Die Rätsel des Stillen Ozeans (1983)

September 26, 2017 | Author: gottesvieh | Category: Island, New Guinea, Marsupials, James Cook, Oceania
Share Embed Donate


Short Description

........................

Description

A.M. KONDRATOW

Die Rätsel des Stillen Ozeans

Die Rätsel des Stillen Ozeans

A. M. KONDRATOW

Mit 26 Abbildungen

3. Auflage

VERLAG MIR, MOSKAU BSB 8. G. TEUBNER VERLAGSGESELLSCHAFT

LEIPZIG 1983

Autor: Kandidat der philologischen Wissenschaften A. M. Kondratow, Leningrad Titel der Originalausgabe: A. M. KoH,a.paToe, 3ara,a.Ku BenuKoro oKeaHa. Verlag Gidrometeoisdat, Leningrad Deutsche

Ü bersetzung:

1974

Dipl.-Ing. J. Voigt, Leipzig

Wissenschaftliche Redaktion: Dipl.-Geol. F. Georgi, Leipzig

Gemeinschaftsausgabe des Verlages MIR, Moskau, und des BSB B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig

© ru,a.pOMeTeOHJAaT, 1974 r. © 1979 Verlag MIR, Moskau,

und BSB B. G. Teubner

Verlagsgesellschaft, Leipzig

3.

Auflage

VLN 294-375/68/83 LSV 5009 Lektor: Dipl.-Met. Christine Dietrich ·

Satz und Druck: UdSSR Bestell-Nr.

665 932 9

DDR 12,-M

Inhalt

Zur Entdeckungsgeschichte des Stillen Ozeans Tier- und Pflanzenverbreitung sowie Erstbesiedlung durch den Menschen im Pazifischen Raum Zoogeographie 15 Zu Luft, zu Wasser ... und

zu

Lande? 17

Beuteltiere und andere 20 Die Wallace-Linie 22 „Ka-Houpo-o-Kane" 24 Der Nabel der Inseln 25 Betrüger und Mystiker 30 „Wäre London versunken

...

" 34

Die ozeanogra ph ische E rforschung des Pazifiks Der Beginn der Entdeckungen 38 Wie aus einem Füllhorn 40 Durch das Wasser, durch die Schicht des Meeresbodens 43 Abyssinische Landschaften 45 Unterwasserberge 47 Gräben, Canons und Brüche 49 Der ozeanische Rücken 51

Der versunkene Kontinent „Pacifis" Drei Pacifis 54 Das geologische Pacifis 56 Das zoogeographische Pacifis 60 Das „menschliche" Pacifis 64 Kontinent oder Inselgruppe? 71

Zur Entstehung des untenneerischen Reliefs und der Inseln des Stillen Ozeans Der Feuerring 74 Fonua Foou-das Neue Land 77 Korallen, Atolle, Riffe 81 Grabsteine versunkenen Landes 84 Guyots 86 Fazit 89

3

Inselketten, Brückenkontinente und Besieldung Inselmythen Polynesiens 92 Entdecker oder „Erschließer"? 94 Guyotis 97 Spuren des Volkes Menehune 100 Hawaiis 108 Polynesis und Mikronesis 111 Der Davis-Archipel 114 Indianer im Stillen Ozean 115 Nasca, Kokos, Galapagos 118 Daten sind die Hauptsache 121

Theorien der Entstehung des Stillen Ozeans Der Ozean-der Vater des Mondes? 124 Hypothesen und Dispute 126 Drei Standpunkte 127 Das Alter des Ozeans 131 Darwinis, das es nicht gab 136 Senkungen und Hebungen 138 Seefahrer des sichtbaren Ufers 139

Die Bedeutung des Quartärs für die Besiedlung des Pazifischen Raumes Beringia-die Brücke nach Amerika 143 Südlich von Beringia 146 Aleutia, Andinia, Arakinesia 147 Ochotia 150 Nipponis 153 Die Ausbreitungswege der Ainu, Negritos und anderer 156 Sunda-Austronesis 158 Sachul und Tasmanis 160 Melanesis 163 Maoris, die Antarktische Brücke usw. 168

Nachwort

4

Zur Entdeckungsgeschichte des Stillen Ozeans

Die Südsee-so nannte den Stillen Ozean Vasco Nuiiez de Balboa, der erste Europäer, der diese Gewässer erblickte. Unter unglaublichen Schwierig­ keiten die Dschungel und Gebirge der Landenge von Panama überwindend, erblickten Balboa und seine Leute am 29. September 1513 den größten Ozean unseres Planeten. Aber wie sollte man auf dem Seewege in diese Ge­ wässer gelangen? Von dem den Europäern bekannten Atlantik trennten die Südsee viele Kilometer Festland, erst vor kurzem entdecktes Land, das Ko­ lumbus für Asien hielt und dem sein Landsmann Amerigo Vespucci den Namen Nuovo Mundo-Neue Welt-gab. Wie weit nach Westen erstrecken sich die Gewässer der Südsee? Welche unbekannten Länder und Inseln sind in seiner uferlosen Weite verborgen? Diese Fragen traten sogleich bei den Europäern auf, kaum daß die Alte Welt von der Entdeckung Balboas erfuhr. (Vasco Nuiiez selbst aber wurde für seine große Tat mit der Schlinge belohnt; er wurde nach einer falschen An­ zeige gehenkt.) Die Südsee erregte die Phantasie der Europäer. Die Länder der Neuen Welt waren nicht das ersehnte Indien, die wunder­ baren Gewürzinseln, nach denen Kolumbus so suchte. Im Gegenteil, sie ver­ sperrten den spanischen Schiffen wie eine unüberwindliche Barriere den Weg. Nach den Seefahrten Kolumbus' und anderer Seefahrer, nach Amerigo Vespucci und Balboa wurde klar, daß Europa von Asien nicht nur durch den Atlantik getrennt ist, sondern durch einen ganzen Kontinent, der im Osten von den Wassern des Atlantischen Ozeans umspült wird und im We­ sten von den Wassern der Südsee. Dort in der Südsee müssen sich auch die ersehnten Gewürzinseln befinden. Man muß nur eine Wasserstraße in der Landmasse der Neuen Welt finden, und der Weg nach Westen wird offen sein! Nach dieser Idee richtete sich Fernäo de Magalhäes, der sich am 20. Sep­ tember 1519 mit einer Flottille aus fünf Schiffen auf seine beispiellose Fahrt machte. Fast ein Jahr zog sich die Reise entlang der Küste der Neuen Welt hin, bis endlich ein Eingang in die Meerenge gefunden war, die den Atlantik und den Stillen Ozean verband, die Meerenge, die später zu Recht Magal­ häes-Straße genannt wurde. Am 28. November 1520 gelangten die drei unversehrt gebliebenen Schiffe des Geschwaders in die Südsee. 5

Zwei Monate fuhren die Schiffe durch uferlose Gewässer. Der Ozean war erstaunlich ruhig und windstill, und Magalhäes nannte ihn „Pacifico" - den Friedlichen oder Stillen (eine Bezeichnung, die sich seit jener Zeit für den größten Ozean festigte). Endlich, am 24. Januar 1521, wurde das erste Land gesichtet, ein winzi­ ges unbewohntes Inselchen. Zehn Tage später wurde noch eine unfruchtbare Insel angetroffen. Nach einer Woche überquerten die Schiffe den Äquator und gelangten in die Gewässer der nördlichen Halbkugel. Aber Land fand und fand man nicht. Am 6. März 1521, nach einer Reise von drei Monaten und zwanzig Ta­ gen durch die unbekannten Gewässer des Stillen Ozeans, sichteten die See­ fahrer zum ersten Male bewohntes Land - die Insel Guam. Es kam zur Be­ kanntschaft der Europäer mit den Bewohnern Ozeaniens, einer fremden, eigenartigen und wundervollen Welt. Von der Insel Guam und den in ihrer Nähe liegenden kleinen Inselchen bewegten sich die Schiffe Magalhäes' nach Westen. Dort, auf den am 16. März 1521 entdeckten Philippinen, ließ bei einem Zusammenstoß mit Insel­ bewohnern einer der größten Seefahrer der Welt sein Leben. In mehr als einem halben Jahr gelangten die Seefahrer von den Philippi­ nen bis zu den ersehnten Gewürzinseln. Und fast ein Jahr benötigten Elcafio und seine Begleiter, um von diesen bis zum heimatlichen Spanien auf dem von Magalhäes aufgezeichneten Weg zu gelangen. Im Juli 1525 fuhr auf der Reiseroute Magalhäes' eine neue spanische Ex­ pedition unter dem Kommando von Garcia Jofre de Loaysa aus. Der erste Steuermann der Flottille war der Baske Elcafio, dem von Kaiser Karl V. ein Wappen verliehen wurde, das die Erdkugel darstellt, die mit der Inschrift „Du hast mich als erster umrundet" umgürtet war. Die Expedition endete tragisch- der größte Teil der Schiffe versank; von der riesigen Anzahl der Inseln Ozeaniens gelang es, nur ein Atoll zu entdek­ ken (an das man außerdem wegen einer starken Strömung nicht herankom­ men konnte). Im Jahre 1526 beendeten die kranken, entkräfteten, erschöpf­ ten Spanier ihre Reise auf einer der Gewürzinseln. In demselben Jahr 1526 begann die Entdeckung der Inseln Ozeaniens „von Osten" (nicht von Westen, wie das die spanischen Seefahrer taten). Der Portugiese Jorge de Meneses, der den Ostweg zu den Gewürzinseln segelte, kam zufällig vom Kurs ab und entdeckte neues Land. Es war von bärtigen, dunkelhäutigen Menschen mit krausen Haaren bewohnt. Die Malaien nann­ ten sie Papua- Kraushaarige. Dieses Land war die nordwestliche Halbinsel Neuguineas, der zweitgrößten Insel (nach Grönland) der Erde. Zwei Jahre später segelte der spanische Seefahrer Alvaro Saavedra ent­ lang der Küste des Landes der Papua - Neuguinea- und entdeckte danach die Admiralitäts-Inseln, die nicht weit von dessen Küste gelegen sind. Das wiederentdeckte Land zog weder die Spanier noch die Portugiesen an, weil, mit den Worten eines der Begleiter Saavedras sprechend, „die Menschen hier 6

nackt sind ... , wir bei ihnen weder Gold noch Silber, noch irgendwelche an­ dere Metalle, weder Hühner noch Schweine, noch Ziegen gesehen haben". Der Portugiese Ortez de Retes folgte dem Weg Saavedras und segelte drei Monate am Land der Papua vorüber. Bis dicht an das Meeresufer hin­ unter krochen undurchdringliche Dschungel; nicht nur sie beschützten die Küste, majestätische Berge rückten direkt an das Meer heran; hochgewach­ sene, dunkelhäutige Inselbewohner empfingen die Ankömmlinge feindlich. Verblüfft über die Ähnlichkeit der Einheimischen mit den Afrikanern Gui­ neas nannte der Portugiese das von ihm entdeckte Land Neuguinea. Magalhäes und andere spanische Seefahrer des 16. Jahrhunderts entdeck­ ten eine Vielzahl von Inseln im nordwestlichen Teil des Stillen Ozeans. Im südwestlichen Teil war das große Land der Papua entdeckt worden. Ob es im Herzen der Südsee Land gibt? Und im Osten des Ozeans, unweit von Amerika? „Es sieht danach aus, daß diese Südsee mit zahlreichen großen Inseln be­ sät ist ..., und es ist sehr wohl möglich, daß es auf denjenigen, die unterhalb des Äquators oder nahe bei ihm liegen, Gewürze gibt, weil ihr Klima so ist wie auf den Molukken", teilte der Vizekönig von Peru, Pedro de Gasca, Karl V. mit. Wohl gelang es, im Osten des Ozeans unweit der Küste Amerikas nur die unfruchtbaren Juan-Fernandez-Inseln und die schwach bewohnten Galapa­ gos-Inseln zu entdecken. Aber die Überlieferungen der Indianer sprachen darüber, daß im Ozean reiche Länder liegen. Viele Jahre vor den Konquista­ doren ging der Herrscher des Inkastaates namens Tupac Yupanqui auf See­ reise und brachte aus fernen Ländern dunkelhäutige Sklaven, einen bronze­ nen Thron und, die Hauptsache, viel Gold mit. Gold, das ist der wahre Gott der Konquistadoren. Ob nicht das unbe­ kannte Land im Ozean das sagenhafte Land Ophir ist, das Land, woher die Flotte des Königs Salomo Dutzende von Tonnen Gold brachte? Doch weder in der Alten noch in der Neuen Welt gelang es, dieses Land zu finden, die Autorität der Bibel aber war unanfechtbar. War es denn nicht sonnenklar, daß sich dieses goldreiche Land nirgendwo anders befinden konnte als im Stillen Ozean? Im November 1567 begab sich aus dem peruanischen Hafen Callao eine Expedition unter dem Kommando des 22jährigen Ritters Alvaro Mendaii.a de Neyra auf die Suche nach dem legendären Ophir. Es war anzunehmen, daß die Reise nicht lange dauern würde, aber erst am 63. Tag der Schiffsreise sichteten die Seefahrer Land. Das war ein kleines Inselchen, von Mendaii.a Jesus-Insel genannt. Nach einem halben Monat wurde eine Gruppe von Inselchen und Sandbänken entdeckt-aber wieder nicht das goldträchtige Ophir. Fast ein Drittel der Erdkugel umsegelten die Schiffe Mendaii.as, bis endlich „es Gott gefällig war, daß am Samstag dem 7. Februar morgens der erste Steuermann Land erblickte, welches sehr hoch er­ schien. Und weil es so groß und hoch war, entschieden wir, daß das ein 7

Kontinent sein muß",

schreibt Mendafia über

die von

ihm entdeckten

Salomon-Inseln. In das Innere der entdeckten Länder vorzudringen, gelang Mendafia und seinen Begleitern nicht. Dschungel, Berge, gräßliches Fieber, Zusammenstöße mit den Einheimischen - das alles machte die Salomon-Inseln unzugänglich. (Nebenbei gesagt, haben diese Faktoren auch bis auf den heutigen Tag ihre Gültigkeit nicht verloren!) Ohne die legendären Gruben des Königs Salomo ausfindig gemacht

zu

haben, kehrte die Expedition Mendafias um. Erst nach 111 / 2 Monaten gelang es den Spaniern, nach Callao zurückzukehren. „Die im Westen entdeckten Inseln haben eine überaus geringfügige Be­ deutung ..., da dort nicht einmal Spuren von Gewürzen, Gold, Silber und anderen Einnahmequellen gefunden worden sind und nackte Wilde diese In­ seln besiedeln",

faßte ein königlicher Beamter die Expeditionsergebnisse

zusammen. Mit diesen pessimistischen Schlußfolgerungen war jedoch Mendafia selbst nicht einverstanden. Er begann sich um die Genehmigung einer neuen Expe­ dition

zu

bewerben und erreichte seine Absicht-genau nach 28 Jahren! Im

Jahre 1595 fuhren unter dem Kommando von Mendafia vier Schiffe zur Ko­ lonisierung der Salomon-lnseln und Entdeckung neuer Länder ab. Am 21. Juli wurden auf 10° südlicher Breite malerische Inseln entdeckt, die von Menschen mit heller Haut und völlig unähnlich den kraushaarigen und schwarzhäutigen Bewohnern Neuguineas und der Salomon-Inseln bevöl­ kert waren. Die Europäer trafen das erste Mal mit den Menschen und der urwüchsigen Kultur Polynesiens zusammen. Die Inseln wurden zu Ehren des Patrons der Expedition, des Vizekönigs Perus, Las Islas Marquesas de Don Garcia Hurtado de Mendoza de Canyete oder, kürzer, Marquesas-Inseln genannt. (Unter dieser Bezeichnung sind sie auch bis jetzt auf allen Erdkarten eingetragen.) Die großartige Natur, das reine Wasser, die üppige Vegetation, die gast­ freundlichen Bewohner, deren Frauen „sogar die sich ihrer Schönheit rüh­ menden Frauen Limas übertrafen",-alles das machte die Marquesas-Inseln zu einem echten Paradies auf Erden. Aber in diesem Erdenparadies gab es weder Gold noch Silber, noch Ge­ würze. Die Spanier bewegten sich auf der Suche nach dem Land Ophir nach Westen zu den Salomon-Inseln. Ihre Suche war jedoch vergeblich. „Diese Salomon-lnseln sind entweder von ihrem

Platz

verschwunden oder vom

Meer verschlungen; aber aller Wahrscheinlichkeit nach hat der alte Dumm­ kopf vergessen, wo sie sind", klagten die Begleiter Mendafias über ihren be­ jahrten Kapitän. Schließlich wurde mehrere tausend Kilometer von den Marquesas-Inseln die Insel Santa Cruz entdeckt, die von Menschen bevölkert ist, die den Be­ wohnern der Salomon-Inseln sehr ähnlich sind. Am Ufer wurde ein Lager aufgeschlagen, aber tropisches Fieber begann die Mannschaft dahinzuraffen, 8

selbst Mendafia wurde nicht verschont. Der Weg zu den Salomon-Inseln war verloren. Und die sich kaum auf den Beinen haltenden Spanier dachten auch nicht an sie. Die Reste der Expedition unter dem Kommando des ersten Steuermanns Pedro Fernandez de Quir6s konnten erst nach zwei Jahren die Küste Perus erreichen. Quir6s-ein Mensch, der davon träumte, ein zweiter Kolumbus zu wer­ den, war der letzte große Seefahrer Spaniens. Nicht das Land Ophir, nicht die verlorengegangenen Salomon-Inseln wollte er entdecken. Seine Idee war bei weitem imposanter, weil Quir6s beweisen wollte, daß sich in den Gewäs­ sern des Stillen Ozeans ein gewaltiger Südkontinent befindet, fähig, mit seinen Reichtümern die von Kolumbus geschenkte Neue Welt in den Schat­ ten zu stellen ! „TERRA AUSTRALIS INCOGNITA"-„Unbekanntes Südland"-exi­ stierte auf der Karte antiker Geographen. Es wurde den Kontinenten der Nordhalbkugel Asien, Europa und Afrika als „Land der Antipoden", „Land der Gegenbewohner", gewissermaßen als Gegengewicht gegenübergestellt. Im Zeitalter der großen geographischen Entdeckungen galten zahlreiche Länder auf der Südhalbkugel in verschiedenen Teilen des Großen Ozeans als Teile dieses unbekannten Südlandes. Neuguinea, Salomon-Inseln, Feuerland -alle diese Inseln galten als nördliche Vorsprünge eines kolossalen Festlan­ des, das ein gutes Drittel der gesamten südlichen Halbkugel einnehmen soll­ te. Auf die Suche nach diesem großen Land zu gehen, beabsichtigte auch Quir6s. Die Macht Spaniens geriet in Verfall. Aber dennoch gelang es dem See­ fahrer, einflußreiche Persönlichkeiten (bis hin zum römischen Papst) mit den Reichtümern des unbekannten Landes zu verlocken. Und Ende 1605 verließ die Flottille Quir6s' Callao. Während der ersten Monate der Seefahrt wurden nur kleine Inseln im Großen Ozean entdeckt. Aber dann sind auch ausgedehnte Länder entdeckt worden. Am Tag des Espirito Santo (Pfingsttag) nimmt Quir6s „alle diese Länder, diejenigen, welche ich schon sah, und auch diejenigen, die ich noch sehen werde, all dieses Land des Südens bis zum Pol" feierlich in Besitz der spanischen Krone. Das Südliche Land Espirito Santo-so nannte der Seefah­ rer das von ihm entdeckte Land, wo er Silber und Perlen „mit eigenen Au­ gen erblickte", und „betreffs Goldes bürgen mir meine Kapitäne". Der begeisterte Quir6s eilte nach Peru, um der ganzen Welt über die Ent­ deckung des Kontinents zu erzählen, der „ein Viertel der Welt einnimmt", weil „er in der Ausdehnung größer ist als ganz Europa und Kleinasien in den Grenzen von dem Kaspisee und Persien, Europa mit allen Inseln des Mittelländischen Meeres und des Atlantischen Ozeans einschließlich England und Irland". Indes aber war das von Quir6s entdeckte Land insgesamt nur eine kleine Insel in der Gruppe der Neuen Hebriden (20mal kleiner als Sizilien!), wo es weder Perlen noch Silber, noch Gold gab. „Für Don Quichotte waren Rie9

sen eine Realität und für Quir6s die unzähligen Reichtümer des Südkonti­ nents, und beide glaubten sie so tief und so aufrichtig an ihre Zauberschlös­

ser, daß sie mit diesem Glauben auch den treuherzigen Sancho Pansa und die bei weitem nicht treuherzigen Seeleute der Flottille Quir6s' mitrissen", schreibt J. M. Swet. „Quir6s lebte ähnlich wie der Ritter von der traurigen Gestalt in der Welt der Illusionen." Quir6s starb in der glücklichen Gewißheit, daß er einen neuen Teil der Welt entdeckt hatte. Die Mehrzahl der Geographen und Kartographen glaubte ihm. Wie es schien, bestätigten das auch die Entdeckungen der Hol­

länder, Franzosen und Engländer im 17. Jahrhundert. Abel Tasman entdeck­ te Statenland (Neuseeland), das noch als ein Vorsprung der Terra Australis

Incognita gezählt wurde; auf den Karten tauchten die ersten Konturen Neuhollands -Australiens - auf, das stückweise von den Holländern und Engländern entdeckt wurde; der Franzose Bouvet entdeckte Land im Süden des Atlantiks, und dieses Land wird ebenfalls als Teil des Großen Südkonti.. nents erklärt. Quir6s bildete sich ein, ein zweiter Kolumbus zu werden, wurde es aber nicht. Der Mensch, den man zu Recht neben den großen Genueser stellen

konnte, hieß James Cook. Aber er entdeckte keine zweite Neue Welt, im Ge­ genteil: Seine Größe bestand vor allem darin, daß er das „Unbekannte Süd­ land" aus den Karten der ganzen Welt radierte, indem er zeigte, daß sich in der Tat im Stillen Ozean zahlreiche Inseln und Inselchen und eine gewaltige Insel-der Kontinent Australien-befinden. Europa-Asien-Afrika sind die drei Teile der Welt, die der antiken Welt und dem Mittelalter bekannt waren. Der Beginn der neuen Epoche wird durch die Entdeckung der Neuen Welt gekennzeichnet, der drei Teile Ameri­ kas: Zentral-, Nord- und Südamerika. Gleich nach ihnen entdeckten die Eu­ ropäer eine neue „Neue Welt": Länder, die im Stillen Ozean liegen. Seit der Zeit der Großtat Magalhäes' vergingen ungefähr viereinhalb Jahrhunderte­ und dennoch gibt es bis heute auf der Karte Ozeaniens weiße Flecken, die nicht erforschten inneren Gebiete der Inseln, in erster Linie Neuguineas. Als der erfreute Quir6s eilte, seine Begleiter zu verlassen, um von der Entdeckung des Südkontinents Mitteilung zu machen, übernahm der erste Steuermann Luis Vaez de Torres das Kommando über das Geschwader. Die Schiffe Torres' bewegten sich nach Westen und erreichten das südöstliche Ende Neuguineas. Und hier bewegte sich Torres entgegen der festen Tradi­ tion nicht entlang der Nord-, sondern der Südküste des Landes der Papua und entdeckte die später nach ihm benannte Meerenge, die Neuguinea vom australischen Kontinent trennt. Auf der Karte waren die Konturen der ge­ waltigsten Insel gezogen. Einer Insel, und nicht einer Halbinsel Terra Au­ stralis Incognita! Aber die Entdeckung Torres' wurde sicher in den spani­

schen Archiven verwahrt, und die Welt erfuhr erst 150 Jahre später von ihr. Der Seeruhm Spaniens und Portugals ging unter. An deren Stelle trat das junge Holland, das die Eroberung Indonesiens und der Gewürzinseln in An10

griff nahm. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts besuchte der der holländischen Ost-Indien-Kompanie gehörende Dreimaster „Duyfken" „ein großes, über­ wiegend ödes Land, das an verschiedenen Orten von schwarzen grausamen Barbaren bewohnt ist, die mehrere Matrosen töteten",-die erste Erwähnung Australiens und dessen Einwohner. (Übrigens dachten die Holländer, daß der von ihnen entdeckte Kontinent ein Teil des Landes der Papua-Neugui­ nea-ist.) In der Zeit zwischen 1606 und 1636 unternahmen die Holländer mehrere Fahrten zu der Küste Australiens und entdeckten dort zu ihrem Erstaunen „wunderliche Geschöpfe der Katzengattung, die nur auf den Hinterbeinen laufen" (Känguruh). Das wiederentdeckte Land reizte sie jedoch in keiner Weise-weil es ein „sehr schlechtes, trockenes Land, ohne Gras, ohne Bäume und Blätter, ganz mit hohen Ameisenhaufen bedeckt, die von Feme wie Hütten aussehen", ist. Die Holländer unternahmen eine Fahrt auch in den östlichen Teil des Stillen Ozeans. Im Zentrum der Südsee entdeckten Schouten und Le Maire mehrere Inseln des Korallenarchipels Tuamotu. Der größte holländische See­ fahrer Tasman unternahm in der Südsee zwei lange Reisen, im Verlauf derer er die später nach ihm benannte Insel Tasmanien entdeckte, zeichnete auf der Karte Hunderte Meilen des australischen Kontinents ein, entdeckte Neu­ seeland, die Fidschi-Inseln und die Hauptinseln des Tonga-Archipels-eine nicht unbedeutende Leistung, wenn man bedenkt, daß bis zu dieser Zeit die Seefahrer im Zentrum des Stillen Ozeans nur kleine Inselchen entdeckt hatten. Die letzte große Leistung der holländischen Seefahrer war die Reise des Admirals Jacob Roggeveen, dessen bedeutendste Entdeckung der am weite­ sten von allen anderen Ländern entfernte Flecken Erde war: die Oster-Insel­ eine Insel, die von einem vieltausendköpfigen Volk bewohnt war, das gewal­ tige, mehr als 10 m hohe Statuen anbetete. An die Stelle der Holländer traten zwei alte Rivalen-die englischen und die französischen Seeleute. Der erste Engländer, der die Gewässer des Stillen Ozeans befuhr, war der berühmte Pirat und Seefahrer Francis Drake. freilich entdeckte er keine neuen Länder in der Südsee-die Aufgabe Sir Francis Drakes war die Plün­ derung von Häfen und Schiffen der Spanier, die sich bis zu dieser Zeit in den Gewässern des Stillen Ozeans in völliger Sicherheit fühlten. Von der Kü­ ste Amerikas begab sich Drake nach Westen, überquerte den Stillen Ozean und kehrte nach England zurück, wobei er nach der Expedition Magalhäes' und Elcafios die zweite Weltumseglung vollbrachte. An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert tauchte in der Südsee der Landsmann und Kollege Drakes, William Dampier, auf, ein Mensch, der in einer Person einen rücksichtslosen Piraten und einen vortreffiichen Forscher vereinigte. („Die Biographie Dampiers hätte Stevenson, Haggard und Sabba­ tini Material für eine ganze Serie spannender Romane des Piratengenres lieII

fern können", vermerkte J. M. Swet.) Dampier erforschte die Küsten Au­ straliens und Neuguineas, entdeckte unweit von letzterem den großen Bismarck-Archipel und hinterließ interessanteste ethnographische, botani­ sche, meteorologische und zoologische Beobachtungen. Der Pirat und Na­ turforscher wurde in die Königliche Gesellschaft, die Britische Akademie der Wissenschaften, gewählt. Aber die Fahrten Drakes und Dampiers waren sozusagen Visiten von „Abenteurern" und nicht planmäßige vom Staat ausgesandte Expeditionen. Solche Expeditionen setzten erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein, als zwischen England und Frankreich ein offener „kalter Krieg" entbrannte (der auch manchmal in einen „heißen" überging), und die britischen und franzö­ sischen Seeleute den Geist des Krieges in die Weiten der Südsee trugen. Commodöre John Byron, der Großvater des großen englischen Dichters, vollführte einen ungestümen Streifzug durch den Stillen Ozean und entdeckte unterwegs einige Inseln in dessen Zentralteil. Nach Byron entsandte die briti­ sche Admiralität den Kapitän Samuel Wallis in die Südsee, der im Jahre 1767 die „Perle Ozeaniens" entdeckte -die in Grün gebettete üppige und gastfreundliche Insel Tahiti. Ungefähr in der gleichen Zeit unternahmen die Franzosen einen Gegen­ schlag- in den Gewässern des Stillen Ozeans erschienen Schiffe unter der Leitung von Louis Antoine de Bougainville, eines Astronomen, Mathemati­ kers, Juristen und Flottenführers. Bougainville durchquerte den Korallenar­ chipel Tuamotu, entdeckte erneut Tahiti (9 Monate später als Wallis), west­ lich davon die Samoa-Inseln, die er „Archipel der Seefahrer" nannte, fand das berühmte Terra del Espirito Santo Quir6s', das sich als eine Inselgruppe erwies, die „Quir6s als Festland ansah und in romantischen Worten be­ schrieb", und machte schließlich zwei Jahrhunderte später die von Mendaii.a entdeckten und verlorengegangenen Salomon-Inseln ausfindig.

Die Antwort der Engländer auf die Seereise Bougainvilles- die erste von den Franzosen vollbrachte Weltumseglung-waren drei Reisen Cooks kreuz und quer durch den Stillen Ozean von antarktischen Breiten bis zur Bering­ straße. Während dieser Seefahrten radierte Cook nicht nur das „Unbekannte Südland" aus den Karten, sondern trug auf ihnen auch eine Vielzahl neuer im Stillen Ozean liegender Länder ein. Die Entdeckung der Gesellschafts-Inseln, eines fruchtbaren Archipels, in dessen Zentrum Tahiti liegt; genaueste Erforschung der Küste Neuseelands und die Entdeckung der den nördlichen und südlichen Teil dieser Doppelin­ sel trennenden Meerenge; die Wiederentdeckung der Torresstraße; die Ent­ deckung der Ostküste Australiens, wonach, mit den Worten zeitgenössischer Forscher gesagt, „Neuholland auf den Weltkarten die wahren Umrisse an­ nahm: Seine Kontur, in der bis zu dieser Zeit im Osten eine gewaltige Lücke klaffte, schloß sich"; die Entdeckung einer Vielzahl von Korallenatollen im Tuamotu-Archipel; die Entdeckung der größten Inseln des Archipels der Neuen Hebriden; die Entdeckung der drittgrößten Insel Ozeaniens nach 12

Neuseeland und Neuguinea: Neukaledonien; die Entdeckung einer Insel­ gruppe im Zentralteil des Stillen Ozeans, die nachfolgend Cookinsel genannt wurden; die Entdeckung der Insel Tubuai im Südosten; schließlich die Ent­ deckung des Hawaii-Archipels, des „Landes des ewigen Frühlings" -das ist nur eine

kurze

Aufzählung

der Verdienste

Auf den Hawaii-Inseln beendete der

des

Kapitäns James

große Seefahrer

Ähnlich wie Magalhäes mischte sich Cook in

auch sein

innere

Cook. Leben.

Zwistigkeiten

der

einheimischen Häuptlinge ein. Und ähnlich wie Magalhäes fiel er unter hölzernen Speeren und den Schlägen von Streitkeulen. Nach den Seereisen Cooks war der Weg in die rätselhafte See frei. In den 25 Jahren nach dem Tode des berühmten Fregattenführers weilten in den Gewässern Australiens und Ozeaniens mehr Schiffe als in den bis dahin ver­ flossenen 250 Jahren. Mathew Flinders umschiffte die Insel Tasmanien und bewies damit, daß sie kein Teil Australiens ist (wie das Tasman dachte); später unternahm Flinders eine längere und entscheidendere „Umsegelung" rund um den au­ stralischen Kontinent und gab ihm anstelle der früheren Bezeichnung Neu­ holland die heutige. Schritt für Schritt rückten die ersten englischen Koloni­ sten des

fünften

Kontinents

ins

Landesinnere

vor.

