Carl Gustav Jung Symbolik des Geistes. Studien über psychische Phänomenologie Psychologische Abhandlungen VI 1948
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C. G. JUNG
SYMBOLIK DES GEISTES Studien über psychische Phänomenologie mit einem Beitrag von Dr. phil. RIWKAH SCHÄRF
RASCHER VERLAG ZURICH
In der Form einzelner Untersuchungen gibt dieses Buch eine Darstellung der psychischen Phänomenologie des Geistes, und zwar zunächst von dessen Erscheinungsweise in Träumen und Märchen sowie in der Alchemie, deren Spekulationen unwillkürlich Psychologie bedeuten. In diesem Gebiete drückt sich der Geist durch naturhafte Symbole aus und läßt noch keine moralische Differenzierung erkennen. Letztere läßt sich hingegen deutlich in der Gestalt des Satans im Alten Testament
verfolgen, dem eine besondere Arbeit gewidmet ist. Ebenso wird die dem Prinzip des Bösen gegenüberstehende, christliche Trinitätssymbolik mit ihrer problematischen Beziehung zum Bösen untersucht. Zum Schluß illustriert die Analyse eines buddhistischen Meditationstextes die östliche Symbolik des Geistes.
Inhaltsangabe:
1. Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen 2. Der Geist Mercurius 3. Die Gestalt des Satans im Alten Testament. Von Riwkah Schärf 4. Versuch zu einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas 5. Zur Psychologie östlicher Meditation RASCHER
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ZÜRICH
Im gleichen Verlag sind erschienen:
C. G.]ung Die psychologische Diagnose des Tatbestandes Eine praktische Anwendung des Assoziationsexperimentes
Psychologische Typen Über die Psychologie des Unbewußten Die Frau in Europa Die Beziehungen zwischen dem Ich und dem Unbewußten Das Geheimnis der goldenen Blüte Ein chinesisches Lebensbuch Uebersetzt und erläutert von Richard Wilhelm mit einem europäischen Kommentar von C. G. Jung.
Die Beziehungen der Psychotherapie zur Seelsorge Seelenprobleme der Gegenwart Vorträge und Aufsätze
Wirklichkeit der Seele Anwendung und Fortschritte der neueren Psychologie mit Beiträgen von Hugo Rosenthal, Emma Jung, W. M. Kranefeldt.
Psychologie und Religion Erweiterte deutsche Fassung der Terry Lectures, gehalten 1937 an der Yale University. RASCHER
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SYMBOLIK DES GEISTES Studien über psychische Phänomenologie mit einem Beitrag von Dr. phil. RIWKAH SCHÄRF
MCMXLVIII RASCHER
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ZÜRICH
Psychologische Abhandlungen Band VI Herausgegeben von
C. G. JUNG
1.-3. Tausend Nachdruck verboten Alle Rechte, insbesondere die Uebersetzungs· und Senderechte, vorbehalten Copyright 1948 by Rascher & Cie. AG., Verlag, Zürich Verlagsnumroer: 1878
Druck: Tschudi & Co., Glarus Printed in Switzerland
Spiritus enim omnia scrutatur, etiam profunda Dei. I. Cor. II. 10
Vorwort Der vorliegende VI. Band der »Psychologischen Abhandlungen< enthält fünf Aufsätze, die sich mit der Symbolik des Geistes beschäftigen: eine Untersuchung über den Satan im Alten Testament von Dr. phil. R. Schärf und vier Aufsätze aus meiner Feder. Der erste Aufsatz »Zur Phänomenologie des Geistes« gibt einen kurzen Abriß über den Archetypus des »Geistes«, d. h. eine Beschreibung der Art und Weise jener Phantasiegestalten, welche, in Träumen und in Märchen auftretend, die Rolle desjenigen Motives spielen, welches sich so verhält, daß man es als »Geist~ auffassen muß. Ebenso wird an Beispielen erörtert, zu welchen dramatischen Verwicklungen das Auftreten dieses Motives führt. Der zweite Aufsatz schildert, wie der natürliche Typus »Geist< sich in der mittelalterlichen Naturphilosophie der Alchemisten als »Geist Mercurius« ausgewirkt hat. Es ist nämlich, wie an Hand der Originaltexte nachgewiesen wird, eine Geistgestalt entstanden, die in einem charakteristischen Gegensatz zu der zeitgenössischen, christlichen Auffassung des Geistes steht. Der dritte Beitrag, von Dr. R. Schärf, bringt eine Entwicklungsgeschichte des widergöttlichen Geistes, des Satan, wie sie die Texte des Alten Testamentes enthalten. Der vierte Essay, »Versuch zu einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas«, bringt eine kurze Darstellung der Entwicklungsgeschichte der trinitarischen Idee in vor- und nachchristlicher Zeit und sodann eine Zusammenstellung von psychologischen Gesichtspunkten und Ueberlegungen, welche vom Standpunkt der komplexen Psychologie aus für ein verstandesmäßiges Begreifen der Trinitätsidee in VII
Frage kommen. Es ist selbstverständlich, daß bei einer derartigen Erörterung metaphysische Gesichtspunkte außer Betracht fallen, denn innerhalb des Aufgabenkreises einer wissenschaftlichen Psychologie kann eine als »metaphysisch« bezeichnete Vorstellung nur die Bedeutung eines psychischen Phänomens beanspruchen. Ebenso maßt sich die Psychologie keinerlei Kompetenz an, irgend etwas »Metaphysisches 3. Der Geist in der Flasche > 4. Die Beziehung des Geistes zum Baume . > 5. Das Problem der Freilassung des Mercurius >
71 72 ' 75 79 83
II.Teil Kapitel 1. Vorbemerkungen . 2. Der Mercurius als Quecksilber resp. Wasser > 3. Der Mercurius als Feuer . >
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90 ' 92
IX
Seite
Kapitel 4. Der Mercurius als Geist und Seele A. Mercurius als Luftgeist B. Mercurius als Seele C. Mercurius als Geist in unkörperlichem, metaphysischem Sinne » 5. Mercurius als Doppelnatur » 6. Mercurius als Einheit und Dreiheit . ?. Die Beziehungen des Mercurius zur Astrolo» gie und zur Archontenlehre . » 8. Mercurius und der Gott Hermes . 9. Der Geist Mercurius als die Arcansuhstanz 10. Zusammenfassung » })
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III Die Gestalt des Satans im Alten Testament Von Dr.phil. Rirokah Schärf Einleitung
.
1. Fragestellung und Methode
2. Der Stand der Bearbeitung des Problems
I. Der Begriff >Satane und seine Entwicklung im Alten Testament 1. Etymologie des Wortes >Satane: . 2. Der Begriff >Satane: im profanen Bereich 3. Der Begriff des Satans im metaphysischen Bereich
X
153 153 15?
1?5 1?5 185 190
II. Der mal'äk ]ahroe als Satan in der Bileam-Erzählung Nu 22, 22 ff. .
206
1. Vorkommen und theologische Bedeutung des mal'äk ]ahroe im Alten Testament 2. Der mal'äk ]ahroe in Nu 22, 22 ff.
20? 222
Seite
UI. Der Satan als einer der bene ha-'elohlm im HiobBuch (1, 6-12 und 2, 1-7) • 1. Das Alter der Vorstellung . 2. Das Alter des Textes .
229 229 247
3. Vorkommen und Wesen der bene hii-'elöhlm im Alten Testament 4. Der Satan als einer der bene hii-'elohlm im Hiob-Buch (1, 6-12 und 2, 1-7) • 5. Babylonische Züge im Bilde des Hiob-Satans .
274 292
IV. Der Satan als Gegenspieler des mal'ak ]ahme in Sach 3, 1 ff. .
297
V. Der Satan als selbständiger Dämon in 1 Ch 21, 1
307
251
IV Versuch zu einer psychologischen Deutung des Trinitätsdogmas Vorbemerkung . I. Vorchristliche Parallelen zur Trinitätsidee . 1. Babylonien 2. Aegypten 3. Griechenland U. Vater, Sohn und Geist UI. Die Symbola . 1. Das Symbolum Apostolicum
323 327 327 331 334 350 361
2. Das Symbolum des Gregorius Thaumaturgus 3. Das Nicaenum .
365 366 368
4. Das Nicaeno-Constantinopolitanum, das Athanasianum und das Lateranense .
369
XI
Seite
IV. Die drei Personen in psychologischer Beleuchtung . 1. Die Hypothese des Archetypus 2. Christus als Archetypus 3. Der Heilige Geist . V. Das Problem des Vierten . 1. Die Idee einer Vierheit 2. Die Psychologie der Quaternität . 3. Allgemeines zur Symbolik
VI. Schlußbetrachtung
373 373 379 386 395 395 417 427 435
V Zur Psychologie östlicher Meditation Zur Psychologie östlicher Meditation .
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Autoren-, Text- und Sachregister Von Lena Hurroitz-Eisner
Autoren- und Textregister Sachregister
XII
474 481
I
Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen
Zur Phänomenologie des Geistes im Märchen 1
Vorwort Es gehört zu den unverbrüchlichen Spielregeln der Naturwissenschaft, ihren Gegenstand immer nur insofern als bekannt vorauszusetzen, als die Forschung wissenschaftlich Gültiges über ihn auszusagen weift In diesem Sinne gültig aber ist nur, was durch Tatsachen bewiesen werden kann. Der Gegenstand der Forschung ist die natürliche Erscheinung. In der Psychologie gehört zu den wichtigsten Phänomenen die Aussage, und insbesondere deren formale und inhaltliche Erscheiuungsweise, wobei letzterem Aspekt in Ansehung des Wesens der Psyche wohl die größere Bedeutung zukommt. Die Aufgabe, die sich jeweils zuerst stellt, ist die Beschreibung und Ordnung der Vorkommnisse, sodann folgt die genauere Untersuchung auf die Gesetzmäßigkeit ihres lebendigen Verhaltens. Die Frage nach der Substanz des Beobachteten ist in der Naturwissenschaft nur dort möglich, wo sich ein archimedischer Punkt außerhalb findet. Für die Psyche fehlt ein solcher Standpunkt auflerhalb, weil ja nur die Psyche die Psyche beobachten kann. Infolgedessen ist die Erkenntnis der psychischen Substanz unmöglich, wenigstens für unsere jetzigen Mittel. Damit ist keineswegs ausgeschlossen, daß die Atomphysik der Zukunft uns nicht doch noch den archimedischen Punkt liefern kann. Vorderhand wird aber auch unsere feinste Erklügelung nicht mehr feststellen können, als was sich im Satz ausdrücken läßt: so verhält 1 Diese Schrift ist die Erweiterung eines Vortrages, gehalten an der Eranos-Tagung 1945. Erstmals gedruckt im EranosJahrbuch 1945 unter dem Titel »Zur Psychologie des Geistes«.
