Drei Männer im Schnee.pdf

January 14, 2017 | Author: Ejup Majollari | Category: N/A
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ERICH KÄSTNER (geb. 1899) gehört wohl zu den bekanntesten Schrift­ stellern Deutschlands. Allgemein bekannt ist er als Verfasser von Romanen »für Kin­ der von 9-90 und darüber« und das ist scha­ de. In erster Linie ist er nämlich ein Mora­ list und Satiriker. Ganz besonders tritt dies in seinen Gedichten hervor, in denen er, oftmals in ungemein scharfer Form, aber nicht ohne Humor, all das bloßstellt, was unrecht ist. Aber er hat gesehen, wie wenig ein Verfasser mit solchen M itteln erreichen kann, denn »Immer wieder kommen Staatsmänner mit großen Farbtöpfen des Wegs und erklären, sie seien die neuen Baumeister. Und immer wieder sind es nur Anstreicher. Die Farben wechseln, und die Dummheit bleibt!«, schreibt er einmal. Und dennoch führt er seinen Kampf weiter gegen alles Unrechte, gegen den Militaris­ mus, gegen die Bürokratie.

WERKE: Herz auf Taille (1927); Gesang zwischen den Stühlen (1932); Doktor Erich Kästners lyrische Hausapo­ theke (1936). Prosa: Emil und die Detektive (1928); Pünktchen und A nton (1931); Fabian (1931); Das fliegende Klassenzimmer (1933); Drei M änner im Schnee (1934); Die verschwundene M iniatur (1935); Der kleine Grenzverkehr (1949); Die Konfe­ renz der Tiere (1949); Das doppelte Lottchen (1949); Als ich ein kleiner Junge war (1957); Notabene 45 (1961). Gedichtsammlungen:

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Dienstboten unter sich und untereinander

»M achen Sie nicht solchen Lärm !«, sagte Frau Kunkcl, die Hausdame. »Sie sollen kein Konzert geben, sondern den Tisch decken.« »G estern gab es N udeln mit Rindfleisch«, bemerkte Isolde m elancholisch. »H eute weiße Bohn en m it W ürstchen. Ein M illionär sollte eigentlich einen ele­ ganteren A p p etit haben.« Dann knallte die Tür. Frau K unkel zuckte zusammen und war allein. Die V illa, von deren Speisezimmer soeben die Rede war, liegt in jener alten A llee, die von Halensee nach H undekehle führt. Jedem , der die Straße kennt, wird die V illa aufgefallen sein, weil man sie überhaupt nicht sieht. W enn man vor dem Tor steht, sieht man den breiten Fahrweg und ein freundliches Gebäude. H ier w ohnen die Dienstm ädchen, die K öchin, der C h au f­ feur und die Gärtnersleute. Die V illa selbst ist nicht zu sehen. A n einer grauen Säule, rechts vom Torgitter, en t­ deckt man ein kleines N am ensschild: Tobler. Tobler? Das ist bestimmt der M illionär Tobler. Der G eheim rat Tobler, dem Banken, W arenhäuser und Fabriken gehören. U nd Bergwerke und Schifffahrtsli­ nien. Tobler besitzt viele M illionen, aber er ist kein M illionär. Frau Kunkel studierte die Morgenzeitung. »Tun Sie nicht, als oh Sie lesen könnten!«, sagte

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Johann, der Diener. »Das glaubt Ihnen ja doch niemand.« Frau K unkel sah ihn giftig an, sagte aber dann: »Heute stehen die Preisträger drin! Den ersten Preis hat ein Doktor aus Charlottenburg gekriegt, den zwei­ ten ein gewisser Herr Schulze. Für so ein paar kurze Sätze werden nun die beiden M änner auf vierzehn Tage in die A lp en geschickt.« »U m was h an d elt es sich eigen tlich ?«, fragte Johann. »U m das Preisausschreiben der Putzblank-W erke.« Jo h an n nahm die Zeitung. »Dieser Herr Schulze«, sagte er, »hat keine Adresse. Er wohnt postlagernd.« »Kann man das?«, fragte Frau Kunkel. »N ein«, sagte Johann. »Warum haben Sie eigent­ lich n icht teilgenom m en? Sie hätten einen Preis gekriegt und man hätte Sie auf vierzehn Tage in die A lp en geschickt. V ielleich t hätten Sie sich den Fuß verstaucht und wären noch länger weggeblieben.« »Ekelhafter M ensch!«, sagte Frau Kunkel.

Charlottenburg ist ein Stadtteil von Berlin

Fragen Warum war Isolde unzufrieden? Wo lag die V illa, von der erzählt wird? W er wohnte in dem freundlichen Gebäude? Was war Tobler? W orüber sprachen Frau K un kel und der D ien er Johann?

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H err Schulze und H err Tobler

Es schneite. Vor dem Postamt in der Lietzenburger Straße hielt eine große Lim ousine. Ein Herr im Pelz stieg aus, ging in das G ebäude und suchte den Schalter für postlagernde Sendungen. »Ist ein B rief für Eduard Schulze da?«, fragte er. Der Beam te suchte. Dann reichte er einen dicken Brief heraus. Der Herr im Pelzmantel steckte den Brief in die Tasche, dankte und ging. A ls der Herr aus dem Postamt trat, öffnete der Chauffeur schnell die Wagentür. Der Herr stieg ein, und das A u to fuhr davon. Das Essen hatte geschm eckt. Johann, der Diener, brachte Zigarren, und Fräulein Hilde, Toblers Tochter, stellte M okkatassen auf den Tisch. Die Hausdame und der D iener w ollten gehen. »Trinken Sie beide eine Tasse Kaffee mit uns. Ich muss euch allen was erzählen. Ich habe m ich näm lich am Preisausschreiben m einer eigenen Fabrik beteiligt und den zweiten Preis gewonnen«, sagte Tobler. »U nm öglich«, sagte Frau Kunkel, »den hat ein Herr Schulze gewonnen. Das habe ich in der Zeitung gele­ sen. S ie w ollen uns zum N arren halten.« »Ich könnte m ich ja auch unter dem N am en S ch u l­ ze beteiligt haben«, sagte Tobler. »Das ist m öglich«, sagte Frau Kunkel. »Da kann man leicht gewinnen, w enn man der C h e f ist.« »K un kel, m an sollte S ie m it dem Luftgew ehr erschießen«, rief Hilde.

