. August 1898 **

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!

überprüft worden, daß weder Inhalt noch Aufmachung

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irgendwelche BAD-Strafgesetze oder maßgebende Rich­

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* *

tersprüche verletzen oder sozialethische Verwirrung bei Jugendlichen auslösen.

*) ECDC Morel, aaOC Sc 201 **) ECDC Morel, aaOC Sc 141

1984

Copyright by Verlag für

Volkstum

D- 4973

und

Vlotho I Weser

Zeitgeschichtsforschung P�stfach

1643

Konten des Verlages Postscheck Essen Postscheck Wien

116162- 433 7598.326

Kreissparkasse Herford, G.st. Vlotho Kto: 250002532 (BLZ 494 501 20)

2

Druck: Kölle Druck, D-4994 Pr. Oldendorf

Serbien Zeitpunkt der Ermordung König

Welche innenpolitischen Probleme auch immer das

Alexanders und der Thronergreifung durch Peter Kara­

Gefüge des serbischen Staates belastet haben - Unruhen

georgewitsch, war Serbien, das sich erst kurz vorher aus

und Kriege auf dem Balkan gab es zu jener Zeit ja zur

der türkischen Oberhoheit befreit hatte, zum Zentrum

Genüge -, so war der Wille zum Rückerwerb der zu

der großserbischen, gegen den Bestand der österreich­

Österreich- Ungarn gehörenden Provinzen Bosnien und

Seit 19 03,

dem

Un garischen Monarchie gerichteten Bestrebungen gewor­

Herzegowina doch bei allen politisch virulenten Kräften

den. Rußland unterstützte diese Ambitionen, versuchte

vorhanden, wenn er sich z.T. auch nur getarnt Ausdruck

es doch, das Schwinden der türkischen Machtstellung auf

verschaffen konnte. Der deutsche Gesandte in Belgrad

dem Balkan durch eigene Hegemonie zu ersetzen. Ser­

weist in seinem Bericht am 6. Juli 19 14 auf die Art und

bien gehörte zu jenen kleinen Balkanstaaten, die ent­

Weise solcher getarnten Zusammenhänge hin:

weder diese politische

Zukunftsperspektive begrüßten

oder aber die Hilfe Rußlands zur Durchsetzung eigener Expansionsziele in Anspruch zu nehmen trachteten. Die innenpolitischen Verhältnisse Serbiens waren seit der Jahrhundertwende durch zunehmende Spannungen innerhalb des Parlamentes - der Skrupschtina - bzw. durch ungesicherte Mehrheiten gekennzeichnet und be­ günstigten eine schärfere Gangart gegenüber Wien. Einige Dokumente mögen dies verdeutlichen: So berichtete der russische Gesandte Hartwig an das Ministerium des Äußern am 2 . 6 . 19 14 nach Petersburg:

" . . . . In letzter Ze it hat sich das Verhältnis zwischen der Regierung und den Oppo sitio nsgruppen auf Gru nd innerer Ange­ legenheiten versc härft . Tat sächlich war der durch den Kampf beso nders nach den durc hlebt en schweren Ere ign issen ermüdete Pasc hitsch geneigt, zurückzutreten; aber ausschließlich unter de m

" . . . . Der St aat selb st , we nn er gleich , um Verantwortlichkeit en zu vermeide n , darauf halten muß, daß die Naro dna Odbrana 3) ihren privat e n Charakter bewahr e , beschränkt sich inde s keines­ wegs auf die Rolle des passiven Z uschauers. Unter harmlose n Titeln sind in da s Staat sbudget gewisse Po sitio nen aufgeno mmen, die der N arodna Odbrana zugutekommen. B ezüglich der An­ sc haffung vo n Flinten für Schüler, vo n Revo lvern für F reischärler ist es noto risch, daß der Staat sie geliefert hat . Charakterist isch ist , daß als Zentralst elle für die Verausgabung vo n Staatsmitteln für solche Z wecke und die Abrechnung we der das Minist erium des Äußern, no ch das Kriegsministeriu m , sondern dasjenige für Kultur und Unterricht m itwirkt . Mag daher die serbisc he Regierung n o c h so se hr ihren Ab scheu und ihre Entrüstung über die in Sarajewo begangene B luttat kundgeben, mag sie noch so sehr ihre Unschuld beteuern und darauf hinweisen , wie sinn- u nd zwecklos dieses Verbrechen sei und wie es der Sache des Serbenturns viel eher ge schadet als genüt zt habe , eines kann sie nicht ableugnen : Sie hat die Atmo s-

Einfluß me iner freundschaftlic hen Hinweise auf den un­ günstigen Ein druck, den se in Rücktritt vor Erledigung wichtiger politisc her Fragen auf die z aristische Regierung machen würde , hat er vo n einem so lchen Entschluß Ab stand gen o mmen. Inzwischen hat sich die Lage der Dinge verschlechtert : die sc harfen ge genseitigen Beschuldigungen in der Skrup schtina habe n einen o ppo sitio nellen Bl o ck geschaffen, der beschlo ssen hat , Ob struktion zu üben; zwe i Tage hat dieser Block an den Sitzungen nicht te ilge no mmen. Obwo hl die Regierung über ein Quo rum verfügt , ist dasselbe do c h so gerin g, daß eine Arbeit unmöglic h wird. Nac h Erschöpfung aller Verständigungsmittel ist Paschit sch entschlo ssen , wen n auc h nic ht heute o der morgen, die Auflö sung der Skrupschtina vorzusc hlagen .. . . " 1 ) 2 ) Unmittelbar vor dem Attentat auf den Öster­ reichischen Thronfolger Franz-Ferdinand in Saraje­ wo

am

24. Juni 19 14 wurden in der Tat die

Auflösung der Skrupschtina und Neuwahlen für den

1. August verfügt. 1)

Die

Auswä rtige Po l i t i k Ser b i e n s

Bo g h itsche w i t sc h , Bd. Bd.

lk.:

3 B ä nde,

Ber l i n

h r sg. vo n M.

I: Ge he i makten a u s ser b i sc he n A r c h iven II: Dip lo mat i sche Akte n aus r u ss i sc he n , mo nte neg r i n i s c he n u nd

so n s t i ge n Arc h i ven

2)

190 3- 1914, 1928- 1931

hier: Bd.

II, S.

514,

Do k .

928

Namen u n d Ä mter s iehe Seiten

Bd.

30-31

Kron prinz

A l exander

Serbien,

v.

Ober b efeh lsha ber der ser b ischen

Strei tk räfte; - r.: N i kola Pa schi tsch, ser b ischer Mi n i ster prä sident

III: Se r b i e n u nd der Welt k r ieg

3)

"N a r o d na O d b r a na"

=

" Vo l k swe hr" , e i n nat i o n a l i st i sc her Ge he i mb u n d ,

der d a s Z i e l ver fo l gte , a l l e se r b i sc hen Bevö l ke r u ngse lemente i n e i ne m

4)

se r b i sc hen Gro ßsta at z u vere i n igen Die A u s wärt i ge Po l it i k Se r b i e n s Do k. N r.

941

1903- 1914,

Bd.

II, a a O. S.

528-529,

3

phäre geschaffen, in der solche E:x:plosionen des blinden Fanatis­ mus allein möglich sind. In ihrem Lande und unter den Augen ihrer

Behörden

sind

die

Elemente

großgezogen

worden,

die

Serbien vor der ganzen gesitteten Welt bloßgestellt und auf eine Stufe wieder herabgedrückt haben wie der verabscheuungswürdige Königsmord des Jahres 1 9 0 3 .

v . G riesinger"

4)

Und diese Atmosphäre geht auf die langjährig guten Beziehungen mit Rußland zurück, die Voraussetzung für

Stimmung ist äußerst gefahrlich, und ich bitte Sie, Ihren ganzen Einfluß auf die serbische Regierung und die öffentliche Meinung anzuwenden, um sie zu zerstreuen. Zwischen Serbien und Bulga· rien im Zusammenhang mit der neuen Lage auf dem Halkan vollen Parallelismus herzustellen, ist unmöglich, und es ist nicht möglich, daß die Serben dies nicht einsehen. Bulgarien hat durch seine Siege seine nationalen Ideale zur Gänze verwirklicht. Weitergehen kann es nicht, ohne in Konflikt mit viel mächtigeren Nachbarn zu Se r b ie n

geraten.

ab er

die Zerschlagung der Türkenherrschaft auf dem Balkan

d u r c h l a u f e n , Zi e l e s

m u ß

K a m p f

a u s h a l t e n ,

der

Berliner

Kongreß

im

Jahre

1878

den

ersten

großen Einbruch in den jahrhundertelangen türkischen Besitzstand auf dem Balkan gebracht. Serbien, Monte­ negro und Rumänien wurden unabhängige Staaten. Bul­ garien wurde tributpflichti ges Fürstentum gegenüber der Türkei

und

russische

erst

1908 selbständiges Königreich. Der

Gesandte

Hartwig führte im

Februar 1912

anläßlich des türkisch-italienischen Krieges ein Bündnis zwischen Serbien und Bulgarien herbei, dem sich Monte­ negro und Griechenland anschlossen. Dieser Balkanbund erklärte im Oktober 1912 der Türkei den Krieg und setzte ihrer Herrschaft auf dem Balkan ein Ende. Da die balkanischen Verhältnisse ohnehin nicht nach national­ staatlichen sich

flir

Gesichtspunkten geordnet waren, ergaben

die

Russen

viele

Ansatzpunkte, in

Verfolg

eigener Ziele die Balkanstaaten für sich einzuspannen. So förderte die Aussicht auf die Unterstützung durch die russische Macht insbesondere bei den Serben immer intensiver den Wunsch nach Vergrößerung ihres Terri­

u n d es

z u r

ein e n

b e i

in

S e r b i e n s

v e r h e i ß e n e s

de s

d as

e r st e W e g e s

Erreichung

n o c h

Exi s t e n z

hie t e

er st

h istorischen

sowie für die Selbständigkeit Serbiens waren. Bekanntlich haben der Frieden zu San Stefano sowie

h at

seines

S t a d i u m

Fr a g e

dem

g e s t e l l t L and

s e i n e s

f ur c h tb a r e n s ein e

g a n z e

werden

k a n n .

l i e g t

im

G e -

h e u ti g en Ö st e rr e ic h· U n garn

und

nicht dort, wohin es jetzt strebt, und wo auf seinem Wege die Bulgaren stehen. Unter diesen Umständen ist es ein Lebensinter· esse Serbiens, einerseits die Bundesgenossenschaft mit Bulgarien zu erhalten, und andererseits sich in zäher und geduldiger Arbeit in den erforderlichen Grad der Bereitschaft für den in der Zukunft unausweichlichen Kampf zu versetzen. D i e Z ei t arb e i · t e t f ü r Serb ien und z u m V er d e rben s e i­ ner

Fe i n d e ,

der

d i e

s c hon

Ze r s e t z u n g

d e u t l i c h e

Ze i c h e n

aufweisen.

Erklären Sie all dies den Serben! Ich höre von allen Seiten, daß,

we n n

k u n g

irg en d ei ne

in

Bel grad

S ti m me

ha b e n

v o II e

ka n n , e s

die

Wi r I h r e

i s t . Sagen Sie ihnen bei diesem Anlasse, daß wir ihre Interessen nicht aus

den Augen

unterstützen. u n d

E in

S e r b i e n

r e i c h s . Seine

verlieren, und sie in Bulgarien energisch Bru ch

abe r

A g o n i e

hinausgeschoben werden... "

Am

13.

Februar

z w i s che n

ist

(? 5)

B uI g a r i e n

ein

Tr i u m p f Ö s t e r­ !) würde dadurch um viele Jahre

1913 formulierte der serbische

toriums kraft staatlicher Vereinigung mit den sprachlich

Gesandte in Petersburg in einem Bericht an das Minis­

verwandten Völkerschaften in Bosnien und der Herze­

terium des Äußeren in Belgrad:

gowina. Diese waren indessen seit dem Berliner Kongreß

1878 mit Zustimmung der europäischen Großmächte in die österreich-Ungarische Monarchie integriert worden.

"Im allgemeinen drückte er (Sasonow - d. Verf.) sich folgen­ dermaßen aus: 'Rußland wird sich zwar mit allen Kräften bemühen, so viel als

Eine solche außenpolitische Interessenverzahnung -

möglich von Albanien abzureißen, allein Rußland ist dabei nicht

hier seitens Serbiens Territorialansprüche, dort seitens

unmittelbar interessiert; Österreich-Ungarn aber betrachtet diesen

Rußlands weiterer

Einfluß auf dem Balkan und vor

allem dem Bosporus - führte bereits lange vor Ausbruch des Weltkrieges zu Sprachregelungen, die langfristig er­ heblichen Zündstoff angereichert haben. In der diplo­ matischen

Korrespondenz

zwischen

Rußland

und

Serbien häuften sich die abfälligen Ausdrücke und Be­ merkungen über die k. u. k. Monarchie,*)

die verglichen

wurde mit einem Menschen, der sich bereits in Agonie befinde, oder mit einem Geschwür, das in der nächsten Zeit aufgeschnitten werden müsse. So liegt ein Schreiben Sasonows an den russischen Gesandten Hartwig in Bel­ grad vom 6. Mai 1913 bei den russischen Akten: "Ich fürchte sehr das Umsichgreifen der Enttäuschung bei den Serben über das Ergebnis ihrer jüngsten heroischen Anstrengun· gen. Bei diesem

un s

vo n

a 11 e n

S1a w e n v ö1k e r n

s y mp at his ch s t e n V o 1 k e bildet sich anscheinend die Meinung heraus, daß es vom Schicksal verfolgt sei, daß sich Rußland ihm gegenüber teilnahmslos verhalte usw. Eine solche *

) k. u. k. =kaiserliche (österre ichische) und kön igliche (ungarische)

4

Gegenstand als eine Lebensfrage, weil es durch die Schaffung eines großen Serbiens einen Mißerfolg (echec) erlitten hat. Prinz Hohenlohe sagte ihm, die Forderungen Österreichs seien zu drei Vierteln aus Rücksichten auf seine innere Politik diktiert. Ruß­ land allein ist a b e r,

an

zwar

der

De u t s c h l a n d E n g l a n d dieser

und

h abe n

ckendorff

v i e I s t ä r k e r a 1 s ö s t e r r e i c h,

Seite

Ö s t e r r e i c h s s o w o h l

d u r c h

Rußland

ihnen

s t e h t

noc h

Fr a n k r e ich

I s w olski

e r n s t l i c h

g l e i c h g ü l t i gen

und

a l s B e n ·

e rmah n t , Frage

i n

d e n

Fr i e d e n n i c h t a u f s S p i e 1 z u s e t z e n . Rußland will daher keinen Krieg, und jedermann sträubt sich dagegen. Auf die Ansichten der

'Nowoje Wremja'

und auf die einzelner Leute

darf man nicht hören. Sasonow rät daher, unsere jetzige vernünf· tige Haltung zu bewahren, und appelliert an Sie: 'Wenn Paschitsch demissionieren sollte und wenn eine unnach­

giebige Regierung ans Ruder käme, das wäre Österreich gerad� recht. Besser also, sich mit den gegenwärtigen großen Errungen­

schaften

zufriedenzugeben,

d a s

ne

u

e

Ser bi e n

z u

5) Die Auswärt ige Politik Serbiens 1903-1914, aaO. Bd. II,S. 408-410, Dok. Nr. 807- Gesperrtdruck vom Herausgeber M. Boghitschewitsch

orga n i s i e r e n , Z e i t

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ö s t er r e i c h ­

s c h n e i d e n , w e 1-

s o

re if

ist wie das

türkische. Eine Nation, die so hervorragende Eigenschaften gezeigt hat wie die serbische, muß siegen.' Das sind Sasonows Worte als Antwort auf meine Ausführun­ gen auf Grund Ihres Telegramms Pov. br. 214... ".