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sich die Psyche. Von der Frage nach der Substanz aber wird der ehrliche Forscher höflich oder ehrfurchtsvoll die Finger lassen. Ich glaube, daß es nicht überflüssig ist, meinen Leser um die ebenso notwendige wie freiwillige Selbstbeschränkung der Psychologie wissen zu lassen, damit er nämlich in der Lage ist, den durchaus nicht immer begriffenen phänomenologischen Standpunkt der modernen Psychologie zu verstehen. Dieser Standpunkt schließt das Vorhandensein von Glauben, Ueberzeugung und Gewißheitserlebnissen aller nur möglichen Arten nicht aus, noch bestreitet er deren mögliche Gültigkeit. So groß deren Bedeutung für das individuelle sowohl wie für das kollektive Leben sein mag, so fehlen der Psychologie doch alle Mittel, um deren Gültigkeit in wissenschaftlichem Sinne zu erweisen. Man kann dieses Unvermögen der Wissenschaft beklagen; man befähigt sie aber damit nicht, sich über den eigenen Kopf zu springen.
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1. Ueher das Wort »Geist« Das deutsche Wort »Geist< besitzt einen dermaßen großen Anwendungsbereich, daß es eine gewisse Mühe verursacht, sich zu vergegenwärtigen, was alles damit gemeint ist. Als Geist bezeichnet man jenes Prinzip, das im Gegensatz zur Materie steht. Darunter denkt man sich eine immaterielle Substanz oder Existenz, die auf höchster und universalster Stufe »Gott< genannt wird. Man stellt sich diese immaterielle Substanz auch als Träger des psychischen Phänomens oder gar des Lebens vor. Im Widerspruch zu dieser Auffassung steht der Gegensatz Geist-Natur. Hier ist der Begriff des Geistes auf das Ueber- oder Gegennatürliche eingeschränkt und hat die substantielle Beziehung zu Seele und Leben verloren. Eine ähnliche Einschränkung bedeutet die Auffassung S p i n o z a s , daß der Geist ein Attribut der Einen Substanz sei. Noch weiter geht der Hylozoismus, der den Geist als Eigenschaft des Stoffes versteht. Eine allgemein verbreitete Anschauung faßt den Geist als ein höheres, die Seele aber als ein niedrigeres Tätigkeitsprinzip auf, und umgekehrt gilt bei gewissen Alchemisten der Geist als ligamentum animae et corporis, wobei letzterer offenbar als spiritus vegetativus (der spätere Lebensoder Nervengeist) gedacht ist. Ebenso allgemein ist die Auffassung, daß Geist und Seele wesentlich dasselbe und deshalb nur willkürlich zu trennen seien. Bei W u n d t gilt Geist als »das innere Sein, wenn dabei keinerlei Zusammenhang mit einem äußeren Sein in Rücksicht fällt«. Bei andern wird der Geist auf gewisse psychische Vermögen oder Funktionen oder Eigenschaften be2 Jung: Symbolik des Geistes
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schränkt, wie Denkfähigkeit und Vernunft gegenüber dem mehr »seelischen« Gemüte. Bei diesen bedeutet der Geist die Gesamtheit der Phänomene des rationalen Denkens, resp. des Intellektes, inkl. Wille, Gedächtnis, Phantasie, Gestaltungskraft und durch ideale Motive bedingte Strebungen. Eine weitere Bedeutung von Geist ist die von »Geistreichsein«, worunter ein vielfältiges, reichhaltiges, einfallsreiches, brillantes, witziges und überraschendes Funktionieren des Verstandes gemeint ist. Ferner wird als Geist eine gewisse Einstellung oder deren Prinzip bezeichnet, z. B. man erzieht »im Geiste Pestalozzis«, oder »der Geist von Weimar ist das unvergängliche deutsche Erbe«. Ein Spezialfall ist der Zeitgeist, welcher das Prinzip und Motiv gewisser Auffassungen, Urteile und Handlungen kollektiver Natur darstellt. Es gibt des weiteren einen sogenannten objektiven Geist, unter welchem man den gesamten Bestand menschlicher Kulturschöpfungen insbesondere intellektueller und religiöser Natur versteht. Der Geist, als Einstellung verstanden, hat, wie der Sprachgebrauch zeigt, unverkennbare Neigungen zur Personifikation: Der Geist Pestalozzis kann auch in konkretistischem Sinne dessen Geist, d. h. dessen imago oder Gespenst sein, so wie die Geister von Weimar die persönlichen Geister von Goethe und Schiller sein können, denn Geist heißt immer auch noch der Spuk, d. h. die Seele eines Verstorbenen. Der »kühle Geisterhauch« weist einerseits auf die Urverwandtschaft der ~ux~ mit ~uxpoc; und ~uxoc:, die beide kalt bedeuten, andererseits auf die ursprüngliche Bedeutung von 1weupa., welches nichts anderes als »bewegte Luft« bezeichnet, wie auchanimusund animamit avepoc: (Wind) zu tun haben. Das deutsche Wort »Geist« hat wohl mehr mit Aufschäumendem und Aufbrausendem zu tun, weshalb einerseits eine Verwandtschaft mit Gischt, Giischt, gheest, andererseits mit dem emotionalen aghast nicht
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von der Hand zu weisen ist. Die Emotion wird ja seit Urzeiten als Besessenheit aufgefaßt, und darum sagt man heute noch, von einem Jähzornigen z. B., er sei vom Teufel oder einem bösen Geist besessen oder geritten oder ein solcher sei in ihn gefahren 2 • Wie die Totengeister und -seelen nach alter Anschauung von feinstofflicher Beschaffenheit gleich einem Lufthauch oder einem Rauch sind, bedeutet auch bei den Alchemisten der spiritus eine subtile, volatile, aktive und belebende Essenz, als welche z. B. der Alkohol verstanden wurde, sowie sämtliche Arcansubstanzen. Geist auf dieser Stufe ist Weingeist, Salmiakgeist, Ameisengeist usw. Dieses Viertelhundert von Bedeutungen und Bedeutungsnuancen des Wortes »Geiste: erschwert einerseits dem Psychologen die begriffliche Abgrenzung seines Gegenstandes, andererseits erleichtert es ihm die Aufgabe, seinen Gegenstand zu beschreiben, da die vielen verschiedenen Aspekte ein anschauliches Bild des Phänomens vermitteln. Es handelt sich um einen funktionalen Komplex, der ursprünglich, auf primitiver Stufe, als eine unsichtbare, hauchartige Gegenwart - a presence - empfunden wurde. W i ll i a m J a m e s hat in seinen »Varieties of Religions Experiencec: dieses Urphänomen anschaulich geschildert. Ein allbekanntes Beispiel ist auch der Wind des Pfingstwunders. Für die primitive Erfahrung liegt die Personifikation der unsichtbaren Präsenz als Spuk oder Dämon unmittelbar nahe. Die Seelen oder Geister der Verstorbenen sind dasselbe wie die psychische Tätigkeit des Lebenden; sie setzen dieselbe fort. Die Auffassung, daß die Psyche ein Geist sei, ist damit ohne weiteres gegeben. Wenn daher im Individuum sich etwas Psychisches ereignet, das es als zu ihm selber gehörig empfindet, so ist das 2 Dazu meine Ausführungen in :.Geist und Leben< in: Seelenprobleme der Gegenwart. 1931, p. 369 ff.
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sein eigener Geist. Geschieht ihm aber etwas Psychisches, das ihm fremdartig erscheint, so ist das ein anderer Geist, der vielleicht eine Besessenheit veranlaßt. Der Geist im ersteren Falle entspricht der subjektiven Einstellung, im letzteren der öffentlichen Meinung, dem Zeitgeist oder der ursprünglichen, noch nicht menschlichen, anthropoiden Disposition, die man auch als das Unberou{Jte bezeichnet. Entsprechend der ursprünglichen Windnatur des Geistes ist letzterer stets das aktive, beflügelte und bewegte sowohl wie das belebende, anregende, aufreizende, anfeuernde, inspirierende Wesen. Der Geist ist, modern ausgedrückt, das Dynamische, und darum formiert er den klassischen Gegensatz zum Stoff, nämlich zu dessen Statik, Trägheit und Unbelebtheit. Es ist in letzter Linie der Gegensatz zwischen Leben und Tod. Die spätere Differenzierung dieses Gegensatzes führt zu der eigentlich merkwürdigen Gegenüberstellung von Geist und Natur. Indem der Geist das essentiell Belebte und Belebende ist, kann man die Natur doch nicht als ungeistig oder tot empfinden. Es muß sich also um die (c1.ristliche) Voraussetzung eines Geistes handeln, dessen Leben demjenigen der Natur so sehr überlegen ist, daß letztere sich zu ihm wie Tod verhält. Diese spezielle Entwicklung der Anschauung vom Geiste beruht auf der Erkenntnis, daß die unsichtbare Präsenz des Geistes ein psychisches Phänomen, d. h. der eigene Geist sei, und daß dieser nicht nur aus Lebensaufwallungen, sondern auch aus inhaltlichen Gebilden bestehe. Unter ersteren treten besonders hervor jene Abbilder und Vorbilder, welche das innere Gesichtsfeld erfüllen, und unter letzteren ist es Denken und Vernunft, welche die Bilderwelt ordnen. So hat sich ein U ebergeist dem ursprünglichen, natürlichen Lebensgeist superpaniert und sich zu letzterem sogar als zu etwas bloß Natürlichem in Gegensatz gestellt. Der Uebergei.st wurde zum übernatürlichen und überweltlichen, kosmischen Ordnungsprinzip, 8
und als solchem wurde ihm die Bezeichnung »Gott< gegeben, oder er wurde wenigstens zu einem Attribut der Einen Substanz (wie bei Spin o z a) oder zu einer Person der Gottheit (wie im Christentum). Die entsprechende Entwicklung des Geistes in um-, gekehrter, hylozoistischer Richtung, also a maiori ad minus, fand unter antichristlichem Vorzeichen im Materialismus statt. Voraussetzung zu dieser Rückbildung ist die bis zur ausschließlichen Gewißheit gelangte Identität des Geistes mit psychischen Funktionen, deren Abhängigkeit von Gehirn und Stoffwechsel immer deutlicher wurde. Man mußte der »Einen Substanz« nur noch einen andern Namen geben und sie »Materie« benennen, um den Begriff eines Geistes zu erzeugen, welcher von der Ernährung und der Umwelt unbedingt abhing, und dessen Höchstform der Intellekt, resp. der Verstand war. Damit war die ursprünglich hauchartige Präsenz anscheinend ganz in den Bereich der menschlichen Physiologie geraten, und ein K l a g es konnte seine Anklage gegen den »Geist als Widersacher der Seele« vorbringen. In letzteren Begriff nämlich hatte sich die Urspontaneität des Geistes zurückgezogen, nachdem dieser zum unfreien Attribut des Stoffes herabgesunken war. lrgendwo mußte ja die dem Geiste eigentümliche Qualität des deus ex machina erhalten bleiben - wenn nicht bei ihm, so doch bei seinem ursprünglichen Synonym, der Seele, dem buntschillernden 8 , schmetterlingsartigen Hauchwesen (anima, -.fux~). Wenn schon nicht überall die materialistische Auffassung des Geistes durchdrang, so blieb doch dessen Begriff außerhalb der religiösen Sphäre, im Raume der Bewuf!tseinsphänomene hängen. Geist als »subjektiver Geist< 3 Seele, urgerm. saiwalö, ist vielleicht mit aloJ...onackten Knaben< bei Meister Eckh a r t gehört hieher. 7 Ich erinnere an die :.Knaben< in der Novelle von B r u n o G o e t z : Das Reich ohne Raum.