Einzelne

Reisende

unternahmen kühne Märsche zum Herzen Australiens, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch ein geschlossener weißer Fleck war. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde dieser weiße Fleck ausgelöscht. Zu gleicher Zeit wurden die inneren Gebiete Neuseelands vollständig erschlossen. Im 19. Jahrhundert tauchten in der Südsee russische Fregatten auf. (Rus­ sische Schiffe durchpflügten seit langem den Stillen Ozean, aber nur in seinem nördlichen Teil; wir erinnern an Deshnew, Bering u. a.) Krusenstern, Lisjanski, Lütke, Kotzebue, Lasarew entdeckten eine Vielzahl von Inseln in Zentral- und Westozeanien und gaben vor allem sowohl von den neu ent­ deckten als auch von den vor ihnen entdeckten Inseln auf der Karte die ge­ naue Lage an. Im Jahre 1816 entdeckte Kotzebue die von ihm benannten Inseln Suwo­ row und Kutusow im Marshall-Archipel und im darauffolgenden Jahr die Inseln Rumjanzew, Tschitschagow, Araktschejew und Krusenstern im glei­ chen Archipel. Kotzebue und seine Begleiter leisteten den wertvollsten Bei­ trag zur Erforschung Mikronesiens. Ihrer Bedeutung nach kann man die Seereise auf der „Rurik" ohne weiteres mit den polynesischen Fahrten Cooks vergleichen. Große Entdeckungen wurden von der Expedition F. P. Lütkes auf der Schaluppe „Senjawin" gemacht, die viele Inseln des Karolinen-Archipels ent­ deckte und beschrieb, darunter die Insel Ponape, auf der grandiose Ruinen­ reste einer verschwundenen Zivilisation vorhanden sind. Der Begleiter Lüt­ kes, der Botaniker und Zoologe K. G. Martens, schuf die Grundlagen der Ethnobotanik (einer Wissenschaft, die heute eine gewaltige Rolle bei der Lösung der Fragen der Bevölkerung Ozeaniens spielt). 13

Die letzten großen Entdeckungen in Ozeanien wurden vom französischen Seefahrer Jules Cesar Dumont d'Urville gemacht. Am 27 Dezember 1831 machte Dumont d'Urville auf der Sitzung der Pariser Geographischen Ge­ sellschaft den Vorschlag über die Einteilung der sich auf Tausende Kilometer voneinander entfernt erstreckenden ozeanischen Inseln in drei Teile. „Unser Einteilungssystem hat im Vergleich mit allen früher vorgeschlagenen den Vorteil, daß es nicht willkürlich ist, sondern auf richtigen, natürlichen und dem Charakter des Ansiedelns der Völker Ozeaniens entsprechenden Voraus­ setzungen basiert", sagte er. Das Schema Dumont d'Urvilles wurde ange­ nommen, bis jetzt ist es Rüstzeug der modernen Wissenschaft. Nach Dumont d'Urville ist es gebräuchlich, alle Inseln Ozeaniens in drei Gruppen zu teilen: Melanesien, Mikronesien und Polynesien. Melanesien (melas = griech. schwarz; nesos = griech. Inseln) nimmt den Südwesten Ozea­ niens ein und ist mit dunkelhäutigen, kraushaarigen Menschen bevölkert. Im nordwestlichen Teil Ozeaniens liegt Mikronesien (rnikro=klein), und im Zentral- und Ostteil Ozeaniens befindet sich Polynesien (poly=viel), dessen Bewohner in sich Kennzeichen der drei „großen Rassen" der Menschheit vereinen. (Die Bewohner Mikronesiens haben anthropologische Züge, die einen Teil von ihnen den Melanesiern näherbringen, einen Teil den Polyne­ siern und einen den Indonesiern.) Die Inseln Ozeaniens sind Hunderte und Tausende Kilometer voneinan­ der entfernt. Aber auf ihnen leben Menschen, die sich in Sprache, Kultur und Bräuchen wenig, unterscheiden. Es ist fraglich, ob die Insulaner auf zer­ brechlichen Schiffchen die gigantischen Räume des Stillen Ozeans überwin­ den konnten. Vielleicht ist es vernünftiger anzunehmen, daß der weite Weg über ein heute auf den Grund des Ozeans versunkenes Festland überwunden worden ist? Ob nicht die Inseln der Südsee Reste eines gewaltigen Festlandes sind, der nämlichen Terra Australis Incognita, das die Kapitäne des 16. bis 18. Jahrhunderts vergeblich suchten? Der Kontinent versank, und nur einzel­ ne seiner Teile erinnern in Form von Inseln, die von den Nachkommen der Bewohner des untergegangenen Kontinents bevölkert sind, an seine Existenz. Diese Gedanken kamen vielen berühmten Seefahrern vergangener Jahr­ hunderte, die die Inseln Ozeaniens entdeckten, in den Sinn. Und im 19. Jahr­ hundert erschienen wissenschaftliche Arbeiten, die bewiesen, daß im Stillen Ozean irgendwann tatsächlich ein Kontinent war. Verfasser dieser Arbeiten waren Wissenschaftler unterschiedlicher Fachgebiete-Geologen, Folklori­ sten, Zoologen, Anthropologen. „Pacifis" (von pacific- still)- so nannte man das hypothetische Festland im Stillen Ozean, die Schwester von Atlantis im Atlantik.

14

Tier- und Pflanzenverbreitung sowie Erstbesiedlung durch den Menschen im Pazifischen Raum

Zoogeographie Noch im 18. Jahrhundert wurde eine Klassifikation der den Menschen bekannten Tiere und Pflanzen zusammengestellt. Das tat der große schwedi­ sche Gelehrte Carl v. Linne. Aber weil die biblischen Dogmen zu jener Zeit als unangreitbar galten, stand vor Linne eine schwierige Aufgabe: die Viel­ falt der Tierwelt in Übereinstimmung mit dem biblischen Mythos über die Entstehung des Lebens zu erklären. Die Bibel behauptet, daß alle Tiere und Pflanzen im Paradies geschaffen wurden, das sich im Zwischenstromland des Euphrat und Tigris befand. Von hier aus hätten sie sich nach allen Richtun­ gen der Welt verbreitet. Aber auf welche Weise brachten es Giraffen und Eisbären, Krokodile und Seehunde, Polarfüchse und Springmäuse, Bewoh­ ner der Wüste fertig, in diesem Paradies zu existieren? Oder tropische Pal­ men und Tundramoose, Orchideen und Taigazedem usw.? Linne setzte voraus, daß Pflanzen und Tiere auf einer Insel geschaffen wurden, in deren Mitte sich ein solch gewaltiger Berg erhob, daß dessen Hänge alle Klimazonen enthielten, von den Tropen am Fuße bis zur Polar­ kälte auf dem mit ewigem Schnee bedeckten Gipfel. In eben diesen Klimazo­ nen siedelte Gott die von ihm geschaffenen Pflanzen und Tiere an: Eisbären siedelte er auf dem Berggipfel an, Giraffen und Gazellen am Fuß usw. Das Meer wich zurück, die Insel vereinigte sich mit dem Festland, und es begann eine große Auswanderung der Tiere und Pflanzen, die allmählich alle Berei­ che des Planeten mit geeignetem Klima erschlossen. Carl v. Linne ist zweifellos ein genialer Gelehrter, nicht umsonst ist er als Vater der modernen Systematik der Tiere und Pflanzen anerkannt. Und wenn seine Theorie von der Verbreitung der Lebewesen, gelinde gesagt, naiv aussieht (der bekannte Botaniker Alphonse de Candolle war sogar der An­ sicht, daß diese Theorie „der berühmte Schwede nur in einem Moment gei­ stiger Umnachtung schaffen konnte"), so ist hier das Niveau der wissen­ schaftlichen Kenntnisse jener Epoche schuld und vor allem das Bestreben, die Wissenschaft mit den Dogmen der Heiligen Schrift in Einklang zu bringen. Jahre vergingen, Gelehrte, Botaniker und Zoologen sammelten immer neue Fakten über die Verbreitung von Tieren und Pflanzen auf der Erde, auf Inseln und Kontinenten, in den Tropen und der Tundra, in Wüsten und Ge­ birgen. Neue Hypothesen wurden aufgestellt, die diese Verbreitung erklärten. In ihnen traten sowohl eine Sintflut als auch geologische Katastrophen und 15

der göttliche Akt der Erschaffung der Welt und vieles andere mehr auf. Aber erst nach dem Erscheinen des großen Werkes Charles Darwins „Entstehung der Arten" nahm die wissenschaftliche Biologie ihren Anfang, und mit ihr wurden zu Wissenschaften sowohl die Phytogeographie, die die Verbreitung der Pflanzen studiert und erklärt, als auch die Zoogeographie, die die Ver­ breitung der Tiere studiert und erklärt. Beide Disziplinen werden oft zur Biogeographie zusammengeschlossen- der Wissenschaft von der geographi­ schen Verbreitung der Organismen. In den Kapiteln XII und XIII der „Ent­ stehung der Arten" legte Darwin im wesentlichen die Entwicklung der mo­ dernen

Biogeographie

fest.

Er

zeigte,

daß

man

die

Ähnlichkeit

oder

Verschiedenheit der Faunen und Floren nicht nur allein durch physische Faktoren erklären kann. Der geniale Gelehrte zeigte überzeugend, wie natür­ liche Hindernisse, in der Art von Wüsten, Meerengen, Gebirgsrücken, Tiere und Pflanzen von der Umwelt isolieren und sich in diesem „lsolat", auf ei­ ner Insel oder in den Bergen (die er bildhaft „Insel auf dem Festland" nann­ te) im Prozeß der Evolution gesonderte - endemische - Arten formieren, die nur der entsprechenden Insel oder „Insel auf dem Festland" eigen sind. Hier einige Beispiele. Der Baikalsee, isoliert durch hohe Gebirgsketten, ist reich an Endemiten, an Arten, die diesem und nur diesem See eigen sind. Von 33 Molluskenarten sind 32 „baikalische", d. h. endemische; von 74 Pla­ narienarten, die im Baikalsee gefunden werden, sind 65 endemisch; 14 von 32 im See lebender Fischarten sind endemisch; endemisch ist auch die in den Gewässern des Baikalsees lebende sibirische Robbe. Im afrikanischen Tan­ ganjikasee, der ebenfalls von Bergen umgeben ist, sind von 400 ihn bevölkernden Tierarten 293 endemisch, d. h. fast 75%. Noch anschaulichere Beispiele zei­ gen die Inseln. Zum Beispiel sind die die Küstengewässer Neuseelands bevöl­ kernden Aktinien IOOprozentig endemisch, und von 1078 Schmetterlingsarten sind 1007 endemisch. Auf den Hawaii-Inseln gibt es eine selbständige ende­ mische Vogelfamilie, die sich in 9 Gattungen und 40 Arten aufteilt. Der sowje­ tische Zoogeograph P. P. Suschkin wies nach einer ausführlichen Untersu­ chung nach, daß sich die gesamte Familie aus dem gewöhnlichen uns allen gut bekannten Stieglitz entwickelte! Auf den· Galapagos-Inseln sind von 66 Vogelarten 64 endemisch; von 48 diesen Archipel bevölkernden Landweich­ tieren sind 42 Endemiten. Die wundervolle Fauna der Galapagos-Inseln brachte bekanntlich den jungen Charles Darwin auf den Gedanken, daß man die Verbreitung der Tiere dort allein durch die allmähliche zeitliche Änderung der Arten erklären kann. Der Unterschied zwischen den die einzelnen Inseln bevölkernden Ar­ ten ist um so größer, desto wesentlicher, folglich auch älter, die geographi­ sche Isoliertheit dieser Territorien ist. Aber wie gerieten Tiere und Pflanzen ursprünglich auf Inseln, in isolierte Seen, auf Hochflächen usw.? Auf diese Frage werden in der „Entstehung der Arten" sowie in anderen Arbeiten Darwins überzeugende Antworten ange­ führt. Der gleichen Frage widmete der große Mitkämpfer Darwins, Alfred 16

Wallace, seine Arbeiten. Dessen zweibändiges Werk „Die geographische Ver­ teilung der Tiere" ist im Grunde genommen eine ausführliche und mit kolos­ salem Faktenmaterial angereicherte Darlegung der in den Kapiteln XII und XIII der „Entstehung der Arten" geäußerten Ideen, d. h. ein Fundament der Biogeographie. Die Monographie Wallaces „Das Inselleben" ist gänzlich der Analyse der Wege und Mittel gewidmet, mit deren Hilfe die Tiere mehrere Dutzende und Hunderte Kilometer vom Festland entfernte Inseln besiedeln. Und noch zu Lebzeiten Wallaces, im Jahre 1883, führte die Natur ein origi­ nelles Experiment durch, das zeigte, daß Wasserhindernisse keine unüber­ windlichen Schranken für Tiere und Pflanzen darstellen. Am 26. August

1883 ereignete sich in der die indonesischen Inseln Sumatra und Java tren­ nenden Sundastraße ein Ausbruch des Vulkans Krakatau. Die gleichnamige Insel wurde mit einer dicken Schicht vulkanischer Asche überschüttet, und

1

alles Leben auf Krakatau wurde vernichtet. Die 18 /2 km vom nächsten Festland entfernte Insel verwandelte sich in eine echte „Toteninsel". Aber bereits drei Jahre nach dem Ausbruch, im Jahre 1886, wurden auf Krakatau blaugrüne Wasserpflanzen, 11 Farnkrautarten und 50 Arten Blumengewäch­ se

entdeckt. Sechs Jahre später, im Jahre 1889, erschienen nach den Pflanzen

auch Tiere: Spinnen, Fliegen, Wanzen, Käfer, Schmetterlinge und sogar eine Großechse, der Waran. Im Jahre 1908 besiedelten die Insel Krakatau 263 Arten Landtiere, davon 240 Arten Gliedertiere, 2 Arten Kriechtiere, 16 Ar­ ten Nistvögel. Und im Jahre 1921 lebten hier schon 573 Arten, darunter

1 Schlangenart, 26 Arten Nistvögel, 2 Fledermausarten und die allgegenwär­ tigen Ratten.

Zu Luft, zu Wa�r ... und zu Lande? Eine so schnelle Besiedelung Krakataus wird freilich durch die Nähe des Festlandes erklärt und dadurch, daß die dahin geratenen Tiere und Pflanzen keinerlei Konkurrenz antrafen. Denn gewöhnlich muß jeder Übersiedler in der neuen Heimat auch noch Fuß fassen, deren frühere Bewohner besiegen, sich erfolgreich vermehren usw. Aber uns interessiert etwas anderes: Auf welche Weise gelangten verschiedene Tiere und Pflanzen auf Krakatau? Und allgemein: Wie werden Inseln besiedelt? Die natürlichste Art und Weise, ein Wasserhindernis es

zu

zu

überwinden, ist,

durchschwimmen. Die Möglichkeiten der Schwimmtiere sind jedoch

begrenzt. Als Rekordhalter kann hier das Krokodil genannt werden. Bei den Kokos-Inseln im Indischen Ozean sah man ein Krokodil, das nur von den

900 km entfernten Sundainseln hierher geschwommen sein konnte. Einige Dutzend

Kilometer

können

Flußpferde,

Büffel,

Eisbären

und

Rentiere

schwimmen. Tiger durchschwammen die Johorestraße, die die Insel Singapur von der Halbinsel Malakka trennt. Aber diese Meerenge ist nicht breit; eine Entfernung jedoch von mehreren Dutzend Kilometern können Tiger schon 2-552

17

nicht mehr bewältigen. Auf Kalimantan, Java und vielen anderen Inseln In­ donesiens gibt es sie nicht. Süßwasserfische und Amphibien dagegen vertra­ gen kein Meerwasser, und Meeresausflüge werden sie nicht unternehmen können. Und nichtsdestoweniger bevölkern solche untauglichen Schwimmer wie

zum

Beispiel

Nachteidechsen

fast

alle

Inseln

des

Stillen

Ozeans.

Reisen über Meerengen und Meere, und das zeigte Darwin in überzeu­ gender Weise,

können Tiere mittels origineller Schiffe-Holzstämme und

ganzer Bäume-machen. Wenn in Hochwasserzeiten die Flüsse über die Ufer treten, tragen sie Stämme und Bäume ins offene Meer, Strömungen ergreifen sie, und danach wirft sie die Flut an die Küste der Inseln. In den Baumstäm­ men jedoch finden viele Festlandtiere oder deren Larven, Eier usw. eine Zu­ fluchtsstätte. So siedelt zum Beispiel der Gecko der Gattung Ptychozoon über, und gerade ihn kann man auf vielen entfernten Inseln Ozeaniens antreffen. Darwin führte einen einfachen Versuch durch, der bewiesen hat, daß eine gewöhnliche Weinbergschnecke eine Reise von fast 1000 km machen kann, weil die Schnecke einen 20tägigen Aufenthalt im Meerwasser überstand; in dieser Zeit hätte eine Meeresströmung einer mittleren Geschwindigkeit sie um 660 Seemeilen fortgetragen. Einige Festlandweichtiere machen Seereisen, indem sie sich an Stämmen festsaugen und die Muschelöffnung mit einem speziellen Film oder Deckel schließen. Auf „Schiffen" reisen nicht nur kleine Lebewesen so wie Schnecken und Weichtiere. Schwimmende Stämme bringen Schlangen auf Inseln, dabei sind das manchmal recht große Exemplare. So kam auf einem Holzstamm aus Südamerika eine Riesenschlange auf die Insel Saint Vincent im Karibischen Meer geschwommen. Als „Schiffe" können auch Eisschollen dienen. In den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts trug eine losgerissene Eisscholle eine Herde Pferde in den Kaspisee, die danach auf der Insel Kylaly landete, an die es die Eisscholle spülte. Sie vermehrten sich und verwilderten. Bisher war die Rede von Landtieren. Wesentlich einfacher gelangen Vö­ gel, Fledermäuse und geflügelte Insekten auf Inseln. Wachtel und Wiesen­ knarre

gelten

als

schlechte

Flieger,

allerdings

überfliegen

auch

sie das

Schwarze Meer. Hunderte Kilometer können Fledermäuse und sogar Insek­ ten fliegen, besonders wenn ihnen günstiger Wind hilft. Ein Schwarm Wan­ derheuschrecken geriet aus Afrika auf die Insel Madeira. Libellen beobachte­ te man im Ozean, zwischen Australien und Indonesien, Falter im Indischen Ozean, 300 Meilen von der Küste entfernt. Der Schmetterling Totenkopf machte nicht nur einmal Ausflüge in den Ozean und flog dabei sogar auf die weitentfernte Insel Sankt Helena. Es ist nicht verwunderlich, daß fast alle In­ seln in den Ozeanen mit Insekten und Fledermäusen bevölkert sind. Spinnen haben keine Flügel. Jedoch auch sie können recht weite Flüge machen, indem sie sich an langen Spinnweben durch die Luft tragen lassen. Aus solchen „Spinnwebenspinnen" besteht beispielsweise die gesamte Spin­ nenfauna auf den Hawaii-Inseln, die viele Hunderte Kilometer von anderen 18

Ländern entfernt sind. Neben einem solchen aktiven Flug können aber In­ sekten und ebenfalls Eier von Reptilien, der Laich von Süßwasserfischen usw. mit Zugvögeln u. a. (im Gefieder) vermutlich auf entfernte Inseln ge­ bracht

werden.

(Darwin

bezeichnete

das

als

„zufällige

Anwehungen".)

Schließlich spielt insbesondere auf Inseln die Tätigkeit des Menschen eine gewaltige Rolle bei der Ansiedlung der Tiere. Auf Neuseeland beispielsweise wurden zu verschiedenen Zeiten 42 Säugetierarten eingeführt, wobei nicht weniger als 20 von ihnen derartig in ihrer neuen Heimat Fuß faßten, so daß sie den Charakter ihrer Fauna völlig veränderten. Die flügellosen Vögel Neuseelands wurden fast vollständig durch Katzen, Hunde, Füchse und haupt­ sächlich durch die Menschen ausgerottet. Auch die alte Flora dieser Doppelinsel begann verdrängt zu werden, an ihre Stelle traten aus Europa mitgebrachte Pflanzen. Und heute stehen viele Orte Neuseelands mit ihrer Fauna und Flo­ ra näher zu England als zur Urnatur der Insel. Der Mensch hilft der Ansiedlung von Tieren nicht nur bewußt, sondern bisweilen auch ohne seinen Willen. Denn ihm folgen an die neuen Wohnorte Parasiten und sogenannte Schmarotzer der Menschen - Ratten, Mäuse, Flie­ gen, Küchenschaben, Kleidermotten usw. In unseren Tagen ist kein Land zu finden, in dem nicht Ratten und Mäuse wären. Europäische Schiffe brachten sie praktisch auf alle Inseln Ozeaniens, genauso wie Ameisen, Schaben und andere ähnliche Schmarotzer. Somit breiten sich Tiere und Pflanzen auf die Inseln schwimmend aus, auf „Schiffen" in der Art von Stämmen oder Eisschollen, mit Hilfe der eige­ nen Flügel, bewußt oder unbewußt mit Hilfe des Menschen. Darwin, Walla­ ce

und andere Gelehrte entwarfen ein imposantes und geschlossenes Bild von

der Besiedelung der ozeanischen Inseln. Und doch waren in diesem Bild un­ geachtet der Genialität seiner Schöpfer bedeutende „weiße Flecken". Viele Bewohner der Inseln, insbesondere des Stillen Ozeans, konnten keinesfalls schwimmend oder auf den Flügeln von Zugvögeln in ihre Heimat gelangen. Die einzige vernünftige Erklärung für deren Auftreten auf den Inseln war die Hypothese, daß diese Inseln durch Festland mit einem Kontinent oder sogar mit zwei Kontinenten verbunden waren. Und je besser die Zoologen die ei­ genartige Welt Ozeaniens kennenlernten, um so mehr Tatsachen besagten, daß die Inseln im Stillen Ozean nicht so sehr zu Wasser, durch zufällige „Schwimmer" und Zugvögel, als mehr zu Lande über Landbrücken zwischen Kontinenten und Inseln besiedelt wurden. Ungefähr vor einem halben Jahrhundert gab der hervorragende russi­ sche Gelehrte Michail Alexandrowitsch Mensbir, einer der Begründer der modernen Zoogeographie, ein Buch unter dem Titel „Geheimnisse des Gro­ ßen Ozeans" heraus. In ihm wurden die Beobachtungen mehrerer Generatio­ nen von Naturforschern und Zoologen zusammengefaßt, Beobachtungen, die Mensbir als gewichtige Beweise zugunsten einer früheren Existenz ausge­ dehnter Festlandsbereiche im Stillen Ozean interpretierte.

2'

19

Beuteltiere und andere Die Vertreter niederster Säugetierarten werden nur im Pazifischen Becken angetroffen. Australien ist das klassische Land der Beuteltiere. Außerdem kann man Beuteltiere in Nord- und Südamerika finden (Opossum). Vor Mil­ lionen Jahren besiedelten Beuteltiere Europa, das möglicherweise auch ihre Heimat war. (Paläontologen nehmen an, daß die Heimat der Beuteltiere die nördliche Halbkugel ist.) Auf welche Weise gelangten Beuteltiere nach Au­ stralien, wenn der fünfte Kontinent nicht ihre Heimat war? Scheinbar führt der einfachste Weg über Indonesien und Südostasien. Aber wir haben keiner­ lei Beweise für diesen Weg. Sehr viele Fakten dagegen besagen, daß die Beu­ teltiere aus Südamerika nach Australien gelangten, und das trotz des sie trennenden Ozeans! In Südamerika gefundene fossile Beuteltiere ähneln sehr den australischen Beuteltieren. Die Zoologen und Paläontologen halten die Ähnlichkeit des in den zur Tertiärzeit gehörenden Ablagerungen von Santa Cruz in Südamerika gefundenen fossilen Beuteltiers mit dem australischen Beutelwolf für erstaun­ lich. Wobei in Betracht zu ziehen ist, daß die fossilen Beuteltiere Südameri­ kas älter sind als die fossilen Beuteltiere Australiens. Es ist logisch anzu­ nehmen, daß einstmals, in der Tertiärzeit, Australien mit Südamerika durch eine Festlandbrücke verbunden war. Diese Brücke von Südamerika auf den fünften Kontinent überschreitend, fanden die Beuteltiere hier ihre zweite Heimat. Und als die Verbindung zwischen den Erdteilen abbrach, weil die Brücke auf den Grund des Stillen Ozeans sank, wurde Australien, isoliert von den übrigen Erdteilen, im Grunde genommen ein echter Naturschutz­ park für die fast allerorts von anderen höher entwickelten Säugetierarten ausgerotteten Beuteltiere. Von der Existenz einer Festlandbrücke zeugt auch die Verbreitung der sogenannten Knochenzungenfische aus der Familie der Halaxidae. Diese Fi­ sche vertragen kein Meerwasser, und es gibt sie in Flüssen Südamerikas, Südafrikas, im Süden Australiens und sogar auf der Insel Neuseeland. Die Süßgewässer aller drei auf der südlichen Halbkugel liegenden Erdteile zwi­ schen dem 30. und 60. Grad südlicher Breite sowie die Flüsse der Insel Neu­ seeland sind mit Fischen aus der Familie der Halaxidae bevölkert. Man kann versuchen, die Verbreitung der Halaxidae in Südamerika und Südafri­ ka durch irgendwelche weite Reisen Fischrogenkörner während Flußüber­ schwemmungen

zu

erklären usw. Vermögen es doch die Osman-Fische, die

in den Gebirgsflüssen des Pamir beheimatet sind, die Gebirgsgrate schreiten und in den Tienschan

zu

zu

über­

gelangen. Aber auf welche Weise gerieten

die Halaxidae nach Australien und sogar nach Neuseeland? Allem Anschein nach ist die Verbreitung der Halaxidae durch Festlandsverbindungen der Kontinente zu erklären: Südafrika und Südamerika über den Atlantik, Süd­ amerika und Australien einschließlich Neuseeland über den Stillen Ozean. Abwägbare Beweise für einen pazifischen Kontinent sah Mensbir auch 20

in der Arealkunde über die Verbreitung der Zehnfußkrebse, Vertreter der Küstenfauna. Diese Krebse konnten nicht auf die Hunderte von Kilometern entfernten Inseln des Stillen Ozeans gelangen, wäre hier nicht einst Festland gewesen. Wie bereits erwähnt, können Geckos „schwimmend" auf Inseln gelangen. Auf Baumstämmen können Eidechsen und Schlangen mehrere Dutzend, aber bisweilen auch Hunderte von Kilometern zurücklegen. Aber durch „zufällige Anwehungen" kann man die ungewöhnliche Fauna der Kriechtiere auf den Fidschi-Inseln schwerlich erklären. Hier gibt es die der östlichen Halbkugel eigenen Eidechsen-Agamen und die für die Neue Welt charakteristischen Ei­ dechsen-Leguane. Außerdem sind auf den Fidschi-Inseln kleine Schlangen und drei Abarten von Fröschen beheimatet. Sind das nicht etwas zu viel zu­ fällige Anwehungen allein für den Fidschi-Archipel? Leguane konnten schwerlich von Amerika oder den Galapagos-Inseln bis zu den Fidschi-In­ seln schwimmen (die Leguane der Fidschi-Inseln sind mit den Eidechsen die­ ses entlegenen Archipels verwandt), weil die Seereise auf einem Holzstamm nicht nur einen Monat gedauert hätte. Um so unwahrscheinlicher erscheint die Annahme einer zufälligen Anwehung von Fröschen auf den Fidschi-In­ seln, die kein Salzwasser vertragen. Auf den übrigen westlich von den Fidschi-Inseln gelegenen Inseln Ozea­ niens fehlen Frösche. Aber auf den polynesischen Inselgruppen Samoa und Tonga gibt es Schlangen und Eidechsen, die absolut unfähig zu weiten Flü­ gen sind. Hierher konnten sie nur über Festland gelangen. Ebenso wie auch einige Arten von Schmetterlingen, Käfern, Ameisen, Spinnen, Weichtieren, Lurchen, Kriechtieren und Würmern, die mit den Bewohnern Amerikas oder der Alten Welt verwandt sind. Beispielsweise sind auf Neukaledonien Vertre­ ter der südamerikanischen Leuchtspringkäfer beheimatet: Es ist unwahr­ scheinlich, daß es sie durch einen günstigen Wind aus dem um mehrere tau­ send Kilometer entfernten Amerika hergetragen hat. Von ehemaligen Festlandbrücken zeugt auch die Verbreitung der Vegeta­ tion auf den Inseln des Stillen Ozeans. Zum Beispiel gibt es in Polynesien neben spezifischen endemischen Pflanzenarten auch asiatische und australi­ sche Arten, und Zypressen, Liliengewächse und Farne gibt es sowohl in Po­ lynesien als auch in Amerika. Den Rekord der Vermischung der Flora ver­ schiedener Kontinente stellen die Hawaii-Inseln auf. Hier ist die

Flora

Indonesiens, Nordamerikas, Australiens, Polynesiens, Südamerikas und schließlich der Antarktis vorhanden! Ein solch heilloser Wirrwarr der Pflan­ zenwelt ist allein mit zufälligen Anwehungen unmöglich zu erklären. Das Fazit ziehend, kommt Mensbir in seinem Buch „Geheimnisse des Großen Ozeans" zu dem Schluß, daß viele Inseln Ozeaniens nur Reste eines großen heute untergegangenen Festlandes sind. Alle oben angeführten er­ staunlichen Fakten der Ansiedlung von Tieren und Pflanzen legen ein Zeug­ nis zugunsten dieser Hypothese ab. Mehr als dies: Der Begründer der russi­ schen Zoogeographie nahm an, daß die Inselwelt Ozeaniens ihr heutiges Aussehen erst vor kurzem annahm. „Die objektiven Daten der Wissenschaft 21

sagen uns, daß der Große Ozean nicht so alt ist, wie man annimmt. In seinem tropischen Teil bildete er sich offensichtlich nicht früher als im Miozän. Erst später, viel später, als der Mensch nicht nur entstanden war, sondern auch schon eine gewisse Kulturstufe erreicht hatte, erhoben sich in ihm zahlreiche Inseln-die einen größer, die anderen kleiner", schrieb Mensbir. Aber wenn das so ist, dann spielten die heute versunkenen Festlandbrük­ ken und Inseln eine große Rolle nicht nur in der Ansiedlung von Tieren und in der Verbreitung von Pflanzen auf den Inseln Ozeaniens, sondern auch in deren Erschließung durch die Menschen. Und so paradox das ist, diesen Standpunkt verteidigte heftig der große Alfred Wallace-ein Gelehrter, der ein entschiedener Gegner der Festlandbrücken war, wenn die Rede auf die Verbreitung der Fauna und Flora auf den pazifischen Inseln kam, der Urhe­ ber der monumentalen Monographie „Das Inselleben", die Hunderte von Fakten für die

zufällige

Besiedelung der Inseln

im

Ozean durch Tiere

anführte.