6

)

In diesem Zusammenhang verdient auch die später noch zu erörternde Unterredung zwischen dem ser­ bischen Ministerpräsidenten Paschitsch und dem Zaren am 2. Februar 1 9 1 4 Beachtung. Der Zar erwähnte, er hätte nur seine slawische Pflicht erfüllt, als er während der ganzen Zeit der Balkankrise (1 9 1 2 - 1 9 1 3) seine Armee an der Österreichischen Grenze aufmarschieren ließ, um die Befreiung der Balkanstaaten nicht durch die k. u. k. Monarchie hindern zu lassen. Der Zar wies auf die mögliche Entwicklung hin, Bulgarien mit einigem territorialen Zuwachs dahingehend beeinflussen zu können, daß es "bei der Lösung der serbisch-kroatischen Frage behilflich sein" würde. "Lösung der serbisch­ kroatischen Frage" hieß jedoch ein Herausbrechen von Bosnien und der Herzegowina aus der österreichisch­ Ungarischen Monarchie. Paschitsch brachte daraufhin "den Umschwung bei den Slowenen in Österreich-Un­ garn" zur Sprache, "die jetzt einsehen, daß ihnen dieses Heil nur von Rußland oder Serbien kommen könne, und daß sie die Gelegenheit kaum erwarten können, ihre Wünsche erftillt zu sehen. "

fremdvölkischen Staatsgebiete ein, was sich vornehmlich auf die serbisch-kroatischen wie auf die böhmisch­ mährischen Gebietsteile bezog. Franz-Ferdinand plante sogar ein gesondertes Königreich Illyrien. - Doch gerade diese Reform von Wien aus war den "Großserben" höchst unwillkommen. Ihre Machtträume sahen Anderes vor: Führung, Machtstärkung und territoriale Aus­ dehnung von Belgrad aus. Professor Diwald ergänzt: "Der serbische Ministerpräsident Nikolaj Paschitsch hat den politischen Leitsatz formuliert: 'Der

Gewehre

Serbiens besteht darin, die süd­

In einer Denkschrift hat er detaillierte Vorschläge entwickelt, wie

man die

österreichisch-ungarische Verwaltung in

Bosnien

'diskreditieren und die Unzufriedenheit der Bevölkerung systema­ tisch nähren' könne. Wenn Österreich-Ungarn wirklich Wert darauf lege, mit Serbien in Frieden zu leben, dann müsse es den Anspruch aufgeben, eine Großmacht zu sein.''

s)

Am 2 1 .7 . 1 9 1 4 unterrichtete der Österreichische Ge­ sandte in Belgrad, Frhr. v. Giesl, seinen Außenminister Graf Berchtold über die Lage in Serbien: " .... Ich stelle es als bekanntes Axiom hin, daß die Politik Serbiens

auf

die

Abtrennung

der von

Südslawen bewohnten

Gebiete und in weiterer Folge auf die Vernichtung der Monarchie als Großmacht aufgebaut ist und nur dieses eine Ziel kennt. Niemand, der auch nur acht Tage in dem hiesigen politischen Milieu zu leben und zu wirken bemüßigt sei, wird sich dieser Wahrheit verschließen.

"Und dann sagte ich ihm (Paschitsch dem Zaren, - d. Verf.), daß wie viele

einzige Daseinszweck

slawischen Provinzen von Österreich-Ungarn loszureißen.'

wir haben werden,

so viele Soldaten

werden wir aus jenen Ländern bekommen . ...

Infolge der jüngsten Ereignisse, welche die hiesigen politischen Stimmungen

beeinflussen, und dazu rechne ich das Attentat in

Sarajewo, den Tod Hartwigs und die Wahlkampagne, hat sich der

Dann fragte er, wieviel Soldaten Serbien jetzt aufstellen könne.

Haß gegen die Monarchie noch vertieft.

Serbien hat, sagte der Zar, die Welt damit überrascht, daß es

Das Attentat in Sarajewo hat den Serben den bevorstehenden

400.000 Mann marschieren ließ. Ich antwortete: Wir glauben, eine

Zerfall der habsburgischen Staaten - auf welchen man schon

halbe Million gut bekleideter und bewaffneter Soldaten aufstellen

früher seine Hoffnungen setzte - als in kürzester Zeit zu erwarten, den Abfall der von Südslawen bewohnten Gebiete der Monarchie,

zu können. 'Das ist genügend, das ist keine Kleinigkeit, damit kann man

die Revolution in Bosnien-Herzegowina und die Unverläßlichkeit der slawischen Regimenter - als feststehende Tatsachen vorge­

viel ausrichten.' .... Sodann sprachen wir von anderen Dingen , nachdem ich gesagt

gaukelt und brachte System und scheinbare Berechti gung in ihren nationalistischen Wahnsinn.

hatte: 'Wenn es uns beschieden sein sollte, eine Tochter des Kaisers

Das so verhaßte Österreich-Ungarn erscheint den Serben nun­

von Rußland zur Königin zu haben, dann wird sie die Sympathie

mehr ohnmächtig und kaum mehr würdig, einen Krieg mit ihm zu

des ganzen serbischen Volkes genießen, und sie kann, wenn Gott

führen - zum Hasse gesellt sich die Verachtung -; es fällt ohne

und die Verhältnisse es zulassen, die Zarin des südslawischen,

Mühe als zermürbter Körper in den Schoß des in naher Zukunft zu

serbisch-kroatischen Volkes werden. Ihr Einfluß und ihr Glanz

verwirklichenden großserbischen Reiches.

wird die ganze Balkanhalbinsel umfassen.'

Blätter,

Der Zar hörte meine Worte mit sichtlicher Freude an. ... 'Für Serbien werden wir alles tun, grüßen Sie den König und sagen Sie ihm: Für Serbien werden wir alles tun.'

"

7)

rechtliche Gleichstellung der zahlreichen Völkerschaften erforderlich geworden war, hatte niemand besser er­ kannt, als der Thronfolger Franz-Ferdinand. Er setzte sich für die Einführung des allgemeinen Wahlrechts im Vielvölkerstaat und für eine größere Autonomie der

7)

Die Au swärt i ge Po l i t i k Se r b iens Nr.

276

ebenda Bd.

I, S.

414· 421,

1903' 1914,

Do k. N r .

399

a a O. Bd.

allerextremsten gehören, be­

Nachbarmonarchie und beschimpfen ohne Scheu und Furcht vor Ahndung ihre Organe. Sie machen selbst vor der erhabenen Person

Daß die Doppelmonarchie reformbedürftig und eine

6)

welche nicht zu den

sprechen in täglichen Artikeln die Ohnmacht und den Zerfall der

I, S.

299,

Dok.

unseres Herrschers nicht Halt. Sogar das Regierungsorgan weist auf die Zustände in Österreich-Ungarn als auf die einzigen Ur­ sachen

des

fluchwürdigen

Verbrechens

hin.

Die

Furcht

vor

Verantwortung besteht nicht mehr. Das serbische Volk wird seit Jahrzehnten durch die Presse erzogen, und die jeweilige Politik hängt von der Parteipresse ab; eine Frucht dieser Erziehung ist die großserbische Propaganda und ihre abscheuliche Ausgeburt, das Attentat vom 28. Juni.

8)

He l l m u t D i wa l d , "Ge s c h i c hte der De u t s c he n " , P ropy läen- Ve r l a g , o. Ort, S.

251

J." +

5

Ich übergehe die an Wahnwitz streifen­ den, von der

'Times'

als 'tobsüchtig' be­

zeichneten Anklagen und Verdächtigungen anläßlich des Todes Hartwigs, überhaupt die lügenhafte Preßkampagne, welche aber die Serben in der Oberzeugung bestärken dürfte, treter

daß die

Regierung und die Ver­

Österreich-Ungarns

und Bezeichnungen wie infamer

Österreicher

vogelfrei sind, Mörder,

usw.

für

Lump, uns

als

schmückende Beiwörter gelten müssen. Der Tod Hartwigs hat in der Erkenntnis der Schwere dieses Verlustes in der serbi­ schen politischen Welt einen fanatischen Kultus des

Verstorbenen ausgelöst, und

man ließ sich dabei nicht allein von der Dankbarkeit

für die Vergangenheit, sop­

dern auch von der Sorge um die Zukunft leiten und überbot sich in slawischer Un­ terwürfigkeit vor Rußland, um sich dessen Wohlwollen

für

kommende

Zeiten

zu

sichern. Als dritter Faktor vereinigt die Wahl­ kampagne alle Parteien auf der Plattform der

Feindseligkeiten

gegen

Österreich­

Ungarn. Keine der auf Regierungsgewalt aspirierenden

Parteien

will in den

Ver­

dacht kommen, eines schwächlichen Nach­ gebens gegenüber der Monarchie für fähig gehalten zu werden. So wird die Wahlkam­ pagne

unter

dem

Schlagworte

der

Be­

Der russische Zar Nikolaus II. nach seiner Gefangennahme durch die Bolschewiki 1917 kurz vor seiner Erschießung (seine gesamte Familie wurde erschossen)

kämpfung ÖSterreich-Ungarns geführt.

Man hält die Monarchie aus inneren und äußeren Gründen für

machen, um sich die

Provinzen dadurch zu erhalten, daß sie

ohnmächtig, zu jeder energischen Aktion unfähig und glaubt, daß

Serbien als Machtfaktor ausschalte. Serbischer Gesandter äußerte

die ernsten Worte, die schon an maßgebenden Stellen bei uns " gesprochen worden sind, ni.rr Bluff seien . ... 9

immer, die Zeit arbeite für Serbien, und er sagte französischem

)

Daß sich nicht nur die Serben und Russen über das außenpolitische Veränderungsstreben der Belgrader Führungskreise, ihrer Publizistik und der dortigen Ge­ heimorganisationen im klaren waren, sondern auch die westliche Diplomatie vor Ausbruch des Weltkrieges, beweist u. a. ein Telegramm des britischen Botschafters M. de Bunsen aus Wien an seinen Außenminister Edward Grey in London vom 2 9 . Juli 19 14, wobei nicht die drei Anfangssätze wesentlich sind, die im britischen Blau­ buch von 19 14 unter der Nr. 7 9 veröffentlicht worden sind, sondern der hier nachfolgende vertrauliche Absatz, der in jenem Blaubuch offensichtlich nicht ohne Grund unterschlagen worden ist:

Botschafter, südslawische Provinzen wären innerhalb drei Jahren bereit, ohne daß Serbien auch nur den kleinen Finger zu rühren brauche. Österreich-Ungarn merkte, daß es nicht länger warten konnte, und entschloß sich zum Kriege, von dem es jetzt an­ scheinend nichts mehr abzuhalten vermag. Nach Ansicht franzö­ sischen Botschafters geht daraus hervor, daß Konflikt nicht Folge deutscher Anstiftung ist; auch gehe nicht unbedingt daraus her­ vor, daß Deutschland europäischen Krieg wünscht, wie viele in Frankreich glauben.

Geständnisse des serbischen Gesandten

I

O)

mit dem er bis zu

dessen Abreise am 26. Juli in enger Fühlung war, überzeugt haben, Zustand

wachsender

Gärung

in

südslawischen

Provinzen

der

Doppelmonarchie sei derart, daß österreichisch-ungarische Regie­ rung genötigt gewesen wäre, sich entweder in Lostrennung dieser Provinzen

zu

fügen,

oder

eine

verzweifelte

Anstrengung

zu

9) Die A u swärt ige Po l it i k Serbiens 1903- 1914, aaO., Bd. II, S. 542-543 Dok. Nr. 955 10 ) Jowanowitsch

6

)

12

)

Der serbische Ministerpräsident Paschitsch beurteilte die außenpolitische Lage Serbiens in einem Schreiben an seinen Generalstabschef Putnik am 3 1.7 .19 14, also kurz nach Vorliegen der Österreichischen Kriegserklärung, wie folgt:

" .... Vertraulich. Französischer Botschafter berichtet seiner Regierung, daß ihn

II

(Gleichlautend an Botschafter)"

Die Entwicklung der Ereignisse im austro-serbischen Kon­ flikt hängt hauptsächlich von der Haltung Rußlands ab. Rußland erklärte, daß es sich vor allem bemühen werde, die Frage auf friedlichem Wege zu lösen. Sollten die Österreichischen Truppen die Grenzen Serbiens überschreiten,

so

wäre es genötigt,

zum Schutze Serbiens einzugreifen. 11)

Im br i t i schen B l a u b u c h vo n 1914 ist d i eser Ber icht unter Nr. 79 überno mmen, doch der h i er abgedru ckte Absatz i st im Bla u b u c h wegge lasse n worde n. 12) Die A u swärt ige Po l i t i k Ser biens 1-903 · 1914, aaO. Bd. II, S. 560, Do k. Nr. 972

Die

Berichte

unseres Petersburger

Gesandten

besagen, daß

der

Wahrung

der

Würde

Serbiens.

Sollten

diese

Versuche

Rußland jetzt zu dem Zwecke unterhandelt und die Verhand­

scheitern, so werde es um das Schicksal Serbiens Sorge tragen.D a

lungen in die Länge zieht, um für die Mobilmac!tung und Konzen­

wir jetzt ohne Geld dastehen, s o haben wir u m Unterstützung

trierung seines Heeres Zeit zu gewinnen. Wenn es damit fertig ist,

gebeten, und heute haben wir die Depesche erhalten, daß uns

wird es Österreich den Krieg erklären.

zwanzig Millionen zur Verfügung stehen. Meines Erachtens und nach meiner Beurteilung der politischen

Der Mobilmachungsbefehl (nach der ersten Nachricht für 13

Situation kann der europäische Krieg nur durch sehr große Opfer

Korps und nach der zweiten für 23 Militärbezirke) ist gegenüber

seitens

der Österreichischen

Wahrscheinlichkeit,

Grenze bereits veröffentlicht. Die Armee,

welche für den Kampf gegen Deutschland bestimmt ist, hat noch

Österreichs

vermieden daß sich

werden,

aber es besteht keine

Österreich zurückziehen

und auf

einen Ausgleich eingehen wird.

nicht mobilisiert, weil man Deutschland nicht herauszufordern

Deutschland, das zu Anfang fest zu Österreich stand (solange

wünscht. - Man glaubt noch, den allgemeinen Krieg vermeiden zu

es noch glaubte, daß sich Rußland nicht einmischen werde), ist

können,

weshalb auch

wankend geworden und wandte sich mit der Vorstellung, daß ein

Rußland seine Haltung so einrichtet, um nur mit Österreich Krieg

der

friedlicher Ausweg gesucht werden solle, an Rußland, denn es

zu führen. Man

Möglichkeit, daß

wünsche keinen

zur

Schritt

Deutschland

ganz

Europa hineinziehen würde,

rechnet

aber auch

mit

gezwungen wird, in den

Österreichs einzutreten,

weshalb

der

Krieg

Rußland

Verteidigung

Krieg. Vielleicht

nur zu dem

versucht Deutschland diesen

Zwecke, um seinem Volk den Beweis zu

im geheimen auch

liefern, wie sehr es sich um die Erhaltung des Friedens bemüht

Maßnahmen für die Mobilmachung gegen Deutschland trifft. Der

habe, und ihm dies nicht gelungen sei. - Wie man diesen Schritt so

russische Zar schrieb dem Thronfolger und sagte in dem Briefe

deuten mag,

u.a., daß Rußland unter gar keinen Umständen Serbien im Stiche

unzufrieden sei, dieses jedoch unterstützen muß, weil nach einer

lassen

werde.

Man

wünscht den

Streitfall oder Konflikt auf

friedlichem Wege, ohne Blutvergießen, zu schlichten, jedoch unter

Franz Joseph 1., Kaiser von Österreich und apostolischer König von Ungarn

hat man doch den Eindruck, daß es mit Österreich

Niederlage ÖSterreichs auch seine Position wesentlich geschwächt

" 13)

sein würde... .

