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March 30, 2017 | Author: kostas74 | Category: N/A
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Ernst Wilhelm Holl Diplom Musiker Diplom Musik-Pädagoge Nieritzstraße 6 01097 Dresden Telefon:0173 - 9878078

Email: [email protected]

Die Gitarre im Zigeuner-Jazz Musikge schicht licher Überblick & Gita rrenspez ifische Analyse Diplomarbe it v on Ernst Wilhelm Holl einge reicht und verte idigt an de r Hochschule für Musik ‘Carl Maria von Weber’ Dresden i m J ahr 199 9

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser, ich freue mich, dass Sie Interesse an meiner Diplomarbeit gefunden haben.

ge go a d ä p ki s u M m lo p i D | re k siu M m o l p i D — ll o H m el lh i W ts n rE

Aus Gründen des deutschen Urheberrechtes muss ich Sie leider darauf hinweisen, dass die im Anhang beigefügten Noten nur zu Forschungszwecken verwendet worden sind und somit nicht weiter für Publikationen zur Verfügung stehen. Sollten Sie diese Diplomarbeit in irgendeiner Form für Projekte Ihrerseits nutzen, würde ich mich über eine Information freuen. Abschließend weise ich auch noch auf das Urheberrecht von meiner Seite hin, das eine weitere Verwendung der Diplomarbeit nur mit meiner ausdrücklichen Genehmigung erlaubt. Für Fragen jeder Art stehe ich natürlich zur Verfügung. Mit freundlichen Grüßen

Ernst Wilhelm Holl

Die Gitarr e im Zig eun er-Jazz Musikg eschic htli cher Ü berblick Git arrensp ezifi sch e Analyse

Diplomarbeit einge reicht un d verte idigt an der Hochsch ule für Musik ‘Carl Ma ri a von Weber’ Dresden

von Ernst Wilhelm Holl Hauptf ach: Plektrumg itarre/G itarre We ltmu sik Gutachter: Ralf Beutler/D etlef Bunk Abgabeter mi n: 31.03.1999

1

Inhaltsverzeichnis Gliederungspunkt

Seite

Inhaltsverzeichnis

1

1.

Vorwort

3

2.

Erster Teil: Musikgeschichtlicher

2.1.

Das Musikl eben im Paris der 20er und 30er Jahre

4

2.1.1. 2.1.2. 2.1.3. 2.1.4.

Die Musik der Zigeuner Les Bals Musettes Strömungen der Ernsten Musik Jazz als neuer musikalischer Einfluß

5 6 7 8

2.2.

Django Reinhard t und das QdHCDF

9

2.3.

Die Entwic klun g des Zigeuner-Jaz z nach Django Reinhardt und dem QdHC DF

15

2.3.1. 2.3.1.1. 2.3.1.2. 2.3.1.3. 2.3.1.4. 2.3.1.5. 2.3.1.6. 2.3.1.7. 2.3.1.8. 2.3.1.9. 2.3.1.10.

Bundesrepublik Deutschland Schnuckenack Reinhardt Häns’che Weiss Titi Winterstein Schmitto Kling Wedeli Köhler La Romanderie Alfred Lora Martin Weiss Mike Reinhardt Bundesrepublik Deutschland Zusammenfassung

16 17 18 20 20 21 22 22 23 23 24

2.3.2. 2.3.2.1 2.3.2.2. 2.3.2.3. 2.3.2.4. 2.3.2.5. 2.3.2.6.

Frankreich Babik Reinhardt Christian Escoudé Boulou Ferré Raphael Fays Bireli Lagrene Frankreich Zusammenfassung

25 25 26 27 27 28 28

2.3.3. 2.3.3.1. 2.3.3.2. 2.3.3.3. 2.3.3.4. 2.3.3.5.

Österreich/Niederlande/Belgien Karl Ratzer Zipflo Weinrich Stochelo Rosenberg Fapy Lafertin Österreich/Niederlande/Belgien Zusammenfassung

29 29 30 30 31 31

Gliederungspunkt

Überblick

4

Seite 1

2

2.4.

Musikg eschich tli cher Überblick Zusammenfassung

32

2.5.

Auswahl-Diskographie

33

3.

Zweiter Teil: Gitarrenspezifis che sti lis tis che Analyse

38

3.1.

Der Gitarrensou nd

39

3.1.1. 3.1.2. 3.1.3. 3.1.4.

Maccaferri und seine Gitarren Maccaferris Nachkommen Die Saiten Das Plektrum

39 41 43 44

3.2.

Die Rhythmu sgr uppe

45

3.2.1.

Instrumentierung

45

3.2.2. 3.2.2.1. 3.2.2.2. 3.2.2.3. 3.2.2.4. 3.2.2.5. 3.2.2.6.

Rhythmus 4/4 Swing-Rhythmus 3/4-Begleitung Adaptionen aus dem Flamenco Latin-Rhythmen ‘Solo-Begleitung’/Rhythm-Fills Zusammenfassung

46 46 48 49

3.2.3. 3.2.3.1. 3.2.3.2.

Harmonisches Material und Akkordrepertoire Basisbegleitung Erweiterte Begleitung

55 56 57

3.3.

Die Improv isatio ns-Stili sti k

63

3.3.1. 3.3.1.1.

Django Reinhardts Improvisations-Stilistik Zusammenfassung

63 70

3.3.2. 3.3.2.1. 3.3.2.2. 3.3.2.3.

Die Improvisations-Stilistik des Zigeuner-Jazz Stilistische Analyse Spieltechnische Elemente Zusammenfassung

73 74 81 86

3.3.3.

Die Improvisations-Stilistik Zusammenfassung

87

4.

Zusammenfassung

89

5.

Literaturverzeichnis

91

Notenanhang

51 53 55

94

2

3

1. Vorwor t

„Zigeuner-Jazz: der Begriff kam in den 1960er Jahren als Bezeichnung für eine Variante des Swing auf, die v.a. von deutschen Zigeunern gespielt wird. Der Zigeuner-Jazz

lehnt

sich

eng

an

die

Musik

des

Zigeunergitarristen Django Reinhardt (*1910, +1953) an.“

großen

französischen

1

Dieses Zitat stellt eine der wenigen in der Literatur vertretenen Definitionen des Begriffes ‘Zigeuner-Jazz’ (oder ‘Gypsy Swing’, ‘Gypsy Jazz’, Sinti-Jazz’, ‘Sinti-Swing’, ‘Jazz Manouche’) dar. Diese kurze Text läßt jedoch viele Fragen offen. In wie weit kann man diese Stilistik hauptsächlich den deutschen Zigeunern zuordnen? Was ist mit ‘lehnt sich eng’ gemeint? Kann man Zigeuner-Jazz als eine Variante des Swing sehen? Dies ist nur eine kleine Auswahl von möglichen Fragen die der Text offenläßt. Es sind jedoch dadurch schon genug Gründe gegeben, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Mit dieser Arbeit soll versucht werden eine komplexe Darstellung des Idioms ‘Zigeuner-Jazz’ zu geben. Anhand von der geschichtlichen Entwicklung seit Django Reinhardt bis heute und einer gitarrenorientierten stilistischen Analyse sollen bestimmte Merkmale angeführt werden, die den sogenannten Zigeuner-Jazz definieren. Ebenso soll auch die Stellung der Person Django Reinhardts in dieser Stilistik untersucht werden, sowie die Entwicklung innerhalb der Zigeuner-MusikSzene, die von ihm ausging. Es wird versucht abschließend eine genauere Definition dieser Stilistik zu geben. Die Frage nach der Stellung Django Reinhardts in der JazzGeschichte soll hier nicht diskutiert werden, jedoch auf verschiedene Verdienste seiner Arbeit hingewiesen werden. Diese Arbeit soll sich hauptsächlich mit dem heute als Zigeuner-Jazz definierten Komplex auseinandersetzen, um einen genaueren Einblick in diesen musikwissenschaftlich wenig analysierten MusikBereich zu geben. Es sei darauf hingewiesen, daß alle im Text vorkommenden Zitate srcinal samt orthographischer und grammatikalischer Fehler übernommen wurden.

1

Kwiatkowski, Gerhard (Hrsg.), Schüler-Duden. Die Musik, Mannheim/Wien/Zürich, 1989, Seite 438

4

2. Erster Teil: Musikgeschic htli cher Übe rbli ck Hier soll nun die Musikgeschichte des Zigeunerjazz anhand der wichtigsten Vertreter dieser Stilistik von der Entstehung bis heute dargestellt werden. Es sollen sowohl die Entwicklung, als auch die stildefinierenden Aspekte aufgezeigt werden. Da es nicht möglich ist, auf alle Veröffentlichungen dieser Stilistik einzugehen, soll hier auf eine Auswahl-Diskographie der wichtigsten im Text erwähnten Musiker hingewiesen werden (siehe 2.5. Auswahl-Diskographie). Es ist dem Autor nicht möglich, die kompletten familiären Zusammenhänge unter den einzelnen Musikern zu erarbeiten und aufzuzeichnen, da dies zu einer sehr komplexen soziologischen Studie führen würde, die jedoch nicht der Themenvorgabe dieser Arbeit entspricht. Im folgenden Textteil werden, wenn nicht im Text definiert, folgende Abkürzungen verwendet: solo-g

= Solo-Gitarre

p

= Klavier

rh-g

= Rhythmusgitarre

dr

= Schlagzeug

b

= Baß/Kontrabaß

v

= Geige

acc mh

= Akkordeon = Mundharmonika

perc

= Percussion

2.1. Das Mus ik leben i m Paris der 20er u nd 30er Jahr e Dieser Teil soll das Musikgeschehen in Paris grob skizzieren bzw. vorstellen, um einen Einblick in die musikalischen Einflüsse zu bekommen, die die Basis für die Entstehung des Quintette du Hot Club De France (im Folgenden: QdHCDF) bildeten. Es bestehen in dieser Zeit sehr viele musikalische Strömungen, die in Paris, als Kulturstadt der 20er und 30er Jahre, zusammentrafen, aber hier nur kurz vorgestellt werden. „Einen Beweis des äußerst regen musikalischen Lebens in der Hauptstadt“ (Paris) „liefern die Statistiken, nach denen im Spieljahr 1929-1930 über fünfzehnhundert musikalische Veranstaltungen“ (E-Musik) „in Paris dargeboten wurden (die Theatervorstellungen nicht inbegriffen), darunter über fünfhundert Orchesterkonzerte. Diesem ungeheuren Verbrauch an Musik wäre die Verbreitung des Grammophons und des Rundfunks hinzuzufügen, deren Hörerzahl nicht genau

5

zu ermitteln ist.“1 Zusätzlich muß natürlich auch die Musik der Zigeuner dieser Zeit berücksichtigt werden, da sie einen großen Einfluß auf den Manouche 2 und Begründer des QdHCDF Django Reinhardt hatte.

2.1.1. Die Musi k der Zig euner

„Die Musik der Sinti, Manouches, Gitans und Roma Mittel- und Westeuropas“ zu Beginn des 20.Jahrhunderts setzte sich „aus ihrer Zigeunerfolklore“, bestehend aus „Liedern in Romani bzw. Romanes ihrer eigenen Sprache und (vorwiegend) instrumentaler Tanzmusik osteuropäischer Herkunft“, zusammen. „Bei den Liedern der Sinti handelt es sich um Spott, Trink- und Liebeslieder, Kinderreime, vereinzelt auch Todesklagen. Die Zigeunermusik osteuropäischer Herkunft besteht aus Liedern und der instrumentalen Fest- und Tanzmusik der auf dem Balkan, der Ukraine und in Rußland lebenden Roma.“ Ihre Hauptform ist der Csárdás. Daneben ist das Repertoire aus verschiedenen Quellen entlehnt: aus der Romantik, erfolgreiche Schlager- und Operettenmelodien (z.B. Strauß oder Léhar) und aus volkstümlicher Tanzmusik des 19.Jahrhunderts (Walzer, Polkas). „Neben dem Aspekt, daß diese adaptierten Kompositionen wegen ihrer melodisch-sentimentalen Qualitäten einem musikästhetischen Ideal“ der eigenen „Musiktradition entsprachen und damit auch die Zigeunermusiker eine besondere Anziehungskraft ausübten, trafen sie beim ‘Ständeln’, dem Spielen in den Gasthäusern für die dort verweilenden Gadsche (Romanes-Bezeichnung für Nichtzigeuner (auch gadje)) aufgrund ihrer Popularität und des Wiedererkennungseffektes besonders sicher den Nerv der Zuhörer und deren Zahlungsbereitschaft, denn das ‘Ständeln’, war die eigentliche Erwerbstätigkeit der Zigeunermusiker, ihre Haupteinnahmequelle. Die französischen Manouches taten dergleichen auch mit der Adaption erfolgreicher Musette- und Chansontitel, ...“3 Ähnliches gilt auch für die aus Spanien und Südfrankreich nach Paris kommenden Gitanos, die aber durch einen größeren Bezug zum Flamenco, als ihre musikalische Wurzel, bestimmt waren, aber auch die Einflüsse der Musik ihrer neuen Heimat aufnahmen. Der Vortrag der Stücke der Zigeunermusiker war stets charakterisiert 1

Boyer, Jean, Kurzgefasste Geschichte der Französischen Musik, Wiesbaden, 1 953, Seite 198 Durch die Völkerwanderungen hat sich die ethnische Gruppe der ‘Zigeuner’ von Indien aus über ganz Europa verteilt und ist dort regional gebunden in kulturelle Untergruppen unterteilt, die auch eigene ethnische Bezeichnungen haben: Gitanos (Iberische Halbinsel), Manouches (Nordfrankreich, Deutschland, Holland und Belgien), Sinti (Italien) und Roma (Osteuropa und Balkan). 3 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz,Heidelberg,1997,Seite 101-2 2

6

durch eine sehr gefühlsbetonte Interpretation mit einer Neigung zu virtuoser Verzierung oder dem Wechsel zwischen Rubato-Vortrag, sowie lang ausgehaltenen Tönen

und

schnellen

Zigeunermusiker

schwungvollen

wegen

ihres

Passagen.

exzellenten

Zusätzlich

waren

Plektrumgitarrenspieles

die als

Begleitgruppen, aber auch in solistischer Funktion, aufgrund der schon erwähnten Interpretationskunst (stark verzierte, sowie variierte, Themenvorträge können schon als Vorstufe improvisatorischer Strukturen gedeutet werden), in der Pariser Chansonund Musetteszene gefragt.

2.1.2. Les Bals Musettes Die popularmusikalische Hauptströmung im Paris der 20er Jahre bildeten die Bals Musettes, die man als Musik der Straße und der Tanzsäle deuten kann. Die Basis dieser Musik bildeten die berühmten Valse-Musette (Musette-Walzer), die im Repertoire durch Tangos, Paso-Dobles, Polkas, Foxtrotts, Javas, Charlestons und später auch durch Swingadaptionen ergänzt wurden. Das Akkordeon gilt als das Hauptinstrument dieser Musik, das mit Begleitgruppen ergänzt wurde, in denen die Gitarre eine große Rolle spielte. Zu den berühmtesten Gitarristen dieser Zeit gehörten neben Auguste Malha, genannt Gousti, die Brüder Ferret: Étienne Ferret (1912-1970), genannt ‘Sarane’, Jean Ferret (1918-1989), genannt ‘Matelot’ und Pierre Ferret (1908-1976), genannt ‘Baro’. Zu Beginn der 30er Jahre erspielten sie sich, zunächst als virtuose Banjo- oder Bandurria-, später als Gitarren-Spieler, einen Namen in der Pariser Musikszene und wurden so bald als Begleitmusiker zu Schallplattenaufnahmen mit verschiedenen Akkordeonisten herangezogen. Die berühmtesten der Brüder waren Sarane Ferret, der sich später auf die Musik des QdHCDF spezialisierte, und Matelot Ferret, der hauptsächlich die Tradition der Bals musettes vertrat. Matelot Ferret tritt auf vielen Schallplattenaufnahmen namhafter Akkordeonisten wie Gus Viseur, Tony Mureno oder Jo Privat in Erscheinung. Zusätzlich arbeitete er als Begleiter renommierter Chanson- und Schlagerinterpreten wie Jean Tranchant, Charles Trenet und Edith Piaf. Auch Django Reinhardt begann seine Karriere in den Bals musette als Begleit-Banjoist des Akkordeonisten Guérino (damals unter dem Namen ‘Jiango Renard’). Später wechselte er in verschiedene Bals-Musette-Formationen und machte zwischen Juli und Oktober 1924 seine ersten Plattenaufnahmen mit dem Akkordeonisten Jean Vaissade.

7

2.1.3. Strömungen der Ernsten Musik Nach dem ersten Weltkrieg entstand eine Blüte im musikalischen Leben in Paris. Neben der Oper als musikalisches Zentrum wuchs die Zahl der ständigen Orchester von drei bis zu zeitweise acht an. Zusätzlich entstanden viele Kammermusikvereine und Gesellschaften, die sich die Pflege der Werke großer Meister, wie Mozart und Bach, zur Aufgabe machten. Die Pflege der Musik war nicht nur auf die französische Musik beschränkt, die in dieser Zeit noch durch den Impressionismus Claude Debussys geprägt war, sondern wurde auch durch Strömungen aus aller Welt ergänzt (das Repertoire der Pariser Oper beinhaltete z.B. auch Werke Richard Wagners oder Giacomo Puccinis). Eine der wichtigsten ist die russische. Nach der Revolution am Zarenhofe hatte es viele Künstler und Instrumentalisten nach Paris verschlagen. Im Mittelpunkt dieser Strömung standen russische Cabarets und Balette, die die Werke der russischen Komponisten wie Igor Strawinskij, Sergej Prokofiew oder Dimitri Schostakowitsch dem Publikum darboten. Auch Strömungen der Neuen Musik aus Deutschland waren erkennbar. Werke von Arnold Schönberg, Alban Berg, Paul Hindemith und Kurt Weill kamen zur Aufführung und wurden über den Rundfunk verbreitet. Die Stellung des Rundfunks wurde mit der Zeit sehr wichtig und machte die Musik verschiedenster Komponisten einer breiten Masse bekannt. Auch mit anderen europäischen Ländern herrschte großer musikalischer Austausch, z.B. wurden die bedeutesten Werke des Spaniers Manuel de Falla in Paris uraufgeführt; der Komponist schweizer Abstammung Arthur Honneger studierte in Paris. Mit dem Konservatorium, als musikalischem Ausbildungsort, zog Paris ebenso Musiker aus aller Welt an. Auch Amerika unterhielt Beziehungen zu Paris. Den Hauptvertreter Südamerikas stellte Heitor Villa-Lobos dar. Aus Nordamerika waren Aron Copland und natürlich George Gershwin die bekanntesten. Für die Entwicklung der französischen Musik steht die sogenannte ‘Gruppe der Sechs’ um Erik Satie. Diese Musiker hatten gleiche Interessen: „der Impressionismus war ihnen fremd, ebenso wie die Romantik. Sie suchten den Realismus, wollten aber zugleich zum Klassizismus zurückgreifen. Einfach und scharf wollten sie sein, kühn und heiter, Sänger des modernen Lebens und musikalische Draufgänger.“ 4 Neu für die ernste Musik war der seit dem ersten Weltkrieg beginnende und immer größer werdende

4

Boyer, Jean, Kurzgefasste Geschichte der Französischen Musik, Wiesbaden, 1 953, Seite 202

8

Einfluß des aus Nordamerika stammenden Jazz, als eine popularmusikalische Strömung.

2.1.4. Jazz als neuer musikalischer Einfluß Nachdem die amerikanische Schallplattenindustrie 1932 ihren ersten großen Tiefstand erreichte (bis 1933 mußten die meisten Firmen bis auf die Victor, die Decca und die Columbia schließen), wurde mit Europa ein neuer Markt entdeckt. Wichtige Jazzplatten wurden alsbald direkt für den europäischen, insbesondere den englischen Plattenmarkt produziert. Auch aufgrund der Rassenprobleme zog es viele amerikanische Jazzmusiker in das nicht so rassenfeindlich eingestellte Europa, wo sie von einem beifallsfreudigen Publikum empfangen wurden. „Für die europäischen Intellektuellen hatte der Jazz den Zauber einer exotischen, primitiven und darum erfrischend ursprünglichen Kunst.“5 Auch Duke Ellington gastierte 1933 in Europa, wie auch im Jahr zuvor Louis Armstrong. Andere Künstler, wie Coleman Hawkins, folgten ebenso diesem Beispiel. „Das große europäische Publikum hatte die Jazzgruppen und allgemein die amerikanischen Negerorchester stets gefeiert, angefangen mit den Hell Fighters, der von Jim Europe dirigierten Militärkapelle, die 1918 in verschiedenen französischen Städten Konzerte gab und Begeisterung und Erregung hervorrief, bis zu den Orchestern von Will Marion Cook, Noble Sissle und Sam Wooding, abgesehen von gewissen weißen Gruppen wie der Original Dixieland Jazz Band und den Mound City Blue Blowers. Begeistert hatte das Puplikum dann den Negerrevuen aus Amerika Beifall gespendet, wie der ‘Revue Nègre’ mit Josephine Baker, dem Claude Hopkins-Orchester und Sidney Bechet, die im Jahre 1925 im Théâtre des Champs Élysée debütierte, ...“6 Mit dem Jazz, der sich auch über Schallplatten und den Rundfunk in Europa verbreitete, erschien auch die Musik des Gitarristen Enter Salvatore Massaro, genannt Eddie Lang (1892-1933), der ab 1926 im Duo mit dem Violinisten und Schulfreund Joe Venuti viele Aufnahmen machte und als erster die Gitarre als solistisches Instrument im Jazz etablierte. In diesen Duetten spielten sie Anfangs Mazurkas (3/4-Takt) und Polkas (2/4-Takt), die sie dann aus Spaß als 4/4-Takt-Stücke vortrugen. Es zeigten sich dabei schon die ersten Improvisationen: Joe Venuti begann mit einer Improvisationslinie und Eddie 5 6

Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 133 Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 133

9

Lang spielte Variationen darüber. In seiner Karriere spielte Lang mit unzähligen Orchestern wie z.B. dem von Bix Beiderbecke, Paul Whiteman mit Bing Crosby, sowie auch auf unzähligen Studiosessions für verschiedene Sänger (z.B. Al Jolson) und für Bluessänger (z.B. Bessie Smith). Interessant sind die Aufnahmen in verschiedenen Gitarren-Duo-Konstellationen, wie mit Carl Kress und Dick McDonough, der in der damaligen Zeit mehr als jeder andere für die Entwicklung von Gitarren-Duo-Formationen tat. Bei dem wohl ersten Gitarrenduo im Jazz war Eddie Lang ebenso beteiligt. Er machte unter dem Namen ‘Blind Willie Dunn’ mit Lonnie Johnson 1929 für das Okeh-Label verschiedene Aufnahmen. Im Allgemeinen war Eddie Langs Gitarren-Stil bestimmt durch: „die kräftige attack und fließende, bluesartige Linien mit fesselndem Gebrauch von smears, Glissandi und harfenähnlichen künstlichen Flageoletts; ungewöhnliche Intervalle, insbesondere die pianistische Dezime und Bix-hafte parallele Nonen; Sequenzen übermäßiger Akkorde und Ganztonpassagen; die entspannte, hornähnliche Phrasierung. Obschon in erster Linie Plektrumspieler, barg Lang doch immer wieder sein Plektron in der Handfläche und führte Fingerstyle vor, speziell dann, wenn er Arpeggios und fills hinter einer/m Vokalistin/en spielte.“7

2.2. Django Reinh ardt un d das Qd HCDF Im folgenden soll nun auf den Lebenslauf Django Reinhardts eingegangen werden. Im zweiten Teil dieser Arbeit folgt noch eine ausführliche Analyse seiner Personalstilistik. Eine genaue Betrachtung des Lebens und Werkes Django Reinhardts würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Es soll jedoch an dieser Stelle auf die zwei wichtigsten Django-Reinhardt-Biographien hingewiesen werden, die einen sehr tiefen Einblick in seine Persönlichkeit und seine Arbeit geben: Alexander Schmitz/Peter Mayer „Django Reinhardt“ und Charles Delauney „Django Mon Frère“. Der am 23. Januar 1910 in Liverchies geborene Zigeuner Jean-Baptiste ‘Django’ Reinhardt verbrachte seine früheste Kindheit auf Wanderschaft. Mit seiner Mutter Laurence, genannt ‘Négros’, und seinem Bruder Joseph, genannt ‘Nin-Nin’ zog er durch Frankreich, Italien und Algerien, bis sich seine Familie 1918 im Wohnwagen am Stadtrand von Paris niederließ. Mit zwölf Jahren bekam er ein Gitarren-Banjo von 7

Scmitz Alexander, Jazzgitarristen, Schaftlach, 1992, Seite 32

10

einem Nachbarn geschenkt und begann sehr schnell, seine Fähigkeiten auf dem Instrument zu entfalten. Er spielte nun oft mit dem buckligen Gitarrenspieler Lagadière bis in den frühen Morgen in den Cafés. Ein Jahr später trat er gemeinsam mit dem Akkordeonisten Guérino in den Tanzsälen von Paris auf. Zwischen Juli und Oktober 1924 kam es zu den ersten Plattenaufnahmen unter dem Namen ‘Jiango Renard’ zusammen mit Jean Vissade (Akkordeon) für das Ideal-Etikett. Neben seiner Tätigkeit als Musiker nahm Django Reinhardt regelmäßig an ‘after-hours-sessions’8 teil und spielte mit Vorliebe amerikanische Titel. Mit der Zeit wechselte er zur Gitarre, bis es am 2. November 1928 zu einem folgenschweren Unfall kommt: Er überlebt einen Brand in seinem Wohnwagen, erleidet jedoch schwerste Verbrennungen am ganzen Körper und insbesondere an der linken Hand. Nach achtzehn Monaten ist er wieder hinreichend genesen, jedoch bleibt eine Behinderung seiner Hand zurück: Die Sehnen seines kleinen und seines Ringfingers bleiben verkürzt und fast völlig gelähmt.

