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July 23, 2022 | Author: Anonymous | Category: N/A
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PSYCHOLOGIE  HEUTE

compact

Endlich geschafft!    0    9  ,    2    1      R    F    S      0    9  ,    7  

      R

   9    3    T    F    E    H    4    1    0    2

 

Kaffee trinken und Zeitung lesen ist eine wunderbare Kombination. Eine Zeitung sollte unabhängig sein. www.taz.de/tazpresso Und der Kaffee fair gehandelt.

10

 Jahre

 

 

Alles nach Plan? Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch ’nen zweiten Plan Gehn tun sie beide nicht Diese Zeilen aus Bertolt Brechts „Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen menschl ichen Strebens“ rufen in mir jedes Mal aufs Neue gemischte Gefühle hervor. Einerseits bin ich erleichtert: Wenn das Scheitern wirklich im Wesen von guten Vorsätzen liegt, dann bin ich aus dem Schneider, wenn ich ein Ziel nicht erreiche. Andererseits aber widerstrebt mir die Vorstellung, Vorstellung, dass es keinen Sinn hat, einen Plan zu fassen, weil – wie w ie es in der Ballade heißt – „der Mensc Mensch h nicht schlau genug“ dafür sei. Das ist mir dann doch zu zynisch. Und es ist auch falsch. Denn wir Menschen können durchaus Pläne in die Tat umsetzen, und selbst die viel belächelten Neujahrsvorsätze müssen nicht scheitern.

URSULA NUBER ([email protected])

Voraussetzung ist allerdings, dass wir uns mit den Mechanismen vertraut diePsyc demhologie Gelingen oder Scheitern vonErkenntnisVorhaben zugrundemachen, liegen. Die Psychologie hat hierzu interessante Ist das, was ich erreichen se gewonnen. Wussten Sie zum Beispiel, dass Hartnäckigkeit beim will, wirklich mein Ziel? Verfolgen eines Ziels oft wichtiger ist als Talent? Ist Ihnen klar, dass die Methode „Versuch „Versuch und Irrtum“ Irr tum“ durchaus hilfreich bei der Bewältigung einer Aufgabe ist? Und haben Sie eine Vorstellung davon, wie Sie schlechte Gewohnheiten durch gute ersetzen können? Natürlich ist das Wissen um solche Zusammenhänge noch keine Garantie, dass unsere Vorhaben Vorhaben von Erfolg gekrönt sind. si nd. Wenn Wenn Pläne „nicht gehn“ geh n“,, wie Brecht meint, m eint, dann liegt das oft daran, dass wir Ziele anpeilen, die „nicht dienlich sind“, so der Psychologe Kennon M. Sheldon von der University of Missouri in Columbia. Er hat festgestellt, dass wir oftmals nach etwas streben, was weder zu uns passt noch unser Wohlbefinden erhöht oder unserer Weiterentwicklung Weiterentwicklung dient. Wir lassen uns allzu leicht von fremden Werten leiten („Wenn du Jura studierst, kannst du meine Kanzlei übernehmen …“) oder reagieren auf direkten oder indirekten Druck unserer Umgebung („Mein Partner mag nur schlanke Frauen“). Doch wie erkennt man ein falsches Ziel? Ständige Erschöpfung, fehlende Freude auf dem Weg dorthin und eine innere Leere, wenn man es erreicht hat, sind typische Symptome. Es lohnt sich also zu prüfen: Ist das, was ich erreichen möchte, wirklich mein Ziel? Werde ich zufriedener sein, wenn ich es erreicht habe? Wenn Sie darauf keine eindeutige Antwort wissen, sollten Sie vielleicht als Erstes den Artikel auf Seite 20 lesen. Da geht es um die Frage, wie man ein falsches Ziel aufgeben kann.

3

 

Inhalt 

HEFT 39

6

NEUE WEGE GEHEN  



 

So geht der Plan auf!

40 

So geht es nicht weiter!

HEIKO ERNST

 

ANNA ROMING

 14  Lob der Hartnäckigkeit PETER DOSKOCH

 20  Wann soll man durchhalten, wann aufgeben?  

38

SCHRITTE ZUM ERFOLG

ANNA GIELAS

 46  Wie sich Gewohnheiten verändern lassen  

CHARLES DUHIGG

52   

Mini-Habits Mit kleinen Schritten Großes erreichen

 

URSULA NUBER

 24  Versuch‘ Versuch‘ss einfach!   Auf Umwegen kommt man auch ans Ziel

 56  Was wir von den Besten lernen können

 

 26  Voll motiviert

 58  Selbstsuggestion: „Wenn ich das so mache,   hält das dann?“

 

 

INGRID GLOMP

EVA TENZER

 30  Lässt sich Motivation trainieren?  

EIN GESPRÄCH MIT GABRIELE OETTINGEN

 

HEIKO ERNST

EVA TENZER

 64  Diplomatie: Den gemeinsamen   Nenner suchen  

FRANK NAUMANN

 32  Kreativität ist wie Eintopfkochen  



BIRGIT SCHÖNBERGER

PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

I M P R E S S U M

REDAKTION

Werderstraße 10, 69469 Weinheim Postfach 100154, 69441 Weinheim Telefon: 06201/6007-0 Telefax: 06201/6007-382 (Redakti on), 6007-310 (Verlag) WWW.PSYCHOLOGIE-HEUTE.DE HERAUSGEBER UND VERLAG

Julius Beltz GmbH & Co. KG, Weinheim Geschäftsführerin der Beltz GmbH: Marianne Rübelmann CHEFREDAKTEUR

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Claudia Klinger c/o Psychologie Heute Postfach 100154, 69441 Weinheim Telefon: 06201/6007-386 Telefax: 06201/6007-9331 DRUCK   Druckhaus Kaufmann, 77933 Lahr VERTRIEB ZEITSCHRIFTENHANDEL

ASV Vertriebs GmbH, Süderstraße 77 20097 Hamburg, Telefon 040/34729287 EINZELHEFTBESTELLUNGEN

68

DIE HÜRDEN NEHMEN  70  Warum wir uns manchmal unsere Erfolge selbst vermasseln  

INGRID GLOMP

74 

Wenn es scheinbar nicht mehr vorangeht

 

HEIKO ERNST

 78  Mentale Fitness   Was sich vom Sport lernen lässt  

AXEL WOLF

 82  „Ich kann was!“  

SUSIE REINHARDT

 86  Konzentriert studieren  

VANESSA KÖNEKE

 90  Kreativer Hang zum Trödeln  

ANNETTE SCHÄFER

 

Beltz Medien-Service bei Rhenus 86895 Landsberg, Telefon: 08191/97000-622, Fax: 08191/97000-405, E-Mail: [email protected] www.shop-psychologie-heute.de COPYRIGHT: Alle Rechte vorbehalten. © Be ltz Verlag, Weinheim.

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der Stiftung Bethel in Bielefeld bei. Wir bitten unsere Leser um freundliche Beachtung.  

3   Editorial  5   Impressum  9 6   Markt Best.-Nr.: 47226 ISBN 978-3-407-47226-7 5

 

NEUE WEGE GEHEN „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg“ „Der Weg ist das Ziel“ „Man muss nur wollen“ Wenn wir ein Ziel erreichen wollen, sollten wir uns nicht auf kluge Sprüche verlass verlassen. en. Willenskraft Willenskraft allein reicht oft nicht aus, und der Weg kann steinig werden. Deshalb: Je besser wir die „Psychologie „Psychologie des Ziels“ kennen, umso gerüsteter sind wir

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

So geht der Plan auf!

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Lob der Hartnäckigkeit

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Wann soll man durchhalten, wann aufgeben?

Versuch‘s einfach! Versuch‘s Auf Umwegen kommt man auch ans Ziel

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Voll motiviert

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Lässt sich Motivation trainieren?

32

Kreativität ist wie Eintopfkochen

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SO GEHT  DER PLAN PLAN A  AU UF!

Ziele zu haben ist wichtig. Wer Wer ohne Plan durchs Leben geht, verliert schnell die Orientierung.. Ob wir erreichen, Orientierung er reichen, was wir wollen, hängt in hohem ho hem Maße davon ab, wie wir mit den Stolpersteinen auf dem Weg Weg zum Ziel umgehen VON HEI KO ERNS T



PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

D

   G    I    R    H     Ö    R    A    N    I    N    A    J   :    N    E    N    O    I    T    A    R    T    S    U    L    L    I

en Halbmarathon geschafft! 10 Kilo abgenommen! Die Beförderung bekommen! Die Prüfung bestanden! Welches Ziel wir auch haben – wenn wir es erreichen, erfüllt uns das mit Stolz und stärkt unser Selbstbewusstsein. Doch so manches erstrebte Ziel bleibt im Planungsstadium stecken. Die Gründe dafür sind sicher vielfältig; häufig aber liegt es daran, dass wir schon bei der Zielfindung und -formulierung Fehler begehen. Die psychologische Forschung stellt uns Erkenntnisse zur Verfügung, Verfügung, die uns wesentlich „zielsicherer“ machen können.

lernen will, muss sich zunächst auf viele motorische und technische Details konzentrieren, wenn er nicht gleich auf die Nase fallen will. wil l. Die Vision – elegant einen steilen Hang im Pulverschnee hinunterzuwedeln hinunterzuwedeln – hat uns das Ziel wählen lassen, aber in der ersten Trainingsstunde wäre sie wenig hilfreich. Auch wer eine eigene Website oder ein Blog einrichten will, aber wenig Erfahrung mit solchen Dingen hat, braucht Was muss ich tun-Formulier -Formulierungen: ungen: ein Handbuch lesen, mit Leuten sprechen, die bereits ihre Website im Netz haben, sich über Gestaltung und Inhalte der Seiten Gedanken machen und so weiter.

DAS ZIEL FIXIEREN

LANGFRISTIGE ZIELE, KURZFRISTIGE ZIELE

Kaum zu glauben – aber viele v iele Menschen versäumen versäumen es, ein Ziel genau zu formulieren, bevor sie sich auf den Weg begeben. Ihre Vorstellung davon ist bestenfalls verschwommen, und sie folgen ihren Wünschen, Impulsen und Sehnsüchten: Natürlich ist es erstrebenswert, gesünder zu leben, abzuspecken, seine Finanzen in Ordnung zu bringen, mehr Erfolg im Beruf zu

Der Zeitfaktor spielt eine wichtige Rolle bei unseren Zielen: Fange ich bereits morgen mit der neuen Diät an oder erst nächsten Monat? Ist die wichtige Prüfung schon nächste Woche, oder habe ich noch ein halbes Jahr Zeit dafür? Die wissenschaftliche Beobachtung zeigt, dass Ziele, die in weiterer Ferne liegen, meist im Warum-Modus formuliert sind, wäh-

haben, glücklich zu sein. Aber solche Wünsche bleiben oft nur Wünsche. Den vagen Zielformulierungen entsprechen nämlich ebenso vage Strategien: „Ich „Ich muss mich nur ein bisschen anstrengen, ich gebe mein Bestes, ich werde es schon schaffen.“ Das sind lausige Selbstmotivationen, findet die Psychologin Heidi Grant Halvorson, denn sie seien nachweislich nicht „zielführend“. Wer sich nur ein vage definiertes Ziel setzt, erliegt viel schneller der Versuchung, es entweder aufzugeben oder für „erreicht“ zu erklären, wenn er müde, entmutigt oder gelangweilt ist. Bereits die Zielformulierung hat also erhebliche Auswirkungen darauf, ob wir ein Ziel erreichen. „Die Wohnung in Schuss halten“ ist ein abstrakter Plan, „regelmäßig „regelmäßig die Böden saugen, die Fenster putzen sowie Staub wischen“ wäre ein konkretes Ziel. Heidi Grant Halvorson erklärt die Unte Unterschiede rschiede so: Eine abstrakte Formulierung verdeutlicht eher das Warum  einer Zielsetzung, sie gibt Auskunft darüber, was unsere „Vision“ ist: eine Beförderung, ein besserer Bildungsabschluss, eine gewinnbringende Lektüre. Wir geben mit dem Warum unseren Anstrengungen Anstrengungen einen tieferen Sinn. Die konkrete Formulierung rückt das Was muss ich tun?  tu n?  ins  ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Sie ist „kleinteiliger“ und konzentriert sich auf die nötigen Schritte. Ein Ziel mit Was muss  zu formulieren bringt Vorteile, vor allem dann, wenn ich tun?  zu es um ein schwieriges, ungewohntes oder zeitaufwendiges Pro-

rend kurzfristige Ziele eher mit Was muss ich tun-Fragen angegangen werden: Wer sich mit dem langfristigen Projekt „Ich ziehe um!“ beschäftigt, wählt als Überschrift meist eine Vision: „Ich fange bald ein neues Leben an!“ Steht der Umzug unmittelbar bevor, fragen wir: „Wo kriege ich genügend Kisten her, und wie organisiere ich den Transport?“ Transport?“ Es geht aber nicht nur um Zielformulierungen an sich. Jede der beiden Varianten beeinflusst auch unsere Entscheidungen und Handlungen maßgeblich. maßge blich. Wenn Wenn wir Warum?  denken,  denken, achten wir mehr auf Informationen, die die „Rendite“ des Ziels betreffen. Wird uns das Ziel glücklicher, besser, zufriedener machen? Zum Beispiel: Lohnt sich das aufwendige und anstrengende Medizinstudium? Werde ich als zukünftiger Arzt zufrieden, zufried en, wohlhabend, glücklich sein? sei n? Was Was bringt es mir, wenn ich an dieser Fortbildungsveranstaltun Fortbildungsveranstaltungg in sechs Monaten teilnehme? Lerne ich etwas Entscheidendes dazu, treffe ich neue und interessante Leute? Wenn wir solche Fragen mit Ja beantworten, entscheiden wir uns aktiv für ein Ziel. Wir versuchen nun, den nötigen Notendurchschnitt für das Medizinstudium zu schaffen, wir melden uns zur Weiterbildung an. Der Was-Modus lenkt unsere Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit stärker auf die Machbarkeit von Zielen: Wie schwierig wird es, wenn wir dieses Ziel anstreben, welche Hindernisse könnten auftauchen, auftauchen, und wie überwinden wir sie? Und je näher das Ziel zeitlich liegt, desto genauer achten wir

 jekt geht. Hier ist es wichtig, wichtig, nicht schon bei den ersten Schritten zu stolpern, sondern genau zu beachten, wie man von A nach B kommt. Wir gehen die Aufgabe in kleinen Schritten an und versuchen, ihre Komplexität zu reduzieren: reduzieren : Wer Wer Skifahren

auf die nächsten Schritte: Wie Wie sehen meine Noten in den naturwissenschaftlichen Fächern aus? Wer Wer vertritt mich an meinem Arbeitsplatz, wenn ich an der Fortbildung teilnehme? Langfristige Ziele erscheinen uns anfangs besonders wün9

 

schenswert. Wir Wir sind hochmotiviert und optimistisch. Aber je näher der Tag kommt, an dem wir erste konkrete Schritte tun oder Hindernisse überwinden müssen, beginnen wir uns oft zu fragen: Was hat mich da nur geritten? Warum habe ich geglaubt, dass diese zeitraubende Fortbildung mir wirklich etwas bringt? Dann setzt oft Panik ein, denn wir stoßen nun auf die Realitäten, die zwischen uns und dem Ziel liegen. Der Warum-Modus der Zielformulierung hat uns all die kleinen hässlichen Details vergessen lassen, die in dem Augenblick auftauchen, wenn wir das Ziel konkret angehen müssen. Das Ziel, das uns Glück oder Zufriedenheit bringen sollte, verwandelt sich in ein Horrorszenario. Bei kurzfristigen Zielen verfallen wir mitunter in den umgekehrten Fehler: Manchmal erscheint uns etwas spontan begehrens- oder wünschenswert, und wir würden gerne zugreifen. Aber weil das Ziel sofort konkrete Schritte erfordern würde, die vielleicht mühsam oder aufwendig erscheinen, geben wir es auf: Zu viel Umstand, lohnt sich nicht, vielleicht später! Später bereuen wir, dass wir eine Chance nicht ergriffen, eine

von vornherein mit dem Scheitern als Möglichkeit rechnet, wer sich ausmalen kann, was alles einen Erfolg verhindern könnte, ist für Anfechtungen, Schwächeperioden und Rückschläge gewappnet. Er weiß: Es kostet Mühe und Selbstüberwindung, um das Ziel zu erreichen. Die naiven Optimisten blenden diese Umstände bei der Zielformulierung aus, sie lassen sich von der Vision blenden und über die eigenen ei genen Schwächen hinwegtäuschen. Bei der ersten Unlust, bei den ersten Schwierigkeiten geben sie auf. Die Psychologin Gabriele Oettingen nennt die erfolgreichere realistisch-pessimistische Betrachtungsweise „mentales Kontrastieren“: Man formuliert ein positives Ziel, sucht aber dann sofort das Haar in der Suppe und wendet sich den vielen möglichen Hindernissen zu, die einen vom Ziel abhalten könnten. Diese Haltung mobilisiert von vornherein mehr Aktivität: Jobsuchende zum Beispiel, die diesen pessimistisch gefärbten Realismus aufbringen, verschicken sehr viel mehr Bewerbungen als die, die einfach auf ihren Traumjob Traumjob warten. Und wer viele Bewerbungen verschickt, sie sorgfältig formu-

Gelegenheit ausgelassen haben. Wir haben die kurzfristige Einladung zu einer Reise nicht angenommen, weil wir im Augenblick nicht ni cht wussten: Wohin Wohin mit dem Hund? Ich muss ja die Zeitung abbestellen. Die zeitlich naheliegenden Hindernisse haben uns den Blick auf ein eigentlich attraktives Ziel versperrt: Statt Warum?  haben  haben wir Was?  gefragt.  gefragt.

liert und Fehler zu vermeiden versucht, erhöht seine Chancen beträchtlich.

AN DAS EIGENE KÖNNEN GLAUBEN

Körperliche Fitness und regelmäßige Bewegung gehören zu den meistgenannten Zielen in unserer Zeit. Viele Menschen verbinden damit eine Reihe positiver Nebeneffekte wie Gewichtsreduzierung oder gesundheitliche Vorbeugung. Also melden sie sich in einem Fitnessstudio oder Sportverein an oder kaufen sich ein Standfahrrad, ein Laufband oder eine Rudermaschine. Aber zahllose Heimgeräte stehen unbenutzt in einer Ecke, und wenn alle Mitglieder am selben Abend in ihr Fitnessstudio gingen, wäre es hoffnungslos überfüllt. Das Ziel erweist sich für manche als schier unerreichbar. Woran liegt das? Sind sie so willensschwac willensschwach, h, haben sie ein für sie unerreichbares Ziel gewählt? Menschen Mensc hen unterscheiden sich darin, für wie leicht sie jeweils den Weg Weg zu einem begehrten begehr ten Ziel halten: Die einen ein en sind davon überzeugt, dass sie es schaffen können – ist doch nichts Besonderes, jeden Tag 20 Minuten Training! Sie scheitern etwa dreimal so häufig wie eine zweite Gruppe. Diese geht deutlich

Wenn wir ein Ziel anpeilen, kommt oft Unsicherheit auf: Hat es wirklich Sinn, einen Russisch- oder Italienischkurs zu belegen, wo ich mich doch schon in der Schule mit Englisch Engli sch schwergetan habe? Die Antwort, die wir darauf geben, hängt davon ab, welche Theorie über uns selbst wir besitzen. Die Psychologin Carol Dweck von der Stanford University   hat herausgefunden, dass es zwei z wei grundlegende Überzeugungen gibt, mit denen Menschen ihre Fähigkeiten und Talente bewerten: Die einen gehen davon aus, dass wir so sind, wie wir sind: Nahezu alles – Intelligenz, Charakter, Persönlichkeit – ist fixiert oder nur in sehr engen Grenzen beeinflussbar. beeinflussbar. Typische Typische Äußerung: „Der eine hat’s, der andere nicht. Für Sprachen bin ich eben nicht besonders begabt.“ Die anderen glauben, dass im Grunde alles veränderlich ist, vor allem zum Besseren: Intelligenz, körperliche oder geistige Beweglichkeit, Gedächtnis, Sprachfertigkeit und vieles mehr mehr.. Dweck nennt die erste Gruppe die „Entitäts- oder Eigenschaftstheoretiker“.. Sie gehen vom Gegebenen aus und halten dies für theoretiker“ eine geradezu schicksalshafte Festgelegtheit auf bestimmte Fähigkeiten. Die anderen sind die „Zuwachstheoretiker“. „Zuwachstheoretiker“. Sie glauben daran, dass die meisten unserer PersönlichkeitseigenPersönlichkeitseigen-

realistischer an die Sache heran: Es reicht nicht, dass das Gerät im Hause steht oder die Anmeldung im Fitnessstudio unterschrieben ist. Ein kräftiger Schuss Pessimismus, was die eigene Ausdauer und Leistungsfähigkeit Leistungsfä higkeit betrifft, betri fft, ist nun hilfreich: Wer Wer

schaften, vor allem aber Intelligenz und Kompetenz veränderveränderliche Größen sind, die man mit Anstrengung und Lernen verbessern kann. In zahlreichen Studien hat Dweck die Wirkung solcher „impliziten Persönlichkeitstheorien“ untersucht und

REALISMUS: DEN AUFWAND KALKULIEREN

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festgestellt, dass sie unser Verhalten, Verhalten, unsere Leistungsfähigkeit und vor allem unsere Ziele maßgeblich beeinflussen. Wer Wer zu den Entitätstheoretikern gehört, versucht im Grunde immer wieder, sich seine vorhandenen Eigenschaften und Fähigkeiten validieren zu lassen. Entitätstheoretiker suchen sich deshalb Ziele, deren Erreichen das bestätigt, was sie von sich selbst halten: So bewegen sie sich auf sicherem Gelände und vermeiden riskante Ziele. Sie fürchten, sich selbst zu überfordern oder Lücken in ihrem Fähigkeitsportfolio zu offenbaren. Die Anhänger der Entitätstheorie glauben beispielsweise auch, dass denen, „die es haben“, alles zufliegt. Schon in der Schule brauche sich etwa ein Sprachbegabter auf diesem Gebiet nicht besonders anzustrengen, das Gleiche gilt für mathematisch oder sportlich Begabte. Also wählen sie Aktivitäten und Ziele, in denen sie glänzen und vorhandene Fähigkeiten unter Beweis stellen können. Umgekehrt Umgek ehrt versuchen die di e Zuwachstheoretiker immer wieder, ihre Grenzen auszutesten und sich in neuen Herausforderungen zu erproben. Sie sehen anspruchsvolle Ziele nicht als

Durch Fehler und Rückschläge lassen sie sich nicht entmutigen, denn sie haben verinnerlicht, verinnerl icht, dass man „es“ schaffen kann, wenn man sich genügend anstrengt. Erste Erfolgserlebnisse in einem neuen Gebiet – etwa beim Klavierspielen, Skifahren oder Sprachenlernen – sind dann besonders befriedigend. Zuwachstheoretiker wachstheoretik er kommen schnell „auf den Geschmack“ und setzen sich noch höhere Ziele. Zum Glück kann die Selbstbeschränkung der Entitätstheoretiker aufgebrochen und verändert werden. Dweck hat in zahlreichen Experimenten gezeigt: Durch gezielte Instruktion über Lernpotenziale und die Plastizität von Eigenschaften begriffen griff en auch die Entitätstheo Entitätstheoretiker, retiker, dass man seine Spielräume und damit auch sein Persönlichkeitsprofil Persönlichkeitsprofil sehr stark erweitern kann. Mathematikleistungen Mathematikleistungen ließen sich beispielsweise deutlich verbessern, als man den Schülern etwa eine halbe Stunde pro Woche Woche in einem speziellen Kurs vorführte, wie erhebliche Lernzuwächse möglich sind. Schon die neugewonnene Überzeugung, dass man in diesem Fach besser werden könne, reichte aus, um bessere Noten zu erreichen.

bedrohlich an, sondern als Chance, sich weiterzuentwickeln.

MANCHE ZIELE ENTSTEHEN AUS DEM WUNSCH NACH BINDUNG

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NUR SELBSTGEWÄHLTE ZIELE LOHNEN DEN AUFWAND Welche Ziele machen uns wirklich glücklich? Dumme Frage – natürlich die Ziele, die wir erreichen, zumindest für den Augenblick. Die Frage ist jedoch, ob dieses Glück nachhaltig ist, ob wir stolz darauf sind, diesen Erfolg erzielt zu haben, ob wir darauf aufbauen können. Zahlreiche Studien belegen, dass extrinsisch motivierte Ziele wie Ruhm, Geld oder Lob uns zwar für einen Augenblick stolz oder zufrieden machen. Wer Wer gerade „Superstar“ geworden ist bei einer Castingshow Castingshow,, wer sich das neue Auto leisten oder den Neid der Nachbarn erregen konnte, weil er einen Swimmingpool im Garten baute, hat sein Ziel erreicht. Aber immer wenn es um Imagegewinne, finanzielle Erfolge oder um Ruhm und Ansehen geht, verflüchtigen sich die Glücksgefühle besonders schnell. Andere Ziele machen uns langfri langfristig stig glück-

sches Wohlbefinden enorm wichtig: Menschen kennenzulernen, bestehende Bindungen und Beziehungen zu stärken, etwas für die Gemeinschaft zu tun. Das Bedürfnis nach Kompetenz  bedeutet,  bedeutet, die eigene Wirksamkeit zu erfahren: soziale, körperliche, emotionale, künstlerische, organisatorische und kreative Fähigkeiten geben uns das Gefühl, unsere Umwelt beeinflussen zu können. Das Bedürfnis nach Kompetenz lässt uns Selbstbeschreibunge Selbstbeschreibungen n formulieren wie „Ich bin ganz schön schlau“, „Ich bin ein guter Zuhörer“ oder „Ich bin ausdauernd, wenn es einen schwierigen Fall zu lösen gilt“. Kompetenz ist auch ein Wachstumsbedürfnis, wir wollen uns als Menschen verbessern, wir suchen uns Ziele, an denen wir unsere Kompetenz beweisen können. Das dritte Grundbedürfnis ist Autono  Autonomie mie: Wir wollen möglichst viel selbst wählen oder mitbestimmen, wenn es

lich. Denn nicht das Ziel allein motiviert und inspiriert uns, sondern auch sein Ursprung: Wer Wer wollte, dass wir einen Doktortitel schaffen? Wir selbst – oder unsere Eltern? Wen wollen wir damit beeindrucken? Woher kommt der Impetus, einen Sechstausender zu besteigen – wollen wir unseren Freunden imponieren, oder ist es uns wirklich ein inneres Bedürfnis, also ein intrinsisch motiviertes Ziel? Gibt es psychische Bedürfnisse, ohne deren Erfüllung wir kaum Zufriedenheit, seelische Ausgeglichenheit und vielleicht sogar Glück erreichen können? Und was haben sie mit unserer Zielwahl zu tun? Die Psyc Psychologen hologen Edward Deci und Richard Ri chard Ryan haben drei menschliche Grundbedürfnisse definiert: Bezogenheit, Kompetenz und Autonomie. Bezogenheit  ist  ist der Wunsch, Wunsch, zu lieben und geliebt zu werden, werden , Freundschaften Freundschaft en zu schließen, umsorgt zu werden und für andere zu sorgen, intensive und intime Beziehungen zu anderen Menschen zu unterhalten. Weil Weil wir Beziehungen Bezie hungen wertschätzen, wertschätzen , empfinden wir Schmerz Schmer z oder Traurig Traurigkeit, keit, wenn sie zerbrechen, oder wir fühlen uns einsam, wenn uns die Bindung zu anderen

um unsere Lebensverhältnisse geht, um unsere Erfahrungen und Ziele. Wir wollen das tun, was wir selbst interessant oder attraktiv finden. Autonomie bedeutet, frei darüber entscheiden zu können, wie wir durchs Leben gehen. Wir wollen leben, nicht gelebt werden, um einen Buchtitel des Kohl-Sohnes Walter Walter aufzugreifen. Sobald wir w ir Druck oder Vorschriften oder auch subtile Gängelung spüren, fühlen wir uns in unserer Wahlfreiheit eingeschränkt. Zwar können wir auch unter Druck und unter Einfluss anderer Ziele erreichen, er reichen, aber sie sind extrinsisch motiviert. Intrinsische Motivation dagegen bedeutet, etwas aus freien Stücken zu tun, Ziele autonom zu wählen und sie mit Freude und Lust zu verfolgen. In zahlreichen Studien haben Psychologen gezeigt, dass wir sehr viel Energie, Kreativität und Ausdauer mobilisieren können, wenn wir auch nur den Eindruck haben, vielleicht sogar nur die Illusion, dass wir ein Ziel selbst gewählt haben, dass es unseren eigentlichen, intrinsischen Motivationen entspricht. In einem Diätprojekt, in dem die stark übergewichtigen Teilnehmer über die Einzelmaßnahmen, die täglichen Übungen und deren Reihenfolge bestimmen durften, wurden weitaus

Menschen nicht gelingt. Bezogenheit ist der Grund, warum wir in Vereine eintreten, unsere Profile bei Facebook veröffentlichen oder gerne auf Partys gehen. Deshalb sind Ziele, die sich aus dem Wunsch nach Bezogenheit speisen, für unser psychi-

größere Gewichtsverluste Gewichtsverluste – also Ziele – erreicht als in Gruppen, in denen ein strenges Reglement der Klinikleitung vorgegeben wurde. Der gleiche Effekt war in anderen Bereichen zu beobachten, etwa bei Diabetesgruppen oder bei Drogenabhängigen. Drogenabhängigen .

GUTE ABSICHTEN IN KONKRETES KONKRETES VERHALTEN ÜBERFÜHREN: „NACH 17 UHR GIBT ES KEINE WICHTIGEN DINGE MEHR“

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

Und Langzeituntersuchungen Langzeituntersuchungen über gute Neujahrsvorsätze zeigen, dass die wirklich selbstgewählten Vorsätze Vorsätze auch eher umgesetzt wurden als diejenigen, die man auf Druck des Ehepartners, der Eltern oder anderer „extrinsischer Quellen“ gefasst hatte. Autonomie Autonom ie in der Zielwahl ist also ein hoher Erfolgsfaktor. Das zeigt sich auch besonders in Lernsituationen in der Schule, in Universitäten: Je mehr die Schüler am Lernweg beteiligt werden, je mehr Autonomie sie also erleben bei der Wahl von Zwischenzielen Zwischen zielen oder Methoden, desto größer die Lernerfolge. Lehrerinnen und Lehrer, die großen Wert auf Kontrolle und Drill legen, erzielen deutlich weniger Erfolge. Im Lichte dieser empirischen Erkenntnisse wäre zu überprüfen, ob stark extrinsisch motivierende „Eislaufmuttis“ oder „Tigermütter“ tatsächlich nachhaltige Lernerfolge erzielen – auch in dem Sinne, dass die angedrillten Fähigkeiten freiwillig fortgesetzt werden. Von Glücksgefühlen ganz zu schweigen. Dass die intrinsische Motivation, also der Wunsch, etwas zu tun, weil man Gefallen daran hat, weil man ein Ziel selbst

gessen“). Die entscheidenden Wenn-dann-Verknüpfungen heißen dann etwa: Ich achte täglich auf die Kalorien – und wenn ich 1500 zu mir genommen habe, wird nichts mehr gegessen! Oder: Ich ziehe mich jeden Tag um 17 Uhr für drei Stunden zurück und lerne für f ür die Prüfung. Erst zur Tagesschau komme ich wieder aus meinem Zimmer. Zimmer. Oder: Sonntags nach dem Mittagessen rufe ich Mutter an. Jeden Sonntag. Dass die Wenn-dann-Strategie enorme Wirkung entfaltet, hat der Psychologe Peter Gollwitzer in einem prototypischen Experiment demonstriert: Auf dem Campus der Konstanzer Universität Univ ersität sprachen er und seine Mitarbeiter in der Adventszeit Dutzende von Studenten an und baten sie, an einem Forschungsprojekt mitzuarbeiten: Es gehe darum zu ergründen, wie Leute heutzutage die Weihnachtszeit verbrächten. Zu diesem Zweck sollten die Studenten einen kurzen Bericht schreiben und absenden – spätestens 48 Stunden nach dem ersten Weihnachtsfeier eihnachtsfeiertag. tag. Viele der Angefragten erklärten sich bereit. bereit . Die eine Hälfte der Teilnehmer sollte aber bereits zum Zeitpunkt der Vereinbarung genau angeben, wann und wo sie

gewählt hat, unterminiert werden kann – und zwar sowohl durch Belohnungen als auch durch Druck –, zeigen zahlreiche Untersuchungen: Kinder, die sehr viel Zeit mit Schmökern verbrachten, verringerten verringerten ihre tägliche Lesezeit deutlich, wenn sie durch schulische Vorgaben dazu angehalten wurden, mindestens 30 Minuten täglich ein bestimmtes Pensum zu lesen. Die Lust am Lesen nahm sofort deutlich ab. Aber auch Belohnungen können ein intrinsisches Verhalten zersetzen: Kinder, die gerne mit Buntstiften malten, verloren ebenfalls die Lust an dieser Beschäftigung, sobald sie materiell (durch kleine Geldbeträge oder durch Süßigkeiten) für ihre „Leistungen“ belohnt wurden. Sie griffen dann nur noch zu den Buntstiften, wenn sie etwas haben wollten.

Woody Allen Alle n hatte wohl nicht ganz gan z unrecht, als er sagte: sa gte: „Wenn „Wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann erzähl ihm von deinen Plänen!“ Pläne sind wichtig, aber wie die Ziele selbst müssen auch sie von Realismus und Selbsterkenntnis bestimmt sein. Heidi Grant Halvorson sieht das Wesen eines guten, also erfolgreichen Plans darin, dass er sehr genau vorgibt, wann und wo die einzelnen Schritte zum Ziel gemacht werden. Nur wenn wir die „besten Absichten“ in konkretes Verhalten überführen, werden sie zielführend. zielfü hrend. Das heißt konkret: Wir müssen den Weg Weg zum Ziel in i n eine Folge von Wenn-dann-Verknüp Wenn-dann-Verknüpfunfun-

diesen Text schreiben würden. Ergebnis: 71 Prozent aus dieser Gruppe schickten tatsächlich ihren Weihnachtsbericht Weihnachtsbericht an die Forscher. Aus der anderen Gruppe waren es nur 32 Prozent. Ort und Zeit möglichst genau benennen – eine anscheinend sehr simple Methode. Psychologen nennen sie etwas hochtrabend „Intentionsimplementierung“. Aber diese Methode ist enorm wirksam – sie ist vielleicht schon das Geheimnis eines guten Plans. Denn sie stiftet in unserem Gehirn Verbindu Verbindungen, ngen, die uns im Alltag helfen, den Plan einzuhalten. Orts- und Zeitangaben wirken wie Trigger: Sie erinnern uns automatisch a utomatisch an unsere Pläne. Und je konkreter diese Trigger sind, desto geringer ist die Gefahr, dass sie in dem Wust von Reizen und Ablenkungen untergehen, die uns unsere guten Absichten Absichten immer so leicht vergessen lassen. Wenn es 17 Uhr ist, gibt es keine „wichtigen“ Dinge mehr! Wenn Wenn ich zu üppig gefrühstückt habe, dann fällt das Abendessen aus. Sobald das sonntägliche Mittagessen vorbei ist, greife ich zum Hörer. So entstehen Gewohnheiten, die wir kaum noch „übersehen“ können – und genau das ist der Sinn von Wenn-dann-Bestimmungen. Wir haben viele Ziele im Leben, und wir schmieden immer wieder Pläne. Manchmal zu viele, sie kommen sich ins Gehege, und wir sind dann oft unentschlossen, welches Ziel nun das wichtigere ist. Wenn Wenn wir etwa unerwartet eine Stunde zur freien Verfügung Verfügung haben, vertrödeln wir sie manchmal, anstatt sie im Sinne eines wichtigen Zieles zu nutzen. Je mehr wir

gen zerlegen. Die Zielvision kann lauten: Ich will fünf Kilo abnehmen. Oder: Ich will die Prüfung gut bestehen. Oder: Ich will meine Mutter Mutt er regelmäßig anrufen (und es nicht immer wieder w ieder „ver„ver-

 jedoch Wenn-dann-Gewohnheiten in den Alltag eingebaut haben, desto schneller und erfolgreicher können wir Ziele erreichen. Selbst wenn das Ziel hieße: Wenn du Zeit hast – dann PH  PH C  tu mal gar nix!

DER KERN EINES GUTEN PLANS: WENN, DANN!