Die Wallace-Linie Die „ Wallace-Linie" -so bezeichnet man in der modernen Zoogeographie eine imaginäre Linie, die die beiden Faunawelten trennt: den tropischen und subtropischen Süden des asiatischen Kontinents mit einem Teil der Inseln Indonesiens und die australo-ozeanische Welt, die teilweise Inseln des indo­ nesischen Archipels mit einschließt. Die Wallace-Linie verläuft zwischen den Inseln Bali und Lombok, östlich der Insel Java und weiter durch die breite Makassarstraße, die Kalimantan (Borneo) von Sulawesi trennt. Alfred Wal­ lace zeigte anschaulich, daß zwischen den Inseln Bali und Lombok, die durch eine Meerenge getrennt sind, deren Breite nicht einmal 30 km erreicht, der Faunaunterschied größer ist als zwischen England und Japan. Die Tier­ welt dieser Inselnachbarn unterscheidet sich ebenso kraß wie auch die der durch den Atlantik getrennten Erdteile Europa und Amerika. Wallace erklärte diesen wahrlich auffallenden Unterschied damit, daß die Inseln Indonesiens einstmals Bestandteile zweier großer Erdteile waren-die einen grenzten an Asien, die anderen an Australien (zusammen mit Neugui­ nea). Und die die Fauna Indonesiens trennende Wallace-Linie war ehedem keine imaginäre Linie, sondern eine reale Meerenge, die die beiden Erdteile trennte. Mehr als dies, Wallace nahm an, daß diese Meerenge nicht nur zwei verschiedene Tierwelten trennte, die südasiatische und die australo-ozeani­ sche, sondern auch zwei verschiedenartige menschliche Rassen, die mongo­ loide und die ozeanische. Zu den Vertretern letzterer rechnete Wallace die Ureinwohner Australiens, die Papuas Neuguineas sowie die Bewohner Mela­ nesiens, Mikronesiens und Polynesiens. Die Hypothese Wallaces wurde von dem anderen großen Mitkämpfer Darwins-Thomas Huxley-entwickelt und vervollkommnet. Wenn Darwin seine geniale Theorie hauptsächlich mit Beispielen aus der Entwicklungsge22

schichte der Tiere und Pflanzen bewies, so wendete sich Huxley ausgespro­ chen „menschlichem" Material zu. Beim Studium anthropologischen Mate­ rials, das sich auf die Ureinwohner Australiens bezog, bemerkte der Gelehrte eine Ähnlichkeit der Schädel der Australier mit dem berühmten Schädel aus Neandertal; bei den Australiern wie auch bei den Neandertalern sind die Augenbrauen stark entwickelt und ragen vor. Huxley setzte jedoch kein Gleichheitszeichen zwischen den Ureinwohnern Australiens und den Nean­ dertalern, weil, falls nach den einen anthropologischen Merkmalen die Au­ stralier den Neandertalern näher stehen, sie nach anderen weiter von ihnen entfernt sind als die Vertreter aller übrigen Rassen des Planeten. Die Eigen­ art des Äußeren der Australier war so groß, daß es Huxley für notwendig

erachtete, sie in eine besondere vierte Rasse unseres Planeten einzuordnen. Neben den weißhäutigen Vertretern der europiden Rasse, den braunhäutigen Mongoloiden und den dunkelhäutigen Negroiden gibt es nach Meinung Huxleys noch eine selbständige große Rasse-die australoide. Sie bildete sich auf einem pazifischen Kontinent, der vor verhältnismäßig kurzer Zeit unter­ ging. Die Ureinwohner Australiens bewahrten in äußerster Reinheit die au­ straloide Rasse, während wir es auf den übrigen Inseln Ozeaniens entweder mit Rassenvermischungen, wie z. B. in Mikronesien, oder mit Vertretern der negroiden Rasse, z. B. bei den Tasmaniern und Melanesiern, zu tun haben. Die Bewohner Tasmaniens gerieten nach Meinung Huxleys über eine später­ hin versunkene Festlandbrücke aus Neukaledonien auf diese Insel. Huxley wirkte an der Schwelle der Anthropologie und war einer der Pio­ niere des Studiums der Australier. Ungeachtet dessen verlor seine Schlußfol­ gerung darüber, daß die Australier Vertreter einer gänzlich besonderen gro­ ßen Menschenrasse sind, bis auf den heutigen Tag nicht ihre Bedeutung. Mit der Meinung Professor Huxleys, daß die Australier eine selbständige Rasse darstellen, stimmte der beste Kenner der Anthropologie Ozeaniens, N. N. Miklucho-Maklai, überein; sie wird auch heute von sehr vielen Wis­ senschaftlern-Anthropologen-geteilt. Natürlich gibt es auch einen anderen Standpunkt, gemäß dem die Bewohner Australiens und vieler Inseln Ozea­ niens Vertreter der negroiden (oder äquatorialen) Rasse bzw. eines der ein­ z.elnen Zweige darstellen. Jedoch sogar nach Ansicht eines Nichtfachmannes fallen die Unterschiede zwischen Afrikanern und Australiern stark auf: Die Negroiden haben Kraushaar und die Australier welliges Haar; im Unter­ schied zu den Afrikanern ist bei den Einwohnern Australiens die Behaarung kräftig entwickelt, wächst ein Bart. Auch haben die Australier keine schwar­ z.e Haut, sondern eine dunkelbraune. Unter den Afrikanern überwiegen Menschen mit schmalem Gesicht und kleinem Kopf. Die Australier dagegen haben einen massiven Schädel, eine fliehende Stirn, mächtige Augenbrauen­ bögen... Mit einem Wort, sowohl im Schädelbau als auch in der Entwick­ lung der Behaarung unterscheiden sich Australier und Afrikaner stark. Aber das sind ja die bedeutendsten Merkmale, nach denen die Menschen in Ras­ sen unterteilt werden. 23

„Ka-Houpo-o-Kane" Also nicht nur Angaben der Zoogeographie (konnte doch die Ansiedlung von Tieren vor Millionen Jahren erfolgen), sondern auch Angaben der An­ thropologie zeugten nach Meinung Huxleys von der Existenz eines pazifi­ schen Erdteils nicht in ferner vormenschlicher Zeit, sondern in einer relativ jungen Epoche, bereits in der Entwicklungszeit der Menschheit. Vielleicht ge­ lingt es tatsächlich, in volkstümlichen Überlieferungen, Mythen und Legen­ den der Bewohner Australiens und Ozeaniens die Erwähnung eines versunke­ nen Festlandes, einer Sintflut, des Untergangs von Inseln im Ozean usw. aufzufinden? Es ist nicht schlimm, daß diese Angaben in das regenbogenfar­ bige Gewand der Märchen gehüllt und mit Phantasie ausgeschmückt sind. Legenden über eine Sintflut werden tatsächlich von Forschern in der Folk­ lore und Mythologie der Ureinwohner Australiens aufgefund�n. Eine noch größere Belohnung erwartete die Gelehrten, als sie sich den Uberliefe­ rungen und Mythen der Bewohner Ozeaniens zuwandten. Bereits 1837 er­ klärte der Sammler polynesischer Folklore Moerenhout: Die Überlieferun­ gen der Bewohner Polynesiens bezeugen unwiderlegbar, daß die Inselbewoh­ ner Zeugen einer grandiosen Katastrophe waren, die den Erdteil im Stillen Ozean vernichtete. Moerenhout war ein fanatischer Anhänger der Hypothese, nach der im Stillen Ozean ein Kontinent existierte. Und deshalb riefen seine Schlußfolge­ rungen bei sehr vielen Gelehrten Zweifel hervor. Legenden über eine Über­ schwemmung und den Untergang des Erdteils im Ozean sind jedoch auch nach Moerenhout auf vielen Inseln Polynesiens aufgeschrieben worden. So erzählt eine alte von unzähligen Generationen überlieferte hawaiische Legen­ de davon, daß einstmals im Stillen Ozean ein gewaltiger Kontinent existierte, der „Ka-Houpo-o-Kane", d. h. „Sonnengeflecht Kane", genannt wurde. (Kane-hawaiische Form des Namens des Großen Gottes der Polynesier Ta­ ne, der Leben und Licht schenkt.) Der Kontinent schloß alle Inseln Polyne­ siens von Neuseeland bis Hawaii sowie den Fidschi-Archipel in sich ein. Aber da setzte eine Überschwemmung ein, „Kaia-Ka-Hina-Alii" ge­ nannt-„der Ozean, der die Führer zu Boden warr'. Seine Wasser überfluteten den gesamten Kontinent „Ka-Houpo-o-Kane", und nur die Berggipfel blieben an der Oberfläche-das sind die heutigen polynesischen Inseln und die Fidschi-Inseln. Nur wenige Menschen retteten sich vor dem Untergang dank des weisen Zauberers namens Nuu. Die Überlieferung über die Überschwemmung, die vom französischen Folkloristen Caillot auf einem der Korallenatolle des Tuamotu-Archipels aufgeschrieben wurde, besagt folgendes: „Hier die Erzählung über die Vor­ fahren der Bewohner des Atolls Hao. Anfangs gab es drei Götter: Watea Nuku, Tane und Tangaroa. Watea schuf die Erde und den Himmel und al­ les, was sich auf ihnen befindet. Watea schuf eine flache Erde, Tane hob sie hoch, und Tangaroa hielt sie. Der Name dieser Erde war Hawaiki. 24

Als die Erde geschaffen war, schuf Tangaroa einen Menschen namens Ti­ ki und dessen Weib namens Hina. Hina wurde aus einer Rippe Tikis er­ schaffen. Sie lebten zusammen, und es wurden Kinder geboren. Die Menschen begannen Böses auf dieser Erde zu schaffen, und Watea wurde von ihren Taten erzürnt. Watea befahl einem Menschen mit Namen Rata, ein Boot zu bauen, welches ihm als Schutz dienen sollte. Dieses Boot wurde Papapapa-i-Henua (flache Erde) genannt-es sollte Rata und dessen Weib schützen, die man Te-Pupura-i-Te-Tai rief, sowie drei ihrer Kinder mit deren Weibern. Aus dem oberen Raum, vom Himmel, ergoß sich ein Regen, und unsere Erde wurde mit Wasser überschwemmt. Der Zorn Wateas zer­ brach die Himmelstore, der Wind war von der Kette gelassen, der Regen er­ goß sich in Strömen-und die Erde war zerstört und vom Meer überflutet. Rata, dessen Weib und die drei Kinder mit den Weibern suchten Schutz im Boot und verließen es 600 Epochen später, als das Wasser fiel. Sie waren ge­ rettet, wie auch wilde Tiere und Vögel gerettet waren, Lebewesen, was auf der Erde kriecht und im Raum über ihr fliegt. Die Zeit verging-unJ die Erde wurde wieder voll Menschen ...". (Die vollständige Übersetzung der „Erzählung über die Vorfahren der Bewohner des Atolls Hao" ist vom Autor dieses Buches in der Übersetzung aus der Tuamotu-Sprache in der Monographie „Märchen und Mythen Ozeaniens", Moskau, Nauka 1970, veröffentlicht worden.) Der Stoff der Erzählung ist der Geschichte der in der Bibel erzählten Sintflut erstaunlich ähnlich. Ist die Erzählung über die Überschwemmung nicht einfach eine Verdrehung der biblischen Legende? Caillot jedoch, der ähnliche Überlieferungen auch auf anderen Tuamotu-Inseln aufschrieb (die­ ser Archipel war weniger als die anderen vom Einfluß der europäischen Kul­ tur berührt), behauptet, daß sowohl die Legende der Insel Hao als auch „an­ dere Überlieferungen der Überschwemmung viele Wörter enthalten, welche die Eingeborenen jetzt nicht mehr verstehen", da diese Wörter Archaismen sind: Sie verloren sich aus der landläufigen Sprache und blieben nur in alten Überlieferungen erhalten. Nach Worten der Bewohner Tuamotus wurden die Legenden von ihren Vorfahren „noch vor dem Erscheinen der Europäer" er­ zählt. Aller Wahrscheinlichkeit nach existierten bei den Polynesiern originel­ le Überlieferungen und Mythen, die von versunkenen Ländern erzählten, die danach im Sinne der Bibel interpretiert worden sind: Anders kann man die klar in ihnen vorhandenen biblischen Motive nicht erklären.

Der Nabel der Inseln Zoogeographie, Anthropologie, Folkloristik ... Vielleicht sprechen für eine einstige Existenz eines Erdteils im Stillen Ozean nicht nur Beuteltiere und Eidechsen, Schädelform und verworrene Überlieferungen, sondern auch greifbare Kulturdenkmäler? Wenn der Erdteil bereits zu Gedenkzeit der 25

Menschheit unterging, kann man da nicht annehmen, daß dieser Erdteil mit einem Volk-oder Völkern-besiedelt war, die nicht nur „eine gewisse Kul­ turstufe" erreicht hatten, wie Mensbir annahm, sondern auch eine urwüchsige entwickelte Zivilisation besaßen, der durch eine Katastrophe, die das „Pa­ zifische Atlantis" vernichtete, ein tödlicher Schlag versetzt worden war? An diesem Standpunkt hielten der von uns erwähnte Moerenhout, der berühmte Seefahrer und Gelehrte Dumont d'Urville, der Begleiter Cooks, der Naturforscher Forster und viele andere Forscher Ozeaniens fest. Wahr­ haftig: In der Kultur und der Lebensweise der Bewohner der Inseln Ozea­ niens, insbesondere der Polynesier, so schien es, hat sich Unvereinbares ver­ einigt. Einerseits waren das Wilde, die Metalle, Töpferhandwerk sowie Pfeil und Bogen nicht kannten, den Kannibalismus nicht verschmähten und halb­ nackt herumliefen. (Deshalb war L. H. Morgan der Ansicht, daß sich die Polyne­ sier in einem noch niedereren Entwicklungsstadium befinden als die Austra­ lier.) Aber als andererseits den Wissenschaftlern sowohl die polynesischen In­ seln selbst, als auch das eigentliche Leben der polynesischen Gemeinden besser bekannt wurden, stellte sich heraus, daß hier eine prachtvolle Holz­ schnitzkunst blühte, daß die Mythologie und Kosmogonie der scheinbaren „Wilden" ebenso kompliziert, poetisch und erhaben ist wie die altgriechische oder altindische und daß die Bewohner Polynesiens in der Kunst der Schiffs­ führung sowohl die Phönizier als auch die Römer wie auch die Wikinger übertrafen und zu Recht als das beste Seefahrervolk unseres Planeten gelten können. Fast auf allen Inseln Polynesiens, sogar auf menschenleeren, kann man imposante Bauwerke aus Stein und Korallenplatten, Plattformen und Tempel finden und auf vielen Inseln auch gewaltige Statuen aus Stein. Dabei erinnern diese Tempel und Steinbilder in Architektur und Stil an analoge monumentale Bauten, die fern vom Ozean in Mexiko und besonders in Süd­ amerika gefunden wurden und zur Inkazeit und um vieles älteren Epochen gehören. Sind nicht die Polynesier Nachkommen der Gründer einer großen Kul­ tur, die in den Ländern des „Pazifischen Atlantis" existierte? Einer Kultur, die den Beginn der Zivilisationen des Amerika vor Kolumbus einleitete? Nach dem Untergang des Kontinents geriet sie in Verfall, und die durch die Weiten des Ozeans isolierten und getrennten Polynesier begannen allmählich das Erbe der Vorfahren einzubüßen, zu „degradieren". Hieraus erklärt sich auch, warum wir bei den Polynesiern eine merkwürdige Verbindung primi­ tivster Kulturformen mit Errungenschaften hoher Zivilisationen vorfinden. Und die wohl größten Kontraste dieser Art gibt es auf der Oster-Inseln oder, wie sie die Einheimischen nennen, auf

„Te-Pito-o-te-Henua" -Nabel der

Inseln. Admiral Roggeveen, der die Insel 1722 entdeckte, wunderte sich, daß rie­ sige „eine Höhe von mindestens 30 Fuß aufweisende" Standbilder, heraus­ gemeißelt „aus Stein in der Form von Menschen mit langen Ohren und einer Krone auf dem Kopf, außerordentlich kunstvoll" aus Stein gehauen, von In26

selbewohnern hergestellt worden sind, die „weder schwere, dicke Balken, um Geräte anzufertigen, noch ausreichend feste Seile" hatten. Diese Frage ist, nebenbei bemerkt, auch bis zum heutigen Tag nicht endgültig gelöst, obwohl seit Roggeveen mehr als 250 Jahre vergangen sind. Die darauffolgende Expe­ dition, die die Oster-Insel 1770 aufsuchte, entdeckte, daß die Inselbewohner eine eigenartige Schrift benutzten. Das Rätsel der Schriftzeichen des „Nabels der Inseln", der sogenannten kohau rongo-rongo, der „sprechenden Täfel­ chen", ist ebenfalls noch nicht gelöst. Weshalb hatten es die Bewohner einer winzigen insgesamt nur 117 km 2 großen Insel nötig, eine Schrift zu schaffen, Menschen, die nur Lendengurte trugen, sich bekriegten und Kinderfleisch für einen auserlesenen Leckerbis­ sen hielten? Noch mehr Fragen treten im Zusammenhang mit dem Bau und dem Transport der Statuen auf. An verschiedenen Stellen der Oster-Insel wurden ungefähr 500 riesige Skulpturen entdeckt. Noch 150 unvollendet ge­ bliebene befinden sich im Steinbruch des Kraters des Vulkans Rano-Raraku. Im Steinbruch wurden Hunderte Steinäxte gefunden, mit deren Hilfe die Sta­ tuen angefertigt wurden. „Nirgends befanden wir uns, seit unsere Augen sehen lernten, unter ei­ nem solchen Reiz des Wunders wie hier. Die Mehrzahl der Statuen ist noch nicht vollendet und nicht selten mit Flechten bedeckt oder mit Gras oder Farnen überwachsen", schreibt über den Steinbruch die englische Forscherin Katrin Routledge, die über ein Jahr auf der Oster-Insel verbrachte, um zu versuchen, deren Geheimnisse zu ergründen. „Den Betrachter setzt zunächst eine herausragende Figur in Erstaunen. Aber wenn er aufmerksam hinsieht, erblickt er mit Verwunderung, daß die Wände zu beiden Seiten durchweg mit Götzen bedeckt sind und daß über ihnen in einer Nische eine andere gi­ gantische Figur steht; sie schaut nach unten, und es scheint, daß ihr Fuß auf einem gewaltigen Gesicht ruht." Die größte der Statuen der Oster-Insel (und ganz Ozeaniens) ist fast 21 m hoch; ihr Kopf ist 11 m und die Nase 4 m lang. Freilich blieb diese Sta­ tue im Steinbruch liegen. Aber andere mehrere Dutzend Tonnen wiegende Statuen wurden aus dem Steinbruch an die K üste des Ozeans gebracht und auf steinerne Plattformen gestellt (von den Inselbewohnern „ahu" genannt), deren Länge 60 m und deren Höhe 3 m erreichte. Noch mehr als dies: der Kopf der steinernen Giganten wurde mit einem „pukao" geschmückt, einem gewaltigen Zylinder, ebenfalls aus Stein, aber von roter Farbe; diese „Hüte" wurden in einem anderen im K rater des Vulkans Puna-Pau gelegenen Stein­ bruch herausgemeißelt. Die Abmessungen der „pukao" sind nicht weniger verblüffend als die Abmessungen der Statuen der Oster-Insel selbst. Im Steinbruch Puna-Pau wurde ein „Hut" mit einem Gewicht von 30 t gefunden, 2,5 m hoch und über 3 m im Durchmesser. Auf eine der Statuen mit einer Höhe von über lO m ist ein „Hut" von 2 m Höhe, fast 3 m Durchmesser und einem Gewicht von über 20 t aufgesetzt worden. 27

Zu welchem Zweck mußten die Inselbewohner eine Titanenarbeit leisten, die der auf die Errichtung der ägyptischen Pyramiden aufgewendeten Arbeit nicht nachstand? Doch die Pyramiden Ägyptens wurden von mehreren zehntausend dem Willen des Pharao ergebenen Menschen erbaut. Aber auf der Oster-Insel lebten zur Zeit ihrer Entdeckung durch die Europäer höch­ stens 5000 Polynesier. Sie kannten keinerlei Zentralgewalt, die Stämme befeindeten sich untereinander und stürzten die Statuen von ihren Sockeln. Es ist schwer vorstellbar, welche Kraft ihre Vorfahren veranlaßte, unglaub­ liche Anstrengungen für die Herstellung der Statuen, den Transport der mehrere Tonnen wiegenden Giganten zum Meeresufer, auf die Errichtung monumentaler Plattformen und das Aufstellen der Statuen auf ihnen und schließlich das Schmücken mit gewaltigen „Hüten" zu vollbringen, die aus irgendeinem Grund unbedingt aus rotem Stein gemeißelt sein mußten. (Viel einfacher wäre es doch gewesen, die Statuen direkt „mit Hüten" herzustel­ len, aber dann wären Statue und pukao von einer Farbe.) Aber all das sind nur die rein „technischen Fragen", Fragen, die nur mit dem Bau der Statuen der Oster-Insel im Zusammenhang stehen. Daneben gibt es eine Reihe anderer: Wen stellten die Giganten dar? Weshalb wurden sie auf Sockeln errichtet und mit „Hüten" geschmückt usw.? Bei Forster, dem Begleiter Cooks, wie auch bei vielen anderen späteren Forschern, die die Oster-Insel besuchten, entstand der Eindruck, daß die Ar­ beiten im Steinbruch Rano-Raraku unvermittelt abgebrochen wurden. Sie waren in vollem Gange, als irgendeine Katastrophe die Titanenarbeit der In­ selbewohner beendete. Im Steinbruch liegen bis zum heutigen Tage zum Ab­ transport bereits fertiggestellte Statuen und primitive Steinwerkzeuge der al­ ten Bildhauer verstreut herum. Was ist hier geschehen? Vielleicht war die Insel einem Überfall von Er­ oberern vom Meer aus ausgesetzt? Oder war es ein Sklavenaufstand, ähnlich denen, die einst das alte Agypten und Rom erschütterten? Oder brach ir­ gendeine Naturkatastrophe, ein Erdbeben, ein Vulkanausbruch, eine Über­ schwemmung über die Insel herein und vernichtete alle Bildhauer der Gigan­ ten bis auf den letzten Mann? Die Wissenschaftler wendeten sich Überlieferungen und Legenden der Bewohner der Oster-Inseln zu. Aber sie enthielten leider sehr wenig Informa­ tionen. Am Südabhang des Vulkans Rano-Raraku wohnte eine Alte, die den Steinmetzen Mittagessen zubereitete, lautet eine der hiesigen Legenden. Mit Hilfe ihres „Mana", einer übernatürlichen Kraft, an die alle Bewohner Ozea­ niens glauben, transportierte die Alte die Statuen aus dem Steinbruch an die Küste des Meeres zu den Sockeln. Eines Tages, als die Alte nicht zur Stelle war, trieben die Steinmetzen zarte und saftige Hummer auf und aßen sie alle auf der Stelle auf, der Alten ließen sie nicht ein Stück. Als die Alte davon er­ fuhr, geriet sie in fürchterlichen Zorn und stürzte die Götzen auf die Erde, die sie vorher auf die ahu gestellt hatte. So wurden die Arbeiten im Stein­ bruch Rano-Raraku abgebrochen. 28

Etwas anderes erzählt eine weitere Legende der Bewohner der Oster-Insel über den Sturz der Statuen. Einst erschien hier ein niemandem bekannter stummer Alter. Mit Gesten gab er den Inselbewohnern zu verstehen, daß er Hühnerköpfe kosten möchte, der Lieblingsleckerbisse (neben dem Menschen­ fleisch) der alten Bewohner des Nabels der Inseln. Die Bitte wurde dem Fremden abgeschlagen. Der Alte legte sich in eine der Hütten schlafen. Nachts erwachten die Gastgeber von einem fürchterlichen Lärm: Der Alte stampfte aus voller Kraft mit den Füßen auf das steinerne Fundament der Hütte. Und am nächsten Morgen sahen die Inselbewohner, daß alle auf die ahu gestellten Statuen umgestürzt waren. Beide Legenden sind ähnlich

„.

und gleichermaßen unwahrscheinlich. Al­

ler Wahrscheinlichkeit nach wurden sie wesentlich später ersonnen, als die Ereignisse, die die Arbeiten im Steinbruch beendeten und die Statuen auf die Erde stürzten, geschehen waren. Aus den Aufzeichnungen von Roggeveen, Cook, La Perouse, Lisjanski und anderen Seefahrern, die die Oster-Insel im 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts besuchten, ist bekannt, daß mit je­ dem Jahr immer weniger Statuen auf den Plattformen stehenblieben. Im Jah­ re 1838 zählte der Admiral Dupetit-Thouars nur 9 solche stehenden Statuen, aber bald darauf verblieb auf der Oster-Insel nicht ein stehender Gigant mehr. (Nur die neben dem Steinbruch Rano-Raraku in die Erde eingegrabe­ nen Götzen umzuwerfen gelang den unbekannten Gewalten nicht.) Somit ist die Erzählung über ein plötzliches und gleichzeitiges Fallen der Statuen von den Sockeln einfach eine Erfindung. Und überhaupt ist, wie Friedrich Schulze-Mese in seinem Buch über die Oster-Insel treffend bemerkte, die wirkliche Geschichte der Vorfahren der Inselbewohner zu erfahren eine „ebenso hoffnungslose Sache, wie die im Westminster mit Schnürsenkeln handelnden Alter über Cromwell zu befra­ gen. Die auf diesem Wege gewonnenen Kenntnisse sind zum großen Teil phantastische Mythen". Der Grund der „Vergessenheit des Vergangenen" besteht darin, daß die Oster-Insel 1862 einem Piratenüberfall peruanischer Sklavenhändler, die Ar­ beitskräfte für die Gewinnung von Guano auf den Chincha-Inseln an der Küste Südamerikas suchten, zum Opfer fiel. Fast die gesamte männliche Be­ völkerung der Insel wurde gewaltsam von der Insel vertrieben und in die Sklaverei verkauft. Nur das Eingreifen der Regierungen von England und Frankreich zwang die Sklavenhändler, ungefähr hundert nach dem Überfall und der Zwangsarbeit auf den Chincha-Inseln am Leben gebliebene Men­ schen in die Heimat zurückzuholen. Auf dem Wege brach unter den Inselbe­ wohnern eine Pockenepidemie aus. Danach waren nur noch 15 Menschen am Leben, diese verschleppten die Epidemie auf die Insel. Jetzt brach die Seuche auf der Insel aus, von der Bevölkerung des Nabels der Inseln blieben nur 1 11 Menschen übrig. Das Häuflein demoralisierter Menschen ist vom Missionar B. Eyraud getauft worden. Die Annahme des Christentums zer-

29

störte die Verbindung der Inselbewohner mit der alten „heidnischen Kul­ tur", obwohl ohnehin zu dieser Zeit kaum noch jemand von den wirklichen Kennern dieser Kultur am Leben war. Somit können weder die Legenden der Inselbewohner noch sorgfältigste Messungen, noch Ausgrabungen, noch ein Vergleich der Statuen der Oster­ insel mit Skulpturen anderer Länder die mit ihnen verbundenen Rätsel lö­ sen. Vielleicht bergen den Schlüssel zu ihnen nicht die Archäologie und die Ethnographie, sondern die Geowissenschaften-die Geologie und Ozeanogra­ phie? Ist die Oster-Insel nicht der Rest eines weiten mit einem großen Volk besiedelten Landes, mit einer eigentümlichen Kultur, eines Landes, das ähn­ lich dem imaginären Atlantis in einer verhängnisvollen Nacht auf den Grund des größten Ozeans des Planeten sank? Auf diesen Gedanken kamen viele Reisende und Forscher, die die Oster­ insel besuchten. In glänzendem Stil drückte ihn der französische Schriftstel­ ler Pierre Loti aus, der vor ungefähr hundert Jahren auf dem Nabel der In­ seln weilte. Seit jener Zeit bemächtigte er sich auf lange Zeit der Einbildungskraft hunderttausender Leser an allen Enden der Welt. Noch mehr als dies: Loti gab den Vertretern verschiedener mystischer Vereinigun­ gen neues Material, die sogleich die Oster-Insel und den im Stillen Ozean versunkenen hypothetischen Erdteil in ihr Schema der Entwicklung der Menschheit einbezogen.

Betrüger und Mystiker „Unter dem aufgewühlten, unruhigen Meer ruhen die Geheimnisse ver­ gessener Zivilisationen. Von Wellen fortgeschwemmt, unter Sanden halb ver­ graben, von gewaltigem Druck zerquetscht sind die Reste einer heutzutage wenig bekannten Kultur. Dort, wo jetzt der mächtige Stille Ozean seine Wel­ len majestätisch über Tausende Meilen wälzt, befand sich einst ein weiter Erdteil. Dieses Land hieß Lemuria und seine Bewohner Lemurianer. Wenn Sie Geheimnisse lieben, Unbekanntes, Übernatürliches-lesen Sie dieses Buch", so machen die Rosenkreuzler, Adepten des „alten mystischen Rose­ und-Kreuz-Ordens", Reklame für das dem im Stillen Ozean versunkenen Erdteil gewidmete Buch. „ Während der Lemurischen Periode war die allgemeine Anordnung des Festlandes etwas seltsam: Der Nordpol war ein gewaltiger Erdteil, der mit großen nach verschiedenen Seiten gerichteten Halbinseln sternförmig den Nordpol umgab. Grönland ist eine der erhalten gebliebenen Halbinseln, ei­ nes der Teile des Sternes. In dieser Zeit gab es keinen einzigen Erdteil in seinen heutigen Umrissen. Ein breiter Landstreifen umfaßte den Äquator auf einer riesigen Ausdehnung und reichte weit nach Süden. Er schloß Austra­ lien, Neuseeland und eine riesige Zahl von Inseln des Stillen Ozeans ein. Das war ein gewaltiger Erdteil in der Form eines Halbmondes und das Gegenge30

wicht zum Nordstern", schrieb das Mitglied der sogenannten „Theosophi­ schen Gesellschaft" Charles Leadbetter. Und die Gründerin dieser Gesell­ schaft, Helena Blavatsky, erklärte kategorisch das Alter der Kultur der Oster-Insel gleich vier Millionen Jahre. Sowohl die Blavatsky als auch die Theosophen so wie Leadbetter und die Rosenkreuzler mochten die Wissenschaft nicht. Ihre Kenntnisse über „Le­ muria" (die Bezeichnung ist von ihnen beim englischen Zoogeographen Scla­ ter entlehnt worden; nur hatte letzterer ein hypothetisches Festland im Indi­ schen Ozean im Auge, eine „Brücke" zwischen den Lemuren Madagaskars und Hindustans) schöpften sie aus „Geheimarchiven", die nur „Eingeweih­ ten" zugänglich waren, und „überphysischen Forschungen", die von „am weitesten fortgeschrittenen" Okkultisten durchgeführt worden sind. „Die Wissenschaft kann vorläufig nichts mit den Äußerungen der Theo­ sophen anfangen", schrieb ehedem der russische Dichter und Gelehrte Wale­ ri Brjussow. Seine Worte bleiben auch bis auf den heutigen Tag berechtigt. Keinerlei Geheimarchive, die Angaben über den pazifischen Erdteil Lemuria enthalten, sind entdeckt worden. Die überphysischen Forschungen der Ok­ kultisten haben sie auch bis auf den heutigen Tag nicht weiter vorangebracht als in psychiatrische Heilanstalten, ganz zu schweigen von den Entlarvungen jeglicher Tricks mit Medien, Hellsehern usw. Aber nicht nur Mystiker dür­ steten danach, Spuren des im Stillen Ozean versunkenen Erdteils zu entdecken. In einer der Samstagausgaben der Zeitung „Brooklyn Times" von 1890 wurde ein Brief eines gewissen William Churchword veröffentlicht, der mit den Worten begann: „Überbleibsel der ausgelöschten Rasse! Versunkener Kontinent der pazifischen Inseln! Nur die allerhöchsten Spitzen dieses Landes erheben sich jetzt über die Wellen, aber sie erwecken Interesse sowohl bei Reisenden als auch bei Schreibtischgelehrten." Weiter klagte William Churchword darüber, daß „Atlantis allen bekannt ist; sogar die Kinder können auf der Karte Atlantis zeigen, seine Abmessun­ gen angeben; aber niemand kann die Umrisse Lemurias skizzieren. Unter­ dessen aber ist Lemuria ebenso groß wie das bekannte Atlantis, aber nie­ mand weiß verbindlich, wo es sich befand". Es vergingen mehrere Jahrzehnte, da erschien zu Beginn der dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts in New York ein Buch des Sohnes William Churchwords, James, unter dem Titel „Der versunkene Kontinent Mu". Es hatte einen Bombenerfolg und hatte sofort mehrere Auflagen. Freilich! James Churchword erklärte, daß es ihm gelungen war, das Vermächtnis des Vaters zu erfüllen: Er hatte Lemuria (abgekürzt „Mu") „ausfindig gemacht", indem er Schriftdenkmäler entdeckt hatte, die vom Untergang des „pazifischen At­ lantis" sprachen. In Indien weilend, erzählte Churchword, beschäftigte er sich mit dem 31

Studium alter Schriften. Während er eine der Aufschriften auf einem Flach­ relief entzifferte, trat ein alter indischer Priester zu ihm. Es kam zu einer Be­ kanntschaft, die in eine Freundschaft überging. Volle zwei Jahre brachte er dem geduldigen James Churchword die geheimnisvolle Sprache bei. Diese Sprache war, nach den Worten des Priesters, die Ursprungssprache der Menschheit. Die Zeit verging, und der von vollem Vertrauen zu Churchword erfüllte alte Priester zeigte ihm der Wissenschaft unbekannte Täfelchen. Sie erwiesen sich als „echte Chroniken des Landes Mu", des Kontinents, der vor vielen Jahrtausenden im Stillen Ozean versunken war. Sich vor der Katastro­ phe rettend, ließen sich seine Bewohner ursprünglich in Indien und Burma nieder, das war vor mehr als 15 000 Jahren. Aus Indien brachten sie ihre ho­ he Kultur nach Ägypten, Palästina, Mesopotamien und sogar nach Amerika. Über den Verbleib der Lemurianer in der Neuen Welt, schrieb Churchword weiter, sprechen Aufschriften auf 25 000 Steinen, die ein gewisser William Niven in Mexiko fand. Die „Chroniken des Landes Mu" aus Indien und die Steine mit den Aufschriften aus Mexiko studierend (und obendrein „die Schriftdenkmäler der alten Zivilisationen studierend"), kam Churchword zu dem nach seiner Meinung unumstrittenen Schluß: „In grauester Vorzeit exi­ stierte auf der Erde eine in vielen Beziehungen die unsere übertreffende Zivi­ lisation", weil sie „uns auf mehreren lebensnotwendigen Bereichen weit vor­ aus war, die die gegenwärtige Welt erst beginnt zu erkennen". Die von ihm gefundenen Täfelchen und „andere Schriftdenkmäler dienen als Beweis jener erstaunlichen Tatsache, daß die Zivilisationen Indiens, Babyloniens, Persiens, Ägyptens und Yucatans nichts anderes darstellen als die letzten Überreste der ersten großen Zivilisation auf der Welt". Der erste Mensch, sagt Churchword weiter, entstand auf der Erde des verschwundenen Kontinents Mu. Lange vor Eintritt des „Steinzeitalters exi­ stierte auf diesem Kontinent eine entwickelte Kultur". Und „nicht die Zivili­ sation entstand aus der Wildheit, sondern die Wildheit aus der Zivilisation". Die Menschheit war so lange kulturvoll, bis das erblühende Land Mu in den Gewässern des Stillen Ozeans unterging. Jedoch nach dem Untergang dieses Kontinents trat ein Verfall ein, die Menschen konnten nichts herstellen au­ ßer rohen Steinwerkzeugen, und es setzte das Steinzeitalter ein. Im Lande Mu (und nach den Worten Churchwords „lebten auf dem gro­ ßen Kontinent froh und glücklich mehr als 64 Millionen Menschen") herrschten „ungewöhnlich hübsche Menschen weißer Rasse, mit weißer oder olivenfarbener Haut, großen sanften dunklen Augen und glatten schwarzen Haaren" vor. Unter der weisen Leitung der schönen Männer „brodelte das Leben in diesem prächtigen Land" ... bis die Weltkatastrophe eintrat, die die große Zivilisation zerstörte und die Menschheit um viele tausend Jahre in ihrer Entwicklung zurückwarf. .. Eine Erwähnung dieser Katastrophe kann man in Legenden und Uberlie­ ferungen vieler Völker der Welt finden, entwickelte Churchword seinen Ge-