Trotz

dieser

Behinderung

entwickelte

Django

Reinhardt

eine

Gitarrentechnik, die es ihm ermöglichte, nahezu ohne die verletzten Finger auszukommen. Zu dieser Zeit, 1929, wurde sein erster Sohn Henri Baumgartner geboren. Zu Beginn der 30er Jahre lebt Django Reinhardt als Straßenmusiker, da er kein Interesse mehr an den bals musette hat, sondern sich eher am Jazz orientiert. Aus diesem Grund wird er auch von dem ebenso jazzbegeisterten Pianist Stephen Mougin engagiert. Viel auf Reisen durch Südfrankreich tritt 1931 in Toulon Émile Savitry in sein Leben, der ihn mit der Musik Duke Ellingtons, Louis Armstrongs und Eddie Langs/Joe Venutis bekannt macht und sein Förderer wird. Neben der Beeinflussung durch Savitry beginnt Django Reinhardt seine ersten Schritte als Jazzmusiker mit dem Kontrabassisten Louis Vola, der schon in Toulon und Cannes sein Orchesterchef war, und mit dessen Formation er im Dezember 1932 in Paris debütiert. In den folgenden Jahren spielt er viel mit Musikern der Pariser Musikszene (z.B. Jean Sablon, André Ekyan, oder Stéphane Grapelli) und findet viele Bewunderer. Savitry organisiert für seinen Schützling 1934 ein Konzert in dem Ende 1922 gegründeten Hot Club de France, das Django zu seinem Durchbruch verhilft: „Man kann sagen, daß er die große Entdeckung des Konzerts war. Er ist ein sehr merkwürdiger Musiker, dessen Stil dem keines anderen bekannten Musikers ähnelt ... Wir haben jetzt in Paris einen großen Improvisator ... Darüber hinaus ist Reinhardt ein faszinierender Junge, der die gleiche Phantasie in sein Leben zu legen scheint, 8

Begriff für Jam-Sessions

11

die seine Soli belebt ...“ 9 Bei einem Zusammentreffen mit Stéphane Grapelli entstand die Idee eines reinen Saitenquintetts, das alsbald im Dezember 1934 in der Besetzung Django Reinhardt (Solo-Gitarre), Stéphane Grapelli (Violine), Roger Chaput (Rhythmusgitarre), Joseph Reinhardt (Rhythmusgitarre) und Louis Vola (Kontrabaß) als Quintett du Hot Club de France in der École Normale de Musique in Paris debütierte. Die ersten Jahre des Quintetts verliefen sehr aufregend. Neben den ab 1935 beginnenden regelmäßigen Aufnahmen wurde Django Reinhardt von einem immer größer werdenden begeisterten Publikum entdeckt. Zusätzlich bot sich ihm die Möglichkeit, viele amerikanische Jazzgrößen kennenzulernen. So spielte er in JamSessions in Paris mit Louis Armstrong, Eddie South, sowie Coleman Hawkins und Benny Carter, mit denen er auch 1937 zu Plattenaufnahmen machte. 1939 kam es sogar zu einer kurzen Begegnung mit Duke Ellington. Ab 1936 begannen Auslandstourneen des QdHCDF, die sie nach Spanien, Holland, Belgien, Skandinavien und vor allem England führten. Aufgrund des Kriegsausbruches 1939 kam es zur Trennung, da Stéphane Grapelli in England bis 1947 zurückblieb, während die restlichen Musiker nach Paris zurück kehrten. In den Kriegsjahren fand Django Reinhardt in dem Klarinettisten Hubert Roasting einen neuen musikalischen Weggefährten und feierte mit dem neuen QdHCDF auf Tourneen durch die französische Provinz große Erfolge. Zusätzlich war er unter den in Paris zur Verfügung stehenden Musikern die Nummer Eins. Andere wichtige Ereignisse dieser Jahre waren „die Komposition einer anspruchsvollen Sinfonie mit dem Titel ‘Manoir de mes Rêves’, zu der Jean Cocteau, ein glühender Bewunderer Djangos, einen poetischen Text geschrieben hatte. Doch wurde dieses Werk, das Django und seine Mitarbeiter einige schlaflose Nächte gekostet hatte, nie aufgeführt, weil es als schwer zu spielen und harmonisch zu kühn angesehen wurde, und ging schließlich verloren.“10 Daneben stand auch die Hochzeit mit seiner Gefährtin Naguine und wenig später folgte 1944 die Geburt seines zweiten Sohnes Babik. Ein weiteres Ereignis bildete die Eröffnung des Nachtlokals ‘La Roulotte’ auf der Rue Pigalle, das später in ‘Chez Django Reinhardt’ umgetauft wurde und dessen Besitzer er war. Nach der Befreiung von Paris am 24./25. August 1944 tritt Django mit Fred Astaire auf und spielt mit verschiedenen Solisten des Glenn Miller Orchesters (Glenn Miller war zu dieser Zeit schon verstorben). „In diese Monate fiel auch die Aufführung einer Messe von Django in der Kapelle der Institution des Jeunes Aveugles. Er hatte 9

Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 454

12

begonnen, sie für seine Zigeuner zu komponieren, damit sie damit ihre traditionellen Wallfahrten nach Les Saintes-Mairies-de-la-Mer feiern konnten, doch wurde diese Messe nie zu Ende komponiert.“11 Im November 1946 bekam Django Reinhardt ein Engagement bei dem Duke Ellington Orchester für eine USA-Tournee, die zu einer herben Enttäuschung für den Gitarristen wurde, da er zum ersten Mal eine elektrische Gitarre benutzen mußte und nicht auf dem Instrument zurecht kam. Das Ergebnis war, daß er bei den Kritikern durchfiel. Doch in Amerika hörte er auch die neue Strömung des ‘BeBop’. Trotz der negativen Erlebnisse in den USA spielt Reinhardt, zurückgekehrt nach Frankreich, seine Maccaferri-Gitarre nunmehr elektrisch verstärkt. In den folgenden Jahren zieht er sich immer mehr von der Musik zurück und verlegt sich auf die Malerei. Trotzdem finden immer wieder Tourneen durch Europa statt, und es folgen auch verschiedene Aufnahmen mit dem Quintett und auch mit Stéphane Grapelli. Django Reinhardt versucht sich nunmehr, nachdem er sich seit 1947 mehr und mehr aus der JazzSzene zurückgezogen hatte, mit der neuen Stilistik des Bebop zu beschäftigen. So kommt es im Februar 1951 zu einem Auftritt im Pariser Club Saint-Germain mit der neuen Generation französischer bebopinspirierter Musiker wie den Brüdern Hubert und Raymond Fol, Maurice Vander, Pierre Michelot, Bernard Hulin und Roger Guérin. Fünf Monate blieb Django Reinhardt in diesem Club und nahm auch verschiedene Titel auf. Durch die Gebrüder Fol lernte er auch die Musik Charlie Parkers und Dizzy Gillespies kennen. Über die letzten Aufnahmen Django Reinhardts im März 1953 für Blue Star führt Pierre Michelot aus: „Ich war total überrascht, daß er seine alten Themen spielte, wie zum Beispiel ‘Nuages’. Sicherlich hatten ihn die Produzenten dazu gebracht. Jedoch spielte er diese Themen völlig anders als in den früheren Versionen. Für mich war das die beste Version von ‘Nuages’ die er jemals aufgenommen hat. Er zitierte fortwährend Parker und Dizzy. Und in bestimmten schnellen Tempi spielte er mit ‘abgerissenen’ Phrasen in einer Art und Weise, wie es genau der Bebop-Praxis entsprach. Übrigens gibt es das auch schon in seinen Einspielungen von 1951. Aber diese Platte für Blue Star ... Wäre er nicht kurze Zeit später gestorben, diese Platte hätte den Wendepunkt seines Lebens markiert.“ 12 „Wieder daheim, in Samois, am 15.Mai“ 1953, „angelt Django erst, sitzt dann mit Freunden in einem Café und unterhält sich angeregt, als ihn eine Gehirnblutung 10

Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 456 Polillo, Arrigo, Jazz. Geschichte und Persönlichkeiten, München/Berlin, 1982, Seite 456 12 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 17 11

13

niederstreckt. Alle Hilfe im Krankenhaus kommt zu spät. Er stirbt tags darauf, am 16.Mai, im Alter von nur 43 Jahren.“13 Er hinterläßt eine fast unüberschaubare Menge von Einspielungen (ca. 600) und eine unglaubliche Anzahl an Eigenkompositionen. Hier sollen nun auch seine Verdienste um die Entwicklung des Jazz-Gitarrenspiels angeführt werden, die von Jürgen Schwab in seinem Aufsatz ‘Die Jazzgitarre und ihre spezifischen Ausdrucksmittel bei Django Reinhardt’ zusammenfassend dargestellt wurden: „Er leitet das erste Jazzensemble, in dem die Gitarre als durchgehend



gleichberechtigtes und meist sogar dominierendes Melodieinstrument eingesetzt wird. 

Durch weitausgreifende Dynamik und lebendige Artikulation erreicht er eine Differenziertheit des Ausdrucks auf der akustischen Gitarre, die sich mit Bläsern messen kann.



Sein Improvisationsvermögen und seine Virtuosität stellen alles in den Schatten, was man Jazzgitarristen bis dahin zutrauen konnte, und werden bis heute nur von wenigen erreicht.



Harmonisch ist er nicht nur auf der Höhe seiner Zeit, sondern ihr in Teilen sogar voraus. Gewisse Arpeggien und chromatische Durchgänge spielen später bei Charlie Christian eine große Rolle, und die von ihm häufig verwendeten ‘approachnote’ Figuren tauchen im Bebop wieder auf.



Die Bildung langer Phrasen, vorzugsweise aus Achtelketten, ist ein weiteres zukunftsweisendes Merkmal von Django Reinhardts Stil und findet sich ebenso bei Christian und im Bebop wieder.



Zahlreiche spieltechnische Neuerungen gehen durch ihn in das Vokabular der Jazzgitarre ein: Oktavdoppelgriffe, ‘false-fingering’-Effekt mit Unisono auf benachbarten Saiten, Akkord- und Einzeltremoli, ‘sweep-picking’ für schnellste Arpeggien, künstliche Flageoletts, Nutzen der Leersaite als Pedal abwechselnd mit gegriffenen Tönen.14



Mit Vorliebe kombiniert er ‘off-beat’-Akzente und komplexe Akzentüberlagerungen mit Oktav- oder Sextdoppelgriffen oder dem Spiel auf einer Saite. Diese Elemente finden sich später u.a. bei Country- und Rockgitarristen.“15

13

Schmitz, Alexander & Maier, Peter, Django Reinhardt, Gauting-Buchendorf, 1985 , Seite 30 Die hier angegebenen Neuerungen werden im zweiten Teil dieser Arbeit erklärt. 15 Schwab, Jürgen, Die Jazzgitarre und ihre spezifischen Ausdrucksmittel bei Django Reinhardt in Awosusi, Anita, Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 56-57 14

14

Die weitere Entwicklung dieser Musik nach dem Tod Django Reinhardts ist interessanterweise vornehmlich unter den Zigeunern Westeuropas zu finden. Bis auf einige Ausnahmen, wie z.B. in England Ivor Mairants, Diz Disley und Ike Isaacs, ist die Musik zu einer zigeunereigenen ‘Folklore’ (gemeint ist eine neue traditionelle Zigeunermusik) geworden. Michel-Claude Jalard schreibt darüber in seinem Aufsatz ‘Django et l’école tsigane du Jazz’: „L’univers musical de Django est pour eux“ (gemeint sind die Zigeuner) „un langage commun parce qu’en plus de son art, et à travers lui, ils retrouvent tout un lyrisme instrumental qui renvoie à leur sensibilité propre. Ce ‘supplément ethnique’, si l’on peut dire, fait que Django est non seulement le maître d’une conception de la guitare - au même titre que Charlie Christian en somme - mais vraiment le chef d’une école tsigane de jazz.“ 16 Django Reinhardt gilt aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit für die Zigeuner den Begründer einer neuen Schule, nämlich der des Zigeuner-Jazz. So ist es auch nicht verwunderlich, daß die weitere Entwicklung, bzw. auch die traditionelle Bewahrung seines PersonalStils hauptsächlich von Zigeunermusikern betrieben wird.

2.3. Die Entwicklung des Zigeuner-Jazz nach Django Reinhardt und dem QdHCDF Durch den zweiten Weltkrieg bedingt, stagnierte die Entwicklung der Zigeunermusiker. In Frankreich konnte sich die Musiktradition der Zigeuner trotz der Besetzung durch das Naziregime (1940-45) eingeschränkt weiterentwickeln. „Django Reinhardt selbst 'genoß' - anders als andere weniger bekannte Zigeunermusiker während der Okkupationszeit den Schutz seiner Berühmtheit und konnte seine Auftritte und Aufnahmen in Paris mit dem QdHCDF oder in Formationen mit anderen Jazzmusikern fortsetzen. ... Doch nach und nach spürte auch er den Druck der mit den Nazis kooperierenden Vichy-Regierung und verließ vorübergehend Paris. Nach einem gescheiterten Grenzübertritt in die Schweiz kehrte er dann jedoch wieder zurück nach Paris, wo er sogar einen eigenen Club ('La Roulotte') eröffnete (vgl. Alain Antonietto, Beiheft zur Djangologie)."17 Die Virtuosen unter den Zigeunermusikern arbeiteten in namhaften Orchestern, und bildeten zusätzlich am

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Jalard, Michel-Claude, Django et l’école tsigane du Jazz, in: Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seite 72 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 148 17

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QdHCDF orientierte Ensembles, unter denen das 'Swing Quintette De Paris' von Etienne 'Sarane' Ferret, gegründet 1941, wohl das bekannteste war. In Deutschland und Österreich dagegen blieb der Kontakt zur übrigen Bevölkerung aufgrund der Verfolgung durch das Naziregime lange Zeit gestört. Die Zigeuner blieben unter sich. Auch die Musik wurde nur im engsten Kreise oder hauptsächlich zu gesellschaftlichen Ereignissen, wie große Treffen der Familien, Feste oder Hochzeiten, gespielt. Bis Mitte der 60er Jahre erscheinen hier auch keine Plattenaufnahmen von Zigeunermusikern. Erst 1967 beginnt ein Come-back der Zigeunermusik in Deutschland basierend auf dem Zusammenarbeiten des Zigeunergeigers Hans 'Schnuckenack' Reinhardt und dem Nichtzigeuner und Musikeragenten Sigfried Maeker. "’Am 4. Mai 1967 erlebte der ehrwürdige Kölner Gürzenich das Konzert einer 16-köpfigen Truppe von Sinti-Musikern um den Geiger Schnuckenack Reinhardt. Erstmals - über 20 Jahre nach Kriegsende - traten damit deutsche Sinti mit ihrer Musik an die erstaunte Öffentlichkeit, die bis dahin die Existenz einer eigenständigen musikalischen Kultur dieser Minderheit nicht zur Kenntnis genommen hatte. - Zunächst zögernd, dann aber doch selbstbewußt, hatten sie ihrem Konzertprogramm den Namen Musik deutscher Zigeuner gegeben. Denn es war beschlossene Sache, nur die Musik auf die Bühne zu bringen, wie sie bei den familiären Festen der gatschkenne Sinti (= deutschen Sinti) gespielt wird. Dies war der Beginn einer Entwicklung hin zu einem wiedererwachenden Bewußtsein eigener kultureller Identität, das, als Folge der schrecklichen Ereignisse während der NS-Gewaltherrschaft, fast erstickt worden war. - Zehn Jahre später - Ende der Siebzigerjahre - sollte diese Entwicklung in der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma ihre konsequente Fortsetzung finden, diesmal auf politischer Ebene, alle Lebensbereiche erfassend' beschreibt Maeker jenes 'Coming Out' Schnuckenack Reinhardts und der Musik der deutschen Sinti."18 Im Rahmen der von Maeker benannten Bürgerechtsbewegung wurde auch versucht, über die Jahre eine Annäherung der Bevölkerungsgruppen, über des Mediums Musik, zu erzielen. "In zahlreichen deutschen Städten wurden Zigeunermusik-Festivals, begleitet von entsprechender Öffentlichkeitsarbeit, veranstaltet ('Offene Begegnungen zwischen Zigeunern und der Bevölkerung', z.B. Darmstadt 1978, Hamburg, Freiburg, Singen 1981, Berlin, Offenburg 1982). Musikalisch gesehen waren diese Veranstaltungen große Erfolge, denn auf ihnen präsentierte sich alles, was Rang und Namen hatte auf der damaligen Sinti- und Roma-Musik-Szene. Einergehend mit dieser Präsenz erreichte die Musik deutscher Zigeuner in jener Zeit Ende der Siebzigerjahre, Anfang

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Litterst, Gerhardt, Zigeunermusik zwischen Traditionspflege und Fortentwicklung, in: Jazz Podium, 39/12 (Dezember 1996), Seite 26

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der Achtzigerjahre einen Höhepunkt an Popularität, die in der Folgezeit in dieser Form nicht mehr erreicht werden konnte."19 Um einen besseren Überblick zu wahren, soll nun im Weiteren die Entwicklung der Zigeuner-Musik in Westeuropa auf einzelne Länder (Bundesrepublik Deutschland/ Österreich/ Frankreich/ Belgien & den Niederlanden) und deren wichtigsten Solisten beschränkt werden.

2.3.1. Bundesrepubl ik Deutsc hland Die in Deutschland spielenden Zigeunerensembles haben sich der Traditionspflege ihrer eigenen Musik verschrieben. Diese Tradition, bzw. das Repertoire, setzt sich aus zwei Hauptbereichen zusammen: 1. zigeunereigene Folklore (Csárdás, Romanzen, Liedgut) und 2. Swingjazz (in der musikalischen Tradition des Quintette du Hot Club De France). Das QdHCDF bildet für den Swingjazz eine Vorbildfunktion in mehrfacher Hinsicht: Repertoire, Interpretation und Instrumentation. Das Repertoire des QdHCDF setzt sich aus amerikanischen Swing-Standards der 20er bis 40er Jahre, Django-Reinhardt-Kompositionen (bzw. auch Kompositionen Django Reinhardts und Stéphane Grapellis), Swing-Valses aus der französischen MusetteTradition, sowie Schlager- und Operettenmelodien zusammen. Erweitert wurde dieses Repertoire im Verlauf Jahre durch moderne Jazz-Standards, Latin-Standards, sowie natürlich auch Eigenkompositionen der einzelnen Zigeunermusiker. Die Interpretation beinhaltet bis heute, wie auch im Jazz üblich, den Vortrag des Themas gefolgt von Improvisationen der Solisten. Die instrumentale Trennung zwischen einer konsequent nur als Rhythmusgruppe eingesetzten Begleitung und den Solisten im Stile des QdHCDF ist vorwiegend so geblieben. Man kann heute jedoch eher von einer konsequent durchlaufenden Begleitung sprechen, in der die Musiker, ob nun Solist oder Rhythmusbesetzung, gleichberechtigt arbeiten, d.h. die Solisten wechseln auch in die Rhythmusgruppe und lösen einander ab. Die Instrumentation des QdHCDF (Geige, Solo-Gitarre, 2 Rhythmusgitarren und Kontrabaß), bzw. die Besetzungen der Rhythmusgruppe (Rhythmusgitarre und Kontrabaß), wird auch traditionsbewußt beibehalten (nicht immer in Quintett-Form, gemeint ist eine traditionelle Rhythmusgruppe mit Solisten). Es folgt nun ein Überblick der Entwicklung der Zigeuner-Musik-Szene in Deutschland anhand der wichtigsten musikalischen Persönlichkeiten.

2.3.1.1. Sch nuc kenack Reinh ardt (Sch R)

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Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 113

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Der am 17.02.1921 in Weinsheim/Pfalz geborene Hans ‘Schnuckenack’ Reinhardt ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten für die Popularisierung der Musik der Sinti und Roma. Wie bereits erwähnt, hat er mit seinen Formationen diese Musik einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht, und somit erreicht, daß sich die Zigeunermusik von einer Tanz- und Unterhaltungsmusik zu einer konzertanten Musikform wandelte, was auch eine Veränderung im Berufsbild der Zigeunermusiker erzeugte: vom 'Straßenmusiker' zum organisierten Kulturbetrieb. Der Erfolg führte zusätzlich bei den Sinti und Roma zum Bewußtsein für die eigene Tradition, bzw. der eigenen musikkulturellen Identität. Weiterhin wurde SchR mit seinen Formationen zu einer Art Talentschmiede für jüngere Musiker. Viele Musikertalente, wie zum Beispiel Häns'che Weiss, sind unter Leitung SchRs in eine professionelle Karriere gestartet, um wiederum namhafte Repräsentanten ihrer Musik zu werden. Nach seinem 'Comin-Out' 1967 veröffentlicht SchR 1969 sein erstes Album als Auftakt der LP-Reihe 'Musik Deutscher Zigeuner'. Sein damaliges Quintett bestand neben ihm aus Daweli Reinhardt (solo-g), Bobby Falta (solo-&rh-g), Spatzo Weiss (rh-g) und Hojok Merstein (b). Zur Aufnahme der zweiten LP stellte er sich zwei Formationen zusammen: zum einen sein Quintett, jedoch wird Bobby Falta durch Holzmanno Winterstein ersetzt, und zum anderen eine Quartett-Besetzung, bestehend aus dem ungarischen Cimbalum-Spieler Laslo Nayri, Puppa Dörr (g) und Lili Reinhardt (b), mit dem SchR ausschließlich folkloristische Titel aufnahm. Im Quintett gab es dann weitere Umbesetzungen: Daweli Reinhardt wurde von Häns'che Weiss abgelöst, der jedoch 1972 mit Winterstein und Merstein die Gruppe wieder verläßt, um sein eigenes Quintett zu gründen. SchR stellte daraufhin ein neues Quintett zusammen, das sich auf Drängen des neuen, bzw. alten, Solo-Gitarristen Bobby Falta musikalisch mehr am Jazz orientierte. Der Formation gehörten weiterhin Schmeling Lehmann (g), Ricardo Reinhardt (g) und Jani Lehmann (b) an. In den folgenden Jahren wurde das Quintett erneut umbesetzt und das folkloristische Material im Repertoire wieder in den Vordergrund gezogen. Seine Aufnahmen im Jahre 1981 sind mit seinen Söhnen Forello Reinhardt (solo-g) und Ricardo Reinhardt (rh-g), sowie Unge Schmidt (rh-g, p) und Arnold Weiss (b) eingespielt. Bis 1996 hat sich die SchR-Formation zu einem familiären Sextett gewandelt, bestehend aus Sanino (g), Forello (g) und Ricardo Reinhardt (g), sowie den Brüdern Helmut (p) und Arnold Weiss (b). Mit seinem neuesten Projekt TALAL (=begegnen) versucht SchR die Völkerwanderung der Zigeuner von Indien nach Europa musikalisch nachzuzeichnen. In seiner Laufbahn füllte SchR mit seinen Formationen europaweit Konzertsäle, wurde zu vielen Fernsehauftritten eingeladen und veröffentlichte bis jetzt 24 Schallplatten. Von dem Bundesland Rheinland-Pfalz wurde ihm 1996 für seine Verdienste um die Musik der Sinti und Roma die Peter-Cornelius-Medaille verliehen.

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„Spieltechnisch und interpretatorisch betrachtet, ist Schnuckenack Reinhardt der große Geigenvirtuose der Sinti-Musik. Korrespondierend zur Gewichtung seines Repertoires ist Schnuckenack Reinhardts Spielgestus als Geiger deutlich stärker geprägt von der vibrato-trunkenen, gefühlsbetonten, erdigen Spielweise des FolkloreFiddlers ungarischer Stilistik, als vom linearen, schnörkellosen, eleganten Strich des Swingjazz-Geigers Grapelli. Selbstredend, daß er es gleichwohl versteht, das Swingjazz-Repertoire mit dem ihm gebührenden Duktus zu spielen."20

2.3.1.2. Häns 'che Weis s (HW) Als der 1951 in Berlin geborene Solo-Gitarrist Häns’che Weiss 1972 das Schnuckenack Reinhardt Quintett verließ, nutzte er die Gelegenheit mit seinen beiden Mitmusikern aus der Reinhardt-Formation Holzmano Winterstein und Hojok Merstein, sowie als Verstärkung dem 15 jährigen Geigentalent Titi Winterstein und dem 17 jährigen Ziroli Winterstein, sein eigenes Quintett in der QdHCDF Tradition zu gründen. Die Instrumentation und das gemischte Repertoire, das heißt SwingStandards und Zigeunerfolklore, übernahm HW nach Vorbild seines Förderers Reinhardt. In dieser Formation wurden die ersten Aufnahmen in der SchallplattenReihe 'Musik deutscher Zigeuner' auf den Ausgaben 5 und 6 veröffentlicht und machten das Quintett zum Synonym für brilliante deutsche Sinti-Musik. 1974 erscheint das dritte Album 'Dja Maro Drom' (= Wir gehen unseren Weg). Eine Änderung der Besetzung (Holzmanno Winterstein verläßt die Gruppe 1976 und wird durch den Solo Gitarristen Lulu Reinhardt ersetzt) sollte dem bisherigen Erfolg keinen Abbruch tun. 1978 wurde der Formation für das vierte Album '5 Jahre Musik Deutscher Zigeuner' der Deutsche Schallplattenpreis verliehen. Zu diesen Aufnahmen wurden, zur Erwiterung des Klangbildes, zwei Gastmusiker eingeladen, der Pianist Silvano Lagrene und der Trompeter Oscar Klein. Zusätzlich ist auf diesem Album auch der erste politische Titel eines Sinti-Musikers, 'Lass Maro Tschatschepen' (Laßt uns unser Recht fordern), enthalten. Diesen hatte HW „unter dem Eindruck der Ende der Siebzigerjahre in Gang kommenden Bürgerrechtsbewegung geschrieben, in welcher die Sinti und Roma Wiedergutmachung für das erlittene NS-Unrecht, Beseitigung von nach wie vor bestehenden Diskriminierungen, Anerkennung als ethnische Minderheit einschließlich der Förderung ihrer kulturellen Identität und sozialen Verbesserungen von der deutschen Regierung einforderten."21 Auf diesem Höhepunkt seiner Karriere löste HW das Quintett überraschend auf, um musikalisch neue Wege zu beschreiten. 20

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 109 21 Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2: Der Sinti-Jazz, Schriftenreihe des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, Oktober 1997, Seite 112

19

Beeinflußt von modernen Jazzgitarristen, wie Jim Hall oder Kenny Burell, stellt HW 1981 sein neues Ensemble zusammen. Es besteht aus seinen Neffen Martin Weiss (v) und Romani Weiss (rh-g), den vier Jazzmusikern Hans Hartmann (b), Dieter Goal (mh), Albert Mair (p) und Trilok Gurtu (perc), sowie Walter Buri (acc). Mit dieser Formation veröffentlicht er die Platte 'Couleurs', die die stilistische Bandbreite des traditionellen Repertoires um Samba- und Bossa-Nova-, sowie modern JazzStandards erweitert. Dieses Album stellt eine Art Übergang in HWs musikalischer Arbeit hin zur 'angejazzten' Gitarre dar. Von 1984 bis 1994 spielt er nunmehr in einem Trio mit Martin Weiss (v) und Vali Mayer (b), mit denen er drei CDs, 'Zugaben' (1985), 'Erinnerungen' (1988) und 'Vis-a-Vis' (1991), veröffentlicht. Obwohl es sich in der Besetzung um eine weitere reine Saiten-Formation, wie beim QdHCDF, handelt, versucht HW Django Reinhardts Swing-Linien mit bebopmäßigen Singlenote- oder Akkordfolgen zu verbinden. Das Repertoire entwickelt sich weg von der Folklore hin zu Real-Book-Standards, Eigenkompositionen, aber auch traditionsreichen Swingund Musette-Titeln. Die Entwicklung zum Jazzgitarristen hält bis heute an. HW stellt sein Können nun in einem Duo mit Vali Mayer (b) unter Beweis und zeigt, wie er sich mühelos in dieser Richtung entfalten kann.