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LOB DER  

HARTNÄCKIGKEIT   HARTNÄCKIGKEIT Begabung, Intelligenz Intelligenz und Glück gelten als die besten Voraussetzungen, um Ziele zu erreichen. Doch was oft übersehen wird, ist die Rolle der Ausdauer. Wir scheitern meist nicht, weil wir unbegabt oder zu wenig intelligent sind, sondern weil wir wi r nicht „dranbleiben“. Die gute Nachricht: Hartnäckigkeit kann man lernen VON PETER DOSKOCH

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 I

m Sommer 1994 beendete Andrew Wiles eine der außergewöhnlichsten ßergewöhnlichst en Odysseen in der Wissensch Wissenschaftsgeaftsgeschichte. Drei Jahrzehnte lang war der Mathematiker besessen von Fermats Theorem, diesem scheinbar so einfachen Problem, das die Fachwelt seit 350 Jahren frustriert hatte. Der französische Mathematiker Pierre de Fermat hatte festgestellt, dass es eine Vielzahl von Lösungen für die Gleichung x 2 + y 2 = z2 gibt (zum Beispiel 32 + 42 = 52) gibt, aber keine entsprechende Lösung, wenn die Zahlen in der dritten Potenz Potenz multipliziert werden. Fermat kritzelte auf den Rand einer Buchseite, er habe eine wahrhaft wunderbare Beweisführung dafür entdeckt, warum die Gleichung x n + y n = zn keine Lösung haben kann, wenn n größer ist als zwei. Unglücklicherweise hat er diesen Beweis nie schriftlich fixiert. Andrew Wiles war zehn Jahre alt, als er dem Theorem zum ersten Mal begegnete: Es sah so einfach aus, und doch sind so viele große Mathematik Mathematiker er daran gescheitert. Von Von da an wusste er, dass er es lösen musste. muss te. Während seine Klassenkameraden Klassenkamer aden zu Rockkonzerten oder ins Kino gingen, vertiefte er sich in die vielen vergeblichen Lösungsversuche der Giganten des Faches. Nach dem Studium gab er die Suche nach der Lösung vorübergehend auf, um sich auf seine wissenschaftliche Karriere als Mathematiker an der Princeton University  zu  zu konzentrieren. Aber 1986 fing er wieder Feuer. Wiles tat in seinem Universitätsjob nur noch das Nötigste und konzentrierte sich den Rest seiner Zeit auf das Fermatproblem. Um Um seine Besessenheit zu tarnen, veröffentlichte er ein bereits abgeschlossenes Werk Werk in Raten. Obwohl er sich täglich viele Stunden auf das Problem konzentrierte, kam er in den nächsten Jahren kaum voran. „Ich habe aber nicht im Traum daran gedacht, aufzugeben. Es war für mich nur die Frage, welche Methode letztendlich letztendlich zum Erfolg führen würde“, meinte Wiles. 1994, nach sieben Jahren intensiver Arbeit, präsentierte präsentierte er auf einer Fachtagung in England den vollendeten Beweis für Fermats Theorem. Die Medien überschlugen sich, und der schüchterne Mathematiker Mathematiker war auf den Titelseiten vieler Zeitschriften. Die  New York York Times  mutmaßte, dass vielleicht nur einer von tausend professionellen Mathematikern die Arbeit von Wiles wirklich verstehen könne. Und dennoch schreibt der Professor den Erfolg nicht seinem Intellekt, sondern seiner Hartnäckigkeit zu: „Für mich ging es darum, nicht aufzugeben.“ Hartnäckigkeit ist eine Tugend, die heute in den Hintergrund geraten ist. Sie wird von Eigenschaften wie Talent oder Intelligenz überstrahlt, den glamouröseren Gaben, die uns Natur oder Gene mitgeben. Doch verdichten sich die Indizien dafür, dass Hartnäckigkeit und Zähigkeit mindestens ebenso gut auf zukünftigen Erfolg schließen lassen wie das Talent. In In 15

 

UM AUF EINEM GEBIET WIRKLICH GUT ZU WERDEN, MUSS MAN MINDESTENS ZEHN JAHRE HARTER ARBEIT IN KAUF NEHMEN

len dann Intelligenz und Talent? Der führende Intelligenzforscher Robert Sternberg meint, dass der Intelligenzquotien Intelligenzquotientt in sehr unterschiedlichem Maße Anteil an einem Erfolg haben kann, das richte sich je nach Aufgabenstellung und Situation. Aber großangelegte Untersuchungen zeigen eindeutig, dass nur 25 Prozent der Unt Unterschiede erschiede in der beruflichen Leistung von Individuen durch Intelligenz erklärt werden können (für die restlichen 75 Prozent nimmt man gemeinhin an, dass bestimmte Persönlichkeitsfaktoren, Kreativität und Glück verantwortlich seien). Eine Mitarbeiterin Seligmans, Angela Duckworth, hat die Eigenschaft Hartnäckigkeit intensiv erforscht und kam zu dem Schluss, dass Intelligenz in jedem Falle nur zu einem geringen Bruchteil zum Gesamterfolg beitrage. In ihrer Arbeit mit Kindern aus unterprivilegierten Familien hat Duckworth herausgefunden, dass es keineswegs der Intelligenzquotient dieser Kinder war, der erklären konnte, warum sie beispielsweise beim Lesen drei bis vier Stufen unter der Durchschnittsleistung Durchschnittsleis tung blieben. Es dauerte eine Weile, Weile, bevor

einer Reihe von Studien an der University of Pennsylvania haben Forscher herausgefunden, dass die Hartnäckigen mit größerer Wahrscheinlichk Wahrscheinlichkeit eit in Schule, Beruf und vielen anderen Gebieten erfolgreich sein werden als Hochtalentierte, aber wenig Ausdauernde. Den Hartnäckigen helfen nämlich ihre Leidenschaft und ihre Selbstverpflichtung dabei, die bei allen längerfristigen Projekten unvermeidlichen unvermeidlichen Rückschläge zu ertragen und zu überwinden. Begabung ist also keineswegs der wichtigste w ichtigste Faktor für den Erfolg in einem Wissensgebiet oder Beruf, sondern der Charakter: „Wenn man nicht gerade ein Genie ist, dann braucht man ganz dringend die Eigenschaft Hartnäckigkeit, wenn wenn man besser sein will als der Durchschn Durchschnitt“ itt“,, meint Martin Seligman, der Direktor des Positive Psychology Center  an  an der Universität von Pennsylvania. In der Tat sprechen Experten oft von der „Zehnjahresregel“: „Zehnjahresr egel“: Es braucht mindestens eine Dekade harter Arbeit und Übung, um auf einem Gebiet wirklich erfolgreich erfolg reich zu sein, gleichgültig ob es sich um die Führung eines Geschäftes handelt oder das Schreiben von Fernsehkrimis. Und die gute Nachricht ist: Im Gegensatz zum Talent lässt sich Hartnäckigkeit kultivieren und verstärken. Der große Erfinder Thomas Alva Edison meinte, dass viele gescheiterte Existenzen Existenzen sich aus Menschen rekrutieren, die gar nicht bemerkt haben, wie nahe sie am Erfolg waren, als sie aufgaben. Edison selbst

sie auf Umwegen dem Grund für dieses Defizit auf die Spur kam: mangelnde Ausdauer. Sie untersuchte überdurchschnittüberdu rchschnittliche Schüler in verschiedenen Fächern. Dabei stieß sie auf eine erhebliche Zahl von Kindern, die sowohl begabt als auch ehrgeizig und ausdauernd waren. Aber es gab unter ihnen auch einige, die keineswegs besonders begabt waren, dafür aber besonders ausdauernd. Diese Zähigkeit, im englischen  grit  ge genannt, ermöglicht es offenbar, ein ehrgeiziges, langfristiges Ziel zu verfolgen – trotz unterdurchschnittlicher Begabung und unvermeidlicher unvermeidlich er Schwierigkeiten. Wenn dieser Befund überraschend klingt, dann vor allem deshalb, weil harte Arbeit, Zähigkeit und Entschlossenheit, die für eine besondere Leistung aufgebracht werden müssen, oft unterschätzt werden. Wir Wir glauben lieber an solch angenehme Erfolgserlebnisse wie den plötzlichen Geniestreich, die Eingebung, den Kuss der Muse. Der renommierte Dichter und Leiter des Creative Writing Department  an  an der Denison University , David Baker, meint: „Leider klopft niemand an mein Fenster und flüstert mir die Zeilen eines Gedichtes zu. Dichten ist harte Arbeit. Manchmal arbeite ich an einem einzigen Gedicht wochenlang oder sogar Monate und schreibe 60 bis 70 Entwürfe, bis ich dann zu dem Schluss komme, dass Entwurf Nummer 22 der einzig gute war.“ Für die 95 Prozent der Menschheit, Menschheit, die nicht als hochbegabt gelten können, haben Duckworth und Seligman eine tröstliche

war ein Musterbeispiel für Hartnäckigkeit, etwa als er nach Hunderten vergeblicher Versuche die Glühbirne erfand. Wenn also Anstrengungsbereitschaft in Verbindung mit Ausdauer das Fundament jedes Erfolges ist, welche Rolle spie-

und sehr demokratische Botschaft: Hartnäckigkeit ist eine Tugend, die auf allen Ebenen des Talents eine Rolle spielt. In ihren Studien bewiesen sie, dass Hartnäckigkeit und Intelligenz voneinander völlig unabhängige Eigenschaften sind. Beide

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vergrößern die Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit des Erfolges, aber die Begabtesten unter uns sind keineswegs auch hartnäckiger als die weniger von der Natur Begünstigten. Der Umkehrschluss liegt nahe, und Angela Duckworth bestätigt: Jemand, der nicht schon mit einem besonderen Talent gesegnet ist, braucht deshalb die Fähigkeit zu konzentrierter ausdauernder Arbeit doppelt so dringend. Die Forscher von der Pennsylvania University  konnten  konnten zeigen, dass Hartnäckigkeit bei den meisten schulischen Fächern von hohem Wert Wert ist – das beginnt etwa schon in der Grundschule beim Rechtschr Rechtschreiben. eiben. Aber auch im wirklichen Leben ist Hartnäckigkeit allmählich ein immer besser erforschter Charakterzug, dessen Auswirkungen in Managementlehrgängen ebenso erforscht wurden wie beim Sprachunterricht oder im Sport.

Wenn Leidenschaft und Hartnäckigkeit so wichtig für den Erfolg sind, dann ist dies auch bedeutsam für die Erziehung. Eltern sollten ihre Kinder sehr früh mit der ganzen Breite schulischer, künstlerischer und sportlicher Aktivitäten vertraut machen: So maximieren sie deren Chancen, auf etwas zu stoßen, das die Fantasie und die Leidenschaft des Kindes entzündet. Den Kindern zu helfen, ihre Leidenschaft zu finden, ist vermutlich noch wichtiger, wichtiger, als auf eine möglichst ausgeglichene Ausbild Ausbildung ung zu achten und schulische Schwächen unbedingt auszugleichen. Obwohl sich extrem hartnäckige Menschen gewöhnlich auch sehr leidenschaftlich für ihre Arbeit engagieren, heißt das nicht, dass diese Leidenschaft von Anfang an da war. Es kann sich auch umgekehrt verhalten: Erst durch die Hartnäckigkeit

WIE MAN HARTNÄCKIG WIRD Noch steht nicht fest, in welchem Maße die Eigenschaft Hartnäckigkeit erlernbar ist. Aber es scheint sicher zu sein, dass es ein „Zeitfenster“ „Zeitfenster“ in der menschlichen Entwicklung gibt, während dessen diese di ese Tugend Tugend leichter gefördert werden kann. Darin gleicht die Hartnäckigkeit den anderen Erfolgseigenschaften Motivation und Selbstdisziplin. Wie lässt sich Hartnäckigkeit kultivieren?           den. Wir nehmen sehr viel bereitwilliger Mühen und Anstrengungen auf uns, wenn wir etwas mit Lust und Liebe betreiben. Es steht nicht eindeutig fest, wie sich eine solche Leidenschaft für ein bestimmtes Thema entwickelt, aber sicher ist es hilfreich, wenn man eine große Bandbreite von möglichen Interessengebieten und Tätigkeiten erproben kann und so die di e Wahrscheinlichkeit Wahrscheinlichkeit erhöht, e rhöht, dass man „Feuer fängt“ fä ngt“..          

Gebieten hervorragend sein – wir haben einfach nicht genügend Zeit, um uns in allem zu üben und perfektionieren. „Bis auf ein paar Renaissancemenschen haben die meisten Menschen, die Besonderes in Kunst, Wissenschaft oder Wirtschaft leisteten, sich vor allem auf einem Gebiet hervorgetan“, konstatiert der Psychologe Joseph Renzulli von der University of Connecticut . Deshalb empfiehlt er Eltern, die bei ihren Kindern eine besondere Leidenschaft für ein Fach beobachten, sie nicht dazu zu zwingen, auch in an-

deren Gebieten gut zu sein und so etwas wie „Ausgeglichenheit“ herzustellen.          

lernen von ihren ihre n Eltern und imitieren im itieren ihr Verhalten. Verhalten. Wenn Eltern selbst zeigen, wie wichtig die Tugend der Hartnäckigkeit ist, fördern sie sie auch bei ihren Kindern. Und Eltern sollten ihre Kinder nicht zu sehr für Zeichen von Begabung und kleinere „Geniestreiche“ oder gar für ihre psychischen Eigenschaften loben, sondern vor allem für ihre Bereitschaft, sich anzustrengen.           

geäußerte kritische Worte können bei Kindern einen gerade entstehenden Enthusiasmus im Keim ersticken. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Kinder konstruktive Kritik erfahren – Kritik also, die nicht ihre Motivation zerstört, sondern ihre Leistung verbessern hilft. Dabei ist darauf zu z u achten, dass sie nicht nur Kritik richtig interpretieren und nutzen lernen, sondern auch selbst lernen, konstruktiv zu kritisieren.         

kommt darauf an, sich seine Ziele so zu setzen, dass sie auch tatsächlich erreichbar sind und nicht von vornherein eher Frustration erzeugen. Eine Strategie ist, das Ziel zu „portionieren“, also in Teilziele aufzulösen, die mit Anstrengungen und Hartnäckigkeit zu erreichen sind.

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entsteht allmählich die Liebe zur Tätigkeit. Denn oft wird der faszinierendste Aspekt an einer Sache (besonders wenn sie sehr komplex ist) erst dann deutlich, wenn man sich lange Zeit in sie vertieft hat. Erst ab einem gewissen Kenntnis- oder Leistungsniveau erlangt man vollständiges Verständnis und ist plötzlich ergriffen. Manchmal erwächst die Hartnäckigkeit aus dem Wunsch, die eigenen Grenzen zu testen, buchstäblich zu sehen, wie weit man gehen kann. Manche Ausdauersportler investieren Monate oder Jahre harten Trainings für einen Marathonlauf nicht unbedingt deshalb, weil sie das Laufen von Anfang an lieben, sondern weil sie die persönliche Befriedigung Befr iedigung und das Ansehen erreichen möchten, das mit dem Bestehen eines solchen Laufes verbunden ist. Zwar ist Leidenschaft das Kernelement Kern element der Ausdauer, aber keineswegs der einzige Bestandteil. Ehrgeiz folgt dicht dahinter. Für manche Menschen mag

an, sie tun buchstäblich alles, um nicht aufgeben zu müssen. Immer wieder gibt es in Wissenschaft, Literatur und Wirtschaft Beispiele für diese Art von Optimismus: Chester Carlson blieb hartnäckig und  optimistisch, nachdem er seine Erfindung über 20 großen Firmen vergeblich angedient und auch das Paten Patenttamt sein Projekt abgelehnt hatte. Carlson nannte seine Technologie damals noch „Elektrofotografie“, „Elektrofotografie“, heute kennen wir sie unter dem Namen Fotokopieren … Wahrscheinlich kann Ausdauer gelehrt oder zumindest gefördertt werden. Eine elterliche Verhaltenswei förder Verhaltensweise se ist dabei jedoch kontraproduktiv – nämlich das gut gemeinte Lob, wenn sich ein Kind als intelligent erweist. In einer faszinierenden Reihe von Untersuchungen hat die Psychologin Carol Dweck von der Stan ford University  University  gezeigt,  gezeigt, dass Kinder, die man für ihre Intelligenz lobt und bewundert, oft schnell aufgeben,, wenn es um weiterfühaufgeben

schon der Wunsch, am nächsten Wochenende den Keller aufzuräumen, der Höhepunkt aller Ambitionen Ambition en sein. Wahrhaf Wahrhaftt hartnäckige Menschen jedoch setzen sich besonders herausfordernde langfristige Ziele: Sie wollen Präsident werden, Chef eines ei nes Unternehmens, der Beste in einer Sportart. Dazu gehört ein hohes Maß an Selbstdisziplin, und tatsächlich sind die hartnäckigsten Menschen in allen Untersuchungen die gewesen, die auch sehr selbstdiszipliniert waren. Während jedoch Hartnäckigkeit die Fähigkeit einschließt, einschließt, bei einer Sache zu bleiben, betrifft Selbstdisziplin vor allem die Fähigkeit, andere Dinge zu lassen: also nicht zu trinken, sich nicht zu zerstreuen und ablenken zu lassen, nicht auszuweichen, ausz uweichen, nicht der Trägheit nachzugeben. Selbstdisziplin betrifft also eher die Kehrseite der Leidenschaft und der Lust am Erfolg. Und schließlich ist ein Mindestmaß an Optimismus unabdingbar für den Erfolg auch und gerade bei den Hartnäckigen. Der Persönlichkeitsforscher Dean Keith Simonton von der University Universi ty of California hat diese Eigenschaft besonders häufig bei sehr erfolgreichen erfolg reichen Menschen Menschen gefunden: Optimismus hilft

rende Aufgaben geht. Sie ruhen sich auf den Lorbeeren der anfänglich guten Noten aus. Und wenn sie einen Rückschlag erleiden, sind sie weniger bereit dranzubleiben als Kinder, die man nur für ihre Bemühung gelobt hat. Wenn intelligente Kinder irgendwann scheitern, zweifeln sie an ihrer Begabung, und oft verlieren sie das Interesse an dem, worin sie einmal gut waren. Lobt man Kinder dagegen für f ür ihre Anstrengungsbereitschaft, Anstrengungsbereitschaft, dann vermindert sich ihr Leistungswille nicht, wenn sie auf Schwierigkeiten stoßen. In einer Welt, Welt, in der Innovationen Innovatio nen immer wichtiger wichti ger werden, wächst auch der Druck, die Faktoren für kreative Erfolge zu erkennen, sie zu fördern und zu kultivieren. Einer dieser Faktoren ist ganz eindeutig Hartnäckigkeit. Es geht nicht um das altmodische Zähnezusammenbeißen oder Sichzusammenreißen, für das die schwarze Pädagogik so berüchtigt war. Vielmehr ist Hartnäckigkeit als eine besondere Form der Selbstmotivation gefragt, als eine Kraft, die sich im Tun immer wieder selbst erneuert. Das ist eine wichtige Erkenntnis gerade heute, wo sofortige Bedürfnisbefriedigung, Zerstreuung

ihnen, an einer Sache dranzubleiben, wenn sie besonders schwierig und aussichtslos erscheint. Die Erfolgreichen glauben einfach daran, dass sie am Ende trotzdem gewinnen werden, sie schreiben noch die 52. Bewerbung, sie rufen noch mal

und die Sucht nach schnellen Erfolgen zu dominieren scheinen. Und schließlich ist Hartnäckigkeit eine Tugend, die sehr viel mehr zu einer demokratischen Kultur Kultur passt als die überPH  PH C  mäßige Belohnung von Talent und Begabung.

LOHN DER AUSDAUER: WENN MAN SICH LANGE ZEIT MIT ETWAS BESCHÄFTIGT, ENTSTEHT BEGEISTERUNG

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WANN SOLL MAN

DURCHHALTEN, WANN AUFGEBEN? Hartnäckigkeit ist eine Tugend, wenn wir ein Ziel erreichen wollen. Doch wenn ein Plan sich als unerreichbar oder unsinnig herausstellt, sollten sollten wir loslassen. Nur: Wie Wie stellt man fest, wann man das eine tun und das andere lassen soll? V O N A N N A G I E L A S  S 

I

m dritten vorchristlichen Jahrhundert Jahrhundert zog König Pyrrhus von Epirus für die Griechen in den Krieg gegen die Römer. Er besiegte sie in der Schlacht bei Asculum im heutigen Süditalien. Dabei ließen jedoch so viele v iele seiner Männer ihr Leben, dass Pyrrhus gesagt haben soll: „Noch so ein Sieg – und wir sind verloren!“ In unserem Sprachgebrauch beschreibt der „Pyrrhussieg“ deshalb einen Erfolg mit erheblichen Verlusten Verlusten – einen Sieg, der einer Niederlage gleichkommt. Die heutige Gesellschaft macht anfällig für solche vermeintlichen Erfolge. Ob im Beruf oder im Privatleben – „Durchhal„Durchhalten“ heißt die Maxime. Nur nicht aufgeben! Das Ziel im Auge behalten und sich nicht beirren lassen! Nicht zu schnell die Flinte ins Korn werfen! Durchhalt Durchhaltevermögen evermögen gilt als wertvoller Charakterzug. Fest ist in unseren Köpfen verankert: Wer immer weitermacht und kämpft, ist eine starke, bewundernswerte Person. Vor so jemandem haben wir Respekt. Wer wiederum von seinem Ziel ablässt, abläss t, wer Dinge nicht zu Ende bringt, scheint ein schwacher Charakter, gar ein Verlierer. Mag Durchhalten in unserer Gesellschaft das Ideal sein – im Alltag hat es fragwürdige Folgen. Nur selten bringt stures Aus-

des Aufgebens in den Hintergrund treten. Dabei ist das Aufgeben ein grundlegendes Instrument unseres selbstkorrektiven Handelns. Denn die starre Bindung an ein Ziel ist alles andere als empfehlenswe empfehlenswerte rte Uni Universalstrategie. versalstrategie. „Das „Das hartnäckige Festhalten an blockierten Zielen und unergiebigen Projekten kann in der persönlichen Lebensplanung zu erheblichen Fehlentwicklungen führen“, erklärt der Psychologe und Autor Jochen Brandtstädter. Das unerbittliche Verfolgen von Zielen hat seinen Preis. Es zerrt nicht nur an der Psyche Psyche,, sondern auch am körperlichen Wohl. Das bestätigen unter anderem die Studien des Motivationsforschers Carsten Wrosch Wrosch an der Concordia University  in  in Montreal. Der Forscher und seine Kollegen beobachteten bereits bei Jugendlichen, die an wenig realistischen Zielen festhielten, höhere Level des sogenannten C-reaktiven Proteins. Im Erwachsenenalter spielt dieses Protein eine Rolle bei der Entwicklung von Diabetes, Herzerkrankungen und beim vorzeitigen Altern. Umgekehrt fand Wroschs Team in drei Studien heraus, dass Menschen, die in der Lage sind, sich von unerreichbaren Zielen zu lösen, glücklicher sind als diejenigen, die weiterhin daran festhalten. Andere Andere Studien, ebenfalls von

harren den erträumten Erfolg und das große Glück. Häufiger zermürbt und frustriert es, weckt Unsicherheiten Unsicherheiten und Selbstzweifel. Aber vor allem: Die übermäßig übermä ßig positive Wahrnehmung Wahrnehmung der Ausdauer lässt sowohl die Funktion als auch die Bedeutung

Wrosch und seinem Team, zeigen: Wer Wer schwer erreichbare errei chbare Ziele aufgibt, erfährt eine Steigerung seines körperlichen Wohlbefindens, unter anderem weil die Produktion des Stresshormons Kortisol zurückgeht.

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Diese Beobachtungen bedeuten nicht, dass man alle Ziele und Träume aufgeben sollte, die viel Einsatz und Mühe verlangen. Doch für eine glückliche Lebensgestaltung bedarf es grundsätzlich einer wohlüberlegten Kombination aus Durchhalten und Aufgeben. Eine gesunde Balance dieser zwei Elemente bedeutet, sich tatkräftig für die eigenen Wünsche und Träume einzusetzen, ihnen jedoch nicht blind hinterherzueilen hinterherzue ilen und sich dabei hoffnungslos zu verrennen. „Gewinner geben ständig auf“, auf“, erinnert der Philosoph Robert Goodin. „Sie tun es nur im richtigen Moment.“ Und darin liegt die Kunst des Aufgebens: zu wissen, wann es aufzuhören gilt. Diese Kunst lässt sich erlernen. Dabei gilt es jedoch drei grundsätzliche Dinge zu beachten.

Sowohl das implemental mind set  als   als auch der Effekt der versunkenen Kosten Kosten weisen auf den grundsätzlichen Antagonismus zwischen zwische n Durchhalten und Aufgeben Aufgeben hin: Durchhalten und Aufgeben hemmen sich gegenseitig. Auch Auch deshalb ist das überlegte Loslassen eines Ziels ein schwieriger Vorgang, für den es Zeit und Ruhe braucht.

WIE MAN DEN RICHTIGEN ZEITPUNKT ERKENNT

Nicht selten weckt die gesellschaftliche Voreingenommenheit gegenüber dem Aufgeben negative Gefühle wie Scham, wenn man ein Vorhaben abbrechen möchte. Der Einzelne schämt sich oder hat sogar soga r Angst davor, als Versager Versager dazustehen da zustehen – und

Egal wie wichtig wicht ig ein Ziel sein mag – droht seine Verwir Verwirklichung klichung die körperliche und geistige Gesundheit zu gefährden, müssen das Vorhaben Vorhaben und seine Umsetzungsstrategie infrage gestellt werden. Dafür bietet eine Beobachtungsphase den nötigen Raum. Ein mehrtägiger oder mehrwöchiger Beobachtungszeitraum hilft herauszufinden, ob der Moment zum Aufhören gekommen ist. In dieser Zeit gilt die zentrale Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit den drei ausschlaggebenden Elementen: dem körperlichen Wohlbefinden, der emotionalen Lage sowie der rationalen Analyse der Situation. Diese drei Faktoren werden im Alltag allzu häufig übergangen. Aber Aber gerade sie bieten entscheiden-

hält deshalb immer weiter an seinem Ziel fest. Dass Aufhören oft keine Option zu sein scheint, liegt aber auch an psychischen Prozessen wie dem sogenannten implemental mind set : Sobald wir ein Ziel ins Auge fassen, kommen Steuerungsmechanismen in Gang, die unsere Gedankeninhalte in den Dienst der Realisierung stellen. Zu diesem Zwec Zweckk werden bestimmte Informationen wie zum Beispiel entmutigende Fakten ausgeblendet. Der Einzelne nimmt sie nicht wahr, unterschätzt sie oder erinnert sich nicht an sie. Stattdessen misst er vorzugsweise jenen Informationen viel Bedeutung bei, die ihn bei der Umsetzung seines Zieles bestärken. Ein anderer Mechanismus, Mechani smus, der zur Verwir Verwirklichung klichung des de s VorVorhabens anstachelt, lässt sich im Alltag leichter beobachten. Er wird als der sunk cost effect  beschrieben.  beschrieben. Dieser Effekt der „versunkenen Kosten“ Kosten“ bezeichnet die Neigung, an einem ungünstig verlaufenden Projekt stärker festzuhalten, festz uhalten, wenn man bereits viel investiert hat: Zwingt sich der Gedanke auf, das angestrebte Ziel könnte kein lohnendes mehr sein, denkt man meistens über die bisherigen Bemühungen nach, die beim Aufgeben alle verloren wären. „Wenn man aber über die Kosten nachdenkt, dann liegt es nahe, das Ziel weiter zu verfolgen“, so Veronika Brandstätter-Morawietz von der Universität Zürich. „Kosten „Kost en will man schließlich vermeiden.“ Dabei blendet man  jedoch leicht l eicht die wesentlichen Fragen Fra gen aus, etwa: Ist mir das d as angestrebte Ziel nach wie vor wichtig? Haben sich Umstände

den Aufschluss darüber, darüber, ob man am Ziel festhalten oder aber es aufgeben sollte. Wenn das Vorhaben zu hoch gesteckt ist oder die Umstände seine Realisierung erschweren, erschweren, droht Stress. Er kann auffälauf fällige Schwankungen und ein Nachlassen des körperlichen Wohlbefindens bewirken. Zu den Symptomen gehören beispielsweise Schlaflosigkeit, anhaltende Unruhe und Antriebslosigkeit. Die Intensität dieser Stressreaktion sollte während des gesamten Zeitraumes beobachtet werden. Auch gilt es, aufmerksam gegenüber dem seelischen Wohlbefinden zu sein. Forscher wie der bekannte Neurowissenschaftler Antonio Damasio haben gezeigt, wie wichtig Gefühle und Empfindungen für unsere Entscheidungsfindung sind. Konsequent Konseq uent in sich hineinzuhorchen und auf die Gefühle rund um das gesteckte Ziel zu achten bringt den Entscheidungsprozess voran. Wie fühle ich mich? Bin ich unzufrieden? Empfinde ich zunehmend z unehmend Machtlosigkeit? Ein schleichendes Gefühl des Kontrollverlusts Kontrollverlusts ist ein Anzeichen dafür, dass das Ziel einem zu viel abverlangt. Die unterschiedlichen Gefühle und Stresssymptome können über den Tag verteilt in einem knappen Tagebuch festgehalten werden. Diese Dokumentation visualisiert die Grundhaltung gegenüber dem Vorhaben Vorhaben und seiner Umsetzung. Dadurch erleichtert sie die Entscheidung für oder gegen das Aufgeben. Ebenso unerlässlich ist eine rationale und möglichst objek-

soweit geändert, dass sein Erreichen unrealistisch ist – egal wie viel Mühe ich mir gebe? Gibt es Anzeichen des Fortschritts? Wurden kritische Hürden genommen und wichtige Meilensteine erreicht?

tive Auseinandersetzung Auseinandersetzung mit dem Ziel, den Umständen sowie der Strategie. Zwar scheint in der Hektik des Alltags selten der richtige Zeitpunkt für ausführliches Nachdenken. Dennoch drängen sich selbst in beschäftigten Momenten Momenten Gedanken wie

WARUM AUFGEBEN SO SCHWERFÄLLT

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„Soll ich aufhören oder weitermachen?“ weitermache n?“ auf. Gerade wenn man sich mit seinen Gedanken in der Grauzone zwischen Festhalten und Loslassen ertappt, lohnt es sich, den Zweifeln zu folgen und zumindest einzelne Aspekte des Zielstrebens sorgfältiger abzuwägen. Skepsis und Unen Unentschiedenheit tschiedenheit sollten grundsätzlich nicht als Zeichen von Schwäche oder Mangel an Entschlossenheit gewertet und einfach abgetan werden. Vielmehr dienen sie als ein wichtiger Anhaltspunkt, Anhaltsp unkt, dass etwas nicht in Ordnung ist und womöglich Veränderungen angebracht sind. Zweifel sind ein nützlicher Denkanstoß.

Wenn die Fragen beantwortet, die Signale gedeutet sind und der Entschluss zum Aufhören feststeht feststeht – was gibt es bei seiner Umsetzung zu beachten? Die wichtigste Regel lautet: Nicht alles stehen- und liegenlassen, nichts abrupt beenden. Hilfreicher und auch weniger belastend ist es, in mehreren

Niederlage schön. Er will nicht dumm dastehen und zieht es vor,, sein Selbstbewusstsein zu schützen. vor Das mag wie Leugnen und Selbsttäuschung aussehen – ist  jedoch eine natürliche Reaktion und und Teil Teil des Anpassungsprozesses. Psychologen, die sich mit Bewältigungsforschung befassen, sprechen der vermeintlichen Selbsttäuschung eine besondere Rolle zu. „Zunehmend wird erkannt, welche Bedeutung solche Prozesse gerade für die Bewahrung einer positiven Selbst- und Lebensperspektive und die emotionale Bewältigung von Einschränkungen und Verlusten haben“, betont Brandstädter-Morawietz. BrandstädterMorawietz. Sich beispielsweise die Nachteile des früheren Ziels sowie die Vorteile Vorteile des Loslassens vor Augen zu führen ist eine jener Reaktionen, die die Stabilisierung des Seelenheils fördern. Zu dieser Stabilisierung kann der Einzelne ebenfalls beitragen, indem er sich zum Beispiel neue Ziele steckt. Die neue Aufgabe gibt Perspektive und hilft, ein Gefühl der

kleineren Schritten aufzuhören. Denn das Aufgeben wird in den meisten Fällen von einer Zeit der erhöhten Verletzbarkeit und Sensibilität begleitet. Laut dem amerikanischen Persönlichkeitspsychologen Eric Klinger ist diese Phase ein  psychic earthquake – ein psychisches Erdbeben. Das liegt daran, dass Ziele und Wünsche stets eng mit der eigenen Identität Identitä t verbunden sind. Je zentraler das losgelassene Ziel für die persönliche Lebensorganisation, umso schwieriger und belastender kann der Ablösungsprozess verlaufen. In dieser Phase helfen Anpassungsmechanismen. Einer lässt sich mit Schönreden umschreiben. Und Und mit einer Fabel: In seiner Tierdichtung Der Fuchs und die sauren Trauben erzählt Äsop von einem traubenhungrigen Pfiffikus, der die süßen Früchte am hohen Weinstock nicht zu fassen bekommt. Er versucht

Leere zu mildern oder gänzlich zu vermeiden. Auf diese Weise fällt es leichter, sich zu regenerieren. „Das Aufmerksamkeitsfeld öffnet sich wieder für Reize und Handlungsoptionen, die zuvor ausgeblendet wurden“, sagt Brandstädter-Morawietz. Und mit der Zeit lassen sich Ressourcen für neue Unternehmungen schöpfen. So vermag das bedachte Aufgeben das Gleichgewicht der Seele wiederherzustellen. w iederherzustellen. Durchhalten Durchhalte n ist nicht immer gut. Aufgeben ebenso nicht. Und so schwer es auch scheinen mag, zu erkennen, wann welches Vorgehen gefragt ist, so stehen uns doch wertvolle Entscheidungshilfen zur Verfügung. Deshalb sollten wir uns von unseren Träumen nicht blenden und von den gesellschaftlichen Überzeugungen nicht gänzlich mitreißen lassen, sondern stärker auf die eigenen Signale achten. Wer Wer sich

mehrmals vergebens sein Glück. Daraufhin rümpft der Fuchs die Nase: Die Trauben seien ihm noch nicht reif genug. Mit diesen Worten und einem erhobenen Haupt spaziert er von dannen. Äsops Fuchs, so könnte man meinen, redet sich seine

an ihnen orientiert, erreicht seine Ziele erfolgreich – und verPH  PH C  meidet schmerzliche Pyrrhussiege.

WIE MAN RICHTIG LOSLÄSST

EIN ZIEL AUFZUAUFZU-

GEBEN KOMMT EINEM PSYCHISCHEN ERDBEBEN GLEICH. DESHALB: NICHT ALLES STEHEN- UND LIEGENLASSEN, SONDERN IN KLEINEN SCHRITTEN AUFHÖREN

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VERSUCH’S VERSUCH ’S EINF EINFA ACH!

In komplexen Situationen lassen sich Lösungen oft nicht auf direktem Weg finden, aber Versuch Versuch und Irrtum, Ir rtum, Ausprobieren Ausprobieren und Scheitern Schei tern bringen uns weiter

„Das Witzige ist, dass ich nie einen Plan für meine Karriere hatte. … Es kam einfach so daher und hat sich glücklicherweise so gefügt, wie es sollte“, sagte einmal der Schauspieler Ewan McGregor. Bundesverteidigungsministerin Ursula

fragen: ‚Wo ist der rote Faden?‘“ Und sie ergänzte: „Das meiste hat sich entwickelt und war nicht geplant.“ Wer Prominente so etwas sagen hört, könnte das für falsche Bescheidenheit halten. Aber vielleicht ist das Leben tatsächlich zu kom-

2011) beschreibt er, warum in einer komplexen Welt selbst die besten Pläne oft in die Irre führen. Wer Entscheidungen fällen und Probleme lösen muss, sollte sich lieber ein Beispiel an der Evolution nehmen, meint Kay.

von der Leyen erklärte in einem Interview: „Ich habe eine Entwicklung durchgemacht, bei der jeder Karriereberater schreien würde vor Entsetzen. Der würde

plex für geradlinige Entwürfe? Das jedenfalls meint der britische Wirtschaftsprofessor John Kay. In seinem Buch Obliquity  (Profile   (Profile Books, London

Unser Gehirn entwickelte sich in einer Zeit, als die Welt übersichtlich übersichtl ich war. Wenn Wenn man Bärenspuren fand, war es sinnvoll, einen anderen Weg einzuschlagen. Di-

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rekte Lösungen eignen sich aber nur für einfache Probleme, Probl eme, sagt Kay.Am Beispiel Beispie l von Sudokus erklärt er, was er mit „einfach“ meint:              -

sungsversuche haben keinen Einfluss.        

der Möglichkeiten ist überschaubar und ändert sich nicht.      

Doch solche Situationen sind selten geworden. Heute Heute leben und agieren wir in und mit einer Fülle von komplexen adaptiven Systemen. Diese bestehen aus vielen verschiedenen Einzelteilen, die netzwerkartig miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen, während System und Bestandteile sich

dagegen vielleicht einige hundert „Produkte“ und „Dienstleistungen“, „Dienstleistungen“, die unsere Vorfahren überblicken und zwischen denen sie sich entscheiden mussten. Früher war alles, wenn auch nicht besser, so doch um vieles einfacher. In komplexen Situationen, bei vielschichtigen Problemen Problemen lässt sich ein gutes Ergebnis offenbar nicht in einem einzigen großen Wurf erreichen. Will man einen spannenden Krimi schreiben, ein hervorragender Lehrer werden, ein umweltfreundliches Auto entwerfen oder ein erfolgreiches Unternehmen gründen, dann lässt sich das nicht im Voraus durchplanen. durchplan en. In Fällen wie diesen kommt man um Versuch und Irrtum nicht herum.  Harford empfiehlt, sich an den sogenannten Palchinskyprinzipien (nach

außerdem an Veränder Veränderungen ungen in der Umwelt anpassen. Beispiele sind Hausgemeinschaften, Schulen, Firmen und Städte, unser Körper, Körp er, Wälder und Meere, aber auch Kriege und die Weltwirtschaft. Weil diese Systeme so unüberschaubar sind, können Eingriffe sich noch viel später, ganz woanders oder auf andere Weise auswirken als erwartet. Das bedeutet auch, dass scheinbar offensichtliche Lösungen fehlschlagen oder das Gegenteil bewirken können. Was so vielschichtig ist, zahllosen Einflüssen unterliegt und sich außerdem ständig ändert, lässt sich nicht vollständig durchdenken oder regulieren. Wie groß inzwischen die Vielfalt wirtschaftlicher Zusammenhänge ist, veranschaulicht Tim Harford, der Kays Sichtweise teilt, anhand eines Beispiels. Ein amerikanisches Walmart-Warenhaus bietet etwa 100 000 unterschiedli u nterschiedliche che Dinge zum Verkauf Verkauf,, und in einer Metropole wie New York kann man zwischen zehn Milliarden Waren und Dienstleis-

dem russischen Ingenieur Peter Palchinsky) zu orientieren: 1. Probiere neue Dinge aus und rechne damit, dass einige fehlschlagen werden. 2. Sorge dafür, dass Fehlschläge überlebbar sind. Das heißt, man sollte „in ge-

tungen wählen. In den Gesellschaften, in denen das menschliche Gehirn sich entwickelte, so schreibt der Ökonom und Journalist in seinem Buch Adapt , gab es

Ingrid Glomp

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oder in kleinen Schritten vorwärtsgehen. 3. Stelle sicher, dass du erkennen kannst, wann du versagt hast, sonst kannst du nichts lernen. Hat man dafür gesorgt, dass das Herumprobieren bei einem Vorhaben keine katastrophalen Folgen haben kann, bleibt noch die Frage: Wo soll man anfangen? Das ist im Grunde nicht so wichtig. Oder in den Worten von John Kay: „Wenn Sie mit einem komplizierten Problem oder einem anspruchsvollen Projekt konfrontiert werden, fangen Sie erst einmal irgendwo an. Suchen Sie sich einen kleinen Aspekt, der für die Aufgabe relevant er PH   PH C  scheint.“

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VOL OLL L MO MOTI TIVI VIER ERT T Angesichts der täglichen Hiobsbotschaften kann man durchaus den Mut verlieren.  Wozu soll man sich überhaupt noch anstrengen? Doch allen Krisen und Ablenkungen des modernen Lebens zum Trotz Trotz verfolgen wir hartnäckig har tnäckig unsere Ziele. Was treibt uns an? VON E VA TENZE R

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

 K

önnen Sie sich noch an Ihre guten Vorsätze des letzten Jahres erinnern? Haben Sie sie vielleicht sogar umgesetzt und die di e VeränderunVeränderungen bis heute konsequent beibehalten? Falls  ja, herzlichen herzlichen Glückwunsch! Falls nein, keine Panik, denn es geht Ihnen wie Millionen anderer Menschen. Zu den persönlichen und global en und globalen Krisen, die unsere Aufmerksamkeit von wichtigen Vorhaben Plänen abziehen, kommen die zahlreichen kleinen Ablenkungen des Alltags, die oft nur einen Mausklick entfernt liegen. Und wenn dann noch die Motivation fehlt … Ohne Motivation funktioniert nichts wirklich gut: Schüler und Studenten lernen zu wenig, Erwachsene bringen im Job kaum Leistung, erst recht keine Spitzenleistung. Extrem demotivierte Mitarbeiter gelten mittlerweile als tickende Zeitbombe für viele v iele Unternehmen. Unternehmen. Schätzungen zufolge verursachen sie allein in Deutschland durch Fehlzeiten und mangelnde Produktivität jedes Jahr über 100 Milliarden Euro Folgekosten. Aber auch Hobbys, regelmäßige Bewegung und gesunde Ernährung setzen Motivation voraus, ebenso wie ehrenamtliches Engagement, Erziehung oder die Pflege von Angehörigen. Manchen Menschen gelingt es, über Jahre hinweg mit beeindruckender Energie ambitionierte Ziele zu verfolgen. Was Was zeichnet diese besonders Motivierten aus? Und lässt sich Motivation trainieren und vielleicht schon mit kleinen Tricks verbessern? Motivation ist der Anreiz zu jeder Art von Handeln. Die Motive können dabei sehr existenziell und instinktgetrieben sein wie zum Beispiel das Bedürfnis nach Essen, Wärme, Sexualität oder Sicherheit, aber auch hochkomplex wie das Streben nach Selbstverwirklichung oder Prestige. Im engeren Sinne meint Motivation die Fähigkeit, persönliche Anliegen zu verfolgen und Ziele zu erreichen. er reichen. Wie Wie gut wir darin sind, hängt zum einen von der Persönlichkeit Persönlichkei t und dem angeborenen Temperament ab, zum anderen von unserer Biografie: Alles, was uns im Laufe des Lebens passiert – Erfahrungen, Unterstützung und Vorbilder, aber auch die momentane Lage –, beeinflusst Motivation. Sie entsteht also al so in einem Wechselspiel Wechselspiel von Person und Situation, so eine Haupterken Haupterkenntnis ntnis der Motivationsforscher. Und hier beobachten Psychologen hochinteressante hochintere ssante Unterschiede: Unter denselben Bedingungen nämlich nämli ch handeln Menschen völlig verschieden. Sie unterscheiden sich nicht nur in ihren Motiven und Zielen, sondern auch in der Ausdauer, mit der sie diese verfolgen. Besonders wirksame Faktoren, die helfen, Ziele zu erreichen, sind nach den vorliegenden Erkenntnissen: Belohnung, Anerkennung, Sinn und Disziplin. 27

 

KANN BELOHNUNG MOTIVIEREN? Dinge wie Bezahlung oder Statussymbole landen bei Umfragen nach motivierenden Anreizen selten auf den vorderen Plätzen. Und Experten raten etwa immer wieder davon ab, Kindern Geld für gute Noten oder die Mithilfe im Haushalt zu geben. Können Belohnungen also überhaupt motivieren? motiv ieren? Doch, sagen

zu übernehmen und Verbesser Verbesserungsvorschläge ungsvorschläge zu machen. Und sie empfehlen auch privat priv at die eigene Firma eher weiter, machen also kostenlose Werbung. Laut der 2012 veröffentlichten Umfrage fühlen allerdings gerade einmal 14 Prozent diese besondere emotionale Bindung, rund 23 Prozent empfinden sie überhaupt nicht, und der Rest findet sich irgendwo dazwischen

Forscher, sie wirken durchaus, man muss siefeuern nur geschickt einsetzen.„Bei einer unerwarteten unerwar teten Belohnung die Neuronen des Belohnungszentrums Nukleus accumbens. Die Art der Belohnung jedoch muss an die Motive des Einzelnen angepasst sein, denn was dem einen eine Belohnung ist, muss es nicht unbedingt auch für einen anderen sein“, sein“, erklärt der Neurowissenschaftler Gerhard Roth. Außerdem sollten Belohnungen zeitnah, also unmittelbar auf die gute Leistung erfolgen, dann treiben sie die Motivation an. Und sie sollten möglichst wenig vorhersehbar sein. Wird eine Belohnung nämlich selbstverständlich, nutzt nutzt sich ihr Effekt auf Dauer ab. Registriert das Gehirn eine fest erwartete Belohnung, kann die Aktivität im Nukleus accumbens sogar sinken.

ein.Beim genaueren Blick auf die Ursachen zeigt sich, dass vor allem das Verhalten der Chefs hier eine Rolle spielt: Je fairer und korrekter ihr Verhalten, umso zufriedener die Angestellten. Und die wünschen sich vor allem: Lob, Anerkennung, Feedback, Interesse an ihren Ideen und ihrer Person sowie Vertrauen. Sie wollen Aufgaben, die zu ihnen passen, und sie wollen zu Dingen ermuntert werden, die sie sich bislang nicht zugetraut hätten, also Ermutigung. Die psychischen Streicheleinheiten zeigen Wirkung: „Stärker als bei Belohnungen wird durch Lob und Anerkennung das Kompetenzerleben bestärkt und gleichzeitig eine soziale Zusammengehörigkeit signalisiert, ohne die Autonomie ein-

Allerdings gibt es hier Grenzen: „Man „Man kann Menschen nur in dem Maße zu bestimmten Handlungen motivieren, motivieren, wie es ihrer Motivstruktur entspricht“, betont Gerhard Roth. Völlig umkrempeln lässt sich auch mit der Aussicht auf die üppigste Belohnung kaum jemand, zumal sich manchmal das Festhalten am Alten selbst wie eine Belohnung anfühlt. Dieses Gefühl kann am Ende stärker sein als sämtliche noch so verlockenden Anreize von außen. Beliebig anziehen lässt sich diese Schraube der Motivation dann eben doch nicht. Regelrecht kontraproduktiv werden Belohnungen, wenn nur noch für sie, nicht mehr aber aus eigenem Antrieb gearbeitet wird, warnt Margit Osterloh, Expertin für psychologische Ökonomik: „Wo „Wo Belohnung als kontrollierend empfunden wird, kann sie die innere Motivation zerstören. Und wenn Belohnungen diese ausgleichen müssen, können sie sehr teuer werden.“ Völlig unwirksam sind nach Meinung von Forschern Strafen. Roth betont: „Bestrafung ist die am wenigsten geeignete Form der Verhaltensver Verhaltensverstärkung.“ stärkung.“ Bestrafte nämlich lernen nur, welches Verhalten nicht erwünscht ist, nicht aber, was positiv gewollt ist. Und gerade das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein, das bei Strafen häufig entsteht, kann sogar extrem demotivieren. Manchmal sind es die ganz einfachen zwischenmenschlichen Dinge, die uns motivieren. Das zeigt auch die jährlich veröffentlichte veröffentli chte Gallup-Umfrage „Motivation und Engagement

zuschränken. Aus zahlreichen empirischen Befunden wissen wir, dass dies die intrinsische, also innere Motivation erhöht“, erhöht“, sagt Margit Osterloh. Ein ehrlich gemeintes Lob kann einen schlimmen Tag retten, die Aufmerksamkeit wieder auf ein wichtiges Ziel lenken und neue Energie mobilisieren. Zu diesen wichtigen intrinsischen Motiven, Motiven, bei denen das Handeln selbst als Belohnung empfunden wird, gehören auch Spaß, Neugier, Neugier, Interesse – und eine sinnerfüllte Tätigkeit.

am Arbeitsplatz“ über die emotionale Bindung deutscher Arbeitnehmer an ihre Firma: Mitarbeiter, die emotional stark ans Unternehmen Unt ernehmen gebunden sind, werden seltener krank, kündigen seltener innerlich, sind eher bereit, zusätzliche Aufgaben

die eigenen Ansprüche an sich selbst zu erfüllen; auf Platz eins landete der eigene Leistungsanspruch (45 Prozent), dagegen rangierten Bezahlung (31 Prozent) oder gar Beförderung (6 Prozent) auf den hinteren Plätzen.