32

danken. Von ihr sprechen sowohl die von ihm gelesenen „Chroniken des Landes Mu" als auch die mexikanischen Steine mit den Inschriften und die von dem Franzosen L'Plongeon gelesene Handschrift der Maya: „Das Land der Lehmhügel, das Land Mu, war dem Untergang geweiht. Zweimal heftige Schwankungen durchmachend, verschwand es plötzlich im Verlaufe einer Nacht. Der Boden bebte unaufhörlich unter der Wirkung unterirdischer Kräfte, die ihn an vielen Stellen hoben und senkten, so daß er einsank. Die Länder wurden voneinander getrennt. Der Boden stürzte ein und zog 64 Millionen Bewohner mit sich. Das geschah 8000 Jahre vor Verfassen dieser Schrift." L'Plongeon war der Ansicht, daß die Beschreibung der Katastrophe ein schriftliches Zeugnis des Untergangs von Atlantis ist. Aber aus dem Text kann man nicht feststellen, wo sich das Land Mu befand, im Atlantischen oder im Stillen Ozean. Churchword, sich auf andere von ihm gelesene Schriftdokumente stützend, rechnete dieses Zeugnis der Maya-Schrift zu dem Erdteil, der unter den Wogen des Stillen Ozeans begraben ist. Aber bereits die allerersten Zeilen der „echteri Chronik des Landes Mu" riefen heftige Zweifel hervor. In ihnen wird dieses Land so beschrieben: „Uber einem kühlen Fluß, im Schatten der Bäume, schweben bunte Schmetterlinge, sich erhebend und nie­ „

dersetzend, wie kleine Feen, die gewissermaßen ihre prunkvolle Schönheit im Spiegel der Natur besser sehen wollen. Kolibris flatterten hier und dort von Blume zu Blume, in den Strahlen der Sonne wie lebendige Edelsteine fun­ kelnd; Vögel sangen den ganzen Tag Lieder, eines schöner als das andere." Jedem, der die bis zu uns gelangten trockenen und sachlichen historischen Dokumente las, wird klar, daß das „Flattern bunter Schmetterlinge" und das „Umherflattern der Kolibris" nicht in eine Chronik geraten können. Nicht weniger unsinnig sind vom Standpunkt der Historiker aus auch die angeblich von Churchword auf den „Steinen aus Mexiko" gelesenen Texte. Obendrein datiert er sie mit nicht mehr und nicht weniger als 20 Jahrtausen­ den: Zu jener Zeit herrschte nach Angaben der Archäologie auf dem Terri­ torium Mexikos das Steinzeitalter, und Schriftdokumente erschienen erst 180 Jahrhunderte später! Und überhaupt sah die Behauptung, daß er, Church­ word, die „Schriftdenkmäler aller alten Zivilisationen studierte", wie eine höchst gewöhnliche Prahlerei aus. Nicht ein Wissenschaftler in der Welt würde riskieren, eine solche überhebliche Erklärung abzugeben. Im übrigen sind auch der ganze Stil des Buches Churchwords und die Kunstgriffe, derer er sich bedient, keineswegs neu - „sie sind allen berufsmäßigen Abenteurern und Autoren pseudowissenschaftlicher Werke eigen", wie der amerikanische Wissenschaftler Wauchope mit Recht bemerkt. Auch die Bezugnahme auf die Maya-Schift, in der über das „versunkene Land Mu" gesprochen wird, half nicht. Noch im vergang�nen Jahrhundert wurde festgestellt, daß die von L'Plongeon vorgelegte Ubersetzung nicht mehr als die Frucht reinster Phantasie ist. Mit dem gleichen Erfolg las ein �552

33

anderer Enthusiast ein in Hieroglyphen-Ziffern der Maya geschriebenes Ka­ lenderdatum als Mitteilung über den Untergang von Atlantis. Keinerlei Kritik hielt auch die Konzeption selbst Churchwords stand, der versuchte, die Weltgeschichte „von den Beinen auf den Kopr· zu stellen. Die Behauptung, daß „nicht die Zivilisation aus der Wildheit entstand, sondern die Wildheit aus der Zivilisation", widerspricht allen Angaben der Archäolo­ gie, Ethnographie und Anthropologie. Die Beschreibung aber des Landes, wo eine „kluge weiße Rasse" erblühte,der sich Rassen mit anderer Hautfar­ be unterwarfen, roch nach unverdecktem Rassismus. Die Erklärung der Ur­ sache des Untergangs des Kontinents Mu durch eine Explosion unterirdi­ scher Hohlräume, wie das Churchword tat, konnte bei den Geologen nur Gelächter hervorrufen, so unsinnig und ungebildet war sie. „Die Fälschung ist überdies nicht sehr geschickt", so war das einmütige Urteil der Gelehrten über die von Churchword veröffentlichten „authenti­ schen Chroniken des Landes Mu". Dieser Autor veröffentlichte jedoch bis 1938 weitere Schriften über den versunkenen Kontinent und führte immer mehr neue Einzelheiten an, die aus den von ihm selbst zusammengezimmer­ ten „Chroniken" entlehnt wurden. Man sollte jedoch nicht denken, daß nur Mystiker und Betrüger wie Churchword versuchten, das Rätsel der Zivilisation der Oster-Insel und an­ derer Inseln Ozeaniens mit Hilfe der Hypothese eines versunkenen Erdteils zu lösen. Vor einem halben Jahrhundert gab der englische Ethnograph und Fachmann für Ozeanien, Macmillan Brown,eine umfangreiche Monographie heraus, die sich „Rätsel des Stillen Ozeans" betitelte. In ihr waren alle Angaben von den geologischen bis zu den ethnographischen zusammenge­ stellt, die für ein Pacifis, einen im Stillen Ozean versunkenen Erdteil, sprechen.

„ Wäre

London versunken

"

„Wäre London versunken und über das Wasser ragte nur die Spitze der Westminsterabtei ...",mit solchen Worten begann die Monographie Macmil­ lan Browns. Darin wurde hauptsächlich Gewicht auf die Kultur der Oster­ insel gelegt, wobei der englische Gelehrte schon allein in der Geschichte ih­ rer Entdeckung den Beweis für eine ehemalige Existenz Pacifis' fand. Im Jahre 1578, sechs Jahre nach der Entdeckung menschenleerer Inseln an der Küste Chiles, begab sich der spanische Seefahrer Juan Fernandez in den südöstlichen Teil des Stillen Ozeans, in der Hoffnung, das unbekannte Südland zu entdecken, das seine Vorgänger und Zeitgenossen vergeblich suchten. Ein Sturm trieb das Schiff weit nach Süden vom vorgesehenen Kurs ab. Und hier erblickten die Seefahrer ein großes Land, von imposanten Flüs­ sen bewässert und bewohnt „von Menschen,ebenso weißen wie gut gekleide­ ten und in allem so verschieden von den Bewohnern Chiles und Perus". Und 34

obwohl Juan F emändez nicht an Land ging, schloß er, daß das von ihm ent­ deckte Land das unbekannte Südland sein mußte. Der spanische Seefahrer kehrte nach Chile zurück und begann, eine gro­ ße Expedition zu dem unbekannten Land vorzubereiten, wobei er die Um­ stände seiner großen Entdeckung verschwieg. Ohne jedoch die Expedition vollständig vorbereiten zu können, starb er plötzlich, und mit ihm ging auch sein Vorhaben unter. Erst viele Jahrzehnte danach erfuhr man von der Ent­ deckung des spanischen Seefahrers, aber die von ihm während seiner ersten Reise entdeckten Inseln tragen bis heute den Namen Juan-Fernändez-Inseln. Einhundertneun Jahre danach durchpflügte den östlichen Teil des Stillen Ozeans das Schiff des englischen Piraten Eduard Davis, das sich „Vergnügen des Junggesellen" nanntl!. Zu Beginn suchte Davis den Galapagos-Archipel auf, den Lieblingszufluchtsort der pazifischen Piraten jener Zeit, drehte dann scharf nach Süden und entdeckte nach ungefähr 4000 km 500 Seemeilen von der chilenischen Küste entfernt bei 27° 20' südlicher Breite eine flache Sand­ küste. Westlich von dieser Küste war in mehreren Dutzend Meilen Entfer­ nung ein langer, hoher Landstreifen sichtbar. Davis machte über seine F nt­ deckung eine Eintragung im Schiffstagebuch, ging jedoch wie Juan Fernändez auch nicht an Land. Dreißig Jahre später, am 6. April 1772, entdeckte das Geschwader des holländischen Admirals Roggeveen in einem Teil des Ozeans, wo einst Juan Fernändez und Eduard Davis weilten, die kleine, felsige Oster-Insel. Anderes Land oder Inseln waren in der Nähe nicht zu sehen. Bedeutet das alles nicht, schlußfolgerte Macmillan Brown, daß wir es hier mit einem dokumentarischen Zeugnis des Unterganges der letzten Überreste Pacifis'

zu

tun haben?

Die Katastrophe suchte die Oster-Insel im Zeitraum zwischen den Reisen Davis' und Roggeveens heim, d. h. zwischen 1687 und 1722. Zur gleichen Zeit brachen die Arbeiten im Steinbruch ab und begann der Niedergang der geheimnisvollen Zivilisation der Insel. Brown mutmaßte, daß die Oster-Insel ein originelles Mausoleum für Kö­ nige und Aristokraten des Imperiums war, das auf dem versunkenen Erdteil existierte. Den Namen eines der Herrscher brachten Legenden bis zu uns: Das ist der erste Machthaber der Insel Hotu Matua (Hotu-Vater). Die Stein­ skulpturen waren nach Browns Ansicht aus Stein gehauene Porträts der Be­ wohner des Pazifischen Erdteils, starker und herrschsüchtiger Menschen mit langgezogenen Ohrläppchen, mit hervorstehendem Kinn, hochmütig zusam­ mengepreßtem Mund und tiefliegenden Augen. Überreste der untergegange­ nen Kultur Pacifis' sind nach Meinung Browns sowohl die nichtentzifferten Hieroglyphenschriften kohau rongo-rongo als auch die mannigfaltigen und originellen Kulturdenkmäler der Oster-Insel (Holzstatuetten, Petroglyphen, kleine Steinplastiken u. a.). Den Zeiten des untergegangenen Imperiums rech­ nete Brown auch einige auf der Oster-Insel e xistierende Bräuche zu, die nir­ gendwo anders in Polynesien, im übrigen Ozeanien und sogar in der ganzen J'

35

Welt anzutreffen sind (in der Art eines seltsamen religiös-sportlichen Ri­ tuals-der Wahl des Vogelmenschen). Wenn Macmillan Brown die Oster-Insel für ein Inselni.ausoleum hielt, so war die Hauptstadt des in den Abgründen des Ozeans verschwundenen Staa­ tes nach seiner Meinung Nan Madol, das „Venedig des Stillen Ozeans". Sie befand sich mehrere tausend Kilometer westlich vom Nabel der Inseln in Mikronesien, auf der Insel Ponape. Hier sind noch im vorigen Jahrhundert die Ruinen zyklopischer Bauten entdeckt worden. Deren Basaltmauern hat­ ten eine Stärke von 6 m, und Platten mit einem Gewicht bis zu 25 t sind auf eine Höhe von fast 20 m emporgehoben worden. Eine solche Arbeit konnte nur von vielen tausend Arbeitern verrichtet worden sein. Doch kann man heutzutage im Umkreis von 2000 km von Ponape nicht mehr als 2000 Men­ schen finden, die zur schweren Arbeit eines Steinmetzen und Bauarbeiters fä­ hig wären. Und diese leben auf Hunderte Kilometer voneinander entfernt liegenden Inseln und Inselchen. Es ist undenkbar, daß sie auf ihren zerbrech­ lichen Schiffchen bis nach Ponape gelangen konnten, um am Bau Nan Ma­ dols teilzunehmen. Brown war der Ansicht, daß es vernünftiger ist, anzu­ nehmen, daß Ponape einstmals Teil eines großen mit einem vieltausendköpfi­ gen Volk besiedelten Festlandes war. Die Schriftsprache erscheint mit der Geburt des Staates, dem Entstehen von Klassen und der Notwendigkeit, die Fakten und Ereignisse im Leben der Gesellschaft präzise und ständig zu fixieren. Das bedeutet, auf der Oster­ insel, die eine originelle hieroglyphenartige Schriftart aufweist, existierte ein solcher Staat oder dessen Keim. Im Jahre 1913 fand Macmillan Brown während einer Reise zu den Inseln des Stillen Ozeans Spuren der Existenz einer Schriftsprache auch in einem entgegengesetzten Winkel Ozeaniens, in Mikronesien, auf dem winzigen Atoll Woleai, „dessen im ganzen nur 600 Menschen zählende Bevölkerung infolge Bodenarmut und der verheerenden Wirkung periodischer Zyklone gezwungen ist, einen ständigen und schweren Kampf um das Dasein zu füh­ ren". Fünf dieser 600 Woleai bewohnenden Menschen beherrschten eine Schriftsprache, die keiner der bekannten Schriftsprachen der Erdkugel ähn­ lich ist. Macmillan Brown gelangte zu der Schlußfolgerung, daß, obwohl „die be­ trachtete Schriftsprache gegenwärtig alles in allem fünf Bewohnern der Insel bekannt ist", doch irgendwann einmal „sie wahrscheinlich weit über die ge­ samte Inselgruppe verbreitet war", weil „es keine Anläße zu der Annahme gibt, daß diese Schrift von einem dieser fünf Menschen erfunden worden ist". Die Geschichte der Schriftsprachen kennt Fälle, daß die Bewohner Nord­ amerikas, Westafrikas und Alaskas eine originelle Schriftsprache erfanden, nachdem sie durch die Europäer von der Existenz einer Buchstabenschrift er­ fuhren. Aber, schrieb Brown, wäre diese Schriftsprache der Insel Woleai „nach der Ankunft der Europäer erfunden worden, würde sie bestimmt die 36

Buchstabenform des europäischen Alphabets oder die Umrisse von Gegen­ ständen des Kaufes und Verkaufes benutzen". Man konnte jedoch weder das eine noch das andere unter den Schriftzeichen Woleais feststellen. Macmillan Brown zog aus dieser Tatsache folgenden Schluß: Die Schrift wurde lange Zeit von Führern einer großen und gut organisierten Gemeinde benutzt, „mit anderen Worten, sie war Eigentum der herrschenden Klasse eines ziemlich großen Staates, der des konstanten Festhaltens an den ver­ schiedenen Faktoren des Lebens der Gesellschaft bedurfte". Somit, konstatierte der englische Gelehrte, finden wir an zwei Enden des Stillen Ozeans Monumente und Schriftsprachen-die wesentlichsten Kennzei­ chen der Zivilisation und des Staates. Bedeutet das aber nicht, daß in Mikro­ nesien und auf der Oster-Insel die letzten Überreste der hohen Zivilisation Pacifis' erhalten blieben, eines Reiches, das durch eine Katastrophe -das Ab­ sinken großer Festlandsbereiche und einzelner Inseln auf den Grund des Großen Ozeans-vernichtet wurde? Die Argumente Macmillan Browns wie auch Mensbirs, der sein Buch fast gleichzeitig mit dem englischen Wissenschaftler herausgab, sahen sehr über­ zeugend aus. Das waren echte Fakten, die eine Auseinandersetzung forder­ ten, und nicht Offenbarungen von Okkultisten oder Fälschungen in der Art der „Chronik des Landes Mu". Aber sowohl Brown als auch Mensbir er­ klärten ihre Fakten mit Hilfe der Hypothese über einen versunkenen Erdteil Pacifis. Aber die Richtigkeit dieser Hypothese beweisen oder sie umstoßen konnten die Zoogeographie oder die Anthropologie, die Ethnographie oder die Archäologie nicht, aber die Ozeanographie, und nur sie. Die Meeresgeo­ logie -diese Disziplin könnte eine endgültige Antwort auf das Rätsel des „Pazifischen Atlantis" geben. Indessen war das unter den vielen Kilometern tiefen Wassern des Stillen Ozeans liegende unterseeische Land zu Zeiten Browns und Mensbirs vor einem halben Jahrhundert ebensowenig erforscht wie zu Beginn des Zeitalters der großen geographischen Entdeckungen des Stillen Ozeans selbst. Und wenn die Suche nach dem „Unbekannten Süd­ land" durch die Kapitäne des 16.-18. Jahrhunderts ergebnislos blieb, so wur­ den im letzten halben Jahrhundert auf die Karte die wesentlichsten Umrisse des „Unbekannten Unterwasserlandes" eingezeichnet, eines Landes mit Ber­ gen und Canons, Vulkanen und Schluchten, Gebirgsrücken und Ebenen, von den Wassermassen des Ozeans bedeckt.

37

Die ozeanographische Erforschung des Pazifiks

Der Beginn der Entdeckungen Den ersten Versuch, den Grund des Stillen Ozeans zu erforschen oder ihn wenigstens zu berühren, unternahm der gleiche Mann, der zum ersten Mal die Weiten dieses Ozeans durchkreuzte. Auf Befehl Magalhäes' wurde ein Tau mit einer Länge von 200 Sashen in den Abgrund gelassen; aber es gelang nicht, den Ozeanboden zu erreichen. Bis zur Mitte des vorigen Jahr­ hunderts war das Lot, ein an einem Tau befestigtes Bleigewicht, das einzige Mittel zur Erforschung der Ozeantiefen. Im Niedrigwasser brachte dieses „Instrument" äußerst genaue Ergebnisse. Aber sobald man zur Vermessung von Tiefseestellen kam, wurden die Angaben des Lotes fragwürdig und ungenau. Das Tau wickelte sich von der Windentrommel, Hunderte und Tausende Meter versanken, dem Gewicht folgend, im Verlaufe mehrerer Stunden in den Tiefen des Ozeans. Aber in dieser Zeit konnte das Schiff abtreiben, und dadurch wurden die Tiefenangaben bedeutend verfälscht. Überdies dehnte sich das Hanfseil unter dem mit der Tiefe zunehmenden Eigengewicht um so stärker, je mehr Meter von ihm unter Wasser gingen, was ebenfalls das Ver­ messungsergebnis verfälschte. Und das Schwierigste war, denjenigen Moment zu erfassen, bei dem das Gewicht den Grund berührte und man das Seil stoppen mußte. Das Lot konnte schon längst auf Grund liegen, mittlerweile aber drehte sich die Windentrommel weiter, Meter und Kilometer weiter ab­ wickelnd. Deshalb ermittelten Forscher phantastische in der Natur nicht exi­ stierende Tiefen von 14 und 15 km. Erst im Jahre 1854 wurde das Lot das erste Mal vervollkommnet, und noch 16 Jahre später ersetzte der große englische Physiker Lord Kelvin das starke und dehnbare Hanfseil durch stählerne Klaviersaiten. Im Endergebnis erhielten die Ozeanographen ein hinreichend zuverlässiges Instrument für die Erforschung der Ozeantiefen, genauer gesagt, für ein erstes „Abtasten" des gigantischen von Wassermassen bedeckten Unterwasserlandes. Gleich drei Expeditionen-eine englische auf dem Schiff „Challenger", eine deutsche auf der „Gazelle" und eine amerikanische auf der „Tuscaro­ ra"-durchforschten in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts die Gewässer des Stillen Ozeans und zeichneten auf der Karte die ersten Kontu­ ren des Unterwasserlandes ein. Besonders groß waren die Verdienste der Wissenschaftler der „Challenger", dieses echten schwimmenden ozeanogra­ phischen Instituts, das mit den letzten Neuheiten der Technik jener Zeit aus38

gerüstet war. Zwischen den Karolinen und Marianen entdeckte die „Challen­ ger" einen Tiefseegraben, der lange Zeit als die tiefste Narbe am Körper des Planeten galt: Das Lot erreichte hier die Tiefe von 8145 m ! Dem amerikanischen Schiff „Tuscarora" glückte die Entdeckung noch eines Tiefseebeckens im nordwestlichen Teil des Stillen Ozeans; es wird auch bis auf den heutigen Tag ihm zu Ehren Tuscarorabecken genannt. Die deutsche Korvette „Gazelle" erforschte den südöstlichen Teil des Großen Ozeans sowie die Korallensee, die Bismarcksee und die Tasmansee. Eine erste Verallgemeinerung der von den Expeditionen der „Challen­ ger", „Tuscarora" und „Gazelle" gesammelten Materialien traf das russische Akademiemitglied M. A. Rykatschew: 1881 stellte er eine der ersten Tiefsee­ karten des Weltmeeres zusammen, indem er darauf die wichtigsten Besonder­ heiten des Landes auf dem Grunde des Stillen Ozeans eintrug. Rykatschew verwandte dafür auch Angaben einheimischer Ozeanographen, die im nord­ westlichen Teil des Großen Ozeans und in den fernöstlichen Meeren auf den Korvetten „Askold" und „Warjag" erhalten wurden. Einen noch größeren Beitrag zur Erforschung des Stillen Ozeans leistete der Admiral Stepan Ossipowitsch Makarow, ein bedeutender russischer Ozeanograph und Seefahrer. Auf der Korvette „Witjas" erforschte er sorg­ fältig die Gewässer des Ochotskischen, Südchinesischen und Japanischen Meeres und entwarf ein allgemeines Bild des grandiosen Wasserkreislaufes in der nördlichen Hälfte des Großen Ozeans. Von 1888 an begann in den Gewässern des Stillen Ozeans das amerikani­ sche Schiff „Albatros" zu kreuzen, dessen Aufgabe, im Unterschied zur „Witjas", nicht die Untersuchung der Dichte, Temperatur und Bewegung des Wassers war, sondern Probenahmen vom Grund des Ozeans und die Er­ forschung des Bodens des Unterwasserlandes. Die Arbeiten auf der „Alba­ tros" leitete der hervorragende Forscher Alexander Agassiz, einer der Be­ gründer der Meeresgeologie. Zur gleichen Zeit, als der russische Gelehrte Makarow und der amerika­ nische Gelehrte (von Geburt Schweizer) Agassiz die Grundlagen der Ozeano­ graphie und Meeresgeologie schufen, dauerte die Entdeckung neuer Becken und ozeanischer Tiefen im Stillen Ozean an. Am Ende des vorigen Jahrhun­ derts wurde westlich von den Kermadec-Inseln das tiefste Becken im südli­ chen Teil des Großen Ozeans entdeckt-die Kermadecrinne. Das Lot erreichte hier 9390 m. (Später entdeckten sowjetische Ozeanographen auf dem Schiff „Witjas" in der Kermadecrinne Tiefen von über 10 km.) Bald darauf holte der nördliche Teil des Stillen Ozeans auf: Im Maria­ nengraben stellte man eine Tiefe von 9420 m fest, und am Anfang unseres Jahrhunderts entdeckte die Expedition auf dem deutschen Schiff „Planet" in einem anderen Tiefseegraben, dem Philippinengraben, nahe der Insel Minda­ nao, eine Tiefe von 9800 m.

39

Wie aus einem Füllhorn Und dennoch, ungeachtet der vielen bis zum ersten Weltkrieg durchge­ führten Expeditionen von Ozeanographen, zeigte sich der Bau des auf dem Grund des Stillen Ozeans liegenden Unterwasserlandes nur in großen, unge­ nauen Zügen. Das Relief des Grundes des Großen Ozeans war nicht besser bekannt als das Relief des Mondes. Bedeckte doch zu dieser Zeit den Tief­ seebereich des Stillen Ozeans ein Netz von nur insgesamt mehreren tausend Tiefenmarken. Sollte man mit einem solchen Meßpunktnetz das Relief des Festlandes mit dem Lot von der Luft aus versuchen zu erforschen (angenom­ men, die Oberfläche des Planeten wäre mit dichten Wolken verdeckt und man versuchte das von der oberen Schicht der Atmosphäre aus), würden die Forscher sowohl den Kaukasus wie auch die Karpaten und den Balkan nicht bemerken können, und die gesamte Oberfläche Europas würde ihnen als eine ebene und flache Scheibe erscheinen. Selbstverständlich kann niemand den Mitgliedern der Expedition der „Challenger", „Tuscarora" und anderer ozeanographischer Forschungsschif­ fe Nachlässigkeit oder Unlust vorwerfen, das Netz der Tiefenmarken dichter gestalten. Um nämlich eine Tiefseemessung zu erhalten, eine Bodenprobe vom Grund zu nehmen, mußte man mehrere Stunden neben der Winde ver­ harren, bis das hinabgelassene Lot den Grund erreicht hatte. Aber eine echte Revolution in der Ozeanographie, mit der ein regelrechter Sturm auf die Tie­ fen des Weltmeeres eingeleitet wurde, rief die Erfindung des Echolotes zu

hervor. Im Jahre 1909 tauchte im Stillen Ozean das amerikanische Schiff „Carne­ gie" auf, das die Tiefen nicht mit einem Lot maß, sondern nach der Metho­ de des reflektierten Schalls. Das Schallsignal wurde ins Wasser gesendet, ge­ langte bis auf den Grund, wurde von ihm reflektiert und auf dem Schiff aufgefangen. Kennt man die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Schalls im Wasser, kann man leicht die Tiefe bis zum Grund des Ozeans errechnen. Der ganze Vorgang nahm nunmehr nur wenige Minuten in Anspruch. Der bald darauf beginnende erste Weltkrieg und die Bekämpfung von Unterseebooten zwang die Ingenieure und Konstrukteure, die Echolotsy­ steme zu vervollkommnen. Die Verbesserungen wurden auch nach der Been­ digung des Krieges fortgesetzt und mit der Schaffung von Echolotschreibem gekrönt, die den Ozeanboden kontinuierlich mit Schallimpulsen „beschie­ ßen" und die Ergebnisse dieses Beschusses kontinuierlich registrieren. Von nun an waren die Zeiten einzelner Punktmessungen zu Ende, hatten die Ozeanographen die Möglichkeit, lückenlose Messungen jener Bereiche des Grundes zu machen, über denen ein Schiff fuhr, das Echolotungen durchführt. Vergleichen Sie selbst: Während dreier Jahre konnte die Expedition auf der „Challenger" nur 362 Messungen des Grundes durchführen. Ungefähr in der gleichen Frist konnten die deutschen Ozeanographen auf dem Schiff 40

„Meteor", das mit einem Echolot ausgerüstet war, in den Jahren von 1925-1928 67 000 Messungen machen. Aber es geht nicht nur um die Quan­ tität: Das Erscheinen der Echolotschreiber spiegelte sich auch in der Qualität wider. Von nun an ergab jede Reise eines mit Echolotschreiber ausgerüsteten Forschungsschiffes-und solche Reisen sind in den 20er und 30er Jahren sehr viele durchgeführt worden-auf der Karte nicht einzelne, isolierte Punkte, sondern ermöglichte, eine geschlossene Linie zu ziehen, d. h. das Relief des Ozeanbodens sicher aufzuzeichnen. Die Angaben dieser ozeanographischen Expeditionen, mit den Worten eines der größten sich mit dem Stillen Ozean beschäftigenden sowjetischen Ozeanographen, G. B. Udinzew, gesprochen, „erweiterten die Vorstellungen über das Relief des Bodens des Stillen Ozeans so weit, daß sie die Zusammenstellung erster detaillierter bathymetrischer Karten ermöglichten, auf denen die verschwommenen Konturen der Formen des Unterwasserreliefs allmählich durch ein Bild der zergliederten Oberfläche des Grundes ersetzt wurden". Einen neuen Anstoß zur Erforschung des Bodens des Stillen Ozeans und seiner Gewässer, Tiefen und Strömungen gab der zweite Weltkrieg, der, wie bekannt, auch in den grenzenlosen Gewässern und auf zahlreichen Inseln des Großen Ozeans verlief. Als aber die Schüsse des Krieges verhallten, erhielten die Ozeanographen eine große Anzahl im Krieg ausgedienter Schiffe zu ihrer Verfügung und, die Hauptsache, vervollkommnete Geräte: radioakustische wie Radar, Magnetdetektoren, Apparate für die Unterwasserphotographie usw. Schlag auf Schlag folgten Expeditionen, und viele Entdeckungen wur­ den gemacht. In den Jahren 1947/48 führte die schwedische Weltexpedition auf dem �chiff „Albatros" Untersuchungen im Atlantik, im Indischen Ozean und im Aquatorstreifen des Stillen Ozeans durch. Hier konnte sie nicht nur das Bo­ denrelief erforschen und präzisieren, sondern auch die Geschwindigkeit der Sedimentbildung auf dem Grund ermitteln. Nach Berechnungen der Schwe­ den wird in unserer Epoche während einer Million Jahre im Mittel 1 m Se­ diment abgelagert. Die schwedische Expedition zeigte, daß das Leben auch in den Tiefseegräben, in Tiefen bis zu 7600 m existieren kann. (Über die schwedische Expedition und deren Erfolge erzählte deren Leiter Hans Peters­ son in dem Buch „Um die Welt auf der ,Albatros'".) Am Anfang der 5 0er Jahre erforschte die dänische ozeanographische Ex­ pedition auf dem Schiff „Galathea" (übrigens gehörten ihrer Mannschaft ne­ ben Dänen noch Schweden, Amerikaner, Thailänder, Engländer, Südafrika­ ner und Philippinos an) die tiefsten Abgründe des Weltozeans. Es ist natürlich, daß die pazifischen Tiefen, die tiefsten Becken auf unse­ rem Planeten, ihre Aufmerksamkeit auf sich zogen. Die Expedition auf der „Galathea" stellte fest, daß die drei gewaltigen pazifischen Becken -die Kermadecrinne, die Tongarinne und der Philippinengraben-grandiose nach unten abfallende und in einem sehr schmalen Grund endende Schluchten

41

und Stufen darstellen. Die bedeutendste Entdeckung der „Galathea" aber bestand darin, daß ein auf die phantastische Tiefe von 10 189 m hinabgelas­ senes Schleppnetz Hunderte lebendige Mollusken, Holothurien (Stachelhäu­ ter) und Aktinien (Seerosen) fing. Später stellte sich heraus, daß auch auf dem Grund des tiefsten Beckens der Erde in einer Tiefe von 11 km ebenfalls Leben existiert. Im Jahre 1950 startete das Scripps' Institute of Oceanography gemeinsam mit dem Laboratorium für Elektronik der USA-Marine eine Serie von Expe­ ditionen, deren Ziel die Zusammenstellung einer neuen, detaillierteren und genaueren Karte des Bodens des Stillen Ozeans war. Die Bilanz dieser Expe­ ditionen war die Entdeckung einer Vielfalt von Unterwasserbergen, einzelner Bergspitzen und ganzer Gebirgsketten; die Untersuchung der untermeeri­ schen Rücken im Zentrum des Großen Ozeans; die ausführliche Vermessung seiner Gräben im Südteil und schließlich die Entdeckung eines ganzen Sy­ stems von Bruchzonen. Diese Zonen, die eine Breite von 100 bis 200 km haben, erstrecken sich auf einer Länge von mehreren tausend Kilometern und sind die geradlinigsten Reliefelemente unseres Planeten. Das Programm des IGJ -des Internationalen Geophysikalischen Jahres ( 1957/58)-kennzeichnete eine neue Etappe in der Erforschung des größten Ozeans des Planeten. Von nun an führte nicht ein Staat Untersuchungen durch, sondern ein Kollektiv von Gelehrten aus den verschiedensten Län­ dern. Im Stillen Ozean arbeiteten gemeinsam amerikanische, sowjetische, au­ stralische, neuseeländische, indonesische, kanadische, japanische und franzö­ sische Expeditionen. Und eine solche internationale Zusammenarbeit erbrachte neue sensationelle Entdeckungen. Das sowjetische Schiff „Witjas", diese schwimmende Akademie, das unermüdlich seit 1949 die Gewässer der Meere und Ozeane durchpflügte, entdeckte östlich der Santa-Cruz-Inseln einen neuen früher vollkommen un­ bekannten Tiefseegraben-den Ostmelanesischen oder Witjasgraben. Bei der Untersuchung der Ozeanabgründe machte die Expedition auf der „Witjas" noch eine andere äußerst wichtige Entdeckung, die eine gewaltige Bedeutung für die gesamte Menschheit besitzt. Es handelt sich darum, daß Wissen­ schaftler der USA die Tiefseegräben als ideale Stelle für die Endlagerung ra­ dioaktiver Produkte betrachteten. Sowjetische Ozeanographen stellten jedoch fest, daß sich in den Tiefseegräben kein stehendes Totwasser befindet, son­ dern hier ein intensiver Austausch mit Oberflächenwässern vor sich geht. Und würde die Menschheit beginnen, in den „Tiefseemüllgruben" radioakti­ ve Abfälle zu deponieren, könnte das eine Vergiftung des gesamten Ozeans zur Folge haben. Es ist nicht notwendig, über alle Entdeckungen sowjetischer Ozeanogra­ phen zu berichten oder die ozeanographischen Sensationen des IGJ aufzu­ zählen-das ist das Thema spezieller Bücher. Verweilen wir nur kurz bei ei­ ner Frage-der Erforschung der Struktur des Meeresbodens. Besteht doch dieser Boden aus einer Schicht von Sedimenten, die sich im Verlaufe vieler 42

Millionen Jahre der Existenz des Stillen Ozeans gebildet haben, aus der mit diesen Sedimenten bedeckten Erdkruste, schließlich aus einer Schicht unter der Kruste, die uns zum Erdinneren führt.