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Geist dar 8 • Greis und Knabe gehören zusammen. Dieses Paar spielt auch in der Alchemie eine beträchtliche Rolle als Symbol des Mercurius. Es ist nie mit hundertprozentiger Sicherheit festzustellen, daß die Geistfiguren der Träume moralisch gut sind. Oefters haben sie alle Anzeichen nicht nur der Zweideutigkeit, sondern auch der Boshaftigkeit. Ich muß aber betonen, daß der große Plan, nach dem das unhewußte Leben der Seele konstruiert ist, sich unserer Einsicht so sehr entzieht, daß wir nie wissen können, welches Böse notwendig ist, um durch Enantiodromie ein Gutes herbeizuziehen, und welches Gute zum Bösen verführen wird. Das »probate spiritus«, das Paulus empfiehlt, kann oft beim besten Willen nichts anderes sein, als ein ebenso vorsichtiges wie geduldiges Abwarten, wie es schließlich herauskommt. Die Gestalt des alten Weisen kann nicht nur in Träumen, sondern auch in den Visionen der Meditation (oder der sogenannten »aktiven Imagination«) so plastisch hervortreten, daß sie, wie dies in Indien gelegentlich der Fall zu sein scheint, die Rolle einesguruübernimmt 9 • Der »alte Weise« erscheint in Träumen als Magier, Arzt, Priester, Lehrer, Professor, Großvater oder als irgendwelche Person, die Autorität besitzt. Der Archetypus des Geistes in Menschen-, Gnomen- oder Tiergestalt tritt jeweils in einer Situation auf, in welcher Einsicht, Verständnis, guter Rat, Entschluß, Plan usw. nötig wären, aber aus eigenen Mitteln nicht hervorgehracht werden können. Der Archetypus 8 Vgl. dazu das >göttliche Kind« in J u n g und K er e n y i : Einführung in das Wesen der Mythologie. 1941, p. 114 ff. 9 Daher die vielen Wundergeschichten der rishis und mahatmas. Ein gebildeter Inder, mit dem ich mich über das Wesen des guru unterhielt, antwortete mir auf meine Frage, wer sein guru gewesen sei: >Das war Sankarächärya (VIII. bis IX. Jahrhundert).< Erstaunt bemerkte ich: >Aber das ist ja der bekannte Kommentator.< Worauf er entgegnete: >Ja, das war er, aber natürlich sein GeistSchönes Mädchen, schönes Mädchen! bad mich, es ist mir zu schwer, so schmutzig zu sein!c: Sie: »Womit soll ich den Ofen heizen?c: :.Sammle Holzpflöcke und Krähenmist und heiz damit.« Sie aber holt Reisig und fragt: »Wo soll ich das Badewasser hernehmen?< Er: »Unter der Korndarre steht eine weiße Stute. Laß sie in den Zuber pissen!« Das Mädchen aber nimmt reines Wasser. >Wo soll ich einen Badequast hernehmen?< »Schneide der weißen Stute den Schwanz ab und mach daraus einen Badequast!c: Sie macht aber einen solchen aus Birkenreisern. »Wo soll ich Seife hernehmen?< »Nimm einen Badstubenstein und scheure mich damit!c: Sie aber holt aus dem Dorf Seife und wäscht damit den Alten. Zum Lohn gibt ihr dieser eine Schachtel voll Gold und Edelsteine. Die Haustochter wird natürlich neidisch, wirft den Spinnrocken in den Brunnen, wo sie den Rocken aber gleich wieder findet. Sie geht trotzdem weiter und macht nun alles das verkehrt, was die Stieftochter richtig gemacht hat. Der Lohn ist dement27
sprechend. Bei der Häufigkeit dieses Motivs erübrigen sich weitere Belege. Die Gestalt des ebenso überlegenen wie hilfreichen Alten legt es nahe, sie mit der Gottheit in irgend eine Beziehung zu bringen. In dem deutschen Märchen vom Soldaten und der schwarzen Prinzessin 30 wird erzählt, wie die verfluchte Prinzessin aus ihrem eisernen Sarg heraus jede Nacht den Soldaten, der am Grab Wache stehen sollte, zu sich holt und auffrißt. Ein Soldat nun, als die Reihe des Wachesteheus an ihn kam, wollte fliehen. »Als es Abend wurde, stahl er sich fort, lief über Berge und Felder und kam auf eine schöne Wiese. Da stand plötzlich ein kleines Männchen mit langem grauem Bart vor ihm, das war aber unser lieber Herrgott, der wollte den Jammer, welchen der Teufel allnächtlich anrichtete, nicht länger mit ansehen. ,Wohin des Wegs?' sprach das Graumännchen, ,darf man nicht mit?' Und weil das Alterehen so treuherzig aussah, erzählte ihm der Soldat, daß er fortgelaufen sei und warum er das getan habe.« Es folgt nun, wie üblich, der gute Rat. In dieser Erzählung wird tatsächlich der Alte mit derselben Naivität für Gott selber erklärt, wie der englische Alchemist S i r J o h n R i p l e y den »alten König« als »antiquus dierum« 31 bezeichnet 32• Wie alle Archetypen einen positiven, günstigen, hellen, nach oben weisenden Charakter haben, so auch einen nach : unten weisenden, teils negativen und ungünstigen, teils bloß chthonischen, aber im weiteren neutralen Aspekt. Davon macht der Archetypus des Geistes keine Ausnahme. Schon seine Zwerggestalt bedeutet einen einschränkenden Diminutiv, ebenso die andeutungsweise Naturhaftigkeit eines Vegetationsnumens, das der Unterwelt entstammt. Als beeinträchtigt, insofern er ein 30 31 32
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Deutsche Märchen seit Grimm, 1912, p. 189 ff. ~Der Alte der Tage.< In der sog. Cantilena.
Auge verloren hat, erscheint der Alte in einem Balkanmärchen. Die »Vilen«, eine Art geflügelter Unholde, haben es ihm ausgestochen, und der Held muß dafür sorgen, daß sie es ihm wieder herstellen. Der Alte hat also einen Teil seines Augenlichtes, d. h. seiner Einsicht und Illumination, an die dämonische Dunkelwelt verloren; er ist von dieser beeinträchtigt und erinnert insofern an das Schicksal des Osiris, der sein eines Auge durch den Anblick eines schwarzen Schweines, nämlich des Seth, verlor, oder an dasjenige W otans, der sein eines Auge an den Brunnen Mimirs opferte. Bezeichnenderweise ist das Reittier des Alten unseres Märchens ein Bock, was darauf hinweist, daß er selber auch eine dunkle Seite besitzt. In einem sibirischen Märchen erscheint der Alte als ein einbeiniger, einhändiger und einäugiger Greis, der mit einem eisernen Stab einen Toten erweckt. Im Verlaufe der Geschichte wird er irrtümlicherweise selber von dem mehrfach Wiederbelebten getötet, der damit auch sein ganzes Glück verscherzt hat. Der Titel des Märchens lautet: »Der einseitige Alte«, und in der Tat bedeutet seine Beeinträchtigung, daß er gewissermaßen nur aus einer Hälfte besteht. Die andere Hälfte ist unsichtbar, tritt aber in der Erzählung als ein Mörder auf, der dem Helden der Geschichte nach dem Leben trachtet. Schließlich gelingt es dem Helden, seinen mehrfachen Mörder zu töten; in der Raserei erschlägt er aber auch den einseitigen Alten, womit die Identität der beiden Getöteten angedeutet ist. Daraus geht die Möglichkeit hervor, daß der 1 Alte auch zugleich sein Gegenteil sein könnte, ein Belebender sowohl als ein Töter - »ad utrumque peritus«, wie es von Hermes heißt 33 • 33 P r u den t i u s : Contra Symmachum. Corp. Script. Eccl. Lat. 71, p. 222. Siehe H u g o Rahne r : Die seelenheilende Blume. Eranos-Jahrb. XII, 1945.
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Unter diesen Umständen dürfte es sich aus heuristischen wie andern Gründen empfehlen, wo immer der Alte »bescheiden< und :.treuherzig< auftritt, die Umgebung sorgfältig abzuleuchten. In unserem ersterwähnten estnischen Märchen vom Verdingknaben, der die Kuh verloren hatte, erhebt sich darum der Verdacht, daß der rechtzeitig zur Stelle befindliche hilfreiche Alte zuvor die Kuh listig zur Seite geschafft hat, um seinem Schützl;ing ein tüchtiges Motiv zum Ausreißen zu verschaffen: Das ist leicht möglich, wie die Alltagserfahrung zeigt, daß das überlegene, aber subliminale Wissen ums Schicksal den ärgerlichen Zwischenfall inszeniert, um den dummen August des Ichbewußtseins ins Bockshorn zu jagen und ihn damit auf seinen eigentlichen Weg zu bringen, den er aus reiner Blödigkeit heraus nie gefunden hätte:\ Hätte unser Waisenknabe geahnt, daß der Alte es war, der ihm die Kuh wegzauberte, so wäre ihm dieser wohl wie ein hämischer Troll oder Teufel vorgekommen. Der Alte hat in der Tat auch einen bösen Aspekt, wie der primitive Medizinmann einerseits der heilende Helfer, andererseits der gefürchtete Giftmischer ist, wie auch das Wort cpdpp.axov Heilmittel sowohl wie Gift bedeutet, und Gift schließlich in Wirklichkeit beides sein kann. So hat der Alte einen zweideutigen, elfischen Charakter, wie die äußerst lehrreiche Gestalt des M er I in, und wie er in gewissen Erscheinungsweisen das Gute selber zu sein scheint, so eignet ihm auch in andern Formen der Aspekt des Bösen. Dann ist er der böse Zauberer, der aus Egoismus Böses um des Bösen willen tut. In einem sibirischen Märchen ist der Alte ein böser Geist, »auf dessen Kopfe zwei Seen waren, in denen zwei Enten schwammenmatriarchalenc: Zustand des Unbewußten, wodurch eine psychische Verfassung angezeigt ist, in welcher dem Tinbewußten nur ein schwaches und unselbständiges Bewußtsein gegenübersteht. Der vierbeinige Schimmel erweist sich als dem dreibeinigen überlegen, da er ihm befehlen kann. Da die Quaternität ein Ganzheitssymbol ist und die Ganzheit in der Bilderwelt des Tinbewußten eine beträchtliche Rolle spielt 87, so erscheint der Sieg der Vierbeinigkeit über die Dreibeinigkeif nicht ganz unerwartet. Was soll aber der Gegensatz zwischen Dreiheit und Vierheit bedeuten, resp. was bedeutet die Dreilieit gegenüber der Ganzheit? In der Alchemie heißt dieses Problem das Axiom der Maria und begleitet diese Philosophie durch mehr als ein Jahrtausend, um schließlich im Faust (Kabirenszene) nochmals aufgenommen zu werden. Seine literarisch früheste Fassung findet sich in den Eingangsworten des Timaios 88, an welche G o e t h e wieder erinnert. Bei den Alchemisten können wir es deutlich sehen, wie der Trinität der Gottheit eine untere, chthonische Dreiheit (ähnlich dem dreiköpfigen Teufel bei Dan t e ) entspricht. Diese besteht in einem Prinzip, welches durch seine Symbolik Verwandtschaft mit dem Bösen verrät, obschon es keineswegs feststeht, daß sie nichts als das Böse ausdrücke. Vielmehr weist alles darauf hin, daß das Böse, resp. 37 Hinsichtlich Quaternität muß ich auf meine früheren Arbeiten verweisen, insbesondere auf: Psychologie und Religion (Zürich 1940) und : Psychologie und Alchemie (Zürich 1944). 88 Die älteste, mir bekannte Darstellung des Problems ist diejenige der vier Horussöhne, von denen gelegentlich drei mit Tierköpfen und einer mit einem Menschenkopf dargestellt sind. Chronologisch schließt sich daran die Ezechielvision der vier Gestalten, die dann in den vier Evangelistenattributen wiederkehren. Bekanntlich sind drei tierköpfig und einer hat einen Menschenkopf (der Engel).