Kaiser

Wilhelm II.,

Deutschlands oberster Kriegsherr in Felduniform 13) Die Auswärtige Politik Serbiens 1903 - 1914, aaO. Bd. I, S. 435- 436, Dok. Nr. 416

7

Das Attentat

Trotz z ahlreicher - selbst vo m serbischen Gesandten aus eigener

Initiative

( ohne

Auftrag ) stammender

-

Warnungen hatte sich Erzherzog Franz Ferdinand mit seiner Gattin zu den Manövern der in Bo snien statio ­ nierten 2 Armeeko rps begeben und stattete anschließend am 28.6.1914 d er Stadt Saraj ewo einen o ffiziellen Be­ suc h ab.

Allseits

war

reichisch- Ungarischen

anerkannt ,

Mo narchie

d aß in

der

öster­

Franz-Ferdinand der

einzige führende Mann war, dem eine Aussöhnung d er zahlreichen

Völkerschaften

dieses

so

doch gebilligt

wo rden

war.

Nach Beendigung des

Krieges ist dieser damalige Verdacht bestätigt wo rden. Das serbische Kabinett , insbesondere Ministerpräsident Paschitsch und Innenminister Stoj an Protitsch , war in die geheimen Vorbereitungen eingeweiht gewesen. Der britische Lord Arthur Po nso nby, ein hervorra­ gender

Exponent

der

Labourparty,

verwies 1 928 in

seinem Buch " Lügen im Kriege " auf die beachtenswerte Veröffentlichung eine s führenden serbischen " Insiders ":

Vielvölk erstaates

"Die Enthüllungen über die Mitschuld der serbischen Regie­

hätte zugetraut werden k önnen und dessen außenpo li­

rung an dem Verbrechen erschienen erst 1924, als unter dem Titel

tisches Ziel ein Dreikaiserbündnis zwischen Wien - Berlin

' Nach Vidovdan, 19 14' ein Artikel von Ljuba Jowanowitsch, dem

- Petersburg als Garant für die Sicherung des euro pä­ ischen Friedens war. Acht j unge ,

aus

Belgrad eingeschleuste

Bo sniaken

Fahrtro ute auf die Attentatsgelegenheit. E in

erster Versuc h scheitert e , der Pistolenschütze (Student ) Princip traf.

Die

1914 Einige

warteten , verteilt an verschiedenen Po sitionen der be­ kannten

Präsidenten des serbischen Parlaments, veröffentlicht wurde, der

Waffen

stammten

aus S erbien. Ein

Erziehungsminister im Kabinett Paschitsch gewesen war. Auszüge aus diesem

Artikel,

die von

Bedeutung sind,

mögen wiedergegeben werden. 'Ich erinnere mich nicht, ob es Ende Mai oder Anfang Juni war, als Paschitsch uns eines Tages mitteilte, daß gewisse Personen Vorbereitungen

träfen,

nach

Sarajewo

zu

fahren,

um

Franz

Ferdinand zu töten, der dort zu Vidovdan ( Sonntag, den 2 8 . Juni) erwartet wurde. So viel sagte er uns anderen, aber er handelte in

serbischer Zollbeamter hatte die Attentäter einschließ­

der Angelegenheit weiterhin nur mit Stojan Protitsch, dem Innen­

lich ihrer Waffen über die Grenze gebracht , ein bos­

minister. Wie sie mir nachher sagten, wurde das Attentat von einer

nischer

Lehrer,

no mmen.

Danilo Ilitsch) sie in Saraj ewo aufge­

Die

" Schwarze

groß serbische

Hand " ,

deren

Z iel

Geheimgesellschaft die

Vereinigung aller

Serben in einem großen Nationalstaat war und die unter Leitung

eines

Dimitrjewitsch,

Obersten stand ,

im

hatte

serbischen d ie

Generalstab ,

Attentatspläne

ent­

worfen und die Mittel zur Verfügung gestellt. Die serbische Pre sse ko mmentierte das Verbreche n mit

unverhüllter

Freude ,

was

in

österrreich

starke

geheim organisierten

Gruppe von

Männern und den Vereinen

patriotischer Studenten von Bosnien und Herzegowina in Belgrad vorbereitet.

Paschitsch

und

wir

anderen

sagten

(und

Stojan

Protitsch stimmte dem zu), daß er, Stojan, die Behörden an der Drina-Grenze

anweisen

sollte,

den

Grenzübertritt

der jungen

Leute, die Belgrad zu diesem Zweck verlassen hatten, zu ver­ hindern.

Aber diese Grenzbehörden waren selbst Mitglieder der

Organisation, führten Stojans Befehl nicht aus und sagten ihm, was er uns nachher mitteilte, daß der Befehl zu spät gekommen wäre, da die jungen Leute die Grenze schon überschritten hätten.

Empörung auslöste. Die Österreichische Regierung hat

So mißlang der Versuch der Regierung, die vorbereitete Gewalttat

re cht rasch die Zusammenhänge , die zum Attentat ge­

zu verhüten.'

führt haben, ermittelt. Zunäc hst war keine Mitwisser­ schaft der serb ischen Regierung nachzuweisen. Jedoch die Tatsache , daß die Belgrader B ehörden vom 28.6. bis zum 23. 7 . und

keinerlei eigene Untersuchungen angestellt

Verhaftungen

vorgeno mmen ,

auch

k einerlei

Er­

klärungen abgegeb en haben , j a sogar den von Österreich ermittelten verantwortlichen Mittäter Dschiganovitsch haben

entkommen lassen ( er war in Wirklichkeit der

Verbindungsmann

zwischen

dem serbischen Minister­

präsidentfm Paschitsch und den Verschw örern, was man damals allerdings noch nicht wußte ) , sowie die Haltung der serbischen Pre sse hatten den Verdacht best ärkt , daß die serbische Regierung

d o c h zeitig unterrichtet und

das Attentat vo n ihr, wenn auch nicht direkt veranlaßt ,

8

Das beweist klar und deutlich, daß das ganze Kabinett einige Zeit, bevor der Mord stattfand, von dem Anschlag wußte; daß der Premier minister und der Innenminister wußten, in welchen Gesell­ schaften er vorbereitet worden war; daß die Grenzwache stark hineinverwickelt war und unter dem Befehl derjenigen arbeitete, die das Verbrechen vorbereiteten."

Gleiches

bestätigte

der

14 ) britische

Historiker

E.D.

Morel, indem er auf das in Lausanne ( Schweiz ) 1920 erschie nene Buch des serbisc hen Ko mmandanten Laza­ rewitsch " La Main Noire " verwies. Lazarewitsch hat in diesem Buch die serbische Geheimorganisation "Schwar­ ze Hand " analysiert und dargetan, d aß die führenden 14) Arthur Ponsonby, "Lügen im Kriege", London 1928, deutsche Ausgabe Berlin o. J., S. 41 - 47

serbischen Staatsmänner - so auch Prinz Alexander und Ministerpräsident Paschitsch - Mitglieder dieser Geheim­ organisation gewesen sind, von dem Mordanschlag gegen das Österreichische Thronfolgerehepaar zeitig gewußt, es begrüßt und auch die Befürwortung seitens der russi­ schen Diplomatie erhalten haben. Wörtlich schreibt er: sie, ihre Macht im Lande mit dem Ausbruch die das Vorspiel eines Angriffs auf den Triumph der serbische n Aspi­

"Durch diesen neuen Mord hofften noch weiter

zu

verstärken. Sie rechneten auch

schwerer Cnruhen in Bosnien, Österreich gewesen wären und rationen

Leopold

bcsc hleunigt hätten."'

I

s)

Joseph war 84 Jahre alt, der mäßigende Thronfolger beseitigt) beschlossen, das Attentat von Sarajewo für eine energische Aktion gegen Serbien zu nutzen . Be­ fürchtete er doch, daß eine weitere Duldung großser­ bischer Aktivitäten in Serbien nach dieser Herausfor­ derung Ruhe und Sicherheit, ja den Bestand der öster­ reichisch- Ungarischen Monarchie gefährden . Arthur Ponsonby folgerte : "Daß die Österreichische Re gi er ung zu der Einsicht kommen mußte, daß eine Weigerung, entweder Ciganovic zu finden o der anderen zu gestatten , ihn zu suche n, eine Schuld auf seiten der serbischen Regierung b e deutete und daß sie darum den Krieg erklärte, ist nicht verwu nderlich." 14)

Frhr. Conrad v. Hötzendorf, österr.Erzherzog Franz Ferdinand im Kreise seiner Familie ungar. Generalstabschef ----------------------------�------------------------

Graf

Berchtold,

österr.-

ungar. Außenminister

Wien ermittelte zunächst von Bosnien aus und be­ lastete auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse die serbische Regierung mit der moralischen Verantwortung, da sie grenzübergreifende nationalistische Propaganda, Organisationen mit großserbischer Zielsetzung erlaube, nicht wirksam gegen Beamte einschreite, die sich in diesem, das friedliche Zusammenleben mit Österreich­ Ungarn störenden Sinne betätigten und so den Nähr­ boden für die begangene Bluttat begünstige. In der zweiten Hälfte des Juli, als Belgrad sich weigerte, Österreichische Beamte bei den Fahndungs­ maßnahmen in Serbien gegen den flüchtigen Dschigano­ vitsch zu beteiligen, hat Außenminister Berchtold mit seinen Beratern im Wiener Auswärtigen Amt und mit Militärkreisen um Conrad von Rötzendorf übereilt und ohne jegliche anderweitige Absprachen (Kaiser Franz 15)

E.D.

Morel,

"Truth

and

the

War",

London

1916,

in deutscher

Ubersetzung herausgegeben von Hermann Lutz unter dem Titel: "Ein gerechter Engländer über die Schuld am Kriege", Berlin

266

+

238

1920,

S.

An zeitigen und zahlreichen Warnungen - auch deutscherseits - an einem unüberlegten, zu harten Kurs Berchtolds sollte es nicht fehlen . Selbst Kaiser Franz Joseph setzte sich anfangs für eine friedliche Lösung ein, änderte jedoch später resignierend seine Meinung. Am 4. 7. entsandte Berchtold seinen Kabinettchef Hoyos mit einer Denkschrift nach Berlin, um erkunden zu lassen, ob Deutschland seinen Verbündeten Öster­ reich- Ungarn bei dem Versuch, Wiens Einfluß auf dem Balkan verstärkt zur Geltung zu bringen, auch um Bulgarien, Rumänien und die Türkei nicht in den russischen Machtbereich abgleiten zu lassen, gegen ein eventuelles Eingreifen Rußlands zu stärken bereit sei . Kaiser Wilhelm II., bereits mit den Vorbereitungen für seine Norwegen-Reise an Bord der "Hohenzollern" befaßt, bemerkte, daß das Österreichische Programm "eine ernste europäische Komplikation" befürchten lasse, es aber "nicht unseres Amtes sei, dem Bundesge­ nossen zu raten, was auf die Sarajewoer Bluttat zu tun sei. Darüber müsse Wien selbst befinden, wolle man doch 9

diesen Konflikt nicht international ausweiten." Immer­

tionen Anderer auslösten, Verhältnisse einleitete, die in

hin könne man in Wien "auch in diesem Fall auf die

Berlin ein "zu spät" erkennen ließen, weil bereits als nur

volle Unterstützung Deutschlands rechnen".

noch verbliebener

Weder der Kaiser noch Reichskanzler Bethmann-Holl­ weg konterten mit der präzisen Frage, was Österreich­ Ungarn denn eigentlich gegen Serbien zu unternehmen gedenke, - eine verhängnisvolle Unterlassung. War es monarchisches

Solidaritätsverhalten, war es bis dahin

sicherlich nicht unbegründetes Vertrauen in die Staats­ kunst

der

Doppelmonarchie,

war

es

einfach

Unbe­

kümmertheit oder auch nur die Hektik der verbliebenen Zeit zur Abreise oder auch politisches Unvermögen? Alles dies wird mitgewirkt haben. - Einen Blankoscheck für ein kriegerisches Unternehmen, in das womöglich noch

Rußland hineingezogen würde, hiermit an Wien

erteilt zu haben, dessen waren sich weder Kaiser Wilhelm noch Bethmann-Hollweg bewußt, dafür fehlten jedwede militär-politischen Erwägungen. Am 6. 7 . trat Kaiser Wilhelm II. seine Nordlandreise an (erst am 2 7 . 7 . kehrte er zurück), Großadmiral v. Tirpitz war und blieb im Urlaub in der Schweiz, General­ stabschef v. Moltke sowie Kriegsminister v. Falkenhayn

Ausweg die Preisgabe deE: einzigen

Verbündeten gefordert war. Dies wiederum schien aus Gründen

des

machtpolitischen

Umfeldes

in

Europa

gleichbedeutend mit der Preisgabe der eigenen staat­ lichen Existenzsicherheit. Man hatte in Berlin - durch Untätigkeit, Sorglosig­ keit, nicht etwa durch Anspornen oder aggressive Ziel­ setzung! - eine Entwicklung reifen lassen, ohne darauf Einfluß zu nehmen, die jedoch für das Reich größte Gefahren brachte. Man hatte sich auch nicht bewußt gemacht, welche internationalen Kettenreaktionen Ruß­ lands Erscheinen auf dem Kampffeld bei den übrigen europäischen Großmächten auslösen mochte. Denn daß zu diesem Zeitpunkt der Zar in Petragrad (Petersburg) bereits die Blankoschecks von Großbritannien auf dem Umweg über die "Entente cordiale" mit Frankreich und auch von Frankreich mittels eines direkten Bündnisses und

entsprechender

Geheimabsprachen in der Tasche

hatte, war für Berlin überraschend. Und

die

Lenker

der

Österreichischen

Geschicke

fuhren Anfang Juli in Urlaub, keinerlei politische oder

tappten noch unbedarfter in das Verhängnis. Sie ver­

militärische Initiativen wurden in Berlin ergriffen.

ständigten nicht einmal den italienischen Verbündeten

Dennoch war es eine verhängnisvolle Unterlassung,

über ihre gegen Serbien beabsichtigten Schritte, so daß

die auch solange nicht reguliert wurde, bis Wien durch

sich

Schaffen neuer Fakten, die ihrerseits unerwartete Reak-

ziehen konnte.

G enera l leutn a n t E r i ch

v.

F a l k en hayn,

preu ß ischer Kri egsmi n i ster

10

G roßa d mira l

v.

Rom berechtigt den Bündnisverpflichtungen ent­

T i r p i tz , Staatssek retä r des

deu tschen R eichsmar i n ea mtes

Reichskanz ler Bethma nn-Hol lweg

••

Oster reich- Ungarn Wien 25. Juli 1914. " In dem Augenblick, wo wir uns zu einem ernsten Vorgehen

Mehr als 3 Wochen nach dem Attentat in Sarajewo­

gegen Serbien entschlossen haben, sind wir uns natürlich auch der Möglichkeit eines sich aus der serbischen Differenz entwickelnden

am 24.7 . -, zeitlich unverständlich und inhaltlich nahe­

Zusammenstoßes mit Rußland bewußt gewesen. Wir konnten uns

zu unannehmbar, überraschte Wien die Welt - und somit

aber durch diese

auch Deutschland - mit dem Österreichischen Ultima­ tum an Serbien, - trotz des bereits Mitte Juli aus Berlin in Wien eingetroffenen dringenden Rates, auf die Annek­ tion serbischer Gebiete unbedingt zu verzichten. Inhalt:

Das

Attentat

sei

in

Belgrad

vorbereitet

rung gebilligten Propaganda. In elf Forderungen bestehe die österreichisch-ungarische Regierung auf Abstellung derartiger Umtriebe. Hierzu gehöre: Die serbische Regie­ rung sollte sich in einer wörtlich vorgeschriebenen Er­ klärung von der südslawischen Bewegung per Amtsblatt­ Publikation sowie Armeebefehl lossagen, entsprechende Organisationen auflösen, Propaganda gegen die Doppel­ monarchie unterbinden, vor allem auch im Schulbereich, hervorgetretene

österreichisch-ungarische wachung dieser suchung

der

Beamte

entlassen

Maßnahmen als auch bei der Unter­

Mitschuldigen

am Atttentat in Belgrad

beteiligen. Zur Beantwortung wurde eine Frist von 48 Stunden, bis 2 5 .7 ., 18 Uhr gesetzt. Baron v. Giesl erhielt Anweisung, sich auf keinerlei Verhandlungen

einzulassen,

und

mit

dem

Gesandt­

schaftspersonal unverzüglich Belgrad zu verlassen, falls das Ultimatum nicht vorbehaltlos angenommen würde. Zeitpunkt,

Text

und Fristsetzung brüskierten die

Staatenwelt Europas. Die Diplomatie der Reichsregie­ rung war betroffen, riet zur Mäßigung, vermied jedoch den Eindruck eines Eingriffes in die Souveränität Öster­ reich-Ungarns und stellte das Bündnis nicht in Frage. Die russische,

britische

und

beirren

lassen,

weil

grundlegende

staats­

politische Konsiderationen uns vor die Notwendigkeit stellten, der Situation

ein

Ende

F r e i b r i e f

u n d

Für den

zu

machen,

S e r b i e n

M o n a r c hie

da ß

d i e

ei n rus s isc her

d a u e r n d e ,

u n s t r a f b a r e

u n g e-

B e d r o h ung

der

e r m ö g l i c h e .