Durch das Wa�r, durch die Schicht des Meeresbodens Die ursprüngliche Technik der Erforschung der Ozeanablagerungen war einfach: Ein Baggernetz wurde hinabgelassen und von den Gipfeln der Unterwasserberge oder aus Tiefsee-Ebenen der Boden geschürft. Aber da kam die Geophysik der Ozeanographie zu Hilfe. Und ebenso wie das Echo­ lot eine Revolution in der Tiefenmessung hervorrief, brachten die Methoden der sogenannten seismischen Sondierung eine ebensolche Umwälzung in der Erforschung der Struktur des Ozeanbodens. Auf der Grundlage der Geschwin­ digkeit einer Schallwelle in unterschiedlichen Medien (in Meerwasser un­ gefähr 1,5 km/s, in lockerer Sedimentschicht 1,8-2,1 km/s, in verdichteten Ablagerungen 5,0-5,5 km/s, in der Basaltschicht der den Ozeanboden bedek­ kenden Kruste 6,5-7,0 km/s usw.) gelang es, die Mächtigkeit der Sediment­ schichten in verschiedenen Teilen des Stillen Ozeans sowie die Zusammenset­ zung und Mächtigkeit seiner Kruste zu bestimmen. Und es erwies sich, daß sie hier um vieles dünner ist als die Kruste unter den Kontinenten. In den Ozeanen beträgt die Krustenmächtigkeit ungefähr 5 km, während sie unter den Kontinenten 30 bis 40 km erreicht, in Hochgebirgsbereichen dagegen wie Himalaja, Anden usw. 60, 70 und sogar 80 km, d.h., sie übersteigt um mehr als das 1 Ofache die Mächtigkeit der ozeanischen Kruste. Der U nterschied ist nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ. Die Erdkruste unter den Kontinenten besteht aus Granit- und Basaltschichten (die noch durch eine Schicht von Sedimenten ergänzt wird, die sich während der Existenz des Festlandes angesammelt haben). Die ozeanische Kruste be­ steht nur aus einer Basaltschicht (die in der Regel ebenfalls durch eine Schicht, genauer durch Schichten von Sedimenten ergänzt wird). Sowohl die Festlands- als auch die ozeanische Kruste trennt von der tieferen Schicht der Erdkugel, dem sogenannten Mantel, der sich· bis zu einer Tiefe von fast 3000 km ins Erdinnere erstreckt, eine scharfe Grenze, die zu Ehren des

jugoslawischen Gelehrten MohoroviCic benannte Mohorovicic-Diskontinuität. Diese Fläche gab auch dem grandiosen „Moho-Projekt" den Namen, mit dessen Hilfe die Wissenschaftler erhofften, zum Erdmantel, bis zur Mohoro­ vicic-Diskontinuität vorzudringen. Die erste Versuchsbohrung wurde im Stil­ len Ozean durch eine mehrere Kilometer betragende Wassertiefe abgeteuft. Auf den ersten Blick ist es natürlich einfacher zu versuchen, vom Festland her zum Erdmantel vorzudringen, weil sich dort wesentlich leichter Bohr­ türme aufstellen, Messungen durchführen lassen usw., während im Ozean zwei Schichten bewältigt werden müssen, die des Wassers und der Kruste. Aber die Kruste ist doch eben im Ozean um vieles dünner als auf den Konti43

nenten. Um bis zur „Moho-Diskontinuität" vorzustoßen, ist es immerhin einfacher, einige Kilometer Ozeantiefe zu bewältigen, danach die Sediment­ schicht und die dünne von Graniten entblößte Kruste zu durchstoßen, als zu versuchen, eine mächtige Schicht Granitgestein der Kontinentalkruste zu durchdringen. „Der Weg zum Herzen der Erde führt durch den Ozeanab­ grund"-solcherart ist das Paradoxon, mit dem es die Wissenschaftler zu tun haben. Im Jahre 1961 wurde nahe der Insel Guadeloupe (unweit von der kalifor­ nischen Küste) vom amerikanischen Schiff CUSS-1 das erste Meeresbohr­ loch im Stillen Ozean abgeteuft. Der Bohrer durchfuhr 3660 m Wasser, er­ reichte den Grund und .begann sich in die Sedimentschicht hineinzufressen. Nachdem er diese 170 m mächtige Schicht überwunden hatte, bohrte er noch etwa 10 m in den Basalt hinein. Nach dem ersten Versuch setzte die Suche nach für das Bohren noch aus­ sichtsreicheren Stellen, die Vervollkommnung der Technik (Bohrwerkzeuge, Ein- und Ausbauvorrichtungen usw.) ein. Jedoch im Jahre 1966 wurden die Arbeiten zum „Moho-Projekt" im Zusammenhang mit Finanzschwierigkei­ ten abgebrochen. Die Bohrung, die an das Projekt von Professor Challenger erinnert und in der Erzählung von Conan Doyle „Als die Erde aufschrie" beschrieben ist, blieb bis auf den heutigen Tag unvollendet. „Jedoch die bereits im Prozeß der Arbeit am Moho-Projekt erzielten Er­ folge erlaubten einer Gruppe USA-Wissenschaftler 1964 ein neues Projekt der Ozeanbohrung vorzuschlagen. Wenn nicht durch die gesamte Schicht der Erdkruste, so wenigstens durch die Schicht der Sedimentbedeckung", schreibt Udinzew. „Der Erfolg der experimentellen Arbeiten ermöglichte in den Jahren 1967/68 den Bau des speziellen Bohrschiffes ,Glomar Challenger'. Das war ein Schiff mit einer Wasserverdrängung von 10 500 t, ausgerüstet mit Bohrmast, Bohrgerät, Winden, anderen Bohrvorrichtungen und einem System des dynamischen Festhaltens am Bohrpunkt." 1970 wurde das Schilf mit einer Ausrüstung für den Wiedereinbau des Bohrers ins Bohrloch ausge­ stattet. Das ermöglichte das Auswechseln des Bohrwerkzeuges. Zum Bohren wurden Bohrer mit einem Außendurchmesser von 125 mm verwendet. Die Arbeiten der Expedition auf der „Glomar Challenger" wurden 1968 im Atlantik begonnen, und seit 1969 führt dieses bisher einzige Schiff dieser Art Tiefseebohrungen im Stillen Ozean durch. Anfangs wurden Bohrungen nahe der kalifornischen Küste niedergebracht, danach begab sich das Schilf zu den Hawaii-Inseln, weiter zu den Karolinen, Marianen und Philippinen. Nachdem wurden mehrere Bohrungen in der Äquatorzone des Stillen Ozeans abgeteuft, von den Hawaii-Inseln nach Süden bis zur Insel Tahiti, danach von Tahiti bis zur Küste Südamerikas und entlang der Pazifikküste Ameri­ kas bis Panama. Die letzte (zum Zeitpunkt des Schreibens dieses Buches) Expedition der „Glomar Challenger" mit der fortlaufenden Nummer 21 fand vom 16. November 1971 bis zum 11. Januar 1972 im Westteil des Stillen Ozeans statt. Und hier wurden im Gegensatz zu früher in anderen Gebieten 44

des Stillen Ozeans niedergebrachten Bohrungen keine Spuren einer Ozean­ kruste gefunden - offensichtlich erfolgte hier die Absenkung eines großen Festlandsbereiches, der ehemals an die Ostküste Australiens angrenzte. Die Expeditionen der „Glomar Challenger" werden fortgesetzt, und jede Reise bringt neue Entdeckungen, ebenso wie auch die Reisen des sowjeti­ schen Forschungsschiffes „Dmitri Mendelejew" und vieler anderer sowjeti­ scher, amerikanischer, französischer, japanischer, englischer ozeanographi­ scher Forschungsschiffe.

Abyssische Landschaften Das Tiefseebohren ist der Sturm auf die „dritte Etage" des Ozeans, wenn als „erste" die Wasserschicht selbst und als „zweite" das Bodenrelief be­ trachtet wird. freilich ist auch die „zweite Etage" bei weitem noch nicht in ihrer ganzen Stärke und Kompliziertheit erforscht, noch viele interessante Entdeckungen stehen vor uns. Doch trotz allem wird das grandiose Gesamt­ bild des auf dem Grund des Großen Ozeans liegenden Unterwasserlandes mit seinen Ebenen und Becken, Vulkanen und Brücken, Untiefen und Rük­ ken immer klarer und klarer. Ein interessanter Zusammenhang des Landes auf dem Grunde des Stillen Ozeans zeigte sich auch mit den Koralleninseln und Atollen, den vulkani­ schen Inseln und Archipelen, Inselbögen und den in den Ozean hineinragen­ den Halbinseln und schließlich mit den von den Gewässern des Großen Ozeans umspülten Küsten der Kontinente. Die Kenntnis des Unterwasserre­ liefs ermöglichte nicht nur, den „untermeerischen" und den „übermeeri­ schen" Teil des Pazifischen Beckens in Zusammenhang zu bringen, sondern auch die eigenartige Lage vieler Inselgruppen zu entschlüsseln, die vom Stand­ punkt des Geologen und Ozeanologen zufällig und unverständlich schien. Wenn man auf eine gewöhnliche Schulkarte des Stillen Ozeans schaut, so fällt in seinem Zentralteil die chaotische Anhäufung von Koralleninseln und Atollen des Tuamotu-Archipels auf. Die Erforschung des Ozeanbodens in diesem Gebiet zeigte, daß es keinerlei Chaos in der Anordnung der Inseln im Tuamotu-Archipel gibt: Die Konfiguration des Archipels bestimmen scharf die unter dem Wasser verborgenen Berge. Was stellt aber das Unterwasserland des größten Ozeans des Planeten im Lichte der allerneuesten Forschungsergebnisse dar? Der Löwenanteil der gesamten Fläche des Pazifiks entfällt auf ein kolos­ sales, fast ein Drittel der gesamten Erdoberfläche einnehmendes Becken von abgerundeter Gestalt. Die Grenzen dieses Beckens verlaufen fast überall ent­ lang der Kontinentränder von Australien, Amerika und Asien, stellenweise aber werden sie von Inselbögen und einzelnen Inseln gebildet. Die Grenzen des Pazifischen Beckens zu bestimmen, halfen Angaben der unterschiedlich­ sten Wissenschaften: Seismologie, Petrographie, Geophysik, Ozeanographie. Die hauptsächlichen Unterscheidungsmerkmale jedoch, die es ermöglichen, 45

die Grenzen zwischen den einzelnen Ozeanbecken zu ziehen, sind für die heutigen Wissenschaftler die Ozeantiefe und die Mächtigkeit der Erdkruste. Die Kontinentalkruste hat im Mittel eine Mächtigkeit von 33 km, die ozea­ nische von 5 km. Die Tiefe des Beckens des Stillen Ozeans beträgt im Mittel 4 bis 6 km. Einst war man der Ansicht, daß das riesige abgerundete Becken des Stil­ len Ozeans homogen ist, daß es sich nicht in einzelne Teile und Becken unterteilt. Das ist jedoch nicht so. Vor allem teilt es der sogenannte Zentral­ pazifische Rücken, der übrigens keineswegs durch die Mitte des Ozeans ver­ läuft (darüber weiter unten), in zwei gewaltige Teile. Das ist die erste große Gliederung. Wenn wir aber das Relief des Stillen Ozeans nicht als Teil des ganzen Planeten, sondern die Kontinente um ihn herum genauer betrachten, so treten hier klar die Inselbögen hervor, die die Randgebiete des Pazifischen Beckens umsäumen und parallel zu den Kontinentküsten verlaufen; die Ab­ gründe von mit Inselbögen verbundenen Gräben, deren Tiefe um vieles grö­ ßer ist als die mittlere Tiefe des Beckens; Archipele vulkanischer Inseln, de­ ren Gipfel sich um 2, 3 und sogar 4 km über die Wasseroberfläche erheben, und Vulkangruppen, die in einer Tiefe von mehreren Kilometern unter Was­ ser liegen; Bruchzonen und untermeerische Rücken, die das Becken in ein­ zelne kleinere Becken unterteilen; Hügel und Ebenen, die in einer gewaltigen Tiefe begraben sind Nach Meinung vieler Forscher ist die typische Kruste der Erde die ozea­ „.

nische, die der Kontinente dagegen ist sozusagen der anomale Teil der Erd­ kruste. Und da der Stille Ozean von fast allen Forschem als der älteste von sämtlichen Ozeanen angesehen wurde, so bestand Hoffnung, die ursprüng­ liche Kruste auf dem Grunde des Stillen Ozeans ausfindig zu machen. Aber die Suche einer solchen Kruste war im gesamten gigantischen Raum des Pa­ zifischen Beckens vergeblich. „Es erwies sich, daß eine solche Kruste nicht existiert. Der Vulkanismus trat buchstäblich überall auf, und seine Natur ist im Ozean anders als auf dem Festland", schreibt der größte Fachmann für Meeresgeologie des Stillen Ozeans, Professor G. W. Menard. „Das gewalti­ ge Becken des Ozeans erscheint homogen, wenn man es mit irgend etwas we­ sentlich Verschiedenem vergleicht, zum Beispiel mit den Kontinenten. Wenn man es jedoch separat betrachtet, so kann man leicht Gebiete aussondern, die sich stark voneinander nach geologischen und geophysikalischen Merk­ malen unterscheiden. Im Stillen Ozean existieren praktisch keine ausgedehnten Gebiete mit ebenem in der Krustenstärke monotonem Grund. Hier gibt es auch keine Elemente, die man zur vollkommen unzerstörten Kruste des ozeanischen Typs rechnen könnte." Am charakteristischsten für den Boden des Stillen Ozeans sind die soge­ nannten Abyssalhügel (d. h. Tiefseehügel)-sie nehmen. 80 bis 85% seiner Fläche ein, und man kann sie nach Menard, obwohl sie in anderen Ozeanen seltener angetroffen werden, zum am weitestverbreiteten Relieftyp auf der Erde zählen. Die typischsten Hügel sind 300 m hoch und haben einen Fuß46

durchmesser von ungefähr 6000 m, obwohl auch Zwerge mit einer Höhe von 50 m und einer Fußbreite von 1 km und Riesen mit einer Höhe von 1000 m und einer Fußbreite von 10 km angetroffen werden. In der Regel haben die Abyssalhügel eine kegelförmige Gestalt.

Unterwa�rberge Viele Hügel und Hügelgruppen sind unter einer Schicht von Sedimenten begraben, die im Verlaufe eines riesigen Zeitabschnittes den Ozeangrund zwi­ schen ihnen angefüllt haben. Im Endergebnis bildeten sich an der Stelle der unter den Sedimenten begrabenen Hügel wellige oder aber völlig ebene abys­ sische Ebenen - noch ein typischer Zug der Landschaft des Pazifikgrundes. Aber diese Landschaft beschränkt sich nicht auf trostlose Bilder abyssischer Ebenen oder die etwas abwechslungsreicheren Bilder der abyssischen Hügel. Im Becken des Stillen Ozeans sind überall Unterwasserberge verstreut. Allein im Nordostpazifischen Becken zählten die Wissenschaftler ungefähr 900 untermeerische Berge, im Marianengraben etwa 100 Berge usw. Um die Existenz von Unterwasserbergen im Stillen Ozean wußten die Wissenschaftler schon lange, vor mehr als einem Jahrhundert, zur Zeit der Expedition der „Challenger". Aber die erste Beschreibung dieser Berge, der Erhebungen des Ozeanbodens mit steilen Hängen, mit abgerundeter oder el­ liptischer Gestalt im Grundriß, die sich um nicht weniger als 1 km über die allgemeine Grundfläche des Bodens erheben, erschien erst im Jahre 1941. Heutzutage sind in vielfältigen und ausführlichen Arbeiten mehrere tausend untermeerische Berge beschrieben. Isolierte untermeerische Berge sind typisch für die Landschaft des Pazifi­ schen Beckens. Das Becken selbst ist jedoch kreuz und quer von untermeeri­ schen Rücken, Schwellen und Erhebungen zergliedert, die als Grenzen der ozeanischen Becken dienen und gewöhnlich nach den irdischen Reliefformen benannt sind, in deren Nähe sie sich befinden (Marianen-, Atacamagraben, Panama- und andere Becken); aber es gibt auch ein Südpazifisches und ein Nordpazifisches Becken; letzteres ist so groß wie Nord- und Südamerika zu­ sammengenommen. Ehemals trugen die Entdecker des Stillen Ozeans dessen Archipele unter den verschiedenartigsten zufälligen Namen auf der Karte ein: lokale, ozeanische, zu Ehren von Schiffen, zu Ehren großer Persönlich­ keiten und Seefahrer (Cookinseln, Suworow-Insel usw.). Die Ozeanographen unseres Jahrhunderts trugen auf die Karte des Stillen Ozeans Dutzende untermeerischer Schwellen und Gebirgsrücken wieder unter diesen oder je­ nen Namen ein. Übrigens erwies sich die Namensgebung von bisher unbe­ kannten Bergen ..und Rücken doch nicht so einfach. Im Gegensatz zu Inseln und Riffen des Uberwasserteils des Stillen Ozeans, die in der Regel einen lo­ kalen althergebrachten Namen haben, benannten die Ozeanögraphen unter47

meerische Rücken hauptsächlich nach Bezeichnungen von Inseln oder Konti­ nenten,

die

Solcherart

an

den

gegenüberliegenden

sind

der

Palau-Kiuschu-Rücken,

Enden der

dieser

Rücken

liegen.

Kurilen-Kamtschatka­

Graben usw. Aber bei weitem nicht jeder weiß, wo sich die zahllosen im Großen Ozean verstreuten Inseln und Inselchen befinden. Der Marcus-Necker-Rücken ist ein riesiges auf dem Grund des Stillen Ozeans liegendes Gebirgsland, dessen Abmessungen vergleichbar mit den Ab­ messungen der höchsten Gebirgsrücken der Kontinente sind. 16 Berge dieser Er­ hebung haben

eine

Höhe von über 4

km,

80 liegen in den Grenzen

von 2 bis 3 km Höhe, und die gesamte Formation

erstreckt sich über

4000 km. Aber wer weiß schon von der Existenz der kleinen unbewohnten die Gruppe der Hawaii-Inseln links flankierenden Necker-Insel, die einer der Abschlüsse des Marcus-Necker-Rückens ist. Und das winzige, im gan­ zen nur 1,5 Meilen im Durchmesser betragende Koralleninselchen Marcus, der andere Abschluß des gigantischen im nordwestlichen Teil des Stillen Ozeans

gelegenen

Unterwasserlandes,

findet

man

bei

weitem

nicht

auf

jeder Karte dieses Ozeans auf. Die Urheber dieses mißratenen Namens, vermerkte Menard, waren offensichtlich überzeugt, daß die Leser entweder gut bekannt mit den beiden überaus unbedeutenden Inselchen sind oder sich die neue Bezeichnung der gigantischen Gebirgskette ohnehin nicht merken, allein deshalb, weil es unter dem Wasser liegt. Jetzt jedoch er­ forschen nicht nur Selenologen und Ozeanographen die Geographie des Mondes bzw. des Meeresbodens, sondern auch Schüler. Deshalb ist es sehr wichtig, daß sowohl dort als auch hier einfache, leicht zu merkende Bezeichnungen überwiegen. Solcherart ist zum Beispiel die Bezeichnung „Magalhäes-Unterwasserber­ ge", gegeben zu Ehren des ersten Eroberers des Großen Ozeans, dessen Schiffe über diesem Gebirgsland segelten, ohne daß er etwas davon ahnte. Als gut getroffen kann man den Namen „Unterwasserberge der Mathemati­ ker" ansehen, den eine Gebirgskette unweit von der Küste Mexikos nahe der Revillagigedo-Inseln trägt. Jeder neuentdeckte einzelne Berg dieser Kette kann mit dem Namen irgendeines hervorragenden Mathematikers benannt werden: Newton, Leibniz, Euler usw. Ein Teil der untermeerischen Rücken und Ketten, deren Gipfel übermeerische Inseln und Archipele sind, erhalten die Bezeichnung nach diesem Überwasserteil. Solcherart sind die Tuamo­ tuschwelle, die Kette der Linieninseln (Kiribati), die untermeerische Maqua­ rieschwelle, die Kokosschwelle usw. Jeder untermeerische Rücken, jede Berggruppe, jede Inselgruppe hat ein kolossales Gewicht, das stetig auf die Kruste der Erde drückt. Aber weil die ozeanische Kruste um ein Vielfaches dünner ist als die Kontinentalkruste, so ist es durchaus verständlich, daß sich um viele Anhäufungen von untermee­ rischen Bergen tiefe Gräben, Bögen und Wälle bildeten. Viele große Insel­ gruppen sind unter Wasser von Wällen umsäumt, deren Breite 500 und bis­ weilen sogar 1000 km erreicht. Die Inselfüße sind von diesen Wällen durch 48

flache Gräben getrennt. Die Tiefe der Gräben dagegen, die an die durch Absplittern vom Kontinent entstandenen Inselbögen angrenzen, erreicht viele Kilometer. Diese Gräben sind die tiefsten Rinnen auf der Oberfläche unseres Planeten, und eben im Stillen Ozean befindet sich die maximale Tiefe des Weltmeeres-11 022 m.

Gräben, Canons und Brüche Die Ozeanographen bemerkten schon lange einen Zusammenhang zwi­ schen Tiefseegräben und Inselketten. Darüber hinaus haben sowohl Inseln als auch Gräben Konturen in der Gestalt von regelrechten Bögen, deren Wöl­ bungen zum Ozeanzentrum gerichtet sind. Diese und andere liegen in der Übergangszone, an der Grenze zwischen den Kontinenten und Ozeanen, wo die Kruste dünner ist als die typische Kontinentalkruste und dicker als die typische ozeanische Kruste. Die längsten Inselbögen und die tiefsten Gräben befinden sich auf dem Territorium des größten Ozeans der Erde: des Stillen Ozeans. An den unter einer mehrere Kilometer hohen Wassermasse befindlichen Gräben setzt nicht nur die ungeheure Tiefe in Erstaunen, sondern auch das Verhältnis von Länge und Breite. Mehrere tausend Kilometer lang erstreckt sich längs der Pazifikküste Mexikos und anderer mittelamerikanischer Län­ der der sogenannte Mexikograben. In einer Tiefe von 4500 m zieht sich die­ ser untermeerische Graben fast 2500 km hin, während seine Breite im ganzen nur 50, 30 und bisweilen 10 km beträgt. Noch erstaunlicher ist der Tonga-Tiefseegraben: In einer Tiefe von 9 km beträgt seine Breite 3 bis 7 km und das auf einer Länge von ungefähr 700 km. Die Ozeanographen stellten beim Studium der Karte des untermeeri­ schen Reliefs des Stillen Ozeans fest, daß sich alle Gräben, die eine Tiefe von etwa 10 bis 11 km haben, so wie der Kurilen-, Philippinen-, Marianengra­ ben, die Kermadec- und Tongarinne, im Westteil des Stillen Ozeans befin­ den. Die ostpazifischen Gräben, der Mexiko-, Peru-, Atacama- und Aleuten­ graben (die Gräben haben wie auch die Becken nach den angrenzenden Inselbögen oder der Kontinentküste ihre Namen erhalten), sind um mehrere Kilometer flacher, ihre Tiefe erreicht im ganzen „nur" 7 bis 8 km. Riesige Werte erreichen die Höhenunterschiede, die Differenzen zwischen dem Boden eines Tiefseegrabens und den sich zum Himmel erhebenden Berggipfeln auf dem benachbarten Kontinent oder auf den an die Gräben angrenzenden Inseln. Den Weltrekord hält auch hier der Stille Ozean. Zwi­ schen den chilenischen Städten Valparaiso und Antofagasta liegen die höch­ sten Gipfel der Anden: die Aconcaguaberge mit einer Höhe von 6960 m und der Berg Llullaillaco mit einer Höhe von 6723 m. Aber nur einige Dutzend Kilometer von ihnen entfernt liegen die größten Tiefen des Atacamagrabens (nahe Antofagasta 8050 m). Somit erreicht der Höhenunterschied hier 15 000 4-552

49

m-um ganze 15 km erheben sich die Berggipfel des Festlandes über die nahegelegenen Vertiefungen des Ozeanbodens. (Während der mchste Gipfel der Welt-der Tschomolungma-nur an die 9 km erreicht, das ist fast um die Hälfte weniger.) Der Kontinentalsockel oder Schelf zieht sich die gesamte Küste des Stil­ len Ozeans entlang. Wenn aber in seinem westlichen Teil solche Sockel Tau­ sende Quadratkilometer einnehmen und sich weit in den Ozean erstrecken und um so mehr in seine Randmeere (z. B. ist der Boden des Ostchinesi­ schen Meeres im Grunde genommen ein gigantischer Sockel), so ist der Kon­ tinentalsockel an der Küste Südamerikas äußerst zusammengestaucht und beträgt einige Kilometer und bisweilen weniger als einen Kilometer. Das untermeerische Randgebiet des Erdteils Südamerika -der sog. Kontinental­ hang-ist das steilste und schmalste der Welt. Eben der Rand des Kontinentalhanges und nicht die Küstenlinie oder das Schelf stellt die Grenze zwischen Festland und Meer dar, eben er trennt Ozean und Kontinente, die sich über ihm

um

2, 3 und bisweilen sogar 15 km

erheben. Angaben der Geophysik, Geologie und anderer Disziplinen bewei­ sen überzeugend, daß der Kontinentalhang der Rand des Kontinents ist und aus den gleichen Gesteinen zusammengesetzt ist wie· auch der Kontinent. Aber warum ist dieser gewaltige in den Ozean abfallende Steilhang manch­ mal durch Aushöhlungen, deren Tiefe an die 2 km erreicht, unterbrochen ? Zum Beispiel sind an der Pazifikküste der USA im Gebiet der Halbinsel Ka­ lifornien untermeerische Bergtäler entdeckt worden, die in ihrer Gestalt auf­ fallend an die Canons von Gebirgsflüssen auf dem Festland erinnern. „Wür­ de der Spiegel des Ozeans absinken, würde der dabei trockengelegte Canon niemanden in Erstaunen versetzen, so sehr ähnelt er dem für dieses Gebiet typischen Canon des

Festlandes",

schreibt

der bekannte

Meeresgeologe

Francis Shepherd. „Vor hundert Jahren, als die untermeerischen Canons entdeckt wurden", setzt er fort, „hielt man sie für alte Flußtäler, die unter den Ozeanspiegel ab­ gesunken sind. Ein solches Absinken schien durchaus natürlich, weil das die Erhebung von Bergrücken aus der Tiefe der alten Meere kompensieren müß­ te. Das schien eine einfache und logische Erklärung zu sein. Aber bereits 65 Jahre fechten sie die Geologen an! Viele bekannte Geologen beteiligten sich an dieser Diskussion und schlugen bereits an die zwanzig Hypothesen vor." Shepherd selbst nahm an, daß der Kontinentalhang einstmals Festland und die ihn durchschneidenden untermeerischen Canons alte Flußtäler waren. Tatsächlich wurden im Randgebiet des Stillen Ozeans überflutete Flußtäler entdeckt. Aber wenn man der Ansicht ist, daß auch die untermeerischen Ca­ nons solche darstellen, muß man voraussetzen, daß einst der Spiegel des Weltmeeres äußerst niedrig war-um 3000 m niedriger als der heutige, weil sich in dieser Tiefe einige untermeerische Canons befinden. Das hätte nur in dem Falle geschehen können, wenn die gewaltigen Was­ sermassen des Weltmeeres in Gletschern gebunden gewesen wären. Aber das 50

müßte eine derartige Vereisung gewesen sein, daß sich alle der Wissenschaft bekannten Eiszeiten als Lapalien erwiesen hätten, weil die Mächtigkeit der Eisdecke eine unvorstellbare Größe hätte erreichen müssen - 16 km, d. h. fast zweimal höher als die höchsten Berge der Erdkugel. Shepherd mußte von seiner Hypothese Abstand nehmen ... Aber die Frage nach der Entstehung der untermeerischen Canons bleibt bis auf den heutigen Tag noch offen wie übrigens auch viele andere mit der Entstehung verschiedener Formen des Unterwasserreliefs des Stillen Ozeans verbundene Fragen. Zu dem Relief, das auf dem Festland nicht angetroffen und nur im Ozean beobachtet wird, gehören auch die gewaltigen Bruchzonen, die, wie bekannt, erstmals 1950 von amerikanischen Ozeanographen im östlichen Teil des Stillen Ozeans entdeckt wurden. Um 1959 waren schon lO Zonen be­

kannt, dazu kamen noch 3, darunter die Osterschwelle, die Clipperton-, Cla­ rion- (benannt nach den gleichnamigen Inseln), Mendocino- (nach dem Kap Mendocino an der Pazifikküste der USA), Pionierstufe (nach dem ozeanographischen Forschungsschiff, das diese Zone entdeckte) usw. Die untermeerischen Bruchzonen, die die Erdkruste in Breitenrichtung zergliedern, haben eine interessante Besonderheit- sie sind mit den Tiefsee­ gräben verbunden. Besonders prägnant zeigt sich dieser Zusammenhang im östlichen Teil des Stillen Ozeans nahe der Küste des amerikanischen Konti­ nents, der vom Peru-, Atacama- und Mexikograben umsäumt ist. Im glei­ chen Gebiet wird auch der maximale Unterschied zwischen der Höhe des Kontinents und der Bodenabsenkung beobachtet, d. h. zwischen den Gipfeln der Anden und den Tiefseegräben.