2.3.1.3. Titi Winterstein (TW) Titi Winterstein, 1956 in Freiburg geboren, nutzte die Gunst der Stunde und übernahm 1978 die Restmusiker des aufgelösten Häns'che Weiss Quintetts (Lulu Reinhardt (g), Ziroli Winterstein (g) und Hojok Merstein (b)) und gründete mit Ergänzung von Silvano Lagrene (p) das Titi Winterstein Quintett, das musikalisch den Repertoirevorgaben HWs und SchRs folgen sollte. Das instrumentarische Spektrum zeigte eine klanglische Änderung, da ein Pianist oder zeitweise der Akkordeonist Klaus Bruder die zweite Rhythmusgitarre ersetzte. Das Quintett veröffentlichte bislang sechs Platten, die stets mit Gastmusikern, wie dem Mundharmonika-Spieler Lee Reed, der Sängerin Bimbam Merstein oder dem Musette-Akkordeonisten Enzo Biordi angereichert wurden. So entstanden die ersten zwei Alben ‘Saitenstraßen’ (1978) und ‘I Raisa’ (1980). 1982 folgte eine Umbesetzung: Silvano Lagrene wurde durch Klaus Bruder ersetzt, am Baß kam Peter Gropp (beide Nicht-Zigeuner) hinzu. Als dritter Gitarrist ergänzte Geisela Reinhardt die Formation. Mit diesem nunmehr Sextett erschien 1985 das Album ‘Djinee tu kowa ziro’, das sehr stark mit Eigenkompositionen angereichert ist. Die folgenden Aufnahmen sind Live-Mitschnitte gemeinsamer Auftritte mit dem Gesangsduo Vanessa Merstein und Sorba Kwiatkowski (‘TWQuintett mit Vanessa und Sorba’, 1987). Nach dieser Platte verlassen Klaus Bruder, Geisela Reinhardt und

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Peter Gropp wieder die Formation. Mit neuer Besetzung (Lulu Reinhardt (solo-g), Holzmanno Winterstein (solo-g), Silvano Lagrene (p) und Banscheli Lehman (b)) nimmt TW 1994 das Album ‘Maro Djipen’ auf, dass zwar die traditionelle Bandbreite des Zigeuner-Repertoires aufzeigt, jedoch auch viele neue Eigenkompositionen einbezieht. Den Abschluß bildet bis heute eine ‘The Best of TW’-CD, die die Spannbreite des TW-Quintetts wiederspiegelt. Das Quintett hält mittlerweile eine führende Position neben SchR und HW in der deutschen Zigeunermusik-Szene.

2.3.1.4. Schm itt o K lin g (SK) Eine weitere Formation der deutschen Ziegeuner-Jazz-Szene stellt das von dem 1946 in Bad Mergentheim geborenen Geiger Schmitto Kling 1975 gegründete Ensemble ‘Hot Club The Zigan’ dar, das durch seinen Namen schon eine starke Verbundenheit zu dem traditionellen Zigeuner-Repertoire aufweist. Die Instrumentierung bestand aus drei Gitarren, Kontrabaß und zusätzlich als Rhythmusgruppenerweiterung einem Schlagzeug. Nach dem Erscheinen der ersten Platte des Hot Club The Zigan mit dem Titel ‘Musik deutscher Zigeuner’ wurde das Sextett auf ein Quintett in der traditionellen Besetzung des QdHCDF reduziert. Bis zu der Auflösung der Formation 1993 bestand sie jahrelang aus Meggi Patay (solo-g), Guggeli Wagner, Vateli Schneck (rh-g) und Rigo Reinhardt (b), wobei zuletzt Banscheli Lehmann Kontrabaß spielte und Holzmanno Winterstein (g) Vateli Schneck ersetzte. Nach dem Ende der Gruppe wechselten Holzmanno Winterstein und Banscheli Lehmann zum TW-Quintett. Guggeli Wagner, Rigo Reinhardt und Meggie Patay wurden zeitweise von Wedeli Köhler unter Vertrag genommen. Insgesamt wurden von dem Hot Club The Zigan fünf Alben eingespielt, auf denen die Musiker sich zusätzlich mit Bebop-Standards (z.B. ‘Yardbird Suite (C.Parker) oder ‘Round About Midnight’ (T.Monk)) auseinandersetzten. Eine interessante Erweiterung des Zigeuner-Repertoires stellten auch Swing-Adaptionen nach klassischen Vorlagen (‘Adagio’ von Tomasso Albinoni, ‘Paganini Improvisationen’) dar. „Schmitto Kling, der 1979 am Gipsy Jazz Violin Summit mitwirkte, ist ein technisch ausgezeichneter Instrumentalist und inspirierter Interpret, und zwar in der Swing- wie in der Folklore-Stilistik; ...“22

22

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 118

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2.3.1.5. Wedeli Köhl er (WK) Mit dem Gitarristen Schmeling Lehmann gründete der Geiger Wedeli Köhler (*11.04.1949 in München) 1977 den ‘Hot Club Da Sinti’ als Quartett im Stile des QdHCDF, ergänzt durch Danny Weiss (solo-g) und Jani Lehmann (b). Somit befand sich der Schwerpunkt des Repertoires wiederum im Zigeuner-Jazz. Nachdem 1979 der französische Zigeunergitarrist Tschavolo Schmitt die Position von Danny Weiss übernommen hatte, erschien 1981 die bislang einzige LP des Hot Club Da Sinti. 1985 löste sich die Formation auf. Unter seinem Namen formte WK (er spielte mittlerweile im Wechsel Geige und Gitarre) nun ein neues Quartett mit dem Pianisten Unge Schmitt (siehe SchR), um sich so dem Klang einer Jazz-Combo anzunähern und sich dem modernen Jazz zu widmen. 1986 erscheint das erste Album ‘Sinti Swing’ mit den französischen Musikern Dorado Schmitt (solo-g) und Gino Reinhardt (b). Abgesehen von Unge Schmitt wechselt die Besetzung über die Jahre ständig (z.B. wirkt Ziroli Winterstein zeitweise mit). Eine feste Formation läßt sich erst seit 1994 mit dem Rhythmusgitarrisen Sascha Köhler und dem Kontrabassisten Peter Gropp erkennen, mit der 1995 das Album ‘My Melancholy Baby’ aufgenommen wurde. Das Repertoire ist wieder, neben Eigenkompositionen, fast ausschließlich swingorientiert.

2.3.1.6. La Roman der ie (LR) Ein interessantes Klangbild bot die 1973 in Dortmund gegründete Formation ‘La Romanderie’, die mit einer traditionell besetzten Rhythmusgruppe als SoloInstrumente neben Gitarre und Geige eine Konzertharfe und ein Akkordeon einsetzte. Um einen moderneren Klang zu erzielen, wurden zu den akustischen Instrumenten auch elektrische Gitarren, sowie ein E-Baß herangezogen. Neben vielen Fernsehauftritten und verschiedenen Tourneen veröffentlichte die Gruppe zwei LPs: ‘Swing Mamam Bruderherz - Musik deutscher Zigeuner’ (1975) und ‘Gypsy Swing’ (1976). Das Repertoire setzte sich zum einen aus hauptsächlich traditioneller Swing-Musik und Folklore, und zum anderen aus Bebop-Nummern, FlamencoVariationen und Latinstücken zusammen. Die Besetzung bestand aus Alfred Lora, zeitweise vertreten durch Reinhold ‘Kleiner’ Lora (v), Wilhelm ‘Nanu’ Krause (acc), Reinhold ‘Panzeli’ Frantz (Harfe), Hugo ‘Schablein’ Krause (solo-g), Joseph ‘Ballacku’ Krause und Wilmor ‘Gigi’ Freiwald (rh-g), sowie Anton ‘Florian’ Frantz (b).

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„Reinhold Lora spielte eine sehr typische romantische Zigeunergeige mit starkem Vibrato und üppiger Ornamentik. ... schluchzende Vibrati in den langsamen Stücken, Leidenschaft und Rasanz bei den 32tel-Notenketten in den schnellen Friss-CsardasNummern. Der Solo-Gitarrist Schablein Krause hatte neben Djangos Swingstil auch einige Lektionen Montgomery und Burell verinnerlicht. Akkordeonist Nanu Krause sah seine Vorbilder sowohl in den legendären Musette-Virtuosen als auch in dem Swingakkordeonisten Art van Damme. Während in vielen Sinti-Ensembles eine starke personelle Frequenz zu verzeichnen ist, zeichnete sich La Romanderie durch Beständigkeit aus. Die Auflösung der Gruppe stellte einen sehr bedauerlichen Verlust für die deutsche Sinti-Musik-Szene dar.“23

2.3.1.7. Alfr ed L or a (AL) Alfred Lora stellt einen der wenigen musiktheoretisch ausgebildeten Künstler in der deutschen Zigeunermusiker-Szene dar. Seine professionelle Kariere beginnt in dem Ende der Vierziger Jahre entstandenen Zigeuner-Musik-Ensemble ‘Roy Romanderie’, aus dem später die Zigeuner-Jazz-Formation La Romanderie hervorging. Neben dieser Formation gründete AL seine eigene Gruppe als ‘Alfred Lora New Swingtett’, das durchweg mit Jazzmusikern und der amerikanischen Sängerin Rachel Gould besetzt war und eine Mischung aus Bebop- und Swingnummern darbot. „Danach muß er wohl umgedacht haben, denn seine 1985 veröffentlichte (bisher einzige) LP ‘Straight Ahead’ bot nicht mehr als mäßig swingende Tanzmusik von professioneller Glätte und bis zur Trivialität reichende Gebrauchsmusik. Bei der Instrumentierung seines Swingtetts vermeidet er bewußt die verbreitete Hot-Club-Besetzung, sondern orientiert sich am Arsenal einer Jazzcombo, indem er einen Pianisten (oder Vibraphonisten) und einen Schlagzeuger hinzuzieht“; (Hauptbesetzung: Joe Bawelino (solo-g), Weukeli Rosenberg (rh-g), Dezso Racz (b), Harold Smith (dr)). „Beim Repertoire setzt Lora, der neben Stéphane Grapelli auch Helmut Zacharias zu seinen Vorbildern zählt, auf den Unterhaltungswert und dabei auf das Motto ‘Von jedem etwas - für jeden etwas’, will heißen: Vom Swing bis zum Pußta-Traum, von Django bis Latin, vom Bebop bis zur Operettenseligkeit.“24

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Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 121 Litterst, Gerhard, Djangos Erben. Teil 1: Zigeuner-Musik zwischen Traditionspflege und Fortentwicklung, in Jazz Podium, 39/12 (Dezember 1990), Seite 24 24

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2.3.1.8. Marti n Weiss (MW) Nach dem Ausstieg bei Häns’che Weiss gründete der Geiger Martin Weiss 1994 mit Romani Weiss, Tschabo Franzen (solo-g, bzw. rh-g) und Andre Loos (b) das ‘Martin Weiss Ensemble’. Bisher erschienen zwei CDs (‘Miro Drom’ und ‘for all my friends’ mit Anicka Fecová (Gesang - als Gastmusikerin)), auf denen das traditionelle stilistische Repertoire zu hören ist (Reinhardt/Grapelli-, Latin- und Swingstandards, Swing-Valses, Folkore). Zusätzlich arbeitete MW als Gastsolist mit dem am Modern Jazz orientierten Gitarristen Jörg Seidel bei dem ‘Organ Jazz-Trio’ (Matthias Bätzel (Hammondorgel) und Alexander Bätzel (dr)). Auf der 1996 mit dem Trio erschienenen CD ‘Hommage’ zeigt MW „eine sehr interessante, hochmusikalische Einspielung,“ sowie „die sieben Django-Titel (Vette; Lentement; Mademoiselle; Artillerie lourde; Nuits de St.Germain; Troublant Bolero; Double Scotch; Nuages) und vier Eigenkompositionen in der Sprache des bereits Bebop infiltrierten modernen Mainstream-Jazz interpretiert - mit einem Zungenschlag des Sinti-Swing.“25

2.3.1.9. Mike Rein har dt (MR) Durch große Unterbrechungen in seiner Arbeit konnte Mike Reinhardt mit seinem 1973 gegründeten Sextett nie einen großen Bekanntheitsgrad erreichen. Das ‘Mike Reinhardt Sextett’ stellt mit der Besetzung eine typische Zigeuner-Jazz-Formation dar. Mit den zwei Solo-Gitarristen MR und dessen Vater Daweli Reinhardt (siehe SchR) und dem Geiger Wedeli Köhler, später ersetzt durch den Klarinettisten Dietrich Geldern, der Rhythmusgruppe, bestehend aus zwei Rhythmusgitarren (beide namens Sacha Reinhardt), sowie am E-Baß Bawo Reinhardt handelt es sich eindeutig um eine typische Formation in der Tradition des QdHCDF. Interessant ist das 1987 erschienene zweite Album mit dem britischen Rhythm’n’Blues Saxophonisten Dick Hecktstall Smith, auf dem eine Begegnung zweier Stilistiken versucht wurde, was jedoch nicht reibungslos gelang. Seit dieser Zeit ist das Sextett nicht mehr auf der Szene vertreten.

2.3.1.10. Bu ndesrepubl ik Deuts chland Zusamme nfassun g Die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland kann man als sehr traditionsbewußt bezeichnen. Es ist anzunehmen, daß sich, aufgrund des gestörten Verhältnisses zur übrigen Landesbevölkerung, die Zigeunermusiker nach dem zweiten Weltkrieg ihrer Traditionen, d.h. einer Art Kulturpflege, annahmen, um so ihr kulturelles Erbe zu bewahren, bzw. aufrecht zu erhalten. So wurde die Musik Django 25

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 125

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Reinhardts, die für sie ebenso wie die Roma-Folklore und das überlieferten Liedgut eine musikalische Wurzel darstellt, auch vor Einflüssen des zeitgenössischen Jazz bewahrt. Erst mit dem Auftreten Schnuckenack Reinhardts und seiner Ensembles Ende der sechziger Jahre konnte ihre Musik wieder einer breiten Bevölkerung zugänglich gemacht werden. Durch die Schallplatten-Reihe ‘Musik deutscher Zigeuner’ zeigte sich ein Profil der zeitgenössischen Zigeuner-Musik, das jedoch den traditionellen Strömungen entsprach. Trotz Versuche verschiedener Musiker, wie Häns’che Weiss, sich dem Jazz anzunähern, blieb das Klangbild (Instrumentation) und die Art der Interpretationen bis heute an den Strukturen des QdHCDF angelehnt. Somit kann man nicht von einer Weiterentwicklung, sondern eher von einer sehr traditionsbewußten Fortführung ihrer Musik sprechen, angereichert durch stiltreue Eigenkompositionen und moderne Jazz-Standards traditionell interpretiert.

2.3.2. Frankr eich Im Gegensatz Deutschland, wo die Geige im Zigeuner-Jazz eine große Tradition aufweist, gibt es in Frankreich keine einzige Formation mit einem namhaften Geigensolisten. Die Zigeunermusiker Frankreichs sind dagegen eher gitarrenfixiert und somit der Tradition Django Reinhardts, sowie modernerer Jazzstilistiken verbunden. Typische Merkmale des Repertoires deutscher Zigeuner, insbesondere die osteoropäische Folklore, sind in Frankreich nicht zu entdecken.

2.3.2.1. Babik Reinhardt (BR) Der Erwartungsdruck, dem Babik Reinhardt (*08.06.1944 in Paris als Sohn Djangos Reinhardts) ausgesetzt war, führte dazu, daß er in den ersten zwanzig Jahren seiner Karriere wiederholt seine musikalische Laufbahn unterbrach. Zu Beginn, in den Jahren 1970 und 1974/75, spielte er noch die Musik seines Vaters, jedoch orientiert an der Bebop beeinflußten Schaffensperiode nach 1947. Sein vornehmliches Interesse gilt jedoch Modern-Jazz-Gitarristen wie Jim Hall, Jimmy Raney, Tal Farlow und Wes Montgomery. 1975 entsteht eine LP unter dem Titel ‘Sur Le Chemin De Mon Père’ als Hommage an Django Reinhardt, die vom Publikum mit großer Anerkennung aufgenommen wird. Daraufhin erhält er nun von einer großen Plattenfirma die Möglichkeit, seine musikalischen Vorstellungen zu verwirklichen. Mit dem Album ‘Sinti Houn Brasil’ bewegt er sich musikalisch in einer Mischung zwischen zeitgenössischem Jazz und populärer brasilianischer Musik. Trotz der guten Resonanz auf diese Veröffentlichung unterbricht BR wieder seine Laufbahn bis er, angeregt von Christian Escoudé zusammen mit Boulou Ferré, 1985 das akustische ‘Trio Gitan’ gründet, das für alle drei einen Höhepunkt ihrer Karriere

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darstellt. Es entstand jedoch nur eine Langspielplatte (‘Three of a Kind’, 1985), die durch ein musikalisches und spieltechnisches Feuerwerk, bestimmt durch sehr hohe Virtuosität, charakterisiert ist. Nach erfolgreichen Auftritten in der ganzen Welt trennten sie sich wieder. Im Anschluß daran gründet BR ein eigenes Quintett, um seinen musikalischen Vorstellungen wieder nachzukommen. Auf den zwei aufgenommenen Alben (‘All Love’, 1987, ‘Live’, 1989) zeigt er sich als FusionGitarrist in der Färbung eines Larry Carlton, Lee Ritenour oder Pat Metheney. Musikalisch steht nun, im Gegensatz zu dem hoch virtuosen Trio Gitan, musikalische und rhythmische Eingängigkeit im Vordergrund. „Auch ‘Nuances’ (1992) und ‘Vibration’ (1994) weisen diese Attribute auf, mit denen Babik Reinhardt heute stilistisch identifiziert wird: Melodiereiche, schöne, geschmeidige, leichtfüßige Musik mit einem ‘Parfum manouche’, die sich wie Balsam um die gebeutelte Alltagsseele legt, ab und an freilich auch in riskante Nähe zur wohligen Berieselung begibt. Geschmackvoll gedrechselte eigene Themen, darunter jeweils ein sanftschwingender, braziljazziger Gesangstitel, der die Copacabana ins Wohnzimmer zaubert, auf ‘Vibration’ auch gefällige Fusion-Versionen der ModernJazz-Standards ‘Round Midnight’ (T.Monk) und ‘Night in Tunesia’ (D. Gillespie).“26

2.3.2.2. Christian Escoudé (CE) Als Ausnahmegitarrist präsentiert sich der am 23.09.1947 in Angoulême geborene Christian Escoudé. Nicht an der Swing-Stilistik Django Reinhardts, sondern am zeitgenössischem Jazz orientiert, zeigt er sich in der französischen Musik-Szene und bildet einen Gegensatz zu den traditionellen Zigeunermusikern. Sein Handwerk lernte er seit seinem zehnten Lebensjahr von seinem Vater und seinem Onkel Auguste ‘Gousti’ Malha, dem berühmten Gitarristen der Bals Musettes. Seit dem Beginn seiner Karriere 1971 spielte CE mit verschiedenen Berühmtheiten der französischen und auch der amerikanischen Jazz-Szene (Eddy Louiss, Pierre Michelot, Didier Levallet, Bernard Lubat, Jean-Charles Capon, René Urtrèger, Martial Solal, John Lewis, Freddie Hubbard, Stan Getz, Lee Konitz, John McLaughlin, etc.). Der erste Bezug zu den Kompositionen Django Reinhardts läßt sich 1978 feststellen, als er mit dem Bassisten Charlie Haden das Duo-Album ‘Gitane’ einspielt, auf dem Django Reinhardts Stücke in zeitgenössischen Interpretationen mit freien DuoImprovisationsstrecken dargeboten werden. Nach weiteren Veröffentlichungen und der Arbeit mit dem Trio Gitan (siehe Babik Reinhardt) befaßte sich CE mit den Alben ‘Gipsy Waltz’ (1989) und ‘Christian Escoudé With Strings Plays Django Reinhardt’ (1991) erneut mit seinen Wurzeln: „dem Swing-Valse der 30er und 40er Jahre, in dem sich Musette-Walzer und Swing-Jazz umranken einerseits, mit Djangos 26

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 130

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bekannten und weniger geläufigen Kompositionen andererseits. In eigenwilliger Oktettbesetzung transponiert er Musette-Nummern wie Gus Viseurs Evergreens ‘Swing Valse’ oder ‘Flambée Montalbanaise’ oder Gousti Malhas ‘Carmette’ in vom Geist des Bebop durchdrungene moderne Jazzversionen, die den alten, per se zeitlos-attraktiven Themen ein kunstvolles zeitgenössisches ‘Outfit’ verleihen, ohne ihre ursprüngliche Tanzsaal-Destination zu verleugnen. Vom Geist des Bebop durchdrungen ist auch Christian Escoudés Django-Hommage, bei der ein selten so glücklicher Einsatz von Streicher-Begleitung - wohldosiert, ohne jegliche Zuckerwatte - hervorzuheben ist.“27

2.3.2.3. Boulou Ferré (BF) Der Sohn des Musette-Gitarristen Jean ‘Matelot’ Ferret (1918-1989) wurde unter dem Namen Jean-Jaques ‘Boulou’ Ferré am 24.04.1951 in Paris geboren und entwickelte früh sein Talent als Gitarrist. Mit sieben Jahren soll er sich schon mit Chorussen Charlie Parkers und Dizzy Gillespies auseinandergesetzt haben. Seine ersten Aufnahmen entstehen drei Jahre später mit dem Sänger Jean Ferrat. Ab 1963 folgt ein Studium der klassischen Musik am Nationalkonservatorium in Paris, während dessen er sich weiterhin mit dem zeitgenössischen Jazz auseinandersetzt, insbesondere mit den Strömungen des Free-Jazz. So entsteht 1970 das Album ‘Escape’ mit dem Vibraphonisten Gunter Hampel, sowie dem Saxophonisten Steve Potts und BF selbst, jedoch als E-Gitarrist. Trotz dieser Ausflüge hält er an seinen Traditionen fest und spielt immer wieder in Zigeuner-Jazz Kreisen (z.B. Studioaufnahmen mit dem Ensemble seines Vaters oder Live-Auftritte auf dem Samois-Sur-Seine-Festival), aber insbesondere im Akustik-Gitarren-Duo mit seinem Bruder Elios Ferré (*1956). Auf den zwischen 1979 und 1986 erschienenen fünf Alben zeigen die beiden Musiker eine Spannweite des Repertoires vom traditionellen Zigeuner-Jazz und Swing-Valse über folkloristische Themen (Jazz orientiert interpretiert) bis hin zu modernen Jazz-Standards. Eine andere Betätigung fand BF 1986 in dem bereits erwähnten Trio Gitan (siehe BR). In den letzten Jahren jedoch ist er nicht mehr so stark in der Szene hervorgetreten.

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Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 131

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2.3.2.4. Raphael Fays (RF) Wie Boulou Ferré wird der am 10.12.1959 in Paris geborene Raphael Fays anfangs von seinem Vater (Django Reinhardt orientiert) unterrichtet. Durch Marcel Dadi entdeckt, gibt RF mit sechzehn Jahren sein Schallplatten-Debüt im Duo mit seinem Vater, bei dem sie hauptsächlich traditionell im Stile Djangos spielten. Dieser Art der Musik bleibt er auch in den nächsten Jahre treu, bis das 1979 erschienene Album ‘Gipsy New Horizon’ neue Strukturen erkennen läßt: vom Swing über Modern Jazz bis Rock-Jazz. „Mit bestechenden spieltechnischen, interpretatorischen und kompositorischen Fähigkeiten betritt er die großen Konzertbühnen in Paris, London, Montreux und veröffentlicht attraktive, überzeugende Swing-Alben, die mit dem einen oder anderen Brasil- oder Latin-Titel wiederum über den Tellerrand des ‘Swing manouche’ hinausäugen.“28 Mitte der 80er Jahre entdeckt RF den Flamenco der Gitanos. Zusammen mit dem Jazzgeiger Pierre Blanchard gründet er ein neues Ensemble, das eine Verbindung zwischen dem Swingstil der mitteleuropäischen Manouches und dem Flamenco der spanischen Gitanos versucht und zu einer ‘Flamenco-Jazz-Fusion manouche/gitane’ führt, die auf den Einspielungen ‘Voyages’ (1989) und ‘Gipsy Touch’ (1991) vorgeführt wird.

2.3.2.5. Bir eli Lagr ene (BL) Den Beginn seiner Karriere markierte Bireli Lagrene (*04.09.1966 in Saverne) als dreizehnjähriger Gitarrist in der Django Reinhardt Stilistik mit dem Album ‘Routes to Django’ (1980). Es folgte ein Ausbruch aus diesen Strukturen, als sich BL der EGitarre widmete und 1986 mit dem Weather Report-Bassisten Jaco Pastorius verschiedene Konzerte spielte, auf denen er sich dem Rock und dem Rock-Jazz zuwandte und komplett aus den Traditionen ausbrach. Das ist auch in dieser Besetzung auf den Alben ‘Inferno’ (1987) und ‘Foreign Affairs’ (1988) zu hören. Erst 1993 beschäftigte er sich wieder zusammen mit dem Akkordeonisten Richard Galliano, der für seine ‘Musette-Nouveau’ (Musette in Verarbeitung mit zeitgenössischem Jazz) bekannt ist, mit den alten traditionellen Strukturen, die jedoch zeitgenössisch verarbeitet wurden. Sie veröffentlichen als Ergebnis ‘Viaggio’ (1993) und ‘New York Tango’ (1996). Die Django Reinhardt Tradition nimmt BL erst mit 30 Jahren wieder auf, in dem er 1996 auf dem Album ‘My Favorite Django’ verschiedene Django Reinhardt Kompositionen zu Fusion-Jazz-Arrangements umarbeitet und sie den musikalischen Strukturen der heutigen Zeit entsprechend interpretiert und aufführt. Insgesamt hat sich BL jedoch von den Strukturen der 28

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 134

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Django-Reinhardt-Stilistik gelöst und ist heute eher als moderner Jazzgitarrist anzusehen. Trotzdem zeigt er 1998 im Trio mit Angelo Debarre und Jimmy Rosenberg wieder, daß er auch in der traditionellen Spielart weiterhin überzeugen kann.