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dessen geläufiges Symbol, mit zur Familie jener Figuren gehört, die das Dunkle, Nächtige, Untere, Chthonische beschreiben. Das Untere verhält sich in dieser Symbolik zum Oberen als eine Entsprechung 39 im Gegensatz, d. h. es wird, wie das Obere, als Dreiheit gefaßt. Drei als männliche Zahl ist hier logischerweise dem bösen Jäger zugeordnet, den man (alchemistisch) als untere Dreiheit verstehen könnte. Die Vier dagegen, als weibliche Zahl, ist der Alten zugewiesen. Beide Pferde sind redende und wissende Wundertiere und stellen daher unbewußten Geist dar, der aber in einem Fall dem bösen Zauberer und im andern der Hexe untergeordnet ist. Zwischen der Dreiheit und der Vierheit besteht also zunächst der mann-weibliche Gegensatz, sodann ist die Vierheit ein Ganzheitssymbol, die Dreiheit aber nicht. Dafür bezeichnet letztere, nach Ausweis der Alchemie, eine Gegensätzlichkeit, indem die eine Dreiheit immer auch eine andere voraussetzt, wie das Oben ein Unten, das Helle ein Dunkles, das Gute ein Böses. Gegensatz bedeutet energetisch ein Potential, und wo sich ein Potential findet, da ist die Möglichkeit eines Ablaufes und eines Geschehens, denn die Spannung der Gegensätze strebt nach Ausgleich. Wenn man sich die Vierheit als Quadrat vorstellt und dasselbe durch eine Diagonale in zwei Hälften teilt, so entstehen zwei Dreiecke, deren Spitzen in entgegengesetzter Richtung zeigen. Man könnte daher metaphorisch sagen: wenn man die durch die Vierheit symbolisierte Ganzheit in gleiche Hälften teilt, so entstehen zwei Dreiheiten von entgegengesetzter Richtung. Wie nun diese einfache Ueberlegung die Dreiheit aus der Vierheit ableitet, so erklärt auch der Jäger der gefangenen Prinzessin, daß und wie 39 Nach dem Satz der »Tabula Smaragdina~: :oQuod est inferius, est sicut quod est superius.«
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sein Schimmel aus einem Vierbeiner zu einem Dreibeirrer geworden ist, indem ihm die zwölf Wölfe einen Fuß abgerissen haben. Die Dreibeinigkeit des Schimmels verdankt ihr Dasein also einem Unglücksfall, der sich in jenem Augenblick ereignete, als das Pferd im Begriffe war, das Reich der dunkeln Mutter zu verlassen. In psychologischer Sprache ausgedrückt, würde das heißen, daR, wenn die unbewußte Ganzheit manifest wird, d. h. das Unbewußte verläßt und in die Sphäre des Bewußtseins übertritt, eines von den vieren zurückbleibt, zurückgehalten vom horror vacui des UnbewuRten. Dadurch entsteht eine Dreiheit, welcher, wie wir nicht aus dem Märchen, sondern aus der Symbolgeschichte wissen, eine entgegengesetzte Dreiheit entspricht 40 , d. h. es entsteht ein Konflikt. Auch hier könnte man also mit Sokrates fragen: »Eins, zwei, drei- aber der vierte, mein lieber Timaios, von denen, die gestern die Gäste waren und heute die Gastgeber sind, wo bleibt er uns denn 41 ?< Er blieb im Reiche der dunkeln Mutter, zurückgehalten von der wölfischen Gier des Unbewußten, das nichts aus seinem Bannkreis entlassen möchte, es sei denn, daR ein entsprechendes Opfer dafür gebracht werde. Der Jäger, resp. der alte Zauberer und die Hexe entsprechen den negativen Elternimagines in der magischen Welt des Unbewußten. Der Jäger tritt in der Erzählung zunächst auf in der Gestalt eines schwarzen Raben. Er hat die Prinzessin geraubt und hält sie gefangen. Sie bezeichnet ihn als »Teufel«. Aber merkwürdigerweise ist er selber im einen verbotenen Raum des Schlosses eingesperrt und dort mit drei Nägeln an die Wand geheftet, d. h. soviel wie gekreuzigt. Er ist •o Vgl. Psychologie und Alchemie, p. 163 u. 616, ausführlicher in »Der Geist Mercurius< (Beitrag II dieses Bandes). 41 Diese unerklärte Stelle wollte man einer >neckischen Laune< P I a t o n s zuschreiben.
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gefangen wie jeder Gefangenenwärter, und selber gebannt, wie jeder, der verflucht. Das Gefängnis beider ist ein Zauberschloß im Wipfel eines Riesenbaumes, wohl des Weltbaumes. Die Prinzessin gehört zur lichten Oberwelt in der Sonnennähe. Wenn sie geradezu auf dem Weltenbaum gefangensitzt, so ist sie wohl eine Art von anima mundi, welche in die Macht der Finsternis geraten ist. Dieser Fang scheint aber letzterer auch nicht gut bekommen zu sein, indem nämlich der Räuber gekreuzigt wird und zwar mit drei Nägeln. Die Kreuzigung bedeutet offenkundig eine qualvolle Gebundenheit und Suspension, die Strafe für den Tollkühnen, der sich in die Sphäre des Gegenprinzipes wie ein Prometheus vorgewagt hat. Das hat der Rabe, der mit dem Jäger identisch ist, auch getan, denn er hat aus der lichten Oberwelt eine kostbare Seele gestohlen, und so wird er in der Ober- oder Ueberwelt zur Strafe an die Wand geheftet. Daß es sich hier um eine Spiegelung des christlichen Urbildes im Gegensatz handelt, dürfte wohl unverkennbar sein. Der Retter, der die Menschheitsseele von der Herrschaft des Herrn dieser Welt befreit hat, ist unten in der sublunaren Welt ans Kreuz geheftet, wie der diebische Rabe im himmlischen Wipfel des Weltbaumes für seinen Uebergriff an die Wand genagelt wurde. Das unserm Märchen eigentümliche Instrument der Bannung ist die Dreiheit der Nägel. Wer den Raben gefangensetzte, ist im Märchen nicht gesagt. Es klingt aber, wie wenn es sich um einen Bannspruch im dreieinigen Namen gehandelt hätte. Der Heldenjunge, der den Weltbaum erklettert hat und ins Zauberschloß eingedrungen ist, wo er die Prinzessin befreien soll, darf alle Zimmer betreten, nur eines nicht, nämlich jenes, in dem sich der Rabe befindet 12• 42 In den Grimm sehen Märchen (1912, Bd. I, 256, :.Marienkindc) befindet sich im verbotenen Zimmer die :.Dreieinigkeit«, was mir bemerkenswert erscheint.
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Wie von einem Baum im Paradies nicht gegessen werden soll, so darf auch das eine Zimmer nicht geöffnet werden, infolgedessen es natürlich eben erst recht betreten wird. Nichts wirkt so aufmerksamkeitserregend wie ein Verbot. Es ist sozusagen der sicherste Weg, um den Ungehorsam herauszufordern. Offenbar ist eine geheime Absicht am Werke, nicht so sehr die Prinzessin, als vielmehr den Raben zu befreien. Wie der Held des Raben ansichtig wird, fängt dieser an, jämmerlich zu schreien und über seinen Durst zu klagen 48 , und der Junge, von der Tugend des Mitleids bewogen, Ietzt ihn nicht mit Ysop und Essig, sondern mit erquickendem Wasser, worauf alsbald die drei Nägel herausfallen und der Rabe durchs offene Fenster entfliegt. Damit ist der böse Geist wieder in Freiheit gesetzt, wandelt sich in den Jäger, raubt die Prinzessin zum zweiten Male und sperrt sie dieses Mal auf der Erde in seiner 48 Schon A e l i an (Hist. Anim. 1. 4) berichtet, daß Apollon die Raben zum Durst verurteilt hat, weil ein zum Wasserholen geschickter Rabe zu lange verweilte. Im deutschen Folklore wird gesagt, daß der Rabe im Brachmonat oder August an Durst leiden müsse. Als Grund wird angegeben, daß er allein über Christi Tod nicht betrübt gewesen sei, oder daß er, als Noah ihn ausschickte, nicht zurückkehrte. (Fr. Pan z er in Zeitschr. f. deutsche Mythologie, Bd. II, 171 und Reinhold K ö h l er : Kleinere Schriften zur Märchenforschung, Bd. I, 3.) Zu Rabe als Allegorie des Bösen siehe die erschöpfende Darstellung bei H u g o Rahne r (Eranos-Jahrbuch 1945). Andererseits steht der Rabe in naher Beziehung zu Apollo als ihm geheiligtes Tier; ebenso kommt er auch in der Bibel in positiver Bedeutung vor: Psalm 147,9: »Der dem Getier seine Speise gibt, Den jungen Raben, die zu ihm schreien.< Hiob 38,41: >Wer bereitet dem Raben seine Speise Wenn seine Jungen zu Gott schreien? c Aehnlich Luc. 12, 24. Als eigentliche :.dienstbare Geister« erscheinen sie I Könige 17, 5, wo sie Elias die tägliche Nahrung bringen.