Der Ozeanische Rücken Die Bruchzonen sind nicht nur an die untermeerischen Abgründe, die Gräben, gekoppelt, sondern auch an untermeerische Erhebungen und Rük­ ken. Als eine der überraschendsten Entdeckungen unseres Jahrhunderts muß wohl die des erdumspannenden Systems der untermeerischen Rücken gezählt werden, die unseren Planeten auf einer Länge von ungefähr 60 000 km um­ gürtet. Direkt durch die Mitte des Atlantischen Ozeans verläuft der Mittel­ atlantische Rücken. Sein Südende ist mit der Zentralindischen Schwelle und diese im Gebiet der antarktischen Gewässer mit dem Westende des Südpazi­ fischen Rückens verbunden. Letzterer geht seinerseits, wie kürzliche Unter­ suchungen von Geophysikern und Ozeanographen erwiesen, in den Ostpazifi­ schen Rücken oder, wie man ihn auch bezeichnet, die Ostpazifische Erhebung über (weil ihre Abmessungen flächenmäßig mit Erdteilen wie Süd- und Nordamerika vergleichbar sind). „Solange die Ostpazifische Erhebung geophysikalisch nicht erforscht war, blieb die Frage nach der Existenz eines zentralen Rückens im Stillen Ozean offen", schreibt der bekannte sowjetische Fachmann für Meeresgeolo4•

51

gie, Professor Oleg Konstantinowitsch Leontjew. „In den Arbeiten von J. Bourcart (l 952), A. Hilscher (1954), in einer früheren Arbeit des Verfas­ sers (Leontjew, 1955) gibt es keinerlei Erwähnungen über die Existenz eines zentralen Rückens im Stillen Ozean. D. Wilson (1959) und Leontjew (1963) nahmen später an, daß der zentrale Rücken des Stillen Ozeans ein System von Gebirgsketten darstellt, das sich vom Aleutengraben bis zur Oster-Insel hinzieht. Jedoch bereits 1960 erschien eine Arbeit von Menard über die Be­ sonderheiten des Baues der Ostpazifischen Erhebung. Auf der Grundlage der Untersuchung neuer Angaben gelangt Menard zu dem Schluß, daß die ge­ nannte Erhebung eines der Glieder des erdumspannenden Systems der mittelozeanischen Rücken darstellt." Der Ostpazifische Rücken ist ein gigantisches Land auf dem Grunde des Ozeans, das sich von Neuseeland bis zur Küste Mexikos erstreckt. Seine Höhe über den umgebenden Teilen des Ozeanbodens schwankt zwischen 1 und 3 km. Die Breite des Unterwasserlandes übersteigt bisweilen 2000 km, und die Gesamtlänge beträgt 15 000 km. Übrigens ist das nur die Länge des untermeerischen Teils, weil im Gebiet des Golfes von Kalifornien sein Kamm auf das Festland ausstreicht. „Wenn die Ostpazifische Erhebung die Verlängerung des die Erdkugel umgürtenden Systems untermeerischer Rücken darstellt, so ist kein Grund dafür vorhanden, daß sie an der Küste Mexikos aufhört", schreibt der ame­ rikanische OzeanograJ?h William Cromie in dem Buch „Geheimnisse des Meeres". Menard ist der Ansicht, daß sich der westliche Abhang der Erhe­ bung bis Alaska erstreckt und daß eben dadurch der Abfall des Bodens zwi­ schen Kalifornien und den Hawaii-Inseln bedingt wird. Der Kamm aber und der östliche Abhang durchqueren Mexiko, die Gegend dort ist reich an Vul­ kanen und erhebt sich in der Gestalt eines Hochplateaus. Weiter nach Nor­ den dringt die Erhebung bis zum Colorado-Plateau vor, und alle Weststaa­ ten, von Kalifornien bis Utah und von der mexikanischen Grenze bis Oregon, sind in Bergrücken mit einer Höhe von 6000 Fuß und in Täler zer­ gliedert. Somit wird die Topographie dieses Teils des Kontinents durch eine Aufwölbung von ungefähr gleicher Größe wie auch auf dem Ozeanboden charakterisiert. Ebensolche Hochländer vom Typ eines Plateaus existieren auch in Ostafrika. Der Ostpazifische Rücken teilt sich von Neuseeland bis Mexiko deutlich in drei Teile: Der südliche Teil erstreckt sich vom 60. Grad südlicher Breite bis zum Breitenkreis der Oster-Insel (27° südlicher Breite), der mittlere vom Breitenkreis der Oster-Insel bis zum Äquator und der nördliche, der auch Albatrosplateau genannt wird, vom Äquator bis zum Kap Corrientes, wo der Golf von Kalifornien beginnt. Unweit der Oster-Insel in der Nähe des

33. bis 36. Grades südlicher Breite grenzt an den östlichen Hang des Rük­ kens ein breiter untermeerischer Rücken -das Westchilenische Plateau, das sich im Südosten in Richtung der Antarktis erstreckt. Und unmittelbar ne­ ben der Oster-Insel grenzt an den Osthang des Rückens noch ein schmaler 52

und langgedehnter Rücken, der Sala-y-G6mez-Schwelle genannt wird, nach der Felsengruppe vulkanischen Ursprungs, die sich trostlos über den Ozean erhebt. Die Insel Sala y G6mez ist einer der Gipfel eines untermeerischen Rük­ kens, der sich über den Spiegel des Stillen Ozeans erhebt. Einen ebensolchen Gipfel stellt eigentlich auch die Oster-Insel selbst dar. Möglicherweise traten vor nicht allzu langer Zeit nicht nur diese beiden Inseln - die Oster-Insel und die Sala-y-G6mez-Insel -, sondern auch andere, heute versunkene Teile des Ostpazifischen Rückens an die Oberfläche? Wenn dem so ist, erhält die Hy­ pothese über das im Gebiet der Oster-Insel untergegangene Festland Bestäti­ gung von seiten der Wissenschaft, die auch das entscheidende Wort im alten Streit über Pacifis zu sagen hat. Aber das ist offenbar die Besonderheit der menschlichen Erkenntnis - die allerneuesten bei der Erforschung des Stillen Ozeans und seines Bodens ge­ wonnenen Angaben, Fakten der Geophysik, des Tiefbohrens, der Echolot­ messungen usw., lösten die Frage nach dem versunkenen Festland nicht. Im Gegenteil, sie riefen eine neue lebhafte Diskussion über Pacifis hervor. Frei­ lich wurde sie bereits auf einem wesentlich höheren Niveau geführt, weil den Wissenschaftlern nicht nur verworrene Legenden der Inselbewohner, rätsel­ hafte Zeichen einer Bilderschrift und nicht weniger geheimnisvolle Statuen zur Verfügung standen, sondern auch genaue Ergebnisse von Geräten, von Tiefenmessungen usw. Wie genau ein Gerät auch ist, seine Angaben erfordern eine Interpreta­ tion, die Deutung des Forschers. Die Standpunkte der Wissenschaftler zu ein und derselben Erscheinung, zu ein und derselben Tatsache können aber un­ terschiedlich sein. Die Diskussion über Pacifis stellt das in überzeugender Form unter Beweis.

53

Der versunkene Kontinent „Pacifis"

Drei Pacifis Vor allem muß man in der Diskussion über Pacifis das Streitobjekt klar bestimmen, und zwar: Um welches Pacifis geht es, weil es ein geologisches, ein zoogeographisches und ein historisch-ethnographisches Pacifis gibt. Von der Existenz des geologischen Pacifis sprechen mehrere von der Ozeanogra­ phie, Meeresgeologie, Vulkanologie und anderen Wissenschaften von der Er­ de gewonnene Tatsachen. Die Verbreitung von Tieren und Pflanzen auf den Inseln des Stillen Ozeans und die Ähnlichkeitsmerkmale der Fauna Austra­ liens und Südamerikas veranlaßten viele Zoogeographen, einen einstmaligen Zusammenhang zwischen den Erdteilen vorauszusetzen und die Existenz von Festlandbrücken im Stillen Ozean anzunehmen (woraus übrigens durchaus nicht folgt, daß hier unbedingt ein ganzer Kontinent war). Die Rätsel der Kultur der Oster-Insel sowie anderer Inseln Ozeaniens, die auf diesen Inseln existierenden Legenden über eine Sintflut, monumentale Bauten, deren Her­ kunft in Nebel gehüllt ist- all das erlaubte einer Reihe von Wissenschaftlern und Reisenden für möglich zu halten, daß die Rätsel der Kultur Ozeaniens gelöst werden können, wenn die Richtigkeit der Hypothese über Pacifis, eines großen Landes mit hochentwickelter Zivilisation, bewiesen wird. Beim Zusammenfassen aller Angaben verschiedener Wissenschaften, so­ zusagen „Aufeinanderlegen" der drei Pacifis, erhalten wir anscheinend das gesuchte Ergebnis: Die Existenz des untergegangenen Kontinents wird be­ wiesen. Es kann sein, daß es so auch gewesen ist, wenn alle diese Angaben wirklich glaubwürdig und unwiderlegbar wären. In Wirklichkeit aber kann man sie anders, von anderen Positionen her auslegen. Dann aber sprechen sie nicht für Pacifis, sondern zeugen im Gegenteil davon, daß es im Stillen Ozean nicht nur einen Kontinent, sondern auch große Australien und Süd­ amerika verbindende Festlandbrücken, die sich durch den gesamten Großen Ozean zogen, niemals gab und nicht geben konnte. Mit anderen Worten, al­ les hängt nicht nur und so sehr von den Fakten selbst ab wie von der Posi­ tion, die der Forscher einnimmt. Wenn er die Existenz von Festlandbrücken im Stillen Ozean für möglich hält, an die Realität Pacifis' glaubt, wird er die Fakten zugunsten des „Pazifischen Atlantis" auslegen. Hält er aber zum Bei­ spiel an der Theorie der Konstanz und Stabilität der Kontinente und Ozeane oder aber an der Hypothese der Kontinentaldrift fest, so werden die gleichen Fakten von ihm anders, keinesfalls für Pacifis ausgelegt werden. Als anschauliches Beispiel dafür können die Fakten der Zoogeographie S4

dienen. Die unverkennbare Ähnlichkeit der alten Beuteltiere Südamerikas und Australiens kann man durch eine Landverbindung über den Stillen Oz.ean erklären, wie das auch die Anhänger Pacifis' tun. Die Anhänger der Kontinentaldrift aber meinen, daß die Ähnlichkeit der alten Fauna etwas an­ deres besagt: Einst bildeten Südamerika und Australien einfach ein Ganzes und waren ein Teil des gigantischen Superkontinents Gondwana, der allmäh­ lich zerfiel, somit Afrika, Australien, Südamerika usw. bildend. Die Anhän­ ger der Konstanz der Ozeane dagegen behaupten, daß überhaupt keinerlei Festlandverbindung zwischen Australien und Südamerika bestand. Die Beu­ teltiere entstanden auf der nördlichen Halbkugel und verbreiteten sich von da nach allen Richtungen. Ein Teil von ihnen, nach Südwesten abwandernd, gelangte bis Südamerika, ein anderer, nach Südosten abwandernd, bis Au­ stralien. Deshalb muß man sorgfältig nach Spuren der alten Beuteltiere in Indonesien und Südostasien suchen, weil die Beuteltiere nur von hier aus der Alten Welt auf den australischen Kontinent gelangen konnten. Das gleiche betrifft den oben erwähnten Fisch aus der Familie der Hala­ xidae. Erstmals entdeckte man ihn bereits 1764 auf Neuseeland. Danach wurden mehrere Dutzend Fischarten aus der Familie der Halaxidae auf der Südhalbkugel auf durch den Ozean getrennten Inseln und Kontinenten in der Zone zwischen dem 30. und 60. Grad südlicher Breite entdeckt. Die kleinen, schuppenlosen, salzwasserunverträglichen und den Forellen ähnli­ chen, 7 bis 17 cm großen Fische aus der Familie der Halaxidae geben den Zoogeographen ein ernsthaftes Rätsel auf, das bis heute nicht gelöst werden konnte. Die Anhänger Pacifis' meinen, daß die Verbreitung der Halaxidae ein Beweis für den versunkenen Kontinent ist, die Anhänger der Kontinen­ taldrift sind der Ansicht, daß die Halaxidae der von ihnen verteidigten Hy­ pothese zu einem sehr wertvollen Trumpf zugunsten Gondwanas verhelfen, wonach Südafrika, Südamerika, Australien und Neuseeland bis zum Beginn der Aufspaltung Gondwanas eng aneinander grenzten und eben in diesem Gebiet die Halaxidae verbreitet sind. Die Anhänger der Konstanz der Ozea­ ne dagegen zerbrechen sich den Kopf darüber, welches Transportmittel die Halaxidae für das Ansiedeln in den durch die ozeanischen Salzwasserweiten getrennten Ländern hatten und wie sie es verwendeten. Der Streit über die Wege der Verbreitung von Tieren und Pflanzen über unseren Planeten begann vor langer Zeit noch an der Schwelle der Z oogeo­ graphie. Und bereits am Ende des 18. Jahrhunderts hielten solche Gelehrte wie Eberhard Zimmermann und der große Naturforscher Buffon die Exi­ stenz von Festlandbrücken für möglich, dank denen Inseln und Kontinente wie Australien oder Amerika besiedelt wurden. Dieser Standpunkt wurde von dem Engländer Forbes entwickelt und begründet, der in seiner 1846 er­ schienenen gründlichen Arbeit „Über den Zusammenhang in der Verbrei­ tung der heutigen Flora und Fauna der Britischen Inseln und der geologi­ schen Veränderungen während des Diluviums" behauptete, daß über alte „Brücken" verschiedene Tiere und Pflanzen auf das Territorium von Engss

land vordrangen. Diese „Brücken" hatten in unterschiedlichen Epochen exi­ stiert und die Britischen Inseln mit verschiedenen Teilen Europas-bald mit Frankreich, bald mit Spanien, bald mit Skandinavien-verbunden. Durch ähnliche, nur längere und ältere Brücken erklärte Forbes auch die Verbrei­ tung der Fauna und Flora auf den Inseln Ozeaniens. Da erschien das Buch Darwins „Die Entstehung der Arten", in dem der Polemik mit Forbes nicht wenig Platz eingeräumt ist. Der geniale Begründer der modernen Biologie zeigt, daß es sich erübrigt, sich unbedingt der Hypo­ these über Brücken oder versunkene Kontinente zuzuwenden, um die Ver­ breitung von Tieren und Pflanzen zu erklären. Wir berichteten bereits über die von Darwin und dessen Anhänger Wallace aufgezeigten Wege einer sol­ chen Verbreitung. Jedoch fast gleichzeitig mit der Monographie Wallaces „Das Inselleben" (1892) erscheint das mehrbändige Werk von E. Sueß „Das Antlitz der Er­ de", das die Theorie der Konstanz der Ozeane (an die sich Darwin hielt) ernsthaft erschütterte. Die Monographie Sueß' war die erste Arbeit, in der die Frage nach Paci­ fis nicht im Lichte der Rätsel der verschwundenen Zivilisation oder zoogeo­ graphischer Probleme der Verbreitung von Tieren gestellt wurde, sondern geologisch, auf der Grundlage der Wissenschaft über die Erde.

Das geologische PacifIS Es existieren mehrere geologische Rekonstruktionen von Pacifis. Nach einer von ihnen war dieser Kontinent von allen Seiten von tiefen Meeren mngeben, infolge dessen sich das organische Leben auf ihm selbständig ent­ wickelte und endemisch war. Die Pacifis umgebenden Meere waren Geosyn­ klinalmeere. (Geosynklinalen sind dünne, zur Durchbiegung neigende Berei­ che der Erdkruste, die zwischen den Kontinentalblöcken liegen. ) In den Geosynklinalmeeren häuften sich mächtige Sedimentschichten an, bis schließlich in der Kreidezeit hier Gebirgsbildungsprozesse einsetzten. Anstel­ le der Geosynklinalen erhoben sich allerhöchste Gebirgsrücken, und Pacifis selbst begann auf den Grund abzusinken. Die Kontinentalscholle wurde von Klüften durchsetzt, durch die glühendes Magma nach oben drang. Allmäh­ lich geriet der gesamte Kontinent unter Wasser, und nur die höchsten Berg­ gipfel verblieben als Inseln des Stillen Ozeans an der Oberfläche. Der end­ gültige Untergang Pacifis' geschah im Quartär, als der Mensch bereits existierte. Nach Meinung der Kapazität der sowjetischen geologischen Wissen­ schaft, Akademiemitglied W. A. Obrutschew, erfolgte der endgültige Unter­ gang Pacifis' am Ende dc;:.r letzten Eiszeit. „Man kann behaupten, daß die Menschheit im warmen Aquatorialgürtel der Erde bereits zu der Zeit, als beide Subpolargebiete noch mit Schnee und Gletschern bedeckt waren und 56

der Mensch Steinwerkzeuge fabrizierte, die ihm zum Nahrungserwerb dien­ ten, eine hohe kulturelle Entwicklung erreichte. Schöne Tempel für die Gott­ heiten, Pyramiden als Grabmäler für die Könige wurden gebaut und auf der Oster-Insel Steinstatuen zum Schutz gegen irgendwelche Feinde errichtet. So taucht eine interessante und schwierige Frage auf: War nicht der Untergang anderer Kulturen und ihrer Bauwerke durch irgendeine Katastrophe hervor­ gerufen worden?" sagte Wladimir Afanasjewitsch Obrutschew in einem kurz vor seinem Tod geschriebenen Artikel. „Man sollte sich erinnern, daß die Eiszeit, die auf der Erde in beiden Subpolarzonen gewaltige Schnee- und Eismassen schuf, allmählich unter der Einwirkung der zunehmenden Sonnen­ tätigkeit nachließ und gewisse Katastrophen hervorrufen konnte." Die Wellen des Stillen Ozeans begannen, niedrig gelegene Meeresufer zu überfluten. Es ereigneten sich häufig Stürme, Erdbeben und Überschwem­ mungen. Und es ist durchaus möglich, entwickelte Obrutschew seinen Ge­ danken, daß um die heutige Oster-Insel herum früher eine weite Niederung mit Städten und Siedlungen war. Als die Eiszeit zu Ende ging, begannen die Wasser langsam, aber unaufhörlich die tiefliegenden Küsten zu überfluten. Die erschrockene Bevölkerung schickte sich an, in Steinbrüchen hastig „Steinstatuen mit drohenden Gesichtern herauszuhauen und sie am Ufer aufzustellen in der Hoffnung, daß sie das Vordringen des Meeres aufhalten und ihre Küstenstädte und -siedlungen gerettet werden". Aber das Abtauen der Eismassen hielt an, der Ozean drang vor, und schließlich war alles Land von den Wassern des Stillen Ozeans überflutet mit Ausnahme der heutigen Oster-Insel, des höchsten Teils des einst großen Landes, dessen Bevölkerung „umkam oder nach und nach auf andere Inseln Polynesiens übersiedelte. Auf die Oster-Insel drangen jedoch bereits viele Jahre später neue Bewohner vor, die über die Errichtung dieser Statuen nichts wußten". Nach Meinung anderer Geologen existierte kein einheitlicher Kontinent Pacifis: Es gab zwei Pacifis, zwei Kontinente anstelle des Stillen Ozeans, die durch eine Breitengeosynklinale getrennt waren. Der russische Geologe 1. R. Lukaschewitsch stellte schon 1911 eine Serie von Karten zusammen, die die Rekonstruktion Pacifis' mit all seinen Veränderungen bis hin zum endgültigen Verschwinden in den Wellen des Stillen Ozeans zeigte. Der Geologe Schteiman nahm 1929 bei der Untersuchung der Struktur der vollkommen isolierten, aus Granit bestehenden Insel Partida (sie liegt 19° nordlicher Breite und 112° westlicher Länge) an, daß Partida der

Überrest eines im Stillen Ozean versunkenen Kontinents ist. Sind doch Gra­ nite ein typisches Kontinentalgestein, und konnte die Insel Partida niemals

durch Vulkantätigkeit gebildet worden sein. Zu Beginn der 30er Jahre unse­ res Jahrhunderts sind im Gebiet der Oster-Insel und nordöstlich von ihr ozeanographische Untersuchungen durchgeführt worden. Auch die geologi­ sche Struktur der Oster-Insel selbst wurde erforscht. Der Leiter der Arbeiten, der amerikanische Geologe Chubb, kam zu dem Schluß, daß hier irgend57

wann einmal Festland gewesen sein kann, das auf den Boden abgesunken ist. Dafür sprachen auch Analysenwerte von Gesteinen, aus denen die Oster-In­ sel besteht. Hier sind Andesite gefunden worden, jene für Kontinente cha­ rakteristischen Gesteine magmatischer Abfolge, und sogar rhyolitischer Obsi­ dian und Granit, d. h. typisches Kontinentalmaterial. Die Angaben über die auf der Oster-Insel gefundenen Gesteine ermög­ lichten dem bekannten amerikanischen Ozeanologen und Geologen R. Daly zu schlußfolgern, daß die Oster-Insel auf einem untermeerischen Plateau steht, das „eine weitverbreitete, aber verhältnismäßig geringmächtige Gesteinsschicht vom Kontinentaltyp darstellt", und die Insel selbst aus typi­ schen Kontinentalgesteinen aufgebaut ist. Diese Schlußfolgerung bestätigten auch neueste ozeanographische und geophysikalische Untersuchungen, die zeigten, daß in diesem Gebiet eine Kontinentalkruste mit einer Mächtigkeit von 20 bis 30 km vorhanden ist. Aber etwas östlicher der untermeerischen Erhebung, deren Gipfel die Oster­ insel ist, befinden sich Tiefsee-Ebenen, wo die Mächtigkeit der Erdkruste eine typisch ozeanische ist und insgesamt 4 km beträgt. Aber eben die Angaben der Geophysik, die es ermöglichten, zwei Hauptkrustentypen zu unterscheiden - die ozeanische und kontinentale -vollzogen eine Revolution in der Meeresgeologie, stellten den Streit über versunkene Kontinente auf den festen Boden von durch Messungen bestätigten Fakten: Wenn wir die Spuren eines versunkenen Festlandes auffinden wollen, müssen wir zuerst be­ stimmen, welcher Krustentyp sich unter dem Ozean befindet. Hat die Kruste keine Granitschicht und eine Mächtigkeit von einigen wenigen Kilometern, heißt das, daß dies eine ozeanische Kruste ist und hier niemals Festland ge­ wesen ist und mindestens im Verlaufe der letzten Millionen Jahre auch nicht sein konnte. Ist aber die Kruste eine kontinentale mit einer Mächtigkeit von mehreren Dutzend Kilometern, so können wir zu Recht annehmen, daß hier einstmals ein auf den Meeresboden abgesunkenes Festlandmassiv war. Die Angaben der Geophysik und der Meeresgeologie ermöglichten dem sowjetischen Wissenschaftler Professor Nikolai Feodossowitsch Shirow nicht ohne Grund anzunehmen, daß die Oster-Insel genetisch mit einem heute unter den Ozeanspiegel abgesunkenen Festland verbunden ist, das eine Ab­ senkung durch Katastropheneinfluß mit einer wesentlichen Umgestaltung der ehemaligen Landschaft durchmachte, das wir heute Ostpacifis nennen. Somit erhalten die seinerzeit kritischen Auffassungen von Macmillan Brown über die Möglichkeit der Existenz eines Archipels von Inseln in nicht ferner Ver­ gangenheit, die genetisch und ethnisch mit der Oster-Insel verbunden waren, unerwartet eine gewisse Bestätigung. Neben Shirow treten in unseren Tagen für die Realität Pacifis' in Form eines großen Kontinents oder aber einz.elner „Pacifis"-Ostpacifis (Gebiet der Oster-Insel), Westpacifis (Gebiet der Karolinen), Hawaiis (Gebiet des Hawaii-Archipels) usw.-solche großen Wissenschaftler wie der sowjetische Geomorphologe Dmitri Gennadjewitsch Panow, der Zoogeograph Georgi 58

Ustinowitsch Lindberg, der bulgarische Geologe Michalowitsch und eine Reihe anderer in- und ausländischer Wissenschaftler ein. So z.B. teilt der Doktor der geographischen Wissenschaften Panow in dem Buch „Die Ent­ stehung der Kontinente und Ozeane" die Hypothese „über die Existenz einer großen Kontinentalfläche im östlichen Teil des Stillen Ozeans, wenn man die Struktur der Oster-Insel mit den Strukturen des Kontinentaltyps innerhalb der Grenzen des Albatrosplateaus zusammenfügt" und nimmt an, daß sich ein großer im Gebiet der Oster-Insel ehemals befindlicher Festlandsbereich „weit in den Zentralteil des Ozeans" erstreckte. Einer der größten sowjeti­ schen Geologen, W. W. Beloussow, stellte eine Hypothese auf, die die gigan­ tische sich entlang der Pazifikküste hinziehende Gebirgskette der Anden und Kordilleren mit der untermeerischen Bergkette-dem Ostpazifischen Rük­ ken-in Zusammenhang brachte. Nach seiner Meinung sind das die beiden Hälften einer grandiosen Faltungszone: Die östliche Hälfte erhebt sich als Anden und Kordilleren, die westliche dagegen ist auf den Boden des Stillen Ozeans abgesunken. Aber einstmals befand auch sie sich an der Oberfläche: Festland waren das heutige untermeerische Albatrosplateau und andere Er­ hebungen, darunter auch diejenige, auf der die Oster-Insel steht. Beloussow schließt die Möglichkeit ehemaliger Verbindungen der Oster-Insel mit den abgesunkenen Festlandsbereichen nicht aus. Die Kruste des Kontinentaltyps findet man auf dem Ozeanboden nicht nur in der Nähe der Oster-Insel, sondern auch neben anderen Inseln des Stil­ len Ozeans. Aber auf den Inseln selbst wie auch auf dem Nabel der Inseln entdeckten die Geologen ebenfalls typische Kontinentalgesteine. Auf den Tonga-lnseln sind Rhyolite und Graniteinschlüsse gefunden worden, auf den Fidschi-Inseln Granite und Schiefer, auf den Kermadec-lnseln Granite, auf den Marquesas-, Galapagos-, Auckland-, Bounty- und Chatharn-Inseln An­ desite, auf einigen Inseln des Karolinen-Archipels Andesite und Schiefer. Granite sind vor nicht langer Zeit sogar auf solch typisch vulkanischen In­ seln wie den Kurilen entdeckt worden. Damit schien alles klar: Gefunden wurden unumstößliche Beweise einer kontinentalen Herkunft der genannten Inseln. Einmal sind sie aus Kontinen­ talgestein zusammengesetzt und konnten von Grund auf nicht von Vulkanen gebildet worden sein (ist doch die ozeanische Kruste ohne Granitschicht und von Basalten gebildet). Aber viele Geologen und Ozeanographen sehen An­ desite und andere Kontinentalgesteine nicht für einen Beweis einer kontinen­ talen Herkunft der Inseln an. Erstens deshalb, weil diese Gesteine nur einen Teil der Gesamtmasse des Gesteins ausmachen, aus denen die Inseln aufge­ baut sind. Ihre Basis bilden trotz allem Basalte, und zum Beispiel auf der Oster-Insel gehören weniger als 1/io% der Gesamtmasse der vulkanischen Gesteine, aus denen die Insel besteht, zu den Andesiten. Folglich-und das als zweites-ist es logisch anzunehmen, daß die Konti­ nentalgesteine der ozeanischen Inseln tatsächlich eine 07.eanische, basaltische Herkunft haben und sie als Nebenprodukte der Basaltmagmen ausgeschieden 59

wurden. So gibt es nach Meinung Macdonalds zwei unterschiedliche Ande­ sittypen- kontinentale und ozeanische-, und der überwältigende Teil der auf den Inseln des Stillen Ozeans aufgefundenen Andesite ist ozeanisch, von Ba­ saltmagmen abstammend. Die Gegner Pacifis' erheben auch Einwände gegen die Auslegung einer Kruste, die eine Mächtigkeit von über 10 km hat, als kontinentale. Eine ty­ pisch ozeanische Kruste ist eine Kruste mit einer Mächtigkeit von 3 bis 5 km, aber eine typisch kontinentale von 30 bis 40 km. In Gebiet der Oster­

insel aber haben wir es mit einer Kruste zu tun, deren Mächtigkeit 20 bis 30 km erreicht, im westlichen Teil des Stillen Ozeans (wo die Existenz von Westpacifis angenommen wird) ungefähr 15 bis 18 km. Das heißt, in diesen (und vielen anderen) Gebieten des Großen Ozeans ist die Kruste tatsächlich viel zu dick, um als ozeanische angesehen zu werden. Zugleich aber ist sie auch zu dünn dafür, daß wir sie für eine kontinentale halten können. Hier haben wir es sozusagen mit einem Übergangstyp zu tun. Aber auf welche Seite führt dieser Übergang? Bedeutet eine solche mittlere Krustenmächtig­ keit, daß hier einstmals Festland war, das absank, und danach ein Prozeß der Abnahme der kontinentalen Kruste einsetzte, in dessen Verlauf sie be­ gann, die Granitschicht zu verlieren, sich zu ozeanisieren? Möglicherweise haben wir es im Gegenteil mit arteigenen „Mikrokontinenten" zu tun, mit ungeborenen (oder sich bildenden, wird doch das Tempo der Formierung von Kontinenten und Ozeanen in Jahrmillionen gemessen) Festlandsberei­ chen? Sowohl jener als auch der andere Standpunkt haben viele Befürworter, unter ihnen die bedeutendsten Ozeanographen, Geologen, Geomorphologen. Und doch ist die Frage endgültig nicht gelöst. Wir wissen nicht, ob sich auf dem Boden des Ozeans im Gebiet der Oster-Insel oder Neuseelands ehemali­ ge Kontinente befinden, die im Wasser verschwunden sind, oder umgekehrt zukünftige Kontinente, die sich irgendwann einmal aus den Tiefen des Gro­ ßen Ozeans erheben.

Das zoogeographische Pacifis Wie wir sehen, können sogar die allerneuesten Daten die Frage nach Pa­ cifis nicht endgültig lösen. Das betrifft das geologische Pacifis. Und das zoo­ geographische? Vielleicht können doch Angaben über die Verbreitung von Tieren und Pflanzen auf die bis heute von der Geologie und Ozeanographie nicht gelöste Frage eine Antwort geben? Leider gibt es aber auch hier keine endgültige Antwort. Am Anfang er­ schien alles einfach und klar. Es gibt zwei Typen von Inseln: kontinentale und ozeanische. Erstere entstanden, indem sie durch Meerengen vom Konti­ nent abgetrennt wurden. Letztere bildeten sich im Ergebnis einer tektoni­ schen Hebung oder eines Vulkanausbruches im Ozean. (Eine ähnliche Ge­ burt von Inseln erfolgt auch heute vor unseren Augen.) Natürlich müssen 60

Fauna und Flora auf kontinentalen Inseln ebenfalls kontinental sein. Denn das ist im Grunde genommen ein Doppel der Tier- und Pflanzenwelt jenes Kontinents, dessen Teil einstmals Inseln ähnlichen Typs waren. Und umge­ kehrt müssen auf ozeanischen Inseln Fauna und Flora sehr arm sein: Kön­ nen doch Pflanzen und Tiere auf solche Inseln nur durch zufällige Anwehun­ gen gelangen, mit Hilfe des Windes, der Strömungen und der Zugvögel. Auf kontinentalen Inseln sind Fauna und Flora gesetzmäßig, harmonisch, auf ozeanischen zufällig, lückenhaft. Wenn das so ist, so bereitet es keine besondere Schwierigkeit zu bestim­ men, welche Insel Teil eines Kontinents war und welche nicht. Man muß ihre Fauna und Flora mit der kontinentalen vergleichen und bestimmen, inwie­ weit sie ähnlich sind. Wenn nur alles so glatt ginge, wie es auf den ersten Blick scheint! Zunächst einmal beginnen sich Flora und Fauna einer isolierten Insel­ gleich, ob einer kontinentalen oder ozeanischen - auf getrennten Wegen zu entwickeln. Es tauchen endemische, für die jeweilige Insel oder den Archipel spezifische Arten auf. (Über sie wurde bereits oben berichtet.) Abgesehen da­ von läuft auf den Inseln noch ein nicht umkehrbarer Prozeß ab: die Verar­ mung der Fauna und Flora. „Offensichtlich kann das kleine Territorium, das über einen unvollständigen Komplex von Biotypen verfügt, eine harmonische Kontinentalfauna nicht dauernd erhalten und verliert sie allmählich. Diesen Verlust begünstigt der Umstand, daß auf einem Kontinent eine Art an einer Stelle unter dem Einfluß einer Dürre, einer Überschwemmung, dem Einfluß von Raubtieren und Epidemien völlig aussterben, aber sich danach infolge Einwanderung aus anderen Gegenden wieder erneuern kann", schreibt Pro­ fessor 1. 1. Pusanow in seinem Lehrbuch „Zoogeographie" (1938). „Auf ei­ ner Insel ist ein jeder Verlust unersetzbar: So gab es auf Island bis zu dem strengen Winter 1829/30 Frösche, die danach verschwunden waren und selbstverständlich auf natürlichem Wege erneut nicht wieder auftauchen kön­ nen. Es ist historisch belegt, daß es in Britannien Wölfe und Bären gab, die aber, einmal ausgerottet, nicht wieder auftreten können." Offensichtlich lautet die Schlußfolgerung oder richtiger das Gesetz der Zoogeographie: Eine vom Kontinent abgetrennte Insel, die von einer normal entwickelten Fauna besiedelt ist, verausgabt sich im Laufe der Zeit unweiger­ lich. Dabei ist die „Veruntreuung der Fauna" um so größer, je älter die Insel ist, und der Prozeß verläuft um so schneller, je kleiner die Abmessungen der Insel sind. Die Zoogeographen bezeichnen dieses Gesetz als Regel der Inselverarmung. Das betrifft aber kontinentale Inseln. Auf ozeanischen Inseln läuft ein umgekehrter Prozeß ab: Je mehr Zeit vergeht, desto größer ist die Wahr­ scheinlichkeit, daß die eine oder andere Lebensform, das eine oder andere Tier oder Gewächs auf die Insel getragen worden ist. (Es sei an die Besiede­ lung der Vulkaninsel Krakatau erinnert.) Das heißt, im Verlaufe der Zeit verarmen Fauna und Flora einer kontinentalen Insel unablässig, werden lük61

kenhaft. Die einer ozeanischen dagegen streben danach, ihre Lückenhaftig­ keit durch Anreicherung mit immer neuen Arten zu überwinden. Im Ender­ gebnis werden nach Ablauf eines bestimmten Zeitabschnittes Fauna und Flo­ ra der beiden Inseltypen praktisch nicht unterscheidbar sein. Um so mehr, da das Inselleben, unabhängig davon, ob die Insel eine kontinentale oder eine ozeanische ist, einer Reihe allgemeiner Gesetzmäßigkeiten unterliegt (Verringerung der Maße von Inselsäugetieren, Übergewicht von Eidechsen gegenüber Schlangen auf Inseln usw.). Somit können wir nicht genau wissen, welcher Art Fauna und Flora der einen oder anderen Insel sind-„degenerierte kontinentale" oder aber „lük­ kenhafte ozeanische". Zum Beispiel der bereits erwähnte 400 Meilen von Chile entfernte Juan-Fermindez-Archipel. Hier gibt es 4 Arten von Landvö­ geln, darunter endemische Arten des Kolibris, 34 den chilenischen Schmet­ terlingen verwandte oder identische Schmetterlingsarten und ungefähr 20 Molluskenarten, wobei alle Endemiten sind, aber zu den in Chile verbreite­ ten Gattungen gehören. Was ist das? Der Splitter eines ehemaligen mit Chile verbundenen Festlandes? Oder aber eine ozeanische Insel, die durch zufällige Anwehungen von der chilenischen Küste her besiedelt wurde? (Raubvögel fliegen vom Kontinent oft nach dem Juan-Fernandez-Archipel, und sie konnten Träger der Pflanzen und Insektenlarven gewesen sein.) Das wissen wir nicht. Das gleiche trifft auch für andere Inseln und Archipele des Stillen Ozeans zu, sei es Neuseeland, Fidschi, Samoa und sogar Galapagos, wo, wie es schien, selbst Darwin die zufällige Anwehung von Fauna und Flora bewies. Die Anhänger der Konstanz der Ozeane halten sie für ozeanische, die Anhän­ ger der Kontinentaldrift für fortschwimmende „Stücke", die Anhänger Pacifis' für Reste eines versunkenen Kontinents. Jede Seite führt Argumente und Auslegung der Fakten an. Auf den Marquesas-Inseln zum Beispiel gibt es Süßwasserfische. Heißt das nun, daß diese Inseln ein Überrest Pacifis' sind? Die Anhänger der Hypothese der Konstanz der Ozeane verneinen das: Sol­ che Fische erklären sie als „aus dem Meer stammende", die sich in Süßwas­ serfische umgebildet haben. Die Anhänger Pacifis' ihrerseits bemühen sich, jeden Fakt der Vermi­ schung unterschiedlicher Faunen oder Floren nicht durch zufällige Anwe­ hungen zu erklären, sondern durch eine alte Verbindung zwischen Kontinen­ ten und Inseln. Sie sprechen nicht von einer hypothetischen Festlandbrücke, die sich durch den gesamten Ozean hinzog, sondern von mehreren solchen Brücken. Wie bereits erwähnt, haben die Hawaii-Inseln einen eigenartigen „Vereinigungsrekord" der Flora verschiedener Kontinente inne. Und so er­ klären einige Wissenschaftler, daß eine „solche Besonderheit der Flora der Hawaii-Inseln nur möglich ist zu erklären unter der Annahme einer irgend­ wann vorhanden gewesenen Festlandverbindung dieser Inseln mit Kontinen­ ten in drei unterschiedlichen Richtungen". Diese Richtungen sind: l. Süd­ amerika (wo sich die Brücke von Hawaii bis zur Oster-Insel erstreckte)-die 62