2.3.2.6. Frankr eich Zus ammenfass ung Im Gegensatz zu Deutschland kann man bei den französischen Zigeuner-Musikern eher von einem Bewußtsein ihrer Kultur reden. Auch wenn Aufnahmen belegen, daß in der Django-Reinhardt-Tradition gespielt wird, so ist jedoch insgesamt eine Weiterentwicklung parallel zum Jazz erkennbar. Der Umgang mit den Traditionen ist durch eine Verarbeitung von zeitgenössischen Jazz-Strömungen gekennzeichnet. Man spielt das Django-Reinhardt-Repertoire und seine Kompositionen in einem modernen Kontext, was man z.B. bei den Aufnahmen Christiam Escoudés (‘Gipsy Walz’, ‘Christian Escoudé With Strings Plays Django Reinhardt’) oder Bireli Lagrenes (‘My Favorite Django’) hören kann. Somit kann hier nicht mehr von einem ZigeunerJazz in der traditionellen Stilistik gesprochen werden, sondern von Jazz der von Zigeunermusikern gespielt wird und sich aus den Strukturen des QdHCDF in Verbindung mit der Jazz-Entwicklung herausgebildet hat.

2.3.3. Österreic h/Niederlande/Belgien 2.3.3.1. Karl Ratzer (KR) „Der in diesem Kontext renommierteste Musiker der Alpenrepublik ist der Gitarrist Karl Ratzer, 1950 in Wien geboren. Seine Attribute lassen sich mit ausgefeilter Spieltechnik, vitalem Interpretations- und Improvisationsgeist und augenfälliger stilistischer Wendigkeit auf den Punkt bringen. Beachtliche Qualitäten hat er daneben als Komponist und Arrangeur vorzuweisen, ...“ 29 KR macht vornehmlich durch seine Vielfältigkeit und stilistische Treffsicherheit auf sich aufmerksam und beweist dies auch auf seinen Einspielungen. So sind auf der 1992 mit Fritz Pauer (p), Paulo Cardoso (b) und Mario Gonzi (dr) entstandenen CD ‘Gumbo Drive’ verschiedenste Stilistiken, wie Modern Mainstream, Funk-Jazz, Rock-Jazz, Gospel oder Blues, anzutreffen. Die Karriere KRs begann als Rockmusiker, was ihn Anfang der 70er Jahre in die USA führte, wo er als Gitarrist in Soul-Formationen arbeitete und vor allem im Bereich des Rock-Jazz mit Jeremy Steig oder Steve Gadd spielte. Auch im Modern-Jazz-Bereich entstand eine Zusammenarbeit mit bekannten Musikern der 29

Litterst, Gerhard, Djangos Erben. Teil 1: Die Zigeuner-Musik zwischen Traditionspflege und Fortentwicklung in Jazzpodium, 39/12 (Dezember 1990), Seite 24

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amerikanischen Jazz-Szene (Bob Mintzer, Tom Harrell, Bob Berg, Joe Chambers, Ray Mentilla, Paul McCandles). In dieser Zeit veröffentlichte er auf dem VillageVanguard-Label zwei LPs. Er kehrt jedoch wieder zurück nach Europa und veröffentlicht 1979 das Album ‘Dancing On A String’, auf dem er seine Versiertheit auf der Gitarre vorführt. In der europäischen Szene der Jazzgitarristen erscheint KR erst wieder 1980 durch eine Europa-Tournee mit dem Chet Baker Quintett, auf der er einem breiten Publikum seine Fähigkeiten zeigt. In den nächsten Jahren verlegt er sich hauptsächlich auf Fusion- und Funk-Jazz bis er 1994 mit dem Album ‘Waltz For Ann’ mit dem Gast-Solisten Art Farmer durch West-Coast-Balladen und hardbop UpTime Stücke wieder seine Fähigkeiten als Modern-Jazz-Gitarrist unter Beweis stellt. Im Verbindung mit Zigeuner-Jazz ist er jedoch nur auf der Produktion ‘For You’ (1986) des Geigers Zipflo Weinrich zu hören. Man kann KR als „exzelenten Vertreter der bebopgeprägten Mainstream-Gitarre mit wohlabgestimmtem Single-Note- und Akkordspiel“ charakteresieren. „Melodisch wirkungsvolle Themen und rhythmische Präsenz sind seine Arbeitsmaximen als Interpret und als Komponist.“30

2.3.3.2. Zipflo Weinrich (ZW) Der jüngste Vertreter der österreichischen Zigeuner-Szene dürfte der am 16.06.1964 geborene Geiger Alois ‘Zipflo’ Weinrich sein, der in der Tradition des QdHCDF aufwuchs, aber auch Ambitionen in Richtung Modern Jazz hegt. 1981 erfolgte sein Debüt an der Seite seines Vaters Joschi Weinrich und weiterer Verwandschaft in Wien. Er widmete sich nun einer eigenen Formation, die sich am QdHCDF orientierte. Hier spileten sein Vater Joschi und im stetigen Wechsel Salmo Köhler, Striglo Stöger, Claude Manach, Karl Ratzer oder sein jüngerer Bruder Raglo Weinrich die Gitarren und sein Cousin Joschka Schneeberger Kontrabaß. Zusätzlich spielt ZW immer wieder in kleinen Jazz-Trio-Besetzungen mit Gitarre und Baß oder Schlagzeug und Keyboard. Mit den bisher fünf Veröffentlichungen zeigt sich der Geiger sehr Zigeuner-Jazz verbunden, läßt jedoch Ausflüge in Richtung Modern Jazz nicht aus. Seine Bekanntheit beschränkt sich wohl hauptsächlich auf die österreichische Jazz-Szene, da er nur selten im Ausland gastiert.

2.3.3.3. Stochelo Rosenberg (SR) Der zur Zeit bekannteste Gitarrist in der Django-Reinhardt-Tradition dürfte wohl der am 19.02.1968 in Helmond/Niederlande geborene Stochelo Rosenberg sein. Bereits mit zwölf Jahren überzeugte er mit seinem Talent bei verschiedenen Auftritten. Erst 1989 erschien die erste CD des Rosenberg Trios (‘Seresta’), mit SR als virtuosem 30

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Solisten und Nous’che Rosenberg (rh-g), Nonnie Rosenberg (b) als Rhythmusgruppe, die ganz in der Tradition von Django Reinhardt und des QdHCDF steht. Auf drei weiteren Veröffentlichungen (‘Gipsy Summer’, 1991, ‘Impressions’, 1992, ‘Live at the North Sea Jazz Festival’, 1993) und ausgedehnten Tourneen zeigte das Trio seine großen Fähigkeiten. „Ihre Musik swingt ungemein intensiv, fließt mit einer ihrer Kunstfertigkeit fast wiedersprechenden Leichtigkeit.“ 31 Nach einem Auftritt mit Stéphane Grapelli in der New Yorker Carnegie Hall zu dessen Geburtstagskonzert erhielt das Trio einen Plattenvertrag bei dem Jazzlabel Verve, auf dem 1994 das Album ‘Caravan’ erschien. Neben reinen Trio-Stücken wird das musikalische Spektrum durch Gastmusiker, insbesondere Stéphane Grapelli, erweitert. Auf dieser Einspielung sind auch der Rock-Jazz-Gitarrist Jan Akkermann und der Jazz-Vibraphonist Fritz Landesbergen zu hören, die sich sehr gut in den Swing-Kontext integrieren. SR beweist hier wiederum seine virtuosen und musikalischen Fähigkeiten im Bereich des traditionellen Zigeuner-Jazz. Im weiteren Verlauf seiner Karriere zeigt das Rosenberg-Trio bei zwar wenigen Trio-Aufnahmen ein großes Können im Bereich des Zigeuner-Jazz, verlegt sich jedoch mehr auf eine eher popularmusikalische Spielweise. Auf dem Album ‘Gypsy Swing’ (1996) spielt in mehreren Stücken SR als Solist mit kleinen Orchestern z.B. Filmmusik-Themen wie ‘Theme From Mahogany’ oder ‘Rosemary’s Baby’. Durch diese Instrumentation und die Art der Interpretation erhält die Musik eher den Charakter einer leicht klingenden Pop-Musik und entfernt sich komplett von den stilistischen Strukturen des ZigeunerJazz.

2.3.3.4. Fapy Lafertin Auch ein sehr traditionell orientierter, aber eher unbekannter, Gitarrist ist der 1950 in Courtraire/Belgien geborene Fapy Lafertin. Ausgestattet mit einer sehr guten Spieltechnik und einer hohen Musikalität begann er Ende der 60er Jahre seine Karriere als Sologitarrist in dem Zigeuner-Orchester ‘de PIOTTO’s’, benannt nach dessen Leiter Piotto Limberger. Das Repertoire setzte sich aus Zigeunerfolklore und Swing im Stile des QdHCDF zusammen. 1975 wechselte er zu dem Quartett ‘WASO’, das bis 1985 sechs Alben im traditionellen QdHCDF-Stil veröffentlichte und zu einem führenden Ensemble der Zigeuner-Jazz-Szene avancierte. Seit 1985 unterhält er sein eigenes Quintett (‘Hot Club Quintett Lapy Lafertin’), das sowohl in der Instrumentation, als auch im Repertoire dem QdHCDF verbunden ist. Außerdem zeigt sich bei LF ein Interesse für die romantische Zigeunermusik des Balkans und auch für die Musik Südamerikas. Dies wird deutlich an der Besonderheit, daß er neben der akustischen und der elektroakustischen auch noch die 12-saitige 31

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997, Seite 141

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portugiesische Fado-Gitarre (Stimmung: BB-AA-EE-BB-AA-DD) spielt. 1991 erscheint die erste CD ‘Fleur de Lavent’ des Quintetts, auf der LF die komplette traditionelle Bandbreite des Zigeuner-Jazz vorstellt und als Solist glänzt.

2.3.3.5. Österreic h/Niederlande/Belgien Zusamm enfassu ng Anhand der eher wenigen wichtigen Zigeunermusiker aus diesen Ländern ist es nur schwer möglich, eine zusammenfassende Aussage über die dortigen Entwicklungen zu treffen. Es sei nur darauf hingewiesen, daß sich in Belgien und den Niederlanden eine große Gruppe von Manouche niedergelassen hat, die sich sehr traditionell an dem Stil Django Reinhardts orientiert. Stochelo Rosenberg, sowie auch Fapy Lafertin stammen aus Familien mit einer langen musikalischen Tradition, die über die Generationen weitergegeben und bewahrt wurde. So könnte man daraus schließen, daß auch hier eher die traditionellen Strömungen vorherrschen und am Erbe Django Reinhardts festgehalten wird.

2.4. Musikgesch icht lich er Überblic k Zusamme nfassun g Es ist durch die bisherigen Betrachtungen zu erkennen, daß sich der Begriff des Zigeunerjazz geschichtlich an eine Person binden läßt. Als Django Reinhardt 1934 das QdHCDF gründete, begann eine musikalische Entwicklung, die bis heute anhält. Django Reinhardt entwickelte im Lauf Jahre, auf der Basis seiner Erfahrungen in der Zigeunerfolklore und der Bals Musette, in Verbindung mit dem Jazz der 30er und 40er Jahre, eine eigene Stilistik, bzw. einen Personalstil, der vor allem aus ethnischen Gründen in den weiteren Generationen hauptsächlich von Zigeunermusikern übernommen wurde. Damit wurde eine neue musikalische Tradition in der Zigeuner-Musik geschaffen. Auch bedingt durch den zweiten Weltkrieg lassen sich mehrere Strömungen dieser neuen Stilistik erkennen. In Frankreich, einem Land, in dem nach Kriegsende die Aktivitäten der Zigeunermusiker weiter uneingeschränkt möglich waren, läßt sich eine Entwicklung parallel der, des zeitgenössischen Jazz, erkennen. Trotz des Aufwachsens in der Django-ReinhardtTradition findet sich deren Pflege hauptsächlich nur noch im Repertoire wieder, das jedoch interpretatorisch der heutigen Zeit angepaßt wird (z.B. Bireli Lagrene oder Christian Escoudé). Eine andere Entwicklung dieser Art ist sowohl in Frankreich, als auch in allen anderen Ländern erkennbar. Es wird versucht, innerhalb der durch das QdHCDF vorgegebenen Strukturen, eine Neuerung zu erzielen. Man nähert sich einerseits mit den Improvisations-Strukturen dem modernen Jazz an und hält andererseits an den traditionellen Strukturen der Rhythmusgruppe und der

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Instrumentierung fest (z.B. Martin Weiss). Die dritte Strömung bildet die, die eigentlich das Idiom Zigeuner-Jazz repräsentiert. Vor allem in Deutschland, aber auch in den Niederlanden und Belgien, halten die Zigeunermusiker an dem musikalischem Erbe Django Reinhardts fest. Dies zeigt sich zum einen an dem Beharren auf Instrumentations-Strukturen des QdHCDF, sowie auf dem Repertoire (auch neue Repertoire-Erweiterungen werden dem Swing-Idiom angepaßt) und auf der Interpretationweise und zum anderen an der Pflege und Beibehaltung des Personalstils Django Reinhardts. Die wichtigsten Repräsentanten dieser Strömung sind z.B. Schnuckenack Reinhardt, The Rosenberg Trio, Titi Winterstein. Man kann bei den Musikern dieser Richtung von einer neuen Schule sprechen, nämlich der von Michel-Claude Jalard bezeichneten ‘l’école tsigane du Jazz’ oder auch der Schule des Zigeuner-Jazz. Das heißt: Zigeuner-Jazz ist das traditionelle Bewahren des Erbes von Django Reinhardts und des QdHCDF. Die von ihnen vorgegebenen Strukturen, vornehmlich die Personal-Stilistik Django Reinhardts, bilden die Dogmen, bzw. Basis, für eine neue musikalische Stilistik, die man der allgemeinen ZigeunerMusik zuordnen kann, und die, unabhängig von den weltweiten musikalischen Entwicklungen, hauptsächlich durch die ethnische Gruppe der Zigeuner, insbesondere in Deutschland, den Niederlanden und Belgien, traditionsbewußt weitergeführt und bewahrt wird.

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2.5. Au swahl-D isk ographi e Es ist leider nicht möglich, eine komplette Diskographie aller Musiker zu geben. Die hier angegebenen Ausgaben stellen nur eine Auswahl der wichtigsten Veröffentlichungen der im Vorangegangen erwähnten Musiker.

Django Re inh ardt Aufgrund der Masse von Veröffentlichungen Django Reinhardts kann hier nur auf einige der wichtigsten Zusammenstellungen aus seinen Aufnahmen hingewiesen werden. Eine komplette Übersicht aller Einspielungen Django Reinhardts findet sich in der Django Reinhardt-Biographie ‘Django. Mon Frère’ (Charles Delauney).  Django Reinhardt, Stéphane Grapelli et le Quintette du Hot Club du France, ‘Rare Django 1928-1938’, DRA Records CDSW 8419  Django Reinhardt, Vol 1, JSP 341  Django Reinhardt-Stéphane Grapelli-Michel Warlop, Special Quintette à cordes du Hot Club de France, 1936-1939, EMI 2512 70-2  Django Reinhardt, Decca 820 591-2  Django Reinhardt, ATC Band et Duke Ellington Orchestra, Vogue 600197  

   

Django Reinhardt et le Quintette du Hot Club de France, ‘Nuages’, Vogue 670205 Django Reinhardt-Stéphane Grapelli-André Ekyan, ‘Rome 1949-1950 Vol.1 et 2’, RCA PD 71 297 und 71 298 Django Reinhardt, ‘Django’, Vogue 668003/1/2/3 Django Reinhardt, ‘Swing in Paris, 1936-1940’, Afinity AFS 1003-5 Django Reinhardt, ‘Djangologie’, EMI 7806602-92 Django Reinhardt, ‘Pêche à la mouche’, Verve 835 418-2

Schnuckenack Reinhardt  Schnuckenack Reinhardt Quintett, ‘Musik deutscher Zigeuner I-IV’, 1968/1969/1970/1971, Da Camera SM 950 15/20/25/35  Ders., 15.03.1973, INT 28 556 (160031)  Ders., ‘Live’, 1973, INT 28 582 (160035)  Schnuckenack Reinhardt Sextett, ‘Starportrait Schnuckenack Reinhardt’, INT 155012  Schnuckenack Reinhardt Quintett, ‘Swing Session, 1975, INT 160010  Ders., ‘Swing On My Mind’, Philips 6623130  Ders., ‘Jak Swing’, 1981, RCA PL 28415  Ders., ‘Die Lerche’, 1983, Master/Teldec 6, 25425

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Häns’c he Weiss  Häns’che Weiss Quintett, ‘Musik deutscher Zigeuner V/VI’, 1972/1973, Da Camera SM 95040/45  Ders., ‘Dja Majo Drom’, 1974, Songbird/Schottverlag SB 32  Ders. & Gäste, ‘Fünf Jahre Musik deutscher Zigeuner’, 1977, INT 160088  Häns’che Weiss, ‘Couleurs’, 1981, Chapeau Claque 2081  

Häns’che Weiss Ensemble, ‘Zugaben’, 1985, Salko MMM 48532/1 Ders., ‘Erinnerungen’, 1988, Elite Spezial Extra CDE 733503

Titi Winterstein  Titi Winterstein Qintett, ‘Saitenstraßen’, 1988, INT 160117  Ders., ‘I Raisa/Die Reise’, 1979, INT 160134  Titi Winterstein Sextett, ‘Djinee Tu Kowa Ziro’, 1985, Boulevard 501  Titi Winterstein Quintett, ‘Live mit Vanessa & Sorba’, 1987, Boulevard 508  Ders., ‘Maro Djipen’, Boulevard 525  Ders., ‘The Best Of’, Boulevard 528 Schmitto Kling    

Hot Club The Zigan, ‘Musik deutscher Zigeuner’, 1976, Bellaphon BLPS 19241 Ders., ‘Alone Together’, 1980, EOM 12462 Ders., ‘Adagio’, 1982, Aurophon 11067 Ders. Auf: ‘Manouche/Les Musiques D’Aujourdhui Des Tsiganes D’Alsasace’, 1984, APPONA

Wedili Köhler  Hot Club Da Sinti, ‘Wonderful’, 1981, Linkshändle  Wedili Köhler, ‘Sinti Swing’, 1986, Koala-Tonstudio Karlsdorf Mike Re inhard t  Mike Reinhardt Sextett with Dick Heckstall-Smith, ‘Back in Town, 1987, Bellaphon 26007098

Al fr ed Lor a  The New Alfred Lora Swingtett, ‘Straight Ahead’, 1985, Altaxon AL 5001

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Marti n Weiss  Martin Weiss Ensemble, ‘for all my friends’, Raumer Records Zipflo We inrich  Zipflo Weinrich Quintett, ‘A Dadlo’, 1985, Groove-Rec. L 120 883  Zipflo Weinrich Quartett mit Karl Ratzer, ‘For You’, 1986, RST ZW-922 Karl Ratzer  Karl Ratzer, Gipsy Love, 1970, Heller Enterprises  Ders., ‘In the search Of the Ghost, 1978, Vanguard  Ders., ‘Street Talk’, 1979, Vanguard  Ders., ‘Dancing on a String’, 1979, CMP 13  Ders., ‘Finger Prints’, 1980, CMP 7  Ders., ‘A Fool For Your Sake’, 1981, GIG  Ders., ‘Electric Finger’, 1982, RST  Ders., ‘Happy Floating’, 1985, RST 130305  Ders., ‘Serenade’, 1986, RST 186111 mit Karl Ratzer:  Jeremy Steig/Eddie Gomez Group, ‘Rain Forrest’, 1980, CMP 12 

Chat Baker, ‘Live in Paris’, 1980, Circle 25680-22/23/36; 27680/32

Stochelo Rosenberg  Stochelo Rosenberg, ‘Seresta’, 1989, Hot Club Records HCRCD 59  The Rosenberg Trio, ‘Gipsy Summer’, 1991  The Rosenberg Trio, ‘Impressions’, 1992  The Rosenberg Trio, ‘Live at the North Sea Jazz Festival’, 1993, Verve 519 446-2  The Rosenberg Trio, ‘Caravan’, 1995, Verve 523 030-2  The Rosenberg Trio, ‘Gypsy Swing’, 1996, Verve 527 806-2 Boulou Ferré  Boulou and Elois Ferré, Pour Django’, Steeplechase SCS 1120  Ders., ‘Gypsy Dreams’, Steeplechase SCS 1140  Ders., ‘Trinity’, Steeplechase SCS 1171  Boulou Ferré Quartett, ‘Relax and Enjoy’, Steeplechase SCS 1210

Bireli Lagrene  Bireli Lagrene, ‘Routes to Django’, 1980, Antilles AN 1002  Ders., ‘Bireli Swing 81’, Jazz Point 1009

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     

Ders., ‘Bireli Lagrene 15’, Antilles AN 1009 Ders., ‘Down in Town, Antilles AN 1019 Bireli Lagrene Ensemble, ‘Live’, Jazz Point 1015 Bireli Lagrene, ‘Acoustic Moments’, 1990, Blue Note 795 2632 Ders., ‘Standarts’, 1992, Blue Note 780 2512 Ders., ‘My Favourite Django’, Dreyfus Jazz FDM 36574-2

Fapy Lafertin  Lapy Lafertin, ‘Fleur de Lavende’, 1992, Hot Club Records HCRCD 67  Ders., ‘Swing Guitars’, 1994, LJFL 01  Ders., ‘Hungaria’, 1996, LJFL 02  Lapy Lafertin Quartett, ‘Aurore’, RIFF 85026-2  Waso, ‘Live in Laren’, Polydor 2925111  Waso, ‘Gypsy Swing Vol.5’, Munich BM 150246 Babik Reinhardt 

Babik Reinhardt, 1967, Vogue EPL 8524 (45t)



Ders., ‘joue Sidney Bechet’, 1968, Vogue CL VLX 213



Ders., ‘Sur Le Chemin De Mon Père ... Django’, 1974, EMI MFP 2 M 026-13200



Ders., ‘Sinti Oun Bresil, 1975, CBS



Escoudé/Ferré/Reinhradt, ‘Three Of a Kind’, 1986, JMS 038



Babik Reinhardt, ‘All Love’, 1988, RDC 400012/Melodie



Ders., ‘Live’, 1989, RDC 400032/Melodie

Christian Escoudé 

Chritian Escoudé Quintett, ‘Reunion’, 1975, Musica MUS 3003



Jean-Charles Capon & Christian Escoudé, ‘Les 4 Elements’, 1976, Musica MUS 3006



Mike Zwerin Chamber Jazz Trio, ‘Not Much Noise’, 1978, Spotlite 19



John Lewis Quartet, ‘Mirjana’, 1978, Ahead 33750



Swing String System, Evidance 1003/Media 7



Charlie Haden & Christian Escoudé, ‘Gitane’, 1978, All Life 001



Charlie Haden & Christian Escoudé, ‘Gousti’, All Life 006



Michael Graillier & Christian Escoudé, ‘Libra’, MUS 3017



Martial Solal Big Band, 1981, Gaumont Musique 753804/WEA



Christian Escoudé, Gipsy’s Morning, 1981, JMS 013

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Christian Escoudé Group feat. Toots Thielmans, 1982, JMS 022



Catherine/Escoudé/Lockwood, 1983, JMS 031



Christian Escoudé Oktett, ‘Gipsy Waltz’, 1989, Emarcy/IMS

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3. Zweiter Teil: Gitarrenspez ifis che st ilis tisc he Analyse Im zweiten Teil dieser Arbeit sollen nun die für die Gitarre typischen stilistischen Elemente erarbeitet werden, anhand derer die Stilistik definiert werden kann. Es sind drei Hauptgebiete, die stillbildend sind: der unverwechselbare Gitarrensound, die Besetzung und die Arbeit der Rhythmusgruppe und die Improvisations-Strukturen. Auf der Begleitkassette befinden sich Aufnahmen der wichtigsten Stücke, die für diese Analyse verwendet wurden. Im folgenden Text wird für die Notenbeispiele die allgemein üblichen Notationen verwendet, die allerdings durch verschiedene Aspekte erweitert werden. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle eine kurze Zeichenerklärung eingefügt:1 Bezeichnungen für die rechte Hand: p = Daumen i = Zeigefinger m = Mittelfinger a = Ringfinger

Bezeichnung für einen Abschlag mit dem angegebenen Finger der rechten Hand (in diesem Falle mit dem Zeigefinger).

Bezeichnung für einen Aufschlag mit dem angegebenen Finger der rechten Hand (in diesem Falle mit dem Zeigefinger)

ami-Abschlag: Alle drei Finger (Ring-, Mittel- und Zeigefinger) werden gleichzeitig für den Abschlag genutzt.

1 Vergleiche Graf-Martinez, Gerhard, Flamenco-Gitarrenschule Band 1, Mainz

1994

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golpe mit Daumen-Abschlag: Mit dem Ringfinger wird gleichzeitig mit der Abschlagsbewegung des Daumens perkussiv auf die Decke unterhalb des Schalloches geklopft.

apagado: aus einer Drehbewegung heraus werden die Saiten mit der Handkante der rechten Hand abgedämpft.

Mano-Golpe: Mit der Handfläche der rechten Hand wird auf die Saiten geklopft, wobei die Finger unterhalb und der Daumen oberhalb des Schalloches aufschlagen und dabei den perkussiven Effekt erzielen.