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»Das habe ich n icht verdient«, sagte die dicke alte Dame mit Tränen in den Augen. »Worin besteht denn der zweite Preis?«, fragte Hilde. »Zehn Tage A u fen thalt im G randhotel Bruckbeu­ ren. Hin- und Rückfahrt zweiter Klasse«, sagte Johann. »Ich ahne Fürchterliches«, sagte Hilde. »Du willst als Schulze auftreten.« Der G eheim rat rieb sich die Hände. »Richtig! Ich reise diesmal n icht als der M illionär Tobler, sondern als ein armer M ann namens Schulze. Ich will die M ensehen sehen, wie sie w irklich sind.« »W ann fährst du?«, fragte Hilde. »In fünf Tagen. M orgen kaufe ich ein. Billige H em ­ den, einen billigen Anzug, und damit genug.« »W enn sie dich als Landstreicher einsperren, telegrafiere«, bat die Tochter. »Keine Angst, m ein Kind. Johan n fährt mit. A b er wir werden uns nicht kennen.« Johan n saß niedergeschlagen auf seinem Stuhl. »M orgen bekom m en Sie beim Schneider mehrere neue Anzüge. Sie sollen aussehen wie ein Großherzog,

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Johan n «, sagte Tobler. »Wozu?« fragte Johann. »Ich w ill doch lieber Ihr Diener sein.« »W ollen Sie lieber hierbleiben?« »A ber nein«, sagte Johann. »W enn Sie es wünsehen, reise ich als Großherzog. D arf ich die ganzen zehn Tage n icht mit Ihnen sprechen?« »U nter gar keinen U m ständen. R ichtig, einen S k i­ anzug müssen Sie auch haben.« »Ich kann n icht Ski fahren«, antwortete Johann. »D ann werden Sie es lernen.« Jo h an n sank in sich zusammen. »D arf ich w enig­ stens m anchm al in Ihr Zim m er komm en und aufräumen? Ich werde bestimmt nur komm en, wenn n ie­ mand auf dem Korridor ist.« »V ielleicht«, sagte der Geheim rat. Jo h an n sah wieder ganz froh aus.

Fragen Was wollte Tobler auf der Post? Was erzählte Tobler nach dem Essen? Warum konnte Frau K unkel nichts davon verstehen? Was meinte H ilde von der ganzen G eschichte? Wer sollte mitkommen? Warum konnte er nicht als D iener reisen?

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Mutter Hagedorn und Sohn

A ls Doktor Hagedorn heimkam , stand seine M utter am Waschfass. Sie trocknete schnell ihre Hände und gab ihm den Brief. »Ich weiß schon«, sagte er. »Ich habe es in der Zen tung gelesen. Lieber wollte ich eine Anstellung. Ich war auch schon in den Putzblank-W erken. Der D irek­ tor freute sich, den ersten Preisträger persönlich ken ­ nen zu lernen. Eine Stellung war aber dort nicht frei. Ich schlug ihm vor, mir G eld zu geben statt der Reise. A b er das war auch nicht möglich.« Herr Hagedorn stellte sich missmutig an den O fen und wärmte seine kalten Finger. »K opf hoch«, sagte seine Mutter. »Jetzt fährst du erst einm al zum W intersport. Das ist besser als gar nichts.« »Ja, und du kannst nicht mit! Da soll man nicht schim pfen dürfen? Diese Putzhlank-W erke gehören dem Tobler, einem der reichsten M änner. W enn man diesen alten O nkel einm al zu fassen kriegte!«

Fragen Was wäre Herrn Hagedorn lieber, als nach Bruckbein rcn zu reisen? Was wünschte er sich?

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Gelegenheitskäufe

A n den folgenden Tagen besorgte sich Geheim rat Tob­ ler seine Expeditionsausrüstung: uralte Schlipse, drei bunte Hemden und ein Paar billige Manschettenknöpfe, W ollsocken und ein Paar schwere lederne Stiefel. Bei einem Altwarenhändler kaufte er am Tag der Abreise 5 den Anzug, einen violetten, der außerdem reichlich klein war. A u f dem Boden suchte er sich den Rest seiner Ausrüstung zusammen: Ein Paar verrostete Schlittschu­ he, einen alten Sweater, eine gestrickte, knallrote M üt­ ze, einen altmodischen M antel und noch anderes mehr. 10 U nd zur gleichen Zeit war der Schneider da und pas­ ste dem Johann, dem Diener, neue, elegante Anzüge an: Jacketts, den Sm oking, die Skijoppe und den Frack. Johan n stand unglücklich da. »G ibt es in Bruckbeuren eigentlich Kostümfeste?«, 15 fragte Johan n den Geheim rat. »Selbstverständlich. W ollen Sie sich denn kostü­ mieren?« Jo h an n zog seine Dienerjacke an und sagte: »Als Diener!« 20 Im Arbeitszim mer des G eheim rats lag seine A u s­ rüstung. A ls Frau Kunkel die Sach en sah, sagte sie: Ausrustungsgegenstände