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Jagdhütte em. Die geheime Absicht entschleiert sich zum Teil: die Prinzessin sollte aus der Ueberwelt in die Menschenwelt gebracht werden, was ohne Mithilfe des bösen Geistes und des menschlichen Ungehorsams offenbar nicht möglich war. Da aber auch in der Menschenwelt der Seelenjäger Herr über die Prinzessin ist, so muß der Held aufs neue eingreifen, indem er, wie wir schon erfahren haben, der Hexe den Vierbeiner ablistet und damit die dreibeinige Macht des Zauberers bricht. Die Dreiheit ist es, die den Raben bannt, und die Dreiheit ist zugleich auch die Macht des bösen Geistes. Das sind die beiden Dreiheiten, die entgegengesetzte Richtung haben. In einem ganz andern Bereiche, nämlich in dem der psychologischen Erfahrung, wissen wir, daß drei von den vier Bewußtseinsfunktionen sich differenzieren, d. h. bewußt werden können; eine aber bleibt mit dem Mutterboden, dem Unbewußten, verbunden und wird als die inferiore resp. »minderwertige< Funktion bezei{!hnet. Sie bildet die Achillesferse auch des heroischsten Bewußtseins. lrgendwo ist der Starke schwach, der Gescheite dumm, der Gute schlecht usw., und das Umgekehrte ist auch wahr. Nach unserm Märchen erscheint die Dreiheit als eine verstümmelte Vierheit. Könnte man das eine Bein den drei andern beifügen, so entstünde die Ganzheit. So lautet auch das änigmatische Axiom der Maria: »aus dem dritten wird das Eine (als) Viertes< (ex 'Z"OU rphou 'Z"O SIJ rsraproll), d. h. wohl: wenn aus dem dritten das vierte kommt, so entsteht damit auch zugleich die Einheit. Das eine, verloren gegangene Stück, das sich im Besitze der Wölfe der großen Mutter befindet, ist zwar nur ein Viertel, macht aber mit den drei zusammen jene Ganzheit aus, welche die Trennung und den Konflikt aufhebt. Woher nun aber kommt es, daß das eine Viertel nach der Aussage der Symbolik ebenfalls eine Dreiheit ist?
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Hier läßt uns die Symbolik des Märchens im Stich, und wir sind gezwungen, zu den Tatsachen der Psychologie unsere Zuflucht zu nehmen. Ich habe vorhin gesagt, daß drei Funktionen differenziert. werden können, und nur eine im Banne des Unbewußten verbleibt. Diese Feststellung muß noch präzisiert werden. Erfahrungsgemäß gelingt die Differenzierung nur annähernd bei einer Funktion, welche deshalb als die superiore oder Hauptfunktion bezeichnet wird und neben Extra- und Introversion den Typus der Bewußtseinseinstellung ausmacht. Dieser Funktion stehen eine oder zwei, mehr oder weniger differenzierte, Auxiliärfunktionen zur Seite, welche aber fast nie denselben Grad an Differenzierung, d. h. an willkürlicher Verwendungsfähigkeit erreichen. Sie besitzen daher einen höheren Grad an Spontaneität als .die Hauptfunktion, die sich in hohem Maße als zuverlässig und als unserer Absicht willfährig erweist. Die vierte, inferiore, Funktion dagegen zeigt sich unserm Willen gegenüber als unzugänglich. Bald erscheint sie als Kobold mit neckischen Störungen, bald als dens ex machina. Immer aber kommt und geht sie sua sponte. Aus dieser Darlegung geht hervor, daß auch die differenzierten Funktionen nur zu einem Teil sich von der Verwurzelung im Unbewußten befreit haben, zu einem andern 'feil aber noch im Unbewußten stecken und insoweit unter der Herrschaft des Unbewußten operieren. Den drei differenzierten Funktionen, welche dem Ich zur Verfügung stehen, entsprechen drei unbewußte Anteile, die sich vom Unbewußten noch nicht gelöst haben 44 • Und wie den drei bewußten und differenzierten Funktionsteilen eine vierte, nndifferenzierte Funktion als mehr oder weniger peinlicher Störungsfaktor gegenübersteht, so scheint auch die superiore Funktion dem Unbewußten gegenüber der u In einem nordischen Märchen dargestellt als drei zu erlösende Prinzessinnen, die bis zum Hals in der Erde stecken.
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schlimmste Feind zu sein. Und eine besondere Finesse darf nicht unerwähnt bleiben: wie der Teufel sich gerne in einen Engel des Lichtes verkleidet, so beeinflußt in geheimer und tückischer Weise die inferiore am allermeisten die Hauptfunktion, wie letztere die erstere am meisten unterdrückt 45 • Diese leider etwas abstrakten Ausführungen sind nötig, um die Iisten- und andeutungsreichen Zusammenhänge unseres -wie man so zu sagen pflegt- >kindereinfachen< Märchens einigermaßen aufzuhellen. Die beiden gegensätzlichen Dreiheiten, die eine, welche den Bösen bannt und die andere, welche seine Macht darstellt, entsprechen sozusagen haargenau der funktionalen Struktur unserer bewußten und unhewußten Psyche. Das Märchen als ein spontanes, naives und unreflektiertes Produkt der Seele kann wohl nicht anders als das aussprechen, was eben die Seele ist. Daher nun nicht etwa nur unser Märchen diese strukturellen psychischen Verhältnisse darstellt, sondern noch ungezählte andere Märchen 46 tun dasselbe. Unser Märchen zeigt mit seltener Deutlichkeit einerseits die ganze Gegensätzlichkeit des Geistarchetypus, andererseits das verwirrende Zusammenspiel der Antinomieen auf das eine große Ziel der höheren Bewußtwerdung hin. Der junge Schweinehirt, der aus animalischer Tiefe herauf den Riesenbaum der Welt erklettert und ganz oben in der lichten Ueberwelt seine Jungfrau Anima, die hochgeborene Prinzessin, entdeckt, symboZur Funktionenlehre vgl.: Psychologische Typen, 1922. Für den Laien auf diesem Gebiete möchte ich hier beifügen, daß die Strukturlehre der Psyche nicht etwa aus Märchen und Mythen abgeleitet wurde, sondern auf den Erfahrungen und Beobachtungen in dem Gebiete ärztlich-psychologischer Forschung beruht und erst sekundär ihre Bestätigung durch vergleichende Symbolforschung in Gebieten gefunden hat, die dem Arzte zunächst sehr ferne lagen. 45
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lisiert den Aufstieg des Bewußtseins aus tiernahen Gebieten zu einem aussichtsreichen Höhepunkt, welcher die Vergrößerung des Bewußtseinshorizontes in besonders geeigneter Weise darstellt 47 • Hat das männliche Bewußtsein einmal diese Höhe erreicht, so tritt ihm dort seine weibliche Entsprechung, die Anima, entgegen 48 • Diese ist eine Personifikation des Unbewußten. Die Begegnung zeigt, wie ungeeignet die Bezeichnung des Unbewußten als »Unterbewußtsein« ist. Es ist nicht nur »unter dem Bewußtsein«, sondern auch darüber, ja es ist schon längst darüber, sodaß der Held erst mühsam dazu emporklettern muß. Dieses »oberec Unbewußte ist aber keineswegs ein »Ueberbewußtsein« in dem Sinne, daß der, welcher es erlangt hat, wie unser Held, nun etwa ebenso hoch über dem »Unterbewußtsein« stünde, wie über der Erdoberfläche. Im Gegenteil, er macht die unangenehme Entdeckung, daß seine hohe und lichte Anima, die Prinzessin Seele, dort oben verhext ist und so unfrei wie ein Vogel in einem goldenen Käfig. Er kann sich zwar rühmen, über die Niederungen einer fast animalischen Dutnpfheit emporgediehen zu sein, aber seine Seele ist in der Macht eines bösen Geistes, einer finsteren Vaterimago unterweltlicher Art in Gestalt eines Raben, dieser bekannten theriomorphen Figur des Teufels. Was nützt ihm seine Höhe und der weite Horizont, wenn seine geliebte Seele im Gefängnis schmachtet? Ja, sie macht sogar das Spiel der Unterwelt mit und will den Jungen anscheinend daran hindern, das Geheimnis ihrer Gefangenschaft zu ent47 Es handelt sich um eine typische Enantiodromie: Auf diesem Wege geht es nicht noch höher hinaus, sondern man muß nun auch die andere Seite seines Wesens realisieren und dazu hinuntersteigen. 48 Der Junge fragt sich beim Anblick des großen Baumes: >Wie mag es wohl sein, wenn du dir von seinem Wipfel aus die Welt beschaust? c
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decken, indem sie ihm das Betreten des einen Zimmers verbietet. Heimlich aber führt sie ihn eben durch das Verbot doch dazu hin. Es ist, wie wenn das Unbewußte zwei Hände hätte, wovon die eine immer das Gegenteil der andern tut. Die Prinzessin möchte und möchte nicht befreit sein. Der böse Geist aber hat sich offenbar auch in eine Falle gelockt: er wollte sich eine schöne Seele der lichten Oberwelt rauben, was er als geflügeltes Wesen auch tun konnte, hatte aber nicht damit gerechnet, daß er dadurch selber in die Oberwelt gebannt würde. Er ist zwar ein finsterer Geist, hat aber Sehnsucht nach dem Licht. Das ist seine geheime Rechtfertigung, wie die Bannung die Strafe für den Uebergriff bedeutet. Solange der böse Geist in der Oberwelt gefangen ist, kann auch die Prinzessin nicht auf die Erde hinunter, und der Held bleibt im Paradies verschwunden. Nun begeht er aber die Sünde des Ungehorsams, ermöglicht dadurch das Entkommen des Räubers und verursacht eine nochmalige Entführung der Prinzessin, also eine ganze Reihe schlimmer Folgen. Das Resultat aber ist, daß die Prinzessin auf -die Erde kommt, und daß auch der teuflische Rabe die Menschengestalt des Jägers annimmt. Damit kommt die lichte, überweltliche Anima sowohl, wie das böse Prinzip in Menschennähe, d. h. beide werden in den menschlichen Diminutiv übersetzt und dadurch erreichbar. Das dreibeinige, alleswissende Pferd des Jägers stellt dessen eigentliche Macht dar. Es entspricht den unbewußten Anteilen der differenzierbaren Funktionen 49 • Der Jäger aber personifiziert die inferiore Funk49 Das Allwissen der unbewuf!ten Funktionsanteile ist natürlich eine Uebertreibung. Tatsächlich verfügen diese aber - oder besser gesagt - sind sie beeinflullt von den subliminalen Wahrnehmungen und Erinnerungen sowie den instinktiven, archetypischen Inhalten des Unbewuf!ten. Diese sind es, welche den unbewullten Tätigkeiten Informationen von unerwarteter Richtigkeit vermitteln.