3.1. Der Git arrenso un d Das typische Klangbild dieser Stilistik wird zum einem durch die Rhythmusgruppe, zum andern aber durch den bestimmten akustischen Instrumentenklang, erzeugt, der durch Django Reinhardt vorgegeben wurde. Bei den Zigeunergitarristen setzt sich der 'Sound' aus mehreren Komponenten zusammen: akustische Instrumente (es werden auch elektrische Gitarren verwendet, was allerdings ein vom traditionellen Zigeuner-Jazz abweichendes Klangbild erzeugt) und ein harter Plektrumanschlag. Im weiteren soll auf das zigeunerjazztypische Instrument, die Gitarren im SelmerMaccaferri-Stil (auch Django-Gitarren genannt, und auf andere klangbildende Komponenten eingegangen werden. 3.1.1. Macc aferri und seine Gitarr en Mario Maccaferri, geboren 1899 bei Bologna in Italien, war im Alter von zwölf Jahren bereits Lehrling des Gitarrenbauer Luigi Mozzani, der ihn zu einem Gitarren-Studium anregte. Nach dem Studium an der Akademie in Sienna, das er 1916 begann, ging er 1919 nach Paris. Die nächsten Jahre verbrachte Maccaferri als konzertierender Gitarrist, bis er 1933 seine Solokarriere durch einen komplizierten Bruch der rechten

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Hand aufgeben mußte. In diesen Jahren hatte er jedoch einige Zeit in London verbracht, um das Handwerk des Gitarrenbaus zu intensivieren. Noch vor seinem Unfall wurde Mario von dem Instrumentenhersteller Henri Selmer (eher durch Blechblasinstrumente bekannt) unter Vertrag genommen und baute die ersten Maccaferri-Gitarren, die 1932 unter der Aufschrift Fabriqué en France sous la Direction technique de M.Maccaferri, Selmer & Cie, Paris auf den Markt kamen und begeistert von Django Reinhardt entdeckt wurden. Nach heftigen Auseinandersetzungen verließ Maccaferri 1933 jedoch wieder die Instrumentenfirma Selmer, nachdem er in ihrem Auftrag etwa 300 Gitarren produzierte. Ansonsten wurde er in den späteren Jahren durch Plastikgitarren und Ukulelen bekannt, die durch ihren niedrigen Preis in unglaublichen Stückzahlen verkauft wurden. Mario Maccaferri starb am 16. April 1993. Trotz seiner Karriere als Konzert-Gitarrist verfolgte Mario Maccaferri in den 20er und 30er Jahren den Gitarrenbau weiter "und entwickelte die Konstruktion zur sogenannten 'Django-Gitarre', die auch als Darmsaitenmodell erhältlich war und somit auch für den klassischen Bereich konzipiert war. ... Die ersten von Selmer gefertigten Django-Gitarren wiesen für die damalige Zeit richtungsweisende Einzelheiten auf, so etwa geschlossene, selbstschmierende Mechaniken, Cutaway und in den meisten Fällen eine interne 'Soundbox'. Dabei handelte es sich um ein Gehäuse innerhalb des Korpus, mit Öffnung zum Schalloch, dessen Boden aus Fichte gefertigt war. Verankert war dieser interne Klangraum an vier Stellen des Zargenkranzes, und unterhalb des Schallochs befand sich eine Art Schild, das die Schwingungen vom Boden des Korpus ablenken sollte. Ziel war es, eine möglichst gute Ausgewogenheit“ des Klanges „zu erhalten. Auch die gesamte sonstige Konstruktion unterschied sich erheblich von den bis dahin bekannten Bauformen. Typische Merkmale der Django-Gitarren waren das große D-förmige Schalloch und die schmale, durchbrochene Kopfplatte. In den ersten Katalogen wurden drei unterschiedliche Modelle angeboten: die Classical, die Hawaiien und die Orchestra das Modell, welches Django Reinhardt zur Legende machte. Der Korpusübergang befand sich am 12.Bund, die Mensur betrug hierbei 63,8 cm. In der folgenden Zeit entstanden Modelle mit kleinem, ovalem Schalloch und langer 67er Mensur. Die meisten 'Originale' wurden aus Palisander für Boden und Zarge und Fichte für die Decke gefertigt, doch es kamen auch Ahorn (für Zarge und Boden), Nußbaum (Für den Hals) und Ebenholz (für das Griffbrett) zur Verwendung. Der charakteristische Steg, mit seinen spitzen Flügeln und seiner besonders schmalen Bauweise, war aus Palisander hergestellt.“2

2Bauer,

Ralf, Maccaferris Erben, in: Akustik Gitarre, Münster, 4.Jahrgang, 1997, Seite 58-59

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Diese sogenannten Maccaferri-Gitarren sind durch ihren eigenen Sound und natürlich durch Django Reinhardt zum Aushängeschild der Zigeuner-Jazz-Szene geworden und geben dieser Musik ihr unverwechselbares Klangbild. 3.1.2. Maccaferr is Nach ko mmen Trotz des Todes Maccaferris leben seine Instrumente weiter. Es werden heute von verschiedensten Gitarrenbauern Instrumente im Konstruktionsstil der 'DjangoGitarren' angeboten. Die meisten von ihnen sind stark an den Originalmodellen von Selmer orientiert. "Es sind lediglich einzelne Details, die sie von den alten Maccaferris unterscheiden. Die Soundbox, die bereits in den 30er Jahren aus diesen

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Instrumenten verschwand, da sie einen erheblichen Mehraufwand in der Fertigung, aber nicht die deutliche klangliche Steigerung darstellte, ist auch in den Hahl-Gitarren nicht zu finden. ... Die alten gekapselten und selbstschmierend arbeitenden Mechaniken sind heute leider nicht mehr in solcher Ausführung erhältlich - ..." 3 Von den ersten Selmer-Maccaferri-Modellen haben sich vornehmlich zwei durchgesetzt: das Orchestra-Modell mit dem großen D-förmigen Schalloch und das OrchestraModell mit kleinem, ovalem Schalloch. Da diese Gitarren in der Regel nicht in Serie gefertigt (es gibt natürlich wenige Ausnahmen, wie z.B. japanische Maccaferri Kopien aus Serienproduktionen), sondern hauptsächlich von einzelnen Gitarrenbauern angeboten werden und somit auch nicht unbedingt im Musikalienhandel vorzufinden sind, wird hier eine Liste von verschiedenen Anbietern dieser Modelle eingefügt. Steffan Hahl Gitarrenbaumeister Taunusblick 1 D-65623 Mudershausen Germany Telefon/Fax: 06430/6476

Henning Doderer Zupfinstrumentenmacher-Meister Cambergstraße 10 D-65529 Waldems Germany Telefon: 06087/752

Rob Aylward 327, Old Farm Avenue Sidcup Kent. DA15 8AA United Kingdom Telefon: UK-44 (0) 181 302 1540 (Privat) UK-44 (0) 132 255 3393 (Werkstatt)

John le Voi 8, Hamilton Road Alford Lincolnshire. LN13 9HD United Kingdom Telefon: UK-44 (0) 150 746 3341

Dave Hodson 69 Cartwright Street Loughborogh Leicstershire LE 11 1JW United Kingdom Telefon: (01509) 234625

3siehe

Jean Pierre Favino Les Gaouats 31160 Castelbiague France Telefon/Fax: 0033 -61 90 10 27

1. Bei den hier im Text erwähnten Hahl-Gitarren handelt es sich um die Modelle 'Gitano' und 'Gitano-D' von dem Gitarrenbauer Stefan Hahl. Die hier genannten Unterschiede zwischen den Hahl- und den srcinal Selmer-Gitarren sind ebenso für die meisten Anbieter von Django-Gitarren zutreffend.

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Fere Scheidegger Lorrainestraße 58 Postfach CH- 3000 Bern 11 Schweiz Telefon/Fax: 41 31 331 44 37 Die Telefonnummern sind teilweise ohne Ländervorwahl ! 3.1.3. Die Saiten Interessanterweise entfalten die erwähnten Maccaferri-Modelle ihren spezifischen Klang nur mit einem bestimmten Saitentyp. Es können zwar auch normale Stahlsaiten benutzt werden, die allerdings nicht die typischen Klangqualitäten der Gitarren hervorbringen. Normalerweise werden 'Argentine'-Saiten auf den ‘DjangoGitarren’ gespielt, die heute von dem französischen Saitenhersteller Savarez vertrieben werden. "These guitars are traditionally played with Argentine strings, a very light, special composition string made in France. They are also generally played with rather high action, for clearer notes and better vibrato. American silk-and-steel and bronze strings emphatically do not work, regular steel strings are merely acceptable."4 "Argentine 'Plain Steel & Wound Steel Strings' The ARGENTINE strings were born more than 60 years ago and have been played by many guitarists worldwide. Used by a great many of renowed musicians, they are perfectly suited for the legendary SELMER-MACCAFERRI guitars which continue to be made by highly skilled luthiers who perpetuate their existence. ARGENTINE strings offer a brilliant and clear sound. Using the finest quality raw materials and latest technologie, SAVAREZ has established the perfect harmony between the steel core amd wound silver metal. The result is a string with powerful enriched tonal qualities that can withstand hard use." 5

4Dupont,

Maurice, Personal Observations an the Selmer, http://ourworld.compuserve.com/homepages/sroyall/selmobs.htm 5Savarez, Argentine 'Plain Steel & Wound Steel Strings', http://www.savarez.com/argentine.htm

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3.1.4. Das Plektrum Ein weiterer Faktor, der in den Klangbildungsprozeß mit integriert ist, stellt das Plektrum dar. Dieser Aspekt setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: Die Art des Anschlages und die Art des Plektrums. Der Plektrumanschlag ist in dieser Musik sehr hart, was ein starkes Attack im Ton hervorruft. Viele Gitarristen spielen oft nur mit Abschlägen, um einen solch kraftvollen Ton zu erlangen. Stochelo Rosenberg erklärt das Dominieren des Abschlages in seiner Plektrumtechnik zum einen durch das autodidakte Erlernen des Instrumentes und zum anderen durch das dadurch entstehende Klangbild der Gitarre: "Ich habe es mir von Anfang an schon so beigebracht und kann so auch die Gitarre aggressiver klingen lassen."6 Der zweite Punkt ist nun die Art des Plektrums. Empfohlen wird in der Zigeunerjazzliteratur in der Regel immer ein sehr hartes Plektrum, was den harten Anschlag zusätzlich unterstützt. "The strings should be light gauge and the plektrum a thick rigid type, preferably made from tortoiseshell."7"It is important to use a hard plectrum, pereferably in tortoise-shell. A thin plectrum gives a dry, precise sound. A thick plectrum gives a round, liquid sound."8

6Holl,

Wilhelm (Interviewer), Interview mit dem Rosenberg Trio, Karstadt Dresden, 04.05.1998 Ian, The guitar style of Django Reinhardt & the Gypsies, Wise Publications, London/New York/Sydney, 1989, Seite 8 8Leguidcoq,Patrick/Redon, Jean-Marie, Guitare Manouche Methode de Jazz Gitan, Editions Salabert, Paris, 1983, Seite 8 7Cruickshank,

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3.2. Die Rhyth mu sgr up pe Die Rhythmusgruppen in den verschiedenen Zigeuner-Jazz-Formationen ist traditionsbewußt an die, des QdHCDF angelehnt. Die Instrumentierung, als auch die verwendeten rhythmischen Strukturen, sowie das harmonische Material basieren auf Django Reinhardts Formationen, wurden jedoch durch die Entwicklung der Musik angereichert. 3.2.1. Instrumentierung Die Instrumentierung des von 1934 bis 1939 bestehenden ersten QdHCDF bestand aus einer Solo-, bzw. auch Rhythmusgitarre, einer Solo-Geige und einer Rhythmusgruppe, bestehend aus zwei Rhythmusgitarren und einem Kontrabaß (nach 1939 auch Klarinette, Schlagzeug, Klavier). Ein reines Saitenquintett, was in der damaligen Zeit ein Novum darstellte, jedoch in Anbetracht des musikalischen Umfeldes jener Zeit nicht ungewöhnlich ist. Zum einen sind die in der ZigeunerFolklore typischen Instrumente vornehmlich Saiten-Instrumente: Gitarre, Geige, Laute (heute noch auf dem Balkan gespielt, ansonsten von der Gitarre verdrängt) und Cymbalum. Neben den Saiteninstrumenten stehen die Panflöte, das Akkordeon, sowie Trommeln und das Tambourin. Weiterhin finden sich in den Rhythmusgruppen der Musetteorchester wieder das Banjo oder die Gitarre und der Kontrabaß. Als weiterer Einfluß kann man die ersten Gehversuche amerikanischer Gitarristen wie Eddie Lang oder Dick McDonough sehen, die schon zu dieser Zeit in kleinen Saiten orientierten Ensembles arbeiteten. Ein weiterer Faktor stellt das Problem der Lautstärke dar, welches zu dieser Saitenformation geführt haben kann. Die damaligen Jazz-Formationen waren hauptsächlich Big-Bands, die durch das Schlagzeug und die Blechbläser eine sehr hohe Grundlautstärke bildeten, und somit einem dagegen eher leisen Saiteninstrument keine Möglichkeit einer solistischen Betätigung einräumten. In Anbetracht all dieser Gesichtspunkte ist die Fixierung auf Saiteninstrumente ein Weg der Verbindung von Zigeuner-, sowie der damaligen Popularmusik und des Jazz, in dem sich auch die Gitarre, sowie die Geige solistisch entfalten können. Die Gitarre und der Kontrabaß ist in Django Reinhardts Formationen, bis auf die letzten Jahre ab 1947, als sozusagen Basisrhythmusgruppe immer präsent. Erweitert wurden die beiden Instrumente teils durch Schlagzeug oder auch Klavier. Bis heute sind die Zigeuner-Jazz-Formationen dieser traditionellen Rhythmusgruppenbesetzung treu geblieben. Die Basis bilden immer Kontrabaß und Gitarre (je nach Größe der Ensembles ein bis drei Gitarren). Als Erweiterung findet man heute hauptsächlich Klavier, Akkordeon und teilweise auch Schlagzeug (z.B. Titi Winterstein Quintett (Akkordeon/Klavier), Fapy Lafertin Quartet (Schlagzeug)).

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3.2.2. Rhythm us Die charakteristische swingende Rhythmusgruppe des QdHCDF wurde durch das Zusammenspiel von Kontrabaß und den Gitarren erzeugt. Während der Kontrabaß meist halbe Noten spielt, spielen die Gitarren darüber einen nicht durchbrochenen Vier-Viertel-Rhythmus, bei dem durch Abdämpfen des jeweils zweiten Akkordes eine starke Akzentuierung der Zwei und der Vier des Taktes erzeugt wird. Diese Spielweise läßt sich auf die Spielarten der Gitarre, bzw. des Banjos, in den 20er Jahren zurückführen. Im Jazz dieser Zeit wurden diese Instrumente vornehmlich als Begleitinstrumente eingesetzt. Es sind hauptsächlich zwei Spielarten der Gitarre bekannt: Zum einem die rhythmisch-harmonische Begleitung im Vier-ViertelRhythmus (z.B. Big-Band-Begleitung) und zum anderen der Wechsel zwischen Baßtönen (Zählzeiten 1 und 3) und Akkorden (Zählzeiten 2 und 4) (Duo- und Trioformationen, sowie auch in der Zigeunerfolklore wiederzufinden). Diese Art der Begleitung bildet auch die Basis für den typischen Swing-Rhythmus des QdHCDF. Eine weitere rhythmische Bereicherung stellte Django Reinhardt selbst dar, der stets zur Unterstützung der Rhythmusgruppe einsetzte und durch eine Art 'SoloBegleitung' den Swing weiter in Schwung brachte (darauf wird im Weiteren näher eingegangen). Diese Spielarten sind bis heute in den Zigeuner-Jazz-Formationen als Basis-Swing-Rhythmus geblieben. Durch die Adaption moderner Jazz- und LatinStandards sind jedoch noch etliche rhythmische Komponenten hinzugekommen. Es folgt nun ein Überblick über die typischen Gitarren-Rhythmen des Zigeunerjazz, aufgeteilt nach Basis-Begleitung und 'Solo-Begleitung', bzw. 'Rhythm-Fills'. 3.2.2.1. 4/4 Swing-Rhythmus Bevor nun auf die eigentlichen Rhythmuspattern eingegangen wird, sollte man sich mit der Akzentuierung beschäftigen. Der typische Swing-Rhythmus entsteht durch die Akzente auf der Zwei und der Vier eines durchgehenden 4/4-Schlag-Rhythmus. In der Literatur findet man Verweise auf Pierre ‘Baro’ Ferret, der mit Django Reinhardt 1933 in Guerino’s Orchester den sogenannten ‘pompe manouche’, also diesen 4/4-Swing-Rhythmus, eingeführt haben soll. Durch den sehr perkussiven Klang stellt es eine Art Schlagzeugimitation dar: erster Schlag Bass-Drum, zweiter Schlag Snare-Drum oder verbalisiert 'boom-chick'. Im ersten Moment eine komische

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Vorstellung, aber am nächsten an der Realität. Aus diesem Modell ergibt sich folgendes Klangbild im 4/4-Takt: 1 2 3 4 boom chick boom chick Übertragen auf die Gitarre stellt das 'boom' einen Schlag auf die Baß-Saiten der Gitarre und das 'chick' einen Stakkato-Schlag auf die Diskant-Saiten, bzw. auch auf den ganzen Akkord, dar. Im Notenbild sieht das wie folgt aus:

Verwendet werden hierbei nur Abschläge, was in der rechten Hand einen ternären Achtel-Wechselschlag ( ) zur Folge hat, welcher auch für Variationen durch DeadNotes genutzt wird. Zum Beispiel:

Als weitere Variante werden in Balladen oft die Viertel gleichbleibend durchgeschlagen, um ein volleres Klangbild zu erzeugen. Die Akzentuierung der Zwei und der Vier durch Stakkato-Abschläge, dagegen die Eins und die Drei mit Portato-Abschlägen, bleibt jedoch erhalten. Auch hier werden Achtel-Aufschläge als Dead-Notes genutzt.

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Diese Basis Swing-Rhythmen der Gitarre werden in Verbindung mit einer HalbenNoten- (eher traditionelle QdHCDF-Färbung), als auch mit einer Viertel-NotenBaßfigur (Walking-Baß) (modernere Spielweise) des Kontrabaß gespielt und erzeugen so den traditionellen Zigeuner-Jazz-Sound. 3.2.2.2. 3/4-Begl eitu ng Aus der Tradition der Valses-Musettes entstand die typische 3/4-Begleitung, die durch die Akzentuierung der Zwei auch am Wiener Walzer angelehnt ist. Eine Verbalisierung des Grundrhythmus ist nicht so einfach, würde aber prinzipiell 'boomchick-chick' klingen, wobei die zweite Silbe stärker betont werden muß, als die Dritte: > 1 2 3 boom chick chick Der Klang als auch die Spieltechnik bleibt wie beim 4/4-Rhythmus: 'boom' steht für die Baß-Saiten und 'chick' für die stakkato gespielten Diskant-Saiten:

Auch hier werden nur Abschläge verwendet, was eine Vielzahl von Achtel-AufschlagVariationen ermöglicht. Zum Beispiel:

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Ein weiterer Klangeffekt findet man bei verschiedenen Aufnahmen: das Arpeggieren von Akkorden:

Hier nun als Beispiel eine Mischung der benannten 3/4-Begleitmöglichkeiten über die Changes von 'Seresta' (Musette-Valse):

3.2.2.3. Adapt ion en aus d em Flamenco Bevor nun auf Begleitvarianten für Latin-Standards eingegangen wird, sollen hier die typischen Flamenco-Rumba-Figuren1, wie man sie bei den Gitanos (z.B. Gipsy Kings) hört, dargestellt werden. Diese Rhythmen stellen neben Begleitadaptionen von Latingitarristen eine Basis für die Gitarrenbegleitung von Latin-Standards dar. Es ist anzunehmen, daß die Zigeuner-Jazz-Gitarristen die rhythmischen Strukturen der Flamenco-Rumba übernommen haben. Die hier aufgeführten Anschlagspattern kommen in dieser Form, bezogen auf die Fingertechniken der rechten Hand, nicht bei Zigeuner-Jazz-Formationen (vornehmlich Plektrumspieler) vor.

1siehe

Graf-Martinez, Gerhard, Flamenco Gitarrenschule Band I, Mainz, 1994

50

Es finden sich zwei Grundrhythmen, deren Basis durch perkussive Effekte unterstützt werden. Die erste Figur ist an der klassischen Rumba-Figur orientiert. Übertragen ergibt sich für die Gitarre eine etwas erweiterte Grund-Figur (Achtel-Umspielung der Vier) mit perkussiv unterstützter Eins:

Als weitere Ergänzung wird nun zusätzlich die Drei zum einen durch abdämpfen:

und zum anderen durch perkussiven Effekt hervorgehoben:

Die zweite Grundfigur ist nun direkt an der Eins und der Drei orientiert, die perkussiv hervorgehoben und durch Achtelschläge umspielt werden. Es finden sich zwei Hauptvarianten: Variante 1:

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Variante 2:

Diese zwei vorgestellten Grundrhythmen wurden von den Zigeuner-JazzFormationen übernommen, wobei das filigrane Spiel der rechten Hand durch das Plektrumspiel ersetzt wird. 3.2.2.4. Latin-Rhythmen Durch die Repertoireanreicherung mit moderneren Jazzstandards, wie auch Latinstandards, wurde das Begleitspektrum erweitert. Es finden sich nur wenige typische Schlagrhythmen, mit denen das ganze Latin-Spektrum abgedeckt wird. Diese Rhythmen sind zum einen den Gitanos und zum anderen der südamerikanischen Musik selbst entnommen. Man kann hier eine Trennung zwischen einer allgemeinen Latin- und einer Rumba-Begleitung hören. Die allgemeine Latin-Begleitfigur erzeugt durch das Hervorheben der Zwei und der Vier mit Dead-Notes einen Groove, der durch eine latintypische Kontrabaßfigur den Latincharakter erhält. Die Figur ergibt sich aus einem durchgehenden Achtelwechselschlag:

Dies stellt die hauptsächlich verwendete Grundfigur für die Latin-Begleitung (ab und zu auch leicht variiert) dar. Für das restliche Spektrum der Latin-Musik werden die schon vorgestellten RumbaBegleitungen verwendet, welche nun dem Plektrumspiel angepaßt werden. Die perkussiven Effekte der Flamencogitarristen werden durch Dead-Notes imitiert.

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Die Rumba-Figur in Reinform stellt das erste Pattern dar. Auch hier wird wieder ein durchgängiger Achtelwechselschlag verwendet. Die Akzente entstehen durch Stakkatoschläge auf der Eins und der Zwei-Und:

Erweitert wird diese Figur nun durch eine Achtelumspielung der Vier:

Zusätzlich kann noch eine Dead-Note auf der Drei eingeführt werden:

Die zweite Figur, die man in der Flamenco-Rumba-Begleitung vorgefunden hat, wird ebenso verwendet und auf einen Achtelwechselschlag des Plektrums geändert:

Die Latin-Begleitung läßt sich so auf drei Grund-Anschlags-Pattern zusammenfassen, mit denen die Zigeuner-Jazz-Formationen das breite Spektrum der südamerikanischen Musik abdecken.

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3.2.2.5. 'Solo-Begleitung'/Rhythm-Fills Die jetzt besprochenen Grundmuster der Begleitung werden manchmal mit kleinen Rhythm-Fills durchbrochen, um durch kurze Varianten die Rhythmusgruppe abwechslungsreicher und wirkungsvoller zu gestalten. Die meisten dieser Fills lassen sich anhand von Django Reinhardts Begleitungen, die schon fast solistischen Charakter aufzeigen, studieren. Bei der Einspielung von 'Dinah' (Dezember 1934) (siehe Notenanhang) wechselt Django Reinhardt in die Rhythmusgruppe und erzeugt eine extreme Steigerung des Grooves. Anhand der zwei Begleitungsdurchläufe Reinhardts lassen sich viele der heute verwendeten Rhythm-Fills ableiten. 2 Schon beim Einstieg in die Rhythmusgruppe wird der Groove durch einen Achtelrhythmus verstärkt (Takt 65ff), bei dem sich Abschläge auf den geraden Zählzeiten und abgedämpfte Aufschläge (Dead-Notes) auf den ternären Zwischenachtel abwechseln und einen Shuffleanschlag erzeugen. Weitere rhythmische Komponenten, die der Auflockerung des starren 4/4 Grundrhythmus dienen, sind zum Beispiel die Verwendung von Achteltriolen (Takt 95 und 103), offbeat-Akzenten (Takt 92 und 116) und die Akzentuierung jedes Viertels im Takt (Takt 90-91). Andere interessante rhythmische Strukturen finden sich bei Schlußseqenzen von Formteilen, welche den Rhythmus wieder vorantreiben und den nächsten Teil einleiten. Dies sind zum Beispiel die stark akzentuierten Viertel in Takt 81, die durch ihre harmonische Struktur in ihrer Wirkung verstärkt werden (siehe im Folgenden), und die, auf '1 und' beginnende, polyrhythmische Figur in Takt 96 und 97 (punktierte Viertel über 4/4 Rhythmus). Ein weiteres verwendetes Mittel ist das Tremolieren von Akkorden (Takt 88 und 89). Aus dieser rhythmischen Kurzanalyse lassen sich nun typische Klischees herausarbeiten, die als Rhythm-Fills verwendet werden, um den starren 4/4-Groove etwas aufzulockern, bzw. voranzutreiben: - Die schon im 4/4 Swingrhythmus eingeführten Achtel-Dead-Notes. - Die Verwendung von Akzentuierungen der Viertel und das setzen von OffbeatAkzenten:

2siehe

dazu auch "Django Reinhardt: Begleitung und Akkordvokabular" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, ConBrio, Regensburg 1998

54

- Polyrhythmische Figuren, sowie synkopierte Figuren:

- Das Tremolieren von Akkorden, eine Technik, die wahrscheinlich ebenfalls von den Gitanos, d.h. aus dem Flamenco, übernommen wurde. Es soll hier nun noch spieltechnisch erläutert werden. Es bedarf einiger Übung ein rhythmisch, sowie dynamisch, kontrolliertes PlektrumTremolo zu erzeugen. Das typische Tremolo entsteht aus einer, mit einem Abschlag beginnenden und einem Aufschlag endenden, schnellen, rhythmisch exakten Wechselschlagsbewegung. Die Geschwindigkeit ergibt sich aus den spieltechnischen Voraussetzungen eines jeden Gitarristen. In der angeführten Begleitungstranskription von 'Dinah' verwendet Django Reinhardt ein Sechzehnteltremolo, wobei auf anderen Aufnahmen verschiedenster Zigeuner-Jazz-Gitarristen oft Achtel-Triolen-Tremoli zu hören sind. Ausnotiert sehen diese zwei Varianten wie folgt aus:

Es ist jedoch grundsätzlich möglich schnellere Tremoli zu spielen, vorausgesetzt die jeweilige Spieltechnik erlaubt dem Gitarristen die Verwendung kleinerer rhythmischer Einheiten. Zusätzlich müssen auch die dynamischen Parameter beachtet werden. Ein Tremolo wird oft in den verschiedensten Arten eingesetzt, bei denen die Dynamik eine große Rolle spielt (z.B. Tremolo als Steigerung von p bis ff). Eine weitere Verwendung findet das Akkord-Tremolo in der musikalischen Untermalung von frei gespielten Passagen (meist Einleitungen, aber auch in der Zigeunerfolklore bei Übergangsthemen eingesetzt). Man hört auch ab und zu das Tremolo in Verbindung mit polyrhythmischen Figuren (z.B. Drei-Viertel über VierViertel), was gut als ‘Rhythm-Fill’ eingesetzt werden kann:

3.2.2.6. Zusamm enfassu ng

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Hier wurden nun die Basis-Rhythmus-Pattern dieser Musik vorgestellt. Alles eintaktige Strukturen, die konsequent das ganze Stück, wenig durchbrochen von verschiedenen ‘Rhythm-Fills’, durchgehalten werden und so den typischen BasisKlangcharakter des Zigeuner-Jazz erzeugen. Hier wurde hauptsächlich auf die traditionellen Spielweisen eingegangen. Man findet jedoch immer wieder den Einfluß des Jazz. Es werden jazzige Compingfiguren genutzt, die man gegen den starren Grundrhythmus setzt. Bei moderneren Formationen (z.B. das Martin Weiss-Quartett) wird teilweise das starre Rhythmusspiel durch freies Comping ersetzt. Auch bei den Latin-Grooves finden sich typische südamerikanische Fingerstyle-Patterns wieder. All dies sind jedoch Entwicklungen, die eine Art Mischform aus Zigeuner- und traditionellen Jazz darstellen. Das typische traditionelle Klangbild des Zigeuner Jazz basiert auf die konsequent durchgehaltene, vorantreibende Rhythmusgruppe. Die Weiterentwicklungen ergeben einen anderen Sound, der sich hin zum Jazz bewegt. 3.2.3. Harmonis ches Mate rial u nd Akko rdr eperto ire Das harmonische Material ergibt sich aus dem Repertoire. Wie im Vorherigen erwähnt, erstreckt sich das musikalische Spektrum des Zigeuner-Jazz von Folklore über Chanson, Musette, Jazzkompositionen aus den 30er und 40er Jahren, Reinhardt/Grapelly-Kompositionen und Latinstandards bis hin zu dem gängigen Jazzstandardrepertoire. Dies beinhaltet eine große Fülle harmonischer Komponenten, was bedeutet, daß alle Arten von Kadenzen, sowie auch Akkorden genutzt werden. Es tauchen Dreiklänge und jegliche Komponenten der Erweiterungen in der Literatur auf. Interessant sind hier auch Akkordstrukturen, die sich aus der eingeschränkten Greifhand Django Reinhardts ergaben (z.B. durch Verwendung des Daumens der linken Hand oder Barréspieltechnik). Insgesamt werden gitarrenspezifisch alle bekannten Standard-Akkordgriffe verwendet. Darum soll hier auf eine Akkordtabelle verzichtet werden, jedoch an einigen Beispielen die Art der harmonischen Begleitarbeit aufgezeigt werden. Wie auch im rhythmischen Bereich kann man die Begleitung harmonisch gesehen in zwei Bereiche trennen: Basisbegleitung und erweiterte Begleitung.