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EINEN SINN IM TUN ERKENNEN Die Onlineenzyklopädie Wikipedia ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie eine als sinnvoll erlebte Tätigkeit Menschen zu außergewöhnlichen Leistungen antreibt. Obwohl sie weder Geld noch Ruhm ernten und unbekannt bleiben, investieren sie enorme Zeit und Mühen, um das Lexikon täglich aufs Neue mit Informationen zu füttern. Studien zeigen denn auch, dass Eigenverantwortung, Eigenverant wortung, Autonomie, Autonomie, eine als erfüllend und interessant erlebte Tätigkeit zu den stärksten Antrieben überhaupt zählen. Menschen, die Sinn in ihrem Tun sehen und dabei Flow-Erlebnisse haben, sind deutlich motivierter als solche, denen es vor allem um Geld oder Status geht. Auch eine Umfrage des Karriereportals Monster kam zu dem Ergebnis, dass den 28 000 weltweit Befragten eine bedeutungsvolle Aufgabe wichtiger ist als Position und Gehalt. Sie wünschten sich allem voran eine sinnvolle und erfüllende Tätigkeit und das Gefühl,

PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

STAATLICH ANERKANNTE HOCHSCHULE

Menschen, die eine Tätigkeit um ihrer selbst willen tun, weil Menschen, sie einen Sinn darin erkennen, und deren Hauptantrieb die eigene Leistung ist, setzen sich Ziele und entscheiden selbst, wie sie diese erreichen können. Zusätzliche Zusätzliche Belohnungen sind dann gar nicht unbedingt notwendig. notwen dig. „Für Personen Personen mit einem stark ausgeprägten Leistungsmotiv liegen die Anreize eher in den wahrgenommenen Chancen, selbstverantwortlich in herausfordernden Projekten odersich Aufgaben engagieren zu können. Und gerade hoch leistungsmotivierte Personen suchen sich immer wieder wi eder neue herausfordernde Ziele“ Ziele“,, berichtet der Motivationspsychologe Falko Rheinberg. Die Suche nach einer sinnerfüllten Tätigkeit lohnt also.

IN ZUKUNFT KARRIER K ARRIEREE PSYCHOLOGIE PSYCHOLO GIE IN DER WIRTSCHAFT

OHNE DISZIPLIN GEHT ES NICHT Roy Baumeister forscht an der Florida State Unive University  rsity . Nach vielen Experimenten zum Thema Motivation lautet sein wichtigster Rat: Disziplin. Das klingt nach einer angestaubten, altmodischen Tugend, ist es aber nicht. Die Testpersonen bei einem Experiment Baumeisters scheiterten beim Versuch,

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unterschiedlichen Ablenkungen und typischen modernen Spielarten der Arbeitsvermeidung zu widerstehen – je nach Art der Versuchung Versuchung in bis zur Hälfte aller Fälle. Mit bewusster Selbstdisziplin dagegen hielten sie besser stand und hatten damit mehr Zeit zur Verfügung, um an der Verwirklichung ihrer Ziele zu arbeiten. Und genau das, so die motivierende Hauptthese Baumeisters, Baumeisters, ist nicht zuletzt eine Frage des richtigen Trainings. Praktizieren lässt sich Disziplin demnach so: feste Gewohnheiten und Routinen entwickeln, gerade für Dinge, die ebenso lästig wie unausweichlich sind, etwa die Steuererklärung; unangenehme Dinge wie Vorsorgetermine nicht aufschieben, denn das verursacht später umso größeren Stress; keine schwerwiegenden Entscheidungen treffen, wenn man erschöpft oder gestresst ist, dagegen ruhige Momente nutzen, um Initiativen und Projekte zu planen, und mindestens einen Tag im Jahr (etwa den Geburtstag) nutzen, um sich Erreichtes und Unerreichtes bewusstzumachen. Auch ein fortlaufend geführtes Zieletagebuch könne helfen, sich über Vorhaben, Erfolge, aber auch gescheiterte Projekte klarzuwerden. Und selbst elementare Dinge wie ausreichend Schlaf, Ruhe, Bewegung und gesunde Ernährung unterstützen Studien zufolge das Verfolgen von Zielen. Jede dieser Techniken zur Förderung der Motivation mag für sich genommen auf den ersten Blick vielleicht nicht sehr

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MOTIVATION   MOTIVATION TRAINIEREN? Seit Jahren erforscht die Psy Psychologin chologin Gabriele Oettingen, was Menschen antreibt und wie man sich und andere wirksam motivieren und bei der Verfolgung Verfolgung von Zielen unterstützen kann. Mit dem Training MCII hat sie eine effektive Methode vorgelegt, die hilft, Pläne in die Tat umzusetzen

Fällt es uns angesichts der Herausfor-

Schwierigkeiten oder Rückschlägen

bedeutenden Wunsch oder ein wich-

derungen des modernen Lebens und der tausend Möglichkeiten, die uns täglich offenstehen, offen stehen, schwerer, unsere Ziele im Auge zu behalten und uns zu motivieren?  Manche Menschen leben unter eher normativen normativ en Bedingungen; ihre Ziele sind überschaubar und oft von außen gesetzt. Andere dagegen haben in vielen Lebensbereichen große Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume und häufig sehr viele Projekte am Hals. Daher brauchen sie manchmal Hilfe, um die Spielräume auch zu gestalten. Sie brauchen Strategien und Werkzeuge, die helfen, sich machbare Ziele zu setzen, gangbare Wege zu wählen und diese dann dan n auch konsequent zu gehen. Was zeichnet besonders motivierte Menschen aus, woran erkennt man sie? Menschen in einem motivierten, zielorientierten Zustand erkennt man an Signalen, die auch bei zielorientierten Tieren zu beobachten sind: Sie sind oft

wird sich eine zielorientierte Person noch mehr bemühen, ihr Ziel zu erreichen. Lässt sich Motivation tatsächlich trainieren, oder ist sie am Ende E nde doch eher Teil der Persönlichkeit, also al so eine stabile Charaktereigenschaft? Selbstwert oder Temperament beispielsweise beeinflussen das Energieniveau, auf dem wir starten. Aber die Frage ist doch: Wie können wir uns selbst regulieren, unabhängig davon, auf welchem Energieniveau Energieniveau wir beginbegi nnen und welche Eigenschaften wir wi r mitbekommen haben? Wer offen ist und bereit für Veränderungen, kann sich verändern. Und falls Schwierigkeiten auftauchen, ist eine wirksame Selbstregulationstechnik gefragt. Sie haben zusammen mit Peter M. co nGollwitzer die Technik  Mental con-

se beruht auf Ihren Arbeiten zum Zielsetzen und auf Gollwitzers For-

tiges Anliegen spezifiziert und den Wunsch oder das Anliegen vor dem geistigen Auge festhält. Danach stellt man sich das Schönste an der Erfüllung Erfü llung des Wunsches oder der Lösung des Anliegens bildhaft vor. Der Wunsch kann zum Beispiel regelmäßige Bewegung sein und das Schönste die dadurch erreichte Fitness. Dann sucht man das zentrale Hindernis, das der Erfüllung des Wunsches im Wege steht, etwa nach Feierabend müde nicht mehr vom Sofa hochzukommen, und malt sich dieses kritische Hindernis in Gedanken aus. Im nächsten Schrit Schrittt formuliert man einen Wenn-dann-Plan, der diesen Stolperstein ausräumt, etwa in der Art: „Wenn ich nach Feierabend aufs Sofa sinke, stehe ich gleich wieder auf und ziehe meine Laufschuhe an.“ Es ist also eine bewusst ausgeführte Technik mit nichtbewussten nichtbew ussten Folgen? Ja, man setzt sich ein verbindliches Ziel und plant dieses, sodass die Schritte dorthin automatisch ausgeführt wer-

voller Energie, sie halten durch, suchen nach Mitteln, wie sie ihre Ziele erreichen können, und setzen nach UnterUnterbrechungen brechunge n immer wieder w ieder neu an. Bei

schungen zum Zielplanen. Wie funkfun ktioniert diese Technik? Die MCII-Technik beinhaltet zunächst, dass eine Person einen für sie

den. So muss man sich nicht mehr jeden Tag neu neu überlegen, wie man etwa et wa regelmäßige Bewegung in den Alltag einbaut. Und es schützt gegen Ablen-

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trasting with implementation intententions, kurz MCII entwickelt. Die-

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kungen aller Art. Studien aus unterschiedlichen Lebensbereichen wie Arbeit, Schulleistung, zwischenmenschlichen Beziehungen oder Gesundheit zeigen, dass die kosten- und zeitsparende Technik MCII Personen jeden Alters hilft,dessich machbare Ziele zu setzen und diese erfolgreich zu realisieren. Und sie hilft auch, nicht machbare Ziele abzulegen, und unteru nterstützt damit diejenigen, die unter chronischer Alltagsüberlastung leiden. Wo liegen letztlich letztl ich die Grenzen selbst guter und wissenschaftlich fundierter Trainings? Veränderung von Verhalten setzt voraus, dass Handlungsspielräume existieren. In Kontexten, die kein selbstbestimmtes Handeln erlauben, erlauben, etwa in manchen Diktaturen, oder anderen ausweglosen Situationen, Situ ationen, in denen weder das Erreichen Er reichen von Zielen noch das Loslassen möglich mögl ich ist, stoßen Techniken zur Verhaltensänderung an Grenzen. Hier kann man in positiven Zukunftsgedan kunf tsgedanken ken schwelgen, eine TechTechnik, die am Aufgeben hindert, selbst wenn die Erfolgschancen schlecht sind und Handlungsspielräume fehlen. Der Motivationsmarkt ist mittlerweile kaum noch zu überblicken. Was raten Sie jemandem, der sich für ein Angebot entscheiden möchte? Man kann kritisch kr itisch nachfragen, ob und wie die angebotenen Methoden wissenschaftlich senschaftl ich abgesichert sind und auf welcher Art von Befunden Befu nden sie basieren. PH  PH C 

Mit Gabriele Oettingen sprach Eva Tenzer

  Gabriele Oettingen lehrt und forscht an der New York University  und  und an der Universität Hamburg. In Hamburg leitet sie die Forschungsstell Forschungsstellee Motivationspsychologie. Gemeinsam mit Peter M. Gollwitzer von der Universität Konstanz entwickelte sie die sogenannte MCII-Methode, MCII-Method e, die inzwischen auch in der Praxis, etwa in der Ernährungsberatung angewandt wird.

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KREATIVITÄT   KREATIVITÄT IST WIE EINTOPFK EINTOPFKOCHEN OCHEN

Sie stecken fest, Ihnen fällt einfach nichts Gutes ein? Dann seien Sie doch mal kreativ. Wenn Sie das jetzt für einen guten Witz halten, haben Sie wahrscheinlich eine falsche Vorstellung von Kreativität VON BIRGIT SCHÖNBERGER

enn ein Seminarleiter in einer Gruppe von Erwachsenen Papier und Stifte in die Mitte legt, kann er sicher sein, dass eine Welle Welle des Entsetzens durch den Raum geht. Mindestens zwei Drittel der Teilnehmer stöhnen auf. „Malen? Ich? Bin ich Picasso?“ „Schon in der Schule war ich eine Niete in Kunst.“ „Als „Als Gott die Fantasie verteilt hat, war ich wohl grade nicht da. Ich hab einfach kein Talent.“ So lauten die häufigsten Kommentare. Doch wer sich selbst als unkreativ und fantasielos bezeichnet, sitzt einem Missverständnis auf, glaubt Peter Weil, Diplompsychologe und Geschäftsführer des Instituts für Angewandte Kreativität in Köln. „Wir machen heute den Fehler, dass wir Kreativität mit Kunst gleichsetzen.“ Die meisten halten Kreativität für eine seltene Gabe, über die nur eine exklusive Min-

verkümmern lassen. „Kreativität „Kreativität bezieht sich nicht auf ein bestimmtes Themengebiet, sondern ist überall möglich, ob ich ein exotisches Gericht koche oder mir für mein finanzielles Problem eine neue Lösung einfallen lasse. Kreativ sein bedeutet, sich etwas anderes vorstellen zu können als das, was gerade ist“, sagt Peter Weil. Auch ein Maurer, dem es gelingt, eine Mauer mit weniger Steinen zu errichten, ist kreativ. Ebenso eine Hausfrau, die in der viel zu kleinen Küche durch ein intelligentes Ordnungssystem alles unterbringt. Peter Weil Weil beobachtet, dass Kreativität häufig mit Innovation verwechselt wird. Auch das sei ein Grund dafür, daf ür, dass viele ihr Licht unter den Scheffel stellen und sich als einfallslos bezeichnen. „Man sagt dann: Steve Jobs mit seinem iPhone war kreativ, ich bin es nicht. Innovationen sind kreative Ideen, die so aufbereitet werden, dass sie in eine Geschäftsstrategie

derheit verfügt. Dabei ist jeder Mensch auf seine Weise schöpferisch. Wir können nicht nicht kreativ sein. Die entscheidende Frage ist, ob wir diese natürliche Fähigkeit aktiv pflegen oder

münden und in einen Businessplan passen.“ Den Umkehrschluss „Wem „Wem nichts bahnbrechend bahnbrechen d Neues einfällt, der ist auch nicht kreativ“ hält Peter Weil Weil für falsch. fal sch. Auch die amerikanische Kreativitätsforscherin Kreativitätsforsche rin Teresa Teresa Amabile glaubt, dass wir in un-

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seren Vorstellungen von Kreativität viel zu eingeengt sind. Sie vergleicht Kreativsein gerne mit Eintopfkochen Eintopfkochen.. Gleich einem guten Eintopf habe die Kreativität drei entscheidende Zutaten: Zutaten: Handwerk, kreative Denkfertigkeiten und Leidenschaft. Unter Unter Handwerk versteht Amabile die Summe der Fertigkeiten, dank derer wir ein Gebiet beherrschen. Ohne handwerkliche Aus-

auch nicht gleich bei Kreativitätstechniken Kreativitätstechniken wie Brainstorming, Clustering und Mindmapping an, sondern bei den Blockaden und Ängsten. Was passiert in meinem Kopf, wenn ich in eine ungewöhnliche Situation gerate? Was denke ich? Welche Gefühle kommen hoch? Werde ich wütend? Kriecht in mir die Angst hoch, mich furchtbar zu blamieren? Erstarre ich? Ver-

bildung scheitert auchmit das deren größteHilfe Talent. Talent. Denkfertigkeiten sind Verfahren, Verfahren, Hilf e wirKreative neue Möglichkeiten Mögli chkeiten entdecken und umsetzen können. Sie sind wie die Gewürze und Kräuter, mit denen man den Geschmack der Grundzutaten eines Eintopfs erst richtig zur Geltung bringt. br ingt. Leidenschaft ist für Amabile das Feuer unter dem Suppentopf. Sie heize alles auf, vermische die Aromen und lasse ein köstliches Gericht entstehen. Doch wie kommt es, dass die meisten glauben, sie seien unfähig, Eintopf zu kochen, während gleichzeitig das KWort in fast f ast jeder Stellenanzeige auftaucht und überall krea-

lasse ich fluchtartig denum Raum? Für Peter Weileigenen sind dasUmdie entscheidenden Fragen, sich selbst und dem gang mit Kreativität auf die Spur zu kommen. „Ein Mensch mit einer neuen Idee ist so lange ein Spinner Spinner,, bis sich die Idee als erfolgreich erweist“, hat Mark Twain gesagt. Man könnte diesen Satz auch so übersetzen: ohne Risikofreude keine Kreativität. Peter Weil beobachtet, dass wir zunehmend risikoscheu werden und neue Gedanken sofort abwürgen. Zu verrückt, zu unrealistisch, zu teuer. „Viele sagen, ich versuche es nur dann, wenn ich sicher bin, dass ich mich nicht irre.“ Doch mit dieser Einstellung könne nichts Neues entstehen. „Scheitern ist Teil des

tive Köpfe gesucht werden? Peter Weil hält Angst für den größten Gegenspieler von Kreativität. „Die Angst, Fehler zu machen, zu scheitern und schlecht dazustehen, ist in unserer Gesellschaft sehr verbreitet. Jeder will eine gute Figur abgeben. Und es gibt kollektive Normen, was in Ordnung ist und was nicht.“ Die Konsequenz: Wir bleiben lieber auf vertrautem Terrain, Terrain, tun die Dinge, wie wir sie immer getan haben, und überlassen das Neue und Verrückte den Künstlern. Wir lassen den Romanentwurf in der Schublade, schicken die Bewerbung nicht ab, verwerfen die neue Idee, unser altes Problem mal ganz anders zu lösen, ohne weitere Prüfung als unrealistisch. Beim Anführen von Gründen, warum wir jetzt unmöglich kreativ sein können, sind wir interessanterweise extrem fantasievoll. Der innere Kritiker läuft zur Hochform auf: „Mir ist noch nie was Gutes eingefallen.“ eingefalle n.“ „Die Welt Welt ist voll mit Büchern, Bildern und Geschäftsideen von Menschen, die tausendmal begabter sind als ich.“ „Heute lohnt es sich nicht mehr anzufangen.“ „Ich bin sowieso zu alt.“ „Erst wenn ich es perfekt kann, fange ich an.“ Die Liste der Einwände, die jedem Anflug

kreativen Prozesses. Alle Menschen, die erfolgreich sind, haben sich vorher mindestens sechsmal geirrt und viele Stunden mit Qual und Frust verbracht, bis es endlich klick gemacht hat.“ Dass man nur das Glück haben muss, im Morgengrauen von der Muse geküsst zu werden, und ansonsten nichts zu tun braucht, entspricht dem Mythos von der Inspiration, der sich hartnäckig hält. Thomas Edison wird der Satz nachgesagt: „Genie ist ein Prozent Inspiration und 99 Prozent Transpirati Transpiration.“ on.“ Kreativität sei s ei zwar keine Hexerei, man könne aber auch nicht mal einfach nebenbei nebenb ei kreativ sein, meint Peter Weil. Weil. „Ich muss mich auf ein Thema T hema einlassen, einla ssen, mit Achtsamkeit und Leidenschaft bei der Sache sein und Dinge in meinem Kopf verknüpfen, die scheinbar nicht zusammengehören.“ Begeisterung für die Sache hält Weil ebenfalls für entscheidend. „Ich kann nicht kreativ sein, wenn ich für ein Thema kein Feuer fange. Da nützt auch die beste Kreativtechnik Kreativtechnik nichts.“ Angela Carell vom Institut für Arbeitswissenschaften der Ruhr-Universitäten Bochum und Dortmund hält Kreativität für eine Kompetenz, die man entwickeln und trainieren kann.

von schöpferischem Elan den Garaus machen, ließe sich unendlich fortsetzen. Deshalb setzen Weil Weil und seine Kollegen in ihren Kreativitätsseminaren für Privatpersonen, Teams Teams und Organisationen

Die Erziehungswissenschaftlerin war zuständig für das Projekt DaVinci, in dem untersucht wurde, unter welchen Voraussetzungen Kreativität an der Universität am besten gedeihen kann. „Wie können Denkarbeiter kreativ und fit für den in-

KREATIVITÄTSKILLER: MIR FÄLLT NIE WAS GUTES EIN – ICH BIN ZU ALT –

ANDERE SIND VIEL BEGABTER 

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ternationalen Wettbewerb werden?“, lautete die Fragestellung. Am Projekt beteiligt waren auch das Hochschuldidaktische Zentrum der Technischen Universität Dortmund und das In-

3. Eine Gruppe sollte sich bewusst gerade mit den Lösungen und Ideen weiter beschäftigen, die als zu verrückt und unrealistisch verworfen werden, um zu verhindern, dass man sich

stitut für Angewandte Kreativität in Köln. Wissenschaft und praktische Erfahrungen aus dem Management sollten sich gegenseitig befruchten. Carells Forschungssch Forschungsschwerpunkt werpunkt liegt auf Kreativität in Gruppen. Die Ergebnisse sind auch für Nichtakademiker interessant. Kreativität kann man nicht verordnen, wohl aber Rahmenbedingungen schaffen, in denen auch ungewöhnliche Ideen Chancen haben, angehört und umgesetzt zu werden. Damit Gruppen kreativ arbeiten können, müssen laut Carell folgende Regeln eingehalten werden: 1. Die Gruppe sollte heterogen zusammengesetzt sein. Allerdings ist das nur dann erfolgversprechend, wenn die Teilnehmer diversity   als Chance und nicht als Störung wahrnehmen. Der Mehrwert der Gruppenarbeit ergibt sich erst durch die Kooperation, kreative kreative Lösungsansätze entstehen aus dem Zusammenspiel einer interdisziplinären Gruppe. 2. Jedes Gruppenmitglied sollte unabhängig vom Status die gleichen Chancen haben, Ideen einzubringen. Der Vorschlag

wieder auf einen der klassischen Lösungsansätze einigt. Abwegig und skurril erscheinende Ideen verdienen es oft, genauer angeschaut zu werden, und führen manchmal zu interessant interessanten en Innovationen. 4. Kreativität in Gruppen kann sich nur in einer offenen und vertrauensvollen Atmosphäreentfalten. Scheitern muss erlaubt sein. Der Arbeitsraum sollte den Charakter einer Werkstatt haben, in der ausprobiert, erprobt und skizziert werden darf. Es sollte genügend Bewegungsfreiheit im Raum geben und ausreichend Pausen, weil das Gehirn auch dann an der Lösung arbeitet, wenn es mit anderen Dingen beschäftigt ist. Und es dürfen auch mal die Fetzen fliegen. „Kreative Lösungen entstehen häufig in Situationen, in denen es nicht harmonisch und kuschelig zugeht, wo um eine Lösung gerungen und gestritten wird. Das bedeutet Konflikt. Man muss bereit sein, das Risiko des Scheiterns einzugehen. So kommen häufig die interessanteren Lösungen heraus“, heraus“, sagt Angela Carell. Als Beispiel führt sie junge Unternehmen aus der Technomusikszene an, die

des Abteilungsleiters darf nicht qua Hierarchie mehr wert sein als die Idee der Sekretärin. Um das sicherzustellen, sollten Ideen anonym gesammelt und mit gleicher Ernsthaftigkeit diskutiert werden.

keine Marktforschung betreiben, sondern den umgekehrten Weg gehen. Sie fragen nicht, was die Kunden wollen, sondern welche Veranstaltung ihnen selbst am meisten Spaß bereiten würde, und bieten sie dann an. Ähnlich funktioniert auch der

QUANTITÄT QUANTITÄ T VOR QUALITÄT. MANCHMAL BRAUCHT MAN 300 IDEEN, UM EINE LÖSUNG ZU FINDEN

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Erfolg von Apple. Die Ingenieure in der Entwicklungsabteilung Entwicklungsab teilung überlegen sich, welches Gerät sie selbst gerne haben würden, und nehmen die Wünsche vorweg, die die Kunden noch gar

sant, bekommt man einen Zeitrahmen und ein Budget, sie auszuarbeiten oder weiterzuentwickeln. Carell hält es für entscheidend, dass Führungskräfte eine Mentalität vorleben, die

nicht haben. Zeit spielt eine entscheidende Rolle. „In dem Moment, in dem Ideen entwickelt werden, muss man so tun, als hätte man ganz viel Zeit und Freiraum.“ Von Von vornherein Zeitdruck aufzubauen sei kontraproduktiv. „Die Teilnehmer sollen sich in einen Möglichkeitsraum hineinbegeben und ihren Gedanken freien Lauf lassen. Dazu brauchen sie das Gefühl, keine Grenzen zu haben und alle Ideen artikulieren zu können.“ Die wichtigste Regel laute: Quantität vor Qualität. Es könne sein, dass man 300 Ideen braucht, um eine neue Lösung zu finden. fi nden. Diese Offenheit hält auch Peter Weil für entscheidend. Ideensprüherinnen, Tüftler, Realisten und Bedenkenträger müssten konstruktiv zusammenarbeiten. „Die Bedenkenträger sind ganz wichtig, um einer Idee Bodenhaftung zu geben. Wenn Wenn sie  jedoch zu früh auftrumpfen, entsteht eine Blockade.“ Das lässt sich auch auf den individuellen Umgang mit Ideen übertragen. Tritt der innere Kritiker sofort auf den Plan, geht gar nichts voran. Doch was passiert, wenn die guten Ideen, die beim Kreativtreffen entstehen, später in der Schublade verschwinden und nie mehr hervorgeholt werden? Angela Carell glaubt, dass ein Unternehmen Unt ernehmen mit der Kreativität seiner Mitarbeiter sehr vorsichtig umgehen sollte. Kreative Ideenfindung ist ein prekärer Prozess, den viele Führungskräfte unreflektiert anstoßen. Oft bekommen die Mitarbeiter noch nicht einmal ein Feedback

vermittelt: Bei uns darf ausprobiert werden. Bei uns sind Fehler erlaubt. Wir nehmen die Ideen unserer Mitarbeiter ernst, setzen uns damit auseinander und greifen sie gegebenenfalls auf. Die wichtigste Erkenntnis, die Angela Carell für sich persönlich aus dem Projekt DaVinci gewonnen hat, ist, wie befreiend und bereichernd es sein kann, scheinbar Selbstverständliches systematisch zu hinterfragen. In langweiligen Sitzungen, wenn Beschlüsse verkündet verk ündet werden, fragt sie: „Warum „Warum machen wir das so?“ Dann entstehe erst Irritation und schließlich ein Freiraum, neu zu überlegen. Angeregt durch die Beschäftigung mit Kreativitätsstrategien, ermunterte sie ihre Kollegen, zwischendurch aufzustehen und durch den Raum zu gehen. „Wir sitzen als Informationsmanager immer am Laptop, und plötzlich muss man einen anderen Standpunkt einnehmen.“ Das fanden alle so befreiend, dass sich die Projektmeetings langsam, aber sicher verändert haben. Hilfreich findet Carell vor allem die Kopfstandübung: Wenn einem lauter Dinge einfallen, die nicht funktionieren, kann man die Fragestellung umkehren und ähnlich wie beim Kopfstand aus einer neuen Perspektive betrachten. Zum Beispiel indem man sich fragt: Wie soll das Ergebnis auf gar keinen Fall aussehen? Wie wäre es, mit dem Ende anzufangen? Was sehe ich, wenn ich in die andere Richtung blicke? Aufs Privatleben übertragen: Wer Wer sich

zu ihrer Idee. Damit erreicht man, dass sie sich nicht mehr engagieren. Es gibt allerdings auch positive Gegenbeispiele. Beim Softwarehersteller SAP können die Mitarbeiter Projekt ideen einbringen. Hält das Unternehmen die Idee für interesideen

seit Tagen Tagen erfolglos den Kopf über die Gestaltung der Geburtstagsfeier zerbricht, könnte sich fragen: Wie ruiniere ich die Party garantiert? Die Wahrscheinlichkeit, dass eine wunderbare Feier herauskommt, ist groß. 35

 

EINGEFAHRENE AHRENE BAHNEN EINGEF VERLASSEN Sechs Techniken, Techniken, mit denen sich sic h die Kreativität fördern lässt läss t Die Methode 653

Umkehrmethode

Diese Methode wurde vom Marketingexperten Bernd Rohrbach entwickelt und geht auf das bekannte Brainstorming zurück. Sechs Teilnehmer bearbeiten ein Thema oder eine Fragestellung. Jeder erhält ein Blatt Papier, Papier, schreibt in den folgenden fünf Minuten drei Ideen dazu auf. Nach Ablauf der Zeit geben alle ihr Blatt in einer bestimmten Richtung an ihre Nachbarn weiter. Diese schreiben drei weitere Ideen auf, die die Vorgängerideen ergänzen oder variieren oder völlig neu sind. Das geht so lange, bis alle Blätter von allen bearbeitet wurden. Auf diese Weise hat ein Team in kürzester Zeit 108 Ideen.

Dabei wird das Problem auf den Kopf gestellt. Die Frage lautet: Was muss ich tun, um mein Ziel garantiert nicht zu erreichen? Wenn 100 neue Kunden gewonnen werden sollen, überlegt man, was man tun müsste, um Kunden systematisch zu verlieren. Im nächsten Schritt werden die gesammelten Ideen wiederum ins Gegenteil verkehrt.

Die Walt-Disney-Methode Eine oder mehrere Personen betrachten eine Idee aus verschiedenen Perspektiven und nehmen dabei nacheinander drei RolRo llen ein. Der Träumer ist fantasievoll und enthusiastisch und lässt seinen Gedanken freien Lauf. Der Realist nimmt einen pragmatisch-praktischen Standpunkt ein und fragt, wie man die Idee realisieren könnte und welche Arbeitsschritte notwendig sind. Der Kritiker prüft die Umsetzbarkeit und benennt Schwachpunkte, Fehler und Illusionen. Danach kann man einen zweiten Durchlauf machen und die Anregungen aus dem ersten einbeziehen. Hilfreich ist, sich für jede Rolle in einen anderen Raum zu begeben oder in eine andere Ecke des Raumes. Die Methode geht auf Robert Dilts zurück, der Walt Disneys Arbeitstechnik analysiert hat.

Die sechs Denkhüte Diese Technik stammt vom Psychologen und Arzt Edward de Bono und wird in Konferenzen, Workshops Workshops und KrisensitzunKri sensitzungen angewendet. Nach dem Zufallsprinzip werden sechs „Denkhüte“, Tücher oder Kärtchen in verschiedenen Farben verteilt. Jeder Jeder muss sich an die gezogene Farbe und die dazugehörige Sichtweise halten. Der weiße Hut steht zum Beispiel für Informationen, Zahlen, Daten und Fakten. Er ist sachlich und neutral. Der rote für Intuition und Emotion, und der

Clustering Die amerikanische Kunstpädagogin und Schreiblehrerin Gabriele L. Rico entwickelte diese Methode fürs Schreiben. Cluster heißt übersetzt Traube, Büschel. Man nimmt ein Blatt im Querformat und notiert in die Mitte einen Begriff oder Satz. Davon ausgehend entwickelt man sternförmig Assoziationen und erlaubt sich, alle Einfälle und Gedankenblitz Gedankenblitzee festzuhalten, ohne sie zu zensieren. Beim Betrachten des Clusters, das ähnlich wie ein Spinnennetz aussieht, werden rasch Gedankenketten und Themen, die zusammenhängen, sichtbar.

Mind Map ist eine von Tony Buzan entwickelte grafische Darstellung, die beide Gehirnhälften miteinander verbindet. Auf einem Blatt Papier im Querformat wird in die Mitte ein prägnantes Bild gezeichnet, das das Hauptthema darstellt. Man kann auch ein Schlüsselwort in die Mitte schreiben. Vom Vom zentralen Bild ausgehend, wird für jeden Unterpunkt eine Linie gezeichnet. Auf diese Linien werden in Druckbuchstaben die einzelnen Schlüsselwörter zu den Unterpunkten geschrieben. Von den eingezeichneten Linien können wiederum Linien ausgehen, auf denen die Hauptgedanken weiter untergliedert werden. Es ist hilfreich, unterschiedliche unterschiedliche Farben und Symbole, Pfeile, Fragezeichen, geometrische Figuren zu benutzen. Mind Map eignet  PH   PH C  sich, um Vorträge oder Aufsätze vorzubereiten. Birgit Schönberger

schwarze Hut vertritt Schwierigkeiten und Probleme und will Risiken und Gefahren berücksichtigt wissen.

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

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SCHRITTE ZUM ERFO ERFOL LG „Ab morgen werde ich …“  „Das soll sich ändern …“ „Ich will mich durchsetzen …“ Pläne schmieden ist leicht und macht Spaß. Pläne in die Tat umsetzen ist dagegen eine schwierige Angelegenheit. Wer die richtigen Strategien kennt, verliert sein Ziel nicht aus den Augen

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PSYCHOLOGIE PSYCHOLOGIE HEUTE HEUTE compact compact

 

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So geht es nicht weiter!

Wie sich Gewohnheiten verändern lassen 

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Mini-Habits Mit kleinen Schritten Großes erreichen

Was wir von den Besten lernen können

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Selbstsuggestion: „Wenn ich das so mache, hält das dann?“

Diplomatie: Den gemeinsamen Nenner suchen

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SO GEHT ES

 WEITER!

NICHT VON ANNA ROMING

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Wer sich das Ziel setzt, setz t, etwas Grundlegendes in seinem Leben zu ändern, ist meist hochmotiviert. hochmotiv iert. Doch vom guten Vorsatz Vorsatz zum tatsächlichen Handeln muss man einige Hürden nehmen. Selbstveränderung ist ein Abenteuer, das erst nach mehreren me hreren Anläufen gelingt

Nach der Behandlung und einem durchschnittlichen Gewichtsverlust von 16 Kilogramm reagierten tatsächlich 47 Prozent der Frauen enttäuscht. Ihre hochgeschraubten Erwartungen ließen respektable 16 Kilo Gewichtsabnahme als VerVersagen erscheinen. Eine weitere Folge des  false hope syndrome ist der Glaube,

a hat jemand von heute auf morgen das Rauchen aufgegeben; nie wieder einen Schluck Alkohol angerührt; in zwei Wochen acht Kilo abgenommen; gekündigt und sich ohne Netz und doppelten Boden selbständig gemacht … Ermutigt von diesen beeindruckenden Beispielen, fassen wir – bevorzugt an Silvester – gute Vorsätze. Vorsätze. Können Menschen sich überhaupt schnell und grundlegend

dass Veränderung in einem Bereich sich positiv auf andere Lebensbereiche auswirken wird. Viele Veränderungswillige hoffen, als schlankerer Mensch endlich die Liebe fürs Leben zu finden, als Nichtraucher die ersehnte Beförderung zu bekommen oder nach einer Trennung mit einem Schlag alle Probleme los zu sein. Stellen sie dann fest, dass ein solch simpler Zusammenhang nicht besteht, verlieren sie schnell jede Veränderungsmotivation und fallen ins alte Verhalten zurück. Und manchmal verführt das  false hope syndrome   dazu, gleich mehrere Dinge auf einmal verändern zu wollen. Das aber geht garantiert schief, wie der Psych Psychologe ologe Roy F. Baumeister in seinen Studien belegen konnte. Es kostet viel zu viel psychische Energie, wenn man sich in mehr als einem Bereich

ändern? Die amerikanischen Psychologen William R. Miller und Janet C’de Baca gingen in ihren Studien dieser Frage nach – und obwohl sie auf den ein oder anderen Fall von plötzlicher tiefgreifender Veränderung Veränderung stießen, blieben sie skeptisch. Man sollte fantastischen Veränderungsgeschicht Veränderungsgeschichten en nicht allzu viel Glauben schenken, raten die Wissenschaftler. Wissenschaftl er. Und die Statistik gibt ihnen recht: 25 Prozent aller guten gu ten Vorsätze Vorsätze scheitern schei tern nach durchschnittlich 15 Wochen. Nur sehr wenige Menschen schaffen es, sich quasi von heute auf morgen von schlechten Gewohnheiten,, Suchtverhalten oder belastenden Situationen zu wohnheiten trennen. Die überwältigende Mehrheit muss durch die Mühsal der Ebene: Fünf bis sechs Anläufe sind im Schnitt notwendig,

selbst kontrollieren muss. Wer sich das Rauchen abgewöhnen will, sollte sich nur darauf konzentrieren – und nicht noch gleichzeitig eine Diät beginnen. Auch wenn wundersame Veränderung Veränderungsstorys sstorys im wirklichen wir klichen Leben nur sehr selten vorkommen, so schaffen es Menschen doch immer wieder, sich und ihr Leben zu verändern. Was ist ihr Geheimnis? Die Psychologieprofessoren James O. Prochaska, John Norcross und Carlo DiClemente haben in unzähligen Studien mit Tausenden von Teilnehmern gelungene Veränderungsprozesse untersucht. Ihre Ihre Ergebnisse fassten sie im sogenannten transtheoretischen Modell zusammen. Kern dieses Modells ist die Erkenntnis, dass erfolgreiche Selbstverände-

bisVman sein Zielisterreicht hat. Das aber ist den meisten nicht eränderung harte Arbeit. klar, wenn sie beschließen: „So kann es nicht weitergehen!“ Stattdessen machen sie sich falsche Hoffnungen: Sie überschätzen das Ausmaß der möglichen mögli chen Veränderung, Veränderung, sie unterschätzen die Zeit, die es dauert, bevor Bewegung in die Sache kommt, und sie sind überzeugt, dass sie allein mit Willenskraft erreichen, was sie wollen. Dieses  false hope syndrome  (FalscheHoffnung-Syndrom) Hoffnung-Synd rom) halten Janet Polivy und C. Peter Herman Herman von der University of Toronto für den Hauptschuldigen, wenn gute Vorsätze scheitern. Es verleitet unter anderem zu überzogenen Erwartungen, und diese wiederum machen blind für durchaus vorhandene, aber bescheidenere Erfolge. In einer

rung einÜber langfristiger Prozess ist, der in bestimmten Stadien verläuft. fünf „Stufen der Veränderung“ V eränderung“ muss gehen, wer etwas in seinem Leben verändern will.