Fall, als Rußland den Moment für die große Ab­

rechnung mit den europäischen Zentralmächten bereits für ge­ kommen erachten sollte und daher von vornherein zum Krieg entschlossen wäre, erscheint allerdings nachstehende Instruierung Euer Exzellenz überflüssig.

Es

wäre

aber immerhin denkbar, daß Rußland,

nach der

eventuellen Ablehnung unserer Forderungen durch Serbien und angesichts

der

sich

für

uns

ergebenden

Notwendigkeit eines

bewaffneten Vorgehens, mit sich selbst zu Rate ginge und daß es sogar gewillt sein könnte, sich von den kriegslustigen Elementen nicht mitreißen zu lassen.

und

Organe sowohl an der Über­

Eventualität nicht in unserer Stellungnahme

Serbien

s t r a f t e

worden und ein Ergebnis der von der serbischen Regie­

diesbezüglich

gegenüber

Dieser Situation sind die nachfolgenden Darlegungen angepaßt, die

Euer

Exzellenz im gegebenen

Moment

und in der Ihnen

geeignet erscheinenden Weise und nach der von Ihnen zu ermes­ senden

Opportunität bei Herrn

Sasonow

und dem Herrn Mi­

nisterpräsidenten verwerten wollen: Ich setze im allgemeinen voraus, daß Euer Exzellenz unter den gegenwärtigen Verhältnissen ein enges Einvernehmen mit Ihrem deutschen Kollegen hergestellt haben, der seitens seiner Regierung gewiß beauftragt worden sein dürfte, der russischen Regierung keinen Zweifel darüber zu lassen, daß Österreich-Ungarn im Falle eines Konfliktes mit Rußland nicht allein stehen würde. Darüber gebe ich mich keiner Illusion hin, daß es nicht leicht sein

wird,

für

unseren

unvermeidlich

gewordenen

Schritt in

Belgrad bei Herrn Sasonow Verständnis zu finden. Es

gibt

aber

ein

Moment,

das

seinen

Eindruck auf den

russischen Minister des Äußeren nicht verfehlen kann und das ist die Betonung des Umstandes, daß die österreichisch-ungarische

französische Diplomatie riet

Monarchie, dem von ihr seit Jahrzehnten festgehaltenen Grund­

offiziell Serbien zur Mäßigung bzw. zu einem Appell an

satz entsprechend, auch in der gegenwärtigen Krise und bei der

die Großmächte. Zweifellos gehört zur Erklärung dieses Vorgehens der

bewaffneten

Austragung des Gegensatzes zu

Serbien keinerlei

eigennützige Motive verfolgt. Die Monarchie ist territorial saturiert und trägt nach serbischem

k. u. k. Monarchie die umfassende Vorgeschichte der

Besitz kein Verlangen. Wenn der Kampf mit Serbien uns aufge­

balkanischen Verhältnisse, die sowohl einen innenpoli­

zwungen wird, so wird dies für uns kein Kampf um territorialen

tisch-reformerischen Charakter trugen als auch einen auf

Gewinn, sondern lediglich ein Mittel der Selbstverteidigung und

den Sturz des Vielvölkerstaates abzielenden. Doch die

Selbsterhaltung sein.

Völker draußen sondern

in

der

Welt

wußten

davon

nichts,

reagierten nur auf kurzgefaßte Schlagzeilen,

vornehmlich

der

Presse.

Der

Österreichische

Außen­

minister Graf Berchtold gab am 2 5 . Juli seinem Bot­ schafter in Petersburg Anweisung, der russischen Regie­ rung sein Handeln wie folgt zu erklären:

Der Inhalt des Zirkularerlasses, der an sich schon beredt genug ist, wird in das rechte Licht gerückt durch das Dossier über die serbische Propaganda gegen die Monarchie und die Zusammen­ hänge, die zwischen dieser Propaganda und dem Attentat vom 28. Juni bestehen. Auf dieses Dossier wollen Euer Exzellenz die Aufmerksamkeit des Herrn russischen Ministers ganz speziell lenken und dartun, es

ll

loses, weil gar nicht ernst ge­ meintes diplomatisches Papier betrachtet,

ganz

gleich,

wie

auch sein Inhalt sei. Die Mobi­ lisierung Serbiens -zumindest zu

diesem

Zeitpunkt

- war

militärisch auch völlig sinnlos, da Serbien mit oder ohne Mo­ bilisierung tischen

der

machtpoli­

Ausgangslage

reich- Ungarns

Öster­

ohnehin

aus­

sichtslos unterlegen war, - so­ fern es allein stand. Der Österreichische Gesand­ te

verließ nach der Antwort

Belgrads unverzüglich die ser­ bische

Hauptstadt. Die diplo­

matischen Beziehungen waren abgebrochen. Erst drei Tage später erhielt S i r Edwa rd G rey, br iti scher

Geo rg V.,

Kö n i g vo n

Berlin den serbischen Text aus H. H.

G roßbr ita n n i e n u nd Irla nd

Auße n m i n ister

Asqu it h,

b r it i scher

Wien, doch war dieser bereits

Pre m i e r m i n i ste r

via Belgrad vorher schon in der

sei eine in der Geschichte singuläre Erscheinung, daß eine Groß­

Reichskanzlei eingetroffen. Es war der 27 . 7 . , der Tag, als

macht die aufrührerischen Umtriebe eines angrenzenden kleinen

Kaiser Wilhelm II. abends von seiner Nordlandreise in

Staates durch so lange Zeit mit so beispielloser Langmut geduldet

Berlin anlangte. Seine Reaktion:

hätte wie Österreich- Ungarn jene Serbiens

.

. . .

" 16)

Rußland wußte somit zeitig, daß Österreich keinen Territorialgewinn erzielen wollte und vornehmlich ge­ genüber Rußland schon gar keine Aspirationen hegte. Doch der russische Ministerrat hatte bereits die ersten Mobilmachungsmaßnahmen am 24.7 . beschlossen. An diesem 2 5 . Juli lief das Ultimatum an Serbien aus. Die serbische Regierung erteilte zeitgerecht Antwort und zwar in einer allseits als außerordentlich geschickt anerkannten Form: Eine Einschränkung der Pressefrei­ heit bedürfe einer Verfassungsänderung, die beschuldig­ ten Vereine würden aufgelöst, Mitwirkung Österreich­ ischer Beamter bei den polizeilichen Nachforschungen sowie Maßnahmen zur Unterbindung subversiver Um­ triebe seien im Rahmen völkerrechtlicher Normen für gutnachbarliche Beziehungen möglich; im übrigen möge Wien konkrete Belege für feindselige Handlungen ser­ bischer

Offiziere und Beamter benennen und weitere

Zweifelsfragen

zur

Regelung den

dem Internationalen

Großmächten oder

Gerichtshof im Haag vorlegen. -

Verhängnisvoll wiederum war jedoch, daß Serbien be­ reits eine

Stunde

vor

Überreichung

dieser

sehr

ge­

schickten und daher weitere diplomatische Regelungen eröffnenden Antwort die allgemeine Mobilmachung an­ geordnet hatte. Da bei allen Großmächten der damaligen Zeit Mobil­ machung als gleichrangig mit Kriegserklärung galt, wurde

"Ein

großer

moralischer

Erfolg für Wien, damit fällt jeder

Kriegsgrund fort, und Giesl hätte ruhig in Belgrad bleiben sollen! Darauf hätte ich niemals Mobilmachung befohlen!"

1

7)

Freilich hatte Wilhelm II. nur den Text, nicht die serbische Mobilmachung berücksichtigt. -Immerhin; reagiert so ein "welteroberungssüchtiger Militarist"? Da sich Rußland von vornherein für den Fall eines serbisch-österreichischen Konfliktes für eine militärische Unterstützung festgelegt hatte, war die serbische Mobil­ machung

(beschlossen

Teilmobilmachung

am

gegen

2 4 . 7 .) mit der russischen Österreich bereits synchron

geschaltet (im russischen Ministerrat ebenfalls am 24.7. beschlossen). - Reaktion in Österreich am 25 . 7 .: Mobi­ lisierung von 8 Armeekorps gegen Serbien. - Petragrad verkündet gleichzeitig die am Vortag beschlossenen vor­ beugenden

Mob.-maßnahmen,

den Belagerungszustand

in PetrogTad und Moskau und verkündet die Kriegsvorbe­ reitungsperiode für die europäischen Bezirke beginnend mit dem 26. 7 . Doch

Berchtold in Wien,

offenbar von dem

Ge­

danken gedrängt, durch nunmehr schnelles Handeln die Einmischung der Großmächte ausschalten zu können, erklärte

-

wiederum

ohne

jegliche

Absprache

mit

Deutschland - am 28 . 7 . um 11 Uhr Serbien den Krieg und

ließ

sogleich

über

die

Donaugrenze in Belgraa

einmarschieren.

auch in Wien sofort die überreichte Antwort als wert16) Die Auswärtige Po litik Serbiens 1903- 1914, aaO. Bd. II, S. 554- 555, Dok. Nr_ 968

12

17) J. R. von Salis, "Die Ursachen des Ersten Weltkrieges", Stuttgart 1964, s. 58

Z u Sp ä t Unmittelbare Reaktion Rußlands : Mob ilisierung gegen Österreich, die sich zwar nur dem Begriff, nicht der Sache nach von der ohnehin schon angelaufenen " Kriegsvorbereitungsperiod e " unterschied . Generalstabs­ chef Jan uschkewitsch hatt e vo n Anfang an den Stand ­ punkt vertreten, daß eine Teilmob ilisierung im Rahmen einer " Kriegsvorbereitungsperiod e " in den militärischen Operatio nsplänen nicht vorgesehen sei , sondern d erlei Maßnahmen auf die so fortige Gesamtmobilisierung hin­ auslaufe, zumal im Falle Ö sterreich Deutschland d a­ hinterstünde und deshalb k eine Zeit zu verlieren sei. Un mittelbar nach Kenntnis dieser Schritte Öster­ rei chs und Rußlands gab Reichsk anzler Bethmann-Holl­ we g nach Petersburg am 2 9 . 7 . durch, d aß "wir in Wien darauf hinwirken, zu erklären , kein e Territorien erwer­ ben zu wo llen , wir im übrigen weiter vermitteln , aber ein we iteres Fortschreiten russischer Mob. -Maßnahmen uns zur Mobilmac hung zwingen würde und d aß dann euro ­ päis cher Krieg kaum noch aufz uhalten sein werd e . " Er wußte nicht , daß Rußl and bereits von Wien spätestens am 2 6 .7 . die Zusicherung erhalten hatte , keine Gebiets­ ansprüche gegen über Serbien zu stellen. Der Text dieses Telegram ms war unglücklich und führte zu einem , wo möglich auch nur vo rgeschobenen, Mi ßverständ nis . Deutscherseits lag der Ged anke zu­ grunde, daß "ein weiteres Fortschreiten " b zw . eine Ausweitung der ja seit dem 2 5 . 7 . bereits akzeptierten russischen Teilmobilmachung gegen Österreich zu einer Allgemeinen - so mit auch gegen d as Deutsche R eich gerichtet en - Mob ilmachung Deutschland zur Mobil­ mach ung zwingen würd e . Saso now d ag egen b emühte sich , den Text so auszulegen, als sei dam it b ekund et worden, daß "ein Fort schreiten der russischen Teil­ mobil machung gegen Österreic h " bereits zu einer Mobil­ machung Deutschlands führen würde. Der Versuch ist erkennbar, die o hne hin im Rahmen der russischen Ge­ sa mtstrat egie vorgesehene Allgemeine Mobilmachung Rußla nds besser motivieren zu können. Immerhin hat Sasonow mit dieser Textauslegung den drängenden Sucho mlinow und Januschkewitsch se kun­ diert , um dem zögernden Zaren am 2 9 . 7 . gegen 17 Uhr die U ntersch rift zur Allgemeinen Mobilmachung abzu­ handeln . Das unmittelbar d anach eingetro ffene Antwort­ telegram m Wilhelms II , er w ü rde seinen ganzen E in fluß aufbiete n , um Osterreich z u veranlassen, durch so­ fo rtiges Handeln z u einer befried igenden Verständigung

mit ihm ( dem Zare n ) zu k o mmen, b ewog Niko laus II , den Allgemeinen Mob . -B efehl wieder rückgängig zu machen . D o ch das dauerte nur knapp 2 4 Stunden , d ann war d er Zar erneut dem Druck seiner Militärs erlegen und b estätigt e , o h ne d as Vermittlungsergeb nis Wilh elm s II . abzuwarten , am 3 0 . 7 . d ie kaum unterbro chene Allge­ meine Mobilmachung für ganz Rußland . Den westlichen Verbünd eten teilte Petrag rad d iesen Besch luß jed o ch zunächst nicht mit , um vor d er Weltöffentlichkeit Deutschland durch d essen nunmehr zw ingend ge­ wordene Schritte ko mpromittieren zu k önnen . Das Verhängnis nahm seinen Lauf. Zw ischenzeitlich hatte Berchto ld in Wien einige Ver­ handlungsvorschläge aus Berlin , Lond o n und Petragrad als durch d ie Kriegserk lärung an Serb ien überholt und nicht mehr realisierbar a bgewie sen . In Londo n , Paris und Petra gra d glaubte man , daß die k .u . k . Monarchie eine derart waghalsige Politik nur unternehmen k önne, wenn Berlin ihr dabei, w omöglich noch anregend , d en R ücken stärkte . Wilhelm II . und der R eichsk anzler hingegen hatten vergeblich versucht darzulegen, d aß sie in Wien allenfalls dringend raten, j edoch d o rt nicht befehlen könnten , da Ö sterreich-Ungarn ein so uveräner Staat sei . Am 3 0 . 7 . j edo ch wirkte sich in Wien der Druck Deutschlands aus, und die Österreichische Führung wurde " plötzlich konziliant " , versicherte auch gegenüber Frankreic h, keine Souveränitätsrechte Serbiens beschnei­ den zu wollen, b emühte sich in Rußland , die Tür als nicht zugesc hlagen zu b etrachten und signalisierte Eng­ land, seine Vermittlungsbemühungen günstig aufzuneh­ men. 1 s ) Sir Edward Grey ko nnte auch noch seinen Vorschlag unterbreiten, alle kriegerisc hen bzw. Vorberei­ tungsmaßnahmen zu sto ppen und Österreichs Verhand­ lungsbereitsc haft anzunehmen, doch die schon angelau­ fene russische Generalmobilmachung machte alles zu­ nichte und sc huf neue Verhältnisse . Während der franz ösische Botsch after angesichts der Stim mung in Petra grad resignierte und den kommenden Krieg nicht mehr mittels d iplomatischer Kunstgriffe abw endbar hielt , telegrafierte d er franz ösische Minister­ präsident am 2 8 . 7 . d ie Versicherung in d ie russische Hauptstadt , d aß Frankreich " seine B ündnispflichten " erfüllen würd e . Diese " Bestätigung " j edenfalls half in Petragrad no ch vo rhandene H emm ungen gegen d ie Al l­ gemeine Mobilmachung aus dem Wege räumen , waren doch " Frankreichs B ündn ispflichten " nicht mehr auf den Verteidigungsfall beschränkt , so nd ern längst ausge­ deh nt worden auf die "Erh altung des Gl eichgewichtes " ; dennoch schien es "beruhigend " zu sein , i n d er Stunde, auf die es anko mmt , vo m Partner noch einmal bestätigt zu erhalten, daß es in d ie ser Frage keinen Zweifel gab . Der b ritische Außenminister hatte sich in diesen Tagen außerordentlich geschickt zurückgehalten und weder in R ußland n o ch in Frankreich irgendwe lche 1 8)

Ear l

Lo re b u r n , " H o w t h e W a r c a me " , Lo n d o n 1 9 1 9 , S. 1 6 1 u n ter

B e z u g na h me a u f d i e b r i t i s c h e n u nd f r a n z ö s i s c h e n F a r b b ü c he r

13

Hoffnungen geweckt , d ie auf eine b ritische militärisch e Unterstützung schließen ließen . Der französische Bot­ schafter P aul Cambon k am aus d em Staunen nicht heraus , als ihm beteuert wurd e , für England b e stünde Frankreich gegenüber k eine Verp flichtung in einem Krieg, d en F rankreich in E rfüllung sein er B ündnis ­ pflichten gegenüber R ußland führen würd e . D o ch auch Grey ko nnte in England nicht alleine e ntscheiden.