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3.2.3.1. Basisb egleitu ng Die Basisbegleitung hält sich prinzipiel an die durch den Standard vorgegebenen Harmonieabläufe und deren Akkordstrukturen. Das hierbei normale verwendete Akkordgriffrepertoire beinhaltet Standard-Akkorde nach dem CAGED-System 3, Three-Note-Voicings4, Four-Note-Voicings5, und deren aller Umkehrungen6. Das Three-Note-Spiel ist wahrscheinlich dem damaligen Big-Band-Begleitspiel entnommen, bei der sich zum Beispiel durch Freddie Green diese Art der harmonischen Begleitung etablierte. Weitere Einflüsse kommen durch das FolkloreSpiel (normale Grundakkordtypen) und auch durch das gitarrentypische Begleiten im Jazz (Four-Note-Spiel) hinzu. An den folgenden zwei Beispielen 7 kann man diese Spielweisen sehr gut erkennen. Zuerst eine Three-Note-Studie über Django Reinhardts ‘Blues en Mineur’ (Gm-Blues), die mit durchgängigen 4/4-SwingRhythmus gespielt werden sollte. ‘Play 2 beats to each chord, exept where indicated’ (Jeder Akkord wird zwei Viertel gespielt, wenn nicht anders vermerkt):

3Ein

Erklärungsystem von Barré-, sowie erweiterter Akkorde, welches jede Art von Griff auf die fünf Grundgrifftypen der I.Lage auf der Gitarre (C,A,G,E,D) zurückführt. Hier ist vornehmlich die Barréspielweise angesprochen. 4Akkordgriffe, welche nur aus drei Tönen bestehen. 5Akkordgriffe, welche nur aus vier Tönen bestehen. 6siehe auch Harmonie- und Voicingbeispiele in Cruickshank, Ian, The Guitar Stile of Django Reinhardt & the Gypsies, London/New York/Sydney, 1989 7 Cruickshank, Ian, The Guitar Style Of Django Reinhardt & The Gypsies, London/New York/Sydney, 1989, Seite 13/Seite 24

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Die zweite Studie über Django Reinhardts ‘Manoir De Mes Reves’ zeigt den gemischten Einsatz verschiedenster Akkord-Voicings. Hier kann man schon erkennen wie groß das Akkordspektrum der Zigeunermusiker ist. Es handelt sich wieder um einen 4/4-Rhythmus. Die Anzahl der Schläge ist über den Akkordsymbolen durch Striche gekennzeichnet. (T = Daumen):

3.2.3.2. Erw eiterte B egleitu ng Einblicke in die harmonischen Erweiterungen in der Begleitung lassen sich wieder anhand von Django Reinhartds Begleitarbeit erarbeiten. Bei einer harmonischen Analyse der bereits angeführten Begleittranskrition von 'Dinah' (siehe Notenanhang) lassen sich wieder sehr gut bestimmte Strukturen erkennen8. Django interpretiert diese Harmoniestruktur auf seine Art,markiert um miterdem Quintett Reinhardt auch klanglich Steigerungen zu erzeugen. Im ersten B-Teil die Mollwendung durch eine chromatisch absteigende Baßmelodie (Vom Grundton zur großen Sexte). Im weiteren wird der Übergang zum nächsten A-Teil (Takt 80-81) durch chromatisch verschobene Akkorde gesteigert. Man findet bei den Übergängen in den nächsten Formteil regelmäßig harmonische Veränderungen, bzw. Effekte, die in Verbindung mit den rhythmischen Strukturen eine extrem gesteigerte Überleitung 8siehe

dazu auch "Django Reinhardt: Begleitung und Akkordvokabular" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998

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erzeugen. Solche chromatische Akkordrückungen sind auch in den Takten 96-97 und 118-119 zu finden. In den Takten 88-89 entdeckt man Quartenschichtungen, die hier einen Gadd9-Akkord-Klang erzeugen. Diese Art von Quartschichtungen verwendet Django Reinhardt immer wieder und erreicht mit ihnen interessante Klangstrukturen. Im folgenden kurzen Auszug aus 'Oriental Shuffle' (vom 4.5.1936) erzeugt er durch das Verschieben des Quartvoicings ständig neue Akkordqualitäten in Bezug auf die Basisharmonie:

Die schon oben erwähnten chromatischen Akkordrückungen, sowie das Einfügen von Durchgangs- und Vorhaltsharmonien erkennt man sehr gut an der Begleittranskription von 'Blues' (vom 27.12.1937):

Interessant ist hier die häufige Verwendung eines Three-Note Voicings:

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Dieses Voicing kann sehr verschieden interpretiert werden: - als Dominant-Sept-Akkord mit Quintbaß (z.B. Takt 2 auf Zählzeit 3: C7) - als Moll-Sext-Akkord (z.B. Takt 1 auf Zählzeit 3: Gm6) - als verminderter Dreiklang (z.B. Takt 2 Zählzeit 2: Ab-vermindert)

Ab Takt 13 wechselt Django Reinhardt in einen Shuffle-Rhytmus, der durch die vielen Vorhaltakkorde eine Art Walking-Bass-Begleitcharakter erhält. Das Akkordmaterial Django Reinhardts wurde durch seine Greifhand bestimmt, mit welcher er trotz seiner Behinderung (die Sehnenverkürzung im 3. und 4.Finger seiner linken Hand) doch sehr flexibel arbeiten konnte. Er war zum Beispiel in der Lage seinen dritten Finger als Barré über die Diskant-Saiten einzusetzen:

Eine andere Technik nutzte er um Akkorde über alle sechs Saiten spielen zu können: Die Benutzung des linken Daumens für das Greifen von Baß-Tönen. Der 4.Finger konnte ebenfalls, jedoch nur in Verbindung mit dem 3.Finger und sehr eingeschränkt, genutzt werden.

Zusammenfassend soll hier gezeigt werden, was für die heutige Rhythmusgruppe von all den harmonischen Varianten Django Reinhardts geblieben ist. Hauptsächlich

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wurde das Arbeiten mit Vorhalts- und Durchgangsharmonien, sowie das chromatische Rücken von Akkorden übernommen. Auch die Verwendung des Daumens bei der Akkordgrifftechnik ist in der Zigeuner-Literatur immer wieder vorzufinden9. Bei größeren Besetzungen fungiert eine Rhythmusgitarre manchmal zusätzlich als Solo-Begleitungs-Instrument und verwendet auch das Spiel mit den Harmonien, im Stile Django Reinhardts. Patrick Leguidcoq, genannt Romane, ein Zigeuner-Jazz-Gitarrist, führt in seinen Abhandlungen10 über die harmonische Begleit-Strukturen seiner Stilistik zusammenfassend mehrere Komponenten auf:  Aus dem Jazz adaptierte harmonische Umdeutungen: -Diatonisches Ersetzen: z.B. I (Cmaj7) wird durch die III (Em7) ersetzt -Tritonus-Substitution: z.B. V7 (G7) wird durch die bII7 (Db7) ersetzt  Das Verwenden von Walking-Bass-Lines.  Die Auswahl von Voicings unter dem Aspekt der Chord-Melodie, d.h. Voicings mit gleichbleibenden Melodietönen oder das entstehen von diatonischen, bzw. chromatischen Melodieverläufen. Das Benutzen von 'symetrischen Voicings', d.h. Voicings die in ihrem Grundgriffbild gleichbleibend sind:

Die von Romane angeführten Begleitstrukturen sind jedoch eher Jazz verwandt und nicht alle typisch für die Stilistik des traditionellen Zigeuner-Jazz. Abschließend sollen hier noch zwei Varianten der harmonischen Begleitung am Beispiel Django Reinhardts 'Minor Swing' dargestellt werden, zum einen als BasisBegleitung und zum anderen als erweiterte Begleitung, um die klanglichen Erweiterungsmöglichkeiten durch das Anreichern von Durchgangsharmonien aufzuzeigen.11

9siehe

Voicingsbeispiele in Leguidcoq, Patrick & Redon, Jean-Marie, Guitare Manouche Méthode de Jazz Gitan, Paris, 1983 10siehe auch Romane & Derek Sebastian, Romane Gypsy Jazz Guitar, Paris, 1995 11 Romane & Sebastian, Derek, Django Reinhardt, Courbevoie, 1997, Seite 15

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Basisbegleitung (Basis Harmonien):

Die verwendeten Voicings:

Erweiterte Begleitung:

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Die verwendeten Voicings:

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3.3. Die Impr ovis ations-S tili stik Die Improvisationen in dieser Musik verleihen ihr den eigentlichen Charakter. Wie im Vorangegangenen erläutert, ist Zigeunerjazz Musik in der Tradition des QdHCDF, bzw. in der Tradition Django Reinhardts. Sein Improvisationsstil bildet die Basis für den traditionellen Zigeunerjazz. Man muß bemerken, daß Django Reinhardt kein Lick-Spieler war, sondern ein ungehemmt kreativer Spieler, der sich selten wiederholte. Es ist trotzdem möglich bestimmte Grundprinzipien (Harmonik, Melodieund Tonbildung, sowie rhythmische Strukturen) in seinem Spiel zu entdecken, die auch wieder diesen typischen Klang erzeugen. Im Folgenden soll nun dieser Stil analysiert, und abschließend zusammenfassend dem Spiel der heutigen ZigeunerJazz-Gitarristen gegenübergestellt werden. 3.3.1. Django Reinhard ts Improvi sations -Stili stik Anhand von Solo-Transkriptionen aus verschiedenen Zeitperioden sollen nun die wichtigsten Merkmale im Spiel Django Reinhardts aufgezeigt werden. Es zeigt sich die Notwendigkeit das komplette Spektrum seiner Stilistik zu betrachten, da es sich um einen stetigen Entwicklungsprozeß vom Zigeuner- zum Jazz-Gitarristen handelt. Der hauptsächlich für den heutigen Zigeuner-Jazz relevante Zeitbereich erstreckt sich von 1934 bis 1947. Die späteren Jahre zeigen, bis auf Ausnahmen (z.B. die Aufnahmesessions mit Stéphane Grapelly in Rom Januar und Februar 1949), eine starke Beeinflussung des Be-Bop und werden aus der Betrachtung herausgenommen. Es soll hier mit einer harmonischen Betrachtung begonnen werden. Die charakteristischen Merkmale der Tonbildung werden später erläutert, da sie sich nicht unbedingt einer Entwicklung unterzogen haben und somit als Gesamtes behandelt werden können. Die Betrachtung beginnt mit der Transkription von 'Dinah' aus der ersten Aufnahmesession des Quintetts im Dezember 19341 (siehe Notenanhang). Erstes augenfälliges Merkmal ist das im Vordergrund Stehen des Solisten Django Reinhardt, der mit einem unbegleiteten Intro beginnt und sogleich mit einem Solo von zwei Chorussen fortfährt, in denen das eigentliche Thema nur kurz in stark variierter Form während des zweiten A-Teiles zitiert wird. Man kann einen Unterschied zwischen den beiden Chorussen erkennen. Während der erste eher linear, bzw. melodisch (Achtel- und Viertel-Triolen-Phrasen) angelegt scheint, steigert sich der zweite Chorus in ein effektbetontes Spiel (schnelle Achteltriolen- und Sechzehntel1vgl.

"Django Reinhardt: Solostil" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998 vgl. Ayeroff, Stan, Jazz Masters Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 1978

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Läufe, Oktaven, Akkorde). Der tonale Bereich, der von Django Reinhardt verwendet wird, basiert vornehmlich in den A-Teilen auf der G-Dur-Tonalität des Stückes und in den B-Teilen auf E-harmonisch-, bzw. melodisch- Moll. Angereichert wird dieses Material durch einen kurzen G-Dur-Pentatonik-Lauf mit der #9 als Erweiterung in den Takten 46-48. Weiterhin kann man die Verwendung der #11 in den Takten 6 und 30 (gesehen als Antizipation von G-Dur: cis = #11) feststellen, das man auf die Zigeunertonleiter in Moll2 zurückführen könnte. Ein anderer harmonischer Aspekt stellt das Hervorheben von Akkorderweiterungstönen dar: Tonika G: 6 und 9 (Takt 33-34, 43-44, 63), Dominante D: 9 (44-45, D7/9-Arpeggios) und Em: 9 (B-Teile). Ein anderes Merkmal in Django Reinhardts Spiel ist das Antizipieren von Akkorden, wie z.B. das in Takt 36 beginnende D9-Arpeggio oder das in Takt 6 beginnende GArpeggio. Die Melodiebildungen entstehen im ersten Chorus durch die Verwendung einer Vielzahl von Arpeggien, was auf ein stark Akkord bezogenes Spiel hinweist. Dies könnte seinen Ursprung in den sehr arpeggierten Vals-Musettes haben, die Django Reinhardt in seiner Zeit als Begleitgitarrist kennenlernte. Es sind drei dominierende Arpeggien, die den Hauptharmonien des Stücks, Em, G und D, entsprechen und über ein bis zwei Oktaven vorgestellt werden. Interessant ist der harmonische Einsatz dieser Klänge. In Takt 3-4 wird ein Em-Arpeggio über G gespielt, wodurch klanglich ein G6-Klang entsteht. In Takt 18 wird das Em Arpeggio sogar um die große Sept erweitert und bestätigt die Mollwendung des B-Teiles. Das D-Arpeggio der Dominante wird durchweg mit der None erweitert (Takt 5, 23-24, 30 und 36-37). Der zweite Chorus dagegen beinhaltet eher auf Effekt orientierte melodische Wendungen, beginnend in Takt 33 mit einer von Stan Ayeroff bezeichneten 'Surrounding Note Figure', bei der der Grundton G diatonisch umspielt wird. Die Virtuosität Reinhardts markieren schnelle Achteltriolenläufe wie in Takt 5761 oder chromatische Läufe wie in Takt 38-43. Weiterhin entdeckt man zwei Effekte, welche typisch für sein Spiel sind. Zum Einen den Einsatz von Oktaven, die hier eher durch die Polyrhythmik als Effekt hervortreten (Takt 49-56), und zum Anderen das Verwenden des Leersaitenunisno3 (Takt 44-46), das wieder durch die rhythmische Akzentuierung einen besonderen Charakter erhält. Diese beiden Techniken wurden sehr wahrscheinlich von Django Reinhardt erstmalig auf der Gitarre verwendet. Den Übergang in die Begleitung kennzeichnet das Einsetzen von Akkorden (Takt 61-64).

2"Zigeunertonleiter:

In Teilen Mittel- und Südeuropas in der Volksmusik verbreitete siebenstufige Leiter; sie ist durch zwei übermäßige Sekundschritte und Gleichheit der jeweils zweiten Viertongruppe in der Dur- und Mollform gekennzeichnet: " Dur: "c des e f / g as h c1" Moll: " c d es fis / g as h c1 ; ..." Kwiatkowski, Gerhard (Hrsg.), Schülerduden Die Musik, Mannheim/Wien/Zürich, 1989, Seite 438 3Leersaitenunisono: Das Erzeugen einer klingenden Prime, durch Verwendung einer Leersaite; d.h. ein mit der Leersaite identischer Ton wird auf einer anderen Saite gegriffen und gleichzeitig mit dieser angeschlagen: z.B. der Leersaitenton e1 wird durch das Greifen im fünften Bund der h-Saite gedoppelt.

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Weiterführend folgt eine kurze Analyse der Chorusse über 'Shine', vom 4.5.1936 4 (siehe Notenanhang). Auch hier ist das Solo durch Arpeggien gekennzeichnet, die sich allerdings in harmonischer Sicht erweitert haben. Zusätzlich zu dem bisherigen tonalen Bereich ergänzen chromatische Ideen das Spiel. Neben chromatischen Läufen (Takt 53-54) zeigt der Einsatz von kurzen chromatischen Einwürfen die Entwicklung Django Reinhardts auf. Auf diese Weise werden den Dominant-9 Arpeggien (Sowohl als Dominant, als auch Zwischendominant Funktion) Durchgangsläufe vom Grundton zur kleinen Septe (Takte 11, 43), von der Terz zur None (Takt 15) oder von der Terz zum Grundton hinzugefügt (Takt 20-21). Die MollArpeggien werden durch die 9 (Takt 44) und einmal um die 11 (Takt 12) erweitert. Ein anderer Aspekt bilden 'approach-note'-Figuren5, die neu auftauchen. Die Umspielung von Zieltönen erweist sich als neues stilistisches Mittel. So verwendet Django Reinhardt zum Einen 'indirect chromatic approach'-Figuren, bei denen der Zielton chromatisch umspielt wird, (z.B. Takt 5: eb-f-e oder Takt 18-19: bb-g#-a), und zum Anderen 'indirect approach'-Figuren, bei denen diatonisch umspielt wird (z.B. Takt 23-24: g#-b-a). Andere 'approach-note'-Figuren führen zu komplexen harmonischen Strukturen des Solos. In Takt 26 wird die Quartschichtung b und e über F-Dur als 'chromatic-approach' zu den Akkordtönen f und c verwendet, d.h. e (große Sept) zu f (Grundton) und b (#11) zu c (Quinte). Solche Quartenschichtungen werden von Django Reinhardt auch als Melodie-Effekt eingesetzt. Diese Quarten bilden je nach Grundakkord verschiedene Erweiterungen (Takt 1-3, Takt 29-33). Die lang angelegten chromatischen Akkordrückungen in Takt 7-10 und Takt 16-18 bilden eine besondere Art der 'chromatic-approach'-Figuren. Hinter der Figur in Takt 7-10 versteckt sich eine Dominant-Kette, die durch verminderte Akkorde, umgedeutet zu unvollständigen Dominantseptakkorden, verschlüsselt wird: C0 = D7b9 - B0 = G7 Am - G#0 = E7. Die Aufwärtsrückung in Takt 16-18 bildet durch die jeweiligen Akkordzieltöne die 'approach'-Figur: g-g#-a zu bb als b7 von C-Dur. Bei beiden Figuren findet sich auch die polyrhythmische Überlagerung von 3/4-Takt über 4/4Takt wieder. Interessant sind bei der zweiten Figur die sehr virtuos ausgeführten Akkordbrechungen, die wahrscheinlich durch Verwendung von 'sweep-picking'6 der rechten Hand erreicht wurden. Es finden sich auch Oktaven wieder, die durch die synkopierte Rhythmik hervortreten (Takt 35-42, 57-64). Ein weiterer Effekt ist das 4vgl.

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma Band 2. Der Sinti Jazz, Heidelberg, 1997 vgl. Ayeroff, Stan, Jazz Masters Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 1978 5 ‘approach-note’-Figuren: (approach = näherkommen, sich nähern, herangehen an) Ein Zielton wird entweder diatonisch oder chromatisch von einer tieferen oder höheren Note aus angespielt, z.B. Zielton g wird von f (diatonisch) oder f# (chromatisch) aus angespielt. Es werden teilweise auch längere Phrasen als ‘approach-note Figuren eingesetzt, z.B. von e über f und f# zu g (langangelegte chromatische ‘approach-note’-Figur. 6‘sweep-picking’: Die Anschlagsbewegung wird im Sinne eines Akkordanschlages erweitert, wobei das Plektrum in einer im Tempo genau kontrollierten Bewegung in Richtung des Anschlages (abwärts oder aufwärts) von Saite zu Saite geführt wird und so die Saiten zum Schwingen bringt.

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Tremolo7, das hier in zwei Varianten eingesetzt wurde: als 'chromatic Glisando': einer Verbindung von Tremolo und Glissando (Takt 13-14), und als 'Unisono-Tremolo' (Takt 45-48): das oben beschriebene Leersaitenunisono wird tremoliert. Die Weiterentwicklung Django Reinhardts Stilistik sieht man anhand von 'I'll See You in My Dreams'8 vom 30.06.1939 (siehe Notenanhang). Es zeigt sich immer mehr das Zurücknehmen virtuoser Effekte zugunsten größerer melodischer Kontinuität. Das harmonische Material ist stark erweitert worden. Spannungstöne werden bewußt angespielt und hervorgehoben (z.B. Takt 60-63: maj7). Die Tonika- und Subdominantakkorde werden solistisch mit der 6, 9 und maj7 erweitert, und gezielt angespielt, was zu einer Vernachlässigung der Dreiklangstöne führt. In Takt 28 wird z.B. der Grundton f weggelassen, woraus sich ein Am11-Arpeggio über F ergibt (=Fmaj7/6). In Takt 40-42 werden über den Bb-Dur-, bzw. Bb-Moll-Akkorden, 6/9Arpeggien ohne Quinte verwendet, woraus sich allerdings wieder die schon bekannten Quartschichtungen ergeben. Eine andere typische Arpeggienwendung findet sich z.B. in den Takten 55-59 und 119-22 wieder: Maj7-Arpeggien werden von der maj7 beginnend gespielt. Die Dominanten werden mehr mit Alterationen und Erweiterungen versehen: b9 (z.B. Takt 63), 9 (z.B. Takt 51), #9 (z.B. Takt 37), 13 (z.B. Takt 117) und b13 (z.B. Takt 53). Die Verwendung der #9 in Verbindung mit der 6 als Tritonus über F-Dur in den Takten 37-38 und 69-70 (hier Erweitert zu einem D0Dreiklang) kann man wieder auf die erweiterte Dur-Pentatonik, bzw. Blues-Melodik, zurückführen, die durch das ces in den Takten 71-74 als b9 über Bb-Dur, bzw. -Moll (oder b5 über F-Dur), weitergeführt wird. Neben den harmonischen Veränderungen steht die rhythmische Fixierung auf Achtel-Bewegungen, die nur selten durchbrochen werden. Neben langen Achtelketten zeigen sich eine Vielzahl von polyrhythmischen Ideen, die die Improvisation abwechslungsreich gestalten. Vorherrschend ist die 3/4Takt über 4/4-Takt Überlagerung (z.B. Takt 40-42 oder 55-58). Es finden sich aber auch punktierte Viertel über Viertel-Figuren (Takt 117-18). Eine andere rhythmische Überlagerung bilden Viertel-Triolen, die in Takt 104-6 sogar eine, durch die Melodik erzeugte, Halbe-Triolen-Bewegung hervorruft. Die melodischen Aspekte stellen, neben der Arpeggienmelodik, die Verwendung von Motivwiederholungen und deren Variationen (z.B. Takt 39-42 oder 55-58), sowie Sequenzbildungen (z.B. Takt 12326) dar. Auch Intervallsprünge wie Sexten und Septen werden zur Melodiebildung eingesetzt. Alle diese Komponenten, erweiterte Harmonik, polyrhythmische Strukturen, lange Achtel-Ketten-Melodien, sowie motivisches Arbeiten zeigen den gereifteren Stil Django Reinhardts, der sich immer weiter vom folkloristischen Spiel entfernt. 7Erklärung des Tremolos siehe

.2.5. 'Solo-Begleitung/Rythm-Fills' "Django Reinhardt: Solostil" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998 8vgl.