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tion, die auch im Helden als dessen Neugier und Unternehmungslust sichtbar wird. Im weiteren Verlauf gleicht er sich dem Jäger sogar noch mehr an: wie dieser sich sein Roß von der Hexe holt, so unser Held. Aber zum Unterschied von letzterem hat der Jäger es versäumt, zwölf Lämmer zu gleicher Zeit mitzunehmen, um die zwölf Wölfe zu füttern, die ihm dann sein Pferd beschädigen. Er vergaß, den chthonischen Mächten den Trihut zu entrichten, weil er eben nichts ist als ein Räuber. Durch sein Versäumnis aber lernt der Held, daR nur gegen ein Opfer das Unhew~Rte seine Geburten ent]äRt 50• Die Zwölfzahl ist hier wohl ein Zeitsymbol mit der Nebenbedeutung von zwölf Werken (a'I?-Aa) 5\die für das UnhewuRte geleistet werden müssen, ehe man sich davon befreien kann 52 • Der Jäger erscheint wie ein erstmaliger, mißratener Versuch des Helden, mit Raub und Gewalt in den Besitz seiner Seele zu gelangen. Die Erlangung der Seele aber bedeutet in Wirklichkeit ein opus von Geduld, Opferwillen und Hingehung. Indem der Held das vierbeinige Pferd in seinen Besitz bringt, tritt er vollends an Stelle des Jägers und erjagt sich damit auch die Prinzessin. Die Vierheit erweist sich in unserer Erzählung als die größere Macht, denn sie integriert in ihrer Ganzheit jenes Stück, das dieser noch fehlte, um ganz zu sein. Der Archetypus des Geistes ist in diesem - beiläufig gesagt- keineswegs primitiven Märchen theriomorph ausgedrückt als ein System von drei Funktionen, 50 Der Jäger hat seine Rechnung ohne den Wirt gemacht, wie dies meistens geschieht. Man denkt selten oder nie an die Kosten, welche die Tätigkeit des Geistes verursacht. 51 Vgl. Heraklesmythus. 52 Die Alchemisten betonen die lange Dauer des Werkes und sprechen von »longissima via«, :.diuturnitas immensae meditationis« usw. Die Zwölfzahl dürfte mit dem Kirchenjahr, in welchem das Erlösungswerk Christi abläuft, zusammenhängen. Das Lammopfer wird wohl auch aus dieser Quelle stammen.
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welches einer Einheit, dem bösen Geist, untergeordnet ist, so wie eine ungenannte Instanz mitteist einer Dreiheit von Nägeln den Raben gekreuzigt hat. Die in beiden Fällen übergeordnete Einheit entspricht in ersterem Fall der inferioren Funktion, die ·der unbewui.lte Widersacher der Hauptfunktion ist, also dem Jäger; in letzterem Fall der Hauptfunktion, also dem Helden. Held und Jäger gleichen sich schlieRlieh aneinander an, so daR die Funktion des Jägers im Helden aufgeht. Ja, der Held selber steckt schon von Anfang im Jäger drin und veranlaßt diesen, mit allen ihm zu Gebote stehenden unmoralischen Mitteln den Raub der Seele zu vollziehen und sie sozusagen gegen seinen eigenen Willen allmählich dem Helden in die Hand zu spielen. An der Oberfläche herrscht wilder Kampf zwischen beiden, im Hintergrund aber besorgt der eine des andern Geschäft. Die Lösung des Knotens erfolgt in jenem Moment, wo es dem Helden gelingt, die Vierheit zu erobern, d. h. psychologisch: ·die inferiore Funktion in das Dreiersystem aufzunehmen. Damit ist der Konflikt mit einem Schlag beendet, und die Gestalt des Jägers verflüchtigt sich ins Nichts. Nach diesem Sieg setzt der Held seine Prinzessin auf das dreibeinige Pferd und reitet mit ihr in das Königreich ihres Vaters. Sie leitet und personifiziert nunmehr jene Region des Geistes, die zuvor dem bösen Jäger diente. Die Anima ist und bleibt also die Vertreterin jenes Teiles des Unbewui.lten, der nie und nimmer in eine menschlich erreichbare Ganzheit aufgenommen werden kann.
Nachtrag Erst nach Abschluß meines Manuskriptes wurde ich von befreundeter Seite auf eine russische Variante unseres Märchens aufmerksam gemacht. Es hat .den Titel:
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Maria Morewna 53 • Der Held der Geschichte ist kein Schweinehirt, sondern Iwan Zarewitsch. Für die drei hilfreichen Tiere gibt es hier eine interessante Erklärung: sie bilden eine Entsprechung zu den drei Schwestern Iwans und deren Männern, die eigentlich Vögel sind. Die drei Schwestern stellen eine unbewußte Funktionstriade dar, welche mit dem Tier-, resp. geistigen Reich in Beziehung steht. Die Vogelmenschen sind eine Art Engel und betonen die auxiliäre Natur der unbewußten Funktionen. In der Geschichte greifen sie denn auch in jenem entscheidenden Moment rettend ein, wo der Held (unähnlich der deutschen Variante) in die Gewalt des bösen Geistes gerät und von diesem getötet und zerstückelt wird (ein typisches Schicksal des Gottmenschen!) H. Der böse Geist ist ein Greis, oft nackt dargestellt und heißt Koschtschej Bessmertnoi (Koschtschej 55, der Unsterbliche). Die entsprechende Hexe ist die bekannte Baba-Jaga. Die drei hilfreichen Tiere der deutschen Variante sind hier verdoppelt, einmal die Vogelmenschen, sodann der Löwe, der fremde Vogel und die Bienen. Die Prinzessin ist hier die Königin Maria Morewna, eine große Heerführerin, (Maria, die Himmelskönigin, wird im russisch-orthodoxen Hymnus als »Heerführerin« gepriesen!), welche in ihrem Schlosse, im verbotenen Zimmer, den bösen Geist an zwölf Ketten gefesselt hält. Als Iwan dem Alten den Durst stillt, raubt dieser die Königin. Die magischen Reittiere verwandeln sich am Schlusse nicht in Menschen. Das russische Märchen hat einen ausgesprochen primitiveren Charakter. Tochter des Meeres. Der Alte tut die zerstückelte Leiche in ein FaR, das er ins Meer roirft, was an das Schicksal des Osiris (Kopf und Phallus!) erinnert. 55 Von kosth = Knochen und pakosth, kaposth = ekelhaft, schmutzig. 53
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5. Anhang Die hier folgenden Ausführungen beanspruchen insofern kein allgemeines Interesse, als sie im wesentlichen technisch sind. Ich wollte sie bei dieser Neuausgabe zuerst unterdrücken, habe mich aber dann anders besonnen und sie in einem Anhang beigefügt. Der nicht speziell psychologisch interessierte Leser kann diesen Abschnitt ruhig überschlagen. Ich habe nämlich im Folgenden das anscheinend abstruse Problem der Drei- und Vierbeinigkeif der magischen Pferde behandelt und dabei meine Ueberlegungen so dargestellt, daR die dabei befolgte Methode sichtbar wird. Dieses psychologische Raisonnement beruht einerseits auf den irrationalen Gegebenheiten des Stoffes, d. h. des Märchens, Mythus oder Traumes, andererseits auf der BewuRtmachung der »latenten« rationalen Beziehungen der Gegebenheiten zueinander. DaR solche Beziehungen überhaupt existieren, ist zunächst eine Hypothese, wie z. B. diejenige, welche besagt, daR Träume einen Sinn haben. Die Wahrheit dieser Annahme steht nicht a priori fest. Ihr Nutzen kann sich nur durch ihre Anwendung ergeben. Es ist darum zunächst abzuwarten, ob ihre methodische Applikation an das irrationale Material eine sinnvolle Deutung desselben ermöglicht. Ihre Anwendung besteht darin, daR dasselbe so angesprochen wird, als ob es einen sinnvollen inneren Zusammenhang besäße. Zu diesem Zwecke bedürfen die meisten Gegebenheiten einer gewissen Amplifikation, d. h. einer gewissen Verdeutlichung, Generalisierung und Annäherung an einen mehr oder weniger allgemeinen Begriff entsprechend der Cardanischen DeutungsregeL So muß z. B. die Dreibeinigkeit, um erkennbar zu werden, zunächst vom Pferde gesondert und ihrem eigenen Prinzip, nämlich der Dreiheit, angenähert werden. Die im Märchen erwähnte Vierbeinigkeit tritt auf der er-
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höhten Stufe des allgemeinen Begriffes ebenfalls in Beziehung zur Dreiheit, woraus sich das Rätsel des Timaios, nämlich das Problem von Drei und Vier, ergibt. Triade und Tetrade stellen archetypische Strukturen dar, welche in der allgemeinen Symbolik eine bedeutende Rolle spielen und gleichermaßen für die Mythenwie für die Traumforschung wichtig sind. Die Erhebung der irrationalen Gegebenheit (nämlich der Drei- und Vierbeinigkeit) auf die Stufe eines allgemeinen Anschauungsbegriffes läßt die universale Bedeutung des Motivs auf der Bildfläche erschein:en und verleiht dem nachdenkenden Verstande den Mut, das Argument ernsthaft in Angriff zu nehmen. Diese Aufgabe involviert eine Reihe von Ueberlegungen und Schlußfolgerungen technischer Natur, die ich dem psychologisch interessierten Leser und insbesondere dem Fachmann nicht vorenthalten möchte, um so weniger als diese Verstandesarbeit für die· Auflösung von Symbolen überhaupt typisch und zum Verständnis der Produkte des Unbewußten unerläßlich ist. Nur auf diese Weise kann der Sinn unbewußter Zusammenhänge aus diesen selber erarbeitet werden, im Gegensatz zu jenen deduktiven Deutungen, die aus einer vorausgesetzten Theorie hervorgehen, wie z. B. die astro- und meteoromythologischen und last not least - die sexualtheoretischen Interpretationen. Das dreibeinige und das vierbeinige Pferd bilden in der Tat eine geheimnisvolle Angelegenheit, welche einer genaueren Untersuchung würdig ist. Die Drei und die Vier erinnern nicht nur an jenes Dilemma der psychologischen Funktionenlehre, sondern auch an jenes Axiom der Maria Prophetissa, das in der Alchemie eine beträchtliche Rolle spielt. Es dürfte sich daher lohnen, etwas näher auf die Bedeutung der beiden Wunderpferde einzutreten. Es scheint mir vor allem beachtenswert, daß der 5 jung: Symbolik des Geistes
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Dreibeiner der Prinzessin einerseits als Reittier zugeordnet, und andererseits selber eine Stute und zugleich eine verzauberte Prinzessin ist. Die Dreiheit verbindet sich hier unzweideutig mit der Weiblichkeit, während sie in der dominierenden religiösen Ansicht des Bewußtseins eine exquisit männliche Angelegenheit darstellt, ganz abgesehen davon, daß drei als ungerade Zahl sowieso männlich ist. Man könnte daher die Dreiheit direkt als ~Männlichkeit< übersetzen, welch letztere in der altägyptischen Drei-Einigkeit von Gott - KaMutef 58 - Pharao noch eindrücklicher ist. Die Dreibeinigkeit als Eigenschaft eines Tieres bedeutet eine dem weiblichen Wesen unbewußt innewohnende Männlichkeit. Bei der wirklichen Frau entspräche ihr der Animus, der, wie das Zauberpferd, ~Geist< darstellt. Bei der Anima hingegen koinzidiert die Dreiheit nicht etwa mit einer christlichen Trinitätsvorstellung, sondern mit dem ~unteren DreieckSchwesterehen< eben doch Schwester, ob dies nun eigentlich oder uneigentlich sei. Ueberdies spielt der Inzest in der Mythologie sowohl wie in der Alchemie eine bedeutende Rolle.