Deutsch l an d Zu diesem Zeitpunkt schreibt no ch Kaiser Wilhelm I I . an Staatssekretär Jagow, nach der serbischen Antwort entfalle j eder Kriegsgrund , doch sollte Österreich für d ie Einhaltung der serbischen Versprechen Sicherheiten er­ halten - z . B . zeitweilige Besetzung Belgrads - denn diese Besetzung war b ereits vo llzogen. Reichskanzler B ethmann-Hollweg leitete den briti­ schen Vorschlag zwe cks weiterführender V erhandlungen nach Wien und vermerkt am 28 . 7 . um 22 .15 Uhr in klaren , aber. auc h zum Vorwurf der Leichtfert ig keit Anlaß gebenden Worten : " D ie

ö st erreichisch- u ngarische

Regierung

h at

R u ßl a nd

be­

stimmt erklärt , d a ß s i e a n territoriale Erwerb ungen i n Serb i e n

Genera lfeld ma rscha l l Paul von Hi ndenbu rg; l k . sein Genera l stabs­ chef Genera l l eutnant E rich Ludendorff Mo b ilisierung der ö sterreic hisch-u ngarischen Armee bego n ne n hat , scho n wird

die Waffe nehre d e n E i n m arsch in Serb ien erfordert . Sie sich

aber

mit

diesem

Gedanken

u m so m e hr abz ufinden

wissen, wenn das W i e n er Kabinett in P e t crsburg die bestim m t e

n i c h t denkt . Dies st i m m t mit d e r M e l d u n g E w . E x z . überein , daß

Erkläru ng wie derho lt , daß i h r t errit o r iale Erwerb u ngen in Serbien

weder die

durchaus fernliegen , und daß ihre militärisc h e n M aßnahmen ledig­

österr. no c h die u ngarisc h e n Staat s m ä n ner d i e Ver­

mehrung d e s

slawischen

Elements

in

der M o narchie für wün­

lich

eine

vorübergehe nde

B e se t z u ng vo n B e lgard und anderen

sche nswert halt e n . H i ervo n abge s e h e n h at u n s die österrei c h i s c h ­

b e s t i m m t e n Punkten des serb i s c h e n Gebietes bezweck e n , um die

ungarische R egierung tro t z w i e d e r h o l t e r A n fr age n über ihre Ab ­

serbische R e gierung zu völliger Erfüllung i hrer Fo rderunge n und

sic hten im Unklare n gelasse n . D i e n u nm eh r vorliegende Antwort .

zur

der serbisc hen R e gier u n g a u f das Ö sterreichische Ult imatum läßt

zwingen,

S c h affu ng

vo n

auf die

Garant ien

für

künft iges W o h lverhalt en

zu

Österrei ch- Ungarn nach den mit Serbien ge­

erkennen, daß Ser b i e n d e n Österreichischen For derungen doch in

machten Erfahrunge n unbe dingt Anspruch h at . Die B e setzung sei

so

ge dacht wie die deutsche Okkupat io n in F r ankreich nach dem

weit ge he ndem

Maße

entgege n geko m m e n

ist ,

daß bei einer

völli g intransige n t e n Halt ung der österreichisch-u ngarischen Re­

Frankfurt er Friede n z u r Sicherstellung der F o rder u ng auf Kriegs­

gierung mit e iner allmähli c h e n Abke hr der ö ffentli che n Meinung

e nt sc hädigung.

vo n i hr in ganz E uropa ger e c hn e t werden m u ß .

seien , werde die Räumung erfo lge n . E rk e n nt die russi sch e Regie­

So b ald die Öst erreic hisch e n Fo rderu nge n erfüllt

N a c h de n Angab e n des Öst erreich i s c h e n Generalstab s w i r d e i n

rung d i e B erechtigung dieses Standp unktes nicht an, so wird sie

akt ives militärisches Vorge he n ge gen Serb i e n e r s t am 1 2 . August

die ö ffe ntliche Me i n u ng ganz Europas gegen sich h ab e n , die im

möglich

die

B e griffe steh t , sich vo n Österreich ab zuwend e n . Als eine w e itere

auß ero rdentlich schwi erige Lage, daß sie in der Zwischenz e it d e n

sein.

Die

k.

R egieru n g

ko m m t

i nfo lgedessen

in

F o lge w ird sich die allgem e i n e dip lo mat isch e und wah r scheinlich

Vermitt lu ngs- und K o n ferenzvo rsch lägen d e r a n d e r e n Kab inette

auch die m ilitärische Lage sehr w e sentlich zugunst e n Österreich ­

ausgesetzt bleib t , und wenn sie we it er a n ihrer b isherigen Z u rüc k­

Ungarns und seine Ve rbü ndeten versc h ieb e n .

haltung solchen Vo rschläge n gegenüber festhält, das O d i u m , einen

E w . p p . wollen sic.h umgehend in d i e sem S i n n e d e m Grafe n

Weltkrieg versch uldet z u h ab e n , schließli c h auch in d e n Augen des

B erchto ld

deutschen Vo lkes auf sie z urü c k fäll t . Auf einer solchen B asis aber

spre c h ende D e m arche in S t . Petersb urg anreg e n . S ie werden es

läßt sich e i n erfo lgreic her Krieg nach drei F r o n t e n n i c h t e i nl e i t e n

dab e i so rgfältig z u vermeiden h ab en , daß der E i ndruc k entst e h t ,

und

a l s wüns c h t e n

fü hren.

Es i s t

eine

geb ie t eris c h e

No twe n d igkeit , d a ß die

geg e nüber

w ir

nac hdrüc klich

Ö st erre i c h

aussp-rechen

zurückzu halte n .

und

eine ent­

E s h and elt sich

Vera nt wortung für das e ve n t u elle übergreif e n des K o n flikts auf

lediglich daru m , e inen Modus zu find e n , der die Verwirklichung

die n ic h t u n m ittelb ar

de s vo n Ö st errei c h - U n garn erstreb t e n Z iels, der groß serb isch en

B e t e iligt e n unter alle n U m stände n Rußland

trifft . I n der let z t e n Unt � rredung Herrn S a so n o ws m it dem G rafe n Po urale s hat der M inister bereits z ugegeb e n , daß Serbien die

gleich z e it ig

'verdiente Lektio n ' erhalten mü s s e .

schließlich n icht zu vermeid e n ist , die B ed ingung e n , unter denen

haupt

dem

Österreichischen

Der M i n ister stand über­

Standpu nkt

nicht

mehr

so

be­

dingungslos able hnend gege nüber wie früher. E s liegt hiernach d i e Schlußfolgerung nicht fer n, d a ß die russisc he Regierung s i c h a u c h der Erken ntnis n icht verschließen wird , daß , nachdem e i nmal die

14

Prop aganda den

Leb e n s n erv z u unterb ind e n , ermöglic h t , o h n e

einen

W eltkrieg

zu

e ntfesse l n ,

und

wenn

d ieser

er zu führen ist , für u n s nach T u nlichk e it z u verb essern . " Bethman n -Ho llwe g

1

9

)

1 9 ) D i e D e u t s c h e n Do k u mente z u m K r iegsa u sb r u c h 1 9 1 4 . B d . 1 - 4. hrsg. i . A. des Auswä r t i g e n A mt e s . B er l i n 1 9 2 2 , Bd . I I , N r . 32 3

Parallel zum Telegramm des Reichskan zlers an d e n deutschen Botschafter i n Wien - w i e so eben zitiert - , sandte

am

2 8 . Juli

gleichen

Kaiser

Wilhelm

II . e i n

Telegramm folgenden Inhalts an seinen Vetter Nikolau s , den russischen Zaren :

meine Re gierung m i t a l l e n Kräft e n z u fördern

be mü ht ist . Natürli c h würde n m ilitärische Maßnahmen Rußlands, welc h e

Österre i c h-Ungarn

Öst erre i c h · Un garns

Vo rgehen

gegen

S erb i e n

in

Deinem

Serbien ge trieben wo rden ist , h at z u dem e m p örenden Verbre c h e n geführt , de sse n Op fer E r z h e r z o g Franz F erdinand gewo rde n ist . Der Geist , der die Serben ihren e ige nen K ö nig und seine Gemahlin ermo r den l i e ß , h errsc h t ich,

heute

n o c h in j e n e m La n d . Zwe ifello s

mir darin übere inst i m m e n , daß wir b eide , Du und

so wo h l wie alle So uveräne ein ge m e i n s c h aft liches I nt eresse

daran haben , darauf z u be ste h e n , daß alle diej enigen , die für d e n sc he ußlichen Mord m o ralisch verantwort l i c h s i n d , i hre verdie n t e Strafe erhalt e n . An der erse i t s übersehe i c h ke ine swe g s , wie schwierig e s für D i c h und

De ine

Me i n u n g

R e gier u n g

ist,

e ntgege n z ut r e t e n .

den

St r ö m u nge n

E i nge de n k d e r

der

öffent l i c h e n

herzlichen

Freund·

sc haft , die u n s beide seit langer Ze it mit festem B a nd verb i n det , set z e ich daher m e i n e n ga n z e n E i n fluß e i n , um Österre i c h - U ngarn daz u z u best i m me n , e i ne o ffe ne u n d befriedigende Ver ständigung mit R u ßl a n d a n z u str ebe n . Ich ho ffe zuversic htlich, daß Du mich in meinen Be mü hunge n , a lle Schwierigkeit e n , die noch entstehen

k ön n t e ,

ein

ge z . Wilhel m . "

Inzwi s c hen russische

hatte

der

Kaiser

Mobilmachung

gegen

erfahren , Österreich

d aß

die

befohlen

wo rden war. Besorgt telegraphiert e er n o c h einmal am 3 0 . Juli : " Mein

B o t sc hafter i st angewie s e n , De ine

Regierung auf die

Gefahren und sc hweren Ko nse que n z e n einer Mob ilisatio n hinzu­ we ise n ; das gle i c h e habe i c h Dir in meinem letzten Telegramm ges a gt . Österreich- Ungarn h at n ur gege n Serbien mob ilisiert , und z war nur e in e n Teil s e ine r Ar mee . Wenn R u ßland, wi e es j et z t n a c h Deiner u n d m einer R e gierung Mitt e ilung d e r F all ist , gege n Österreic h- Ungarn mo b i l macht, so wir d die Vermittlerro lle, m it der Du mich in fre u n ds c haftlicher We ise betraute st und die ich auf De i n e aus drüc k li c h e Bitte angeno m me n hab e , gefährde t , wenn n i c ht unmöglich gemacht. Die ga n z e S chwere der E n t s c h eidung ruht jetzt auf De inen Schultern, sie haben die Verantw o rt u n g für Kri e g o der Frieden zu trage n . gez . W il he l m . "

Dein se hr a u fric h t i ger und e r ge b e ner F r e u n d u n d Vetter ge z . Wilhelm . "

.

2

Darauf erwiderte der Zar a m 29 . Juh :

Die Antwort des Zaren erfo lgte auf der Stelle ( 3 0 . 7 : ) : " I c h danke D ir vo n H e r z e n für Deine rasche A ntwo rt . I c h

0)

e nt s e n de h e u t e Ab e n d Tat i s c h t s c hew m it I n struk t i o n e n . Die j etzt in Kraft tretenden militärischen Maßnahmen sind schon v o r fünf

" I c h b i n erfre u t , daß Du zurück in D e u t sc hland b i s t . In diesem so ernst en A u ge nb l i c k b i t t e i c h Dich inständ ig, m ir z u h e lfen . Ein s c h m ä hlicher Krieg ist a n e i n schwa c hes La nd erklärt wo r d e n , die hierüber ,

auffassen

De inen App ell a n meine Freundschaft und H i l f e - b ereit wi llig

k ö n n e n , z u bese i t i ge n , u nterstüt z e n wirst ,

Entrü s t u n g

Dro hung

a n ge n o m m e n h a b e , u n t ergrabe n .

Reiche hervo rr u ft . Die skrupellose Agitat io n , die se it J ah r e n in

wi rst Du mit

als

Un glüc k bes c hleun igen, das wir b e ide z u vermeiden wü nsc hen , und würden a u c h m e i n e Stellung als Vermittler, d i e i c h - a u f

" M it der gr ö ß t e n B e u n r u h i g u n g h ö r e ich vo n dem E i ndruc k , den

wün s c h e n swert ist, eine Verst ändigu ng, die - wie i c h Dir s c h o n t e l e graphierte -

die i c h völlig t e ile , ist

in R u ßland u n ge ­

heuerlich. I c h s e h e vora u s , d a ß i c h sehr b a l d de m Druc k , d e r a u f mi c h ausgeübt wird, n ic h t mehr werde widerst e h e n k ö n n e n u n d

Tage n

beschlossen

wo rden,

gan z e m

sein wü r de , vo r z u b e u ge n , b i t t e ich Dich im Namen unserer alte n Fr e u n dsc haft , a l l e s Dir mögli c he zu t u n , um De i n e n B u ndesge­ nossen davon zurüc k z u halten, z u we it z u g e h e n . gez. N i k o laus. "

z war

aus

Herz e n ,

den

Gründen

der

daß diese Maßna h m e n in keiner W e ise Deine

St ellu ng als Ve rmittler b e e influssen werden, ansc hlage.

W i r brauchen

die

ich se hr h o c h

Dei n e n starke n D r u c k auf Österreich,

da mit e s z u einer Verständigung m it uns ko m m t . ge z . Nikolau s . "

ge z w u n ge n sein we rde, Maßrege l n z u ergreifen, die z u m K riege füh r e n we r d e n . U m e i n e m . U n glüc k , wie e s ein e uropäischer Kri eg

und

Ver t e i di gu n g gegen die Vo rbereit u ngen Österre i c h s . Ich ho ffe vo n

Rußland mobilisierte " aus Gründen der V erte idigung gegen Österrei c h " ? - E in solches Argument mußte man in B erlin als unehrlic h auffasse n . Am 31 . J u l i telegraphierte d an n der Z ar n o ch e i nm al an den Kaiser :

Der Kaiser entgegnete an demselben Tage :

" I c h danke

" I c h habe De in Te l e gr a m m erhalten und t e i le D e i n e n W u n s c h n a c h Erhalt u n g de s F r i e de n s. J e do c h k a n n ich - wie i c h D i r i n me i n e m e r s t e n Telegra mm sagt e - Österreic h- U n garns Vorge h e n n icht

als

einen

' s c h mä h l i c h e n

Kr ieg'

betrac h t e n .