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Als letzte Transkription dient die Aufnahme von 'Les Yeux Noirs' vom 29.08.1947 (siehe Notenanhang), die den gereiften Swing-Stil Django Reinhardts repräsentiert. Wie schon im Vorangegangenen beschrieben, spielt Django Reinhardt ab 1947 bis zu seinem Tode immer mehr Bebop beeinflußt. Deshalb soll eine Aufnahme von 1947 den Abschluß dieser Betrachtung markieren. Es finden sich viele der schon genannten Merkmale wieder, die jedoch sehr kultiviert wurden und einen sehr linearen melodischen Charakter erkennen lassen. Harmonisch gesehen bedient sich Django Reinhardt einer Vielzahl von Möglichkeiten. Die Moll-Tonalität wird durch harmonisch-, als auch natürlich-Moll-Tonleitern bestätigt (z.B. Takt 36-37 oder 4344). Die Dominanten werden harmonisch zu ganzverminderten Akkorden als unvollständige Dominant-Sept-Akkorde (A7/b9 ohne Grundton) umgedeutet und mit verminderten Arpeggien umspielt (Takt 33-34, 37-38). Insbesondere erhält dadurch die b9 eine große Rolle und wird als Erweiterung emanzipiert. Auch ist die Behandlung der Subdominant- Parallelen Bb interessant. Sie wird um die 6 und die 9 erweitert (Takt 56), aber auch in Takt 39-40 mit der #11 versehen, was entweder eine Vorwegnahme der Tonika in Form von einer D-Moll-Tonleiter darstellt, aber was man ebenso wieder auf die schon erwähnte Zigeunertonleiter zurückführen kann. Als zusätzliches harmonisches Mittel sind auch wieder chromatische Figuren vorzufinden: entweder als reine chromatische Tonleiter (Takt 51-3) oder als 'chromatic-approach' (Takt 35). Auch diatonische 'approach'-Figuren sind wieder vertreten (Takt 67-68). Neben den Tonleiter gebundenen Melodieverläufen steht auch wieder die Arpeggienmelodik. Die Moll-Arpeggien sind hauptsächlich durch die 9 erweitert (Takt 59-60, 155-6), wogegen die Dominanten durch die Erweiterung der b9 zu verminderten Arpeggios umgewandelt werden. Eine interessante Verwendung dieser verminderten Läufe findet sich in Takt 97-105 wieder: ein vermindertes Dreiklangs-Voicing wird als Arpeggio sequenziert und verleiht durch dessen Zieltöne (jeweils auf der 1 und 3) den Grundharmonien einen zusätzlich erweiterten Charakter (A7 wird zu A7/b9, Dm wird zu Dm6 und Bb wird zu Bbmaj7/9/11, wobei die 11 als Vorhalt zu 3 zu sehen ist). Wie auch bei diesem Beispiel ist die Melodiebildung durch lang angelegte Achtelketten gekennzeichnet, die erst gegen Ende der Improvisation durch rhythmisch akzentuierte Oktaven durchbrochen werden, was wieder zu einem Effekt betontem Spiel führt: nach einer Leersaitenunisono-Stelle (Takt 139-42) folgen Akkordeinwürfe, die zum einen durch den Einsatz von Tremolo (Takt 143-6, 149-50), und zum Anderen durch eine polyrhythmische Figur (3/4 gegen 4/4) (Takt 147-7, 151-2) gekennzeichnet sind. Die viel benannten polyrhythmischen Ideen sind auch in Takt 81-88 wiederzufinden (punktierte Viertel gegen Viertel). Hier handelt es sich zusätzlich wieder um eine sequenzierte Figur, die durch ihre chromatischen Durchgangstöne in harmonischer Sicht wieder schon Bekanntes aufweist: chromatische Durchgänge z.B. Takt 81-2, 85-8 vom Grundton zur kleinen Sept und

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Takt 83-4 von der b6 zur #11. In diesem Solo finden sich nahezu alle typischen Merkmale Django Reinhardts wieder und zeigen den gereiften Musiker. Es folgen, anhand von Auszügen aus Improvisationen, einige charakteristische Merkmale, die zusätzlich einen Teil seiner Stilistik markieren. Neben Einzeltonlinien, Oktaven und Akkordpassagen bilden Doppelgriffe in Form nahezu aller Intervalle ebenso ein Bereich in Django Reinhardts Spiel. Das folgende Beispiel (Anfang des ersten B-Teiles von 'Body and Soul' vom 22.04.1937) zeigt die Möglichkeit der Melodiebildung mit Hilfe von Doppelgriffen in Form absteigender Sexten, die sequenzartig angelegt sind.

Eine andere Einsatzmöglichkeit von Doppelgriffen finden sich in den Chorussen über 'Clouds' (Juli 1935) und 'Blues Clair' (26.02.1943). Ein Ton bleibt jeweils liegen und wird durch Doppelgriffe mit einer Gegenstimme versehen.

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Auch hier, wie ebenfalls im folgenden Beispiel, ist wieder die typische Akzentüberlagerung zu entdecken. Als eine andere Technik setzt Django Reinhardt oft Leersaiten ein und erzielt so interessante Melodiewendungen. In 'Swing 42' (11.09.1941) findet man im letzten A-Teil des Gitarren-Chorus ein typische Wendung dieser Art.

In manchen Fällen, wie auch bei 'I'se a-Muggin' (4.05.1936), bedient er sich der Ganztonleiter.

Ein weiterer Bereich im Improvisationsstil Django Reinhardts stellen die Artikulation und die Tonbildung dar. "Der lebendige Klangeindruck, den Django Reinhardt durch vielfältige Artikulationsweisen und Dynamik erzielt, ist mit dem von Bläsern zu vergleichen. Manche Töne scheinen geradezu ein Eigenleben zu besitzen."9 Neben seinen rhythmisch leicht vor den Schlag klingenden Solophrasen, bilden auch 'offbeat' Akzente einen sehr vorantreibenden Charakter. Die dynamischen Möglichkeiten werden von ihm komplett ausgeschöpft und zeigen eine Spannweite von kaum hörbaren bis hin zu sehr stark akzentuierten Tönen. Neben stakkatierten Tönen, werden lang klingende Töne oft mit einem sehr starkem Vibrato10 versehen, was zu einem lebendigen Höreindruck führt. Andere Varianten der Tonbildung stellen Aufund Abwärtsglissandi, sowie 'slides' von Note zu Note (von höheren und tieferen Tönen in den Ton, sowie aus dem Ton) dar. Verzierungen finden sich häufig in Form von Trillern, welche meist in Achteltriolen ausgeführt werden. Ein weiterer Bereich der Artikulation sind 'bendings', die von Django Reinhardt in verschiedenster Art genutzt werden: 'half-step-bending' (Töne werden mittels 'bending' von einem halbton tiefer liegenden Ton angesteuert), 'final bend' (von Jürgen Schwab bezeichnetes 'bending', bei dem eine Note gegen Ende des Klanges nach oben gezogen wird). Zusätzlich nutzt er das Potential des Saitenziehens in 'bend-' und 'release’-Phrasen. 9

"Django Reinhardt: Solostil" in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg 1998, Seite 66 10Es ist dem Autor nicht möglich nachzuvollziehen welche spieltechnischen Methoden von Django Reinhardt für das Vibrato verwendet wurden.

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Bei großen Notenwerten werden diese Phrasen sogar soweit ausgespielt, daß der eigentliche Zielton nur kurzzeitig erreicht wird. Eine andere Art der Tonbildung wird durch die Verwendung von Flageoletts erzeugt. Es werden natürliche und auch künstliche Flageoletts eingesetzt, um die Klangfarben der Gitarre auszunutzen. Die Beherrschung des künstlichen Flageoletts zeigt Django Reinhardt bei dem Choruseinstieg über 'Nuages' vom 13.12.1940:

Natürliche Flageoletts werden meist als Phrasenende eingesetzt, was man anhand des gleichen Chorus sehen kann:

3.3.1.1. Zusamm enfassu ng Nachdem im Vorausgegangenen die stilistischen Elemente in Django Reinhardts Spiel erarbeitet wurden, sollen nun zusammenfassend die charakteristischen Merkmale aufgelistet werden. In der Literatur über Django Reinhardt finden sich hauptsächlich drei Analysen, die trotz verschiedenster Herangehensweisen im Ergebnis nahezu übereinstimmend sind.11 Die aktuellste von ihnen ist die von Jürgen Schwab, deren Zusammenfassung am treffensten ist und hier nun übernommen wird: "- 'Lebendige' Artikulation: Stakkato, Vibrato, slides in den Ton von oben und unten und aus dem Ton nach oben und unten ( fall offs und doits), Hineingleiten in den Ton vom Halbton darunter, final bend, Halbton-bendings mit langer bend- und releasePhase, differenzierte Dynamik.

11vgl.

Lambert, Dan "Django's Blues" in Schmitz, Alexander, Jazzgitarristen, Schaftlach, 1992, Seite 85-86 vgl. Ayeroff, Stan, Jazz Masters Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 1978 vgl. Schwab, Jürgen, Django Reinhardt. Genialer Virtuose, in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998, Seite 61-99, 274-76

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- Phrasierung: Tendenz zu langen Achtelnotenketten, Formgrenzen werden aber meistens eingehalten. - Melodiebildung vor allem aus Arpeggien. Tendenz zu sequenzierender Behandlung in der reifen Stilphase. Daneben Tonleitern: Dur- (auch mit Durchgangstönen) und Melodisch- und Harmonisch-Moll-Tonleitern, Ganztonleitern und vergleichsweise selten erweiterte Durpentatonik. - Verschiedene Behandlungen von Arpeggien: vorgezogene und verzögerte Akkordwechsel, sweep picking, chromatische Rückungen (auf- und abwärts), Dominantseptnonarpeggien mit chromatischen Durchgängen (1, maj7, b7 und 3, b3, 9) über Dominanten und Zwischendominanten, sowie Akkordüberlagerungen: VIm über I, IIIm über I, VI0 und VI07 als Bluesmaterial über Dominantregion. - Intervallgehalt: bedingt durch Arpeggienmelodik viele Terzen; daneben aber auch Quartenschichtungen und Melodiebildung mit großen Intervallen (Sexten, Septen). - Rhythmik: Akzentüberlagerung (Viertel gegen punktierte Viertel) und Polymetrik (3/4 gegen 4/4) häufig und meist in Kombination mit Sequenzierung oder einer der unten aufgeführten technischen Neuheiten. Unregelmäßige Akzentsetzungen (z.B. vor allem auf den hohen Tönen der Arpeggios). - Großer Tonumfang mit Bevorzugung hoher Lagen. - Akkordeinwürfe in Einzeltonlinien. Neue Techniken und virtuose Effekte: - Oktaven: meistens in wiederholungsreicher, stark synkopierter Melodik von geringem Ambitus; mit den Blue Notes #9 und b7; als besonderer Effekt und zur Abwechslung in Einzeltonlinien interpoliert. - False-fingering-Effekt: mit Unisono auf zwei benachbarten Saiten ausgeführt (meist in Kombination mit Akzentüberlagerung). - Tremoli: in Verbindung mit Glissandi (als schnelle chromatische Läufe) oder mit Unisono auf zwei benachbarten Saiten. - Sweep picking für schnellste Arpeggien. - Leersaite als Pedal abwechselnd mit gegriffenen Tönen. - Doppelgriffe: in Terzen, Quarten und mit einer beweglichen Stimme. - künstliche Flageoletts.“12 Neben dieser Darstellung, die alle Elemente in Django Reinhardts Spiel trotz der vollzogenen Entwicklungen darstellt, wird in dem Aufsatz ‘DJANGO ET L’ECOLE TSIGANE DU JAZZ’13 darauf hingewiesen, was in seiner Stilistik als gleichbleibend 12 Schwab,

Jürgen, Django Reinhardt. Genialer Virtuose, in Schwab, Jürgen, Die Gitarre im Jazz. Zur stilistischen Entwicklung von den Anfängen bis 1960, Regensburg, 1998, Seite 84-85 13 Jalard, Michel-Claude, Django et l’école tsigane du Jazz, in Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seite 59

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angesehen werden kann: „dans le ‘Sweet chorus’ et le ‘In the still of the night’ de 1936 comme dans le ‘Confession’ et le ‘Manoir de mes rêves’ de 1953 on retrouve le même type de vibrato, le même genre d’arabesque, les mêmes inflexions expressives, la même qualité de sensibilité.“ Dies bedeutet, daß trotz einer spieltechnischen Entwicklung ein gleichbleibender musikalischer Ausdruck vorherrschend ist, den Alexander Schmitz in seinem Aufsatz ‘Stilprägende Elemente in der Musik von Django Reinhardt’14 auf die Person Django Reinhardts als eigentlich stilbildendes Element zurückführt: „Stilbildend für Reinhardt selbst waren, so läßt sich herauskristallisieren, wenn man von der heutigen Gitarristik aus zurückschaut, eigentlich zwei ‘handicaps’, nämlich zum einen das echte, also das physische seiner Greifhand, und zum anderen das, das nicht unbedingt eines ist, nämlich das völlige Fehlen und die leidenschaftliche Verweigerung einer auch nur ansatzweise formalen Ausbildung, akademischen Basis oder sogar allgemeiner Disziplin. So erweist sich also für ihn das theoretische Defizit als gerade die Voraussetzung zu genau jener Freiheit und Unbefangenheit, die es ihm ermöglicht, gitarristisches Neuland zu erspielen, die eigene Kreativität und damit das gesamte Potential seiner Individualität sozusagen im unbearbeiteten, naturgegebenen Urzustand zu belassen. Er selbst war seine Basis.“ Mit anderen Worten blieb Django immer er selbst, wodurch er einen unverkennbaren Ausdruck erzielte und trotz aller Entwicklungen seine Ausdrucksmittel beibehielt. Man kann auch anhand der Analyse verschiedene Einflüsse festmachen, die stilbildend waren, bzw. auf die Musik Django Reinhardts mit einwirkten. So kann man die Verwendung der Quartenschichtungen auf die Musik der Impressionisten zurückführen; die Verwendung von künstlichen Flageoletts und des Tremolos als Einfluß aus dem Flamenco werten; das arpeggierte, bzw. akkordgebundene Spiel den Bals Musettes zuordnen und das effektbetonte und virtuose Spiel als Adaption von den folkloristischen Zigeunermusikern sehen.

14 Schmitz,

Alexander, Stilprägende Elemente in der Musik von Django Reinhardt, in Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti Jazz, Heidelberg 1997, Seite 38

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3.3.2. Die Improvisations-Stilistik des Zigeunerjazz

Nach der stilistischen Analyse Django Reinhardts muß nun erarbeitet werden, in wie weit man die stilistischen Elemente in seinem Spiel allgemein übertragen kann. Sein Einfluß auf die heutigen Zigeuner-Jazz-Gitarristen (vornehmlich Zigeuner-Musiker) läßt sich nicht von der Hand weisen und ergibt sich schon allein aus den soziologischen Zusammenhängen der Zigeuner: "Traditionspflege wird bei den Rom großgeschrieben. Die hohe Musikalität unter ihnen erklärt sich nicht zuletzt auch durch die jahrhundertalte Tradition des Musikerberufes, der oft über Generationen hinweg weiter vermittelt wird. Die Lebendigkeit der musikalischen Tradition im alltäglichen Leben der Rom, die schon im frühen Kindesalter erfolgende Begegnungen mit Instrument und Musik durch den selbst musizierenden Vater, ist regelmäßig der Grundstein, mit dem brilliante technische Fertigkeit und nicht selten auch musikkreatives Potential fortgesetzt wird."1 Es wird somit das musikalische Erbe an die nächsten Generationen weitergegeben. Für den Zigeunerjazz bedeutet dies, daß die jungen Gitarristen von der Familie lernen und somit in die Stilistik hinein wachsen. Der Personalstil Django Reinhardts stellt für sie eine musikalische Wurzel dar und wird traditionell weitergegeben. Man kann dies sehr gut am Beispiel von Stochelo Rosenberg (The Rosenberg Trio) erkennen, der auf seinen frühen Aufnahmen neben eigenen Chorussen Django Reinhardt Chorusse Note für Note übernimmt. Eine Erklärung zeigt seine musikalische Entwicklung: "When I first met him he was 7 years of age and showed no special interest in music, until one day, at age 10, he saw one of his cousins play the guitar. This boy teached Stochelo 2 or 3 chords. From that moment on he rapidly grew into an astonishing soloist, first copying Django by listening to his records, (what better teacher could a young gipsy-boy ask for) later developing steadly his own style, which is still evolving."2 Er selbst äußert sich hierzu: "Am Anfang spielte ich nur Django Reinhardt und seine Stücke. Ich kopierte auch seine Solos exakt. Im Laufe der Jahre habe ich doch mehr meinen eigenen Stil gesucht und auch gefunden." Weiterhin führt er über die musikalischen Traditionen, bezugnehmend auf das erste Album des Rosenberg Trio, aus: "Gerade in dieser Zeit war ich sehr von Django Reinhardt beeinflußt und dies war eine Tradition in der Zigeunergemeinde. Wenn man die Stücke srcinal, auch Solos, spielte von Django Reinhardt, dann war das wow, das ist super. Im Laufe der Jahre bin ich davon abgewichen."3 Hieran läßt sich erkennen, daß die musikalische Erziehung der Zigeuner-Jazz-Gitarristen traditionell eng mit Django Reinhardt verbunden ist und somit die Basis für diese Stilistik bildet. Im Folgenden soll nun 1Litterst,

Gerhardt, Musik der Sinti (I), in Jazz Podium, 30/12 (Dezember 1981), Seite 3 Hans, Stochelo Rosenberg in Covertext zu The Rosenberg Trio, Seresta, Hot Club Records Vintage Guitar Series Volume 8 (HCRCD 59), Oslo, c & p 1989 by Hot Club Records 3Holl, Ernst Wilhelm, Interview mit dem Rosenberg Trio, Dresden, 04.05.1998 2Meelen,

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untersucht werden in wie weit der Personal-Stil Django Reinhardts von den traditionell orientierten Zigeunermusikern beibehalten oder auch verändert wurde und der heute als Zigeuner-Jazz bezeichneten Stilistik gleicht. 3.3.2.1 Stilistische Analyse

Es gibt leider nur wenige ‘Schulwerke’, die diese Stilistik beleuchten. In der GitarrenSchule ‘Guitare Manouche méthode de jazz gitan’, von Patrick Leguidcoq, wird versucht eine Darstellung des ‘Gipsy Swing’ zu geben. Es werden stiltypische ‘Licks’, aber im zweiten Teil auch Chorusse von dem Autor, als Studienmaterial angeführt. Bezeichnend für den Einfluß Django Reinhardts finden sich ebenfalls zwei Solotranskriptionen aus seinem Werk wieder. Da es sich hier um eine offizielle Ausgabe über die Stilistik des Zigeuner-Jazz handelt, wird nun einer der Chorusse des Autors über ‘Some of these Days’ (siehe Notenanhang) zur Analyse herangezogen. Das verwendete harmonische Material besteht vornehmlich aus harmonisch-Moll-Tonleitern und Arpeggien. Schon der Choruseinstieg beginnt mit einem, von einer ‘chromatic approach Figur’ eingeleiteten, E-harmonisch-Moll-Lauf (Takt 2-3), der in einem Em9-Arpeggio endet (Takt 4-5). Über die Mollakkorde wird außerdem die Sexte angespielt (Takt 8,12 und 25). Die Major-Arpeggien werden hier mit der Sexte (Takt 20-21 und 28) und der None (Takt 28) angereichert. Der E7Akkord in Takt 10-11 wird zu einem verminderten-Lauf, als unvollständiger Dominantseptakkord, umgedeutet. Zusätzlich werden die Dominanten durch die None, bzw. die kleine None, erweitert. Die Behandlung der Dominanten beinhaltet ebenfalls chromatische Durchgänge: 1, maj7, b7 (Takt 14); 9, b9, 1 (Takt 18) und 7, 6, b6, 5 (Takt 22) abwärts, sowie aufwärts. Ebenso kommen ‘approach’-Figuren als Vorhalts-Melodik in allen Varianten zum Einsatz: ‘chromatic-approach’, ‘indirectchromatic-approach’ und ‘indirect-approach’. Auch die verminderte Akkordrückung in Takt 26 bis 27 wird direkt durch eine verminderte Arpeggio-Sequenz angespielt. Die Rhythmik ist durch lange Achtelketten, angereichert mit Achteltriolen-Trillern, bestimmt. Eine kurze polyrhythmische Figur (punktierte Viertel über Viertel) findet sich in Takt 16. Die Melodiebildung ergibt sich aus der Arpeggien-Melodik in Verbindung mit den ‘approach’-Strukturen, sowie diatonischen Elementen (harmonisch-Moll-Tonleitern, bzw. diatonische Durchgangstöne). Zusätzlich entstehen Intervallsprünge durch die Verwendung der Akkordsequenz in Takt 26-29. Auch Sexten (Takt 11-12) und Septimen (Takt 15, 17, 23 und 30) werden melodisch eingesetzt. Die Phrasen beginnen meistens mit einem Auftakt und bilden melodisch, als auch rhythmisch, ein viertaktiges Formschema, das im Chorus nicht durchbrochen wird. Die Artikulation ist durch eine Tonbildung basierend auf durchgängige Wechselschläge gekennzeichnet. Es werden lang gehaltene Noten

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entweder mit einem starken Vibrato (z.B. Takt 5 oder 8) versehen, oder durch ein ‘half-step-bending’ (Takt 15 und 17) angespielt. Dieser Chorus stellt also eine Lehr-Darstellung dar. Interessant sind nun Chorusse von professionellen Zigeuner-Jazz-Gitarristen. Es soll nun anhand von verschiedenen Chorus-Auszügen des schon angeführten ‘Les Yeux Noirs’ untersucht werden, wie mit durch Django Reinhardt vorgegebenen Stücken spielerisch umgegangen wird. Die Einspielung von Stochelo Rosenberg zeigt die komplette Übernahme der von Django Reinhardt eingespielten Chorusse, die durch zwei eigene ergänzt werden. Diese sollen hier jedoch nicht weiter beleuchtet werden, da im Folgenden noch eine Chorus-Analyse von Stochelo Rosenberg angeführt wird. Eine andere Aufnahme findet sich auf dem Album ‘Gipsy Swing’ von Patrick Lacroix (1994, IMP 917). Hier sollen nun die ersten zwei Chorusse analysiert werden.

Der erste Chorus entwickelt sich aus dem Thema heraus und verwendet vornehmlich Material aus der D-harmonisch-Moll-Tonleiter, das meist sequenzartig und diatonisch eingesetzt ist. Im sechsten Takt findet sich eine ‘chromatic-approach’-Figur, die hier den eigentlichen Choruseinstieg markiert. Es sind wieder sehr lange Achtelketten als rhythmische Grundstruktur erkennbar, die jedoch in den letzten zwei Takten durch eine synkopierte Figur aufgelockert wird. Der zweite Chorus dagegen baut mehr auf Arpeggienmelodik, was sich gleich im ersten bis vierten Takt durch den Einsatz verminderter Arpeggien äußert. Der A7-Akkord wird auch hier zu einem unvollständigen Dominantseptnonenakkord umgedeutet. In Takt 5 bis 6 folgt nun eine durch Synkopierung verschleierte, lang angelegte ‘chromatic-approach’-Figur, die harmonisch auch eine bestimmte Wirkung zeigt: ein chromatischer Durchgang von der #9 über die 9 und b9 zum Grundton. Weiterführend geht die Figur in einen Dharmonisch-Moll-Lauf über und endet in einem D-Moll-Arpeggio beginnend auf der

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maj7. Interessant ist, daß das Dm-Arpeggio in Takt 9 auf g# endet und auch über den G-Moll-Akkord wiederholt wird. Die Note g# bestimmt das melodische Geschehen in den Takten 9 bis 14 und

stellt harmonisch über Gm die b9, über Dm die #11 und über A7 die maj7 dar. Die Verwendung der #11 über Dm könnte man als chromatischer Vorhalts-, bzw. Spannungston interpretieren, der sich dann zur Quinte a von Dm auflöst. Das g# könnte man auch als die #11 der Zigeunertonleiter in D-Moll (d, e, f, g#, a, bb, c#) sehen und somit den melodischen Verlauf in den diesen Takten mit einem tonalen Zentrum (D-Zigeunermoll) erklären. Als einen weiteren Hinweis auf dieses tonale Zentrum kann man das Dm-Arpeggio über Gm sehen, was jedoch ebenso als Akkordantizipation, wie sie auch von Django Reinhardt verwendet wurde, verstanden werden kann. Die Annahme eines Zigeunermoll-Zentrums erklärt wohl am besten die Verwendung der obengenannten Akkord-Erweiterungen in Form von g# als Zielton. Eine andere Konstellation ergibt sich aus dem Übergang in Takt 7, dessen Zieltöne über Bb-Dur wiederum typische Zigeunertonleiterintervalle beinhalten: a (maj7) und e (#11). Zusätzlich wird dar A7-Akkord noch mit der b13 (f) (oder auch umgedeutet #5) versehen (Takt 14), die sich dann in die 9 von Dm auflöst. Abgeschlossen wird der zweite Chorus wieder mit einem harmonisch-Moll-Lauf, der auf der kleinen Sexte bb von Dm endet. Durch diese Betrachtung ergeben sich eine Vielzahl von ungewöhnlichen Akkorderweiterungstönen, die Patrick Lacroix zum Einsatz bringt: Moll mit b9, 9, #11, b13 und Dominant 7 mit b9, 9, #9. Man sollte diese Erweiterungen jedoch hauptsächlich als Spannungstöne definieren, die sich im weiteren Melodieverlauf in die normalen Akkordstrukturen auflösen. Eine andere Interpretation dieses Titels stellt Coco Briaval auf seinem Album ‘Gypsy Music’ (1996, AUVIDIS A 6219) vor. Der erste Chorus zeigt schon eine sehr stark Harmonie orientierte Solo-Struktur. Alle Akkorde werden entweder durch Arpeggien oder

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‘approach’-Figuren (diatonisch, sowie chromatisch) bestätigt. Das A7 in Takt 1-2 wird direkt mit einem A7-Arpeggio, beginnend mit einer ‘chromatic-approache-note’, angespielt. In Takt 13

wird dieser Akkord noch mit der b9 erweitert, was harmonisch wieder einen Dominantseptnonenakkord ohne Grundton (in diesem Fall C#o7 über A) ergibt. Bis auf die Takte 5-8 ist der erste Chorus auf eine Arpeggienmelodik fixiert: ein Gm6Arpeggio über Gm, ein verziertes Dm9-Arpeggio über Dm (Takt11-12). Das Gm wird ebenfalls in Takt 9 durch die Septime und die None erweitert. Hieraus ergeben sich für die Arpeggien in Moll folgende Erweiterungen: 6, 7 und 9. Neben einer kurzen harmonisch-Moll-Tonleiter in Takt 5, finden sich viele ‘indirect approach’-Figuren,

die als Arpeggien-Verzierung (Takt 11), aber auch in Form von einer Sequenz (Takt 6-7) eingesetzt werden. Eine andere Art der Verzierung stellen die Vielzahl der Triller (ausgeführt in Achtel-, bzw. Sechzehntel-Triolen) dar, die die Wirkung der Zieltöne verstärkt. Diese Strukturen ändern sich im zweiten Chorus nur wenig.

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Beginnend mit einer synkopierten Figur, die einen chromatischen Durchgang von e zu a über den Pedalton a beinhaltet, und durch ihre Struktur einen polyrhythmischen Charakter (punktierte Viertel über Viertel) erzeugt, wird der lineare Verlauf kurz unterbrochen. Man findet zusätzlich wieder die chromatischen Strukturen bei den Dur-Akkorden, wie den Durchgang vom Grundton zur b7 (Takt 7-8) oder von der #9 über 9, b9 zum Grundton der Dominante (Takt 13). Die Dramaturgie des kompletten Solos stellt eine stetige Steigerung dar, die im vierten und letzten Chorus ihren Höhepunkt

erreicht.