»Das überlebe ich nicht!« »W ie Sie w ollen«, sagte Tobler. »A ber erst packen Sic die Sach en in den Reisekorb.« Hilde sagte: »Überm orgen bist du wieder daheim, lieber Vater. Sie werden dich hochkantig hinauswer­ fen.« »Wisst ihr, was ich dann tue?« S ie blickten ihn gespannt an. »Dann kaufe ich das H otel und schmeiße die ändern hinaus!« Als Jo h an n und der G eheim rat gegangen waren, m el­ dete Hilde hastig ein dringendes Telefongespräch mit Bruckbeuren an. »Lassen Sie niem anden herein«, befahl sie Frau Kunkel. »Nur über m eine Leiche«, versicherte die. »A uch dann nicht«, m einte Hilde. Dann klingelte das Telefon. Hilde verlangte den I loteldirektor und sagte: »Sie sind der Direktor des I lotcls? G u t! M orgen trifft der Preisträger der Putzhlank-W erke bei Ihnen ein. Dieser G ast tritt als armer M ann auf, obwohl er M illionär ist. Er w ill die M enm hon studieren. Sie müssen ihn behandeln wie einen innen M ann und trotzdem so, wie er es gewöhnt ist. Er nnmelt Briefm arken. Er muss jeden zweiten Tag masirrt werden. Abends muss ein warmer Ziegelstein in •ein Bett. N udeln mit R indfleisch isst er am liebsten. I’i.mzösischen Kognak trinkt er besonders gern. U nd i.unesische Katzen hat er in seinem Zimmer. Besorgen ' Mi' ihm einige.« • I )er G eheim rat komm t«, flüsterte Frau Kunkel. "G u ten Tag«, sagte H ilde und legte schnell den

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H örer auf. Der Chauffeur fuhr sie zum Bahnhof. H ilde und Frau K unkel kam en mit. Tobler liebte es, wenn man seinet­ wegen mit Taschentüchern winkte. »Vergessen Sie es nicht, Johann«, sagte Tobler. »A b morgen kennen wir uns nicht mehr. Ich bin dann Herr Schulze.« »D arf ich Ihnen denn gar nicht helfen?« »N ein!« Dann fuhr der Zug ab. Hilde und Frau Kunkel w ink­ ten. Der G eheim rat nickte vergnügt. U nd eine kleine alte Frau, die neben dem Zug herlief, stieß mit Hilde zusammen. »W illst du dich wohl vorsehen!«, rief ein junger M ann, der sich aus einem Fenster beugte. »Komm du nur wieder nach Hause, mein Junge!«, antwortete die Frau und schw enkte drohend den Schirm . » A u f W iedersehen!«, rief er noch. Hilde und er sahen einander kurz ins G esicht. Dann rollte der letzte W agen vorbei.

2 Drei Männer im Schnee

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Fragen Was kaufte Tobler ein? Und was bekam zur gleichen Zeit der Diener Johann? Was tat Hilde, als Tobler aus dem Zim m er gegangen war? Wer reiste auch mit dem Zug ab?

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Grandhotel Bruckbeuren

Das G randhotel in Bruckbeuren ist ein H otel für Stammgäste. M an ist schon Stam m gast oder man wird es. A ndere M öglichkeiten gibt es kaum. So verschieden nun diese Stam m gäste sein mögen. G eld haben sie alle. Den Stam m gästen entspricht ein Stam m personal. Die Skilehrer bleiben selbstverständlich die gleichen. U nd auch die K ellner und Köche, Stubenm ädchen und Hausburschen kehren zu Beginn der W intersaison, so gewiss wie der Schnee, zurück. Der Geschäftsführer, Herr Direktor Kühne, hat seinen Posten seit zehn Ja h ­ ren. Er zieht zwar den A u fen thalt in G ottes freier N atu r dem H o telb eru f vor. A b e r h at er dam it U nrecht? Er verschw indet nach dem Frühstück in den

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Bergen und kom m t m it der D äm m erung zurück. Abends tanzt er mit den Damen. Er wird wohl D irek­ tor bleiben. Der Hotelbetrieb funktioniert trotzdem tadellos. Das liegt an Polter, dem ersten Portier. Er liebt das G randhotel wie sein eigenes Kind. Er hat einen w ei­ hen Schnurrbart, Sprachkenntnisse und beachtliche Plattfüße. Sein hoch entwickeltes G erechtigkeitsge­ fühl hindert ihn daran, zwischen den G ästen und den m Angestellten größere U nterschiede zu m achen. Er ist zu beiden gleich streng. Im G randhotel Bruckbeuren erwartete man den telefo­ nisch angem eldeten, geheim nisvollen M illionär. Herr Kühne, der Direktor, hatte schon am frühen M orgen das gesamte Personal informiert. »M al herhören!«, hatte er gesagt. Heute A bend trifft ein armer M ann ein, der ein Preisausschreiben gewonnen hat. Dafür kriegt er von uns Kost und Logis. Er ist aber kein armer M ann - sondern ein M illionär. Er will die M enschen kennen lernen. Einfach tierisch! Unser armer M illionär wird im Appartem ent sieben wohnen. Er wird fürstlich behandelt, und N udeln mit Rindfleisch mag er am liebsten. Er darf aber nicht mer­ ken, dass wir wissen, wer er ist. Verstanden?« I ^ie siamesischen Katzen kam en am N achm ittag an. I )rei kleine Katzen. Sie hüpften fröhlich im A p p arte­ ment sieben hin und her, tätowierten die Stubenm äd­ chen und hatten bereits nach einer Stunde zwei G a r­ dinen und einen Sessel erledigt. O nkel Polter, der Portier, sammelte Briefm arken. Schon hatte er M arken aus Java, Kapstadt, G rönland