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sich jetzt zwei Ehepaare gegenüber, die einander zwar parallel, aber sonst voneinander getrennt sind, indem das eine Paar der profanen, das andere der magischen Welt angehört. Trotz dieser unzweifelhaften Trennung bestehen aber, wie wir gesehen haben, geheime psychologische Beziehungen zwischen ihnen, die es uns erlauben, das eine Paar von dem andern abzuleiten. Im Geiste des Märchens gesprochen, welches sein Drama an höchster Stelle beginnen läßt, müßte man sagen, daß die Halbgötterwelt der profanen vorausgehe und diese gewissermaßen aus sich erzeuge, wie erstere als aus der Götterwelt hervorgegangen gedacht werden muß. So aufgefaßt bedeuten Hirt und Prinzessin A nichts anderes als irdische Abbilder von Prinz und Prinzessin B, wie diese ihrerseits wiederum Abkömmlinge göttlicher Vorbilder wären. Vergessen wir nicht, daß zum Jäger die pferdezüchtende Hexe gehört als weibliches Gegenstück, so etwas wie eine alte Epona (die keltische Pferdegöttin). Leider wird nicht berichtet, wie die Verzauberung in Pferde geschah. Daß aber die Hexe dabei ihre Hand im Spiele hatte, geht daraus hervor, daß beide Schimmel aus ihrem Stalle stammen und daher gewissermaßen ihre Erzeugnisse sind. Der Jäger und die Hexe bilden ein Paar, das der Wiederschein eines göttlichen Elternpaares im nächtlich-chthonischen Teil der magischen Welt ist. Das göttliche Paar ist unschwer in der christlichen Zentralvorstellung von sponsus et sponsa, Christus und der bräutlichen Kirche, zu erkennen. Wollte man das Märchen personalistisch erklären, so würde dieser Versuch an der Tatsache scheitern, daß die Archetypen nicht Willkürerfindungen, sondern autonome Elemente der unbewußten Psyche und vor aller Erfindung schon da sind. Sie stellen die unveränderliche Struktur einer psychischen Welt dar, die durch ihre determinierenden Wirkungen auf das Bewußtsein zeigt, daß sie >wirklich< ist. So ist es eine bedeutsame
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psychische Wirklichkeit, dafl dem Menschenpaar 64 ein anderes Paar im Unbewuflten entspricht, wobei letzteres nur anscheinend eine Spiegelung des ersteren ist. Das königliche Paar ist in Wirklichkeit stets und überall a priori, und darum bedeutet das Menschenpaar weit eher eine individuelle, zeitlich-räumliche Konkretisierung des ewigen Urbildes, wenigstens in seiner geistigen Struktur, die dem biologischen Kontinuum aufgeprägt ist. So könnte man wohl sagen, dafl der Schweinehirt eben diesen animalischen Menschen darstellt, dem irgendwo in der Ueberwelt eine Partnerin zugesellt ist. Durch ihre königliche Geburt beweist sie ihren Zusammenhang mit dem a priori existierenden halbgöttlichen Paar. Unter diesem Gesichtswinkel betrachtet, stellt letzteres all das dar, zu dem der Mensch noch werden kann, wenn er nur weit genug am Weltenbaum hinaufklettert 65 • Denn in dem Mafle, als der junge Hirt sich seiner hochgeborenen, weiblichen Hälfte bemächtigt, nähert er sich auch dem halbgöttlichen Paar an und erhebt sich in die Sphäre des Königtums, d.h. der Allgemeingültigkeit. In jenem Zwischenspiel, das sich in der »Chymischen Hochzeit< des C h r i s t i an R o s e n c r e u t z findet, begegnen wir demselben Motiv: Der Königsohn mufl seine königliche Braut zuerst aus der Gewalt eines Mohren befreien, dem sie sich freiwillig als Konkubine zugesellt hat. Der Mohr stellt dort die alchemische Nigredo dar, in welcher die Arcansubstanz verborgen ist; welcher Gedanke eine weitere Parallele unseres Mythologems, 64 Insofern die Anima durch eine menschliche Person ersetzt ist. 65 Der groLle Baum entspricht der arbor philosophica der Alchemie. Die Begegnung des irdischen Menschen mit der aus der Krone herunterkommenden Anima in Melusinengestalt ist z. B. in der Ripley Scroll dargestellt. Siehe: Psychologie und Alchemie, p. 615.
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d. h. psychologisch ausgedrückt, eine weitere Variante dieses Archetypus bildet. Wie die Alchemie, so beschreibt auch unser Märchen jene unbewußten Vorgänge, welche die christliche Bewußtseinslage kompensieren. Es schildert das Wirken eines Geistes, welcher die christlichen Gedanken über die von der kirchlichen Auffassung gesetzten Grenzen weiterspinnt, um eine Antwort zu finden auf jene Fragen, welche weder Mittelalter noch Neuzeit beantworten konnten. Es ist ja nicht schwer zu sehen, daß im Bilde des zweiten königlichen Paares eine Entsprechung zur kirchlichen Vorstellung von Bräutigam und Braut und im Bilde von Jäger und Hexe eine Verzerrung des christlichen Gedankens in der Richtung eines noch bestehenden, unbewußten Wotanismus vorliegt. Daß es sich um ein deutsches Märchen handelt, macht die Sache besonders interessant, insofern derselbe Wotanismus dem Nationalsozialismus psychologisch zu Gevatter gestanden hat 66 • Letzterer hat die Verzerrung nach unten der Welt deutlich vor Augen geführt. Andererseits aber zeigt das Märchen, daß die Erreichung der Totalität im Sinne einer Ganzwerdung des Menschen nur durch die Einbeziehung des dunkeln Geistes möglich ist, ja daß dieser letztere sogar eine causa instrumentalis der erlösenden Individuation darstellt. In völligster Verkehrung dieses nicht nur von der Natur erstrebten, sondern auch von der christlichen Doktrin präfigurierten Zieles der geistigen Entwicklung, hat der Nationalsozialismus die sittliche Autonomie des Menschen zerstört und die widersinnige Totalität des Staates aufgerichtet. Das Märchen hingegen zeigt, wie zu verfahren ist, wenn man die Macht des dunkeln Geistes überwinden will: man muß dessen Methoden gegen ihn selber anwenden; was natürlich nicht ge66
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Vgl. meine »Aufsätze zur ZeitgeschichteVi« statt >vim« des Textes. Nihil omnino existens. Diese Paradoxie erinnert an das entsprechende indische asat (das Nichtseiende). Vgl. Khä.ndogya-Upanishad. Sacred Books of the East, I, 93. 84
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heide Versionen 86 • Als »vulgaris« ist er ein toter männlicher Körper, als >>Unser« Mercurius dagegen weiblich, geistig, lebendig und lehenspendend 87 • Er wird auch als Gatte und Gattin 88 , oder als Braut hzw. Geliebte und Bräutigam hzw. Geliebter bezeichnet 89 • Die konträren Naturen des Mercurius werden oft Mercurius sensu strictiori und Sulphur (Schwefel) genannt, wobei ersterer weiblich, Erde und Eva, letzterer dagegen männlich, Wasser und Adam ist 90 • Bei D o r :n e u s ist er der >>wahre hermaphroditische Adam« 91 und bei K h u n rat h ist er >>aus dem hermaphroditischen Samen des Makrokosmos gezeugt«, als eine »keusche Gehurt aus der hermaphroditischen Materie« 92 (= chaos i. e. prima materia). My I i u s nennt ihn »hermaphroditisches Monstrum« 93 • Als Adam ist er auch der Mikrokosrrws schlechthin, oder gar das »Herz des Mikrokosmos« 9 \ oder er hat diesen gleichsam »in sich, wo auch die vier Elemente und die Quinta Essentia sind, welche sie den Himmel nennen« 95 • Die Bezeichnung »coelum« für den Mercurius stammt nicht etwa vom »firmamentum« des Parace I s u s, sondern findet sich schon bei J o h a n n e s d e R u p es c iss a (XIV. Jahrh.) 96 • Mit »Microcosmus« ist synonym der Ausdruck »homo« für Mercurius, z. B. »der in Art. Aurif. II, 239 und 249. Introit. Apert. in Mus. Herrn., p. 653. 88 Glor. Mundi in Mus. Herrn., p. 250. 89 Aurora Consurgens, Pars I., Kap. XII, Parab. VII. 90 Ru 1 an du s : Lexicon Alchemiae, 1612, p. 47. 91 Theatr. Chem., I, 578. 92 Hyl. Chaos., p. 62. 93 My 1 i u s: Phil. Ref., p.19. 94 Ha p e 1 i u s in Theatr. Chem., 1613, IV, 368. 95 \1 y 1 i u s : 1. c. p. 5. 96 Quintessenz = Himmel. J o a n n e s d e R u p e s c i s s a : La Vertu et la Propriete de la Quinte Essence etc. Lyon, 1581, p. 15. Das )Erz der Philosophen« werde wie der »Himmel«, heif!t es im Tract. Micreris. Theatr. Chem., 1622, V, 112. 86
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philosophische Mensch von zweideutigem Geschlecht« 97 (ambigui sexus). In den sehr alten Dicta Belini (Belinus oder Balinus ist ein verstümmelter Apollonius von Tyana) wird er als »der aus dem Flusse steigende Mensch« 98 bezeichnet in wahrscheinlicher Anlehnung an die Esravision 99 • Im Splendor Solis (XVI. Jahrh.) findet sich eine entsprechende Abbildung 100• Diese Vorstellung dürfte auf den babylonischen Weisheitslehrer 0 an n e s zurückgehen. Die Bezeichnung des Mercurius als der :.hohe Mensch« 101 stimmt daher nicht übel mit dieser Aszendenz. Seine Bezeichnung als Adam und Mikrokosmos findet sich an vielen Orten 102, aber ganz unverblümt nennt ihn die Ab r aha m I e J u i f- Fälschung den Adam Cadmon 103• Da ich bereits andernorts diese unmißverständliche Fortsetzung der gnostischen Anthroposlehre in der Alchemie dargelegt habe 101, erübrigt sich hier ein besonderes Eintreten auf den entsprechenden Aspekt des Mercurius 105• Immerhin muß ich nochKh unra th: Hyl. Chaos, p.195. In Man g e t : Bibliotheca Chemica, 1702, I, 478 b. 99 Kaut z s c h : Apokr. u. Pseudepigr. d. Alten Testamentes. IV. Esra 13, 25, 51. 100 S a l o m o n Tri s m o s in : Splendar Solis, Faksimiledruck, Ms. British Museum, 1582, Parab. IV. 101 Ru land u s: Lex. Alch., 1612, p. 47. 102 z. B. J o h a n n e s D e e in Theatr. Chem., II, 223, und Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 309. 103 Abraham E l e a z a r i s Uralt. Chym. Werk, 1760/11, p. 51. Adam K a d monheißt >Urmenschfilius canis coelici colorisc = Mercurius. 191 Elenchos V, 7, 29. 192 Im Syncretismus der naassenischen Anschauungen tritt ein dem Mercuriusbegriff ähnlicher Versuch zutage, die seelisch erfahrene Paradoxie des Urgrundes zu erfassen und auszudrücken. Ich muß mich hier auf diese Andeutung beschränken. 193 Vgl.: Psychologie und Alchemie, 1944. 191 Vgl. B o u s s e t : Hauptprobt d. Gnosis, p. 43, 55, 142.