Er

ist

auf

ein

effektreiches

Spiel ausgelegt. Fast der ganze Chorus ist durch tremolierte Akkordeinwürfe gekennzeichnet. Das A7 wird durch verminderte Akkorde vertreten, wohingegen das Dm und Gm durch Moll7-Akkorde in Form von ‘Chord-Melodie’ (Takt 3-4) oder mit ‘chromatic-approach’-Akkorden (Takt 9-12) vorgestellt wird. Coco Briaval verwendet ein Achtel-Triolen Tremolo, das sehr exakt ausgeführt ist und so für den ‘approach’Effekt genutzt werden kann. Ein zusätzliches Mittel ist in Takt 8 das Tremolieren eines Glissandos, beginnend auf einem Gm7-Voicing, das sehr schnell aufwärts über den Gitarrenhals verschoben wird. Den Abschluß des Solos bildet eine kurzen Oktavmelodie, die wiederum polyrhytmisch (punktierte Viertel über Viertel) angelegt ist, dagegen melodisch keinen großen Charakter besitzt. Insgesamt bedient er sich einer Vielzahl von technischen Möglichkeiten. Die ganze Improvisation ist durch ein sehr virtuoses Spiel gekennzeichnet: beginnend mit Achtelketten, sowie AchtelTriolen-Läufe über kurze Trillerverzierungen und dem Tremolo bis hin zu synkopierten und polyrhythmischen Figuren. Als letzte Interpretation von ‘Les Yeux Noirs’ werden nun verschiedene Chorusse von Bireli Lagrene aus dem Album ‘Bireli Swing ‘81’ beleuchtet. Die Betrachtung beginnt mit dem dritten Chorus der Aufnahme. Allein der Blick auf die Noten zeigt ein fast stetig laufendes Achtelspiel, das die komplette Improvisation kennzeichnet. Der Chorus beginnt jedoch erst mit einer kurzen Oktav-Melodie (Takt 1-2), die man als

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Zitat des Themas deuten könnte, gefolgt von einem kurzen Akkordeinwurf, der die Harmonie bestätigt. Auch hier wird die Dominante A7 durch ein vermindertes

Arpeggio vertreten (Takt 5-6 Eo7 über A = A7b9). Die Melodiebildung ist, wie bei dem A7-Akkord, auf Arpeggien ausgelegt. Das Bb wird durch ein Dur 6/9 Arpeggio mit abschließendem chromatischen Durchgang vom Grundton zur kleinen Sept bestätigt. Ein solcher Durchgang findet sich auch in Takt 11-12, der sogar vom Grundton des Dm7 Arpeggio bis zur großenzuSexte undZum zurück ausgespielt wird. Es sind zusätzlich auch Tonleiterstrukturen finden. einen wird wieder Dharmonisch-Moll über A7 eingesetzt, und zum anderen spielt Bireli Lagrene eine chromatische Tonleiter über zwei Oktaven, die in den nächsten Chorus

überleitet und dort auf der b9 des A7 zu Ende gebracht wird. Der zweite Takt zeigt eine bisher noch nicht aufgeführte, harmonische Improvisationsstruktur: Ein Em6Arpeggio wird über A7 zum Einsatz gebracht, was ein A7/9-Charakter erreicht. In Takt 5-6 ist eine Nullakkordrückung (E0 nach G#07) zu dem eigentlichen A7-

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Arpeggio vorzufinden, die als erweiterte ‘chromatic-approach’-Form erklärt werden kann. Die Moll-Akkorde werden mit Moll 7/9-Arpeggien angespielt, was in Takt 15-16 auch durch die Phrasenwiederholung der drei Achtel d-e-f (1-9-b3) zu einer polyrhythmischen Figur führt. Eine Ausnahme bildet Takt 11-12, in dem D-Dorisch als Tonleiter mit Zielton h als großer Sexten von Dm verwendet wird. Der letzte

Chorus wird mit einer verminderten Dreiklangs-Sequenz, deren Länge sich über acht Takte erstreckt, begonnen. Ganz im Stile Django Reinhardts wird in den ersten zwei Takten das A7 durch einen unvollständigen Dominantseptnonenakkord ersetzt. Danach bricht Bireli Lagrene allerdings aus dieser Struktur aus und spielt zieltönig erst diatonisch abwärts und dann chromatisch aufwärts zum eigentlichen Zielton b (b3 von Gm), der jedoch nicht erreicht, jedoch durch einen kompletten Gm-Akkord bestätigt wird. Es zeigt sich innerhalb der Sequenz eine Akkordbezogene Sequenzstruktur in den Takten 5-8: mit dem Wechsel der Akkorde wird die chromatische Aufwärtsbewegung von einem Ganzton tiefer aus neu begonnen. Über dem A7 ist die harmonische Bewegung von der Quinte aufwärts zur kleinen Septime zu erkennen, wohingegen über dem Bb der Verlauf die große Septime, begonnen von der kleinen Sexte, zum Ziel hat. Den Abschluß des Solos bilden schon bekannte Merkmale. Zu erwähnen wäre noch der stark hervorgehobene Leitton c# (Takt 14), der mit dem vorgezogenen Grundton d die Improvisation abschließt. Den Abschluß dieser Betrachtung bildet der erste Chorus von Stochelo Rosenberg über den Jazz-Standard ‘Groovin’ High’ (Dizzy Gillespie) (siehe Notenanhang). Interpretiert wird dieses Stück von der Rhythmusgruppe als normaler 4/4-Swing des Zigeuner-Jazz. Auch wenn moderne Standards zur Vorlage genommen werden, ist die Interpretation meist an das QdHCDF angelehnt. Man sieht in den neuen Stücken nur neue Melodien, die trotz komplexer harmonischer Strukturen in die eigene Musik adaptiert werden. Wie auch bei Bireli Lagrene verrät der Blick auf das Notenbild schon ein sehr virtuoses Spiel, mit meist nicht durchbrochenen langen Achtelketten.

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Zusätzlich ist auch schon unschwer ein sehr stark Arpeggio betontes Spiel zu entdecken. Der Chorus wird mit einem Solo-Break eingeleitet, der eine TerzenSequenz der Eb-Dur-Tonleiter darstellt und in einem Ebmaj7/9-Arpeggio ohne Grundton (kann auch als Gm7-Arpeggio über Eb interpretiert werden) endet. Dies stellt bis auf den Takt 31 das einzige Tonleiterfragment dar. Die restlichen Akkorde werden durch Arpeggien bestätigt. Die Dominantseptakkorde werden oft durch verminderte Läufe repräsentiert (z.B. Takt 13-14). Interessant ist auch die harmonische Umdeutung in Takt 11-12: Die II-V-Verbindung Gm-C wird als reines C7 angesehen und dementsprechend zu einem Db07-Lauf umgedeutet, der als Zielton f# die #11 von C7 anspielt. Diese Art der Umdeutung wird den ganzen Chorus durchgehalten, wobei jedoch die II-V-Verbindung auch als IIm gesehen wird (Takt 7: Am-D7 umgedeutet zu Am). Es finden sich ebenso die typischen chromatischen Durchgangs-Figuren bei den Dominanten (z.B. Takt 29 Grundton-maj7-b7-6, Takt 30 Grundton-maj7-b7), die sich ebenfalls in Takt 22 als Antizipation von D7 (Takt 23 Am-D7 umgedeutet als D7) erweist. Auch Moll-Akkorde sind in Takt 19 mit einer solchen Figur verziert (Grundton-maj7-b7), was jedoch die Ausnahme bildet. Der Großteil der Moll-Linien entstehen aus Moll7-Arpeggien (Takt 3, 19 und 33). Das Ebmaj7 wird durch reine Eb-Dreiklangs- (Takt 25-26), Ebmaj7- (Takt 5) und Ebmaj7/6-Arpeggien (Takt 9-10 und 21) repräsentiert. Insgesamt kann man also die Melodiebildungen Stochelo Rosenbergs hauptsächlich auf Arpeggien-Melodik zurückführen. Im allgemeinen nutzt er auch Achteltriolen-Triller, sowie schnelle Sechzehntel-Vorhalte (z.B. Takt 12) und auch das Vibrato als Verzierungen. Diese Kurzanalyse bildet nun vorerst den Abschluß des analytischen Teiles, der, nach einem kurzen Einblick in bestimmte Besonderheiten der Gitarren-Technik der Zigeuner-Gitarristen, dann zusammenfassend dargestellt wird. 3.3.2.2. Spieltech ni sc he Element e

Hier soll nun ein kurzer Einblick in die Spieltechniken der Zigeuner-Jazz-Gitarristen gegeben werden, die jedoch nicht unbedingt stilbindend sind und somit auch nicht ausführlich bearbeitet werden. Ein Vergleich mit der Spieltechnik Django Reinhardts ist nicht notwendig, da er, aufgrund seiner eingeschränkten Greifhand, auf eine eigene spezielle Technik der linken Hand zurückgreifen mußte, die in dieser Form nicht komplett übernommen wurde. Hier soll jedoch darauf hingewiesen werden, das die Effekte, die sich bei Django Reinhardt entwickelten (z.B. Unisono-Passagen auf benachbarten Saiten oder Oktaven), übernommen wurden, aber grifftechnisch anders ausgeführt werden. Eine interessante Darstellung Django Reinhardts Grifftechnik findet sich in Alexander Schmitz Django Reinhardt-Biographie Seite 5760. Darauf soll aber nicht weiter eingegangen werden. Die Techniken der rechten

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Hand (harter Anschlag (starkes Attack durch Abschläge), Tremolo-Techniken und 'sweep picking'), sowie das Verwenden des Daumens der linken Hand, was in den vorherigen Kapiteln schon erläutert wurde, sind beibehalten worden. Hier sollen nun noch zwei nicht erwähnte technische Merkmale aufgezeigt werden. Das augenfälligste Merkmal im Spiel der Zigeuner-Jazz-Gitarristen ist eine, vom Griffbrett ausgesehen, sehr diagonal ausgelegte Spielweise, die es ihnen ermöglicht ohne große Einschränkungen das gesamte Ton-Potential der Gitarre trotz virtuoser Tempi zu nutzen. Verschiedenes tonales Material soll nun grifftechnisch aufgezeigt werden, um einen Einblick in diese Spieltechnik zu bekommen. Es wird hier versucht ein Prinzip darzustellen, das diese Spielweise grob definiert. Die größte Rolle spielen wohl Arpeggien, von denen einige exemplarisch hier in der reinen Form und in diagonaler Grifftechnik dargestellt werden.4 Es sind bewußt keine Fingersätze angegeben, da von den Zigeunermusikern kein bindender Fingersatz vorgeschrieben ist.  G-Major-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:



C-Major-Arpeggio beginnend auf der A-Saite:

4 Vgl.

Romane & Sebastian, Derek, Gipsy Jazz Guitar, Paris, 1995 Vgl. Cruickshank, Ian, The Guitar Style of Django Reinhardt & the Gypsies, London/New York/Sydney, 1989

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G-Minor-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:



C-Minor-Arpeggio beginnend auf der A-Saite:



G-Minor-add9-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:

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C-Minor-add9-Arpeggio beginnend auf der A-Saite:

Die typische diagonale Struktur ergibt sich, wie man an den Beispielen sehen kann, aus der jeweiligen Griffstruktur des Arpeggios über eine Oktave, die dann stets wiederholt wird. Durch die Terzstimmung zwischen der G- und der H-Saite ergeben sich jedoch kleine Griffvariationen. Man kann dieses Prinzip sehr gut an dem angefügten G-min-add9-Arpeggio erkennen, da die gleiche viertönige Griffvariante dreimal wiederholt wird. Diese Art der stetigen Wiederholung des Fingersatzes bildet wahrscheinlich eine Basis des sehr virtuosen Spieles der Zigeuner-Jazz-Gitarristen. An den nächsten zwei Beispielen sieht man ebenfalls diese Wiederhohlungsform von Griffkombinationen.



G#-07-Arpeggio beginnend auf der E-Saite:

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G7/b9-Arpeggio in Verbindung mit G#07:

Dies stellen nun einige Arpeggienformen dar, wobei natürlich auch die Maj7-, Maj6und Moll6-Arpeggien eine große Rolle spielen, aber hier nicht gesondert dargestellt werden, da es sich hier nur um einen Einblick in die Gitarrentechnik und nicht um ein Schulwerk handelt. Das Prinzip dieses diagonalen Spieles basiert also auf die Wiederhohlung von Grifkombinationen eines Oktavraumes und ist allgemein auf alle musikalischen Strukturen, also auch auf Tonleitern anwendbar. Neben dem diagonalem Spiel stellt das Vibrato eine wichtige Technik dar, dessen Ausführung jedoch nur schwer analysiert werden kann. Es kann hier also keine allgemein gültige Variante dargestellt werden. Es wird nun eine Darstellung der von Stochelo Rosenberg verwendeten Vibrato-Technik folgen. Sie soll als Beispiel dienen, wobei man durch die im Vorherigen erwähnten soziologischen Zusammenhänge der Zigeuner dies eventuell auch verallgemeinert sehen kann. Stochelo Rosenberg verwendet ein bundstabwärtiges Vibrato5, bei dem der Ton intervallmäßig durch eine bundstabwärtige Fingerbewegung erhöht wird und wieder 5 Vgl.

„Vibrato“ in Hill, Frank, Gitarrespielen Gitarrenspiele, Hofheim/Leipzig, 1995, Seite 49-51

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auf die ursprüngliche Tonhöhe zurückgeführt wird. Die Tonerhöhung reicht bei ihm teilweise bis zu einen Viertel-Ton. Der Einsatz dieser Vibrato-Variante könnte man auf die ‘bending’-Techniken zurückzuführen, bei denen auf die gleiche Weise Tonerhöhungen erzeugt werden. Zusätzlich ist es auch wahrscheinlich, daß durch das autodidakte Erlernen des Instruments diese Technik naheliegender ist, als das klassische und technisch eher komplexere saitenwärtige Vibrato. Es ist aber durchaus möglich, daß auch dieses Vibrato eingesetzt wird, oder beide in Mischformen auftreten. 3.3.2.3 Zusamm enfassu ng

Nachdem nun viele analytische Aspekte aufgezeigt wurden, soll nun eine zusammenfassende Darstellung der Improvisationsstilistik der heutigen ZigeunerJazz-Gitarristen angeführt werden. Aus den Chorus-Analysen ergibt sich eine große Menge stilprägender Elemente:  Rhythmische Aspekte: Ein durch lange Achtel-, sowie Achtel-Triolen-Ketten erzeugtes sehr lineares Spiel.  Die Verwendung von polyrhythmischen, sowie synkopierten Figuren.  Melodiebildung: Vornehmlich aus Arpeggien, aber auch aus harmonisch-Moll-, und Dur-Tonleitern, sowie die Verwendung der chromatischen Tonleiter oder von ‘chromatic-approach’-Figuren.  Harmonische Strukturen: sehr akkordbezogenes Spiel. Die Harmonien werden durch zieltöniges Anspielen der Akkordtöne bestätigt. Trotzdem aber auch Akkordantizipationen, Sequenzen mit verminderten Akkorden, sowie das Umdeuten der Dominante zu einem unvollständigen Dominant-Sept-NonenAkkord. Die Verwendung von ‘approach’-Figuren in allen Varianten, und die daraus resultierenden chromatischen Durchgänge zwischen Grundton und der b7, sowie 6, aufwärts als auch abwärts. Akkordeinwürfe, sowie ‘Chord-Melodie’, die streng an der Grundharmonie orientiert sind.  Techniken und Effekte: Einsatz von Oktaven als Effekt und als melodisches Element; Tremoli in Verbindung mit Akkord-Einwürfen; ‘Sweep picking’, das sich aus der Bevorzugung von Abschlägen ergibt; Ein diagonal angelegtes Spiel.  Ein insgesamt sehr virtuos angelegtes Spiel.  Artikulation: harte Abschläge, Stakkato, Vibrato, Halbton-bendings, SechzehntelVorhalte, Verzierung durch Triller, entweder als Achteltriole ausgeführt, oder als schneller Triller innerhalb von Achtelketten. Zu dieser Auflistung sollen noch zwei andere kurze Text-Auszüge hinzu gezogen werden, die einen anderen Einblick, also eine andere Sichtweise, in die Improvisations-Strukturen der Zigeuner-Jazz-Gitarristen geben. In dem schon

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angeführten Artikel ‘DJANGO ET L’ÉCOLE TSIGANE DU JAZZ’ wird diese Musik allein durch die Ausdrucksmittel definiert: „Les signes expressifs dont le musicien tsigane orne son discours sont de tous ordes et facilement répertoriables: effets de charme (vibrato appuyé), de séduction (glissando), de mélancolie (chromatisme), effets de virtuosité éblouissante (imitation des bruts de la nature, oiseaux, etc.), effets de violence enfin. En outre, les musicien s’abandonne toujours à un vif hédonisme sonore: il recherche les sonorités sensuelles et charmeuses, se livre à une sorte de ‘bel canto’ instrumental.“6 Diese Darstellung führt stilprägende Elemente des Zigeuner-Jazz auf und verbindet diese mit einer Art Ausdruckskunst. Eine andere Darstellung von Improvisations-Strukturen dieser Stilistik, bezogen auf die langen Achtelketten, findet sich bei Ian Cruickshank. Er definiert das Improvisieren durch das Zusammensetzen von kleinen harmoniegebundenen Fragmenten (Arpeggio-, sowie Tonleiter-Fragmente) zu langen Achtelketten: „’CONNECTING SOLO LINES’ This could be re-titled ‘collecting’ solo lines, as the art of bringing together what otherwise be fragmented scales, runs and arpeggios into cohesive expression via one long phrase is a lifetime’s study requiring endless experiment.“7 3.3.3. Die Improv isation s-Stili stik Zusamme nfassun g

Anhand der stilistischen Analysen von Django Reinhardt und den heutigen ZigeunerJazz-Gitarristen kann man unschwer erkennen, daß es sich bei den ImprovisationsStrukturen um eine Art ‘Schule’ basierend auf Django Reinhardt handelt, die auch in verschiedenen Aufsätzen als solche bezeichnet wird. „Comme nous le fit remarquer Matelot Ferret: ’On dit que Django joue style gitan. Django ne joue pas style gitan. Il joue un style qui lui est propre. La musique de Django commence avec lui-même. Il joue certes de la guitare, instrument traditionnel, mais il a fait lui-même son école de guitare. Il a créé un style. Cette école part de lui.’“„L’école tsigane est une école de guitare centrée sur l’oeuvre et la personne de Django. ... Django, pour beaucoup, ce n’est pas seulement un exemple, c’est aussi le parfait modèle.“8 Es ergibt sich nun die Frage, welche stilbildende Merkmale, neben der Rhythmusgruppe und den Begleitformen, vornehmlich die Stilistik des Zigeuner-Jazz definieren. Es zeigen sich verschiedene Elemente die im Zusammenhang dieses typische Klangbild erzeugen:9 6

Jalard, M.-C., Django et l’école tsigane du jazz, in Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seiet 57 Cruickshank, Ian The guitar Style of Django Reinhardt & the Gypsies, London/New York/Sydney, 1989, Seite 25 8 Jalard, M.-C., Django et l’école tsigane du Jazz, in Les Cahiers du Jazz, #1 (1959), Seite 71 9 vgl. Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti Jazz, Heidelberg, 1997 7

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Der charakteristische Gebrauch von Vibrato, Tremolo und Verzierungen (z.B. Vielzahl von Trillern)



Der harte, durch den hauptsächlichen Gebrauch von Abschlägen erzeugte, Anschlag (starkes attack), in Verbindung mit schnellen, kaum endenden, langen Läufen.



Sequenzen, sowie polyrhythmische und synkopierte Figuren, die auch harmonisch zu abrupten Tonartwechsel, bzw. zu Akkord-Antizipationen, führen können. Ein starker Gebrauch von verminderten Arpeggien, unter anderen als Umdeutung von unvollständigen Dominantseptnonen-Akkorden.



Hauptsächlich aus Arpeggien gebildete Melodien, welche sehr akkordgebunden fungieren und somit wenig Tonleiter orientiert sind. Ansonsten auch die Verwendung von hauptsächlich harmonisch-Moll-, sowie chromatischer Tonleitern.



Ein merklich undurchbrochenes, sehr virtuos angelegtes Spiel, das meist durch Achtelketten mit Achteltriolen-Einwürfen bestimmt ist, die jedoch den formalen Verlauf des Chorus einhalten, d.h. Formgrenzen werden eingehalten und die Läufe werden logisch zu Ende geführt (2-, 4-, 8-, 12-, etc. taktige Phrasen).

Diese Merkmale zeigen nun die im Endeffekt stilbestimmenden Elemente des Zigeuner-Jazz. Es sind die, welche vornehmlich in der Django-Rheinhardt-Schule verblieben und diese somit definieren. Die restlichen in den Analysen vorgetragenen Punkte sind Genre übergreifend, jedoch ebenso für die Stilistik bindend. Es zeigt sich also eine Trennung zwischen dem, was in der weiteren Musikentwicklung Verwendung fand und dem, was ausschließlich in der Stilistik verblieb und somit eine Definition erlaubt. Es ist auf jeden Fall ersichtlich, daß es sich bei Zigeuner-Jazz um eine Stilistik in der Tradition Django Reinhardts handelt, die als musikalisch abgeschlossener Komplex behandelt werden kann, da sie allein durch die Person Django Reinhardts definiert ist.

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4. Zusammenfassung Nach den Zusammenfassungen des ersten und zweiten Teiles, die die wichtigsten Merkmale der Stilistik aufgezeigt haben, soll hier noch abschließend eine zusammenfassende Definition des Idioms ‘Zigeuner-Jazz’ gegeben werden. Anhand der Analysen und Darstellungen läßt sich die Stilistik prinzipiell der Stilistik Django Reinhardts zuordnen. Er begründete in den 30er Jahren mit dem QdHCDF eine neue musikalische Strömung, die aufgrund seiner ethnischen Zugehörigkeit in den folgenden Generationen fast ausschließlich von Zigeunermusikern übernommen wurde. Die Stilistik Django Reinhardts, die aus den musikalischen Komponenten der Zigeuner-Folklore, der Bals Musettes, des Impressionismus und des Flamenco in Verbindung mit dem zeitgenössischen Jazz der 30er und 40er Jahre als Hauptkomponente

entstand,

wird

traditionsbewußt

vornehmlich

von

den

in

Deutschland, Belgien und den Niederlanden lebenden Zigeuner aufrechterhalten und gepflegt. Dadurch entstand eine bis heute weiterlebende Stilistik des Jazz, die aufgrund der ethnischen Abstammung der Interpreten als Zigeuner-Jazz definiert wurde, jedoch eher als Jazz in der Tradition Django Reinhardts verstanden werden kann. Der Begriff ‘Zigeuner-Jazz’ kam laut der im Vorwort angeführten Definition in den 60er Jahren auf, was man auf das ‘Coming Out’ der deutschen Zigeuner in dieser Zeit zurückführen kann. Durch die Plattenreihe ‘Musik Deutscher Zigeuner’ wurde ein Bild über das Spektrum der heutigen Zigeuner-Musik gegeben, in dem die Komponente Jazz als die Stilistik Django Reinhardts vorgestellt wurde, und somit wahrscheinlich als Jazz der Zigeuner, also als Zigeuner-Jazz definiert wurde. In den musikalischen Strukturen der Zigeuner-Jazz-Musiker und deren Ensembles kann man die Aspekte der Instrumentation, der Interpretation, des Repertoires und der Improvisations-Strukturen entdecken, die trotz Neuerungen bis heute in der Tradition Django Reinhardts und des QdHCDF stehen. Die Instrumentierung der Zigeuner-Jazz-Formationen besteht meist aus Gitarren und Kontrabaß (aber auch Schlagzeug, Klavier oder Akkordeon) in der Rhythmusgruppe, sowie Geige und Gitarre

(auch

Klavier,

Klarinette,

Akkordeon)

bei

den

Solisten.

In

der

Rhythmusgruppe bilden stetig durchgehaltene festgelegte Rhythmus-Pattern (4/4Swing-Begleitung, 3/4-Begleitung, Latin-Begleitung) den Basisrhythmus, der durch ‘Rhythm-Fills’ angereichert wird. Das Repertoire setzt sich aus Zigeuner-Folklore, Django Reinhardt-Kompositionen, amerikanischen Swing- und Jazz-Standards,

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Swing-Valses (Valses Musettes) und Schlager- und Operetten-Melodien zusammen. Im improvisatorischen Bereich lassen sich fünf Hauptelemente zusammenfassen, die durch die Vorgaben Django Reinhardts bis heute für die Stilistik des Zigeuner-Jazz prägend sind:  

Der charakteristische Gebrauch von Vibrato, Tremolo und Verzierungen. Der harte, durch den hauptsächlichen Gebrauch von Abschlägen erzeugte, Anschlag, in Verbindung mit schnellen, kaum endenden, langen Läufen.



Sequenzen, sowie polyrhthmische und synkopierte Figuren, die auch harmonisch zu abrupten Tonartwechsel, bzw. zu Akkord-Antizipationen, führen können. Ein starker Gebrauch von verminderten Arpeggien, unter anderem als Umdeutung von unvollständigen Dominantseptnonen-Akkorden.



Hauptsächlich aus Arpeggien gebildete Melodien, die sehr akkordgebunden fungieren und somit wenig Tonleiter orientiert sind. Ansonsten auch die Verwendung von hauptsächlich harmonisch-Moll-, sowie chromatischer Tonleitern.



Ein merklich undurchbrochenes, sehr virtuos angelegtes Spiel, das meist durch Achtel-Ketten mit Achteltriolen-Einwürfen bestimmt ist, die jedoch den formalen Verlauf des Chorus einhalten.

Aufgrund dieser Ergebnisse kann nun eine endgültige Definition der Stilistik des Zigeuner-Jazz gegeben werden: Zigeuner-Jazz: Begriff für eine Stilistik des Jazz, die durch den Personalstil Django Reinhardts definiert und durch Einflüsse aus der Zigeuner-Folklore, den Bals Musette, dem Impressionismus und dem Flamenco auf der Basis des Jazz der 30er und 40er Jahre entstanden ist. Die damals verwendeten Komponenten der Instrumentation, des Repertoires, der Interpretation und der ImprovisationsStrukturen bilden Vorgaben, die aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit Django Reinhardts vornehmlich von den in Deutschland, Belgien und den Niederlanden lebenden Zigeunermusikern traditionell gepflegt und aufrecht erhalten werden, was zu einem ‘Jazz der Zigeuner’ führte, also einem ‘Zigeuner-Jazz’, der heute als eigene Stilistik angesehen werden kann.

91

5. Literaturverzeichnis 

Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 1: Die ungarische ‘Zigeunermusik’, Heidelberg, 1996



Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 2: Der Sinti-Jazz, Heidelberg, 1997



Awosusi, Anita (Hrsg.), Die Musik der Sinti und Roma. Band 3: Der Flamenco, Heidelberg, 1998



Ayeroff, Stan, Jazz Masters: Django Reinhardt, New York/London/Sydney, 1978



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