Ö st e rr e i c h ­

Un garn we iß a u s E r fahrung, d a ß S e r b i e n s Verspr e c h u n ge n , we nn sie

nur

auf

�fe iner

e i ne m

Ansicht

Papier

nach

ist

Versuc h

zu

b e t rachte n ,

Ser bie n s

Ve rspre c hu n ge n

ste he n ,

gä n z lich

ÖS terreich- Ungarns vo lle a u ch

u n z uverlässig sind. Vo rge h e n

als ein

Garant i e dafür z u erhalte n , daß wir k l i c h

in

die

Tat

umgesetzt

we r de n . I n die se r Ansic ht we r de ich bestät igt durch die Erklärung

Dir vo n Herzen für Deine Vermittlung, die eine

Ho ffnung aufleu c h t e n läß t , daß doch noch alles friedlich enden könnte.

Es ist t e c h n i s c h u n m ö gl ic h , u nsere militärisc hen Vo rbe­

reit u n gen e in z u st e l le n , die durch Osterreichs Mob il isierung n o t ­ w e n di g gewo r den sind. Wir sind we it d avo n entfernt , einen Krieg zu wünsc h e n . So lange wie die Ve rhandlu ngen mit Österreich über Se r b ie n andauern, werden meine Trup pen k e ine h erausfordernde Akt io n u n t e rne h m e n . I c h gebe Dir mein feierlic hes Wort darau f. Ich vertraue m it aller Kraft auf Go t t e s Gnade und ho ffe auf den Erfo l g D e i ner

Vermit t l u ng

Nikolaus. "

to rialen Ero be r u n ge n a u f Ko sten Ser b ie n s beabsi c h tigt . I c h m e ine daß e s

für

R u ßl a nd

durchaus

mö gl i c h

ist ,

dem ö st er­

reic hisch- serbisc h e n Kri eg gege nüber in der Ro lle des Zu schauers Zu ver harr e n , o h n e Europa in de n s c hre c k l i c h s t e n Krieg h in e i n z u ­ z i e h e n , d e n es j e mals erlebt hat .

I c h glaube, d a ß e ine dir ekte

Verst ändigu n g z w isc h e n De iner R e gieru ng und Wien möglich und

Wien für die W o h lfahrt unserer

Dein Dir herzlich erge b e ner

des Ö sterreic hisc h e n Ka bin e t t s , daß Österre ich- Ungarn k e i n e terri­ da her,

in

Länder und den Frie d e n Europas.

2 0 ) Te xte des Telegram mwechse ls in : Di e D e u tschen Doku mente z u m K r ieg sa usbr uch 1 9 1 4, hrsg. im A u f t r age des Auswärtigen A mtes, Ber lin 1 9 2 2 , Band 3 - 4 + Pau l

Schreckenbach,

" Der

Weltbrand



I llust rierte

G esch ichte

aus

gro ßer Zeit " , Lei pzig 1 9 2 0 , Bd. I , S. 1 2 - 1 7

15

Der Zar gab hier keinerlei Erklärung dafür ab , warum die a l l g e rn e i n e russische Mobilmachung angeord­ net worden war , die doch weder gegenüber Österreich­ Ungarn noch aus anderen Gründen notwendig war.

Berlin um 14 Uhr nachmittags abgesandt wurde : "Auf Deinen Appell an meine Freundschaft und Deine Bitte um meine Hilfe hab e ich eine Ve rmittlu ngsaktion zwischen Deiner und der Österreichisc h-ungarischen Regieru ng a u f ge no mmen .

Er gab freilich auch keiner­ lei Erklärung dafür ab, warum er bereits im Winter 2 1 ) 1 9 1 3 / 1 9 1 4 den zur Entlassung bestimmten Reservistenjahr­ gang nach Einstellung der neu­ en Rekruten ( rund 4 5 0 . 000 Mann) bei den Fahnen behal­ ten hatte, und warum darüber hinaus mittels Probemobil­ machungen ab Frühjahr 1 9 14 weitere Vergrößerungen des Heeresbestandes vo rgeno rnrnen worden sind. Das alles mußte auf deutscher Seite schon v o r der Juli-krise beunruhi­ gen. Das "feierliche Wort " des Zaren konnte angesichts dieser R ay mond Poinc are, Präsident der französischen Marschal l J offre, G eneralissimu s der seiner Taten für Berlin keine R epu bl ik f r anzösischen Ar mee Bedeutung mehr haben. Das ----Während diese Aktion im Gange war, sind Deine Truppen gegen Vertrauen war zerstört. Am 3 1 .7 . löste die im Verlauf des Vormittages eintreffende Nachricht von der russischen Generalrnobilrnachung den Automatismus der Kriegsvorbereitungen aus , wobei zweifellos die Kenntnis von militärischen Bündnisabsprachen zwischen Rußland und Frankreich , denen der soeben erst beendete Besuch von Poincare und Viviani in Petragrad einen besonders akuten Akzent verliehen hatte, eine wesentliche Rolle spielte. Die Reichsregierung glaubte angesichts der sich abzeichnenden großen Gefahr an zwei Fronten keine Zeit verlieren zu dürfen und die gegnerischen Mob .-Maßnahrnen allenfalls durch Schnelligkeit in etwa unterlaufen zu können und zu müssen. Der Bündnisvertrag zwischen Deutschland, österreich-Ungarn und Italien, der von 1 882 stets wieder verlängert wurde , hatte keine aggressive Zielrichtung zur Grundlage, sondern sah vo r, daß die Partner keine Bündnisse eingehen, die gegen einen der Vertrag­ schließenden gerichtet sind, und im übrigen eine gegen­ seitige Friedens- und Freundschaftspolitik betreiben. Im Falle eines kriegerischen Angriffs seitens anderer Mächte war gegenseitige Unterstützung, zumindest wohl­ wollende Neutralität zugesichert. Die Militär- und Flottenabkommen von 1 9 1 3 waren von untergeordneter Bedeutung und enthielten lediglich unverbindliche Sondierung für gerneinsame Operationen . Das Telegramm des Zaren vorn 3 1 . 7 . kreuzte sich mit einem Telegramm des Kaisers Wilhelrns II . , das von 2 1 ) ' " Der We l t k r ie g 1 9 1 4 · 1 9 1 8 ' " , bea r b . + h r sg . vo m R e i c h sa r c h i v , B e r l i n 1 930, B d . I , ' " K r iegsr ü st u ng u nd K r i egswi r t s c haft ' " , S . 2 0 2

16

das mir verb ündete Österreich-Ungarn mobilisiert worden, wo· durc h, wie ich Dir schon mitgeteilt hab e, meine Vermittlung beinahe illusorisch gemacht worden ist . Trot zdem hab e ich sie fort ge setzt. N u nmehr erhalte ich zuverlässige Nachricht üb er

ernste Kriegsvorb ereitungen auch an meiner östliche n Grenze. Die Ve rantwort ung für die Sicherheit meines Reiches zwingt mich zu definitive n Gege nmaßregeln. Ich bin mit meinen Bemühu nge n um die Erhaltung des We ltfrie dens bis an die äußerst e Grenze des Möglichen gegangen. Nicht ich trage die Verantwort ung für das Un heil, das j et zt der ganzen zivilisierten Welt droht . Noch in diesem Augenblicke liegt es in Deiner Hand, es ab zuwende n . Niemand bedrohte Ehre und Macht Ru ßlands, das wohl auf den Erfolg meiner Vermit tlung hätte wart en können. Die mir von meinem Großvater auf dem Totenbette übe rkomme ne Freund­ schaft für Dich und Dein Reich ist mir immer heilig gewe sen , und ich habe treu zu Rußland gestanden, we nn es in schwerer Bedrängnis war , b esonders in seinem letzten Kriege . Der Friede Europas kann von Dir j e tzt noch erhalten werde n, wen n Ru ßland sich entsc hließt, die militärischen Maßnahme n einzuste llen, die Deutschland und Österreich- Ungarn bedrohe n . "

Mittags wurde in Berlin arn 3 1 .7 . der "Zustand der drohenden Kriegsgefahr" verkündet , um 1 5 . 3 0 Uhr wurden die Ultimaten nach Petragrad und Paris abge­ sandt . Rußland wurde aufgefordert , binnen 1 2 Stunden die Kriegsvorbereitungen gegen Österreich und Deutsch­ land einzustellen , andernfalls Deutschland mobilisieren werde. Frankreich erhielt die Anfrage, binnen 1 8 Stunden zu erklären, ob es sich i n einem deutsch ­ russischen Krieg neutral verha:lten werde. 2 2 ) 2 2 ) Wa s d i e A r c h i v e e r st n a c h K r i e gsende pre i sg a be n : I m F a l l e e i n e r f ra n z ö s i s c h e n N e u t r a l it ät sz u sage so l l te B o t s ch after S c h o e n a l s Pf a n d für d i e N e u t r a l ität d i e F e st u ngen To u l u nd V e rd u n b i s z u e i n e m K r i eg se n d e ve r l a n ge n , e i n u nb i l l iges A n s i n n e n , d a s nach B e k a n n t w e rd e n 1 9 1 8 den S c h ad e n für Deut sch l a nd n o ch ve rgr ö ßert e .

D i e e nts c h e i d en d e n

T a g e d es A u g u s t 1 9 1 4

Der Telegrammwechsel ging auch am 1 . August weiter. An diesem Tag gegen 1 4 Uhr sandte der Zar an Kaiser Wilhelm II . folgenden Text : " I ch hab e Dein Tel egramm erhalt e n . Ich verst eh e , daß D u ge zwungen bist , mob il z u machen , aber ich möchte von Dir dieselb e Garant ie hab e n , die ich Dir gegeben hab e , nämlich , daß di ese Maßnahmen nic ht Krieg b edeuten und daß wir fortfahre n werde n , zu verhandeln z u m H e i l e unserer beiden Länder u n d des allgemeinen Friedens, der unsere n Herzen so teuer ist . Unserer Freundschaft muß es mit Gottes Hilfe gelingen , Blutvergie ßen zu verhindern . Dringend erwart e ich voll Vertrauen Deine An twort ."

Hierauf antwortet e der Kaiser noch

am

1 .8 . :

" I ch dan ke Dir für De in Telegramm . Ich hab e Deiner R egie­ rung gest ern den Weg angegeben, durch den allein noch der Krieg vermie den werden kann. Obwohl ich um eine Antwort für h e ute Mi ttag ersucht hatt e , hat mich bis jetzt noch kein Telegram m meines Botschafters mit e iner Antwort Deiner Regierung erreicht. Ich bin daher ge zwu ngen worden , meine Arm ee zu mobilisieren. Eine sofort ige k lare und unmißverständliche Antwort Deiner Regierung ist der ein zige Weg, um e ndloses Elend zu vermeiden. Bis ich die se Antwort erhalt en hab e , bin ich zu meiner B etrübnis nicht in der Lage , auf den Gegenstand Deines Telegramms einzugehen . Ich muß auf das er nstest e von Dir v erlangen , daß D u unverzüglich De iner Re gierung d e n Befehl gibst , unter keinen Umst änden auc h nur die le isest e Verlet zung unserer Gre n ze n zu begehe n . "

Telegramm des Reichskanzlers an den kaiserlichen Botschafter in London vom 1 . August: " Deu tschland ist bereit , auf die englisc hen Vo rsch läge ein zu­ gehen, wenn sich England mit seiner Streitmacht für die unbedingte Ne utral ität Frankreichs im deutsch -russischen Kon· flikt verbürgt . Die deutsche Mob ilmac hung ist heute auf Grund der russischen Herausforderung erfolgt , ehe die englisc hen Vo r­ schläge hier eintrafe n. Infolgedessen ist auc h unser Aufmarsch an der franz ösisc hen Grenze nicht mehr zu ändern. Wir verbürge n uns ab er , daß die französische Gre n z e bis Mo ntag, den 3 . August , ab ends 7 Uhr durch unsere Tru ppen nicht überschrit te n wird , falls bis dah in die Zusage Englands erfolgt ist . ge z . Bethmann Hollweg . "

Auch an den König von England sandte der Kaiser ein Telegramm am 1 . August 1 9 1 4 : " I ch habe soeben die :vl i t t e ilung Deiner Regierung erhalt e n , durch d i e s i e d i e franz ösische Neutral ität unter d e r Garan tie Großb rit anniens anb iet e t . Di esem Anerb ieten war die F rage ange­ schlosse n, ob unter diesen Bedingungen Deutschland darauf ver­ zicht en würde , Frankreich anz ugreifen. Aus te chnischen Gründen muß me ine schon heut e nachmitlag nach zwe i Front e n , nach Ost en und West en, angeordnet e Mobilmachung vorbereitu ngs­ ge mäß vor sich gehe n. Gegenbe fehl kann nicht mehr gegeben werde n , weil De in Te legramm leider zu sp ät kam . Aber wenn mir Frankreich seine Neutral ität anbiet e t , die durch d ie englische Armee und Flotte garant iert werden muß, werde ich natürlich vo n e inem A ngriff auf Frankreich absehen und meine Truppen ander­ weitig verwende n . Ich hoffe , F rankreich wird nicht nervös

werden . Die Truppen a n meiner Grenze werde n gerade tele­ grap hisch und t elepho nisch abgehalten, die französische Grenze zu übersc hreit en. "

Der König von England telegraphierte am 1 . August an Kaiser Wilhelm II . : " I n B eantwo rtung Deines Telegrammes, das eben eingegangen ist , glaube ic h, daß ein Mißverständnis bezüglich einer Anregung vo rliege n m u ß , die in einer freundschaftlichen Unterhaltung zwischen dem F ürsten Lichnowsky und Sir Edward Grey erfolgt ist , als sie erörterte n , wie ein Kampf zwischen der deutschen und französischen Armee vermieden werden könn e , so lange noch die Möglichkeit besteht, daß ein E inverständnis zwischen Österreich und Rußland erzielt wird. Sir Edward Grev wird den Fürsten Lichnowsky morge n früh sehe n , um festzusteHen , ob ein Mißver­ ständnis auf seiner Seite vorliegt . gez . Georg . "

Um e s hier vorweg zu nehmen : am 2 . August mußte Fürst Lichnowski aus London in einem Telegramm nach Berlin gestehen, daß die britische Führung in der Tat nicht daran gedacht hatte, Neutralität, unter welchen Voraussetzungen auch immer, zuzusagen , daß mit anderen Worten die deutschen Hoffnungen hierauf Miß­ verständnisse waren : " Die Anregungen Sir Edwa.-d Grey 's, die auf dem Wunsche beruhten, die Möglichkeit dauernder Neutralit ät Englands zu schaffen, sind o h ne vorherige Fühlungnahme mit F rankreich und o hne Kenntnis der Mobilmachung erfolgt und inzwischen als vö llig aussichtslos aufgegeben. gez. Lichnowsky. "

Am Sonnabend den 1 . 8 . 1 9 1 4 gegen 1 7 Uhr sieht sich der Kaiser im Kreis seiner Minister , Generäle und Admi­ rale der Situation gegenüber , daß weder aus Petersburg noch aus Paris eine Antwo rt eingegangen ist. Daß Viviani dem Botschafter Schoen bereits um 1 2 Uhr mitgeteilt hat, " Frankreich werde tun , was ihm seine Interessen gebieten " , war noch nicht nach Berlin durchgedrungen . Einhellig wurde daher die deutsche Generalmobilmach­ ung als Reaktion auf die russische beschlossen . Eine Stunde vorher hatte die Regierung in Paris das gleiche in Frankreich verfügt . Bereits am Tag zuvor, abends am 3 1 .7 . , bevor also die deutsche Mobilmachung beschlossen worden war, erhielt Joffre vom Ministerrat die Versicherung, daß die französische Allgemeine Mobilmachung am 1 . 8. spätestens 1 6 Uhr verkündet werde, sowie die Ermächtigung, dies den Armeeko rps mitzuteilen. Zur gleichen Zeit - also am 3 1 . 7 . abends ­ gab Messimy dem russischen Militärattache Ignatiew "in gehobenem, herzlichem Ton den festen Entschluß der französischen Regierung zum Kriege" bekannt und gab der H offnung des französischen Generalstabs Ausdruck , daß Rußland alle Anstrengungen gegen Deutschland 17