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und M andschukuo in der Schublade liegen. Der M asseur war für den n äch sten V orm ittag bestellt. Eine Flasche Kognak, echt französisch, stand auf dem N achttisch. Der Ziegelstein, der abends warm und in wollene Tücher gewickelt, am Fußende des Bet- 5 tes liegen würde, war auch gefunden. Die Vorstellung konnte beginnen! W ährend des Fünfuhrtees in der H otelhalle erfuhr Direktor Kühne, Karl den Kühnen nannten ihn die Hotelgäste, eine N euigkeit. Die Stam m gäste wussten 10 schon alles! M ehrm als wurde er von den G ästen angehalten, die den N am en des armen M illionärs wissen wollten. Kühne drehte sich unhöflich um und rannte zum Portier. »Einfach tierisch!«, stieß er hervor. »Die G äste wissen es schon. Das Personal muss getratscht 15 haben.« »N ein, das Personal nicht«, sagte Polter. »Sondern Baron Keller.« »U nd w oher weiß es der Baron?« »Von mir natürlich«, sagte O nkel Polter. »Ich habe 20 ihn aber ausdrücklich gebeten, es nicht weiter zu erzählen.« »Sie wissen ganz genau, dass er tratscht«, meinte Kühne wütend. »Deswegen habe ich’s ihm ja m itgeteilt«, erwiderte 25 der Portier. »Die Stam m gäste mussten informiert w en den. Erstens sinkt das Barometer, und w enn die Leute ein paar Tage nicht Ski fahren können, werden sie ungem ütlich. Da ist der M illionär eine gute A b w ech s­ lung. U nd zweitens sind nun K lagen unm öglich gemacht. Stellen Sie sich vor, die G äste würden den tratschen:

etwas weirererzählen

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Mann hier so unhöflich behandeln, dass er abreist. Er würde unser H otel zugrunde richten. G eld genug hat er ja.« Karl der Kühne drehte sich um und ging in sein Büro.

Fragen W elche G äste kam en ins G randhotel Bruckbeuren? Wen erwartete man im G randhotel? Wer erklärte dem Personal, was geschehen sollte? Wie bereitete man sich auf den Besuch des M illionärs vor?

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Zwei Missverständnisse

Der M ünchner Abendschnellzug hielt in Bruckbeuren. Zirka dreißig Personen stiegen aus. Herr Jo h an n K es­ selhuth aus Berlin blickte besorgt zu einem ärm lich gekleideten, älteren, M ann hinüber, der einsam im tie­ fen Schnee stand und einen alten Reisekorb trug. »W ollen Sie ins Grandhotel?«, fragte ein Chauffeur. Zögernd stieg Herr Kesselhuth in den Autobus. Dann lag der Bahnhofsplatz leer da. N ur der arme M ann, Herr Schulze, stand still. Br blickte zum Him m el hinauf, lächelte kindlich, hob den Reisekorb auf die Schulter und marschierte die Dorfstraße entlang. H ierbei pfiff er. 23

Der Autobus bremste und stand still. Die späten Gäste betraten das Hotel. W er die Zimmer vorausbestellt hatte, wurde sofort zum Fahrstuhl geleitet. Herr Johann Kesselhuth und ein junger M ann mit einem alten Koffer und einem schlechten Herbstm antel blie­ ben übrig. Herr Kesselhuth wandte sich an den Portier: »Ich möchte ein schönes, sonniges Zimmer. M it Bad und Balkon. Der Preis spielt keine R olle.« Er wurde rot. Der Portier überhörte die Bemerkung. »Zimmer 31 ist noch frei. W ollen Sie bitte das Anm eldeform ular ausfüllen?« Herr Kesselhuth nahm das Formular und notierte sorgfältig seine Personalien. N un blickten alle G äste in der H alle auf den jungen M ann in dem schlechten Herbstm antel. Karl der Kühne war ganz aufgeregt. »W omit können wir Ihnen dienen?«, fragte er. Der junge M ann lächelte und sagte: »Ich heiße Hagedorn und habe den ersten Preis der PutzblankWerke gewonnen. H offentlich wissen Sie Bescheid.« »W ir wissen Bescheid«, sagte der Direktor und ver­ beugte sich. »Herzlich willkom m en. Es wird uns eine Ehre sein, Ihnen den A u fen thalt so angenehm wie • möglich zu m achen.« Hagedorn stutzte. Er sah sich um und merkte, dass ihn die G äste neugierig anstarrten. A u ch Herr K essel­ huth hatte den K op f gehoben. »W elches Zimmer bekommt Herr Hagedorn?« »Ich denke, wir geben ihm das Appartem ent sie­ ben«, sagte der Portier. Der Direktor nickte. Der Hausdiener ergriff H age­ dorns Koffer und fragte: »Wo ist das große Gepäck?«

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»Nirgends«, erwiderte der junge M ann. Der Portier und der Direktor lächelten. »Dürfen wir Sie nachher zum Abendessen erw arten .7 Es gibt N udeln und Rindfleisch«, sagte Karl der Kühne. »Das allein wäre kein Hinderungsgrund«, sagte der i junge M ann. »A ber ich bin satt.« Herr Kesselhuth sah wieder vom Formular auf. »A ber wir sehen Sie doch n ach h er7«, fragte der Direktor. »N atürlich«, sagte Hagedorn. Dann suchte er sich eine Ansichtskarte aus, ließ sich eine Briefm arke gehen und bezahlte beides, obwohl der Portier es anschreiben wollte. »Interessieren Sie sich übrigens für Briefm arken7«, fragte O nkel Polter. Er holte ausländische M arken her­ aus und breitete sie vor Hagedorn aus. Hagedorn verstand nichts. Er betrachtete die M ar­ ken und sagte dann: »Ich habe keine Kinder. V ie l­ leicht aber bekomme ich welche.« Dann steckte er die M arken in die Tasche. »Darf ich also weitersam m eln7«, fragte Polter. »Tun Sie das. Es ist ja wohl ungefährlich«, sagte Hagedorn und ging zum Fahrstuhl. Herr Kesselhuth legte sein ausgefülltes Formular beiseite. »W ieso sammeln Sie für diesen Herrn Brief­ m arken 7 U nd warum gibt es seinetwegen N udeln mit Rindfleisch?« O nkel Polter gab ihm den Schlüssel und meinte: »Es gibt kom ische M enschen. Dieser junge M ann zum B e i­ spiel ist ein M illionär. Er darf nur nicht wissen, dass wir es wissen. W ir wurden aber telefonisch auf ihn vorbe­ reitet. H aha!« »Ein reizender M ensch«, sagte der Direktor. »Ich