Studie gaben übergewichtige Frauen an, welcher Gewichtsverlust für sie „enttäuschend“, „enttäuschend“, welcher „akzeptabel“ wäre. Über 17 Kilo weniger auf der Waage Waage könnten sie sich nicht freuen, meinten die Befragten, 25 Kilo hielten sie für „akzeptabel“.

tra-Überlegungen enden in einer Pattsituation, Vor- und Nachteile halten sich die Waage: „Wenn ich meinen Partner verlasse, kann ich endlich tun, was ich will. Aber finanziell wird es eng.“ Die Phase der Bewusstwerdung führt daher häufig zu

 

D

BEWUSSTWERDEN Menschen in dieser Phase wissen, dass sie ein Problem haben und dass etwas geschehen muss. Vom aktiven Handeln sind sie dennoch weit entfernt. Zu sehr sind sie damit beschäftigt, die Vor- und Nachteile einer Veränderung abzuwägen. Häufig fallen ihnen zu diesem Zeitpunkt mehr Nachteile als Vorteile Vorteile ein: „Wenn ich Diät halte, kann ich nicht mehr mit meinen Freunden essen gehen; … muss ich für die Familie extra kochen; … wird es mir schlechtgehen.“ Oder die Pro-und-Con-

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ALLEN VERÄNDERUNGEN HAFTET ETWAS MELANCHOLISCHES MELANCHO LISCHES AN. WIR MÜSSEN EIN LEBEN STERBEN, EHE WIR EIN ANDEANDERES BEGINNEN BEGINNEN KÖNNEN

einer Lähmung. Obwohl veränderungswillig, fühlen sich die Menschen Mensch en außerstande, aktiv zu werden. Sie lesen Bücher über Bücher,, die sich mit ihrem Problem beschäftigen; sie besuchen Bücher Seminare und Vorträge und strapazieren die Geduld ihrer Freunde, indem sie ihnen immer und immer wieder ihr Leid klagen. Der Wunsch nach Veränderung ist groß, doch die Zeit dafür erscheint ihnen noch nicht reif.

Vorteile, wenn ich i ch mich verändere? In welcher Weise Weise wird mein Leben bereichert bereiche rt sein? Wie werde ich aussehen? Was Was werde ich tun? Welche Wünsche werde ich mir erfüllen, wenn ich mein Ziel erreicht habe?“ Wer die Vorbereitungsphase erfolgreich erf olgreich durchlaufen will, muss dem angestrebten Ziel oberste Priorität einräumen und andere Menschen in seine Pläne einweihen. Sobald Freunde oder Verwandte davon wissen, bekommt der Entschluss „Ich verändere mich!“ mehr Verbindlichkeit. Die Gefahr auf dieser Stufe ist, dass man von seiner eigenen Veränderungsbereitsch eränderungsbereitschaft aft zu begeistert ist und in der Euphorie das Handeln „vergisst“ „vergisst“.. „Allein der Entschluss, eine Änderung einzuleiten, verursacht positive Gefühle“, schreiben Janet Polivy und C. Peter Herman. „Wer sich zu einer Änderung entschließt, ist erleichtert und hat das Gefühl, sein Leben wiew ieder unter Kontrolle bringen zu können. Der Entschluss, etwas verändern zu wollen, wird schon als belohnend empfunden, auch wenn noch gar nichts unternommen worden ist. So ist es kein Wunder, dass sich Menschen oft in der Phase zwischen Entschluss und Tat am wohlsten fühlen.“

HANDELN Der Schritt raus aus der behaglichen Vorbereitungsphase Vorbereitungsphase gelingt am besten, je konkreter der Plan ist, den man für seine Veränderung ausgearbeitet hat. Sebastian Bamberg von der Universität Univ ersität Gießen konnte in seinen Studien belegen, dass die Wahrscheinlichkeit, neue Verhaltensweisen auch tatsächlich auszuüben, steigt, wenn sogenannte „Implementationsintentionen“ gebildet werden. Bamberg testete in einer Studie die Bereitschaft von Studenten, eine neue Buslinie zu nutzen. Einer Gruppe der Teilnehmer wurde nahegelegt, ihre Fahrt so kon-

Man konzentriert sich jetzt mehr auf die Lösung als auf das Problem. Und man denkt mehr an die Zukunft als an die Vergangenheit. Der Veränderungsbereite weiß jetzt, welche konkreten Schritte er unternehmen will. Der Bewegungsmuffel hat sich für einen Fitnessklub in seiner Nähe entschieden, die Scheidungswillige glaubt, dass Mediation ein guter Weg sein könnte, um sich aus der unglücklichen Ehe zu lösen, der Raucher hat sich aus den vielen v ielen Ratschlägen jene ausgesucht, die ihm am meisten Erfolg versprechen versprechen.. In der Vorbereitungsphase ist es wichtig, dass sich Verän-

kret wie möglich zu planen: SieTag, sollten auf eine spezifische Situation, einen bestimmten einesich genaue Uhrzeit festlegen, an dem sie die di e neue Linie testen wollten. Die Studenten, die sich so gezielt vorbereitet hatten, nutzten nutzten deutlich häufiger den Bus als Studenten, die sich zwar bereiterklärt hatten, mit der neuen Linie zu fahren, sich aber nicht mental auf diese Umstellung Umste llung eingestellt hatten. Spielen sich die ersten Stufen des Veränderungsprozesses nur im Kopf des Veränderungswilligen Veränderungswilligen ab, können in der aktiven Phase auch Außenstehende erkennen, erkenne n, dass sich etwas tut. Der Raucher verschenkt seine Zigaretten, der Ernährungsumsteller erklärt seine Wohnung Wohnung zur süßigkeitenfreien Zone, der Bewegungsbereitee hat sich in einem Fitnessstudio angemeldet. Bewegungsbereit

derungswillige mit ihrem neuen Selbst vertraut machen. Eine positive Vision von dem neuen Leben ohne Zigaretten, ohne Übergewicht, ohne Ängste hilft, einen endgültigen Entschluss zu fassen. Motivierende Fragen können sein: „Worin „Worin liegen die

So entscheidend diese Phase ist, sie garantiert noch keinen Erfolg. Erfol g. „Menschen „Menschen verwechseln verwechs eln zu häufig häufi g Handeln mit VeränVerändern“, stellen Prochaska, Norcross und DiClemente fest. Vor allem wenn Stufe zwei, die Vorbereitung, Vorbereitung, vernachlässigt oder

VORBEREITEN

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gar übersprungen wurde, ist das Neue oft nicht von Dauer. Ohne eine grundlegende und möglichst konkrete Vorbereitung bleibt ein verändertes Verhalten Verhalten instabil. Deshalb kommt es auf dieser dritten dr itten Stufe häufig zu Rückfällen.

DRANBLEIBEN Vor Rückfällen ist niemand gefeit. Der wind of change ist ein launisches Lüftchen, das bei der kleinsten Irritation die Richtung ändert oder sich völlig legt. Die größten g rößten Gefahren für das neue Leben sind: Sozialer Druck. Bei Freunden löst der Satz „Danke, ich trinke keinen Alkohol mehr“ oft Protest aus: „Sei kein Spielverderber,, ein Glas wirst du doch trinken dürfen!“ verderber Überschätzung der eigenen Willenskraft. W  Wer er sich endlich end lich aus einer destruktiven Beziehung gelöst hat, sollte sich nicht auf die Probe stellen, indem er den schwierigen Partner „nur zum Kaffee“ wieder trifft. Stresssituationen. Monatelang hatte man keine Zigarette mehr geraucht, dann kam dieses extrem anstrengende Projekt, man musste die Nächte durcharbeiten – und griff zum beruhigenden Glimmstängel. Auch Krankheit, Trennung, Arbeitsplatzverlust und ähnlich gravierende Ereignisse lassen einen schnell in altes Verhalten zurückfallen. Rückschläge gehören zu fast jedem Veränderungsprozess dazu, trösten Prochaska, Prochaska , Norcross Norcross und DiClemente. DiClem ente. Die meisten Menschen kommen irgendwann irgendwann ins Stolpern. Darauf sollte jeder vorbereitet sein und es nicht als persönliches Versagen Versagen interpretieren, interpretiere n, wenn er auf eine frühere Stufe zurückgeworfen wird – meist auf die Stufe der Bewusstwerdung oder die Stufe der Vorbereitung. Fast alle, die letztendlich Erfolg hatten, durchliefen den Veränderungszyklus Veränderungszyklus mehrere Male, berichten die tra nstheoretischen transtheoretisch Selbstvorwürfe sind alsoVäter nichtdes angebracht, wenn en dieModells. guten Silvestervorsätze mal wieder im Sande verlaufen sind: Erfolgreiche Selbstveränderer haben im Durchschnitt fünf Anläufe hinter sich, ehe sie schließlich ihr Ziel erreichen. errei chen. „Die meisten Menschen kämpfen  jahrelang, ehe sie die di e beste Lösung für ihr Problem finden“ finden“,, trösten Prochaska & Co.

STABILISIEREN Diese Stufe streben alle Veränderungsbereiten an: Die alten Gewohnheiten sind endgültig überwunden, das neue Leben hat feste Konturen angenommen. Doch nicht jeder Veränderungsprozess endet mit dieser Stufe. Für die meisten wird „Dranbleiben“ zum Dauerzustand. Selbstveränderung ist ein Abenteuer,, das manchmal niemals zu Ende geht. Der AlkohoAbenteuer liker muss ein Leben lang den Alkohol meiden (oder, nach neueren Theorien, wenigstens kontrolliert trinken). Und wer

seine Ernährung umgestellt hat, weiß, dass er nie wieder in sein altes Essverhalten zurückfallen darf, will er seinen Erfolg nicht gefährden. Ob der Veränderungsprozess Veränderungsprozess seinen krönenden Abschluss mit der Stufe der „Stabilisierung“ findet oder ob permanente Achtsamkeit vonnöten ist – eines ist allen Menschen, die das Achtsamkeit Stufenprogramm absolvieren, gemeinsam: Veränderung Veränderung kann eine Identitätskrise auslösen. Man muss Altvertrautes loslassen und sich in eine neue Person verwandeln, verwandeln, die man selbst aber noch gar nicht kennt. Wer sich verändern will, lebt oft lange Zeit in einem Niemandsland zwischen dem „Nichtmehr“ „Nichtmehr“ und dem „Nochnicht“. „Nochnicht“. Dies ist ein Zustand, Zusta nd, der nicht leicht leich t auszuhalten ist, wie schon der französische Schriftsteller Anatole France wusste: „Allen Veränderungen, selbst jenen, die wir ersehnt haben, haftet etwas Melancholisches an; denn wir lassen einen Teil von uns selbst zurück; wir müssen ein Leben sterben, ehe wir ein anderes beginnen können.“

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WO STEHE ICH? IN ZEHN SCHRITTEN ZUM ERFOLG

deln und Dranbleiben des Veränderungsprozesses Veränderungsprozesses auftreten. Befinden Sie sich in diesen Phasen, dann sind andere Menschen und konkrete Strategien eine große Unterstützung. Am Beispiel eines Rauchers, der endlich von den vielen Zigaretten loskommen will, lassen sich die zehn Entwicklungsschritte verdeutliche verdeutlichen: n: 1. Die Aufmerksamkeit erhöht sich: Der Raucher liest immer häufiger Artikel über die gesundheitlichen Folgen des Rauchens. Er redet mit anderen über seinen Zigarettenkonsum Zigarettenk onsum und steigt vielleicht sogar auf Lightzigaretten um.

4. Die Einstellung der Umwelt wird registriert:  Es gibt immer mehr rauchfreie Zonen. Die Gesellschaft ächtet das Rauchen mehr als früher früher,, und das findet f indet der veränderungswillige Raucher auch in Ordnung. Er wehrt sich nicht dagegen, sondern hofft, dass diese Maßnahmen ihm helfen, von den Zigaretten loszukommen. 5. Das eigene Verhalten Verhalten wird neu bewertet: „Ich wäre froh, wenn ich und meine Kleidung nicht mehr so nach Zigarettenrauch stinken würden.“ Plötzlich stören den Raucher Dinge, die ihm bislang nicht aufgefallen auf gefallen sind: die verrauchten Kleider, der kalte Rauch am Morgen in der Wohnung, die vollen Aschenbecher. 6. Die Umwelt wird kontrolliert:  Der Raucher entschließt sich zu handeln und versucht, Situationen Situationen und Personen, die eine Veränderung Veränderung erschweren könnten, k önnten, unter seine Kontrolle zu bringen. br ingen. „Ich „Ich werfe alle noch vorhandenen Zigaretten Zigaretten weg und verhänge ein striktes Rauchverbot über meine Wohnung.“ 7. Hilfreiche Beziehungen werden genutzt:  „Immer wenn ich in Versuchung gerate, rufe ich eine Freundin an.“ Sobald der Raucher in „gefährliche“ Situationen gerät, lenkt er sich ab, indem er die Hilfe von Freunden oder Familienmitgliedern in Anspruch nimmt. 8. Gewohnheiten werden abtrainiert: Der Raucher ist daran gewöhnt, dass seine Hände eine Zigarette halten.

 Deren Raucher hat einenl 2. Gefühle werden zugelassen: Film gesehen, in dem einem Patient Patienten ein Lungenflüge Lungenflügel entfernt wurde. Die Bilder von der schwarzen RaucherRaucherlunge gehen ihm nicht mehr aus dem Kopf. Aufgeregt berichtet er anderen davon. Die Gefühle, die beim Gedanken an die möglichen negativen Folgen des Problemverhaltens aufkommen, werden zugelassen und auch ausgedrückt. 3. Der Standpunkt anderer wird wahrgenommen:  „Du machst uns zu Passivrauchern, und das ist gefährlich“, klagen die Kollegen. Kollegen . Und Und der veränderungswilli veränderung swillige ge Raucher widerspricht ihnen nicht. Er weiß, dass Passivrauchen schädlich ist und dass andere von seiner

Nun er eine Leere, Händeeinen suchen„Handnervös nachempfindet Beschäftigung. Er gibtdieihnen schmeichler“, einen glatten Stein, und versucht sich daran zu gewöhnen. 9. Selbstlob muss sein: Der Raucher belohnt sich selbst, wenn er (wieder) eine Woche ohne Zigarette durchgehalten hat – zum Beispiel mit einem Kinobesuch oder mit einem guten Essen. Selbstbelohnung wird gezielt eingesetzt, um das neue Verhalten Verhalten zu stabilisieren. 10. Ein Vertrag mit sich selbst wird geschlossen:  Der Raucher verspricht sich selbst, nie wieder eine Zigarette anzurühren. Sein Entschluss steht fest. Um ihn zu bekräftigen, informiert informier t er auch andere Menschen davon.

Sie wollen sich verändern und möchten wissen, auf welcher der sechs Stufen des Veränderungsprozesse Veränderungsprozessess Sie sich befinden? Es gibt typische Denkprozesse und VerVerhaltensweisen, die sich den verschiedenen Stufen des Veränderungsprozesses zuordnen lassen. An ihnen kann man erkennen, an welcher Stelle man steht. Die Entwicklungsschritte eins bis fünf sind kognitiver Art und typisch für die Stufen Bewusstwerden und VorbeVorbereiten. Wenn Sie sich in diesen beschriebenen Denkmustern wiederfinden, dann sind Sie offen für Informationen, die Ihr Problemverhalten betreffen. Die Punkte sechs bis zehn beschreiben beschrei ben konkrete VerhaltensVerhaltensweisen, die typischerweise in den höheren Stufen Han-

Nikotinsuchtt betroffen sind. Nikotinsuch

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Schlechte Angewohnheiten Angewohnheiten – wohl jeder kennt sie: Der eine isst zu viel Süßigkeiten und bewegt sich zu wenig, der andere raucht zu viel oder trinkt gerne ein Gläschen über den Durst. Wer etwas daran verändern will, scheitert häufig. Doch Gewohnheiten sind kein Schicksal. Sie können ignoriert, ignorier t, modifiziert oder ersetzt werden. Dazu muss man aber wissen, wie sie entstehen VON CHARLES DUHIGG

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A

ls Sie heute Morgen aufgewacht sind, was haben Sie da als Erstes getan? Sind Sie unter die Dusche gehüpft, haben Sie Ihre E-Mails durchgesehen,, haben Sie einen Keks von der durchgesehen Küchenanrichte genommen? Welchen Weg sind Sie zur Arbeit gefahren? Schauten Sie, als Sie an Ihren Schreibtisch kamen, zuerst die E-Mails an, oder plauderten Sie

elements strengt sich das Gehirn stark an und sucht nach etwas – einem Auslösereiz –, das ihm einen Anhaltspunkt dafür liefert, welche Gewohnheit aktiviert werden sollte. Wenn am Ende der Aktivität eine Belohnung auftaucht, rüttelt rüttelt sich das Gehirn selbst wach und stellt sicher, sicher, dass alles erwartungsgemäß abläuft. Dieser Prozess innerhalb unseres Gehirns ist eine dreistu-

mit einem Kollegen? Zogen Sie, als Sie nach Hause kamen, Ihre Laufschuhe an und drehten eine Runde, oder nahmen Sie einen Drink und aßen vor dem Fernseher zu Abend? „Unser „Unser ganzes Leben setzt sich, soweit es eine bestimmte Form hat, aus einer Anzahl von Gewohnheiten Gewohnhe iten zusammen“, schrieb William James 1892. Die meisten Entscheidungen, die wir jeden Tag treffen, mögen sich wie das Resultat sorgfältiger Abwägungsprozesse anfühlen, aber das sind sie nicht. Sie sind Gewohnheiten. Und obwohl jede Gewohnheit, für sich genommen, relativ wenig bedeutet, haben die Speisen, die wir bestellen, das, was wir allabendlich unseren Kindern erzählen, ob wir sparen oder Geld ausgeben, wie oft wir Sport Spo rt treiben und die Art und Weise, wie wir unsere Gedanken und Arbeitsabläufe organisieren, enorme Auswirkungen auf unsere Gesundheit, unsere Produktivität, unsere finanzielle Situation und unser Wohlbefinden. Ein Forscher der Duke University  fand   fand 2006 heraus, dass über 40 Prozent unserer täglichen Handlungen nicht auf bewussten Entscheidungen beruhen, sondern Gewohnheiten sind. Einige sind simpel: simpel : Wir drücken automatisch Zahnpasta auf die Zahnbürste, bevor wir diese in den Mund stecken. Andere sind etwas komplexer, etwa das Rücksetzen eines Autos aus einer Einfahrt. Einfahr t. Gewohnheiten, so sagen WissenschaftWissenschaftler, entstehen, weil das Gehirn ständig nach Wegen sucht, um sich weniger anzustrengen. Sich selbst überlassen, versucht

fige Schleife. Zunächst gibt es einen Auslösereiz, der das Gehirn auffordert, in einen automatischen Modus umzuschalten, und ihm sagt, welche Gewohnheit es aktivieren sollte. Nun greift die Routine, die körperlicher körperlicher,, mentaler oder emotionaler Natur sein kann. Am Schluss folgt eine Belohnung, die unserem Gehirn hilft, zu entscheiden, ob es sich lohnt, sich diese konkrete Schleife für die Zukunft zu merken. Im Lauf der Zeit wird diese Schleife – Auslösereiz, Routine, Routine, Belohnung – mehr und mehr automatisiert. Der Auslösereiz und die Belohnung werden immer enger miteinander verschränkt, bis ein starkes Gefühl der Antizipation und des Verlangens entsteht. Und am Ende bildet sich eine Gewohnheit aus. Ohne Gewohnheitsschleifen würden unsere Gehirne dichtmachen, überwältigt von den Details des Alltagslebens. Zugleich kann die Abhängigkeit von automatischen Routinen gefährlich sein. Gewohnheiten sind oftmals ebenso sehr Fluch wie Segen. Doch schon allein das Verstehen ihrer Funktionsweise erleichtert ihre Kontrolle. Gewohnheiten sind wirkmächtig, aber störungsanfällig. Sie können ohne Beteiligung unseres Bewusstseins entstehen oder bewusst konzipiert werden. Sie werden oft ohne unser Zutun aktiv, aktiv, doch sie lassen sich umformen, indem man mit ihren einzelnen Elementen spielt. Wenn wir lernen, die Auslösereize und Belohnungen zu beobachten, können wir Routinen verändern. Wie lassen sich Gewohnheiten ändern? änder n? Veränderu Veränderungen ngen stel-

das Gehirnzupraktisch jede regelmäßige Handlung in eine Gewohnheit verwandeln, um möglichst häufig herunterzufahren. Ein effizientes Gehirn erlaubt uns, nicht mehr unentwegt über grundlegende Verhaltensweisen nachdenken zu müssen, wie etwa das Gehen oder die Essensauswahl, sodass wir mentale Energie für die Erfindung von Speeren, Bewässerungssystemen und schließlich Flugzeugen und Videospielen aufwenden können. Aber das Einsparen mentaler Anstrengung ist ein heikles Unterfangen, denn wenn unser Gehirn im falschen Moment herunterfährt, übersehen wir vielleicht etwas Wichtiges, wie einen Fressfeind, der sich im Gebüsch versteckt, oder ein heranbrausendes Auto, Auto, wenn wir rückwärts auf die Straße fahren.

len sichAber oft nur sie sind auchlassen nichtsich immer leicht. mitlangsam Geduld ein, undund Beharrlichkeit die meisten schlechten Gewohnheiten durch bessere ersetzen. Die grundlegenden Schritte sind:

Also hat unser Gehirn ein raffiniertes System entwickelt, das darüber entscheidet, wann Gewohnheiten das Kommando übernehmen. Dies geschieht immer dann, wenn ein Verhaltenselement beginnt oder endet. Zu Beginn eines Verhaltens-

stehen, müssen wir die Bestandteile unserer Gewohnheitsschleifen erkennen. Sobald wir die Gewohnh Gewohnheitsschleife eitsschleife einer bestimmten Verhaltensweise erkannt haben, können wir nach Wegen suchen, um alte Laster durch neue Routinen Rou tinen zu ersetzen.

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           

DIE ROUTINE IDENTIFIZIEREN Im Zentrum jeder Gewohnheit steht eine neuronale Schleife, die aus drei Teilen besteht: einem Auslösereiz, einer Routine und einer Belohnung. Um die eigenen Gewohnheiten zu ver-

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Nehmen wir zum Beispiel an, dass Sie eine schlechte Angewohnheit haben, wie es bei mir der Fall war: Ich habe jeden Nachmittag in der Cafeteria einen chocolate chip cookie gekauft. Nehmen wir an, diese Gewohnheit habe dazu geführt, dass Sie spürbar zunahmen – und zwar genau acht Pfund. Sie haben

halten steuern, nicht bewusst. Die meisten Begierden sind im Rückblick offensichtlich, aber unglaublich schwer zu erkennen, wenn wir von ihnen beeinflusst werden. Um herauszufinden, welches Verlangen bestimmte Gewohnheiten antreibt, ist es nützlich, mit verschiedenen Belohnungen zu experimen-

versucht, sich sich dieses Laster abzugewöhnen – Sie gingen sogar so weit, ein Post-it mit der Aufschrift „Keine „Keine Cookies mehr!“ an Ihren Computerbildschirm zu kleben. Aber jeden Nachmittag schaffen Sie es, diese Mahnung zu ignorieren, aufzustehen, zur Cafeteria zu schlendern, einen Cookie zu kaufen und ihn zu verdrücken, während Sie bei der Kasse mit Kollegen plaudern. Auf den Genuss folgt die Reue. Morgen, das schwören Sie sich, nehmen Sie Ihre ganze Willenskraft zusammen, um der Versuchung zu widerstehen. Ab morgen wird alles anders. Aber am nächsten Tag triumphiert wieder die Gewohnheit. Wie durchschauen Sie dieses Verhalten, um es dann zu verändern? Indem Sie die Gewohnheitsschleife ergründen. Und der erste Schritt besteht darin, die Routine zu identifizieren. In dem Cookie-Szenario ist – wie bei den meisten Gewohnheiten – die Routine der am deutlichsten sichtbare Aspekt: Es ist die Ver-

tieren. Das mag ein paar Tage oder eine Woche oder noch länger dauern. In dieser Zeit sollten Sie sich nicht unter Druck setzen, um echte Veränderungen Veränderungen zu erreichen er reichen – betrachten Sie sich als ein Wissenschaftler, der erst mal seine Daten erhebt. Wenn Sie am ersten Tag Ihres Experiments Experiment s den Drang spüren, spüren , in die Cafeteria zu gehen und einen Cookie zu kaufen, sollten Sie Ihre Routine so verändern, dass sie eine andere Belohnung abwirft. Statt in die Cafeteria könnten Sie zum Beispiel nach draußen gehen, einmal um den Block spazieren und zu Ihrem Schreibtisch zurückkehren, ohne etwas zu essen. Suchen Sie am nächsten Tag die Cafeteria auf, kaufen Sie einen Donut oder einen Schokoriegel und essen Sie ihn an Ihrem Schreibtisch. Tags darauf gehen Sie in die Cafeteria, kaufen einen Apfel und essen ihn, während Sie mit Ihren Freunden plaudern. Probieren Sie dann eine Tasse Kaffee aus. Statt in die Cafeteria zu gehen, besuchen Sie am nächs-

haltensweise, Sie verändern wollen. Ihre Routine besteht darin, dass Siedie nachmittags von Ihrem Schreibtisch aufstehen, in die Cafeteria gehen, einen chocolate chip cookie kaufen und diesen verdrücken, während während Sie mit Freunden plaudern. Als Nächstes wenden wir uns den Fragen zu, die nicht so leicht zu beantworten sind: Was Was ist der Auslöser für diese Routine? Ist es Hunger? Langeweile? Ein niedriger Blutzuckerspiegel? Das Bedürfnis nach einer Pause, bevor man sich in die nächste Arbeitsaufgabe vertieft? Und was ist die Belohnung? Der Cookie selbst? Der Ortswechsel? Die vorübergehende Zerstreuung? Der Kontakt mit Kollegen? Oder der Energieschub, der durch den Zuckerstoß ausgelöst wird? Um das herauszufinden, müssen Sie ein wenig experimentieren.

ten Tagund einen Freund in seinem Büro, plaudern nuten kehren an Ihren Schreibtisch zurück. ein paar MiBei all dem ist es nicht wichtig, was Sie tun, statt einen Cookie zu kaufen. Es geht darum, verschiedene Hypothesen zu überprüfen, um herauszufinden, welches Verlangen Verlangen Ihre Routine antreibt. Verlangte es Sie nach dem Cookie selbst oder nach einer Arbeitsunterbrechung? Wenn es der Cookie ist, dann deshalb, weil Sie hungrig sind? (In diesem Fall sollte der Apfel den gleichen Effekt haben.) Oder erhoffen Sie sich vom Cookie einen Energieschub? (Dann sollte der Kaffee genügen.) Oder gehen Sie im Grunde in die Cafeteria, weil Sie ein bisschen plaudern wollen, und der Cookie ist nur ein bequemer Vorwand? (Wenn dies der Fall ist, können Sie genauso gut gu t zu einem

40 PROZENT UNSERER TÄGLICHEN HANDLUNGEN BERUHEN NICHT AUF BEWUSSTEN BEWUSSTEN ENTSCHEIDUNGEN, SONDERN SIND GEWOHNHEITEN

MIT BELOHNUNGEN EXPERIMENTIEREN Belohnungen sind so mächtig, weil sie unsere Gelüste befriedigen. Aber wir sind uns oftmals der Gelüste, die unser Ver-

anderen Schreibtisch gehen und sich dort ein paar Minuten mit dem Kollegen unterhalten.) Wenn Sie vier oder fünf verschiedene Belohnungen testen, können Sie einen alten Trick benutzen, um nach Mustern zu

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suchen: Schreiben Sie nach jeder Aktivität, wenn Sie an Ihren Schreibtisch zurückkommen, zurückkommen, die ersten drei Dinge, die Ihnen einfallen, auf ein Blatt Papier. Papier. Es können Gefühle sein, spontane Gedanken, Reflexionen über Ihre Empfindungen oder auch nur die ersten drei Wörter, die Ihnen in den Sinn kommen, zum Beispiel: „entspannt, Blumen gesehen, nicht hungrig“.

Verzehr eines Donuts immer noch den Drang verspüren, aufzustehen und in die Cafeteria zu gehen, dann ist Ihre Gewohnheit nicht durch ein Verlangen nach Zucker motiviert. Wenn Sie, nachdem Sie am Schreibtisch eines Kollegen geplaudert haben, noch immer einen Cookie wollen, dann ist es nicht das Bedürfnis nach menschlichem Kontakt, das Ihr Verhalten antreibt. Wenn Wenn es Ihnen andererseits fünfzehn Minuten, nach-

Stellen Sie dann da nn den Wecker Wecker auf Ihrer I hrer Uhr oder Ihrem Computer auf 15 Minuten Minute n ein. Wenn Wenn er läutet, fragen frage n Sie sich: Spüre ich noch immer das Verlange Verlangen n nach einem Cookie? Cook ie? Aus zwei Gründen ist es wichtig, drei Dinge – selbst wenn es scheinbar sinnlose Wörter sind – aufzuschreiben. Erstens zwingt es Sie dazu, Ihre Aufmerksamkeit vorübergehend vorübergehend auf das zu richten, was Sie denken oder fühlen. Außerdem haben Untersuchungen gezeigt, dass man sich später besser daran erinnert, was man in diesem Moment gedacht hat, wenn man ein paar Wörter zu Papier bringt. Wenn Sie am Ende des Experiments Ihre Aufzeichnungen noch einmal durchgehen, können Sie sich viel leichter an das erinnern, was Sie genau zu diesem Zeitpunkt gedacht und gefühlt haben, weil Ihre hingekritzelten Wörter

dem Sie mit einem Freund geplaudert haben, leichtfällt, sich wieder an die Arbeit zu machen, dann haben Sie die Belohnung identifiziert, die Ihre Gewohnheit befriedigen will: vorübergehende Zerstreuung und Geselligkeit. Indem Sie mit verschiedene verschiedenen n Belohnungen experimentieren, können Sie herausfinden, wonach es Sie wirklich verlangt, was unerlässlich ist, wenn Sie die Gewohnheit verändern wollen. Nachdem Sie die Routine und die Belohnung ermittelt haben, müssen Sie nur noch den Auslöser identifizieren.

einen Erinnerungsschub auslösen werden. Und wozu das Wecksignal nach 15 Minuten? Weil es bei diesen Tests Tests darum geht, herauszufinden, nach welcher Belohnung es Sie verlangt. Wenn Sie fünfzehn Minuten nach dem

wenn wir unsere Handlungen ausführen. aus führen. Um in dem Rauschen einen Auslösereiz zu erkennen, können wir im Vorhinein Kategorien bestimmen, die wir genauer unter die Lupe nehmen wollen, um Muster zu erkennen. Experimente haben gezeigt,

DEN AUSLÖSER ISOLIEREN Es ist schwierig, die Auslöser unserer Gewohnheiten zu identifizieren, weil zu viele Informationen auf uns einströmen,

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dass fast alle gewöhnlichen Auslösereize in eine von fünf Kategorien fallen: Standort, Uhrzeit, emotionaler Zustand, andere Menschen, unmittelbar vorangehende Handlung. Wenn Sie daher den Auslöser für die Gewohnheit „in die Cafeteria gehen und einen chocolate chip cookie kaufen“ herausfinden wollen, sollten Sie in dem Moment, in dem Sie der Drang über-

Verlangen nicht auf den d en Cookie an sich gerichtet war – sondern sonde rn auf einen Moment der Entspannung und die Gelegenheit zu geselligem Umgang. Also erstellte ich einen Plan: Jeden Tag um 15.30 Uhr gehe ich zum Schreibtisch eines Freundes und plaudere zehn Minuten lang. Um sicherzugehen, dass ich es nicht vergaß, verga ß, stellte ich den Wecker Wecker meiner Uhr auf au f

kommt, fünf Dinge aufschreiben (nachfolgend meine eigenen Aufzeichnungen, Aufzeichn ungen, als ich meine Gewohnheit zu diagnostizieren versuchte): Wo sind Sie? (Ich sitze an meinem Schreibtisch.) – Wie spät ist es? (15.36 Uhr.) – Wie fühlen Sie sich gerade? (Ich langweile mich.) – Wer Wer ist sonst noch da? (Niemand.) (Niema nd.) – Welche Welche Handlung ging dem Drang voraus? (Beantwortete eine E-Mail.) Nach drei Tagen Tagen war ziemlich zieml ich klar, wodurch meine Cookiegewohnheit ausgelöst wurde – jeweils um eine bestimmte Uhrzeit spürte ich den Drang, etwas zu naschen. In Schritt zwei hatte ich bereits herausgefunden, dass mein Verhalten nicht von Hunger angetrieben wurde. Die Belohnung, nach der es mich verlangte, war eine vorübergehende Zerstreuung – wie man sie zum Beispiel auch a uch erlebt, wenn man mit einem Freund plaudert. Und die Gewohnheit wurde zwischen 15 und 16 Uhr ausgelöst.

15.30 Uhr. Es funktionierte nicht sofort. An manchen Tagen war ich allzu beschäftigt und ignorierte den Wecker und hatte dann einen Rückfall. Dann wieder schien es allzu mühsam,  jemanden zu finden, finden, der Lust hatte zu plaudern – es war leichleichter, sich einen Cookie zu holen, und so gab ich dem Drang nach. Aber an den Tagen, an denen ich meinen Plan befolgte – wenn der Wecker Wecker läutete, läute te, zwang ich mich dazu, dazu , zum Schreibtisch eines Freundes zu gehen und mich zehn Minuten lang mit ihm zu unterhalten –, stellte ich fest, dass ich mich nach Feierabend besser fühlte. Ich war nicht in die Cafeteria gegangen, ich hatte keinen Cookie gegessen, und ich fühlte mich wohl. Schließlich wurde es zu einem Automatismus: Sobald der Wecker läutete, suchte ich einen Freund auf, und am Ende des Tages hatte ich jedes Mal ein kleines, aber spürbares Erfolgserlebnis. Nach ein paar Wochen dachte ich kaum mehr an die Routine. Und wenn ich niemanden für einen Plausch finden konnte, ging ich in die Cafeteria, kaufte einen Tee Tee und trank ihn mit Freunden. Inzwischen stehe ich jeden Tag unwillkürlich gegen 15.30 Uhr auf, schaue mich im Redaktionsraum nach jemandem um, mit dem ich plaudern kann, unterhalte mich etwa zehn Minuten lang über die neuesten Nachrichten Nachrichten und gehe dann wieder zurück an meinen Schreibtisch. Dies geschieht weitgeweitgehend automatisch. Es ist zu einer Gewohnheit geworden. Natürlich lassen sich nicht alle Gewohnheiten so leicht än-

EINEN PLAN AUFSTELLEN Sobald Sie Ihre Gewohnheitsschleife ergründet haben – die Belohnung identifiziert, die Ihr Verhalten Verhalten antreibt, den zugehörigen Auslöser und die Routine selbst –, können Sie damit anfangen, das Verhalten Verhalten zu ändern. Sie können zu einer anderen Routine wechseln, indem Sie für den Fall, dass der Auslöser auftritt, einen Plan erstellen und ein Verhalten Verhalten auswählen, das Ihnen die Belohnung verschafft, nach der es Sie verlangt. Eine Gewohnheit ist eine Entscheidung, die wir unbewusst oder wohlüberlegt treffen und über die wir dann nicht mehr nachdenken,, sondern die wir, oftmals täglich, einfach umsetnachdenken zen. Anders ausgedrückt: Eine Gewohnheit ist eine Formel, der unser Gehirn automatisch folgt. Wenn ich einen Auslöser sehe, führe ich eine Routine aus, um eine Belohnung zu erhalten. Um diese Formel umzugestalten, müssen wir wieder damit anfangen, Entscheidungen zu treffen. Und Studien haben gezeigt, dass sich dies am einfachsten dadurch bewerkstelligen lässt, dass man einen Plan erstellt. Nehmen wir zum Beispiel meine „Cookie am Nachmitt Nachmittag“ag“Gewohnheit. Durch Anwendung dieses Vierschritterasters habe ich herausgefunden, dass mein Auslöser die Uhrzeit war – und zwar ungefähr 15.30 Uhr. Ich kannte meine Routine: in die Cafeteria gehen, gehe n, einen Keks Keks kaufen und mit Freunden plaudern. Und durch Experimentieren fand ich heraus, dass mein

dern. Aber dieses Rahmenmodell ist ein guter Anfang. Manchmal dauert es sehr lange, eingeschliffene Verhaltensweisen Verhaltensweisen zu verändern. Manchmal ist es nötig, immer wieder zu experimentieren und auch immer wieder zu scheitern. Aber sobald wir wissen, wie eine Gewohnheit funktioniert – sobald wir den Auslöser, die Routine und die Belohnung identifiziert identifizier t haben –,  PH   PH C  sind wir ihr nicht mehr ausgeliefert. Charles Duhigg, geboren 1974, arbeitet als Wirtschaftsreda Wirtschaftsredakteur kteur und investigativer Journalist für die New York Times  und  und das New York Times Magazine . Er hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten

und war 2009 Finalist für den Pulitzerpreis. Der Text ist ein Auszug aus seinem Buch Die Macht der Gewohnheit. Warum wir tun, was wir tun, das im Berlin-Ver Berlin-Verlag lag erschienen ist (übersetzt von Thorsten

Schmidt).