1 9 1 4: D eu tsche Soldaten au f dem Weg zu r Front. - Sieht

so



das Ergebnis einer Mobil sieru ng zu r Eroberu ng f remder, Länder

(oder gar "der Welt" ) , ein Krieg swille gegen einen weit ü ber das Dop pelte so stark en u n mi ttelbaren G egner au s?

richten und Österreich als quantite negligeable betrach­ ten möge. Wiederum einen Tag vorher , am 3 0 . 7 . hatte Joffre bereits 5 Armeekorps - zwar unter Vermeidung von Eisenbahntransporten - in die Grenzbezirke verlegen lassen, allerdings mit der Order , einen Abstand von 1 0 km von der Grenze z u halten . Frankreich hat seine Generalmobilmachung n i c h t aus Furcht vor einem deutschen Angriff auf Frankreich beschlossen , sondern in Einlösung seiner selbst eigen­ willig weitgespannten "Bündnisverpflichtungen " gegen­ über Rußland bzw. in Wahrnehmung einer als "günstig " angesehenen ' ' Chance' ' , Elsaß-Lothringen wiederzuer­ halten ! Dieser Sachverhalt ist für die Bewertung der Schuld- Zusammenhänge von ausschlaggebender Bedeu­ tung, weitete er doch den Konfliktbereich in westeuro­ päische Dimensionen aus Gründen französisch-egois­ tischer Interessen und nicht etwa aus Gründen deutscher Expansivambitionen aus ! Weder gab es ein deutsches Eroberungsziel gegenüber Frankreich noch hat Frank­ reich ein solches ernsthaft behauptet oder gar nachgewiesen. Die spontane Generalmobilmachung Frankreichs ge­ winnt darüber hinaus noch weitere Schwergewichte durch folgende Fakten :

1 . ) Noch am krisengeschwängerten 2 9 . Juli bestätigte Viviani dem russischen Botschafter Iswolski die Ent­ schlossenheit seiner Regierung und der französischen Öffentlichkeit , ohne Vorbehalte "in voller Einigkeit mit Rußland gemeinsam vorzugehen". Z . ) Der Quai d'Orsay (französisches Außenamt) hat in der Vorgeschichte des Weltkrieges der zaristischen Regierung nicht zeitgerecht angeraten , die Folgen einer Mobilmachung gegenüber Deutschland zu bedenken 18

bzw. Mob.-Maßnahmen zu vermeiden , die Deutschland als Bedrohung auffassen könnte . Ein diesbezügliches Telegramm Vivianis vom 3 0 . 7 . kam erst 2 Tage nach dem Beschluß der russischen Generalmobilmachung ( am 3 1 . 7 . ) dem Zaren zu Gesicht und mag möglicherweise für die Akten und zur Beruhigung der Kabinettsmit­ glieder gekabelt worden sein . Freilich war zu jener Stunde die russische Generalmobilmachung in Paris noch nicht bekannt , da Petragrad die westlichen Diplomaten erst mit bewußter Verzögerung davon unterrichten ließ . Immerhin läßt sich das Bemühen , sich nicht in die militärischen Maßnahmen des russischen Bundesge­ nossen einzumischen, als bedenklich bezeichnen, da man in Paris bereits die Anordnung der russischen Mob .-Be­ fehle gegenüber Österreich vom 2 8 . 7 . als ein - wie sich aus den Akten erweisen sollte - Vorgehen erblickte , das Deutschland veranlassen konnte, seinerseits Mob .-Maß­ nahmen durchzuführen .

3.) Am 3 1 . 7 . hatten Poincare und Viviani erkannt haben müssen , daß Rußland verhängnisvolle Krisenent­ scheidungen im Alleingang , also ohne Konsultation mit Paris , getroffen hatte, und Paris der russischen Regierung praktisch eine Blankovollmacht zur Beibehaltung dieser Führungsrolle erteilt hatte, was zumindest noch einmal aus dem Telegramm Vivianis vom 2 8 . 7 . nach Petragrad hervorgeht . Am wenigsten Frankreich kann der Reichs­ regierung einen Vorwurf daraus machen , auf seinen Bundesgenossen Österreich nicht hart genug durchge­ griffen zu haben ; Paris hat der russischen Regierung in gar keiner Weise Zurückhaltung nahegelegt .

4.)

Die bedrohlichen Auswirkungen der russischen Generalmobilmachung , die sich in den daraufhin er­ folgten - und für Paris nicht überraschenden - deut­ schen Noten bzw . den Ultimaten niederschlugen , hatte man soeben erst erfahren .

Um 1 9 Uhr des 1 . August 1 9 1 4 ü berreichte Graf Pourtales dem russisc hen Außen minister die Kriegser­ klärung Deutschlands. Der Text lautete : " D i e k . R e g i e r u n g h a t s i c h se i t B e g i n n d e r Kri se b e m ü h t , s i e e i n er

friedl i c h e n

Kaiser hat

vo n

sich

be mü h t ,

L ö sung

z u z u fü h r e n .

Einem

R u ßl a n d au sgespr o c h e n e n M.

S. eine

der

De u t s c h e

von

Sr.

M . dem

W u ns c h e n a c h k o m m e nd ,

Kaiser

ge m e i n sam

mit

E n gland

Ve r m i t t lerro l l e be i de n K ab i n e tt e n vo n W i e n u n d

Pe tc rsburg durc h z u fü h r e n , a l s R u ß l a n d , o h n e d i e E rge b n isse da­ vo n a b z u wart e n ,

z u r Mo b i l isie r u ng se in e r ge sa m t e n

Land-

und

Sec s t r e i t k r äfte s c hr it t . l n fo lge

die ser

be dro h l i c h e n ,

durch

keine

m i l it är i s c h e

Vo r ­

bereit u n g von de u t s c h e r S e i t e be grü ndete M a ß n a h m e sah s i c h das De u t s c h e

R e i c h e i ne r e r n s t e n und u n m it t e l b a r e n G e fahr ge ge n­

über. W e n n d i e k . R e gi e r u n g es u n t erlasse n hätt e , d i e se r Gefahr zu b e ge gn e n , hätte s i e die S i c h e r h e it u n d so gar d i e E x i s t e n z D e u t s c h ­ l a n d s a u fs S p i e l ge se t z t . D i e d e u t s c h e R e gie r u n g sah s i c h d a h e r ge z w u nge n , s i c h a n d i e R e gi e r u n g Sr . M . d e s K a i s e r s a l l e r R e u ß e n zu we n d e n u n d a u f d i e E i n st e l l u n g d e r e r w ä h n t e n m i l itärisc h e n Handlu nge n z u d r i n ge n . Da R u ßland dieser F o rdc r u n g n i c h t n a c hge ko m m c n ist a u f d i e s e F o r d e r u n g k e i n e A n t wo r t erte i l e n und durc h d i e se W e i ge r u n g ( H a l t u n g ) Vo r ge h e n

ge ge n

2 3)

z u s o l l e n geglaubt hat

k u ndge t a n hat , daß s e i n

De u t s c h l a n d ge r i c h t e t

i s t , b e c hre i c h m i c h i m

A u ftrage m e i n e r Re gie rung E w . E x z . m it z u t e ile n w a s fo lgt : S . .\1. der K a i s e r , m e i n erhab e ner H e rr s c h e r , n i m mt im N a m e n des Reichs die

Herau s forde r u n g a n u n d b e t rachtet

Kr i e gs z u s t a n d mit R u ß l a n d b e f i n d l i c h . "

sic h als i m

24 )

Für Frank reich hatte das Auswärtige Amt fo lgenden Entwurf ausgearbeitet , der j edoch nicht abgesandt wurde: Dringend ! B e r l i n , d e n I . A ug u s t 1 9 1 4 "Falls die

fra n z ö s i s c h e R e g i er u n g a u f u n s ere A n frage k e i n e

b e f r i e d i g e n d e A n t w o r t e rt e i l t , w e rd e n E w . E x z . i h r h e ute n ac h ­ m i t tag

6

Uhr

m it t e l e urop ä i s c h e r Z e i t

fo lge nde E rklärung ü b er-

wc1sen: ' D i e d e u t s c h e R e g i e r u n g i st v o n B e g i n n d e r K r i s i s a n u m e i n e n fried l i c h e n W u ns c h

Sr.

A u sg l e i c h M.

b e m ii h t

gewese n .

d e s K a i s ers v o n

Aber

R u ßl a nd

wäh r e nd

und

in

sie auf

F ü h lu ng m i t

E n g l a n d n o c h z w i s c h e n W i e n u nd S t . P e t crsb urg v e r m i t t e l t e , h at R u ß l a nd s e i n ge sa m t e s H e e r u nd se i n e F lo t t e m o b ilisiert . D u rch diese Ma ßrege l , der k e i n e a u ß e r o rd e n t l ic h e n K r i egsv o rb er e it u nge n in D e u t s c h l a n d vo r a n gegange n w are n , i s t d a s D e u t sc h e R ei c h i n se i n e r

Sicherheit

b ed ro h t w o rd e n .

E i n e r so l c h e n G e fa h r n i c h t

e n t g ege n t r e t e n , h i e ß e um d i e E x is t e n z d e s R e ic h e s sp i e l e n . D i e d e u t s c h e Regier u ng h a t d a h e r d i e r u s s i s c h e R eg i e r u n g z u r so fo r­ t igen

E i ns t e l l u n g

der

:\1 o b i l m a c h u n g

ge g e n

D e u t s c h land

u nd

se i n e n Verbü nd e t e n O s t erre i c h - U n g arn a u fg e fo rdert . G l e i c h z e i t ig hat

die

deut sche

Regierung

die

R e g i e r u ng

der

fra n z ö s i s c h e n

R e p ub l i k h i e rvo n i n Ke n n t n i s g e s e t z t u nd s i e i n A nb e t r ach t d e r bekannten k l ärung

B e z i e h u nge n d e r R e p u b l i k

d a rü b e r

ersuch t,

ob

z u R u ß l and u m e i n e E r­

F r a n kr e i c h

in

einem

r u ssisch ­

d e u t s ch en Kr iege n e u t r al b l e ib e n w i l l . H i e r a u f h a t d i e fr a n z ö s i s c h e Regier u n g d i e z we ide u t i ge u n d a u swe i c h e nd e A n t w o rt ge ge b e n , Frankr e i c h

w e r de

das

tun,

was

se i ne

I n t e re s s e n ge b ö t e n .

Mit

dieser An t wo r t b e hä l t s i c h F r a n kr e i c h vo r , s i c h a u f S e i t e n u n serer 231

W1e

aus

den

Va r i a n t e n

B o t s c h a f t e r vo r g e s c hr i e b e n e

zwe i e r

Ste l l e n

hervorge ht ,

E r k l ä ru ng sowo h l d e n

sa h

die dem

F a l l vo r , d a ß d i e

r u ss i s c he Reg i e r u n g a u f d i e d e u t s c h e A u f f o r d e r u ng , d i e Mo b i l ma c h u ng e i n z u ste l l e n , ü b e r ha u pt k e i n e A n t w o r t g e b e n , w i e a u c h d e n a nd e r e n

G e g n e r z u st e l l e n , u n d e s i st i n d e r Lage , u n s j ed e n A ug e nb l ick m i t se i n e r m o b i li siert e n A r m e e i n den Rücken z u fal l e n . D e u t s c h ­ land

muß

in

diesem

Verhal t e n

e rb l i c k e n , als a u f d i e Mob i l i s i e r u n g str i c h e n e r

seiner

F rist

um

so

mehr

e i n e B e dro h u n g

an R u ßl a n d g e r i c h t e t e A u ffo rder u ng , d i e S t r e it k räfte

keine

A n t wort

einzustellen , e i ngegange n

n ach

l ä n gst

ver­

u nd

daher

e in

r u ssisc h - d e ut s c h er K r i eg a u sgeb ro c h e n i st . D e u t s c h land kan n d i e Wahl des

Z e i tp u n kt e s , i n d e m d i e B e d r o h u n g se i n e r w e s t lich e n

G r e n z e z u r T at wird , n i c h t F r a n k r e i c h ü b e r lasse n , s o n d e r n m u ß , vo n

zwei

Seiten

b e d ro h t ,

so fo rt

seine

Vert e id ig u ng i n s W erk

setzen . H i er n a c h b i n i c h b eauftrag t , E w . E x z . fo lgendes zu e r ö ffn e n : ' S . M . d e r d e u t s c h e K a i s e r e r k lärt im N a m e n d e s R e ic h s , d aß D e u t s c hland sich als im K r i e gsz u s tand m it F r a n kr e ic h b e fi n d l i c h b e t r ac h te t . ' " " B it t e E i ngang u nd Z e i t p u nk t d e r A u sfüh r u ng d i e s er Instruk­ tion n a c h w e s t europ äisch er Z e it umge h e nd drah t e n . B it t e I h r e Pässe fo rdern u n d S c h u t z u nd G e sc h äfte a m e r i k an i s c h e r B o t s c h aft ü b e rgeb e n . "

J ago w . 2 5 )

War man in B erlin auch d avo n überzeugt , d aß Frank­ reich unverzüglich zur Seite R ußland s springen würd e , so legte man doch Wert darauf - soweit es die M ilitärstrate­ gie zuließ -, Paris den nächsten Schritt tun zu lassen, was für d ie Welt öffent lichkeit , vorneh mlich für die Ent­ scheidung G roßbritanniens zu b evo rzugen sei . D ie starken Befestigungen an d er d eutsch-französi­ schen Grenze h atten d em deutschen Generalstab die F olgerung aufgenötigt , im F alle eines Krieges m ittels eines " starken rechten F lügels " durch Luxemburg und Belgien gegen Frankreich antreten zu müssen . Ent� sprechend dieser Konzeptio n wurde am 2. 8. "zu �

Sch utz der deutschen Eisenb ah nverwaltung " Luxemburg besetzt und um 19 Uhr dem belgischen Auße nminister die Note überreicht, in d er die Notwendigkeit eines deutschen m ilitärischen Durchmarsches d urch Belgien begründet und ersucht w urd e , d iesen M aßnahmen keinen Widerstand entgegenzusetzen . Die R e ichsregierung sagte zu, j egliehe Schäden zu ersetzen und bei Friedensschluß Besitz stand und Unabhängigkeit des Königreiches zu achten . Im Falle eines Widerstandes müsse m an Belgien als F e indstaat beh andeln . E ine Antwort wurd e für d en 3 . 8 . vo rmittags erbeten. Belgien lehnte ab. Nach dem Kriege wurde durch die Publikation der belgischen Dokumente bestätigt, daß Belgien seit 1906 recht umfassend e Erörterungen mit den französischen Militärs für d en Fall eines d eutschen Einm arsch es durch ­ geführt hat , was umgek ehrt mit D eutschland nicht der Fall war. Der französische General Percin, im Obersten französischen Kriegsrat tätig gewesen , enthüllte 1 925 (.1/a n c h e s t c r Guardin n vo m 27 . 1 . 1 925 u n d in l 'Ere No u­ v e lle , 1 9 2 5 ) : in Frank reich war man sich lange vo r Kriegsbeginn darüber im klaren , daß Deutschland gar nicht umhin ko nnte, im Kriegsfall mit Frankreich durch Belgien zu marschieren und daß, falls Deutschland diesen Schritt nicht unterne hmen würd e , dies Frankreich tun wü rde und müßte. 2 6 )

F a l l , d a ß d i e A n t wo r t u ng e n ü ge n d se i n wü r d e . 2 4 1 A l t r ed vo n Wege r e r . " Der A u sb r u c h d e s W e l t k r i e g e s " , H a rnb u rg 1 939 , Bd. I I , S 1 7 2

2 5 1 A. v. Wegerer a a O . , S . 365 2 6 1 A . Po n so n b y a a O . , S . 48 - 52