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hin gespannt, was er zu den siamesischen Katzen sagen wird!« Herr Kesselhuth wäre fast umgefallen* »Siam esische Katzen?«, murmelte er. Sollte er nicht lieber den zwei­ ten armen M ann, der im A nm arsch war, bewegen umzukehren? Eine Gruppe G äste kam in die Halle. »Ein bezaubernder Bengel«, rief Frau Casparius, eine muntere Brem erin. Frau von M allebre w arf ihr einen Blick zu. »W ie heißt er denn nun eigentlich?«, fragte Herr Lenz, ein dicker K ölner Kunsthändler. »Doktor Fritz Hagedorn«, sagte Johan n Kesselhuth. »Sie kennen ihn!«, rief Direktor Kühne begeistert. »N ein, ich kenne ihn nicht.« Die anderen lachten. Frau Casparius drohte schel­ misch mit dem Finger. Johan n Kesselhuth wusste n icht aus noch ein. Dann erklang der G ong. Die Gruppe ging in den Speisesaal, denn man hatte Hunger. Kesselhuth setzte sich gebrochen an einen Tisch in der H alle. Eins stand fest: Fräulein H ilde und die dum­ me K unkel hatten gestern abend telefoniert. Der arme M ann, der seinen Reisekorb durch den Schnee schleppte, hatte kalte, nasse Füße. Er blieb ste­ hen. Die ledernen Stiefel drückten. Der Reisekorb war schwer, der violette Anzug war zu eng. »Ich könnte mich seihst ohrfeigen«, sagte er und marschierte weiter. A ls er in das H otel trat, erhob sich ein elegant gekleideter Herr. A c h nein. Das war ja Johan n ! K esselh uth näherte sich bedrückt dem arm en M ann. A b er Herr Schulze kehrte ihm den Rücken und

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studierte ein Plakat, auf dem zu lesen war, dass am übernächsten A b en d im G randhotel ein LumpenbaW stattfinden werde. Da brauche ich m ich wenigstens nicht umzuziehen, dachte er getröstet. Der Portier musterte den armen M ann und fragte dann Herrn Kesselhuth: »Haben Sie einen W unsch?« Der sagte: »Ich muß ab morgen Ski fahren. G lauben Sie, dass ich ’s noch lernen werde?« »A ber natürlich!«, meinte der Portier. »Das haben noch ganz andere gelernt. A m besten nehm en Sie einen Privatlehrer, damit Ihnen beim H infallen nicht immer dreißig Leute zuschauen.« »Ist das H infallen sehr gefährlich?« die Lumpen:

alte, zerrissene Kleider

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»Kaum «, meinte der Portier. »Außerdem haben wir hier sehr tüchtige Arzte, die jeden Beinbruch so fein heilen, dass die Beine nachher noch schöner sind als vorher.« Da musste der arme M ann, der das Plakat studiert hatte, laut lachen. Der Portier sah ihn an und sagte: »W ir kaufen nichts! Was w ollen Sie hier?« »W ohnen«, sagte der arme M ann und kam lächelnd 0 näher. »Ich heiße näm lich Schulze und bin der zweite G ew in n er des Preisausschreibens der Putzblank'W en ke. H ier sind meine Papiere!« O nkel Polter verstand die W elt nicht mehr. »Einen Augenblick«, sagte er verwirrt und ging zum Büro des ■ Direktors. Schulze und Kesselhuth waren einen A ugenblick allein. »Herr G eheim rat«, meinte Johan n verzweifelt, »W ollen wir nicht lieber wieder abreisen?« »N och ein W ort«, sagte der G eheim rat, »und ich O schlage Sie mit der bloßen Hand tot! Fort mit Ihnen!« Kesselhuth gehorchte und setzte sich an einen Tisch in der Halle. Die Fahrstuhltür öffnete sich und Herr Hagedorn trat heraus. Er steuerte auf die Portierloge zu und hielt - eine Postkarte in der Hand. Kesselhuth sah schwarz. G leich würden der echte und der falsche M illionär aufeinander treffen! Hagedorn sah sich suchend um. »Entschuldigen Sie«, sagte er dann. »Ich bin eben erst angekommen. W issen Sie vielleich t, wo der Briefkasten ist?« »A u ch ich bin eben angekom m en«, erwiderte der arme M ann. »Und der Briefkasten ist hinter der zwei' ten G lastür links.«

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»Danke«, sagte Hagedorn, ging hin, w arf die Karte ein, kam zurück und fragte »H aben Sie noch kein Zim ­ mer?« »N ein«, sagte der andere. »M an weiß anscheinend nicht, ob man m ich unter diesem bescheidenen Dach 5 überhaupt w ohnen lassen k an n .« »Hier ist alles m öglich«, lächelte Hagedorn. »Erlau­ ben Sie, dass ich Ihren N am en rate? Ich glaube, Sie heißen Schulze! Stim m ts? U nd Sie haben hei den Putzblank-W erken den zweiten Preis gewonnen.« 10 »Es stimmt«, sagte Schulze. Er dachte nach. Plötz­ lich strahlte er und sagte: »Dann sind Sie wohl Herr Doktor H agedorn!« »Jawohl, ja«, sagte Herr Hagedorn. Sie lachten und gaben einander die Hand. Dann setzten sie sich auf den 15 Reisekorb und begannen, über Reklam e zu sprechen. Herr Kesselhuth staunte. Dann erhob er sich, ging auf sein Zimmer und begann auszupacken. A ls Polter mit Kühne zurückkam, saßen die beiden noch immer auf dem Reisekorb und unterhielten sich. 20 Der Portier hielt den Direktor am Sm oking fest. »Da«, stieß er hervor. »Unser verkleideter M illionär und Herr Schulze!« »Einfach tierisch!«, sagte Herr Kühne, »Ich trans­ portiere den Schulze in die leer stehende M ädchenkammer. U nd Sie entschuldigen uns beim M illionär, dass er ausgerechnet in unserem H otel einen echten armen M ann kennen lernen musste. Hinauswerfen können wir ihn ja nicht. Das wird er verstehen. V iel­ leicht aber reist er schon morgen ab. H offentlich. Sonst reisen wom öglich unsere Stam m gäste!« »Bringen Sie ihn nur schnell fort, ehe die ändern