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VON URSULA NUBER

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Ab morgen halte ich Diät! Ab sofort sofor t gehe ich dreimal pro Woche ins Fitnessstudio! Vorsätze wie diese fassen wir mit dem festen Willen, sie auch umzusetzen. Doch

allein durch den Entschluss zu bewerkstelligen ist. Manchmal Manchmal sind Hauruckverfahren wie „Ab morgen rauche ich nicht mehr“ durchaus erfolgreich. Immer wieder erzählen Menschen, dass sie von einem Tag auf den anderen ein Verhalten ändern oder die Weichen in ihrem Leben neu stellen konnten – wundersame Geschichten, die den Glauben stärken, dass ein

nur selten gelingt das auf Dauer. Der Grund: Wir Wir nehmen uns zu viel vor ls ein amerikanischer Lokalsender vor einigen Jahren seine Hörer und Hörerinnen an Silvester aufforderte, dem Moderator ihre guten Vorsätze fürs neue Jahr mitzuteilen, mitzu teilen, meldeten sich 213 Menschen und erzählten bereitwillig von ihren Plänen. Manche wollten lernen, nein zu sagen, andere mehr Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen, und wieder andere wünschten sich mehr Zeit für sich. Natürlich waren auch die „Veränderungsschlager“ „Veränderungsschlager“ darunter: ein paar Pfunde abnehmen, mit dem Rauchen aufhören, geduldiger werden, weniger trinken. So weit, so gut. Doch die Radiomacher waren „fies“ – sie fragten in regelmäßigen Abständen bei den Veränderungswilligen nach dem Stand der Dinge: Hatten sie ihre guten Vorsätze eingehalten? Eine Woche später hielten noch 77 Prozent ihr Vorhaben ein, nach zwei Wochen waren es 66 Prozent. Als ein Monat vergangen war, hatte fast die Hälfte den Veränderungswunsch aufgesteckt, nach sechs Monaten waren nur noch 40 Prozent ihren Vorsätzen Vorsätzen treu geblieben (aber auch diese Zahl könnte geschönt sein, da es sich um Selbstangaben handelte). Das Phänomen ist wohl jedem vertraut: Man will ernsthaft

fester Wille Berge versetzen kann. Aber das ist ein Irrtum. Denn bei den meisten Verhaltensweisen oder Denkstrukturen, die wir verändern wollen, handelt es sich um Gewohnheiten. Und diese können wir eben nicht von heute auf morgen umwandeln. Gewohnheiten Gewohnheiten bilden sich mit der Zeit durch Wiederholung heraus. Sie sind nicht plötzlich da. Deshalb kann man sie auch nicht schnell von heute auf morgen wieder loswerden. „Menschen scheitern oft in ihren Veränderungsversuchen, und dieses Scheitern ist verständlich, denn äußere Signale wie Zeit oder Umgebung verleiten zu einer Wiederholung vertrauter Verhaltensweis Verhaltensweisen“ en“,, schreiben David Neal, Wendy Wendy Wood und Jeffrey Quinn von der Duke University , Durham (USA). „Gewohnheiten sorgen dafür, dafür, dass wir tun, was wir immer schon getan haben, daran können auch die besten Absichten Absichten nichts ändern.“ Der Gehirnforscher Manfred Spitzer, Ärztlicher Direktor der Universitätsklinik für Psychiatrie am Universitätsklinikum Ulm, erklärt an einem schönen Beispiel, wie unser Gehirn Gewohnheiten und andere Dinge lernt: „Stellen Sie sich vor, Sie stünden auf einem Aussichtsturm Aussichtsturm in einem frisch verschneiten Park. Unter Ihnen liegen 20 Zentimeter unberührter Neuschnee. Jetzt kommen Menschen, und Sie beobachten, wie diese scheinbar ziellos im Park umherlaufen. Es geht ein leichter Wind, und die Fußstapfen der einzelnen Fußgänger werden rasch wieder verweht. Stellen Sie sich nun weiter vor, dass sich

etwas an sich und seinem Leben verändern und nimmt oft guten Mutes Mutes das Ziel in Angriff – nur um über kurz oder lang die Flinte ins Korn zu werfen. Veränderungswillige erleben regelmäßig eine große Kluft zwischen guten Absichten und deren Umsetzung, eine Kluft, die unüberwindbar scheint und demotivierend demotiv ierend wirkt. wir kt. Wenn Wenn man sich vornimmt: vornimmt : „Ich „Ich jogge ab sofort jeden Morgen 30 Minuten“, und es dann nicht tut, hat das negative Folgen. Nicht nur verschwendet man jeden Morgen viel Energie, Energi e, um mit dem inneren Schweinehund Schweinehund zu kämpfen („Nun steh schon auf, du hast es dir vorgenommen.“ „Ooch, es ist doch noch dunkel draußen, und außerdem regnet es“), man fühlt sich auch als Versager, wenn er siegt. Warum scheitern so viele Veränderungspläne? Fehlt es an

an der einen Ecke des Parks eine Glühweinbude befindet und an der anderen eine Toilette. Das hat zur Folge, dass Sie nach ein paar Stunden aus Ihrer Vogelperspektive Vogelperspektive eine Spur von der Glühweinbude zur Toilette ausmachen können. Und ein einmal ausgebildeter Pfad wird sich selbst erhalten, weil die Leute lieber auf ihm laufen – ganz einfach, weil das leichter geht. Eine Spur, die entstanden ist, sorgt schon durch ihre Existenz für ihren Erhalt.“ Solche „Trampelpfade“ „Trampelpfade“ gibt es auch in unserem Gehirn. Sie entstehen im Prinzip genauso wie die Spuren im i m Park – durch ständige Benutzung. Bestimmte Verbindungen zwischen Nervenzellen werden durch wiederholte Erfahrungen gestärkt. „Wenn „W enn Sie jeden Morgen Morge n nach dem Aufwachen duschen, exis-

Willenskraft? „Wir „Wir sollten nicht uns oder unserem Willen die Schuld geben“, meint der Autor Stephen Guise, „sondern den Strategien, die wir einsetzen.“ Wenn Wenn wir etwas verändern wollen, dann glauben und hoffen wir, dass diese Veränderung

tiert eine neuronale Bahnung für diese Handlung“, erklärt Stephen Guise. „Sobald Sie aufwachen, feuern die zuständigen ‚Duschneuronen‘, und Sie gehen ganz automatisch unter die Dusche. Sie müssen nicht viel denken.“ Ähnliche neuronale

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Verbindungen gibt es für viele Handlungen im Alltag: Autofahren, Zähneputzen, Zähneput zen, das Öffnen der Flasche F lasche Wein Wein am Abend, den Griff zur Chipstüte im Supermarkt … Über 45 Prozent unserer täglichen Handlungen beruhen nicht auf bewusstem Nachdenken, sondern sind Gewohnheiten, wie die Forschergruppe um David Neal in Tagebuchstudien mit Studierenden

Wie der Hirnforscher Gerhard Roth erklärt, sind Basalganglien „eine Art Handlungsgedäch Handlungsgedächtnis“ tnis“.. Dort sind „alle Bewegungsmuster niedergelegt, die sich irgendwann einmal als erfolgreich erwiesen haben“. Hier, so könnte man sagen, sind die Gewohnheiten zu Hause. Und deshalb muss man diese Basalganglien erreichen, wenn man schlechte Gewohnheiten

festgestellt hat.

ändern und neue installieren will. Das ist nicht einfach: „Alles, was wir an Bewegungen ausführen, insbesondere wenn es neu und ungewohnt ist, muss mit diesem Handlungsgedächtnis Handlungsgedächt nis abgeglichen werden“, erklär erklärtt Roth. „Das „Das ist am Anfang schwierig, und deshalb laufen viele neue Bewegungsweisen holprig ab. Je häufiger wir aber diese Bewegung ausführen oder intensiv üben, desto flüssiger f lüssiger geht es und – das ist ganz wichtig – desto weniger müssen wir darauf achten, und schließlich machen wir die Bewegung oder Handlung wie im Schlaf.“ Konkret bedeutet das: Wenn ein Verhalten zu einer guten Gewohnheit werden soll, müssen wir im Gehirn einen „Trampelpfad“ dafür anlegen. Und das gelingt am besten mit kleinen ständigen Wiederholungen Wiederholungen – und für diese brauchen wir Willenskraft. „Eine Reise von tausend tause nd Meilen beginnt begin nt unter deinem Fuß“, wusste schon der chinesische Philosoph Laotse. Ausgehend von dieser Erkenntnis, hat Stephen Guise ein Konzept der kleinen Schritte, sogenannter mini habits, entwickelt. Er ist überzeugt: „Ein wenig zu tun ist besser, als nichts zu tun.“ Und: „Jeden Tag wenig zu tun hat größeren Einfluss, als wenn wir an einem einzelnen Tag ganz viel tun. Wenn wir jeden Tag wenig tun, ist die Chance groß, dass das, was wir tun, zu einer Gewohnheit wird.“

AUF DIE MOTIVATION ALLEIN SOLLTE MAN SICH NICHT VERLASSEN Das Gehirn liebt diese Automatismen, Automatismen, es geht gerne ausgetretene Pfade. Auf diese Weise spart es Energie und bewältigt komplexe Abläufe – wie zum Beispiel beim Autofahren oder Klavierspielen –, ohne jede einzelne Handlungssequenz bewusst planen zu müssen. Wenn man beschließt, einen oder mehrere dieser bequemen Trampelpfade zu schließen, wird sich das Gehirn zur Wehr setzen. Denn für die neue Verhaltensweise, die man ihm anbietet (zum Beispiel ab sofort nur noch Gemüse statt Fleisch zu essen), gibt es noch keine neuronale Bahnung. Die muss erst angelegt werden. Und Und das gelingt nur mit der richtigen r ichtigen Strategie. Der Wunsch Wunsch allein, etwas etwa s Neues zu wollen, reicht dabei dab ei nicht aus. Denn auf die Motivation Motivati on „kann man sich nicht verlassen“, verlassen“, sagt Stephen Guise. „Sie „Sie hängt davon ab, wie wir uns fühlen.“ Und Gefühle sind negativ beeinflussbar – vom Wetter, von Misserfolgen, von Ärger – und können jede Motivation auf null herunterfahren. Verlässlicher Verlässlicher als die Motivation ist unsere Willenskraft, sagt Guise, wohl wohl wissend, dass der Sozialpsychologe Roy Baumeister zusammen mit Kollegen in vielen Studien die Begrenztheit des menschlichen Willens nachweinachweisen konnte. Wie ein Muskel, so Baumeister, ermüdet auch die Willenskraft, wenn man sie überstrapaziert: „Wenn „Wenn wir unsere Willenskraft ausgeschöpft haben (zum Beispiel indem wir viele Entscheidungen getroffen haben), geben wir früher oder später nach.“ Dann tritt „Ego-Depletion“ „Ego-Depletion“,, Selbsterschöpfung ein. Diese „verlangsamt den präfrontalen Kortex, der für die Selbstregulation entscheidend ist“, so Baumeister. Ein erschöpfter präfrontaler Kortex reagiert träge und macht es einem Menschen schwer, seine Reaktionen zu kontrollieren. Dann können Menschen der Schokolade nicht widerstehen und „vergessen“ unangenehme Aufgaben. Wenn dieser bewusste b ewusste Teil im Gehirn, Stephen Guise Guis e nennt ihn den „smarten Manager“, müde wird, tritt der „stupide „stupid e Wiederholer“ auf den Plan: Die Basalganglien übernehmen dann das Steuer. Und die interessieren sich nicht für höhere und langfristigere Ziele. Sie denken nicht an Lungenkrebs, wenn man sich eine Zigarette ansteckt. Sie vergessen die Waage im Bad, wenn sich Appetit auf Süßes meldet.

WENN EIN VERHALTEN ZU EINER GUTEN GEWOHNHEIT WERDEN SOLL, MÜSSEN WIR IM GEHIRN DAFÜR EINEN TRAMPELPFAD ANLEGEN

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Ein „Mini-Habit“ ist die kleinste Version Version einer Gewohnheit, die man erwerben möchte. Zum Beispiel:          

Form bringen? Statt gleich mit 50 oder gar 100 Übungen zu beginnen, beginne n, nehmen Sie sich vor: „Ich mache jeden Tag nur eine Liegestütze.“             

 jeden Tag eine halbe Stunde früher ins Bett gehen (oder früher früher aufwachen), ergibt das pro Jahr über 180 zusätzliche Stunden – wie viele Bücher können Sie in dieser Zeit lesen!

          

die ganze Ernährung E rnährung um. um . Ein fester Veggieta Veggietagg pro Woche Woche reicht für den Anfang völlig aus.           

geliebten Genüsse aus dem Speiseplan. Fangen Sie klein an und lassen zum Beispiel nur die Marmelade beim Frühstück weg.

IM SCHNITT DAUERT DAU ERT ES 66 TAGE, TAGE, BIS EIN GUTER G UTER VORSATZ ZUR GEWOHNHEIT WIRD Diese kleinen Schritte klingen zunächst lächerlich und lassen den Eindruck entstehen, dass man auf diese Weise Weise niemals sein Ziel erreicht. Doch Mini-Habits haben viele Vorteile. Erstens: Wenn man einmal in Bewegung ist, macht man möglicherweise freiwillig mehr, als man sich vorgenommen hat. Statt einer werden es dann vielleicht zehn Liegestütze, denn wenn man mal begonnen hat, ist es gar nicht so schwer weiterzumachen. Zweitens: Mini-Habits garantieren Erfolgserlebnisse. Solch kleine Vorhaben können gar nicht scheitern. Und drittens: Mini-Habits erschöpfen nicht die Willenskraft. Denn diese, so haben Forscher in einer Metastudie herausgefunden, schwächelt nur dann, wenn folgende vier Faktoren vorhanden sind: Anstrengung, wahrgenommene Schwierigkeit, negative Gefühle, subjektive Müdigkeit. Inwieweit treffen diese Faktoren auf Mini-Habits zu? Anstrengung: Mini-Habits sind nicht anstrengend. Eine Liegestütze, um bei diesem Beispiel zu bleiben, schafft jeder. Wenn man mehr leistet, ist das ein ei n Bonus. Man fühlt sich dann nicht erschöpft, sondern ist stolz auf die eigene Leistung. Man kann frei entscheiden, ob man mehr tun will. Nur der Entschluss verlangt Willenkraft. Also: Mini-Habits verursachen keine Ego-Erschöpfung. Wahrgenommene Schwierigkeit: Kleine Schritte sind nicht problematisch. Wenn zwei Stunden Workout im Sportstudio vor einem liegen oder vier Wochen Wochen strikte Diät, dann sind das schwere „Brocken“. „Brocken“. Aber die Minuten für eine e ine Übung oder od er die Kraft, ein einziges Lebensmittel wegzulassen – das schafft man. Weil Mini-Habits nicht beschwerlich sind, ist es sehr unwahrscheinlich, dass die Willenskraft dafür nicht ausreicht.

Negative Gefühle: Wenn man sich nach einem langen Arbeitstag nicht auf ein schönes Essen freuen kann, weil man sich vorgenommen hat, die Abendmahlzeit Abendmahlzeit ausfallen zu lassen, ist die Stimmung wahrscheinlich nicht gut. Mini-Habits dagegen haben keinen Einfluss auf das Befinden. Subjektiv empfundene Müdigkeit: W  Wenn enn das Ziel, Zi el, das man ma n anstrebt, groß und weit entfernt ist, tritt schneller subjektive Müdigkeit ein. Doch wer pro Woche 250 Gramm abnehmen will und das auch schafft, fühlt sich erfolgreich. Mini-Habits erschöpfen also nicht die Willenskraft. Sie sind daher der perfekte Weg, Weg, um neue Gewohnheiten zu entwickeln. entwi ckeln. Die Gewinne mögen am Anfang klein sein, aber, wie Stephen Guise sagt: „Ein kleiner Sieg über unser Gehirn ist ein großer Sieg.“ Bleibt noch die Frage: Wann wird aus den Mini-Habits eine richtige, stabile Gewohnheit? In einer Studie des University College in London wurden wurd en 96 Teilnehme Teilnehmerr gebeten, ein VerhalVerhalten zu wählen, das zu einer Gewohnheit werden sollte. Manche wollten „täglich Obst essen“, essen“, andere hofften auf „15 Minuten Bewegung täglich“. Über 84 Tage hinweg notierten die Teilnehmer dann, ob sie das gewünschte gewü nschte Verhalten Verhalten ausführten aus führten und ob sie es mit der Zeit automatisch taten. Je nach Vorhaben dauerte es unterschiedlich lang, bis ein Verhalten zur z ur Gewohnheit Gewohnhei t wurde. Der Vorsatz, Vorsatz, ein ei n Glas Wasser nach dem Essen zu trinken, war bereit nach 20 Tagen eine Gewohnheit, das Ziel Zie l „15 Minuten Bewegung am Tag“ Tag“ erreichten die Versuchsteilnehmer erst nach 50 Tagen. Komplexere Vorhaben benötigten noch mehr Zeit. Im Durchschnitt, so registrierten die Londoner Forscher, dauert die Geburt einer Gewohnheit 66 Tage – wobei es keinen Rückschlag bedeutet, wenn man mal einen Tag aussetzt. Doch eigentlich spielt es gar keine Rolle, wie lange es dauert, bis eine gewünschte Veränderung zur Selbstverständlichkeit geworden ist, meint Stephen Guise. „Denn Sie wollen doch die neue Gewohnheit Ihr Leben lang beibehalten.“ PH  PH C 

Literatur Stephen Guise: Mini habits. Smaller habits, bigger results. Amazon Distribution, Leipzig 2013 David T. Neal, Wendy Wendy Wood, Jeffrey M. Quinn: Habits – A repeat performance. perfor mance. Current Directions in Psychological Science, 15/4, 2006, 198–202 Gerhard Roth: Persönlichkeit, Entscheidung und Verhalten. Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern. Klett-Cotta, Stuttgart 2007

 

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WAS WIR  VON DEN DEN BESTEN BESTEN LERNEN KÖNNEN Wir bewundern Menschen, die etwas ganz besonders besonders gut können. Im Vergleich mit ihnen schneiden wir oft schlecht ab. Wir haben nicht die Ausdauer, die Fähigkeiten für wahre Könnerschaft, so glauben wir. Aber wir können uns von den Besten etwas abschau ab schauen en – und besser werden, als wir denken VON HEIKO ERNST

 Wann immer wir etwas lernen – einen Beruf, eine fremde Sprache, Spra che, eine KulturKulturtechnik wie Schreiben oder Malen, eine Praktik wie Meditieren oder Yoga, ein Handwerk wie Tischlern oder Töpfern, eine Sportart wie Judo oder Tennis, eine neue Technik, ein Musikinstrument – wir sind zunächst blutige Anfänger. Oftmals beflügelt uns der Zauber des Anfangs, wir freuen uns über schnelle Fortschritte. Doch beim ersten Rückschlag verfliegt der Enthusiasmus, und wenn wir stagnieren, verlässt uns die Motiva-

und wir versuchen uns zu beruhigen: ber uhigen: Ist  ja nicht so wichtig, „Spitze“ zu sein. Wir verkennen dabei, dass das Bewusstsein, in irgendeiner Fähigkeit besser zu sein als der Durchschn Durchschnitt, itt, eine der wichtigsw ichtigsten Quellen für Selbstachtung und Lebensglück ist. Der Psychotherapeut George Leonard, der auch Träger des schwarzen Gürtels in verschiedenen asiatischen Kampfsportarten ist, kennt die Stufen, die zur Meistersc Meisterschaft haft führen:

nichts mehr vom Lehrer lernen kann und vielleicht einen anderen braucht.

tion. Bald finden wir gute Gründe, den Kurs zu schwänzen, das gerade Begonnene wieder fahren zu lassen, den Job oder das Studienfach zu wechseln: Nichts für mich, zu anstrengend, zu langweilig. Es hängt natürlich von unseren Zielen und Ansprüchen ab, ob wir die Grenze zwischen Hobby und Meisterschaft, zwischen Dilettantismus und Können, zwischen hinreichender Routine und Spitzenleistung überhaupt überschreiten wollen. Aber allzu oft üben wir Verrat Verrat an

Bestmögliche Instruktion Was immer wir lernen wollen, wir sollten so llten ideale Voraussetzungen dafür schaffen. Das heißt vor allem: den bestmöglichen Lehrer zu suchen und zu finden. finde n. AutodiAutodidakten sind manchmal erfolgreich, aber sie gehen oft unnötige Umwege und erfinden häufig häuf ig das Rad neu. Wenn Wenn irgend möglich, sollten wir beobachten, wie unser zukünftiger Lehrer mit Schülern umgeht: Zeigt er neben großen eigenen Fähigkeiten auch Empathie, freut er sich über die Fortschritte seiner Schüler, wie

pauken oder endlose Etüden am Klavier oder den Rückhandschwung Hunderte Male im Training wiederholen oder an Texten feilen.

unseren Talenten und bleiben weit hinter dem zurück, was wir könnten. Diffuse Unzufriedenheit oder Frust über das eigene Mittelmaß quält uns mitunter,

kritisiert oder ermutigt er sie? Die Lehrer-Schüler-Interaktion verrät, wie gut die Schüler werden. Schließlich wird es wichtig, zu erkennen, ob und wann man

sein, um alte Wahrnehmungs-, Denkund Verhaltensmuster durch neue zu ersetzen. Nach und nach bildet sich dann ein „habituelles Verhaltenssystem“ her-

Lust an der Wiederholu Wiederholung  ng  Wenn wir etwas wirklich wirkli ch lernen und beherrschen und zur Spitzenleistung vorstoßen wollen, müssen wir als Erstes anerkennen: Der Weg dorthin ist lang und schwierig. Es gibt keine Abkürzungen und Tricks. Wollen wir Kompetenz erwerben, dann setzt das fleißiges, hartnäckiges Üben auf einem niedrigeren Niveau voraus: unregelmäßige Verben

Lernen findet fast immer in Schüben statt Es gibt kaum ein Gebiet, auf dem wir gleichmäßige, stetige Fortschritte machen. Der Neuropsychologe Karl Pribram erklärt dieses Muster so: Wenn Wenn wir etwas Neues lernen, müssen wir angestrengt und konzentriert bei der Sache

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aus, das tiefer reicht als das bewusste Denken und Tun – eine Art automatischer Antwort, eingeschliffen durch Üben, Üben, Üben. So entsteht ein Reflexbogen im Zentralnervensyst Zentralnervensystem, em, der uns erlaubt, die Rückhand zu schlagen

der eine neue Theorie schuf), Introspektive (oder: Genies der Selbsteinsicht wie Virginia Woolf) und Beeinflusser (wie Gandhi). Gardner fand drei Haltungen oder Gewohnheiten, die bei allen Spitzenleistern anzutreffen waren – und die

oder in fremder Sprache nach dem Weg zu fragen, ohne jedes Mal überlegen zu müssen, wie wir es tun. Der Psychologe Daniel Willingham sieht in der flüssigen, automatischen Ausführung einer Tätigkeit das Resultat von „implizitem Lernen“. Wir begreifen allmählich etwas durch ständige Wiederholung, ohne bewusst bei der Sache sein zu müssen. Wenn Wenn wir diese Bausteine oder Basisfähigkeiten intus haben, können wir darauf aufbauend den nächsten „expliziten“ „expliziten“ Lernschritt in i n Angriff nehmen: Wir Wir erklimmen ein neues Niveau oder Plateau, was zunächst aber die erneute aufmerksame und bewusste Einübung bestimmter Teilfertigkeiten erfordert.

auch „Durchschnittsmenschen“ „Durchschnittsmenschen“ praktizieren können, um ihr Potenzial besser auszuschöpfen:

Das Ziel nie aus dem Auge verlieren Meisterschaft verlangt Motivation Motivatio n – eine Entschlossenheit, den Weg zu Ende zu gehen, sich dafür immer wieder selbst zu disziplinieren. Dazu gehört auch die mentale Einstimmung auf das Ziel, die ständige geistige Beschäftigung mit dem Sinn und Zweck der Übung.

An die Grenzen gehen, sie vielleicht auch überschreiten  Auf der Grundlage großer Erfahrung und Sicherheit gehen Meister daran, die eigenen Grenzen zu testen – um über sich hinauszuwachsen. Dabei müssen sie auf dem schmalen Grat zwischen Risikobereitschaft und Überheblichkeit balancieren. Der Intelligenzforscher Howard Gardner hat den Werdegang einer besonderen Spezies von Spitzenkönnern untersucht. Diese teilt er ein in Meister (wie etwa Mozart), Macher (wie Freud,

Fehler sind Chancen Was schiefgeht, ist als exzellente Gelegenheit zum Lernen zu betrachten. NeNegative Ereignisse sollten nicht ausgeblendet, sondern sonder n analysiert analysier t werden. Wer sich nicht von ihnen aus der Bahn werfen lässt, sondern aus ihnen lernt, geht gestärkt aus Krisen hervor. Sich selbst Rechenschaft ablegen Auf dem Weg Weg zu künstlerischer oder intellektueller Meisterschaft ist es unerlässlich, immer wieder eine kritische Bestandsaufnahme vorzunehmen: Wo stehe ich jetzt? Was lief gut, was lief schief? Tagebücher oder Protokolle helfen bei dieser Analyse, aber auch lange Spaziergänge oder andere Auszeiten, Auszeiten, bei denen man auf Distanz zu sich selbst gehen und den zurückgelegten Weg betrachten kann. Erkenne Deine Stärken und Schwächen Es kommt darauf an, die eigenen Stärken herauszufinden und sie wirklich mit aller Kraft einzusetzen. Spitzenkönner finden die Nischen, in denen sie besonders wirksam sein können, auch wenn sie überraschend viele Schwächen auf anderen Gebieten aufweisen. Es würde sie unverhältnismäßig viel Energie kosten, diese Schwächen auszugleichen oder auch nur mittelmäßig in diesen Bereichen zu werden. Besser ist es, alle Kraft in die Stärken zu investieren, um dort PH  PH C    Spitze zu werden.

BLOG! PSYCHOLOGIE  HEUTE Witziges, Kritisches, Spannendes finden Sie ab sofort in unserem Blog auf der Psychologie HeuteWebsite. Immer mit psychologischem Blick auf die Verhältnisse bloggen im wöchentlichen Wechsel:

Serpil Pak Psychologin Psycholog in und Kabarettistin

Wolfgang Schmidbauer Psychoanalytiker und Autor

Annette Schäfer USA-Korrespondentin von Psychologie Psycholog ie Heute und Autorin

Gerhard Bliersbach Psychotherapeut Psychotherap eut und Autor

Jule Specht Psychologin und Wissenschaftlerin

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„WENN   ICH DAS SO MA SO  MACH CHE, E, HÄLT DAS DANN?“

Menschen, die Selbstgespräche führen, gelten immer noch als skurril. Dabei ist diese Form der Kommunikation sinnvoll: Sie erhöht die Selbstkontroll Selbstkontrolle, e, reduziert Stress und hilft beim Lösen kniffliger Aufgaben VON EVA TENZER

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 W

ährend einer Spielpause bei den Australian Open 2007 redete der Weltklassetennisspieler Tommy Haas deutlich hörbar mit sich selbst. Anfangs merklich unzufrieden mit seiner schwachen Leistung, tadelte sich Haas, baute sich dann  jedoch im Laufe seines Selbstges Selbstgesprächs prächs immer stärker auf. Gegen Ende des Monologs sprach er sich dann wieder siegesgewiss frischen Mut zu. Die Mikrofone am Rande des Spielfelds nahmen jeden Satz auf, so können Zuschauer bis heute auf YouTube YouTube den Verlauf eines typischen Selbstgesprächs mitverfolgen. Im Grunde ein echter Glücksfall, denn die meisten Menschen vermeiden es nach Kräften, bei Selbstgesprächen beobachtet zu werden. Während diese Neigung bei Kindern noch als völlig normal gilt, fürchten Erwachsene, als sonderbar, sonderba r, verschroben oder gar verrückt zu gelten. Mit sich selbst sprechende Menschen hinterlassen leicht einen psychisch angespannten Eindruck. „Der hat wohl niemanden zum Reden“ oder „Bei der ist bestimmt eine Schraube locker“, so lauten nur einige der Vorurteile. So halten wir meistens bei inneren Dialogen tunlichst den Mund. Möglich allerdings, dass uns mit diesem selbstauferlegten Verzicht Verzicht einige durchaus positive psychologische Effekte entgehen, wie neuere Studien nahelegen. Gerade Menschen, die viel zu denken hatten, wie Philosophen, Schriftsteller oder Wissensc Wissenschaftler haftler,, sahen die Selbstkommunikation immer schon positiv. Sokrates etwa führte nicht nur intensive Dialoge mit seinen Schülern auf dem Athener Marktplatz, sondern soll auch dem Dialog mit der eigenen inneren Stimme großen Wert beigemessen haben, wie sein Schüler Platon berichtet. berichte t. Und Und auch der betrachtete das Denken generell als „Selbstgespräch der Seele“ Seele“.. Viele Philosophen spekulierten darüber, wie Selbstgespräche effizient gelenkt und gestaltet werden können, um dem Denken auf die Sprünge zu helfen. Auch Schriftsteller wie Goethe, Kleist oder Oscar Wilde sollen das Selbstgespräch zur Präzisierung der eigenen Texte geschätzt haben. Wilde etwa gestand: „Ich höre mich gerne reden. Es ist eines meiner größten Vergnügen.“ Vergnügen.“ Einem Exzentriker wie ihm dürfte es auch kaum peinlich gewesen sein, dabei beobachtet zu werden. Worte auszusprechen dauert etwas länger, als sie still zu denken. Wer laut mit sich selbst spricht, nimmt seine Gedanken direkter und intensiver wahr. wahr. Im Stillen formuliert, sind sie dagegen oft eher diffus dif fus und unstrukturiert. Rein durch die Artikulation Artikula tion vollständiger Sätze kann das hörbare Aussprechen hier schon für Klarheit sorgen. So haben viele Menschen das Gefühl, laut einfach besser denken zu können. Lassen sich aber diese subjektiv als hilfreich hilfrei ch erlebten Effekte auch objektiv nach-

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weisen? Helfen uns Selbstgespräche im Alltag tatsächlich weiter, wie die Philosophen der Antike vermuteten? Die Wissenschaft schenkte dieser Frage lange Zeit kaum Beachtung. Zu unspektakulär schien das alltägliche Selbstgespräch. Erst der weißrussische Psychologe Lew Wygotski holte das Thema zu Beginn des 20. Jahrhunderts aus der Versen-

immerhin noch 40, die Urheber der beiden schlechtesten Lösungen dagegen nur 0 beziehungsweise 3 Fragen. Um herauszufinden, welche Art von Selbstgespräch zum Erfolg führt, kategorisierten die Wissenschaftler die Fragen in vier Typen: konstruktive Erweiterungsfragen, Konsequenzanalysefragen, Defätismusfragen und Unkenntnisfragen. „Die

kung und beschrieb unser Denken als verinnerlichtes Sprechen, dessen Grundlage er in den kindlichen Selbstgesprächen ausmachte. Gerade Kinder sprechen bis zu einem Alter von fünf, sechs Jahren noch recht häufig und sehr selbstverständlich mit sich selbst. Gesellschaftliche Vorurteile Vorurteile haben sie noch nicht verinnerlicht, und sie lassen diesem Bedürfnis daher gerne freien Lauf. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts nahmen sich Wissenschaftler das Selbstgespräch dann genauer vor. Einen Anfang machte 2004 ein Team der Universitäten Bamberg und Wien: Die Psychologen Dietrich Dörner und Ralph Reimann wollten herausfinden, wie sich Selbstgespräche auf die Leistungen von Konstrukteuren im Maschinenbau auswirken. Keine unwichtige Frage, denn von der Kreativität dieses Wirtschaftszweigs hängen Industriestaaten wie Deutschland in starkem Maße ab. In ihrem Experiment ließen Dörner und Reimann 17 Studenten und Studentinnen des Maschinenbaus, aber auch maschinenbaufremder Fä-

erfolgreichsten Konstrukteure Konstrukteure fielen dadurch auf, dass sie besonders viele Konsequenzanalyse- und Erweiterungsfragen stellten“,, berichtet Dörner. Das sind Fragen in der Art: „Wie stellten“ kann ich das hier anbringen?“, oder: „Wenn ich das so mache, hält das dann?“ Als wenig hilfreich erwiesen sich dagegen Defätismusfragen, also negative Bemerkungen über sich selbst und die eigenen Lösungsideen. Fragen wie „Wieso kriege ich das jetzt nicht hin?“ oder „Bin ich denn blöd?“ helfen der Kreativität nicht auf die Sprünge. Man sollte sich in Selbstgesprächen also auf die Sache konzentrieren, lösungsorientiert bleiben und sein Ego schützen, anstatt es unnötig zu zerpflücken. Angesichts dieser Ergebnisse, so die Psychologen, sollten Lehrkräfte ihre Studenten ermuntern, sich Konsequenzfragen zu stellen und diesen Fragentypus gezielt zu trainieren: „Sich immer wieder nach den Effekten eigener Handlungen zu fragen hat nichts mit dem individuellen Charakter oder angeborener Redseligkeit zu tun – jeder kann es sich zur Gewohnheit machen“,

cher sowie zwei Ingenieure, die bereits im Berufsleben standen, eine Konstruktionsaufgabe lösen. Vorher Vorher wurden sie explizit zum lauten Denken aufgefordert. Die Tüftelarbeit wurde auf Video aufgezeichnet. In den etwa 100 Minuten Bearbeitungszeit stellten die Probanden 281 Fragen laut an sich selbst. Drei Experten bewerteten die Qualität Qua lität der Entwürfe nach A-, B- und C-Güte, denn die Forscher wollten wissen, ob die Qualität von der Häufigkeit der Selbstbefragungen abhing und, wenn ja, welche Fragentypen zu den besten Ergebnissen führen. Die Auswertung zeigte: Konstrukteure, die Entwürfe der Güteklasse A abgeliefert hatten, hatten deutlich mehr Fragen an sich selbst gestellt als die weniger erfolgreichen – und zwar unabhängig davon, wie lange sie jeweils an der Lösung herumgetüftelt hatten. Die leistungsschw leistungsschwächste ächste „C-Gruppe“ war am schweigsamsten zu Werke gegangen. Der erfolgreichste Teilnehmer hatte sich knapp 60 Fragen gestellt, der zweitbeste

regt Reimann an. Anstatt Selbstgespräche zu unterbinden, sollten auch Vorgesetzte ihre Mitarbeiter ruhig dazu auffordern – zumindest solange sich die Kollegen am Nachbartisch nicht gestört fühlen. Das Ergebnis scheint also durchaus die Erfahrungen der antiken Philosophen zu stützen: Selbstgespräche schärfen das Denken. Dass es durchaus darauf ankommt, wie man mit sich selbst redet, zeigte auch der amerikanische Psychologe Ibrahim Senay von der Universität Istanbul. Er untersuchte, wie sich Selbstgespräche auf die Motivation auswirken, bestimmte Ziele zu erreichen. Sowohl bei komplizierten Sprachtests als auch bei einem Fitnesstest schnitten die Probanden besser ab, wenn sie sich offene Fragen stellten wie zum Beispiel: „Schaffe ich das?“, das?“, oder: „Werde „Werde ich das machen?“ Damit Dami t waren sie Konkurrenten überlegen, die sich mit vor Gewissheit strotzenden AnfeuerunAnfeuerungen wie „Ich werde das machen!“ Mut zuredeten. Senay Senay folgert,

LEHRER SOLL SOLLTEN TEN ES TOLERIEREN, WENN SCHÜLER BEIM LÖSEN VON AUFG UFGABEN ABEN VOR SICH SICH HIN MURMELN

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dass offene Fragen im Selbstgespräch stärker Gefühle von Freiheit und Motivation erzeugen und daher wirksamer sind. Auch eine Studie am Lehrstuhl für Mathematikdidaktik der Universität Univ ersität Granada bricht eine Lanze für das Selbstgespräch. Mit lediglich drei Probanden hat sie zwar nur den Charakter einer Pilotstudie. Pilots tudie. Weil Weil die Herangehensweise Herangehe nsweise der Versuchspe Versuchsperrsonen aber sehr detailliert analysiert wurde, sind die Ergebnisse dennoch interessant. Mathematikstudenten Mathematikstudenten des Abschluss jahrgangs  jahrgan gs hatten isoli isoliert ert voneinand voneinander er Aufgaben zu lösen. Dabei wurden auch sie mit einer Videokamera gefilmt. Am Ende wurden ihre Leistungen unter anderem in Bezug zu den gesprochenen Denkprotokollen Denkprotokollen gesetzt. Und auch hier zeigte sich wieder: Wer zusätzliche „Repräsentationen“ zu Hilfe nimmt, wie eben laute Selbstgespräche (oder auch Zeichnungen, die die Aufgabe veranschaulichen), veranschaulichen), kommt schneller auf die Lösung und findet mehr Lösungswege. Das sei eine gute Methode, um Inhalte, Prozesse Prozesse und Strategien zu identifizieren, die für eine Lösung nötig sind, schließen die Forscher. Hilfreich sind Selbstgespräche übrigens bereits für Schulund Vorschulkinder sowie für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten wie ADHS oder Autismus. Zu diesem Ergebnis kommt der amerikanische Entwicklungspsychologe Adam Winsler. Winsler. In einer Studie an fünfjährigen Vorschulkindern Vorschulkindern sowohl mit als auch ohne Verhaltensauffälligkeiten entdeckte er 2007, dass Selbstgespräche den Kindern helfen, ihre Aufmerksamkeit auf Aufgaben zu konzentrieren. Um das herauszufinden, forderte er 42 psychisch unauffällige Kinder sowie 29 Kinder, die unter ADHS beziehungsweise Autismus litten, auf, bei verschiedenen Aufgaben nach Herzenslust Selbstgespräche zu führen. Die Auswertungg der Lösungen zeigte, dass knapp 80 Prozent der Auswertun mit sich selbst sprechenden Kinder die Aufgaben genauso gut oder sogar besser lösten als diejenigen Kinder, die schweigsam ans Werk gegangen waren. Gerade Kinder mit psychischen Auffälligkeiten sprechen sprechen auffallend häufig mit sich selbst, wie Winsler beobachtete. beobachtete. Er sieht das als Methode, um sich besser zu konzentrieren und kognitive Mängel zu kompensieren. Lehrer sollten also ruhig ein Auge zudrücken, wenn Schüler beim Lösen von Aufgaben vor sich hin murmeln, selbst wenn es dadurch vorübergehend unruhig in der Klasse wird, so die Empfehlung des Psych Psychologen. ologen. Auch für erwachsene ADHS-Betroffene scheinen Selbstgespräche hilfreich zu sein. In Internetforen tauschen sie sich über diese Gewohnheit aus. Dabei wird zwar immer wieder die Befürchtung deutlich, von anderen als seltsam und eigenbrötlerisch wahrgenommen zu werden. Doch wird andererseits auch der wahrgenommene Nutzen Nutzen der Selbstkommunikation betont: „Mit sich selbst zu sprechen oder sich etwas vorzusprechen bedeutet für mich Struktur. Dadurch, dass ich

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Kleine Anleitung zum Selbstgespräch Schwierige Aufgaben gelingen mit Selbstgesprächen besser. Vor allem wer analytische Fragen an sich selbst richtet, schneidet besser ab. Dabei sollte man Folgendes beachten:

       

und sich vorwiegend Konsequ Konsequenzanalysefragen enzanalysefragen stellen, in der Art: „Was passiert eigentlich, wenn ich das so mache?“       

„Bin ich denn blöd?“ oder „Das klappt ja nie!“ sollte man besser verzichten. Sie beeinträchtigen das Selbstwertgefühl und können die Leistungen beim Lösen von Aufgaben schmälern.       

man lieber verzichten. Anstatt sich zu sagen „Ich schaffe das!“ oder „Ist doch gar kein Problem!“, Problem!“, ist es besser, sich offene Fragen zu stellen, in der Art: „Wie kann ich das schaffen s chaffen?“ ?“,, oder: „Was „Was muss ich für f ür eine optimale Lösung tun?“ Der innere Dialog über konkrete Aspekte eines Problems bringt weiter.

etwas ausspreche, muss ich mir bewusstmachen, was ich als Nächstes tun will, was gerade anliegt, was los ist“, schreibt schreibt etwa ein Betroffener Betroffener.. Ein anderer berichtet: „Gerade uns ADHSlern fällt es ja schwer, schwer, einen Gedanken überhaupt zu Ende zu denken. Das Vorsprechen und damit Bewusstmachen der Gedanken ist da eine große Hilfestellung.“ Und ein dritter berichtet: „Selbstgespräche helfen mir, mich zu ‚takten‘, damit ich eins nach dem anderen tun kann und mich nicht verheddere, während mir tausend Gedanken durch den Kopf gehen.“ Vor allem dieses Phänomen der Selbststrukturierung taucht in den Erfahrungsberichten häufig auf. „Die Fähigkeit zur Selbstverbalisation, also zur stillen Kommentierung von Handlungen ist für ein planvolles Vorgehen und für einen Rückgriff auf Erfahrungen wichtig“, erklärt Martin Winkler, Winkler, Oberarzt an der Saale-Rehaklinik Bad Kösen. Die defizitäre Fähigkeit zum vorausschauenden inneren Sprechen könne einen chaotischen Denk- und Handlungsstil zur Folge haben. Erwachsene mit ADHS neigen seiner Erfahrung

nach zu sprunghaften oder selbstabwertenden Gedanken und Selbstgesprächen: „In Stresssituationen ist ein Aufschaukeln durch chaotische, sprunghafte Gedanken typisch“, berichtet Winkler. In der kognitiven Verhaltenstherapie werde deshalb bei den Betroffenen auch das Selbstgespräch in Form eines Instruktionstrainings therapeutisch angewandt. Nach den Erfahrungen Winklers hilft das vielen Patienten – etwa bei der Planung von Aktivitäten – ähnlich gut wie das Gespräch mit einem Coach. Daher werde zurzeit in der Therapie auch versucht, ADHS-Betroffene über ein gezieltes Selbstverbalisationstraining dabei zu unterstützen, mit schwierigen Situationen besser klarzukommen. Bedenklich sind mit sich selbst geführte Monologe übrigens nur selten. „Selbstgespräche sind per se nicht auffällig. Es kommt darauf an, was ihr Inhalt ist“, sagt Norbert Kathmann, Professor für klinische Psychologie an der Humboldt-UniverHumboldt-Universität zu Berlin. „Wenn „Wenn sie sich immer wieder um die gleichen, meist bedrohlichen bedro hlichen Vorstellu Vorstellungen ngen und Vermutunge Vermutungen n im Kreise drehen und wenn sie keine Lösungen beinhalten, dann verstärken sie negative Gefühle. So etwas kommt bei Depressionen und Angststörungen, vor allem bei der generalisierten Angststörung vor.“ Darüber hinaus ist auch entscheidend, ob neben Selbstgesprächen noch eine Kommunikation mit anderen Menschen stattfindet. „Wenn die zu kurz kommt oder weitgehend vermieden wird und nur noch Selbstgespräche stattfinden, dann kann das eventuell auf eine Störung hinweisen, etwa auf eine schizoide Persönlichkeit oder auf eine starke soziale Angst“, ergänzt Kathmann. Letztlich komme es eben auf die Inhalte und auf das Verhältnis von Selbstgesprächen und interpersoneller Komm Kommunikation unikation mit anderen Menschen an. Ansonsten gilt für das alltägliche Plaudern mit sich selbst, was bereits der englische Schriftsteller Herbert George Wells wusste: „Interessante Selbstgespräche setzen einen klugen Partner voraus.“ Tommy Haas übrigens drehte das Match nach seinem Selbstgespräch beeindruckend. Er holte den Rückstand PH  PH C  auf und gewann am Ende dann tatsächlich noch.