Inseln Sala y G6mez und der Juan-Fernandez-Archipel-chilenische Küste; 2. Japan (wo die Brücke nicht nur den Süden Japans mit Hawaii verband, sondern sich weiter nach Osten hinzog)-die Galapagos-Inseln-Kolumbien­ Ekuador-Peru; 3. Nordamerika- Hawaii-Inseln- Revillagigedo-Inseln-ka­ lifornische Küste. Die glühendsten Anhänger Pacifis' legen seine Grenzen im Norden von Japan bis zu den Hawaii-Inseln und weiter nach Osten bis Niederkalifornien fest, den Südrand des Kontinents aber ziehen sie von Tasmanien über die In­ seln Auckland und Campbell, die Antipoden- und Chatharn-Inseln und danach zur Oster-Insel, zu Sala y G6mez, dem Juan-Femandez-Archipel bis hin zur chilenischen Küste. Mit anderen Worten, sie nehmen an, daß nicht einfach Brücken die Hawaii-Inseln mit Kontinenten verbanden, sondern der gesamte Raum des heutigen Ozeans in diesem Gebiet einstmals Festland war. Um jedoch auf die Hawaii-Inseln zu gelangen, müssen die Pflanzen nicht unbedingt eine Reise über Land machen, da dieser Archipel regelmäßig von Zugvögeln aufgesucht wird und 22 Vogelarten die Hawaii-Inseln als ihren Winterplatz auswählen. Indessen zeigte Darwin überzeugend, daß Vögel aus­ gezeichnete Lebensträger sind. So zog Darwin aus dem an Vögeln anhaften­ den Schmutz in einem Experiment 82 Pflanzen fünf unterschiedlicher Arten auf. Der amerikanische Zoologe R. Perkins, unter dessen Leitung die mehr­ bändige Ausgabe „Die Fauna Hawaiis" (1899-1913) entstand, schrieb in ih­ rer Einleitung: „Die Möglichkeit der Existenz eines alten Kontinents, selbst wenn das vom Standpunkt der Geologie wahrscheinlich wäre, kann von ei­ ner Person, die die Fauna der Hawaii-Inseln in ihrer Gesamtheit erforscht hat, nicht einmal für einen Augenblick angenommen werden." Aber zu­ gleich bestanden Kollegen und Zeitgenossen von Perkins entschieden darauf, daß die Eigenart der hawaiischen Fauna nur durch eine Festlandsverbindung des Archipels mit anderen Inseln des Stillen Ozeans und sogar Kontinenten erklärt werden kann. Den auch bis jetzt noch nicht beigelegten Streit der Zoogeographen er­ schwert überdies ein Umstand. Die Endemiten in ihrer Zahl und Eigenart sind im Streit der Fachleute ein äußerst gewichtiges Argument. Wird aber ir­ gendeine Art entdeckt, beeilen sich die Wissenschaftler sehr oft, sie als eine endemische zu bezeichnen, die nur der jeweiligen Insel des Stillen Ozeans ei­ gen ist. Aber danach stellt sich bei sorgfältiger Überprüfung heraus, daß es eine solche Art ebenfalls auf einer anderen Insel oder einem kleinen Insel­ chen gibt und sie folglich nicht für einen Endemit gehalten werden darf. Ein und dieselbe Art kann unter unterschiedlichen Bezeichnungen auftreten, wenn sie von verschiedenen Forschern auf verschiedenen Inseln entdeckt wurde. Eine solche Erscheinung nennen die Zoologen Synonymie. Im Jahre

1905 erschien eine Zusammenstellung aller Fische der Hawaii-Inseln, in der 441 Arten gezählt wurden. Später stellte sich heraus, daß 100 Arten Syn63

ouyme waren. (Und dadurch verringerte sich die Anzahl der Meeresküstenfi­ sche, die für hawaiische Endemiten gehalten wurden, von 232 auf 132, d.h. fast um die Hälfte.) Zu Beginn unseres Jahrhunderts stellten die Wissen­ schaftler bei der Zusammenstellung der Mollusken der Hawaii-Inseln richtig, daß 233 früher beschriebene Arten Synonyme sind. Und die Aufzählung ähnlicher „Kürzungen" könnte man fortsetzen. Somit ist es sehr schwierig und bisweilen auch unmöglich, genau zu be­ stimmen, was in der Fauna und Flora ozeanisch ist, d. h. zufällig angeweht, und was dorthin über das Festland gelangt und kontinental ist. Dabei muß man noch berücksichtigen, daß wir es mit der heutigen Fauna und Flora zu tun haben, aber früher konnten sie ganz andere gewesen sein. Als Beispiel dafür kann die Oster-Insel dienen. „Die Landfauna dieser abgeschiedenen Insel, im Stillen Ozean verloren und von Menschen der polynesischen Rasse bevölkert, wurde erst 1917 erstmalig wissenschaftlich erforscht. Dabei stellte sich heraus, daß es eigentlich nichts zu erforschen gibt; ihre mehr als spär­ liche Fauna stellte eine bunte Mischung kosmopolitischer, amerikanischer und europäischer Arten dar, die von Schiffen eingeführt worden sind", liest man in Pusanows „Zoogeographie". Die Flora der Oster-Insel ist ebenso kärglich wie die Fauna. Es schien alles klar: Die Insel muß als eine typisch ozeanische angesehen werden. Aber da führt eine norwegische archäologi­ sche Expedition, geführt von Thor Heyerdahl, auf der Oster-Insel sorgfältige Untersuchungen durch. In deren Ergebnis „gelang es festzustellen, daß das natürliche Milieu, in das die Erstbesiedler gelangten, nicht ähnlich war dem uns aus Beschreibungen bekannten, die während der Entdeckung der Insel im Jahre 1722 gemacht wurden", schreibt Thor Heyerdahl in dem Buch „Abenteuer einer Theorie". „Jetzt ist die Insel arm an Vegetation, aber frü­ her war hier eine reiche Flora, wuchsen Bäume. Zwischen den Bäumen ge­ diehen Sträucher verschiedener Arten. Im großen und ganzen erinnerte die Vegetation bis zu einem bestimmten Grade wahrscheinlich an die ursprüng­ liche Niederungsflora, sagen wir, auf der Leeseite der Hawaii- oder Marque­ sas-Inseln." Ehemals wurde die reiche Flora der Hawaii- und Marquesas-Inseln der kümmerlichen Flora der Oster-Insel gegenübergestellt. Und wäre nicht die archäologische Expedition Thor Heyerdahls gewesen, bliebe diese Gegen­ überstellung ein triftiges Argument im Streit der Anhänger und Gegner der Existenz Pacifis' bis auf den heutigen Tag.

Das „menschliche" Pacifis Somit sind weder die Geologie, Ozeanographie, Geophysik und andere Wissenschaften über die tote Natur noch die Wissenschaften über die belebte Natur- Zoogeographie und Phytogeographie - in der Lage, eine endgültige Antwort auf die Frage zu geben, ob es Pacifis gab. Aber vielleicht finden wir 64

sie bei den Wissenschaften, die den Menschen erforschen - der Archäologie, Folkloristik und Ethnographie? Haben wir es doch hier nicht mit der toten Natur und nicht mit stummen Tieren und Pflanzen zu tun, sondern sozusa­ gen mit Unseresgleichen, mit Generationen altertümlicher Bewohner der ozeanischen Inseln. Es wurden schon Beispiele der Folklore der Polynesier angeführt: Legen­ den über eine Sintflut, über eine Katastrophe, in deren Ergebnis Festland im Stillen Ozean versank. Wie man sich selbst beim aufmerksamen Lesen des Textes der „Erzählung über die Vorfahren der Bewohner des Atolles Hao" überzeugen kann, ist darin der Einfluß der biblischen Sage über die Sintflut spürbar. Diesen Einfluß fühlt man auch in der hawaiischen Legende über den Untergang des „Ka-Houpo-o-Kane", des Kontinents „Sonnengeflecht Kane". Zum Beispiel ist der Name des weisen Zauberers Nuu, der Menschen vor dem Untergang rettete, der entstellte Name des biblischen Noah. Die Anhänger Pacifis' stützen sich auf diese Texte wie auf Augenzeugen des Unterganges des Kontinents in den Wellen des Stillen Ozeans, aber ihre Gegner weisen durchaus begründet entschieden auf die „biblischen Motive" in diesen Überlieferungen hin. Glücklicherweise gelang es den Forschem, Texte aufzuschreiben, die ein Versinken von Ländern und Inseln verkünden, in denen es weder eine für die menschlichen Sünden bescherte Sintflut gab noch einen biblischen Noah oder seinen polynesischen Zwilling. Und, was das Bemerkenswerte ist, diese Texte wurden auf einer Insel aufgeschrieben, die ein geeigneter Kandidat dafür ist, um für den letzten Überrest Pacifis' gehalten zu werden, des „menschlichen" Pacifis, besiedelt mit einem hochzi­ vilisierten Volk. Diese Insel ist der Nabel der Inseln, die Oster-Insel. Als Macmillan Brown die Oster-Insel besuchte, schrieb er dort eine Le­ gende darüber auf, daß die Insel Te-Pito-o-te-Henua Teil eines großen Lan­ des war. Ein Riese namens Uoke (oder Woke), der mit seinem Stab Inseln anheben und zerstören konnte, geriet einmal in Zorn und beschloß, dieses Land zu vernichten. Er begann seinen Stab zu heben und ihn auf das Fest­ land zu senken. Und dort, wo sich der Stab senkte, versank es auf den Grund des Ozeans. Es blieb ein ganz kleines Fleckchen Erde übrig, und hier zerbrach der Stab Uokes an einem Berg. So entstand die Insel, die seit jener Zeit den Namen Te-Pito-o-te-Henua, Nabel der Inseln, erhielt. Skeptiker meinten, daß diese Legende in vielerlei Hinsicht ihre Herkunft nicht der Erinnerung von Generationen verdankt, sondern Macmillan Brown selbst der Urheber ist, der die Spuren der Katastrophe suchte, die Pacifis vernichtet haben sollte. Teilten doch die Vorgänger des englischen Gelehrten, und das waren damals nicht wenige, über diese Überlieferung nichts mit. Aber der norwegischen archäologischen Expedition gelang es, auf der Oster­ insel vollgeschriebene Hefte mit hieroglyphenartigen Zeichen und lateini­ schen Buchstaben aufzufinden, in denen altertümliche Sagen und Mythen aufgeschrieben waren. Mit der Analyse und Übersetzung dieser Zeichen und Texte beschäftigte sich eine Gruppe Leningrader Wissenschaftler für Texte S-552

65

der Oster-Insel (darunter auch der Autor dieser Zeilen). Unter den in lateini­ schen Buchstaben geschriebenen Texten fand sich auch eine Legende über die Erschaffung der Oster-Insel. Sie sei vollständig in der vom Autor dieses Buches angefertigten Übersetzung wiedergegeben. „Der Knabe Tea Waka sagte: ,Unsere Erde war früher ein großes Land, ein sehr großes Land.' Kuukuu fragte ihn: ,Aber warum wurde das Land klein?' Tea Waka antwortete: ,Uwoke senkte seinen Stab darauf. Er senkte seinen Stab auf die Gegend Ohiro. Es erhoben sich Wellen, und das Land ward klein. Von nun an wurde es Te-Pito-o-te-Henua genannt. Der Stab Uwokes zerbrach am Berg Puku-Puhipuhi.' Tea Waka und Kuukuu unterhielten sich in der Gegend Ko-te-Tomonga­ o-Tea-Waka („Stelle, an der Tea Waka landete"). Danach ging der ariki (Führer) Hotu Matua an Land und siedelte sich auf der Insel an. Kuukuu sagte zu ihm: ,Früher war diese Erde groß!' Der Freund Tea Waka sagte: ,Das Land ist untergegangen.' Danach sagte Tea Waka: ,Diese Gegend nennt sich Ko-te-Tomonga-o­ Tea-Waka.' Ariki Hotu Matua fragte: ,Warum versank das Land?' ,Uwoke machte das; er versenkte das Land', antwortete Tea Waka. ,Von nun wurde das Land Te-Pito-o-te-Henua genannt. Als der Stab Uwokes groß war, stürzte die Erde in einen Abgrund. Puku-Puhipuhi-so wird die Stelle ganannt, wo der Stab Uwokes zerbrach.' Ariki Hotu Matua sagte zu Tea Waka: ,Freund, das ist nicht der Stab Uwokes. Das war der Blitz des Gottes Makemake.' Ariki Hotu Matua blieb auf der Insel wohnen." Hier ein kleiner Kommentar zum Text. Der Name Hotu Matua (Hotu­ Vater) ist uns bereits bekannt: Macmillan Brown nahm an, daß man so ei­ nen der Herrscher des versunkenen Imperiums nannte; ihm zu Ehren wurden die Statuen der Oster-Insel errichtet. Laut zahlreichen Überlieferungen der Inselbewohner war Hotu Matua der erste oberste Herrscher auf dem Nabel der Inseln, der hierher von irgendwoher aus Osten anlangte (aber nach einer anderen Version aus Westen), aus dem weiten Gebiet Maori, aus der Pro­ vinz Marae-Ranga, in dem Land geheißen Hiwa. (Nebenbei gesagt, nennen die Polynesier die Marquesas-Inseln Hiwa.) Kuukuu ist der Name eines der Kundschafter, die von Hotu Matua laut Legende auf die Insel geschickt worden sind, bevor der Führer selbst mit Hunderten von Menschen mit gro­ ßen Kähnen aufbrach. Die Kundschafter trafen auf der Insel irgendwelche Menschen. Einen von ihnen nannten sie Tea Waka (nach anderen Versionen Ratawake oder Ngata Wake). Makemake ist der oberste Gott der Oster-In­ sel, der Schöpfer des Menschen; eines seiner Attribute ist der Blitz. (Auf an­ deren Inseln Polynesiens ist dieser Gott unbekannt.) Hotu Matua erschien hier mit seinen Leuten, glaubt man dem Stamm­ baum der Herrscher der Oster-Insel, nicht vor dem 11. Jahrhundert u. Z. Die 66

Angaben der Archäologie besagen, daß die Insel bereits im 4. Jahrhundert bevölkert war. Folglich trafen die Menschen Hotu Matuas (aller Wahr­ scheinlichkeit nach waren das Übersiedler von den Marquesas-Inseln) auf der Insel irgendeine alte Bevölkerung an. (Wir wollen uns jetzt nicht in eine Diskussion darüber einlassen, wer die Vorgänger des Hotu-Vaters waren: Polynesier, dunkelhäutige Melanesier, Indianer Südamerikas oder· Ureinwoh­ ner Pacifis'.) Hotu Matua hält den Gott Makemake für den Urheber der Zerstörung der Gegend um die Oster-Insel. Möglich, daß die ersten Ansied­ ler auf der Insel das für das Werk Uwokes (oder Uokes) hielten, der das große Land versenkte. Die wahrscheinlichste etymologische Erklärung des Namens Uoke ist: „u" bedeutet „polternde Brandung", „oke" Zerstörung. Bedeutet das alles nicht, daß wir es hier mit der Beschreibung des realen Unterganges eines Kontinents (oder einer großen Insel) zu tun haben? Der französische Forscher Francis Maziere, der die Oster-Insel 1963 auf­ suchte, schrieb die neue Version der Legenden über die Erschaffung und Be­ siedelung des Nabels der Inseln auf. Sie wurde ihm von den letzten die Tra­ ditionen der altertümlichen Kultur bewahrenden Alten mündlich überliefert. In einer von ihnen wurde davon gesprochen, daß „das Land, das Hotu Ma­ tua besaß, sich Maori nannte und in Hiwa befand. Der Ort, wo er wohnte, nannte sich Marae-Ranga". Alle diese Bezeichnungen waren auch früher den Wissenschaftlern bekannt. Aber die weitere Fortsetzung der Legende unter­ schied sich von den früher bekannten Versionen. „Der Führer bemerkte, daß sein Land langsam im Meer versank. Er versammelte seine Diener, Männer, Frauen, Kinder und Alte und setzte sie in zwei große Boote. Als sie den Ho­ rizont erreichten, sah der Führer, daß das ganze Land, mit Ausnahme eines kleinen Maori gehießenen Teils im Wasser versunken war." Bis heute sagten die Versionen der Legende von der Besiedlung der Oster-Insel aus, daß die Ursache für die Übersiedlung aus Hiwa Stammesfehden waren, aber nicht der Untergang dieses Landes. In der Überlieferung von der Erschaffung der Oster-Insel, die von „dem letzten Gelehrten der Insel" -A-Ure-Auwiri-Porotu -erzählt worden ist, wird gesagt: Die Oster-Insel war bedeutend größer. Aber wegen der von ih­ ren Bewohnern begangenen Vergehen rüttelte Uoke sie hin und her und zerbrach sie mit einem Hebel ..." (Die Legende ist nach dem Buch von Ma­ ziere „Die rätselhafte Oster-Insel" zitiert.) Hier haben wir es erneut mit Uoke und dem Untergang des großen Landes zu tun. Es schien, als ob unbestreitbare Beweise dafür vorliegen, daß die ersten Besiedler der Oster-Insel Zeugen des Untergangs der letzten Reste Pacifis' waren. Der Name Uoke ist auch auf den Marquesas-Inseln (als Wo­ ke) bekannt. Er erscheint im Verzeichnis der mystischen Wesen, der Schöp­ fer der Welt. Vielleicht geschah die Absenkung des Festlandes auch irgend­ wo im Gebiet zwischen den Marquesas-Inseln und dem Nabel der Inseln, was Hotu Matua veranlaßte, seine in den Wellen des Ozeans untergehende Heimat zu verlassen und sich auf der Oster-Insel anzusiedeln? Oder aber hat s•

67

Hotu Matua keine Beziehung zu den lange Zeit vor ihm geschehenen Ereig­ nissen, als die Oster-Insel von anderen Menschen bevölkert war, unter deren Augen auch die Katastrophe geschah? Übrigens lautet eine Version der Le­ gende, daß die ersten Siedler zu jener Zeit auf der Oster-Insel auftauchten, als Uoke sie zerstörte, und nur mittels Zauberei gelang es, das Meer zu über­ reden. Es hörte auf, das Land zu überfluten, und der Stab des Riesen zerbrach. Wie man sieht, sind die Angaben für Hypothesen ausgezeichnet geeignet. Aber viele Fachleute ziehen die von Brown und Maziere eingeholte Informa­ tion in Zweifel. Selbstverständlich wirft ihnen niemand Unlauterkeit, aber so mehr eine tendenziöse Zusammenstellung von Fakten vor. Die Insel­ bewohner haben einfach zur Zeit der Aufzeichnung der Legenden schon ge­ nug Europäer und Amerikaner und Touristen gehört, die die Insel auf ihren Jachten besuchten und sich nach dem versunkenen Kontinent erkundigten. um

Zudem geben auf der Insel schon mehr als hundert Jahre christliche Missio­ nare die ganze Ideologie an, und es ist nicht verwunderlich, daß die bibli­ sche Sage über die Sintflut, wenn auch nicht so direkt wie auf den Hawaii­ oder Tuamotu-Inseln, doch ihren Einfluß auf die Fassung der alten Überlie­ ferungen und Mythen ausübte. Von da kamen auch die „Vergehen der Men­ schen", die Uoke mit dem Überfluten des Festlandes bestraft usw. (Beiläufig gesagt, wird Uoke auf den Marquesas-Inseln nicht als Zerstörer, sondern als Schöpfer der Insel angesehen.) Somit folgt aus den Folkloretexten die gleiche Situation wie auch aus den Angaben der Wissenschaften über die Erde und aus der Biogeographie: Die Fakten können für und wider Pacifis ausgelegt werden. So steht es auch mit allen anderen auf der Oster-Insel gewonnenen Unterlagen - ethnographi­ schen, archäologischen, anthropologischen und sogar toponomastischen. (Toponomastik ist die Wissenschaft über die geographischen Bezeichnun­ gen.) Admiral Roggeveen nannte die neuentdeckte Insel im Ozean Oster-Insel, weil das „am feierlichen Tage der Auferstehung des Herrn" geschah. Die Polynesier nennen die Oster-Insel „Rapa-Nui", d.h. „Großes Rapa" (im Unterschied zu „Rapa-Iti", d. h. „Kleines Rapa", ein Inselchen südwestlich der Oster-Insel). Kapitän Cook zeichnete ihren Namen als „Waihu" auf, aber das ist aller Wahrscheinlichkeit nach einfach die Benennung eines der Inselteile. Es wurden auch die Bezeichnungen „Mata-ki-te-Rangi" (Himmels­ auge) und „Hiti-Ai-Rangi" (Himmelsgrenze) und schließlich die weitestver­ breitete „Te-Pito-o-te-Henua" - Nabel der Inseln gefunden. Thor Heyerdahl erklärt diese Bezeichnung damit, daß „keine andere Insel sich erlauben konnte, sich den glänzenden Namen ,Nabel der Inseln' anzueig­ nen", weil „die Oster-Insel mit ihrer entwickelten Kultur vor uns als Eckstein in der Altertumsgeschichte des östlichen Teils des Stillen Ozeans er­ scheint". Die Herkunft einer solchen Bezeichnung kann man auch anders auslegen: Viele in der Isolierung lebende Stämme und Völker sahen ihre 68

Heimat als das „Zentrum des Weltalls" usf. an. (Nebenbei gesagt, nannten die alten Juden Jerusalem den „Nabel der Welt".) Man kann die Bezeich­ nung „Nabel der Inseln" auch im Sinne der Hypothese über Pacifis erklären, wobei man sich auf Überlieferungen der Inselbewohner selbst stützt: Er ist der letzte bergige Rest des großen im Ozean untergegangenen Landes. Letzt­ lich ist auch ein vierter Schluß möglich: Die Bezeichnung „Te-Pito-o-te-He­ nua" selbst ist eine spätere, und eine altertümliche Bezeichnung der Oster-In­ sel gab es einfach nicht, weil ihre Bevölkerung, in völliger Isolierung von anderen Völkern lebend, nur einzelnen Teilen der Insel Namen gab. Die In­ sel aber selbst hatte keinen Namen. Macmillan Brown und andere Anhänger Pacifis' sind der Ansicht, daß Kapitän Davis 1687 die Oster-Insel erblickte und daneben ein großes niedrig gelegenes Festland, was später unterging. Es gibt jedoch auch einen anderen Standpunkt: In Wirklichkeit sah Davis irgendwelche anderen Inseln, zum Beispiel Timoe und Mangareva (eine ist bergig, die andere flach). Es gibt noch eine dritte Meinung: Davis hat überhaupt keine Inseln entdeckt, das war eine optische Täuschung oder einfach Betrug. Mit solchen sensationellen „Entdeckungen" täuschten die in der Südsee fahrenden Kapitäne ziemlich oft die Geographen. Der erste Missionar auf der Oster-Insel, Eyraud, war auch der erste (und einzige) Europäer, der zahlreiche Denkmäler der eigenartigen Schriftsprache der Inselbewohner sah. (Kapitän Gonzales sah nur Unterschriften der Füh­ rer.) Nach der Taufe verbargen die Inselbewohner die Täfelchen mit den Schriftzeichen entweder in geheimen Stammeshöhlen oder verbrannten sie als heidnisch. Im Jahre 1864 teilte Eyraud mit: „In allen Häusern gibt es hölzer­ ne Täfelchen oder Stäbe, die mit irgendwelchen hieroglyphenartigen Zeichen bedeckt sind. Das sind Figuren von auf der Insel unbekannten Tieren; die Wilden zeichnen sie mittels spitzer Steine (Obsidian). Jede Figur hat ihre Be­ deutung, aber da sie solche Täfelchen in seltenen Fällen anfertigen, glaube ich, daß die Zeichen Reste einer altertümlichen Schriftsprache sind, die nach einem von ihnen befolgten Brauch erhalten wurden, ohne daß sie einen Sinn in ihm suchen." Als aber einige Täfelchen in die Hände des ersten Erforschers der Schrift­ sprache der Oster-Insel, des Episkopus von Tahiti, Jaussen, gerieten, so sah er sofort „keine Schriftzeichen, die einzelne Begriffe miteinander verban­ den", es waren auch keine „auf der Insel unbekannten Tiere, es gab über­ haupt keinerlei überzeugende Anzeichen des Altertums. Wenn sie auch exi­ stierten, worauf die Mitteilung des Bruders Eyraud gleichsam hinweist, kann man nur annehmen, daß sie alle Opfer der Flammen wurden. Wie betrüb­ lich, daß nicht eines der altertümlichen Täfelchen bis zu uns gelangte! Jene, die ich rettete, gehören augenscheinlich einer späteren Zeit an, und ich bin fast sicher, daß sie nur Überreste der Schriftsprache einer vergangenen Zeit darstellen, da wir auf ihnen nur das sehen, was es auch in der Natur dieser kleinen Insel gibt". 69

Jedoch nicht alle Erforscher der Schriftzeichen der Oster-Insel sind mit Jaussen einverstanden. Zum Beispiel wird eines der Zeichen, das nach Meinung Jaussens eine Ratte darstellt, von Thor Heyerdahl als Darstellung eines mit den Kennzeichen der Katzen (ähnlich einem Jaguar) versehenen Tieres ausgelegt, das einen „runden Kopf mit einem grimmig aufgerissenen Rachen hat, einen dünnen Hals und einen stark gekrümmten Rumpf auf lan­ gen gekrummten Beinen". Heyerdahl nimmt an, daß dieses Zeichen ein Zeug­ nis der südamerikanischen Herkunft der Schrift der Oster-Insel ist (gibt und gab es hier doch niemals irgendwelche Katzen). Ein anderer Forscher, von Hevesy, legte dasselbe Zeichen als stilisierte Darstellung eines Affen aus und brachte Schrift und Kultur der Oster-Insel mit der ältesten im Tal des Indus vor 5000 Jahren existierenden Zivilisation in Zusammenhang. Wenn man noch bedenkt, daß das gleiche Zeichen als Mensch gedeutet wurde, ergibt sich ein durchaus amüsantes Bild. Was stellt aber trotz allem die Hierogly­ phe dar: Ratte, Jaguar, Affe oder Mensch? Es handelt sich hier darum, daß die Schriftzeichen der Oster-Insel, das „sprechende Holz" (kohau rongo-rongo ), sehr stark stilisiert sind und zudem mit einem Haizahn auf Hartholz aufgetragen wurden. Die Täfelchen mach­ ten allerlei Abenteuer durch, bevor sie in die Hände von Wissenschaftlern gelangten. Was Wunder, daß es außerordentlich schwierig, aber bisweilen auch einfach unmöglich ist, festzustellen, welchen Gegenstand, welches Ge­ wächs, Lebewesen usw. das eine oder andere Zeichen darstellt. Infolgedessen bleibt die Frage offen, ob Eyraud „auf der Insel unbekannte Tiere" sah oder aber ob ihn das Schematische der Zeichen kohau rongo-rongo irreleitete. Auch die Frage nach den Straßen, die die Oster-Insel durchqueren und ins Nichts führen, ist nicht endgültig gelöst. Sie brechen direkt an der Ozeanküste ab. Aber in einer der auf der Oster-Insel aufgeschriebenen Le­ genden -wobei nach Behauptung der Inselbewohner diese Legende auf einem der Täfelchen kohau rongo-rongo eingeprägt ist-wird von einem gewissen Heke („Achtfüßler") erzählt, der Straßen baute, die die Insel nach allen Richtungen durchzogen. Heke selbst saß im Zentrum der Insel, die Straßen erinnerten an ein Spinnennetz, und niemand konnte feststellen, wo Anfang und Ende dieser Straßen ist. „Wahrlich, warum auch nicht auf diesen gepflasterten Straßen spazieren­ gehen? In unserer Expedition war ein Taucher, und nun machten wir uns mit ihm zur nächsten gepflasterten Straße auf, die in der Tiefe des Ozeans verschwand. Das war ein einmaliger Anblick: Unser Taucher im grünen Taucheranzug mit Sauerstoffgerät schritt mit den Schuhen auf dem breiten Pflaster polternd auf der Straße nach Mu. In einer Hand hielt er ein feuerro­ tes Behältnis mit einem Photoapparat, das an eine Schiffslaterne erinnerte; elegant mit der anderen Hand winkend, begab er sich vom trockenen Pfla­ ster direkt ins Meer ; zweifellos findet er die Straße nach Mu", so beschreibt Heyerdahl die Suche nach der Fortsetzung der Straßen auf dem Grund des Ozeans. Diese Nachforschungen dauerten lange, führten jedoch selbstver70

ständlich nicht zur Entdeckung des Landes Mu. Die Straße „ging nur bis zum Rand des Wassers, weiter waren nur Karniesen, Korallen und tiefe Spalten, danach fiel der Unterwasserhang senkrecht in den blauen Abgrund ab, und dort erblickte der Taucher mehrere riesige Fische". Zweifel, so schien es, konnte es nicht geben-das romantische Bild der Riesen der Oster-Insel, der auf dem Grund stehenden Statuen, das uns aus der Kindheit nach dem Roman Adamows „Geheimnisse zweier Ozeane" erinnerlich ist, bleibt somit Gut der Phantastik. Aber nach Meinung Profes­ sor Shirows „ist die Schlußfolgerung Thor Heyerdahls, daß im Ergebnis der Nachforschungen der Taucher eine Fortsetzung der Straßen unter Wasser nicht entdeckt wurde, für die Oster-Insel nicht überzeugend; die Absenkung konnte in eine größere Tiefe geschehen sein als jene, die für Taucher zugäng­ lich ist. Obendrein konnte gerade der Rand des Abhanges starken Verfor­ mungen unterworfen gewesen sein, die beim Bruch die Spuren der Fortsetzung der Straßen unter Wasser vernichtet haben". Das heißt, auch hier gibt es keine einheitliche Meinung unter den Wissenschaftlern.