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G äste kom m en«, sägte O nkel Polter. »W illkom m en«, sagte Direktor Kühne zu Herrn Schulze. »Darf ich Ihnen Ihr Zim m er zeigen?« Schulze ergriff den Reisekorb. Hagedorn sah Schulze freundlich an. »Lieber Herr Schulze, ich sehe Sie doch noch?« »Herr Schulze wird von der langen Reise müde sein«, meinte der Direktor. »Da irren Sie sich aber«, sagte Schulze. U nd zu Hagedorn sagte er: »Lieber Herr Hagedorn, wir sehen uns noch.« Dann folgte er dem Direktor zum FahrStuhl.

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»Entschuldigen Sie, dass Sie gerade diesen G ast als ersten kennen lernen mussten. Er passt nicht hierher«, sagte der Portier zu Herrn Hagedorn. »Ich auch nicht«, meinte der. »Ich weiß, ich weiß«, sagte der Portier verstehend. »Entschuldigen Sie«, fragte Hagedorn. »Haben alle Gäste Katzen in ihrem Zimmer?« »Das ist ganz verschieden«, antwortete O nkel Pol­ ter. Dann sagte er: »M orgen kommt der Masseur auf Ihr Zimmer, um Sie zu massieren.« »Ich habe aber kein G eld«, sagte Hagedorn. »A ber Herr D oktor!«, sagte der Portier. »A lso massiert werde ich auch gratis?«, fragte H age­ dorn. »N a gut.« Er ging lächelnd in die H alle. I)er Fahrstuhl ging nur bis in den vierten Stock. Von hier kletterten Karl der Kühne und Schulze in den fünften Stock und gingen einen langen G an g hinun­ ter. Ganz am Ende machte der Direktor eine T ü r auf, machte das Licht an und sagte: »Das H otel ist näm lich

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ganz besetzt.« Schulze blickte fassungslos in das aus Bett, Tisch, Stuhl, W aschtisch und schiefen W änden bestehende Käm m erchen und sagte: »Kleinere Zimmer haben Sie nicht?« 5 Der Direktor biss sich auf die U nterlippe und sagte: »Leider nein.« ■er »Schön kalt ist es hier«, meinte Schulze. »Glück" licherweise hat mein Arzt mir verboten, in geheizten Zimmern zu schlafen. Die übrige Zeit aber werde ich i mich in den Gesellschaftsräum en aufhalten. D enn zum Erfrieren hin ich nicht hergekommen.« »Sobald ein besseres Zimmer frei wird, bekom m en Sie es«, sagte Karl der Kühne. Dann ging er. Schulze hatte die größte Lust, ihm mit einem Fuß" i tritt nachzuhelfen. D och er beherrschte sich. »Den Fußtritt sparen wir uns für später auf«, sagte der G eheim rat Tobler zu sich selbst.

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Fragen Wie sah der M ann aus, der nicht mit dem Bus fuhr? Wie wurde Herr Hagedorn empfangen? Worüber wunderte sich Herr Hagedorn? Worüber sprachen der Direktor, der Portier und Herr Kesselhuth? Wie wurde Herr Schulze empfangen? Worüber unterhielten sich Herr Schulze und Herr Hagedorn in der Halle? Wo musste Herr Schulze wohnen?

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Siamesische Katzen

Das erste M issverständnis sollte nicht das letzte blei­ ben. W ährend Kesselhuth den Sm oking anzog und Schulze, dicht unterm Dach, den Reisekorb auspackte, saß Hagedorn in der H alle, rauchte eine Zigarette und überlegte. Er war nervös. W eswegen waren die M en ­ schen alle so freundlich zu ihm? Er dachte dann: »H offentlich kommt dieser alte Schulze bald wieder. Bei dem weiß man doch, woran man ist!« Frau Casparius segelte hastig durch die große H alle. »Eine widerliche Person«, sagte die M allebre. Baron K eller fragte: »Inwiefern?« Frau von M allebre lachte böse: »Sie w ill sich den kleinen M ilionär kapern.« Frau Casparius, die Blondine aus Brem en, hatte ihr Ziel erreicht. Sie saß neben Hagedorn in der H alle. Hagedorn schwieg. Frau Casparius beschrieb unter­ dessen die Zigarrenfabrik ihres M annes. »Darf ich auch einm al etwas sagen, gnädige Frau?« fragte der junge M ann bescheiden. »Bitte sehr?« »Haben Sie siamesische Katzen im Zimmer?« »N ein«, erwiderte sie. »In meinem Zimmer bin ich das einzige lebende W esen.« »Dann m öchte ich nur wissen, weswegen sich in meinem Zimmer drei siamesische Katzen aufhalten.« »Kann man die Tierchen mal sehen?«, fragte sie. »Ich liebe Katzen über alles.« »Ich habe wenig Erfahrung mit Katzen«, sagte er unvorsichtigerweise. 3 Drei Männer im Schnee

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S ie machte veilchenblaue A u gen und erklärte mit dicht verschleierter Stim m e: »Dann hüten Sie sich, lieber Doktor. Ich bin eine Katze.«