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KLEINE ANLEITUNG ZUM SELBST SELBS TGESPRÄCH  .    t    e     l     k    o    o     B      m    e    g     i    t     i    e    s       2    )    1    P

Schwierige Aufgaben gelingen mit Selbstgesprächen besser. Vor allem, wer analytische Fragen an sich selbst richtet, schneidet besser ab. Dabei sollte man folgendes beachten:

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– Möglichst sachorientiert an die Aufgabe Aufgabe herangehen und sich vorvor-

Sie ärgern sich ständig über andere Menschen? Sie sind frustriert, dass bestimmte Umstände nicht so sind, wie Sie es gerne hätten? Wer kennt das nicht? Aber jeder kann etwas gegen seine Unzufriedenheit Unzufriedenheit tun – und zwar z war an sich selbst arbeiten! Der erfolgreiche Psychologe Harlich H. Stavemann zeigt Ihnen, wie Sie mehr Akzeptanz und Toleranz Toleranz entwickeln und sich selbst selbst zum Handeln überwinden können.

wiegend Konsequenzanalysefragen Konsequenzanalysefragen stellen, in der Art: „Was passiert eigentlich, wenn ich das so mache?“

– Auf negative Selbstkommunikation Selbstkommunikation mit Sätzen wie „Bin ich denn blöd?“ oder „Das klappt ja nie!“ sollte soll te man besser verzichten. Sie beeinträchtigen das Selbstwertgefühl Selbstwertgefühl und können die Leistungen

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beim Lösen von Aufgaben schmälern. – Auch auf allzu überzeugte Selbstanfeuerungen Selbstanfeuerungen sollte man lieber verzichten. Anstatt sich zu sagen „Ich schaffe das!“ oder „Ist doch gar kein Problem!“, ist es besser, sich offene Fragen zu stellen, in der Art: „Wie kann ich das schaffen?“, oder: „Was muss ich für eine optimale Lösung tun?“ Der innere Dialog über konkrete Aspekte eines Problems bringt Mehr Lebensqualität mitweiter. Audio-Ratgebern von Beltz. Sie erhalten wertvolles therapeuWissen zur Selbsthilfe. – tisches Man sollte regelmäßig in sich hineinhören und aufmerksam den eigenen Selbstgesprächen lauschen. Themen, die hier immer wie-

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DIPLOMATIE   DIPLOMATIE

DEN GEMEINSAMEN NENNER SUCHEN Diplomatisches Geschick ist nicht nur in der Politik gefordert. Auch Auch im Alltag versuchen wir häufig, andere für die eigene Position zu gewinnen. gew innen. Wie aber gelingt es klugen Diplomaten, ihre Ziele durchzusetzen? Wodurch zeichnet sich ein diplomatischer Stil aus? VON FRANK NAUMANN

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n einer Diplomatenschule treten ein britischer, ein französischer und ein deutscher Absolvent zur Abschlussprüfung an. Der Professor fragt: „Sie kommen zu später Stunde leicht angeheitert in Ihr Hotel zurück und betreten versehentlich das falsche Zimmer. Vor Ihnen steht erschrocken erschrocken eine junge Dame, die gerade aus ihrem

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unterstützen, Sachsen Sachsen als Pufferstaat zu Preußen zu erhalten. Dafür sollte Wien helfen, alle Eroberungspläne gegen Frankreich zu vereiteln. Der Plan gelang. Frankreich Frankrei ch blieb trotz seiner militärischen Schwäche eine Großmacht Großmacht.. Kluge Diplomaten haben einen sicheren Blick für die Gemeinsamkeiten – so gering sie auch sein mögen – und blenden

Bad tritt – splitterfasernackt. Wie Wie ziehen Sie sich mit diplomatischem Geschick aus der Affäre?“ Der Brite: „Diskretion geht geh t einem Gentleman über üb er alles. Vor Vor einem entwaffnenden Gegner empfiehlt sich ein schneller taktischer Rückzug. Ich murmele excuse me und räume das Feld.“ Der Franzose: „Ich sage: Oh, là, là! Madame sind die schaumgeborene Venus in Person. Darf ich Sie als Ausdruck meiner Bewunderung zu einem Glas Champagner einladen?“ Beide haben die Prüfung bestanden. Die beste Note erhält  jedoch der d er deutsche deu tsche Student mit folgendem f olgendem Vorschlag: „Ich „Ich verziehe keine Miene und sage: Ist hier jemand? Verzeihung, würden Sie mich auf Zimmer 17 bringen? Ich bin nämlich blind.“ Die ersten beiden Studenten besinnen sich auf die Regeln der Höflichkeit: Entschuldigung, Kompliment und Kompensation mit Champagner Champagner.. Diplomatisches Feingefühl beinhaltet  jedoch mehr mehr,, wie der dritte Absolvent zeigt. Indem er sich blind stellt, verleiht er der Begegnung einen neuen Rahmen. Vor seinen Augen gibt es zwischen Nackten und Bekleideten keinen Unterschied. In früheren Jahrhunderten stand die diplomatische Kunst in hohem Ansehen. Richelieu, Richelieu , Metternich, Talley Talleyrand rand und Bismarck erwarben sich als Koryphäen des gesellschaftlichen Parketts hohes Ansehen. Das 20. Jahrhundert setzte Völkerrecht und internationales Protokoll an die Stelle der Genies. Dafür

die Differenzen aus. Die Bildung von Koalitionen ist ihr wichtigstes Geschäft. Diplomaten fragen stets: Durch welche neuen Bündnispartner kann ich meine Stärke vervielfachen? Woraus sich sofort die Frage ergibt: Auf welche Übereinstimmungen berufe ich mich, um ein gemeinsames Vorgehen Vorgehen zustande zu bringen? Sie würzen ihre Rede häufig mit Bemerkungen wie „In dieser Frage denke ich wie Sie“ oder „Können wir in dieser di eser Angelegenheit nicht gemeinsam handeln?“. Wie einfach es ist, Übereinstimmungen kreativ für sich zu nutzen, zeigt folgendes Experiment aus Frankreich. Ein Student sprach zwei Stunden lang in einer belebten Geschäftsstraße Passanten an: „Verzeihe „V erzeihen n Sie bitte, könnten Sie mir Geld Gel d zum Telefon Telefonieren ieren geben?“ Am nächsten Tag Tag wiederholte er das Experiment – mit einer Abwandlung. Er fragte zunächst: „Können Sie mir sagen, wie spät es ist?“ Erst danach bat er die Passanten um Telefongeld. Das Ergebnis: An diesem zweiten Tag Tag waren seine Einnahmen viermall so hoch wie vierma wi e am Tag Tag zuvor. Warum? Warum? Mit der de r Frage nach der Uhrzeit – einer Auskunft, die nichts kostete – hatte der Student die Passanten auf „Du bittest, und ich gebe“ eingestimmt. Nachdem sie einmal bereitwillig auf sein Anliegen eingegangen waren, fiel es ihnen schwerer, bei der zweiten, heikleren Frage auf Ablehnen umzuschwenken. umzuschwenken. Diplomaten des Alltags sind Meister des größten gemein-

erwachte das Interesse an diplomatis dip lomatischem chem Verhalten Verhalten im Alltag. Alltag . Ob Sie im Beruf Ihre Karriere fördern, sich mit Kindern in einer schwierigen Entwicklungsphase auseinandersetzen oder zwischen verärgerten Verwandten vermitteln wollen – mit diplomatischem Geschick vermeiden Sie, zwischen alle Fronten zu geraten. Aber werden zwischenmenschliche Konflikte und Interessengegensätze nicht letztlich durch die Macht des Stärkeren entschieden? Wenn Wenn der Chef seine Weisungsbefugnis Weisungsbefugnis ausspielt – und Ihnen nur Worte zur Gegenwehr bleiben? Hier ist ein Blick in die Geschicht Geschichtee der Diplomatie äußerst lehrreich. Als Napoleon in die Verbannun Verbannungg gehen musste, beabsichtigten beabsichti gten die Siegermächte auf dem Wiener Kongress, Frankreich kräftig zur Ader zu lassen. Sie wollten seinen Unterhändler Talleyrand nicht einmal zu den Beratungen zulassen. Doch der erkannte, dass die Sieger außer ihrem Hass auf Napoleon nichts verband. Talleyrand schlug Österreich vor, es in seinem Bestreben zu

samen Nenners. Sie kommen nicht sofort zur Sache, sondern stimmen Ihre Gesprächspartner erst einmal auf Gemeinsamkeiten ein. Zum Beispiel durch Fragen wie:            

Stunde Zeit für das Problem nehmen?           

nützen könnte?            

darlegt? Würden Sie anfangen? Je öfter der Angesprochene zustimmt, desto solider die Verhandlungsbasis. Wenn Wenn es dann zur Sache Sa che geht, stehen auch erst einmal die Gemeinsamkeiten Gemeins amkeiten im Vordergr Vordergrund. und. Sich trennende Eltern kämpfen um das Sorgerecht: Das Wohl ihres Kindes ist ihr gemeinsames gemeinsame s Interesse. Zwei Zwei Angestellte streben nach demselben lukrativen Posten: Ihre identischen Ziele verraten ähnliche Ansichten über Karriere, Erfolg und Macht. Zwei Ge-

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schwister könnten gar nicht verschiedener sein – der Junge begeistert sich für Kampfsport, das Mädchen für Ballett und Meditation: Beide wollen fit und gesund bleiben, ihr körperliches Ausdrucksvermögen und ihre Persönlichkeit stärken. Wurden die Berührungspunkte ausdrücklich vermerkt, fällt es danach viel leichter, die Differenzen als noch ausstehende Rest-

die Wahl Wahl zu bleiben, das Ultimatum zu erfüllen oder abzulehnen. Diplomaten wissen jedoch: Jedes Ultimatum lässt sich verhandeln – sonst würde der andere es gar nicht erst formuliert haben, sondern wäre schon längst zur Tat geschritten. Also wertet der Diplomat das Ultimatum um in das, was sich dahinter verbirgt: ein nachdrücklich vorgebrachter Vorschlag. Vorschlag.

probleme zu lösen. Die Einteilung der Mitmenschen in Verbündete, Gegner und Außenstehende gehört zu den ältesten Konstanten menschlicher Sozialstrukturen. Für unsere Freunde empfinden wir Sympathie, für Feinde Misstrauen und Antipathie. Diplomatische Könner bewegen sich jenseits dieses Schemas. Für sie ist jeder ein potenzieller potenzie ller Verbünde Verbündeter. ter. Ihre persönlichen persönliche n Sympathien lassen sie außen vor. Für sie zählt nur die Interessenlage, und die kann sich ändern. Dennoch gelten diplomatische Genies nicht als unzuverlässig. Der Grund: Sie sorgen für gegenseitige Verpflichtungen. Diese schaffen ein festeres Band als bloße bloß e Versprechung Versprechungen. en. Ist der andere darauf angewiesen, dass ich meine Verpflichtungen einhalte, wird auch er darauf achten, seine Versprechen zu halten – mag er vom Charakter her auch noch so unzuverlässig sein. Ein Zweckbündnis erfüllt selbst dann seinen Sinn, wenn

Wenn der Chef brüllt: „So wird es gemacht, keine Widerrede!“, Widerre de!“, antwortet der Diplomat: „Das ist eine interessant interessantee Anregung. Weshalb legen Sie so großen Wert darauf?“ Er hört sich die Begründung an und überlegt dann, ob er die Bedürfnisse, die hinter der Forderung seines Vorgesetzten stehen, nicht auch auf andere Weise erfüllen kann. Nun sagt er seinerseits: „Ich schlage vor …“ Diplomatische Könner verfügen über einen eine n Trumpf. Trumpf. Statt zu versuchen, mit Brachialgewalt einen Beschluss in ihrem Sinne zu erzwingen, begnügen sie sich mit einem vorläufigen Ja. Ein Blick in die Geschichte lehrt, dass alle „ewigen“ Friedensverträge binnen kurzer Zeit in neuen Auseinandersetzungen korrigiert wurden. Da endgültige Regelungen immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden: Warum dann nicht gleich die Dinge in der Schwebe lassen? Vorsichtige Gemüter werden einer Regelung nicht zustimmen, wenn

Sie es nur einmal in Anspruch nehmen und für seine Formulierung nur wenige Sekunden benötigen. Wie die Krankenschwester im folgenden Beispiel. Nach ihren Nachtdiensten war sie tagsüber in ihrer Mietwohnung auf Ruhe zum Schlafen angewiesen. Der Rentner über ihr pflegte aber um diese Zeit zu hämmern und zu bohren. Von sieben bis eins, wie es das Gesetz erlaubte. Sie klingelte bei ihm. Statt über seine Rücksichtslosigkeit zu schimpfen, sagte sie: „Wenn „Wenn Sie selbst einmal medizinische Hilfe benötigen, möchten Sie sicher nicht in die Hände einer Schwester geraten, die unausgeschlafen zum Dienst kommt.“ Sind die Fronten verhärtet, verfügt die diplomatische Kun Kunst st über eine Wunderwaffe, um die starren Grenzen aufzulösen. Ob Drohung, Vorwurf, verletzende Kritik oder Ultimatum – ein Diplomat kapituliert niemals. Wie reagiert er, wenn der Partner sagt: „Entweder „Entweder du tust, was ich dir sage, oder ich gehe“? Er fragt: f ragt: „Warum?“ „Warum?“ Auf den ersten Blick scheint ihm nur

sie fürchten, mit der Unterschrift einen irreparablen Fehler zu begehen, eine Falle zu übersehen. Oft genügt es, eine Einigung auf Probe vorzuschlagen, und eine Zustimmung wird möglich. Rien dure que le provisoire – nichts ist von Dauer außer dem Vorläufigen –, lautet ein Sprichwort aus Frankreich, dem Mutterland Mutte rland der Diplomatie. Wenn der Partner zögert, lautet der diplomatische Vorschlag: „Lass es uns zwei Wochen Wochen lang ausprobieren, ausp robieren, und dann reden wir wieder darüber.“ Entweder stellen beide nach der Probezeit fest, dass die Regelung besser funktioniert als gedacht. Oder sie erkennen, wo der Knackpunkt liegt, und finden eine andere Variante. Im alltäglichen Sprachgebrauch gelten Einigung und Kompromiss fast als Synonyme. Selbst gestandene VerhandlungsVerhandlungsführer reagieren überrascht, wenn sie erfahren, dass es andere, oftmals bessere Möglichkeiten Mögl ichkeiten gibt, sich zu einigen. Kompromisse sind beliebt, weil sie einfach zu bestimmen und zu er-

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zielen sind. Sie befriedigen unseren Gerechtigkeitssinn. Jeder geht einen Schritt auf den anderen zu, und man trifft sich in der Mitte. Der Kompromiss hat aber auch Nacht Nachteile. eile. Beide Seiten sind unzufrieden, weil sie Punkte abgeben mussten. Der zugrunde liegende Interessenkonflikt schwelt weiter. Zudem lädt die Su-

Im Zeitalter der Postkutsche streuten Diplomaten gezielt Gerüchte aus, ließen ihre Gegner falsche Depeschen abfangen und verbreiteten über ihre Absichten einander widersprechen w idersprechen-de Informationen, sodass niemand wusste, woran er sich halten sollte. Heute ist es nicht mehr so einfach, falsche Fährten zu legen, da die Möglichkeit, Informationen blitzschnell an-

che nach einem vorhersagb vorhersagbaren aren Kompromiss zu vorsorglichen Betrugsmanövern ein. Ein einfaches Beispiel: Sie sehen auf dem Trödelmar Trödelmarkt kt eine Jugendstilvase Jugendstilvas e und bieten 100 Euro. Der Händler verlangt 200. Das Ergebnis: Sie werden sich auf 150 einigen. Da der erfahrene Händler dies vorhersieht, verlangt er gleich 300. Diesmal liegt der Kompromiss bei 200 Euro, also dem tatsächlichen Preis des Verkäufers.

hand des Internets und anderer Quellen zu überprüfen, stark gewachsen ist. Die Informationsflut bietet diplomatischen Talenten aber auch eine neue Chance. Wir sind zur Auswahl aus dem riesigen riesi gen Meer der Nachrichten verdammt. Diese Auswahl lässt sich steuern. Alles Positive laut anzupreisen und das Übrige zu verschweigen genügt nicht. Das versucht die Werbung seit Jahren – mit zweifelhaftem Erfolg. Klüger ist es, die Neugier mit diplomatischem Geschick auf unverfängliche Punkte zu richten und dadurch von heiklen Fragen abzulenken. Eine kleine Auswahl möglicher Taktiken: Konkrete Konkr ete Fragen kurz und knapp beantworten. Oftmals ist Ehrlichkeit die di e beste Waffe. Vorausgesetz Vorausgesetzt, t, Sie beantworten beantwor ten nur, wonach auch gefragt wurde. Jede zusätzliche Erklärung lässt den Verdacht aufkommen, man habe es nötig, sich zu rechtfertigen. Wer Verschwiegenheit versprochen hat, stellt dies sofort klar. Die Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit gezielt auf Harmloses lenken. Der Diplomat lässt zunächst nur einen Streifen Licht nach draußen und sagt: „Über diese Sache möchte ich zunächst nur so viel sagen …“ Damit ist die Neugier geweckt. Was Was ist das Übrige,  jenseits des „nur so viel“? Alle anderen, anderen, unter Umständen Umständen viel wichtigeren Fragen verschwinden verschwinden derweil aus dem Gesichtsfeld. Informationen einholen. Statt zu antworten, stellt der Dip-

DIPLOMATISCHES VERHALTEN IST DAS MACHTMITTEL DER SCHWACHEN Über diplomatisches Geschick verfügen heißt, andere Formen der Einigung ins Kalkül zu ziehen. Dazu gehören: Abwechselndes Bestimmen. Man einigt sich, dass jeder einmal die Führung übernehmen darf. Heute mache ich, was du willst – morgen geht es nach meinem Willen. Gemeinsamer Verzicht. Beide verzichten auf ihre Forderungen – so lange, bis sie eine bessere Möglichkeit finden, die unterschiedlichen Standpunkte unter einen Hut zu bringen. Das ist immer dann die beste Wahl, wenn die vorhandenen Finanzen nicht für alle Vorhaben reichen. Bis dahin heißt es erst einmal weitersparen. Wechselseit echselseitiges iges Tolerie Tolerieren. ren. Man einigt sich, auf eine Einigung zu verzichten. Oder wie es in der englischen Diplomatie hieß: We agree to disagree. Nicht nur in der Politik, sondern auch in glücklichen Ehen besteht das Erfolgsgeheimnis darin, unüberbrückbare Gegensätze auf sich beruhen zu lassen und in den Beziehungsalltag zu integrieren. Kreative Einigung. Die Beteiligten suchen eine Lösung jenseits der entgegengesetzten Standpunkte. Sie will Samstagabend nicht mit zum Fußball, er nicht mit in die Oper. Allein gehen wollen sie aber auch nicht. Vielleicht Vielleicht finden sie etwas anderes, das beiden Spaß macht, zum Beispiel einen Kabarett- oder Bowlingabend. Der Erfolg diplomatischen Verhaltens hängt davon ab, welche Informationen die Beteiligten Beteiligten auswählen und wie sie damit umgehen. Bei den Politikern, deren Verlautb Verlautbarungen arungen wir jeden jed en Abend auf dem Bildschirm verfolgen können, herrscht eine Vernebelungstaktik vor. Sie versuchen, die Tatsache, dass sie nichts zu sagen haben, hinter einem Schwall inhaltsleerer inha ltsleerer Worte zu verbergen, etwa so: „Wir machen auf dem bisherigen bisheri gen Kurs entsprechend den neuen Bedingungen weiter und reagieren flexibel auf Veränderungen.“

lomat selbst eine Frage: „Möchten Sie mehr über meine Motive erfahren oder wie ich in Zukunft verfahren will?“ Wollte der Fragesteller eigentlich wissen, wie hoch die Kosten sind – die Alternative zwischen Motiven und künftiger Praxis hat diesen Gesichtspunkt wie nebenbei unter den Tisch fallen lassen. Welchen Sinn haben all diese Listen und Taktiken? Diplomatisches Verhalten ist das Machtmittel der Schwachen. Es erzielt seine Erfolge in der Grauzone des Alltags. Oder wie Robert Musil es ausdrückte: „Diplomatie „Diplomatie nimmt an, dass eine verlässliche Ordnung durch Benützung Benützung … der soliden Niedrigkeiten der Menschheit erreichbar erreichbar sei; sie ist Idealismus à la la  PH   PH C  baisse.“ Dr. Frank Naumann, Jahrgang 1956, ist Kommunikationstrainer und Sachbuchautor. Zum Thema dieses Beitrages ist bei Rowohlt sein Buch Die Kunst der Diploma-  tie. Zwanzig Gesetze für sanfte Sieger   erschienen. Weitere Veröffentlichung: Die Kunst des Smalltalk. Leicht ins Gespräch kommen, locker Kontakte knüpfen. Rowohlt, Reinbek 2012.

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DIE HÜRDEN NEHMEN „Hat ja doch alles keinen Sinn!“ „Nichts geht mehr voran!“ „Ich bekomme nichts gebacken!“ Wenn Ziele in weite Ferne rutschen, kann das an äußeren Faktoren liegen. Viel häufiger aber sind innere Barrieren daran schuld. Wir bremsen uns selbst aus, trauen uns zu wenig zu und entmutigen uns. Aber: Man kann lernen, sich was zuzutrauen!

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co m p a ct PSYCHOLOGIEHEUTE HEUTEcompact PSYCHOLOGIE

 

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Warum wir uns manchmal manch mal unsere Erfolge selbst vermasseln

Wenn es scheinbar nicht mehr vorangeht 

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Mentale Fitness  Was sich vom Sport Was lernen lässt

„Ich kann was!“

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Konzentriert studieren

90 Kreativer Hang zum Trödeln

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VON INGRID GLOMP

WIR UNS

MANCHMAL UNSERE WARUM ERFOLGE SELBST VERMASSELN  

Ein wichtiger Vortrag, eine Aufführung, ein entscheidendes Spiel. Ausgerechnet Au sgerechnet auch in Prüfungen können viele v iele Menschen nicht abrufen, wozu sie fähig f ähig sind. Psychologen Psychologen haben herausgefunden, woran das liegt und was Abhilfe verspricht

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N

ew York, 1967, Central Park, Barbra Streisand, schon damals ein Star, singt vor mehr als 100 000 Fans – und kann sich plötzlich nicht mehr an den Text eines Liedes erinnern. Der Schock sitzt so tief, dass die Sängerin jahrelang keine Livekonzerte mehr gibt.

mer abwechselnd erst den einen und dann den anderen Fuß in Bewegung zu setzen oder gar das Anspannen der beteiligten Beinmuskeln zu überwachen. Geraten wir unter Druck, zum Beispiel wenn wir vor einem großen Publikum Klavier spielen oder der Gewinn eines Golfturniers davon abhängt, den Ball mit einem Schlag ins Loch

1976: EM-Finale in Belgrad. Das Spiel zwischen Titelverteidiger Deutschland und der Tschechoslowakei steht nach Verlänger erlängerung ung 2:2. Beim Elfmeterschießen Elfmeterschieße n haben die tschechoslowakischen Spieler viermal getroffen, die deutschen dreimal, als Uli Hoeneß sich den Ball zurechtlegt – und ihn weit über das Tor schießt. Einen Treffer später ist die Tschechoslowakei Europameister. 2008: Entscheidendes Fernsehduell der beiden Spitzenkandidaten vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg. Für Michael Naumann, SPD-Herausforderer SPD-Herausforderer des Bürgermeisters Ole von Beust, ist die Sendung beinahe überstanden. Jetzt nur noch das wichtige Schlussplädoyer. Schlussplädoyer. Da passiert passier t es: Naumann gerät ins Stottern, setzt mehrmals vergeblich wieder an, lächelt verkrampft, stammelt entnervt „O Gott!“. Warum versagen Menschen – selbst Könner in ihrem Metier –, wenn der Druck zu groß ist? Warum Warum sind wir unter unte r Stress oft nicht in der Lage, das zu leisten, wozu wir normalerweise problemlos fähig sind? Und wie lässt sich das verhindern? Eine, die sich seit Jahren intensiv mit diesen Fragen beschäftigt, ist die amerikanische Psychologin Sian Beilock von der Universität von Chicago. Ihr Buch zum Thema trägt den Titel Choke. Das Verb to choke bedeutet (ab)würgen. Was dabei passiert, erklärt Beilock so: „Choking kann eintreten, wenn Personen zu sehr über Handlungen nachdenken, die gewöhnlich automatisch ablaufen. Das nennt man ‚Paralyse durch Analyse‘.“

zu befördern, dann schaltet sich der präfrontale Kortex ein, die Kommandozentrale des Gehirns. Wie eine überängstliche Mutterr mischt er sich in Dinge ein, die ohne ihn schneller und Mutte besser ablaufen würden. Wir Wir beginnen dann, tausendmal geübte Handlungen bewusst zu überwachen, und fließende Bewegungen, die normalerweise automatisch ablaufen, geraten ins Stocken. Wer zum Beispiel das Golfen Gol fen gerade erst lernt, ler nt, tut gut daran,  jedes Detail Detail des des Schlags Schlags zu beobacht beobachten en und und zu korrigieren. Bei den erfahrenen Golfern aus Beilocks Versuchsreihe war der Ablauf des Puttens jedoch längst in allen Details im prozeduralen Gedächtnis abgelegt, es erledigte sich sozusagen von selbst. Diese Spieler trafen folglich besser, wenn sie keine Zeit zum Nachdenken hatten und so schnell wie möglich einlochten. Besonders häufig findet man automatische Abläufe im Sport, beispielsweise beim Elfmeter, Skisprung, verschiedenen

Die Psychologin und ihre Mitforscher studieren das Phänomen, indem sie zum Beispiel Golfspieler beim Einlochen (Putten) beobachten. Sie entdeckten, dass erfahrene Golfspieler zielsicher einlochen, wenn sie die Anweisung bekommen, dies so schnell wie möglich zu tun. Wenn sie sich dagegen so viel Zeit wie nötig lassen sollen, fällt das Ergebnis schlechter aus. Diese Entdeckung gibt einen Hinweis darauf, was in Körper und Gehirn schiefläuft, wenn wir versuchen, in stressreichen Situationen unser Bestes zu geben. Sobald wir etwas so gut beherrschen, dass wir es automatisch tun, verschwindet das Wissen über die entsprechen entsprechenden den Abläufe im sogenannten prozeduralen Gedächtnis. AutoAuto- und Radfahren, das Tippen von Texten, das Spielen von Musikinstrumenten – all diese Vorgänge laufen so schnell ab, dass wir sie nicht bewusst verfolgen können. Wenn Wenn wir es doch versuchen, versu chen, geraten wir ins Stolpern. S tolpern. Niemand kommt weit, der versucht, beim Gehen bewusst im-

HANDLUNGEN NACHZUDENKEN, GERATEN WIR INS STOCKEN

WENN WIR ANFANGEN, ANF ANGEN, ZU SEHR SEHR ÜBER GEW GEWOHNTE OHNTE

Disziplinen in der Leichtathletik, dem Aufschlag beim Tennis oder im Eiskunstlauf. Aber selbst bei ganz profanen Alltagshandlungen droht der Blackout. Jahrelang hat man am Geldautomaten die Geheimnummer automatisch und problemlos eingegeben. Aber eines Tages lehnt das Gerät die Nummer ab. Vielleicht weil man sich vertippt hat. Man konzentriert sich und ruft sich die Zahlen ins Gedächtnis zurück. Nun kommen die Zweifel: War War es 4231 oder 3142? 3124? Dass sich inzwischen inz wischen

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eine Schlange von Wartenden gebildet hat, macht die Sache nicht leichter. Die Gefahr, dass Menschen ihre Handlungen bewusst kontrollieren, ist besonders groß, wenn sie das Gefühl haben, auf keinen Fall versagen zu dürfen – wie beim alles entscheidenden Elfmeter,, beim Rezitieren eines Gedichts in der vollbesetzten Elfmeter

nähen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Aufmerksamkeit auf Details zu richten, die nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun haben, etwa auf die Dellen des Golfballs oder seine Beschriftung. Und wenn uns die verflixte PIN oder ein Name partout nicht einfallen will, w ill, rät Sian Beilock: „Denken „Denken Sie an etwas anderes, gewinnen Sie Abstand.“ Denn wenn wir

Schulaula oder der Präsentation vor wichtigen Kunden. Eine amerikanische Studie ergab, dass Basketballspieler bei Freiwürfen häufiger häufi ger den Korb verfehlen, wenn ihr Team Team nur einen Punkt zurückliegt. Der norwegische Wissenschaftler Geir Jordet hat Elfmeterschießen aus Weltmeisterschaf Weltmeisterschaften ten und anderen wichtigen Spielen ausgewertet. Er fand heraus, dass sogenannte Superstars häufiger versagten als relativ unbekannte Spieler. Den Grund vermutet Jordet darin, dass der Druck, der auf berühmten Spielern lastet, besonders groß ist. Der Choreograf George Balanchine mahnte seine Tänzer: „Nicht denken, einfach tun.“ Und amerikanische Eiskunstläufer bekommen den Rat: Skate stupid . Also mit leerem Kopf, ohne zu denken. Nicht an etwas zu denken ist jedoch nicht so leicht. Einige Tricks können dabei helfen: Legen Sie sofort los. Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, um Bewegungsabläufe vorzubereiten und zu kontrollieren, die Sie tausendmal geübt haben, sondern tun Sie es, ohne zu zögern. Ebenso kann es schaden, sich

entspannt sind, kommt die Erinnerung von ganz allein. Aber auch zu wenig weni g Denken kann zu Versagen Versagen führen. fü hren. Und zwar bei Aufgaben, die Aufmerksamkeit Aufmerksamkeit erfordern wie das Lösen von mathematischen Problemen. Dafür benötigen wir das Arbeitsgedächtnis im präfrontalen Kortex. Wenn Wenn das Arbeitsgedächtnis jedoch von Sorgen, die uns plagen, überflutet wird, kann es nicht seine volle Leistung bringen. So ähnlich wie ein PC in die Knie geht oder zumindest langsamer arbeitet, wenn im Hintergrund ein aufwendiges auf wendiges Programm läuft. Solcherlei geistige Hintergrundaktivität entsteht zum Beispiel durch Stereotyp Stere otypee und VorVorurteile. urteil e. Was Was die neue Forschung Forschu ng darüber offenbart, ist erschreckend und faszinierend zugleich. Die Leistungen von Probanden lassen sich einfach dadurch verschlechtern und verbessern, dass man sie entweder an bestehende Vorurteile erinnert oder deren Wirkung neutralisiert. Einige Beispiele:       nem Mathetest daran erinnert, dass nach landläufiger Meinung Frauen auf diesem Gebiet weni-

DER CHOREOGRAF BALANCHINE MAHNTE SEINE TÄNZER: „NICHT DENKEN, EINFA EINF ACH TUN“

am Beginn eines Vortrags allzu viel Zeit zur inneren „Einstimmung“ „Einstimmung“ zu nehmen. Lenken Sie sich ab. Singen oder pfeifen Sie ein Lied oder zählen Sie rückwärts (wenn das zu einfach ist, dann eben in Dreierschritten). Wird der präfrontale Kortex auf diese Weise beschäftigt, putten zum Beispiel Golfer besser. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit auf das Ziel . Konzentrieren Sie sich auf das Ergebnis und nicht auf sich selbst und die Details Ihrer Handlung. Ein einzelnes Wort – etwa smooth  (fließend) beim Golfschwung – als eine Art Mantra zu z u denken hilft, bei Bewegungen das Endresultat und nicht die einzelnen Schritte im Blick zu behalten. Tenniscoach Tim Gallwey empfahl seinen Spielern, hit  zu  zu sagen, wenn der Schläger den Ball traf, und bounce, wenn der Ball auf dem Feld landete. Beilock rät, sich zum Beispiel auf die Stelle zu konzentrieren, wo der Fußball ins Netz gehen soll. Chirurgen wiederum sollten nicht ihre Hände beobachten, sondern das, was sie schneiden oder

ger leisten, machen mehr Fehler.

        

dadurch verschlechtern, dass man sie zuvor in einem Fragebogen ihre ethnische Zugehörigkeit angeben ließ. l ieß.          vorragend ab, wenn man ihnen sagt, es gehe um angeborene Fähigkeiten oder einen Vergleich Vergleich zwischen den Geschlechtern. Sagt man ihnen jedoch, dass man sie mit – offenbar hochangesehenen – asiatischen männlichen Ingenieuren vergleicht, bleiben sie deutlich unter ihren eigentlichen Fähigkeiten.           

werden mehr durch ihn beeinträchtigt, beeintr ächtigt, weil es ihnen schwererfällt, Entschuldigungen für eine schlechte Leistung zu finden oder Gründe dafür, warum der jeweilige Test angeblich nichts über ihre Fähigkeiten aussagt oder nicht so wichtig ist. Entsprechend stellte Beilock in Schulstudien fest: Die Bedrohung durch Vorurteile Vorurteile „ist am dramatischsten für solche Mädchen,

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die am stärksten daran interessiert sind, sich in dem hervorzutun, worin sie geprüft werden“. werden“. Gerade leistungsorientierte und besonders tüchtige Mädchen sind es, die sich Sorgen darüber machen, Geschlechtervorurteile zu bestätigen. Was hilft gegen den unfreiwilligen Selbstboykott der eigenen Leistung? Aus Studien von Sian Beilock und anderen Forschern lassen sich einige konkrete Tipps ableiten: Denken Sie an Beweise für Ihr Können, etwa an den guten Schulabschluss, Ihr Diplom oder den Doktortitel. Auch sich selbst als eine Person mit vielen Facetten zu sehen – also nicht nur als Frau, sondern als Sportlerin, Freundin, Teil Teil einer Familie oder sozial engagierten Menschen – kann Selbstzweifel vertreiben. Stärken Sie Ihr Selbstwertgefühl Sel bstwertgefühl durch Schreiben. Vor Vor einem Test oder einer Präsentation einige Minuten lang über eigene Interessen, Interess en, Aktivitäten, die Familie oder andere Dinge, die einem wichtig sind, zu schreiben hilft. In einer Studie tippten Ulmer Abiturienten in den Herbstferien an vier Tagen je 20 Minuten lang ihre Gedanken und Gefühle mit Blick auf das Abitur in den PC. Sie hatten anschließend bessere Noten Noten und weniger Fehlzeiten als Mitschüler Mitschüler,, die über Zeitmanagement geschrieben hatten. Interpretieren Sie Ihre Reaktionen um. Wenn Ihre Hände feucht werden und Ihr Herz rast, nehmen Sie das nicht als Zeichen von Angst, sondern werten Sie es als Hinweis darauf, dass Ihr Körper sich für eine Höchstleistung Höchs tleistung bereitmacht. bereitm acht. Auch Auch diese Technik Technik hat sich in Prüfungsstudien bewährt. Und es gibt noch eine Art Allheilmittel, das jeder Art von Versagen vorbeugt: Üben unter stressreichen Bedingungen. Das härtet gegen Erfolgsdruck ab. Musiker Musiker zum Beispiel spielten vor Publikum deutlich besser, wenn sie vor einer Videokamera und nicht nur für sich allein geprobt hatten. Für Klausuren trainiert man am besten mit realistischen Tests Tests und einem Zeitlimit. Es ist nicht unbedingt nötig, den Ernstfall eins zu eins nachzustellen. Auch ein Auftritt vor Freunden oder der eigenen Familie hilft, sich ein wenig auf den Stress einzustellen. Wer das alles beherzigt, erreicht vielleicht eines Tages die Gelassenheit von Gitarrengroßmeister Carlos Santana, der über Auftritte sagt: „Es ist wichtig, sich nicht selbst im Wege Wege zu stehen.“ Wenn das gelinge, geschehe Folgendes: „Du spielst nicht die Musik, sie spielt dich, und dann läuft es am besten.“ PH  PH C 

Endlich frei und und selbstbestimmt leben

199 Seiten, broschiert | ISBN 978-3-407 978-3-407-85963-1 -85963-1 Auch als

erhältlich

Echte Souveränität kommt von innen. Und zwar dann, wenn ein Mensch genauso lebt, wie es 󰁦ür sie oder ihn stimmig ist. Janet Betschart zeigt, wie man sein Leben von Ballast be󰁦reit, Selbsttäuschungen au󰁦gibt und zu sich selbst 󰁦indet. Dieser be󰁦reiende und wirkungsvolle Ratgeber beweist: Die Möglichkeiten, ein selbstbestimmtes Leben zu 󰁦ühren, sind heute so gut wie nie. »Schenken Sie sich Veränderung. Hören Sie au󰁦 mit allem, was Sie nicht mehr sehen, hören und riechen können. Um sich das Leben au󰁦zubauen, das Sie wirklich 󰁦ühren wollen. Ohne Abstriche. Ohne Kompromisse. So, wie Sie sich das in Ihren kühnsten Träumen ausmalen.« au smalen.« Leseprobe au󰁦

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WENN ES SCHEINBAR

NICHT MEHR VORANGEHT  V O N

HEIKO ERNST

Manchmal stecken wir fest. Eine Beziehung stagniert. Beruflich bleiben wir trotz großer Anstrengung unter unseren Möglichkeiten. Ein Lebensziel ist plötzlich in weite Ferne gerückt, ein Lieblingsprojekt kommt einfach nicht voran. Warum nur treten wir auf der Stelle?