Kontinent oder Inselgruppe? Es ist durchaus möglich, daß zukünftige Forschungen an der Küste der Oster-Insel zeigen, daß es auf dem Grund weder die Fortsetzung der Straßen noch Statuen gibt. Schlußfolgerte doch bereits Anfang der 30er Jahre der amerikanische Ozeanograph Chubb, daß im Verlaufe der letzten Jahrtausen­ de die Oster-Insel „nicht um einen Yard absank" und entgegen der Meinung Macmillan Browns „in jener Zeit, als die Monumente errichtet wurden, die Küstenlinie der Oster-Insel genau so stabil war wie in unseren Tagen". Zu einem solchen Schluß gelangt man, indem man auch aufmerksam die Anordnung der archäologischen Denkmäler der Oster-Insel studiert, ihre gi­ gantischen Steinplattformen- die ahu-, auf die die Statuen gestellt wurden. Sie ziehen sich streng entlang der Küstenlinie der Insel. Es ist undenkbar, daß der Ozean so akkurat vorrückte, daß er bis zu den ahu gelangte und seinen Vorstoß auf die Küste abbrach. Denn mit welcher Leichtigkeit die Ozeanwellen diese Plattformen zerstören können, davon zeugt ein kürzliches Ereignis. Im Jahre 1960 brach in Chile ein riesiges Erdbeben aus. Eine Tsu­ nami-Welle, die im Ergebnis dieser Katastrophe entstand, gelangte bis zur Oster-Insel und brach über die größte ahu-Tongariki-herein, auf der einst 15 Statuen standen. Die steinerne Plattform war im Handumdrehen zerstört. Man kann sich vorstellen, was von den einzelnen Plattformen und den auf ihnen stehenden Statuen übrigbliebe, wenn sie wirklich errichtet worden wä­ ren, um „den Vorstoß des Ozeans zu verhindern!" Aber selbst wenn das so ist, wenn die Küstenlinie der Oster-Insel im Ver­ laufe von tausend Jahren stabil blieb, verneint das wirklich die Realität von 71

Pacifis? Selbstverständlich kann in einem solchen Fall von einem großen Kontinent, dessen Überrest die Oster-Insel ist, nichL die Rede sein. An einen „Kontinent Mu" usw. glauben heute nur Theosophen, Rosenkreuzler und andere Adepten mystischer Bünde. Wenn es das „geologische Pacifis" und das „zoogeographische Pacifis", über die Geologen und Biologen streiten, tatsächlich gab, so haben sie lange vor der Zeit aufgehört, in der Form ge­ waltiger Festlandsmassen zu existieren, als der Mensch auf dem Planeten er­ schien. Das „menschliche Pacifis", ein Kontinent, ich betone: ein Kontinent, bevölkert mit Menschen, die einen hohen kulturellen Stand erreicht haben, hat niemals existiert. Und Thor Heyerdahl hat völlig recht, wenn er in dem dem Problem Atlantis' und versunkener Kontinente gewidmeten und speziell für die sowjetischen Leser geschriebenen Artikel behauptet, daß „die Legen­ den über den Stillen Ozean bereits in der Neuzeit von Autoren verschiedener pseudowissenschaftlicher Werke geschaffen worden sind. Diese Autoren sind der Ansicht, daß dort einstmals ein versunkenes Imperium unter der Be­ zeichnung Mu existierte. In diesem Falle ist es der Wissenschaft nicht schwer zu beweisen, daß das alles erfundene Geschichte ist: Proben von Bodenabla­ gerungen im Stillen Ozean, wo sich, wie man annimmt, Mu befand (in der Nähe der Oster-Insel und des übrigen Polynesiens), widerlegen sie leicht. Zahlreiche durch Bohren gewonnene Proben vom Boden des Ozeans zeigen, daß das abgestorbene Plankton hierher in einem ununterbrochenen Regen aus den Ozeanströmungen mindestens eine Million Jahre herabrieselte". Die Rede ist jetzt von etwas anderem: nicht von dem Kontinent Pacifis, sondern von der möglichen Existenz einzelner Festlandsbereiche, Inseln oder sogar Inselgruppen im Gebiet der Oster-Insel, die untergegangen sind, als be-· reits Menschen existierten, die auf einem bestimmten Entwicklungsniveau standen. Eben über diesen Untergang dieser „Überreste Pacifis'" schrieb Mensbir, und das beabsichtigten Brown, Shirow und andere ernsthafte Wis­ senschaftler. Am klarsten ist dieser Gedanke in einem Artikel des hervorra­ genden sowjetischen Ozeanographen Konteradmiral Nikolai Nikolajewitsch Subow formuliert worden, der ein Vierteljahrhundert nach dem Erscheinen der Bücher Mensbirs und Browns und ein Vierteljahrhundert vor Erscheinen des vorliegenden Buches veröffentlicht wurde. Die Oster-Insel war, jedenfalls während der letzten Jahrtausende, kein Teil eines Kontinents. Aber ihre Rätsel blieben: sowohl die Errichtung der Statuen als auch die Hieroglyphenschrift und die originellen Bräuche. Subow nahm an, daß der Nabel der Inseln gewissermaßen ein „Mekka Ozeaniens" war, wo zur Vollziehung von Ritualen Bewohner von Inseln zusammenka­ men - sowohl der heute existierenden als auch der auf den Grund des Ozeans versunkenen. Wenn das aber so ist, „wenn die Oster-Insel als ein Mekka Ozeaniens be­ trachtet wird, so wird die Frage nach den Wegen der Wallfahrt noch kom­ plizierter als die Frage nach ihrer Besiedlung. Eine Wallfahrt erfordert eine regelmäßige Kommunikation, wenn auch nur zu bestimmten Jahreszeiten. 72

Kann man aber eine solche Kommunikation voraussetzen, wenn man die großen Entfernungen in Betracht zieht, die dabei überwunden werden muß­ ten? Man mußte nicht nur Menschen transportieren, sondern auch Lebens­ mittelvorräte und andere Materialien", schrieb Subow am Schluß seines Ar­ tikels und drückte die Hoffnung aus, daß „genauso wie das Echolot schon viele Entdeckungen machte und viele Probleme in anderen Gebieten des Weltmeeres löste und stellte, so wird es auch hier zweifellos zur Lösung vie­ ler Rätsel, insbesondere des Rätsels der Oster-Insel, beitragen". Im vergangenen Vierteljahrhundert haben die Wissenschaftler nicht nur Echolotvermessungen des Bodens im Bereich der Oster-Insel durchgeführt (zur Zeit der Abfassung des Artikels von Subow im Jahre 1949 wurden sie dort noch nicht durchgeführt), sondern auch viele andere Forschungen. Aber es geht nicht nur darum: In den vergangenen Jahren vollzog sich eine echte Revolution in der Ozeanographie und der Meeresgeologie. (Sie ist auch jetzt noch nicht abgeschlossen.) Unsere Ansichten von der Geschichte des Entste­ hens und Unterganges von Inseln im Ozean machten eine grundlegende Um­ wälzung durch. Die Hypothese über einen Kontinent im Stillen Ozean be­ rührt nicht die mit der Menschheit zusammenhängenden Probleme. (Wenn es den Kontinent auch gab, so ging er vor ihrem Erscheinen unter.) Und doch stellt die Frage nach verschwundenen Inselgruppen und Inseln ein of­ fensichtlich interessantes Problem nicht nur für Vulkanologen, Zoogeogra­ phen usw. dar, sondern auch für Ethnographen, Anthropologen, Linguisten und andere Vertreter der Wissenschaften vom Menschen. Und wenn die Überlieferungen der Polynesier von einem versunkenen Kontinent sprechen, so haben wir es vielleicht mit einer in der Folklore und Mythologie üblichen Übertreibung zu tun? Hat doch schon eine verhält­ nismäßig kleine Katastrophe in Mesopotamien den Mythos von einer welt­ weiten Sintflut hervorgebracht. Vielleicht sprechen die polynesischen Sagen von einem Absinken von Inseln, das vor den Augen der Vorfahren der Poly­ nesier geschah? Finden aber die Rätsel über die Ansiedlung von Völkern Ozeaniens wie auch die Rätsel ihrer altertümlichen Kulturen ihre Lösung, wenn man sich den Fakten der Ozeanographie zuwendet? Um auf diese Frage zu antworten, muß man vor allem wissen, in welchen Zügen sich die heutigen Wissenschaftler das Bild von Geburt und Untergang der Inseln im Stillen Ozean vorstellen.

73

Zur Entstehung des untermeerischen Reliefs und der Inseln des Stillen Ozeans

Der Feuerring Am 1. September 1923, II/2 Minuten vor Mi.�tag, setzten Schwankungen des Bodens der japanischen Sagami-Bucht ein. Ahnliche Schwankungen be­ gannen sich rasch über die Insel Honschu auszubreiten und erreichten Tokio und Yokohama, die mehrere Dutzend Kilometer von der Bucht entfernt lie­ gen. Züge auf der diese beiden größten Städte Japans verbindenden Eisen­ bahnstrecke gerieten unvermittelt ins Wanken und stürzten um, als sie auf zusammengedrehte und verbogene Schienen auffuhren. In Yokohama wur­ den l l 000 Gebäude zerstört, und fast 59 000 Häuser wurden Opfer von Bränden, die gleich nach dem Erdbeben ausbrachen. In Tokio wurden mehr als 300 000 Gebäude (von einer Million) in Mitleidenschaft gezogen. Brücken stürzten ein, Tunnel brachen zusammen, Felder und Wälder wurden vernich­ tet. Um das Unheil vollständig zu machen, brachen über die Küste gewaltige zehn und mehr Meter hohe Wellen von der Seite der Sagami-Bucht herein. Ungefähr eine Million Menschen wurden obdachlos, und hunderttausend Todesopfer dieser furchtbaren Katastrophe waren zu beklagen. Die Gesamt­ schäden wurden auf 3 000 000 000 Dollar geschätzt; mit dieser astronomi­ schen Summe wurde das gemessen, was man in Geldeswert ausdrücken kann. Der Wert der Menschenleben und der genialen Werke der japanischen Kunst, die bei dem Erdbeben vernichtet wurden, ist jedoch in Dollar nicht auszudrücken. Am 18. April 1960, zu Beginn der sechsten Morgenstunde, erbebte die Erde Kaliforniens, und buchstäblich wie Kartenhäuser fielen Gebäude der Stadt San Francisco, neben der das Epizentrum des Erdbebens lag, zusam­ men. Ungefähr 700 Menschen kamen um, der durch die Katastrophe ange­ richtete Schaden wurde auf fast eine halbe Milliarde Dollar geschätzt. Unter­ irdische Gewässer änderten ihre gewohnten Läufe, und viele Quellen versiegten. Mächtige Bäume wurden mit den Wurzeln herausgerissen, feuchte Böden rutschten an Hügelhängen fast um 800 m nach unten, und eine der kalifornischen Straßen durchzog ein Riß mit einer Breite von 6 m. Am 22. Mai 1960 geschah an der Küste Chiles unweit der Stadt Valdivia eines der stärksten Erdbeben unseres Jahrhunderts. Valdivia und andere chi­ lenische Städte-Concepciön und Puerto Montt-wurden in Ruinenfelder verwandelt. Die Stadt Concepciön war das sechste Mal - in vier Jahrhunder­ ten ihrer Existenz-bis auf die Grundmauern zerstört. Ungefähr ein Viertel 74

der Bevölkerung Chiles befand sich im Notstand. Elektrofem- und Tele­ phonleitungen, Systeme der Wasserversorgung- alles wurde außer Betrieb ge­ setzt. Das Epizentrum des Erdbebens befand sich im Ozean, aber tief im Landesinneren in den Bergen stürzten Felsen zusammen, und ein ganzer Hochgebirgsabschnitt wurde um 300 m verschoben. „Zuerst erfolgte ein ziemlich starker Stoß. Danach ertönte ein unterirdi­ sches Grollen, als ob irgendwo in der Feme ein Gewitter wütete, ein Grol­ len, ähnlich dem Rollen des Donners", berichtete ein Augenzeuge, der die Schrecken des chilenischen Erdbebens überlebte. „Danach verspürte ich von neuem Schwingungen des Bodens. Ich meinte, daß, wie es früher war, alles bald aufhört. Aber die Erde erbebte immer weiter. Da blieb ich stehen und schaute auf die Uhr. Plötzlich wurden die unterirdischen Stöße so stark, daß ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Die Stöße hielten weiter an, ihre Stärke nahm unaufhörlich zu, wurde immer heftiger. Mir wurde angst. Es schleuderte mich von der einen auf die andere Seite wie einen Dampfer im Sturm. Zwei vorüberfahrende Autos wurden gezwungen anzuhalten. Um nicht umzufallen, ließ ich mich auf die Knie nieder, und danach stützte ich mich auch noch auf die Hände. Die unterirdischen Stöße hörten nicht auf. Mir wurde noch mehr angst, sehr angst. Etwa 10 m von mir entfernt zer­ brach ein riesiger Eukalyptusbaum mit einem fürchterlichen Krachen in zwei Teile. Alle Bäume schwankten mit unglaublicher Kraft hin und her, als ob sie Zweige wären, die man mit aller Kraft schüttelte. Die Straßendecke schwankte wie eine Wasseroberfläche. Ich versichere Ihnen, genauso war es! Und je länger das alles dauerte, um so fürchterlicher wurde es. Es schien, als ob das Erdbeben unendlich lange dauert." Aber das Epizentrum des chilenischen Erdbebens von 1960 befand sich weit im Ozean unter Wasser. Man kann sich vorstellen, was dort vor sich ging. Über den gesamten Stillen Ozean liefen gigantische Wellen. (Wie be­ kannt ist, erreichte eine von ihnen die um T ausende Kilometer entfernte Oster-Insel und zertrümmerte die majestätische ahu Tongariki, die Jahrhun­ derte stehende steinerne Plattform.) Alte Vulkane erwachten aus dem Schlaf und begannen, Lava und Asche auszuspeien. Erdstöße, Vulkanausbrüche, Zusammenstürze von Bergen, Rutschungen- all das geschah auf einer mehr als 200 000 km 2 großen Fläche. Kalifornien, Japan, Chile- Orte, die viele tausend Kilometer voneinander entfernt sind. Aber alle haben sie gemeinsam, daß sie am Rande des giganti­ schen Beckens des Stillen Ozeans liegen. Eines der schwersten Erdbeben in unserem Jahrhundert geschah vor nicht langer Zeit in Alaska. Das ist auch der Rand des Beckens des Großen Ozeans. Seismisch aktiv sind auch Neu­ seeland und der gesamte Westteil Südamerikas;· das alles sind von den Ge­ wässern des Stillen Ozeans umspülte Küsten. Wenn man auf einer Karte die Herde der großen Erdbeben einzeichnet, so stellt sich heraus, daß der Stille Ozean fast vollständig von ihnen umgür­ tet wird und daß wohl fast die Hälfte aller registrierten Erdbeben auf diesen 75

seismischen Ring entfällt. Hier werden

80% der gesamten seismischen Ener­

gie unseres Planeten freigesetzt. Im Gebiet der Kerrnadec- und der Tongarin­ ne im Stillen Ozean treten Erdbeben häufiger als in jedem beliebigen anderen Gebiet der Erde auf. An der chilenischen Küste und im Gebiet der Kordille­ ren registrieren die Seismographen mehr als tausend Erdbeben im Jahr, auf den japanischen Inseln 430, auf den Philippinen 140, in Mexiko 100, in Kali­ fornien und Guatemala 90. Seismisch aktiv sind nicht nur die Küsten des

Stillen Ozeans, sondern auch dessen untermeerische Strukturen, wie zum Beispiel der Ostpazifische Rücken. Von Neuseeland bis zur kalifornischen Küste und weiter bis hin zum Golf von Alaska ereignen sich auf seiner ge­ samten Erstreckung periodisch Erdbeben. Die das Becken des Stillen Ozeans umspannende seismische Zone nennt man bildhaft den Feuerring. Warum Feuerring? Weil hier nicht nur Erdbe­

ben häufig sind, sondern auch Vulkanausbrüche. Von 600 tätigen Vulkanen der Erde liegt der größere Teil im Gebiet des Stillen Ozeans. Kamtschatka, Japan, Kurilen, Philippinen, Indonesien, Neuguinea (im Jahre 1951 wurden

5000 Menschen Opfer des Vulkans Leamington an der Nordküste dieser In­ sel), Neue Hebriden, Neuseeland, Aleuten und die Pazifikküste Amerikas von Alaska bis Feuerland- das sind die Grenzen des großen Feuerringes der

Vulkane, der den Stillen Ozean umgürtet. Einige Vulkane, wie der berühmte Fuji oder der Kljutschewskaja Sopka, unterbrechen ihre Tätigkeit nicht für eine Minute. Andere pazifische Vulka­ ne, die tot schienen, erwachen plötzlich und entwickeln eine ungeheuere Ak­

tivität. So war es mit dem Ausbruch des alten Vulkans Bandai-San in Japan am Ende des vergangenen Jahrhunderts, der mehrere Dörfer vernichtete. Im Jahre 1956 „erfolgte zum Glück im menschenleeren Gebiet Kamtschatkas ein Ausbruch des Vulkans Besymjanny, der schon viele Jahrhunderte nicht tätig war", schreibt der bekannte Vulkanologe Garun Tasijew in dem Buch „Vulkane". „Wir sagen ,zum Glück', weil dieser Ausbruch der heftigste aller vulkanischer Paroxysmen des 20. Jahrhunderts war". (Der Beginn des Erwa­ chens vom Winterschlaf des Vulkans Besymjanny wurde dadurch gekenn­ zeichnet, daß die Seismologen auf Kamtschatka 100 bis 200 Erdbeben am

Tag registrierten.) Vulkane gibt es nicht nur in den Randgebieten des Stillen Ozeans, son­ dern auch in dessen Zentrum. Auf den Hawaii-Inseln gibt es eine Menge erloschener Vulkane, und die größte Hawaii-Insel, die dem gesamten Archi­ pel den Namen gab, besteht aus fünf zusammengeschlossenen tätigen Vulka­ nen: Kakaalu (Höhe 1650 m), Hualalai (2520 m), Mauna Kea (4210 m), Mauna Loa (4170 m) und Kilauea (1230 m). Den Vulkanologen ist die Insel Hawaii „mindestens aus zwei Gründen bekannt. Eine ihrer Sehenswürdigkei­ ten verschwand plötzlich", schreibt Garun Tasijew in dem Buch „Treffen mit dem Teufel". Es handelt sich um einen großen See flüssiger Lava. Er brodelte mehr als 100 Jahre im Krater des Halemaumau („Sitz des ewigen Feuers"), verschwand aber nach dem Ausbruch von 1924. Gegenwärtig hat 76

·

der Halemaumau einen zylindrischen Krater mit einer Tiefe von 130 m und einem Durchmesser bis zu 1000 m, der sich schroff nach Südwesten, in Rich­ tung der länglichen Caldera des Vulkans Kilauea, öffnet. Eine andere lokale Berühmtheit ist der Mauna Loa („Großer Berg"). Das ist der höchste Vulkan der Welt und überhaupt der höchste Gipfel unse­ res Planeten. Mißt man seine Höhe nicht vom Meeresspiegel, sondern vom echten Berganfang aus, von der Sohle, die sich auf dem Grund des Stillen Ozeans befindet, so erweist sich, daß der Mauna Loa eine Höhe von annä­ hernd 10 km hat, d. h. den Tschomolungma (Mt. Everest) um vieles übertrifft. Die hawaiischen Vulkane entwickelten eine große Aktivität. „Das erste historisch belegte Datum eines Ausbruchs des Vulkanes Mauna Loa bezieht sich auf das Jahr 1832, und von jener Zeit an brach er über 40mal aus. Auf das Konto des Kilauea (seit 1890) kommen 30 Ausbrüche, aber abgesehen davon kann man hier immer einen See geschmolzener Lava sehen", bemerkt Tasijew. Die Vulkane umgürten also das Becken des Großen Ozeans und befinden sich auf dessen Inseln. Und unter dem Wasser? Eine der verblüffendsten Entdeckungen unseres Jahrhunderts (sie stellte sich nach der Auswertung der Untersuchungen des Internationalen Geophysikalischen Jahres heraus) war die Feststellung, daß es auf dem Boden des Stillen Ozeans mehr Vulkane gibt als auf den Kontinenten, wobei die Tätigkeit der untermeerischen Vul­ kane bei weitem aktiver ist als die Tätigkeit der auf dem Lande! Es stellte sich heraus, daß fast alle -wenn nicht gar alle -untermeerischen Berge Vul­ kane sind.

Fonua Foou-das Neue Land „In der Vergangenheit schrieb der Autor alle isolierten Bodenerhebungen untermeerischen Bergen zu. Aber bald wurde klar, daß das falsch ist. Richti­ ger wäre, eine kleine Anzahl nichtvulkanischer Berge ,Vulkane' zu nennen als vielmehr zahlreiche Vulkane ,untermeerische Berge'", schreibt Menard in seiner zusammenfassenden Monographie „Die Geologie des Bodens des Stil­ len Ozeans". „Im Meer können wir in der Mehrzahl der Fälle über unter­ meerische Vulkane nur nach ihrer Form und Lage urteilen. Lohnt es sich unter Beachtung all dessen, eine neue spezielle Meeresterminologie zu erar­ beiten, wenn ein solcher allgemein bekannter und ausdrucksvoller Terminus wie Vulkan seiner Bestimmung völlig entspricht?" Etwa die Hälfte der Fläche des gigantischen Pazifischen Beckens ist durch einen intensiven oder schwachen, alten oder jungen Vulkanismus cha­ rakterisiert. Der überwiegende Teil der sich vom Boden des Stillen Ozeans erhebenden Vulkane bildet Gruppen. Die ersten Vulkane in der Südsee, de­ ren feuerspeienden Gipfel sich um viele Hunderte und Tausende Meter über 77

dem Wasser erhoben, sind vor langer Zeit von Kapitänen des 16. bis 18. Jahrhunderts, den Entdeckern der Inseln Melanesiens, Hawaiis usw., aufge­ funden worden. Es zeigte sich, daß diese Vulkane und die durch ihre Tätig­ keit gebildeten Inseln nur die Überwassergipfel kolossaler untermeerischer Berge sind, deren Abhänge bis zu einer Tiefe von 2, 3, 4 und sogar 5 km nach unten reichen. Menard schätzte die Anzahl der untermeerischen Berge im Stillen Ozean auf die Größenordnung von 10 4. Seiner Meinung nach verbirgt der Boden des größten Wasserreservoirs des Planeten an die 10 000 tätige und erlosche­ ne Vulkane mit einer Höhe von 1 bis 10 km (der Mauna Loa auf Hawaii). Weitere Untersuchungen führten jedoch zu einer wesentlichen Präzisierung dieser Zahl: Es erwies sich, daß es sowohl mehr als auch weniger Berge auf dem Ozeanboden gibt. Mehr, wenn man nicht nur die Berge (Höhe über 1/2 km) zählt, sondern auch Hügel (Erhebungen bis 500 m Höhe); weniger, wenn man nur die Berge zählt. Die Zahl der Hügel, die wie auch die Berge vulkanischer Herkunft sind, erreicht nach Überschlagsrechnungen eine erstaunliche Größe-einige hun­ derttausend. Die Gesamtzahl der großen Berge im Stillen Ozean wird von Udinzew in der Monographie „Geomorphologie und Tektonik des Bodens des Stillen Ozeans" auf 5000 bis 6000 geschätzt. „Das ist jedoch eine sehr grobe Schätzung, und es muß noch eine genauere Berechnung erfolgen", bemerkt Udinzew. „Nach dem Bau der sich über dem Wasser erhebenden Gipfel der untermeerischen Berge, nach Ergebnissen von auf vielen Korallen­ inseln durchgeführten Bohrungen sowie Proben des von Gipfeln und Hängen untermeerischer Berge mit Saugbaggern entnommenen anstehenden Gesteins sind sie alle Vulkane." Es ist üblich, die Vulkane des Stillen Ozeans in zwei Typen einzuteilen. (Eine solche Einteilung schlägt jedenfalls der größte Fachmann für Ozean­ tektonik, Menard, vor.) Der erste Typ sind spitzkeglige Vulkane, die sich in einer großen Tiefe, etwa 5 km, befinden. Die Vulkane des zweiten Typs übertreffen erstere um das Fünffache, bisweilen auch um das Zehnfache im Volumen und befinden sich in Tiefen von 2, 3, 4 km. Die Vulkane des ersten Typs sind auf ewig in den Tiefen des Ozeans begraben. Die Vulkane des zweiten Typs können nicht nur die Oberfläche erreichen, sondern sich auch höher erheben und vulkanische Inseln bilden sowie ihre Tätigkeit an der Luft ebenso intensiv fortsetzen wie unter Wasser. „Wenn die untermeerischen Vulkane allmählich wachsen und die Ober­ fläche erreichen, wird ihr Erscheinen als Inseln gewöhnlich als Kataklysmus bezeichnet", schreibt Menard. „Bei Vulkaneruptionen bedeckt sich das Was­ ser mit Bimsstein, die mit Asche verschmutzte Luft erzittert von Schlägen, und Tsunami-Wellen brechen, große Entfernungen zurücklegen, und Tsu­ nami-Wellen brechen, große Entfernungen zurücklegend, auf die Küste herein. Die neu erschienenen Inseln stellen Aschekegel oder Vulkanspitzen dar." 78

Vielen Vulkanen gelang es, sich durch den mehrere Kilometer tiefen Ozean „durchzuschlagen" und Inseln, bisweilen auch ganze Inselgruppen zu bilden, zu denen 10 bis 100 vulkanische Inseln gehören können. (Ein Beispiel einer solchen vulkanischen Inselgruppe sind die Hawaii-Inseln.) Häufig er­ weist sich auch ein einsames Inselchen in den Weiten des Stillen Ozeans in Wirklichkeit gar nicht so einsam, wenn man die Struktur des untermeeri­ schen Reliefs berücksichtigt. Eine solche Insel ist zum Beispiel die Clipper­ ton-Insel (10° nördlicher Breite, 110° westlicher Länge). Diese Insel ist in Wirklichkeit nur ein Mitglied einer Vulkanfamilie, das ganz einfach seinen Gipfel über das Wasser erhob, während seine übrigen Brüder unter Wasser verblieben. In den verschiedensten Teilen des Großen Ozeans gibt es Vulkanketten, die sich manchmal 1000 und bisweilen auch 2000 km lang hinziehen - bald als vulkanische Inseln und Inselgruppen (z. B. Hawaii-Inseln), bald als halb­ untermeerische- halbübermeerische Gebilde in der Art der Clipperton-Insel und ihrer versenkten Brudervulkane, bald als gäQzlich unter Wasser befind­ liche vulkanische Rücken und Berge. (Eine solche ist die grandiose unter­ meerische Kette, die sich von der hawaiischen Insel Necker bis zur Marcus­ Insel erstreckt und 265 untermeerische Berge einbezieht.) Die Geburt von Inseln im Stillen Ozean ist nicht nur Sache längst ver­ gangener Tage, sie geht buchstäblich vor unseren Augen vor sich. Die Geschwindigkeit des Wachsens von Vulkanen auf dem Festland ist bisweilen phänomenal: Im Jahre 1770 begann in Salvador ein neuer Vulkan zu wach­ sen, Isalco genannt. In 200 Jahren wuchs er auf 2000 m infolge der Lavaer­ güsse und Ascheschichten, d. h., seine Wachstumsgeschwindigkeit betrug 10 m im Jahr. Das Wachstumstempo von auf dem Boden des Stillen Ozeans befindlichen Vulkanen ist nicht weniger hoch, wobei diese sowohl nach oben als auch in die Breite wachsen. Im Jahre 1796 bildete sich ein kleiner Vulkan in der Kette der Aleuten-Inselgruppe. Nach einigen Jahren war das schon eine richtige Vulkaninsel mit einer Fläche von 30 km 2, die Ioann Bogoslow genannt wurde. Im Jahre 1883 trat neben ihr noch eine Vulkaninsel an die Oberfläche und vereinigte sich mit der Insel Ioann Bogoslow durch eine Landenge. Es vergingen noch einige Jahre, und daneben bildeten sich noch drei Inselchen mit einer Höhe bis zu 300 m. In den letzten 75 Jahren. hatten die Wissenschaftler die Möglichkeit, die seltsamen Vorgänge zu beobachten, die sich mit der Vulkaninsel Falcon (un­ weit des Tonga-Archipels) ereigneten, die dreimal bald aus dem Wasser auf­ tauchte, bald von neuem in der Tiefe verschwand. Das erste Mal erschien sie im Jahre 1928, und auf der neugeborenen Insel wurde die Flagge des König­ reiches Tonga gehißt. „Das war eine schwarze unbewohnte Insel, ohne Bäume, mit zwei Kratern. Auf ihr gab es grabenähnliche Senken und steile Klippen mit einer Höhe bis zu 100 Fuß", erzählte ein Augenzeuge. Die Län­ ge der Insel betrug damals etwa zwei Meilen. Auf Falcon gab es an Pflanzen

79

„nur Gebüsch. Aber die Wellen spülten vielerlei Zeug an das Ufer: Whisky­ flaschen, Korallenbruchstücke, Kokosnüsse." Aber fünf Jahre später, im Jahre 1933, nahm der Vulkan seine Tätigkeit wieder auf und war bis 1936 aktiv. Wind und Regen in Gemeinschaft mit den Ozeanwellen begannen, Falcon heftig zu attackieren, und bis 1938 nahm die Höhe der Insel von 180 bis auf 10 m ab (obwohl ihre Länge gleichblieb). Ende 1952 untersuchten Wissenschaftler des ozeanographischen Forschungs­ schiffes „Capricorn" die Insel Falcon. Aber jetzt war das schon keine Insel mehr, sondern eine Bank. Berechnungen ergaben, daß die Wellenerosion unerbittlich diese Bank mit einer Geschwindigkeit von mehr als 1 m im Jahr zerstört. Die Fläche Falcons betrug damals etwa 2,5 km 2, und das Schicksal der Bank schien besiegelt. Zwar wurde noch eine Berechnung angestellt, sie ging von folgendem aus: Wenn die Korallen beginnen, sich hier anzusiedeln, so erreichen sie nach 10 000 bis 15 000 Jahren die Ozeanoberfläche, und dann erscheint die Koralleninsel Falcon. Aber der untermeerische Vulkan stieß al­ le Berechnungen um: Am 23. Dezember 1954 setzte eine Hebung der Insel ein-der Vulkan nahm erneut seine Tätigkeit auf! Glücklicherweise waren zu dieser Zeit weder Schiffe noch Wissenschaftler in der Nähe. Eine andere Wendung nahm die Angelegenheit bei der Unter­ suchung der südlich der großen Inseln des japanischen Archipels gelegenen Vulkaninsel Miod Shima. Dieses Inselchen tauchte ähnlich wie Falcon bald auf, bald sank es ab, weil es (wie Falcon) der aktivste in einer Kette unter­ meerischer Vulkane war. Am 24. September 1952 näherte sich ein japani­ sches hydrographisches Forschungsschiff mit 9 Wissenschaftlern und 22 Mann Besatzung an Bord der Vulkaninsel Miod Shima. Plötzlich erfolgte eine Explosion, die an die Explosion des Vulkans Krakatau erinnerte (aber unter Wasser), und Schiff und Besatzung wurden in Stücke gerissen. Die Bewohner Tongas nannten Falcon Fonua Foou-Neues Land. Laut Mythologie des Tonga-Archipels sind die ersten Inseln im Ozean aus einer Lawine porösen Gesteins (d. h. aus vulkanischem Bimsstein) geschaffen wor­ den, das vom Himmel in das Meer geworfen worden ist. Außerdem zog der große Held und Spaßvogel Maui, eine beliebte Gestalt der polynesischen Folklore, mit seinem Zauberhaken aus dem Ozean keine Fische, sondern In­ seln. Ähnliche Mythen kann man nicht nur bei den Bewohnern Tongas fin­ den, sondern auch bei Bewohnern anderer polynesischer Inseln. Selbstver­ ständlich wurden die Polynesier in den vielen Jahrhunderten seit der Existenz von Menschen in Ozeanien mehrmals Zeugen der Geburt von In­ seln aus den Ozeantiefen. Und deshalb spiegeln die Mythen über sich aus den Gewässern des Ozeans erhebende Inseln allem Anschein nach reale Ereignisse wider. Aber in Polynesien existieren auch andere Überlieferungen: über einen Vorstoß des Ozeans, über untergehende Inseln und Länder. Haben sie nun irgendeine reale Grundlage? Die moderne Wissenschaft über den Ozean be­ jaht diese Frage mit fester Überzeugung. Beweise der Absenkung des Bodens 80

Mit zylindrischen „Hüten" geschmückte Statuen zeichnete einer der Teilnehmer der Expedition La Perouses

Hodges, der Zeichner der Expedition Cooks, zeichnete die Statuen der Oster-Insel zu

j ener

Zeit, als sie noch nicht alle umgestürzt waren

Statuen aus

Tiahuanaco

(Südamerika),

die

an

die

steinernen

Giganten

der

Oster-Insel erinnern

Gesicht einer Steinstatue der Oster-Insel

„Tiki", eine Statue von den Marquesas-Inseln

Ritualmaske (Melanesien)

Statue des Führers der Maori (Neuseeland)

Geschnitztes Ornament­ kästchen (Neuseeland)

Hölzerne Tempelskulptur (Hawa1

, ul'SC/ltWstaja Soplca "'\j •

l
View more...

Comments

Copyright ©2017 KUPDF Inc.
SUPPORT KUPDF