Frau von M allebre und Baron K eller setzten sich an den N ebentisch und bald war der Tisch, an dem Hagedorn saß, von neugierigen G ästen umgeben. Frau Casparius beugte sich vor: »Schrecklich, diese Leute! Kom m en Sie! Zeigen Sie mir Ihre Katzen!« Ihm war das Tempo neu. »Ich glaube, sie schlafen » schon«, sagte er. »W ir werden sie nicht aufwecken«, sagte sie. »Wir werden ganz leise sein.« Da brachte der K ellner ihm eine Karte, worauf stand: »Der U nterzeichnete, der zum Toblerkonzern i Beziehungen hat, m öchte Herrn Hagedorn gern auf rinige M inuten in der Bar sprechen. Kesselhuth.« Der junge M ann stand auf: »Verzeihen Sie, gnädige I rau«, sagte er. »M ich will jem and sprechen, der mir \ ou größtem Nutzen sein kann.« N ach diesen W orten und einer Verbeugung ging er. Frau Casparius lächelte dumm. I lerr Kesselhuth gratulierte zum ersten Preis der PutzM ink-W erke. D ann lud er den jungen M ann zu einem

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G en ever ein. Sie setzten sich in eine Ecke. Kesselhuth bestellte zwei G en ever und sagte: »Ich will Sie fragen, ob ich Ihnen helfen kann.« »Es wäre großartig, wenn Sie mir helfen würden. Ich kan n s gebrauchen.« Dann trank er einen Schluck. »Seit Jahren bin ich stellungslos. Ich will aber gern arbeiten und etwas G eld verdienen. Stattdessen helfe ich meiner Mutter, ihre kleine R ente auffressen. Es ist scheußlich.« Kesselhuth blickte ihn freundlich an: »Sie sind Reklam efachm ann ?« » Ja w o h l!« , sagte H agedorn. »U n d kein er der schlechtesten, w enn ich es so sagen darf.« Herr Kesselhuth nickte. »Sie dürfen!« »Ich könnte meiner M utter heute noch schreiben, dass sie meine A rbeiten hierher schicken soll. In drei Tagen haben wir sie hier. Was m einen Sie, Herr Kes^ selhuth? Verstehen Sie etwas von Reklam e?« Jo h an n schüttelte den Kopf. »Ich m öchte mir die A rbeiten trotzdem ansehen und dann gebe ich«, er verbesserte sich hastig, »schicke ich sie mit ein paar Zeilen an G eheim rat Tobler.« Hagedorn wurde blass. »A n wen w ollen Sie die A rbeiten schicken?«, fragte er. »A n G eheim rat Tobler«, erklärte Kesselhuth. »Ich kenne ihn seit zwanzig Jahren.« »W enn er sich die Sach en ansieht, gefallen sie ihm bestim mt«, sagte der junge M ann. Er stand auf. »Darf ich meiner M utter schreiben? Sehe ich Sie dann noch?« »Ich würde m ich sehr freuen«, sagte Kesselhuth. H agedorn ging. A n der T ü r kehrte er noch einmal um. »Eine kleine Frage, Herr Kesselhuth. H aben Sie

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hundert M ark anbieten, w enn ich sofort verschwinden würde.« »So ein freches Frauenzimmer«, m einte Fritz. »M ich wollte sie verführen. U nd du warst ihr da im W ege. N a, die wird geguckt haben, als ich fort war. A b er schön, 1 dass ich jedenfalls dich wiederhabe. N un fehlt mir nur noch Hilde. Hast du ihre Adresse?« Es klopfte. Ein Diener machte die T ü r zum N eb e n ' zimmer auf. Eduard trat ein und Fritz folgte langsam. »A h a«, sagte Fritz. »Der A rbeitsraum ! Eduard, mach keine Witze! G leich setzt du dich in einen ändern Stuhl! W enn der alte Tobler keinen Spaß v en steht, fliegen wir beide sofort raus!« Eduard hatte sich näm lich in den Stuhl hinter dem Schreibtisch gesetzt. Da klopfte es wieder. Der Diener trat ein und sagte: »Es ist serviert, Herr G eh eim rat!«, und ging. »Was hat er gesagt? Herr Geheim rat? Zu dir?« Eduard wurde verlegen. »Hör mal zu«, sagte er dann. »Es stimmt w irklich. Ich bin der alte Tobler.« »Du bist Tobler? Der M illionär, für den man mich hielt? Deinetwegen hatte ich drei Katzen im Zimmer und Ziegelsteine im Bett?«

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Der G eheim rat nickte. »So ist es. M eine Tochter hatte hinter meinem R ücken telefoniert. U n d so wur­ den wir beide bei unserer A n ku n ft im Hotel verw ech­ selt. Ich hatte doch das Preisausschreiben unter dem N am en Schulze gewonnen.« Hagedorn m achte eine steife Verbeugung. »Herr G eheim rat, unter diesen U m ständen möchte ich Sie bitten...« Tobler sagte: »Fritz, sprich nicht weiter. Ich weiß, wir haben dich helogen. A b er ist dir unsere Freund­ schaft so wenig wert, dass du sie jetzt wegwerfen willst, bloß weil ich G eld habe? Ich habe m ich als armer M ann verkleidet. Ich wollte die M enschen mal richtig kennen lernen. N un, der kleine Scherz ist vorüber. Was ich erleben w ollte, hat wenig zu bedeuten, jetzt wo ich einen Freund gefunden habe. Endlich einen Freund, mein Junge. Komm, gib dem alten Tobler die Hand.« G eheim rat Tobler streckte Fritz die Hand en t­ gegen. »Donnerwetter noch einm al, du Dickkopf! W ird’s bald?« Fritz ergriff die Hand. »G eh t in Ordnung, Eduard. U nd sei mir nicht böse.«