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ohl jeder hat schon mal die Erfahrung gemacht:  Nach einem guten Start geht gemacht: es nicht recht weiter. Zäh und mühsam verlaufen alle Versuche, wieder Wind unter die Flügel zu bekommen. Fehlt es dann an Selbstvertrauen, an Ideen oder an Mut, an Energie,

diesen Fällen ist nicht Ausbruch oder Abbruch das Mittel der Wahl. Es kommt darauf an, die Ursache der Sättigung zu erkennen und gegenzusteuern: durch Diversifikation, durch Variation, durch Distanz und kreative Pausen.

an Talent? Eigentlich nicht. Aber man ist sehr wahrscheinlich auf einem Plateau angelangt. Das ist zwar eine beunruhigende oder frustrierende, aber ziemlich normale Erfahrung. Die meisten Menschen Menschen machen sie früher oder später und in fast allen Lebensbereichen Lebensbereichen.. Plateauphasen ereignen sich mit der Macht eines Naturgesetzes. Alle menschlichen Entwicklungen, Erfahrungen und die meisten unserer Projekte und Aktivitäten unterliegen diesem Gesetz: Sie verlaufen kaum jemals linear, in einer einzigen Aufwärtsbewegung. Bei nahezu fast allem, was wir tun, wechseln sich Fortschritt und Stillstand ab. Einige Phasen des Stillstandes kommen uns zupass: Es sind willkommene Pausen nach großen Anstrengungen. Ein Plateau kann manchmal die nötige Inkubationszeit bei einem kreativen Projekt sein: Gerade weil sich nichts tut, haben wir plötzlich die zündende Idee. Plateauphasen werden manchmal bewusst herbeigeführt: herbeigeführ t: Wir bremsen uns selbst und schlagen ein Basislager auf, um Kraft zu sammeln und um die beste Route zum Ziel auszutüfteln. Manchmal haben wir einfach ein Lebens- oder Leistungsniveau erreicht, auf dem wir uns wohlfühlen. Manche Plateaus bemerken wir erst nach einer Weile – wir sind sozusagen schleichend auf ihnen angekommen. Deshalb werden viele Plateauphasen nicht sofort als Problem empfunden – wir haben ja immerhin eine gewisse Höhe erreicht. Doch irgendwann rührt sich das Gefühl: Jetzt müsste es weitergehen!

Die psychologische Forschung hat in den letzten Jahren in zahlreichen Studien nachgewiesen, dass wir schlechte Risikomanager sind: Wir fürchten uns vor Dingen, die mit nur geringer Wahrscheinlichkeit eintreten (Flugzeugabsturz), und unterschätzen die statistisch größeren Risiken (etwa einen Autounfall zu erleiden). Wir ignorieren die offensichtlichen Fakten und klammern uns an falsche Sicherheiten (der Bankberater hat uns versichert, dass wir mit dem Immobilienfonds eine gute Rendite erwirtschaften), und wir versuchen hartnäckig, Verluste durch die immer gleichen Methoden wieder wettzumachen. Bei fast allen wichtigen Entscheidungen in unserem Leben spielen uns psychische Faktoren wie Ängste, Gier, Blindheit für komplexere Fakten, das Vermeiden kognitiver Anstrengungen Anstrengungen bei der Analyse eines Problems und viele andere „eingebaute“ Defizite unseres Gehirns immer wieder Streiche. Deshalb bringen wir uns in Situationen, die wir als Plateau erleben: erlebe n: Unsere Unsere Anstrengungen versanden, wir stecken fest, und wir wissen nicht so recht, warum.

Die wirklich problematischen Plateaus in unserem Leben aber sind jene, in denen wir das Gefühl haben, unter unseren Möglichkeiten zu bleiben, bei etwas zu stagnieren, was uns wichtig ist, oder trotz großer Anstrengung keine Verbesserungen Verbesserungen mehr zu erreichen.

Optione n aus. Wer Optionen Wer in Irland Urlaub macht, ma cht, kann nicht gleichgleich zeitig nach Mallorca fliegen. Wer ein Haus kauft, schlägt die 10 oder 12 oder 20 anderen Angebote aus, die er sich vorher angesehen angesehe n hat. Wenn Franz Helene heiratet, heiratet , entscheidet er sich gegen Julia, Marie und andere mögliche Frauen. Ob wir richtig entschieden haben, wollen wir hinterher so genau nicht wissen, denn wir wollen die Reue, möglicherweise falsch gelegen zu haben, vermeiden. Aber oft genug werden wir mit der Nase darauf gestoßen, dass eine Wahl vielleicht nicht klug war und wir wi r uns von irrelevanten Faktoren beeinflussen ließen. Viele Stillstände sind das Resultat mangelnder mangelnde r Fantasie – wir können uns die Opportunitätskosten Opportunitä tskosten nicht vorstellen. Das sind die Kosten, die entstehen, wenn wir falsch investiert und die möglicherweise besseren Alternativen nicht zur Kenntnis genommen haben. Natürlich kann niemand vorhersagen, ob eine Alternative besser gewesen wäre, aber es lohnt sich, die

ES GIBT FÜNF HAUPTGRÜNDE FÜR STAGNATION UND STILLSTAND: 1. Des Guten zu viel Vielleicht ist das die häufigste Form einer Plateauphase: zu viel des Guten. Zu viel Vertrautheit, zu viel der immer gleichen Rituale, zu viele Gewohnheiten, zu viel der immer gleichen Methoden und Techniken. Dieser Übersättigungseffekt steckt nicht nur hinter Eheproblemen oder stagnierenden Freundschaften, oft auch hinter langen erfolglosen Therapien oder hinter Schreibblockaden und anderen Schaffenskrisen. In all

2. Blindheit für Fakten und wirkliche w irkliche Risiken

3. Entscheidungsschwäche Ein simples, aber doch erstaunlich oft verleugnetes Prinzip erklärt, warum wir immer wieder auf Plateaus landen. Das ökonomische Konzept der Opportunitätskosten (oder auch Alternativ- oder Verzichtskost Verzichtskosten) en) besagt: Mit jeder Entscheidung, die wir im Leben treffen, schließen wir alle anderen

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Fantasie einzuschalten. Das gilt vor allem auch in einer Phase, in der man schon festgefahren ist: Jetzt kommt es darauf an, nicht in einen Wiederholungs Wiederholungszwang zwang zu verfallen und das Glück doch noch erzwingen zu wollen.

4. Versenkte Versenkte Kosten Wir können nicht wissen, ob eine Entscheidung langfristig klug war, und wir neigen dazu, die Opportunitätskosten lange zu ignorieren. Deshalb verharren wir in festgefahrenen Situationen: Wir halten an einer unglücklichen Partnerschaft fest, wir rüsten die Schrottkarre, die wir gekauft haben, mit viel Geld nach. Wir versuchen, uns den Respekt eines ArschlochChefs durch verdoppelte Anstrengungen zu erarbeiten. Das psychologische Phänomen der „versenkten Kosten“ ist weit verbreitet: Weil wir einen Verlust, Verlust, eine Niederlage, Nied erlage, einen eine n Misserfolg nicht akzeptieren können, versuchen wir, doch noch eine Wende zu erzwingen. Wir hoffen, dass der Immobilienmarkt sich wieder positiv entwickelt, und bleiben in der Bruchbude, renovieren sie sogar aufwendig. Wir hoffen auf Einsicht beim übelwollenden Nachbarn, der uns das Leben vermiest. Wir glauben den Versprechungen des Bankberaters, dass sich die Fonds erholen erhol en werden. Und wir glauben den VersprechunVersprechungen des Partners, dass er Alkoholgenuss und Wutausbrüche unter Kontrolle bringen wird.

5. Der Wunsch, „normal“ zu sein Wir finden uns auch deshalb auf einem Plateau wieder, weil wir uns zu sehr sozialen Normen gefügt haben und „wie die anderen“ sein wollen. woll en. Der Wunsch, Wunsch, sich normal zu fühlen, füh len, geht meist in Konformität und Anpassung über. Wir schöpfen unser Potenzial nicht aus, weil wir nicht auffallen wollen und uns nicht trauen, eigene Wege Wege zu gehen. So geraten wir in den Sog einer Mittelmäßigkeit, die möglicherweise ein bisschen soziale Wärme abstrahlt, uns aber gleichzeitig fesselt und bremst. Wider besseres Wissen schwimmen schwimmen wir mit dem Strom.

DEN STILLSTAND ÜBERWINDEN  ÜBERWINDEN  Das Leben ist eine Serie von Plateauphasen. Aber den meisten Menschen fällt es schwer, den zeitweisen Stillstand als unvermeidlich zu akzeptieren. Ein Stocken, ein Stillstand, ein Fehlschlag – und sie zweifeln an sich und an der Welt. Sie glauben, dass es doch „nichts bringt“, sich weiter große Ziele zu setzen. Besser ist es, Plateauphasen als Lern- und Besinnungschancen Besinnungschancen zu erkennen – und sie dann auch wieder zu verlassen. Oft ist die paradoxe Situation eingetreten, dass wir auf einem Plateau festsitzen, obwohl wir uns besonders abrackern.

nach dem Motto: Viel hilft viel. Dieser Denkfehler macht eine Plateauphase noch frustrierender: Wir diskutieren endlos über unsere Beziehung und bemühen uns, besonders nett, einfühlsam und geduldig zu sein. Wir machen Überstunden. Wir kasteien uns mit noch strengeren Diäten. Aber alle Anstrengungen bringen uns nicht weiter. Denn sie unterliegen dem „Gesetz des abnehmenden Ertrags“: Nach einer Weile Weile erzeugt  jeder Input immer weniger Output. „Streng dich einfach mehr an!“ ist in vielen Fällen das falscheste Rezept überhaupt. Stillstand lässt sich besten durch Variation überwinden. Kluge Therapeuten fragen ihre Klienten, die auf einem Plateau voller Wiederholungszwänge Wiederholungszwänge und frustrierender Rituale R ituale feststecken: „Was „Was könnte einen ei nen Unterschied machen?“ mache n?“,, und ermutigen zu Experimenten und Variationen. Variationen. Spitzensportler wissen, dass sich Kraft, Ausdauer oder Geschicklichkeit nur steigern lassen, wenn die Trainingsmethoden ausreichend und zeitig variiert var iiert werden. werde n. Und Und gute Trainer Trainer sind si nd Meister darin, die Methoden rechtzeitig zu wechseln. Sie stimulieren den Trainierenden neu und dosieren die Erholungspausen klug.

WIE WEIT IST ES NOCH? Wer auf halber Strecke auf einem Plateau feststeckt, sollte sich Rechenschaft darüber ablegen, ob es wirklich schon der „halbe Weg“ Weg“ war – oder eher weniger? Fehlt nur noch eine kurze Wegstrecke? Erst wenn wir verstanden haben, wo wir auf der Stelle treten, können wir erfolgreich weitergehen. Das vage Gefühl, „irgendwie“ nicht weitergekommen zu sein, reicht nicht aus, um uns zu motivieren. Wer Wer ein Plateau überwinden über winden will, braucht ein genaues Feedback, und zwar in Gestalt einer Art Lernkurve oder eines „Kilometerzählers“. Die Psychologen Minjung Minj ung Koo und Ayelet Ayelet Fishbach Fishb ach von der

University of Chicago haben den motivierenden Wert der bei-

den Betrachtungen untersucht: untersu cht: „Was „Was habe ich schon geschafft?“ geschaf ft?“ (der „Bisher-Modus“) „Bisher-Modus“) und „Wie weit ist es noch?“ (der „Reststrecken-Modus“). strecken-M odus“). Ein Marathonläufer kann sich auf die bisher zurückgelegte Strecke konzentrieren: „Schon „Schon acht Kilometer!“, oder auf die Reststrecke: „Noch 34 Kilometer!“ Beide Betrachtungen haben ihren Reiz, nicht nur für Marathonläufer. Aber Aber empirisch betrachtet ist die zweite die produktivere für nahezu alle Aktivitäten und Projekte. Koo und Fishbach erklären das mit dem „voreiligen Erfolgsgefühl“ ( premature ). Es vermindere die Konzentration sense of accomplishment ). und die Anstrengungsbereitschaft Anstrengungsbereitschaft deutlich, wie sie in Experimenten herausfanden. Studenten, denen man während Prüfungsvorbereitungen sagte, sie müssten noch 52 Prozent des Stoffes lernen, strengten sich mehr an als andere, denen man  PH   PH C 

Wenn nichts vorangeht, verdoppeln wir wi r unsere Anstrengungen 76 

mitteilte, sie hätten schon 48 Prozent geschafft. PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

Anregungen für guten Unterricht, Konferenzen und Schulentwicklung

J e  et  t  z    t  z t   t e  es    t  s t  e   n e   !  3 H e  ef  f  t  t  e     nu r  e r 10  € 

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MEN MENT TALE FIT FITNES NESS S WAS SICH VOM SPORT LERNEN LÄSST Ob wir ein Problem lösen, eine Prüfung Prüfung bestehen oder eine schwierige Situation meistern müssen: Das gezielte Fantasieren und das Konstruieren von Szenarien ist eine ideale Technik, um sich vorzubereiten AXEL WOLF

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

D

ie Fähigkeit, Leistung punktgenau zum richtigen Zeitpunkt abrufen zu können, unterscheidet den mental starken Könner vom Mittelmäßigen, aber auch vom Könner, der aufgrund psychischer Schwäche zum Versager wird. Nirgendwo tritt dieser Unt Unterschied erschied öfter und deut-

liches erbrachte eine Studie, in der eine Fünffingerklavieretüde von einer Gruppe real eingeübt wurde, von einer zweiten Gruppe nur mental. In beiden Gruppen wuchs die Gehirnregion an, die für die Koordination der Finger zuständig ist – und zwar in gleichem Maße. Die meisten sportpsychologischen sportpsychol ogischen Techniken Techniken lassen sich auf

licher zutage als im Sport. Spor t. Die Psychologie untersucht untersucht deshalb seit Jahren schon den ideal performance state –  jenen  jenen mentalen Zustand, in dem uns das Optimum dessen gelingt, was wir gelernt haben, vor allem dann, wenn es darauf ankommt: im Wettkampf ettkampf,, unter Stress, im Angesicht der Konkurrenz. Es gibt viele „Trainingsweltmeister“, denen die Fähigkeit abgeht, ihre Leistung auf den Punkt zu bringen. Bei gleicher körperlicher Begabung und Fitness, bei gleichen Trainingsmethoden, bei gleichen Wettkampfbedingungen Wettkampfbedingungen gewinnt immer der mental Stärkere. „Unser „Unser Thema ist das Fokussieren, die Konzentrat Konzentration ion auf den Punkt, der Tunnelblick“, meint der Sportpsychologe Terry Lyles – die Angst des Schützen beim Elfmeter darf gar nicht erst aufsteigen. Brüllende Fans im Stadion, die eigenen Erfolge oder Misserfolge in der Vergangenheit, die Erwartung der Mannschaftskollegen – all das muss im Augenblick der Wahrheit vom Sportler abfallen. Er darf keinen Gedanken zulassen, der seine empfindliche Gehirnchemie – und damit seine Leistungsfähigkeit – negativ beeinflusst.

Dieses Fokussieren geschieht beispielsweise mithilfe von Ritualen. Tennis- oder Basketballspieler lassen den Ball dreimal aufspringen, bevor sie aufschlagen oder werfen. AtemtechniAtemtechni-

Bereiche jenseits des Sports übertragen. Der Effekt ist der gleiche, nämlich das Erreichen der „Zone“ – eines Zustands völliger Konzentration und Selbstvergessenheit. Darin ähnelt die Zone dem „Flow“, dem „Aufgehen im Tun“ bei äußerster Anspannung der Kräfte. Mihaly Csikszentmihalyi, der Entdecker dieses Zustandes, sieht jedoch einen wichtigen Unterschied zwischen der Konzentration im Flow und der mentalen Leistungsbereitschaft, die um des Erfolges willen angestrebt wird: „Wenn nur der Sieg das Ziel ist, dann verschwindet allmählich die Freude am Tun.“ Mit anderen Worten: Worten: Das Tun muss Selbstzweck sein, damit mentale Fokussierung auf Dauer gelingt. Die Sozialpsychologin Shelley Taylor hat die mentale Simulation von zukünftigen Ereignissen erforscht und kommt zu dem Schluss: Gezieltes Fantasieren ist die ideale Technik, Technik, um sich auf Situationen vorzubereiten, in denen wir ein Problem lösen müssen oder einer Prüfung unterzogen werden. Solche Solche Simulation unterscheiden sich von bloßem Wunschdenken oder positivem Denken wie „Ich werde die Prüfung mit Glanz und Gloria bestehen!“. Simulationen antizipieren Schwierigkeiten, ermöglichen durch ihre szenariohafte szenariohafte innere Repräsentation Repräsentation des Lösungsweges auch konkrete Planungen. Vor allem helfen sie dabei, die Emotionen in kritischen Situationen zu kontrollieren – denn jede detaillierte Imagination eines Ereignisses weckt auch

ken helfen die aufkeimende Stressreaktion einzudämmen. Das mehrfache systematische und bildhafte Vorstellen von Bewegungsabläufen koordiniert Muskeln und Geist. Tiger Woods, einer der besten Golfspieler unserer Tage, hat gelernt, wie man Putts aus drei Meter Distanz mit tödlicher Sicherheit versenkt: Vor dem Schlag sieht s ieht er sich im mentalen menta len Kino im Kopf mehrme hrmals an, wie der Ball ins Loch rollt. Überhaupt ist die Imagination die Wunderwaffe in der Sportpsychologie geworden, vor allem wenn es um längere und komplizierte Bewegungsabläufe geht. Der Psychophysiologe Stephen Kosslyn von der HarvardUniversität hat in verschiedenen Experimenten zeigen können, könne n, dass sich die muskuläre Fitness allein durch mentale Übungen steigern lässt: Die Visualisierung von Bewegungen, etwa der Fingermuskulatur, stimuliert den motorischen Kortex, und dies wiederum bewirkt bew irkt eine Verbesserung Verbesserung der Innervation von

die damit verbundenen Gefühle. Wenn wir diese aber schon einmal in Gedanken erlebt haben, können wir sie später in der realen Situation besser steuern, sie überraschen und überwältigen uns dann nicht mehr. Wie effektiv das Durchspielen von Handlungsabläufen als Vorbereitung sein kann, illustriert illustrier t Shelley Taylor am Beispiel von Jean-Claude Killy: Der dreifache französische Olympiasieger im alpinen Skilauf war vor einem wichtigen Rennen lange verletzt und konnte nicht trainieren. Er „fuhr“ die Abfahrtsstrecke jedoch mental so oft und konzentriert, dass er später trotz des körperlichen Trainingsrückstandes siegte. Der Sportpsychologe und zeitweilige Präsident des amerikanischen Psychologenverbandes APA, Richard Suinn, hat mehrere US-Olympiamannschaften US-Olympiamannschaften betreut und ein ausgefeiltes Selbstinstruktionsprogramm entwickelt, mit dem sich Sportler, aber auch andere Spitzenleister mental in Form brin-

SIMULATIONEN BESCHÄFTIGEN SICH NICHT NUR MIT DEM ZIEL, SONDERN VOR ALLEM MIT DEM WEG DORTHIN

Muskelgruppen Muske lgruppen und eine gesteigerte Leistungsfähigkeit. Ähn-

gen und ihre Leistung besser abrufen abr ufen können. Es kombiniert 79

 

sieben aufeinander aufbauende Techniken Techniken der Entspannung, Konzentration Konzen tration und Stressregulierung. 1. Entspannung  Wenn Sie Ihren Körper kontrolliert kontrollier t entspannen können, schaffen Sie es leichter leichter,, in Leistungssituationen muskulär locker zu bleiben und unter Stress nicht zu verkrampfen. Entspannung Entspannung

tive Gedanken (wie „Ich bin heute nicht gut drauf, ich schaffe das nicht!“) lösen negative emotionale und muskuläre Zustände aus und funktionieren als selbsterfüllende Prophezeiung. Deshalb müssen Sie negative Gedanken entschärfen lernen, indem Sie sie auf ihren Realitätsgehalt reduzieren und umfunktionieren funktio nieren („Ich kann es doch, gestern hat es hervorragend

ist gleichzeitig die Basis für andere mentale Übungen wie etwa Visualisierung (Schritt fünf). Zunächst sollten Sie die progressive Relaxation erlernen: Einzelne Muskelgruppen (beginnend mit der Handmuskulatur) werden sukzessiv etwa 30 Minuten lang bewusst stark angespannt, dann sehr langsam entspannt. Beobachten Sie den allmählichen Prozess der Entspannung in seinen Stadien und Wirkungen sehr genau. Konzentrieren Sie sich besonders auf die Bauchatmung, die die Entspannung begleitet. Im nächsten Schritt verkürzen Sie die Entspannungsphase auf fünf bis zehn Minuten und koppeln sie mit einem Stichw Stichwort ort (wie „Ruuuhig!“), so können Sie dann den Entspannungsprozess bald auf Knopfdruck auslösen. Im dritten Schritt schließlich üben Sie die verkürzte Relaxation am realen Ort (im Stadion, im Umkleideraum, am Arbeitsplatz): tiefe Bauchatmung, sukzessive Kontrolle jeder Muskelgruppe auf Spannung, Stichwort benutzen, um die Entspannung herbeizuführen.

geklappt! Ich habe mich gut vorbereitet, es gibt keinen Grund, warum ich versagen müsste!“). So können sie sogar zum Auslöser für positive, korrigierende Strategien werden: Erinnern Sie sich an Erfolgserlebnisse, konzentrieren Sie sich auf Ihre Stärken. Ersetzen Sie einen beunruhigenden Gedanken durch einen neutralen (Beispiel: während einer schwierigen Phase im Marathonlauf die Bäume am Straßenrand zählen, sich selbst ablenken). 4. Selbstregulierung  Dieser Schritt umfasst Techniken, mit denen man sich selbst „in Fahrt“ bringt und mental wie körperlich den optimalen WettWettkampfzustand, das ideale Erregungsniveau erreicht. Auch hier ist zunächst die Introspektion nötig: Bei welcher Gelegenheit hatten Sie zuletzt dieses gute Gefühl, auf der Siegerstraße zu sein? Was hat dazu beigetragen? beigetrag en? Fassen Sie diese Erfahrung in einem Satz, in einem Begriff zusammen, etwa „Heute bin ich unschlagbar!“ oder „Jetzt läuft es!“ es!“.. Aktivieren Sie diese Gedan-

2. Stressmanagement Hier kommt es zunächst auf genaue Selbstbeobachtung Selbstbeoba chtung an – wie und wo macht sich Stress bemerkbar? Sind Sie nervös, gereizt, ängstlich, unkonzentriert und leicht abzulenken? Haben Sie Schmetterlinge im Bauch? Wird Ihr Mund trocken, verkrampfen sich Ihre Fäuste, Ihr Nacken? Jeder Mensch hat seine spezifischen körperlichen körperl ichen Stresssignale. Erstellen Sie ein Stressprotokoll über sechs Tage hinweg (am besten vor einer Leistungssituation, einer Prüfung, einem Wettkampf), in dem Sie die typischen körperlichen Stressreaktionen und ihre Intensität aufzeichnen. Die Entspannungstechniken aus Schritt eins kommen hier gezielt zur Anwendung: bewusste Verlangsamung aller Bewegungen, tiefe Bauchatmung, dann die systematische Entspannung der besonders betroffenen Muskelpartie. 3. Gedankenk Gedankenkontrolle ontrolle  Gedanken beeinflussen das Handeln und die körperliche und

kenkette, wiederholen Sie die bewährten Rituale und Begleitumstände vergangener Erfolge. Bringen Sie den Körper in den idealen Spannungszustand: Sind die Muskeln zu verkrampft, lockern Sie sie mit mentalen Entspannungsübungen und Gymnastik auf. Fühlen Sie sich lasch, beflügeln Sie sich durch schnelle schnel le Muskelanspannungen und -entspannungen sowie durch mentale Konzen Konzentration tration auf Außenr Außenreize. eize. 5. Visuell-motorische Übung  Suinn sieht darin die wirksamste Technik, um sich selbst in Spitzenform zu bringen. Körper und Psyche werden dabei optimal miteinander vernetzt. Das Visualisierungstraining beginnt mit einer Entspannungsphase, die in Stufe eins trainiert wurde. Sie wird nun so erweitert, dass Sie sich selbst willkürlich und gedanklich in eine entspannende Szenerie versetzen können. Danach wenden Sie diese Fähigkeit zur Fantasiereise auf eine positive Leistungssituation an, spielen Sie diese wieder

ERINNERN SIE SICH AN IHRE ERFOLGSERLEBNISSE. KONZENTRIEREN SIE SICH AUF IHRE STÄRKEN

mentale Leistungsfähigkeit weit mehr, als wir glauben. Nega-

und wieder so lebhaft und konkret durch wie nur möglich.

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

ILHELM GENAZINO   DANI

Literat Literatur ur als Selbsterkundung Der dritte Visualisierungsschritt richtet sich nun auf gewünschte zukünftige Situationen: Kombinieren Kombinieren Sie das Siegergefühl aus Phase vier mit den idealen Bewegungsabläufen, etwa einer Turnübung oder einem optimalen Laufstil. Stellen Sie sich vor, wie Sie alles richtig r ichtig machen, gehen Sie in Zeitlupe  jedes Detail durch. Wiederholen Sie dieses Szenario Szenario und kombinieren Sie es allmählich mit einem Auslösersatz oder -begriff: „Wie eine Gazelle!“ oder „Sauber und perfekt!“ perfekt!“.. Dieser Auslöser hilft Ihnen in der konkreten Situation, die idealen Abläufe des Visualisierungstrainings abzurufen. 6. Konzentration  Sie kann auf unterschiedlichs unterschiedlichste te Weise Weise verlorengehen, deshalb ist es wichtig, die eigene Anfälligkeit dafür zu erkunden: Was genau lenkt Sie häufig ab? Wandern Ihre Gedanken unkontrolliert? Beginnen Sie das Konzen Konzentrationstraining, trationstraining, indem Sie Ihre Aktionen verlangsamen: Sprechen, schauen, gehen Sie langsamer.. Dann öffnen Sie sich zunächst bewusst für alle Aulangsamer ßenreize – etwa beim Betreten des Konferenzraumes oder des Stadions. Nehmen Sie alles auf, dann verengen Sie das Spektrum dieser Reize immer mehr mehr,, bis Sie schließlich bei sich selbst ankommen: Wie Wie fühlt sich Ihr Körper, Ihr Bauch an? Beginnen Sie nun mit der Entspannungsatmun Entspannungsatmungg (Schritt eins), danach rufen Sie die Visualisierungen aus Schritt fünf ab. 7. Energiekontrolle  Ob Geschicklichkeit, Ausdauer, Geistesgegenwart, Kraft oder Schnelligkeit – jede Leistung hängt davon ab, dass Sie Ihre Energie mobilisieren können. Sie schlummert in Ihnen und muss erkannt und gesteuert werden. Das geschieht vor allem durch mentale Kontrolle – durch all die Fähigkeiten, die Sie in den Schritten eins bis sechs erlernt haben: Entspannen Sie sich, kontrollieren Sie Ihren Atem, beobachten beobachten Sie, wie sich Wärme und Energie in der Körpermitte, in Brust und Bauch ausbreiten. Visualisieren Sie jetzt eine Erfolgssituation, erfassen Sie das gute Gefühl, das damit einhergeht. Visualisieren Sie nun die optimale Leistungsszene, in der Sie die Übung oder den Wettkampf ausführen. Lernen Sie, das Gefühl für Energie zu kanalisieren, etwa auf die Bewegungsrichtung, auf die Laufbahn, in die Argumentation, in die Problemlösung. Lassen Sie sich visuell von der Energie durch den Raum tragen, verbinden Sie die Richtung mit einem Energiebild – einem Lichtstrahl, einem Blitz. Wiederholen Sie diese Visualisierung so oft, bis Sie sich von einer Energie buchstäblich gezogen oder geführt  PH   PH C  fühlen.

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Schrifsteller und Psychotherapeuten haben einen gemeinHRIN SCHMIDT PETER ST samen Stoff: die menschliche Seele ihre Regungen. ILHELM ILHE LMund GENAZINO GEN AZINO Schon   DANI Sigmund Freud stellte 󰁦est: »Nicht ich, sondern FE LICI LI CIT T Sdie HPoeten PPE PP Eentdeck  MICHA  ten dasZu󰁦all, Unterbewusste.« istE PE es kein dass die meisten ORTHEIL ORTHEIL    NNE NN ESo TTE TT der in diesem Band versammelHRIN SCHMID SCHM IDT T   PETER ten Autoren und Autorinnen die S großen Themen der Psychologie ILHELM GENAZINO   DANI au󰁦grei󰁦en: Sie schreiben über die Zeit der Kindheit und über FE LIBeziehung CIT S H PPEltern, E MICHA  die zuO den sie machen sich Gedanken über die EF OR ORTHEIL THEIL   ANNETTE PEH Liebe und auch über sich selbst. Sie re󰁦lektieren Lebensträume HRIN HRI N SCH SCHMID MIDT T   PETER ST ebenso wie ihre Selbstzwei󰁦el. ILHELM GENAZINO   DANI Leseprobe au󰁦

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

elbstwirksamkeit! Mit diesem Begriff bezeichnete der kanadische Psych Psychologe ologe Albert Bandura das VerVertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit und die Überzeugung, einer Aufgabe gewachsen zu sein. Diese „gute Meinung“ Meinung“ über sich ist ein entscheidender Faktor, wenn wir eine Aufgabe erfüllen oder ein Problem lösen wollen. Unsere tatsächlichen Fähigkeiten sind nicht so wichtig wie der Glaube, sie zu besitzen. Immer wieder zeigte sich in der Realität wie in Experimenten, dass Selbstvertrauen auch mittelmäßig Begabte zu Spitzenleistungen S pitzenleistungen befähigt, während hochtalentierte, gut ausgebildete und geschulte Menschen häufig versagen, weil sie an sich zweifeln. Warum ist das so? Albert Bandura nennt einen wichtigen Grund: „Menschen, die über ein starkes Gefühl der Selbstwirksamkeit verfügen, widmen ihre Aufmerksamkeit und ihre Energie den Anforderungen der Situation und lassen sich durch Hindernisse eher zu noch größeren Anstrengungen anspornen. Wer Wer sich selbst für sehr kompetent hält, denkt, fühlt und handelt anders als Menschen, die sich als ineffektiv wahrnehmen. Selbstwirksame erzeugen ihre eigene Zukunft, sie sagen sie nicht nur voraus.“ Selbstwirksamkeit beeinflusst unser Verhalten Verhalten in vierfacher Weise: Sie lenkt die Auswahl unserer Ziele – wir nehmen uns solche Aufgaben vor, deren Meisterung wir uns zutrauen, und wir vermeiden Felder, in denen wir nicht reüssieren können. Zweitens bestimmt die Selbstwirksamkeit das Ausmaß der Energie und Ausdauer, die wir in ein Ziel investieren. Wenn wir an uns glauben, sind wir ausdauernder und energischer, selbst wenn es einmal zu Rückschlägen kommt. Drittens formt Selbstwirksamkeit unseren Denkstil: Wer sich für kompetent hält, sieht die Kausalitäten für Erfolg und Misserfolg anders als ein Selbstzweifler. Selbstwirksame schreiben ihre Erfolge

S

dem eigenen Können zu, Misserfolge dagegen den äußeren (ungünstigen) Umständen. Und schließlich bringen sich Selbstwirksame in eine Aufwärtsspirale des Erfolges: Erfo lges: Jedes Erfolgserlebnis verstärkt den Glauben an die eigene Kompetenz Kompetenz und spornt zu neuen Anstrengungen Anstrengungen an. Der so wichtige Glaube an sich selbst kann sich besonders dann entwickeln, wenn wir folgende günstige Bedingungen antreffen:            nenleben brauchen wir Erfolgserlebnisse und die Möglichkeit, eigene Leistungserfahrungen emotional und kognitiv als erfolgreich zu interpretieren.            erkennung von anderen erfahren. Das muss keineswegs im Übermaß erfolgen – übertriebenes Lob macht Kinder eher misstrauisch. Manchmal reicht ein Satz einer wichtigen Be-

Umgekehrt können negative Botschaften („Das schaffst du nie!“) verheerende Langzeitwirkungen haben und das Selbstvertrauen unterminieren.          

am besten erlernen, wenn man geeignete Vorbilder Vorbilder oder Modelle beobachten kann. Aber auch wir selbst können daran arbeiten, den Glauben an uns zu stärken. Der Psychotherapeut Martin Mar tin Volgger Volgger beschreibt verschiedene bewährte Konzepte Konzepte der Psyc Psychologie, hologie, die uns helfen, Vertrauen Vertrauen in das eigene Können aufzubauen.

1. REALISTISCHES DENKEN ÜBEN, DENKFALLEN VERMEIDEN Der Psychologe Albert Ellis entdeckte, dass Menschen Gefahr laufen, in Denkfallen zu geraten. Beispiele für Denkfallen sind: Katastrophendenken, Alles-muss-Denken, sich für alles verantwortlich fühlen, Denken über das Denken, Zukunfts- und Vergangenheitsdenken. Dieses Denken ist dadurch gekennzeichnet, dass es ungute Gefühle bewirkt und wenig mit der Realität zu tun hat. Besser wäre es, die eigenen Gedanken aufzuschreiben und sie auf unrealistische negative Werthaltungen Werthaltungen hinzuprüfen (beispielsweise: „Ich darf keinen Fehler machen!“ „Ich muss bei anderen immer gut dastehen!“). Nun geht es daran, die unrealistischen Denkinhalte durch realistische zu ersetzen. Statt etwas zu unterlassen, aus Angst einen Fehler zu machen, könnte die neue Sichtweise lauten: „Ja, ich möchte gute Arbeit leisten, aber ich weiß auch: Wer arbeitet, macht Fehler. Nur wer nichts tut, macht auch nichts falsch.“ Für das Beispiel des tadellosen Ansehens: „Ich möchte wirklich, dass andere gut über mich denken. Aber erstens kann ich keine Gedanken lesen. Und zweitens bin ich nicht auf dieser Welt, um es allen anderen recht zu machen.“ Dabei ist zu beachten: Im ersten Teil der Neubewertung zollen wir dem alten Glaubenssatz Anerkennung, indem wir ihn ernst nehmen: „Ja, ich möchte, dass andere gut von mir denken.“ Erst im zweiten Teil erscheint dann die neue, realistische Haltung als eine Ergänzung: „… aber ich bin nicht auf der Welt, um es allen immer recht zu machen!“

2. DER EIGENE ANWALT SEIN – NICHT DER STAATSANWALT Wie wir etwas beurteilen, kommt auf den Blickwinkel an. Das betrifft auch die Sicht auf uns selbst. Steht jemand vor Gericht, so vertreten der Verteidiger und der Staatsanwalt verschiedene verschiedene Positionen: Während Während der Anwalt die guten Motive und hehren Absichten des Angeklagten herausstellt, sieht der Staatsanwalt

zugsperson, um uns ein Leben lang positiv zu beeinflussen.

denselben Sachverhalt mit dem strengstmöglichen Blick. 83

 

Welche Rolle nehmen Sie ein, wenn Sie mit sich selbst ins Gericht gehen? Wenn Wenn wir uns ständig darauf dar auf hinweisen, was noch fehlt, was noch besser laufen könnte, was wir alles noch nicht erledigt haben – dann verhalten wir uns wie ein Staatsanwalt. Haben wir so eine innere Stimme, die sehr laut ist, stehen unsere Chancen, Selbstvertrauen aufzubauen, schlecht.

Ich habe das Recht, nein zu sagen. Ich habe das Recht, meine Stärke anzuerkennen. Ich habe das Recht, dumme Fehler zu machen. Ich habe das Recht, Neues auszuprobieren. Ich habe das Recht, mich gehenzulassen. Ich habe das Recht, das zu tun und so zu sein,

Denn Selbstvertrauen ist ein Gefühl, das nicht nur von Ereignissen, sondern auch von deren Interpretationen genährt wird. Für ein gutes Selbstvertrauen müssen Sie den Anwalt – den Verteidiger des Ich – stärken. So können Sie es schaffen: Beobachten Sie über eine gewisse Zeit Ihre Gedankengänge. Wie denken Sie über anstehende Ereignisse nach? Sind Sie eher zuversichtlich und denken: „Das wird heute gutgehen“, oder nehmen Sie eher an: „Mir wird das heute nicht gelingen.“? Vielleicht bemerken Sie, dass Sie oft einen ungünstigen Ausgang Ihrer Vorhaben Vorhaben annehmen und dass Sie zurückliegende Ereignisse häufig negativ interpretieren interpretieren.. Wenn Wenn das so ist, müssen Sie diesen Mechanismus unterbrechen. Dies können Sie tun, indem Sie auf das Denken vor und nach einer Aufgabe Einfluss nehmen:            ationen (Wie habe ich mich gestern auf der Party verhalten? Beim Büromeeting?) mit den negativen Aspekten Aspekten und hören Sie mit den positiven auf.

wie ich es brauche. Ich habe das Recht, meine Gefühle ernst zu nehmen. Ich habe das Recht, meine Überzeugungen und Werte zu ändern und mich weiterzuentwickeln.

          

Beschäftigung mit dem, was gut gelaufen oder gelungen ist.           

und die Energie für das Hier und Jetzt.             

Seiten.           

Selbstvertrauen.             

Gefühl: „Ja, das geht!“          

künstli ch erscheint. Das neue Denken und Verhalten künstlich Verhalten muss erst geübt werden.

 3. DIE EIGENEN RECHTE ACHTEN Jeder Mensch ist mit Grundrechten ausgestattet. Das ist eine Selbstverständlichkeit, finden die meisten. Aber schauen Sie sich die folgende Liste an. Gestehen Sie sich diese Rechte tatsächlich im Alltag zu? Können Sie hinter jedes der folgenden Lebensrechte Ihre Unterschrift setzen?

Mein Recht  Ich habe das Recht, mich an erste Stelle zu setzen.

4. EIN ORIGINAL SEIN Jeder Mensch ist einzigartig. Es gab noch nie einen Menschen auf dieser Welt, der genauso war, wie Sie es sind. Schöpfen Sie aus dieser Erkenntnis Kraft: Sie müssen nicht alles genauso wie andere Menschen machen – sie brauchen es nicht einmal so ähnlich zu machen. Wenn Wenn Sie diese Einschätzung Einschätz ung ernst nehmen, ist es nicht nötig, dass Sie sich ständig mit anderen vergleichen. Es kann sein, dass Kollegin X sich besser mit Computerprogrammen auskennt und die Wohnung von Freund Y gerade aufgeräumter ist als Ihre. Vergleichen Vergleichen Sie sich nicht so oft mit anderen. Suchen Sie nach Ihrer individuellen, einzigartigen Kombination von Kraft, Kreativität und Interessen.