19

Do ch bereits im Okto ber 1 9 1 4 hatten die deutschen Behörden

den

dokumentarischen

Nachwe is

in

er­

beuteten Akten aus den Archiven des belgiseben Gene­ ralstabs in

Brüssel dafür liefern können ,

langfristig vor

daß

bereits

Kriegsbeginn Belgien sich für den Fall

eines euro päischen Krieges nicht neutral zu verhalten gedachte. Wenn auc h der nachfo lgende Beleg nach Ver­ öffentlichung

in

der

" No rddeutschen

Allgemeinen

Zeitung" vo m 1 3. 1 0. 1 9 14 dahingehend abzuschwächen versucht

wurde,

daß

es

sich

hierbei

um

"Privatab­

machungen zwischen dem englischen Militärattache in Brüssel,

Oberst

Barnardiston, und dem Chef des bel­

gischen Generalstabs , Gen eral D ucarme, handele, so ist

i n der Rheinprovinz an. "

2 7)

Am 2.8. 1 9 14 hatte die Besetzung Luxemburgs die vom französischen Generalstab vorbereitete Variante mit dem Aufmarschplan im Norden gegenüber Belgien ausge­ lö st. Am 3.8. spielten zahlreiche Grenzverletzungen an der deutsch-französischen Grenze für d ie Entscheid ungs­ pro zesse eine so erhebliche Rolle , daß m an aus ihnen ableitete, der Kriegszustand sei bereits eingetreten. So wurde

der

Text

der deutschen Note

an F rankreich

gegenüber der ersten F assung total abgeändert und fest­ gestellt , d aß

"Frankreich

versetzt " h abe.

uns somit in Kriegszustand

D a der telegrafisch übermittelte Text

doch eine solche Erklärung unrealistisch. Ohne Kenntnis

j edoch verstümmelt in Paris eintraf, erhielt dieser in Paris

und Billigung ihrer

offiziell zugestellte

machungen ,

Re gierungen konnten

solche Ab­

zumal in der vorliegenden ausführlichen

Passus

der

Note

die

Form,

"das

Reich betrachtet sich in Anbetracht dieser Angriffe als

Form, nicht fixiert werden. Der deutsche Pressebericht

im Kriegszustand b efindlich ". Kurz vor 16 Uhr am 3.8.

am 1 3. 1 0. 1 9 1 4 lautete u.a. :

setzte Botschafter S choen Ministerpräsident Viviani hier­

"Aus dem Inhalt einer Mappe mit der Aufschrift 'Intervention anglaise en Belgique'

geht hervor, daß schon im Jahre 190 6 die

Entsendung eines englischen Expeditionskorps nach Belgien für den

Fall

eines

deutsch-französischen

Krieges

in Aussicht ge­

nom men war. Nach

einem

vorgefundenen

Kriegsminister vom

l O . April

Schreiben

Generalstabes mit dem

damaligen

Brüssel

Barnardiston

Oberstleutnant

an

den

belgischen

1906 hat der Chef des belgischen englischen Militärattache in auf

dessen

Anregen

in

wiederholten Be ratungen einen eingehenden Plan für gemeinsame

von in Kenntnis. Die deutsche Note w ar d ürftig und in bezug auf konkret angeführte Grenzverletzungen z.T. auch unrichtig, so daß dieser Text in der ausländischen Öffentlichkeit viel Schaden angerichtet hat. Der erste, nicht weitergeleitete Entwurf hatte die Gründe für das Handeln

der

Reichsführung

überzeugender

dargelegt.

Immerhin war es der 2. Tag der franzö sischen General­ mo bilmachung, und Generalmobilmachung war damals mit Kriegsentschluß gleichrangig.

Operationen eines englischen Operationskorps von 100 . 0 0 0 Mann

Am 4. 8; morgens um 8 Uhr marschierten die deut­

mit der belgischen Armee gegen Deutschland ausgearbeitet. Der

schen Truppen in Belgien ein. Der Krieg auch im Westen

Plan fand die Billigung des Chefs des englischen Generalstabes Geierson . Dem belgischen Generalstabe wurden alle Angaben über Stär ke

und

Gliederung

der englischen

Truppenteile,

über

die

hatte bego nnen. Großbritannien sandte Deutschland d as tags zuvor vo m Unterhaus beschlo ssene Ultim atum mit

Aus­

12 Stunden Fristset zung, die belgisehe Neutralität zu

schiffungspunkte, eine genaue Zeitberechnung für den Abtrans­

gewährleisten. Um 1 7 Uhr erklärte Großbritannien , ohne

po rt und dergleichen geliefert. Auf Grund dieser Nachrichten hat

die Fristsetzung abzuwarten , an Deutschland den Krieg.

Zusammensetzung

des

englischen

Expeditionskorps,

die

der belgisehe Generalstab den Transport der englischen Truppen in das belgisehe Aufmarschgebiet, ihre Unter bringung und Er­ nährung dort eingehend vorbereitet. Bis in alle Einzelheiten ist das Zusam menwirken sorgfältig ausgearbeitet worden. So so llten der

Österreich erklärte sich am 6. 8. unter Bezugnahme auf die drohende Haltung Rußlands gegenüber Ö ster­ reic h sowie

auf das Bündnis mit Deutschland als im

englischen Armee eine große Anzahl Dolmetscher und belgisehe

Krie gszustand

Gendarmen zur VerfUgung ge stellt und die nötigen Karten ge­

k lärten

mit

Rußland

liefert werden. Selbst an die Versorgung englischer Verwundeter

den Krieg. Italien blieb neutral , trat j edoch im Jahre

Großbritannien

befindlich.

Am 12 .8. er­

und Frankreich an Österreich

Dünkirchen, Calais und Boulogne

1 9 1 5 auf Grund eines Geheimvertrages , der Rom die

waren als Ausschiffungspunkte für die englischen Truppen vorg e­

Annektio n des deutschen Südtiro l sowie eine Vergröße ­

war bereits gedacht worden.

sehen. Von hier aus sollten sie mit belgisehern Eise nbahnmaterial in das Aufmarschgebiet gebracht werden. Die beabsichtig te Aus­ ladung in französischen Häfen und der Transport durch franzö­ sisches

Gebiet

beweist,

das

den

englisch-belgischen

Verein­

rung des italienischen Kolonialreiches nach Kriegsende zusicherte , auf die Seite der alliierten und asso ziierten

kriegfuhrenden Mächte. 2 8 )

Generalstabe vorausge­

Japan erklärte a m 23.8.1914 Deutschland den Krieg,

gangen waren. Die drei Mächte haben die Pläne für ein Zusammen­

der o stasiatischen deutschen Kolonien-Beute wegen, die

arbeiten der verbündeten Armeen, wie es in dem

britischen Co mmonwealth-Länder u. �. der übrigen Kolo ­

barungen so lche mit dem französischen

Schriftstück

heißt, genau festgelegt. Dafür spricht auch, daß in den Geheim­ akten eine Karte des franz ösischen

Aufmarsches aufgefunden

worden ist. Das erwähnte Schreiben enthält einige Bemerkungen v o n besonderem In teresse. Es heißt dort an einer Stelle, Oberst­ leutnant Barnardiston habe bemerkt, daß man zurzeit auf die Un terstützung Hollands nicht

rechnen

könne.

Er habe ferner

vertraulich mitgeteilt, daß die englische Regierung die Absicht habe, die Basis für den englischen Verpflegungsnachschub nach Antwerpen zu verlegen , sobald die Nordsee von allen deutschen Kriegsschiffen

gesäubert

sei .

Des

weiteren

regt der

englische

MilitäraHaehe die Einrichtung eines belgischen Spionagedienstes

20

nial -Beute wegen. Die USA gaben schließlich mit ihrem Kriegseintritt am 6. April 1917 den Ausschlag für den Kriegsausgang. 27 )

Pa u l Sc hrecke nbac h , " De r W e l t b r a n d - I l l u st r ierte G e s c h i c hte a u s gro ßer Ze it " , Le i pz ig 1 920, S . 1 40 - 1 42

28 ) I t a l i e n trat a m 2 3 . M a i 1 9 1 5 a u f Se i te n d e r A l l i i e rte n i n d e n Kr ieg e i n , na c hd e m G ro ßbr ita n n i e n , F r a n k re i c h + R u ß l a nd i n e i n e m G e he i m­ vertrag I t a l i e n de n k ü n ft i ge n Bes i t z st a n d vo n Südt i ro l Trent i no Tri est d i e G r a f s c ha fte n G ö rz + G r a d i sk a , l st r i e n , D a l mat i e , a l l e vo l t a l i e beset zte n I n se l n de s Dodek a ne s sowi e E i nf l u ß in Alba n i e n ver s pro chen hatte n .







A u ß e n po l i t i s c h e Z i e l vo r s t e l l u n g e n Ru ß l a n d

Diese "imperialistischen " Bemühungen wie auch zweifellos unverbindliche - britische Ermutigungen h ier­ für enthüllten die Bolschewisten nach dem Krieg in der

Obglei ch, wi e gesagt , überreichlich mit Lebensraum und Ro hsto ffen saturiert , hing die russische Außen­ polit ik langj ährigen Sehnsüchten auf den Zugang zum Mittelmeer nach. Trotz der zahlreichen Wechsel in den Machtverhält nissen auf dem Balkan war sie diesem Ziel nicht nähergeko mmen. Will man das Verhältnis zwischen Rußland und ö sterre ich-Ungarn sac hgerecht bewerten , so empfiehlt sich ein Rückblick auf das Jahr 1 8 7 6 , als Ö sterreich im russisch ­ türkischen Krieg neutral geblieben war . Als Gegen­ leistung dafür unterstützte Petragrad die Besetzung der serbisch besiedelten Pro vinzen Bosnien und Herzegowina durch die k. u . k. Monarchie. 1 8 7 8 verwandelte der Berliner Ko ngreß diese Vereinbarung in ein europäisches Mandat . gab Rußland sein Einverständnis , d aß Wien die beiden Pro vinzen durch einen fo rmellen Akt der Annek­ tion "regularisiere " . Österreich mußte als Gegenle istung versprechen , die internatio nale Diplomatie dafür zu ge­ winnen , daß die verschiedenen europäischen Verträge in bezug auf die Dardanellen aufgehoben und russischen Kriegssch iffen das Recht zugestanden werd e , den Bos­ po rus frei zu passieren, also den Zugang zum M ittelmeer zu eröffnen . ( Die Serb en selber waren für die russischen Po litiker o ffe nsichtlich von keinem wesentlichen Inter­ esse ) . Diese Zusage j edenfalls hat Österreich nicht einge­ halten bzw . einhalten k önnen, was zu einer Ve rärgerung der zaristischen Diplomatie und zu einer Kursänderung gegen Österreich- Ungarn führte. So entsann man sich in Petragrad erneut der gro ß­ se rbischen Aspiratio nen z ur Schaffun g eines gesamt­ serbischen St aates und kombinierte die französischen " Revanche "-Bestrebungen zweck s R ückgewinnung vo n Elsaß - Lothringen in das neue außenpolitische Konzept hinein, wobei der Zerfall, wenn nicht gar die Zer­ schlagung der k . u . k. Monarchie als nicht ungelegen einkalk uliert wurde . Ließ sich doch wo möglich mit H ilfe so lcher Art Veränderungen sowohl eine Nutzbar­ mach ung der adriatischen K üst e als auch eine Be sitzer­ greifung von Ko nstantinopel bzw. der Dardanellen und damit das lang ersehnte Ziel nunmehr auf diese Weise erreichen . 1908

Prawda

unter V eröffentlichung zahlreicher b is dahin

geheim

gehaltener Dokume nte der zaristischen Regie­

rung. Außerdem hat der ehemalige serbische Geschäfts­ träger in Berlin und P olitiker M . Boghitschewitsch in seinen Dokumentatio nsbänden " Die auswärtige Politik Serbiens 1 9 03 - 1 9 1 4 " ( 3 Bde . , Berlin 1 928 - 1 9 3 1 ) mit zahlreichen Berichten serbischer Gesandter aus Petro ­ grad , Paris und London vo n 1 9 0 8 - 1 9 1 4 und weiteren Dokumenten diese Sachverhalte b estätigt und ergänzt . So

berichtete

minister

z.B.

Saso now

im

der

damalige russische

Außen­

September 1 9 12 an den Z aren

nach einem Besuch in Londo n : " Grey erklärte o h ne z u sc hwanke n , daß , we nn die i n F rage stehe nden Umstände e ingetret en sein würde n , E n gland alles daran set z e n würde , um der deutschen Machtstellung den fühlbarst e n Schlag

z u z ufüge n . . . .

Der

Kö nig,

der. . .

m i t mir die se lb e Frage

berührt e , sprac h sich noch viel e nt sc h ie de n e r als sein M i nister aus. Mit sichtlicher Erregung erwähnte S .M . das Streb en Deutschlands nach Gleichstellung mit Großbritannien in b e z ug auf die S e e streit­ kräfte

und

rief aus, daß im Falle e i n e s Zu sam m e n s t o ß e s dies

verhängnisvo lle Fo lge n nicht nur für die deutsche F lott e , so ndern auch für den deutschen Handel haben m ü sse , denn die E ngländer wü rden j edes deutsche Sch iff, da s ihnen in die H ände k o m m t , in den Grund bo hre n . Die let z t eren Wort e spiegeln augenscheinlich nicht nur persönliche Ge fühle S . M . w ide r , s o ndern auch d ie in England herrschende Stimmung i n bezug auf Deutschland . "

2

9)

Im April 1 9 1 4 : " z e igte stimmte

Sir

E.

Grey

Bereit willigkeit ,

aber

die klar au sgespro chene und be·

gem e i n sa m e

Op eratio nen

englischer

Streitkräft e nicht nur mit Frankreic h , so ndern auch mit R u ßland zu orga n i si ere n . " 3 o)

Der se rb i s ch e G e san dt e P o p o witsch am 27 . 3. 1 9 1 3 nach

Belgrad :

" De r ( russische )

Minister des Äußeren h at

mir erwidert , er

hege nach de n gro ß e n Erfo lge n Vertrauen zu u n serer Kraft und glaube , daß wir Österrei c h - Un garn erschüttern werd e n . Demgemäß so llten wir uns mit dem be gnüge n , was wir bekommen werden , und

di e s

als

unser . . . " 3 1 )

eine

Etappe

betrach t e n ;

denn

die

Zuku nft

sei

Iswo lski an Saso no w aus Paris am 1 2 . 9. 1 9 12 : 29)

D e u t sches We i ß b u c h

1919

=

" De u t s c h l a n d

sch u l d ig ?

-

D e u tsches

We i ßb u c h über d i e V e r a ntwo rt l i ch k e i t d e r U r h e b e r d e s K r i e ge s " , h r sg . m i t G e n e h m i g u n g des A u sw ä rt i g e n A m t e s , B er l i n 1 9 1 9 , S . 1 9 5 + E . D . Mo r e l a a O . , S. 8 1 + 2 4 3

30) E . D . M o r e l a a O . , S . 8 2 3 1 ) E . D . Mo r e l a a O . S . 1 9 4

21

" Sollte j edoch der Z u samm e n st o ß ( R u ßlands) m it Öst erreich ein

b e waffnetes

E in gre ifen

De u t s c hlands

nach si c h z i eh e n , so

erkennt Frankreich das von vornherein für einen 'casus fo ederis ' an und wird auch nicht eine M i n u t e z ögern , s e i n e V e rp flich tu nge n gegen R ußl and zu erfüllen . . . ( Po i ncare sag t e zu I swo lski ) , es se i ihm

b e ka n nt ,

daß

die

sac hverst ändige n

und

verantwo rtlichen

zertrü mmer n u n d K o n stant i n o pel zwecks Russifiz ieru ng der Meer­ e n gen z u erwerben - 'ein Pro lo g z u dem Kriege um Ko nstanti­ nopel ' , wie Po krowski b e m e r k t . Die russischen D i p l o m a t e n verheim lichten S i r E . Grey vo r dem gro ß e n Kri e g so weit als m ö glich ihre Absichten auf die Türk e i ; aber so fort b e i seinem Ausbruc h deckten s i e ihre Kart en a u f , und

Persö nlic hk e i t e n die Chancen R u ßlan d - F rankreichs im F alle eines

Sir E.

Grey hatte

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