A ls sie das Speisezim m er betraten, m einte der Geheim rat: »W ir sind natürlich die ersten. Dass die 25 Frauen immer so lange plaudern m üssen!« »Richtig«, sagte Fritz. »Du hast eine Tochter. W ie alt ist sie?« »Im Heiratsalter. S eit ein paar Tagen verlobt.« »G ratu liere«, sagte Fritz. »N un aber ernsthaft: 30 W eißt du w irklich nicht, wo H ilde wohnt?« »Sie hat mir ihre Adresse n icht gegeben«, antworte­ te der G eheim rat diplom atisch. »A ber du wirst sie

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schon no ch kriegen. Die H ilde und die Adresse.« D urch eine Tür, die sich öffnete, rollte ein Servier^ wagen. Ein grauhaariger D iener folgte. »G uten A hend, H err Doktor«, sagte er. »G uten A bend«, erwiderte H agedorn. D ann aber .*» sprang er h och. »H err Kesselhuth!« Der D iener nickte: »Der bin ich.« »Ja«, erklärte der G eheim rat. »Ich wollte n ich t allein fahren. Darum musste Johann, m ein alter Diener, m it und den Schifffahrtslinienbesitzer spielen. Er h h a t seine Rolle glänzend gespielt.« »Es war n ic h t leicht«, m einte Jo h an n bescheiden. Fritz drückte ihm die H and. »Jetzt begreife ich auch, warum Sie Eduards Zim mer so schrecklich fanden.« »A ch, ihr wisst ja n o ch gar nicht«, fuhr Jo h an n fort, i »dass ich dem D irektor und dem Portier die W ahrheit sagte, ehe ich abreiste. So lange G esichter habe ich selten gesehen.« Tobler fragte: »Johann, h a t G eneraldirektor Tiedem ann angerufen?« »N och n ich t, H err G eheim rat.« U n d zu H agedorn sagte er: »Der Toblerkonzem will das H otel kaufen. U n d d an n fliegen die beiden raus.« »Das k annst du n ich t m achen!«, äußerte Fritz. »Die hochnäsigen G äste h ab en doch die Schuld. Da kam Hagedorns M utter hereinspaziert. »Ich weiß Bescheid, m ein Junge. Fräulein Tobler h a t m ich einge^ w eiht. Sie h a t große A ngst vor dir. Sie ist schuld d an an, dass du ein paar Tage M illionär warst. Übrigens ein entzückendes M ädchen, H err G eheim rat!« »Ich heiße Tobler«, sagte er. »Sonst n en n e ich Sie gnädige Frau!« »Ein bezauberndes M ädchen, H err Tobler!«, m einte

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die alte Dame. »Schade, dass ihr beiden schon verlobt seid, Fritz!« »W ir k ö n n ten ja D oppelhochzeit feiern«, schlug Fritz vor. 5 »Das wird sich n ic h t m achen lassen«, erklärte der G eheim rat. Plötzlich klatschte Frau H agedorn dreim al in die H ände. Ein junges M ädchen und eine alte Frau traten ein. ■JO Der junge M an n stieß unartikulierte Laute aus und ran n te auf das M ädchen zu und um arm te es. »End' lieh«, flüsterte er n ach einer W eile. »M ein Liebling«, sagte Hildegard. »Bist du mir sehr böse?« 15 »M achen Sie ihre Braut n ic h t kaputt«, m einte die Dame neb en ihm. Er trat einen S ch ritt zurück. »Tante Julchen? W ie kom m t ihr hierher? A c h so, Eduard h a t euch eingela' den, um m ich zu überraschen.« [20 Das junge M ädchen sah ihn an. »Es liegt anders, Fritz. W eißt du noch, was ich dir antw ortete, als du nach m einem N am en fragtest?« »Klar«, m einte er. »Du sagtest, du h eiß t Schulze.« »N ein. Ich sagte, ich hieße wie dein Freund Edm 25 ard.« »Na, ja! Eduard hieß doch Schulze!« »U nd wie h eiß t er jetzt?« Fritz blickte von ihr zum Tisch hinüber. D ann sagte er: »Du bist seine Tochter?« 30 Sie nickte. »U nd Tante Julchen ist gar n ic h t deine Tante?« »O nein«, sagte die Kunkel. »Ich bin die Hausdam e. Das genügt mir.«

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»M ir auch«, sagte Hagedorn. »Keiner war der, der er zu sein schien. U nd ich Kam el habe alles geglaubt. Ich hin sehr froh, daß Sie nicht die Tante sind. Ich habe schon einen Freund, der mein Schw iegervater wird. U nd meine kommende Frau ist die Tochter meines s Schwiegervaters, nein, meines Freundes. U n d mein Freund ist m ein C h ef.« Sie setzten sich zu Tisch. »Was gibt’s denn?«, fragte Tobler. in »Nudeln mit Rindfleisch«, sagte die Kunkel. A ls sie nach dem Essen beim Kaffee und Kognak saßen, klingelte das Telefon. »Eduard«, rief Fritz. »Schm eiße den Portier und den Direktor nicht hin^ aus!« »Warum hat er dann das Hotel kaufen lassen?«, h fragte die Kunkel. Der G eheim rat stand am Telefon. »G uten A bend, Tiedem ann. Ja, wegen des Hotels. N un und? Was? Ich kann das Hotel nicht kaufen? Zu keinem Preis? Ja, warum denn nicht?« 20 Der G eheim rat war erstaunt. Plötzlich lachte er laut, legte den Hörer hin, setzte sich und lachte weiter. »Warum kannst du das H otel n icht kaufen?«, fragte Fritz. »W eil es schon mir gehört«, sagte der Geheim rat.

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Fragen

W arum kam H err Tobler n ic h t dazu, Fritz die W ah r­ h e it über sich zu sagen? W ie erfuhr Fritz, wer Eduard w irklich ist? U nd wie erfuhr er die W ahrheit über H ilde und T ante Julchen? W orüber lachte Eduard, als er sein Telefongespräch nach dem Essen beendete?

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