5. MIT VISUALISIERUNGEN DAS SELBSTVERTRAUEN STÄRKEN Wenn wir uns etwas vorstellen, so löst das körperliche Reaktionen aus. In der Sportpsychologie gehören daher Visualisierungen zum normalen Übungsalltag. Damit wird trainiert, Konzentration Konzen tration und Bewegungssicherheit aufzubauen, und die eigenen Überzeugungen werden gestärkt. Manche nennen diese Visualisierungen „mentales Training“ Training“ (siehe dazu auch Seite 78). Darunter versteht man die planmäßige, wiederholte und bewusst durchgeführte Vorstellung Vorstellung einer Handlung (oder Bewegung), ohne dass diese praktisch ausgeführt wird. w ird. Dieses „Probehandeln „Probehandeln im Geiste“ wirkt sich körperlich aus. Dies zeigt sich im sogenannten Carpentereffekt, der nach seinem Entdecker benannt ist: Eine Bewegung, die man sieht oder sich vorstellt, möchte man mitvollziehen. In Studien wurde belegt, dass allein die Vorstellung Vorstellung von Bewegungsabläufen dazu führt, dass wir diese Handlung üben. Visualisieren ist eine Technik, mit der sich Selbstkontrolle und Selbstvertrauen aufbauen lassen. Diese Erkenntnis können Sie nutzen – trainieren Sie im Geiste.                     -

steht, und stellen Sie sich vor vor,, wie Sie diese Aufgabe meistern.

Ich habe das Recht, glücklich zu sein. 84 

Setzen Sie dabei möglichst alle Sinne ein: Was sehen, hören, PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

schmecken Sie dabei? Sie können sich dazu auch verfühlen, schmecken bale Unterstützung geben und sich zusprechen. Wichtig ist, dass Sie nicht nur schwierige Abschnitte der Aufgabe visualisieren, sondern möglichst die ganze Aufgabe und auch die Teilschritte, die Sie schon gut beherrschen. Manche Menschen können sich „von Haus aus“ besser Din-

Ist Psychologie die  wahr  wa hree Sc Schl hlüs üsse sell wiss  wi ssen ensc scha haft ft un unse sere rerr Ze Zeit it??

ge vorstellen als andere. Aber auch das Visualisieren lässt sich trainieren. Visualisierungen Visualisierungen wirken am besten, wenn man sie regelmäßig übt und wenn man an die positive Wirkung der Visualisierung glaubt.

6. SELBSTHYPNOSE Eine geringe Selbstwirksamkeit ist nicht nur handlungshemmend, sie kann auch dazu führen, dass eigene Bedürfnisse nicht mehr wahrgenommen werden. „Was brauche ich?“ „Was tut mir gut?“ „Wo „Wo liegen meine Stärken?“ Dies sind zentrale Fragen beim Aufbau von Selbstwirksamkeit. Sie können in einem Trancezustand leichter erfahren werden. Diesen Weg sollte

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man unter Anleitung gehen.

 7. SELBSTVERTRAUEN DURCH LEBENSWEISHEITEN UND WEL WELTTANSCHAUUNG ANSCHAUUNGEN EN Seit jeher haben Lebensweisheiten ihren Platz in jeder Kultur. Kultur. Es handelt sich dabei um Überlegungen von Menschen Menschen zu bestimmten Lebenssituationen, Lebenssitua tionen, zu Werthaltu Werthaltungen ngen und Einschätzungen. Sie werden als Hilfestellungen für besondere Herausforderungen weitergegeben. Hier Hier sind einige Beispiele: Nicht das, was Sie eigentlich sind, hindert Sie am Erfolg, sondern das, was Sie meinen, nicht zu sein. Nimm das Leben nicht so ernst, Du kommst da eh nicht lebend wieder heraus. Die Gedanken von heute sind die Wirklichkeit von morgen. Man fliegt immer nur so weit, wie man im Kopf schon ist. Wenn Sie Selbstvertrauen trainieren möchten, können Lebensweisheiten als Modell dienen und anregen, einen neuen Blickwinkel einzunehmen und die eigenen Denk- und Hand PH   PH C  lungsmuster neu zu bewerten. Literatur Martin Volgger: Yes I can, das geht! Training der Selbstwirksamkeit. Mit Spaß und Selbstvertrauen Sel bstvertrauen zum Erfolg. Tredition, Hamburg 2013

265 Seiten, broschiert. ISBN 978-3-407-47240-3 € 15,95 D | Auch als erhältlich *in der Kongresswoche vom 21.-28.09.2014 statt € 14,99 D

Dreizehn der wichtigsten deutschen Psychologen erklären ihre Forschung und ihr Menschenbild. Und sie zeigen, wie die Psychologie unser aller Leben verändern, beein󰁦lussen und verbessern wird. Mit Beiträgen von ✷ Tania Singer ✷ Gerd Gigerenzer ✷  Jü  Jürg rgen en Margra󰁦 ✷ Hugo Schmale ✷ Leo Montada ✷ Anke Ehlers ✷ Dieter Frey ✷ Ulman Lindenberger ✷ Andreas Kruse ✷ Harald Welzer ✷ Ute Frevert ✷ Ursula Staudinger ✷  Jü  Jürg rgen en Weg egge ge

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KONZENTRIERT STUDIEREN

Chaotisch, unkonzentriert, hibbelig oder verträumt: So werden Menschen mit der Aufmerksamkeitsstörung ADHS beschrieben. Das „Zappelphilippsyn „Zappelphilippsyndrom“ drom“ ist schon auf der Schule ein ernstes Handicap. Noch Noch schwieriger wird w ird es im Studium, wenn man sein Lernpensum selbst organisieren org anisieren muss. Einige Universitäten bieten nun spezielle Trainings Trainings für betroffene bet roffene Studenten an VON VANESSA KÖNEKE

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PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

ls Kind nennt man sie Zappelphilipp oder Träumer. Als Erwachsene wirken sie vergesslich, unaufmerksam und chaotisch: Menschen mit ADHS, der Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung. Früher schrieb man nur Kindern ADHS zu. Man dachte, die ständige

Im ADHS-Coaching hat Daniel Gießert mehr über sein Handicap erfahren, aber vor allem praktische Tipps für Studienalltag und Privatleben bekommen. In Köln findet das Coaching in der Gruppe statt und wird von mehreren PsychoPsychologen geleitet. Es umfasst sechs Trainingseinheiten, verteilt über rund zehn Wochen, jede Woche mit einem anderen

Unkonzentrierthe it und Unruhe Unkonzentriertheit Unruhe werde sich auswachsen. Doch mittlerweile ist klar: Bei rund 60 Prozent der Betroffenen bleibt die Störung auch im Erwachsenenalter bestehen. bestehen. Vor allem das Studieren fällt jungen Leuten mit einem Aufmerksamkeitsdefizit schwer. schwer. Denn im Studium kommt es auf Selbstorganisation an, und genau da liegt die Schwäche von Menschen mit Aufmerksamkeitsschwäche. Sie haben keinen festen Tagesablauf, kommen zu spät zu den Vorlesungen, wissen nicht, wie sie eine Hausarbeit angehen sollen, oder vergessen, sich rechtzeitig für Klausuren anzumelden. Außerdem sehen sie häufig den Wald vor lauter Bäumen

Schwerpunkt. Die Konzepte Konzepte für das Coaching stammen zum Teil aus der Personalberatung, die Idee aus den USA und Australien. Um organisierter und optimistischer zu werden, lernen die Studenten etliche Strategien kennen. Doch manchmal sind es gerade die kleinen Tipps, die wirken. Zum Beispiel diese:

nicht, nehmen ständig jedes Detail wahr, aber das Wesentli W esentliche che entgeht ihnen. So haben betroffene Studenten manchmal selbst nach 18 Semestern das Grundstudium noch nicht abgeschlossen. Andere sind schon lange vorher so demotiviert, dass sie ihr Studium abbrechen – bei einer Stichprobe der Universität Freiburg war es jeder Fünfte. Auch Auch eine amerikanische Studie belegt: Menschen Mensch en mit ADHS, haben bei gleicher g leicher Intelligenz und Be-

bei Seminaren kann man sich beteiligen, und die Gedanken schweifen weniger schnell ab. Wichtig ist den Kursleit Kursleitern, ern, dass die Betroffenen zunächst ihre Probleme analysieren und erkennen, wann und wodurch sie sich belastet fühlen. Anschließend Anschließend setzt sich jeder Teilnehmer drei konkrete Ziele; sie gilt es am Ende des Trainings erreicht zu haben. Ziele können sein, eine bestimmte Klausur zu bestehen, eine Hausarbeit abzugeben oder einen Lernpartner zu finden. Da-

gabung seltener einen Universitätsabschluss Universitätsabschluss und sind häufiger arbeitslos. Einige Universitäten haben das Problem jetzt erkannt. Sie haben Trainingskurse entwickelt, häufig Coachings genannt, in denen Studenten mit Aufmerksamkeitsproblemen lernen sollen, mit ihren Schwierigkeiten umzugehen. An der Universität Köln läuft das Projekt seit einigen Jahren (www. (www. adhs-projekt.uni-koeln.de). adhs-projekt.uni-koeln.de ). Ein Betroffener ist Daniel Gießert (der Name wurde geändert). „Ich hätte schon vor zwei Jahren mit dem Studium fertig sein können“, sagt der 27-jährige Betriebswirtschaftsstudent. Aber ab dem Hauptstudium sei es bergab gegangen. Gießert bricht jedes Mal etwa in der Hälfte des Semesters so gut wie alle Lehrveranstaltungen ab: „Irgendwann traue ich mir das einfach nicht mehr zu.“ Dabei sei er interessiert und engagiert. Und bei seinen Ferienjobs laufe es doch eigentlich ganz gut: Da sind eben viele der Arbeitsabläufe von außen

bei sind Prioritäten zu setzen. Andere Menschen erkennen oft automatisch, was wichtig ist und was unwichtig; was sie sofort sofor t machen sollten und was warten kann. ADHS-Betroffene müssen hingegen stärker verkopft an die Sache gehen. Klappen könnte das mit dem Eisenhowerprinzip, benannt nach USPräsident Dwight D. Eisenhower, der es genutzt und gelehrt hat. Beim Eisenhowerprinzip, zeichnet man eine Tabelle mit vier Feldern: Felder n: „wichtig und dringend“,„wichtig, aber nicht drind ringend“, „unwichtig, aber dringend“ und „unwichtig und nicht dringend“. Mit Beispielen wird in den Kursen verdeutlicht, verdeutlicht, welche Aufgaben wo einzuordnen einzuo rdnen sind. Was Was für die Teilnehmer persönlich bedeutsam ist, sollen sie anhand der Ziele einschätzen, die sie in der ersten Trainingsstunde Trainingsstunde definiert haben. Ziel ist, wichtige Dinge zu erledigen, bevor sie dringend werden. Eine weitere Hilfsstrategie, die die Studenten S tudenten im Coaching

A

                              -

ten; das lenkt ab

UNANGENEHMES

    

statt Vorlesungen besuchen,

denn

ALS ERSTES ERLEDIGEN. IMMER EINE SACHE ZU ENDE BRINGEN

strukturiert.

einüben, besteht darin, mit Bildern und Grafiken zu lernen 87

 

statt mit Fließtext. Denn aufmerksamkeitsgestörte Menschen mit ADHS können einen monotonen Strom von Informationen wie bei einem Text Text schlecht verarbeiten. verarb eiten. Sie verlieren ständig den Faden. Dafür sind sie umso besser bei gleichzeitig eintreffenden eintreffen den Informationen; Informatione n; an Bilder, Tabelle abellen n und Grafiken können sie sich später einfacher erinnern.

weniger als Gängelung denn als äußere Stütze im Kampf gegen den inneren Schlendrian. Hilfe sollen sich die Gruppenteilnehmer auch gegenseitig geben: Sie bilden Zweierteams, Tandems. Die Tandempartner Tandempartner helfen sich zum Beispiel durch einen morgendlichen Weckanruf. Weckanruf. Oder durch eine Erinnerung per Mail: „Du wolltest doch …?“ „Hast du denn schon …?“

Gerhard Lauth, Psychologieprofessor an der Kölner Universität und Initiator des ADHS-Coachings, sieht das Hauptproblem dieser Studenten allerdings weniger in einem Mangel an Lern- und Kompensationsstrategien als in einem Mangel an deren Umsetzung: „Die Studenten wissen häufig schon vorher,, wie sie etwas ändern können, aber sie machen es trotzdem her nicht“,, so der Psychologe. Der Grund sei, dass den Betroffenen nicht“ gleich zu Beginn einer Initiative Bilder von möglichen Schwierigkeiten und dem eigenen Scheitern durch den Kopf gehen – sie erwarten bereits, zu versagen. Zu häufig

Durch das Coaching lernen lerne n viele der Teilnehmer Teilnehmer zum ersten erste n Mal Schicksalsgenossen kennen. Für manche ist diese Erfahrung wichtiger als der eigentliche Trainingsinhalt. Trainingsinhalt. „Endlich „Endlich ist da jemand, der mich versteht. Jemand, Jemand, der die gleichen Probleme hat“, sagt der Psychologiestude Psycholog iestudent nt Tim Hassler. Ansonsten erzählt der 30-Jährige mittlerweile niemandem mehr von seiner Aufmerksamkeitsstörung.„Die lachen mich nur aus.“ Keine Lust zum Lernen? Verschlafen? Im Hörsaal lieber aus dem Fenster gucken, als dem Professor zuhören? Das kennt doch  jeder. Stimmt. Aber Menschen

haben sie negative Erfahrungen gemacht. Menschen mit ADHS merken, dass sie irgendwie anders sind; dass sie viele Dinge nicht schaffen, die für andere Mensch Menschen en einfach sind. Zudem werden sie von Eltern, Lehrern oder Freunden oft für faul, schusselig oder gar dumm gehalten. Irgendwann glauben die Betroffenen es selbst und kapitulieren. Druck und schlechtes Gewissen steigen; das

MAN MUSS NUR EINMAL DEN TEUFELSKREIS DURCHBRECHEN. NICHTS MACHT ERFOLGREICHER  ALS ERFOLG

Selbstvertrauen nimmt weiter ab. ADHS-Experte Lauth und sein Kollege Wolf-Rüdiger Wolf-Rüdiger Minsel versuchen daher vor allem, den Studenten dabei zu helfen, sich aus diesem Strudel der Selbstabwertung zu befreien. „Die Betroffenen müssen nur einmal aus dem Kreislauf ausbrechen; nichts macht macht erfolgreicher als Erfolg“, sagt Lauth. Im Mittelpunkt des Trainings steht deshalb, das Selbstvertrauen der Studenten zu stärken. Einerseits sollen sie gelassener werden: sich weniger vergleichen und nicht mehr so fixiert darauf sein, bestimmten Standards gerecht werden zu wollen. Andererseits sollen sie erleben, dass sie durchaus fähig sind, ihr Studium zu meistern, wenn auch in kleinen Schritten. Erfolge können die Studenten zum Beispiel bei den Hausaufgaben erleben, die sie sich am Ende jeder Trainingseinheit Trainingseinheit geben. Am Anfang der nächsten Trainingseinheit Trainingseinheit kontrolliert der Coach, ob die Teilnehmer die jeweilige Wochenaufgabe auch

mit ertappen sich nicht bloßADHS gelegentlich, sondern ständig dabei: Sie sind permanent unkonzentriert, unruhig und unorganisiert. Und dazu fühlen sie sich chronisch unverstanden. unverstanden. Viele Betroffene ziehen sich zurück und isolieren sich. In Gruppen fühlen sie sich außen vor – zum Teil Teil weil sie si e von Kindheit an den zappeligen Clown und Entertainer gespielt haben, aber bei Gesprächen nie für voll

genommen worden sind. Außerdem sind sie in Gruppensituationen häufig überfordert, da zu viele Reize an ihrer Aufmerksamkeit zerren. „Ich habe auch Freunde verloren, weil ich vergessen habe, mich zu melden“, sagt Daniel Gießert. Soziale Schwierigkeiten werden daher ebenfalls im Rahmen des Trainings besprochen. Am Ende jeder Trainingseinheit gibt es eine „Stärkerunde“. Die Teilnehmer Teilnehmer sollen erkennen, dass ihre Störung auch positive Seiten hat. Und die hat ADHS tatsächlich: Die Betroffenen sind meist sehr kreativ und kommen auf unkonventionelle Lösungen. Wenn Wenn sie sich für etwas wirklich interessieren, können sie trotz sonstiger Abgelenktheit Abgelenktheit sehr ausdauernd und engagiert sein. Ihre überschüssige Energie können sie für Sport nutzen, bis hin zum Leistungssport. Leistungsspor t. Außerdem Außerdem sind sie oft gut im Multitasking, im gleichzeitigen Erledigen Erledi gen mehrerer Aufgaben – vorausgesetzt, es muss dabei nicht allzu konzen-

wirklich umgesetzt haben. Das empfinden die Betroffenen 88 

triert zugehen. PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

„Ich „Ic h bin nicht aufgeregt – ich bin begeistert“ begeistert“ DIE UMDEUTUNG VON GEFÜHLEN KANN HELFEN, PRÜFUNGSÄNGSTE IN DEN GRIFF ZU BEKOMMEN Eine Rede halten, Karaoke singen oder eine Prüfung absolvieren: Schon der Gedanke daran versetzt viele Menschen in Angst. Bevor sie überhaupt etwas gesagt, gesungen oder geschrieben haben, machen sie sich verrückt. Das ist nicht nur unangenehm, sondern verschlechtert meist auch die Leistung. Was lässt sich gegen diese Angst tun? Das hat die Harvardwissenschaftlerin Alison Wood Brooks 300 Internetnutzer gefragt. Die meisten Teilnehmer schlugen vor, sich um Gelassenheit zu bemühen. Brooks gibt  jedoch zu bedenken, dies sei im Alltag schwer umzusetzen. Zudem könne es sogar kontraproduktiv sein:

ve Erregung (Begeisterung) erklärt hatten, hielten eine messbar längere Rede als die anderen VersuchspersoVersuchspersonen. Mehr noch: Unbeteiligte Unbeteiligte schätzten die Redner der ersten Gruppe als überzeugender überzeugender,, kompetenter und – überraschenderweise – auch entspannter ein. Brooks meint: „Wie „Wie wir über unsere Gefühle sprechen, beeinflusst stark, wie wir uns tatsächlich fühlen.“ In einem weiteren Experiment legte die Wissenschaftlerin 188 Studenten schwierige Mathematikaufgaben vor. Einige lasen vorab: „Versuchen Sie Ruhe zu bewahren.“ Andere wurden gebeten, sich zu begeistern. Einer Kontrollgruppe wurde ein neutraler Satz vorge-

Wer krampfhaft versucht, die Fall Ruhe zunoch bewahren, beschäftigt sich im schlimmsten nur mehr mit dem, was schiefgehen könnte. Die Forscherin rät deshalb zu etwas, das auf den ersten Blick vielleicht überraschend erscheint. Sie schlägt vor, die eigene Anspannung anzunehmen und in einen Zustand positiver Erregung umzudeuten. Sobald sich schweißnasse Hände und klopfendes Herz sinnvoll erklären lassen, sind sie weniger bedrohlich. In drei Experimenten zeigte Brooks, dass sich die Aufregung vor einer unangenehmen Aufgabe verhältnismäßig leicht neu bewerten lässt. Brooks, die an der  Betriebswirtschaf t lehrt, bat für Harvard Business School  Betriebswirtschaft

legt. Auch beiVorteile. diesem Test die positiv Teilnehmer Ihre hatten Ergebnisse warenerregten durchschnittlich um acht Prozent Prozent besser als die der anderen beiden Gruppen. Zudem gaben sie im Nachhinein an, besonders viel Vertrauen in ihre eigenen Rechenfähigkeiten gehabt zu haben.

einen ersten Versuch 140 Studenten, einen Vortrag vorzubereiten.. Das Thema gab die Forscherin vor – jeder zubereiten Proband sollte erklären, warum man gerade mit ihm besonders gut zusammenarbeiten zusammenarbei ten könne. Öffentlich für sich selbst zu werben ist für sich genommen schon unangenehm. Doch um die Freiwilligen noch mehr zu ängstigen, ließ Brooks die Vorträge mit Kameras aufzeichnen und von unbeteiligten Gutachtern bewerten. Bevor sie das Wort ergriffen, sagte ein Teil der Studenten: „Ich „Ich bin begeistert.“ (Die amerikanischen Studenten sagten im Original: „I am excited.“ Das Adjektiv excited  lässt   lässt sich sowohl mit begeistert, gespannt oder aufgeregt übersetzen.) Andere Studierende äußerten: „Ich „Ich bin ruhig.“ Wie wirkte sich dieses kurze Selbstgespräch aus? Die Probanden, die sich ihre Aufregung durch eine positi-

Wie lassen sich diese Ergebnisse interpretieren? „Wenn Sie Angst haben, geraten Sie leicht ins Grübeln und denken zu viel über bedrohliche Dinge nach“, sagt Brooks. „In „In solchen Situationen sollten Sie sich auf das konzentrieren, was Sie beeinflussen können.“ Da sowohl Angst als auch Begeisterung durch hohe körperliche Erregung gekennzeichnet sind, sei es einfacher, hier eine gedankliche Neubewertung vorzunehmen –  PH   PH C  einfacher zumindest, als sich zu beruhigen.  Johannes Künzel

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ZUM   ZUM HANG KREATIVER TRÖDELN Jeder Vierte Vierte schiebt Aufgaben auf die lange Bank. Bisher galt dieses d ieses Bummeln und Trödeln Trödeln als Übel. Doch nun meinen einige Wissenschaftler: Wer Wer kreativ aufschiebt, aufschi ebt, bekommt unter Umständen eine Menge geschafft

VON ANNETTE SCHÄFER 90 

PSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

ur noch fünf Tage, bis Andreas das Konzept zur digitalen Archivierung von Dokumenten auf den Schreibtisch der Chefin legen muss. Es ist Wochen her, dass sie ihm diese eher langweilige Aufgabe übertragen hat. Aber der IT-Experte hat sich seitdem lieber mit der geplanten

als ungesund und unproduktiv zu durchbrechen durchbrechen:: „Wir sollten anerkennen, dass manche Arten des Aufschiebens Menschen zufriedener und leistungsfähiger machen.“ Auch John Perry, emeritie emeritierter rter Philosophieprofe Philosop hieprofessor ssor von der Stanford-Universität, will die Tendenz zum Aufschieben nicht als ausschließlich negative Eigenschaft verstanden wissen. Er

neuen Datenbank befasst, ein Thema, das ihn mehr interessiert. Andreas hat ein schlechtes Gewissen, weil er das Archivierungsprojekt so lange vertagt hat. Aber irgendwie braucht er den Druck einer heranrückenden Deadline, um sich zu motivieren, und hat das Gefühl, unter Stress schneller und effizienter arbeiten zu können. Wenn Wenn er ehrlich ist, liebt er die Stimmung, die mit Fünf-vor-zwölf-Aktionen einhergeht: die adrenalingetränktee Intensität, das fieberhafte Arbeiten bis tief adrenalingetränkt in die Nacht und das Hochgefühl, wenn er die Aufgabe doch noch rechtzeitig fertiggestellt hat. Auch Auch diesmal bringt er die Sache zu einem guten Ende. Fünf Tage später, kurz vor Feierabend, trägt er den säuberlich ausgedruckten Report persön-

N

hat den Begriff der strukturierten Prokrastination, auch „Auf„Aufschieben mit Plan“ genannt, entwickelt – aus eigenem Leidensdruck. Der angesehene Wissenschaftler ist ein notorischer Aufschieber,, und früher Aufschieber f rüher haderte er sehr mit dieser Schwäche, wie er in seinem humorvollen und selbstironischen Büchlein Einfach liegen lassen (Riemann, München 2012) berichtet. ber ichtet. Als er mal wieder mit einem Projekt nicht in die Gänge kam und sich deswegen schrecklich fühlte, fiel ihm auf: Trotz seiner Angewohnheit, wichtige Aufgaben Aufgaben bis zur letzten Minute – und darüber hinaus – liegenzulassen, hatte er den Ruf, ein Mensch zu sein, der viel Produktives Produkti ves leistet. Wie ließ sich dieses Paradox erklären? Ganz einfach: Aufschieber wie er tun selten gar

lich in dasscheint Büro der Bereichsleiterin. er angetan sie am nächsten Tag trifft, sie von seiner Arbeit Als recht zu sein. Wichtige Aufgaben Aufgaben immer wieder zu verschieben, obwohl man sie eigentlich erledigen sollte, nennt man in der Psychologie Prokrastination. Der Begriff wird überwiegend negativ verstanden, im Sinne eines dysfunktionalen Verhaltens oder gar einer ernsthaften Lern- und Arbeitsstörung. Es gibt unterschiedliche Definitionen, aber die meisten Forscher betonen drei Kernkriterien: Neben der Tatsache, dass eine Tätigkeit herausgezögert wird, gehören dazu die fehlende Notwendigkeit und die Kontraproduktivität dieses Verhaltens. Verhaltens. Mit anderen Worten: Man stellt die Aufgabe zurück, obwohl es eigentlich keinen guten Grund dafür gibt und man sich selbst damit

nichts. Um nicht dasmit zu tun, was sie eigentlich sollten, beschäftigen sie sich vielen anderen Dingen.tun Das kann abstauben, Bleistifte anspitzen oder im Internet surfen sein. Die Kunst des strukturierten Aufschiebens besteht darin, sich nicht auf solch unwichtige Tätigkeiten zu beschränken. Ein Aufschieber, betont Perry, kann sich oft auch zu schwierigen und zeitaufwendigen Aufgaben motivieren, sofern ihm dies dazu dient, andere wichtige Dinge nicht zu tun.

schadet. Als Ursache werden allerhand menschliche Schwächen ins Feld geführt: Angst vor Versagen, Impulsivität, Perfektionismus, der Wunsch nach schneller Bedürfnisbefriedigung, Ablenkbarkeit, Probleme Probleme mit der Selbstregulation, mangelnde Organisation und Prioritätensetzung. Doch was ist mit Leuten wie Andreas, die wichtige wichti ge Aufgaben immer wieder bis zur letzten Minute zurückstellen und sich deswegen auch Vorwürfe machen, denen ihre Aufschieberitis aber durchaus Vorteile zu bringen scheint? Es gebe in der Tat Formen des Aufschiebens, meinen einige Forscher Forscher,, die nicht so problematisch sind. Manche halten das Vertagen Vertagen sogar für eine hilfreiche Strategie. Dazu gehört Jin Nam Choi, Organisationspsychologe und Professor an der Seoul National University , der Gründe und Folgen des Aufschiebens bei kanadischen Studenten untersucht und dabei zahlreiche positive Aspekte identifiziert hat. Diese Ergebnisse belegten die Not-

einer der bekanntesten Prokrastinationsforscher, ähnlich. „Verhaltenspsych „V erhaltenspsychologen ologen meinen, wir seien bereit, jede noch so schlimme Tätigkeit zu verrichten, wenn wir dadurch etwas noch Schlimmeres vermeiden können“, schreibt er in seinem Buch Der Zauderberg: Warum wir immer alles auf morgen verschieben und wie wir damit aufhören (Bastei Lübbe, Auflage 2011). Die Idee des kreativen Aufschiebens, Aufschiebens, wie Steel es nennt, basiere also auf soliden soli den psychologischen Prinzipien. WohlgeWohlgemerkt: Grundsätzlich rät Steel, man solle versuchen, den Hang zum Vertagen und Trödeln in den Griff zu bekommen, aber er räumt ein, viele Mensche Menschen n könnten ihn nicht vollkommen loswerden. Kreatives Aufschieben, obwohl keine perfekte Methode, könne den Preis des Aufschiebens immerhin deutlich reduzieren. Es ist eine Strategie, die er selbst praktiziert, wie er der New York Times Times verriet: „Es ist einer meiner besten Tricks, meine Projekte gegeneinander auszuspielen; ich schinde Zeit,

AUFSCHIEBER SIND NICHT FAUL – SIE SIND FAST IMMER BESCHÄFTIGT Das sieht Piers Steel, Professor für Human Resources Resources und Organisationspsychologie an der Universität von Calgary und

wendigkeit, meint er, er, die einseitige Sicht auf Prokrastination

indem ich an einem anderen arbeite.“ 91

 

Strukturiertes Aufschieben ist am wirkungsvollsten, erklärt Perry, wenn man an die Spitze der Prioritätenliste Aufgaben

WER ABWARTET, ABWARTET, GIBT DER KREATIVITÄT EINE CHANCE

setzt, die wichtiger und dringender klingen, als sie in Wirklichkeit sind. Diese kann man dann getrost zugunsten von Tätigkeiten weiter unten vertagen, die auch (oder eigentlich) bedeutsam sind. „Der Aufschieber“, Aufschieber“, schreibt Perry, „braucht „braucht seine Aufgaben nur auf diese Weise planvoll zu sortieren und wird so zu einem nützlichen Mitglied der Gesellschaft. Womöglich erwirbt er sich sogar wie ich i ch den Ruf, viel zu leisten.“ Aufschieben, Aufschiebe n, sofern man es richtig macht, muss laut Perry also kein Übel und kein Laster sein. Organisationspsychologe Organisationspsychologe Choi sieht darin sogar eine potenzielle Stärke. Er unterscheidet zwischen „aktiver“ und „passiver“ Prokrastination. Die passive ist die schädliche Form, jene, die Psychologen bislang vor

Aktive Aufschieber wiesen eine weitere interessante interessante Besonderheit auf: Von allen Teilnehmern waren sie diejenigen, die ihre Zeit am wenigsten strukturierten und am seltensten einer täglichen Routine folgten. Damit hätten die Forscher nicht gerechnet, aber Choi hat eine Erklärung parat. Obwohl aktive Aufschieber ihre Zeit durchaus planen, halten sie sich nicht sklavisch sklavi sch daran, vermutet er. Wenn etwas Überraschendes Überras chendes passiert, schalten sie um und wenden sich einer anderen Aufgabe zu, die ihnen im Moment wichtiger erscheint. Sollte Sollte sich diese These als zutreffend herausstellen, was erst noch überprüft werden muss, könnte sich aktives Aufschieben als besonders

allem im vertagen Auge hatten. Passive Aufschieber, wieschaffen, Choi sie sich beschreibt, eine Aufgabe, weil sie es nicht weil auf eine Aufgabe zu konzentrieren oder sofortige Bedürfnisbefriedigung befri edigung brauchen. bra uchen. Wenn Wenn der Termin Termin näherrückt, näher rückt, die Frist abläuft, lastet der Druck schwer auf ihnen. Sie zweifeln an sich und ihrer Leistungsfähigkeit, Leistungsfä higkeit, werden von depressiven VerstimVerstimmungen geplagt. Dies erhöht noch die Gefahr Gefahr,, dass sie aufgeben und die Aufgabe nicht erfolgreich zu Ende bringen. Ganz anders aktive Aufschieber: Aufschieber: Sie lieben es, unter Druck zu z u arbeiten. Deshalb vertagen sie Aktivitäten ganz bewusst und konzentrieren sich eine Weile auf andere Sachen, die ihnen ebenfalls wichtig sind. Wenn eine Deadline näherkommt, fühlen sie sich dadurch herausgefordert und motiviert. Auch unter

vorteilhafte – und sogar notwendige Strategie für f ürschwer Menschen herausstellen, betont Choi, die in sehr–fordernden, schw er einschätzbaren und sich schnell verändernden Bereichen arbeiten: „In dieser Art von Konte Kontext xt mögen aktive Aufschieber effizienter funktionieren als andere, weil sie sich nicht von vorab aufgestellten Plänen einschränken lassen und deshalb spontaner mit unvorhergesehenen Veränderungen umgehen können.“ Auf die lange Bank schieben kann weitere Vorteile Vorteile haben, zumindest aus der Sicht desjenigen, desj enigen, der schiebt. „Hinauszögern verhindert, dass ich Dinge tue, wenn ich noch nicht so weit bin.“ „Wenn „Wenn ich etwas Schwieriges vertage, arbeitet es unbewusst weiter in mir.“ „Wenn man abwartet, kann Kreativität ganz natürlich entstehen.“ „Vertagen schützt mich davor,

großem Stress geben sie nicht auf, sondern arbeiten produktiv und konzentriert. So sind sie in der Lage, Aufgaben in der letzten Minute und mit guten Ergebnissen fertigzustellen. Zweii Studien von Choi und Kollegen weisen nach, dass dieZwe se Unterteilung ihre Berechtigung hat. „Wir konnten zeigen“, schreiben die Autoren, „dass es eine Untergruppe von Aufschiebern gibt, nämlich die aktiven Aufschieber, die in der Tat wünschenswerte Einstellungen Einstell ungen und Verhaltensweise Verhaltensweisen n besitzen, obwohl sie das gleiche Maß an Prokrastination zeigen wie die traditionellen, passiven Aufschieber.“ Aufschieber.“ In mancherlei Hinsicht denken und handeln aktive Aufschieber eher wie Menschen Menschen,, die anstehende Aufgaben sofort erledigen, betonen die Wissenschaftler. So schnitten sie im Hinblick auf sinnvolle Zeitnutzung, Gefühle von Selbstwi Selbstwirksamkeit, rksamkeit, Depressivität, Depressivitä t, Stresslevel und Studienleistungen genauso gut wie Nichtaufschieber ab, während passive Aufschieber deutlich nachteiligere Werte

schlechte Entscheidungen zu treffen, wenn ich mich ängstlich fühle.“ Dies waren Aussagen, die 230 Teilnehmer einer englischen Onlinebefragung aus dem Jahre 2009 mit Prokrastination in Verbindung brachten. Eine amerikanische Studie, in der Gregory Schraw, Professor für Bildungspsychologie von der Universität Nevada, und Kollegen knapp 70 Studenten ins wissenschaftliche wissenschaf tliche Kreuzverhör nahmen, förderte die folgenden nützlichen Aspekte zutage:  Zeitminimierung:  Aufschieben stellte für die Teilnehmer eine Strategie dar, um ihre vielen Aufgaben und Interessen unter einen Hut zu bekommen. Indem sie Klausurvorbereitungen oder das Schreiben von Seminararbeiten so weit wie möglich nach hinten verschoben, schafften sie Raum, um sich zunächst um Jobs, Praktika oder soziale Aktivitäten zu kümmern. Flow: Fast alle Befragten kannten die Hochgefühle, die mit

zeigten. 92 

hochkonzentriertem, intensivem intensivem Arbeiten einhergehen könPSYCHOLOGIE HEUTE compact

 

nen. Der „Adrenalinfaktor“ „Adrenalinfaktor “, wie es einer der d er Teilnehme Teilnehmerr nannte, ließ eigentlich langweilige Aufgaben interessanter erscheinen. Für die Studenten war dies mehr als ein willkommener Nebeneffekt, sie schoben Aufgaben Aufgaben sogar bewusst auf, auf , um sich Flowgefühle zunutze zu machen. Optimierung der Effektivität : Die Teilnehmer berichteten einstimmig, die geballte Anstrengung am Ende des Semesters erhöhe alle Aspekte der Arbeitsproduktivität. Sie verschwendeten weniger Zeit mit Fehlstarts Fehlstar ts und gelangweiltem gelangweilte m Vor-sichVor-sichHinstudieren, sondern arbeiteten zielgerichtet und konzentriert. Aber sind das nicht nur Ausreden, um sich den eigenen Hang zum Trödeln Trödeln schönzureden, schön zureden, mag sich jetzt mancher manch er fragen. „Prokrastinierer behaupten öfter, dass sie den selbstge-

DAS KONZEPT VOM PLANVOLLEN AUFSCHIEBEN BEFREIT VON SCHULDGEFÜHLEN

machten DruckJulia benötigen, um produktiver arbeiten zu können“, bestätigt Elen Beumler von der Prokrastinationsambulanz der Universität Münster. „Dies scheint jedoch eher als Legitimation für das eigene Aufschieben zu dienen, um angesichts von Schuld- und Schamgefühlen ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten aufrechtzuerhalten.“ .“ In der Tat weist Schraw in seiner Studie darauf hin, dass die Selbstaussagen der Teilnehmer Teilnehmer durchaus verzerrt oder fehlerhaft sein könnten. Auf Auf der anderen Seite erzielten in der ChoiStudie die aktiven Aufschieber genauso gute Studiennoten wie Nichtaufschieber. In einer 2011 veröffentlichten Studie von Danya Corkin (Universität Houston) war ein höheres Maß an aktivem Aufschieben sogar mit entsprechend besseren Noten

viel lebenspraktische Hilfe geleistet (zumindest Aussagen Betroffener) wie mit seinen Ausführungen übernach strukturiertes Liegenlassen. Viele Leser, wie auch der folgende, meinten gar, damit habe er ihr Leben verändert: „In den letzten Monaten habe ich tausenderlei Dinge erledigt, hatte jedoch die ganze Zeit ein furchtbar schlechtes Gewissen, weil es nicht die allerwichtigsten Aufgaben Aufgaben ganz oben auf der Prioritätenliste waren. Aber jetzt lösen sich die Gewitterwolken der Schuld- und Schamgefühle auf.“ Ansätze wie aktives, strukturiertes oder kreatives k reatives AufschieAufschieben können offenbar dazu beitragen, ein entspannteres Verhältnis zum eigenen Bummeln und Trödeln zu finden. Und das mag kein unwichtiger Faktor sein. Eines seiner wichtigsten

verbunden, und aktives Aufschieben stellte sich unter verschiedenen Variablen Variablen als bester Prädiktor für gute Studienleistungen heraus. Dennoch reagiert man in Fachkreisen skeptisch. Manche stören sich an der „Verwässerung“ „Verwässerung“ des Begriffs der Prokrastination und möchten ihn für die dysfunktionalen Formen des Aufschiebens reservieren. Andere stellen infrage, dass es den Typ des aktiven Aufschiebers in nennenswertem Umfang gibt und dass Vertagen tatsächlich tatsächlich zu effizienterem Arbeiten führt. Auch Psychologin Psychologin Beumler sieht aus ihrer Therapie- und Beratungserfahrung insbesondere die Nachteile, die das Aufschieben mit sich bringt: „Viele Betroffene berichten, dass – selbst wenn sie Fristen einhalten einha lten konnten – sie unter dem Stress und dem Druck kurz vor der Abgabefrist leiden.“ Immer wieder hört sie auch, dass Betroffene ihre Freizeit gar nicht mehr richtig genießen können, weil ihnen die unerledigten unerledi gten Aufgaben Aufgaben

Anliegen sei, bestätigt Perry, das angeknackste Selbstbewusstsein von Aufschiebern wieder aufzurichten. Nicht allen chronischen Bummlern und Trödlern sei mit der Strategie des planvollen Aufschiebens Aufschiebens gedient, räumt er ein, da die Probleme manchmal tiefer lägen und mehr Therapie benötigten. Doch der großen Mehrheit könne das Konzept genauso helfen, helfe n, vermutet er, er, wie es ihm geholfen habe. Nach seiner Erfahrung ist es ein gutes Sprungbrett, um sich weitergehend mit der eigenen Bummelei zu befassen, etwa wie man mit Perfektionismus, depressiven Stimmungen Stimmungen oder zu viel Ablenkung umgeht: „Sobald wir uns als Aufsch Aufschieber ieber begreifen, die nach einem durchdachten durchdachte n System vorgehen, verbessert sich nicht nur unser Selbstwertgefühl, sondern wir bekommen seltsamerweise auch unsere Aufgaben besser in den Griff. Denn ist die Last der Schuldgefühle und der Verzweiflung Verzweiflung erst einmal von uns abgefallen, verstehen wir besser, besser, was uns eigentlich so sehr am

Auf der anderen Seite treffen Konzepte wie aktives und strukturiertes Aufschieben offenbar einen Nerv. Choi hat – neben einigen kritischen Kommentaren von etablierten Wissenschaftlern – Hunderte E-Mails mit positiven Kommentaren erhalten („faszinierende („fas zinierende Idee“,„stimme vollkommen zu!“), zu! “), wie er auf Anfrage ausführt. Viele junge Forscher, Doktoranden und Studenten hätten ihn um die Details zu seiner Messskala gebeten, um sie in ihren eigenen Arbeiten zu verwenden. Auch Auch Perry weiß von äußerst positiven Reaktionen zu berichten: Mit keinem seiner Bücher und zahlreichen Aufsätze über gewichtige philosophische Themen habe er so viele v iele Leser erreicht, so

ständig im Kopf herumkreisen.

Arbeiten hindert.“

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