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Kein Wunder daher, wenn die Texte immer wieder daran erinnern, daß Mercurius »in sterquiliniis inveniturc: (in Abtrittgruben gefunden), wozu aber ironisch bemerkt wird, »es haben Viele in den Abtrittgruben gewühlt, aber dabei nichts herausgebracht< 195 • Dieser dunkle Mercurius ist wiederum als ein Anfangszustand zu verstehen, wobei das Unterste des Anfangs als ein Symbol des Höchsten aufgefaßt werden muß und - allerdings das Höchste auch als Symbol des Unteren: »Anfang und Ende, Reichen sich die Hände.< Es ist der Ouroboros, ev 1:0 niiv, (das Eine All), die im Prozeß vollzogene Einigung der Gegensätze. P e not u s sagt vom Prozeß 198 : »Mercurius ist von der Natur als Sohn der Natur und als Frucht des Flüssigen gezeugt. Wie aber vom Philosophen der Sohn des Menschen gezeugt und als Frucht der Jungfrau erschaffen wird, so muß er auch von der Erde erhöht und von aller Irdischkeit gereinigt werden, dann steigt er als Ganzes in die Luft auf, welche in Geist verwandelt wird. So erfüllt sich das Wort des Philosophen: ,er steigt von der Erde in ·den Himmel und nimmt die Kraft des Obern und des Untern an sich, und so zieht er die irdische und unreine Natur aus und bekleidet sich mit himmlischer Natur .. .'« Da P e not u s sich hier auf die Tabula Smaragdina bezieht, so muß hervorgehoben werden, daß er in einem wesentlichen Punkt vom Geiste der Tabula abweicht. Er stellt einen Aufstieg des Mercurius dar, welcher ganz der christlichen Wandlung vom hylischen zum pneumatischen Menschen entspricht. In der Tabula heißt es da195 198
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Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 243. Theatr. Chem., 1602, I, 681.
gegen: »Er steigt von der Erde in den Himmel und wiederum steigt er zur Erde herunter und nimmt die Kraft des Obern und des Untern in sich auf.« Ebenso heißt es: »Seine Kraft ist vollkommen, wenn sie sich der Erde zugewendet hat.« Es handelt sich also keineswegs um einen einsinnigen Aufstieg zum Himmel, sondern, im Gegensatz zum Wege des christlichen Erlösers, der von Oben nach Unten kommt und von da wieder nach Oben zurückkehrt, beginnt der filius macrocosmi seine Laufbahn Unten, steigt nach Oben, und kehrt wieder, mit den Kräften des Obern und Untern vereint, zur Erde zurück. Er macht also die umgekehrte Bewegung und offenbart damit seine Gegennatur zu Christus und den gnostischen Erlösern, hingegen besteht eine gewisse Verwandtschaft mit der basilidanischen Vorstellung von der dritten Sohnschaft Mercurius hat die Kreisnatur des Ouroboros und wird daher durch einen einfachen Kreis (circulus simplex) symbolisiert, dessen Mittelpunkt (punctum medium) er zugleich ist 197 • Daher kann er von sich sagen: »Unum sum et multi in me« (Ich bin Eines und zugleich Viele in mir) 198 • Derselbe Traktat versetzt das Centrum circuli als die Erde in den Menschen und nennt es das »Salz«, auf das Christus hingewiesen habe 199 (»Ihr seid das Salz der Erde«).
107 Tract. Aureus c. Schol. An. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 690 f. 198 Aurelia Occulta. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 575. 1 99 Aur. Occ., I. c. p. 555.
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Kapitel 9 Der Geist Mercurius als die Arcansubstanz Mercurius ist, wie allgemein versichert wird, das Arcanum 200 , die prima materia 20\ der »Vater aller Metalle«: 202 , das uranfängliche Chaos, die Paradieseserde, die »Materie, an der die Natur ein Weniges gearbeitet und die sie dennoch unvollendet gelassen hat« 203 • Er ist aber auch ·die ultima materia, das Ziel ihrer eigenen Wandlung, der Stein 204, die Tinctur, das philosophische Gold, der Karfunkel, der homo philosophicus, der zweite Adam, die Analogia Christi, der König, das Licht der Lichter, der deus terrestris, ja die Gottheit selber oder deren vollwertige Entsprechung. Da ich andernorts über die Synonyme und Bedeutungen des Steins gehandelt habe, will ich hier nicht mehr auf Einzelheiten eintreten. Außer prima materia als dem unteren Anfang· und Iapis als dem höchsten Ziele ist der Mercurius aber auch der dazwischenliegende Proze/l, der überdies von ihm selber vermittelt wird. Er ist »Anfang, Mitte und Ende des Werkes« 205 • Er wird daher als Mediator 206 , Servator 200 Hermet. Trism. Tract. Aur. c. Schol. An. Theatr. Chem. IV, 1613, p. 689. 201 My 1 i u s : Phil. Ref., p. 179. Tract. Aureus in Mus.
Herrn., p. 25. Be r n. T r e v i s., in Theatr. Chem. I, 1602, 787 usw. 202 Exerc. in Turb. in Art. Aurif. I, 154. 203 Ros. Phil. in Art. Aurif. II, 231. 20' Lau r. V e n tu r a in Theatr. Chem. II, 263: »1apis benedictus«. Dorne u s in Theatr. Chem. I, 578: :dgneus perfectusque Mercurius«. l. c. 590: »1apis Adamicus fit ex Adamico Mercurio in Evena mu1iere«. Lu 11 i u s : Codicill.: »quaesitum bonum est 1apis noster et Mercurius«. 205 Tract. Aur. I. c. p. 689: »esse principium, medium et finem operis«. 206 Ripley Scroll. Exercit. in Turb. in Art. Aurif. I, 170. R i p 1 e y: Chym. Schriften, 1624, p. 31. Tract. Aur. c. Schol. l. c. p. 691: »mediator pacem faciens inter inimicos«.
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und Salvator bezeichnet. Er ist Mediator wie Hermes. Als »medicina catholica< und »alexipharmakon« ist er der »servator mundi« (Erhalter der Welt). Er ist einerseits der »salvator omnium corporum imperfectorum< (der Heiler aller unvollkommenen Körper) 207, andererseits der »typus incarnationis Christi« (Bild der Fleischwerdung Christi) 208 , »unigenitus« (Eingeborener) und »consubstantialis parenti Hermaphrodito« (von gleicher Substanz, op.oouaeoc; mit dem elterlichen Hermaphroditen) 209 , überhaupt ist er im Makrokosmos (der Natur) in jeder Beziehung das, was Christus im mundus rationalis der göttlichen Offenbarung ist. Aber wie der Satz >Mein Licht übertrifft jedes (andere) Licht« 210 zeigt, geht der Anspruch des Mercurius noch weiter, weshalb ihm die Alchemisten sogar die Qualifikation der Dreieinigkeit gegeben haben 21\ um damit seine völlige Gottentsprechung darzutun. Bekanntlich ist bei D a n t e der Satan tricephalus, daher eine Dreiheit in der Einheit. Satan ist zwar eine Gottentsprechung, aber im Gegensatz. Dies ist nun keineswegs die Auffassung der Alchemisten; sie sehen in Mercurius eine dem Wesen der 207 208
.Aquar. Sap. in Mus. Herm., p. 111. 1. c. P· 118.
K h u n rat h : Hyl. Chaos, p. 59. Septem Tract. Hermet. 1566, Kap. IV, p. 22. Im Ros. Phil. 1. c. p. 381 heißt es: >Ego illumino aerem lumine meo et calefacio terram calore meo, genero et nutrio naturalia, plantas et Iapides, et demo tenebras noctis cum potentia mea, et facio permauere dies seculi, et illumino omnia luminaria lumine meo, et etiam in quibus non est splendor et magnitudo; quae quidem omnia ex meo opere sunt, cum induor vestimentis meis; et qui quaerunt me, faciant pacem inter me et uxorem meam«. Dies ist ein Zitat aus den »Dicta Belini« (abgedruckt in Manget i Bihl. Chem. I, 478, Textvarianten I) Ich habe die Stelle ausführlich erwähnt, um ihres beträchtlichen psychologischen Interesses willen. 211 >Nam in Lapide sunt anima, corpus et spiritus et tarnen unus Lapis.< Exerc. in Turbam. IX. in Art. Aurif. I, 170. 209 210
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Gottheit harmonische Emanation oder Schöpfung derselben. Die Tatsache, daß stets die Fähigkeit zur Selbsterzeugung, Wandlung, Vernichtung und Begattung seiner selbst hervorgehoben wird, steht eigentlich im Widerspruch zur Auffassung, daß er eine creatura sei. Es ist daher nur logisch, wenn dann bei P a r a c e 1 s u s und D o r neu s die Idee ausgesprochen wird, daß die prima materia ein »increatum« (ein Nichterschaffenes), also ein mit Gott koäternes Prinzip sei. Diese Leugnung der creatio ex nihilo koinzidiert mit der Tatsache, daß Gott (Gen. I) die Tehom vorfand, eben jene mütterliche Tiamatwelt, als deren Sohn uns Mercurius entgegentritt 212 • Kapitel 10 Zusammenfassung a) Mercurius be!Jleht aus allen erdenklichen Gegensätzen. Er ist also eine ausgesprochene Zweiheit, die aber stets als Einheit benannt wird, wenn schon ihre vielen inneren Gegensätzlichkeiten in ebenso viele verschiedene und anscheinend selbständige Figuren dra~ matisch auseinandertreten können. b) Er ist physisch und geistig. c) Er ist der Prozeß der Wandlung des Unteren, Physischen in das Obere, Geistige und vice versa. d) Er ist der Teufel, ein wegeweisender Heiland, ein evasiver »irickster« und die Gottheit, roie sie sich in der mütterlichen Natur abbildet. e) Er ist das Spiegelbild eines mit dem opus alchymicum koinzidenten mystischen Erlebnisses des Artifex. f) Als dieses Erlebnis stellt er einerseits das Selb!Jl, andererseits den IndividuatiOnsprozeß und, vermöge der 212
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Vgl. dazu: Psychologie u. Alchemie, p. 437 ff. u. p. 42 f.
Grenzenlosigkeit seiner Bestimmungen, auch das kollektive Unberou/Ue dar 213 • Gewiß war das Goldmachen und überhaupt die Erforschung der chemischen Natur ein großes Anliegen der Alchemie. Ein noch größeres, noch passionierenderes aber scheint- man kann nicht wohl sagen- die :.Erforschung«, sondern vielmehr das Erlebnis des Unberou{lten gewesen zu sein. Daß man diese Seite der Alchemie - die f..Wm:exa - so lange nicht verstanden hat, liegt einzig und allein an dem Umstand, daß man nichts von Psychologie und zwar insbesondere nichts vom überpersönlichen und kollektiven Unbewußten gewußt hat. Solange man von einer psychischen Existenz nichts weiß, so ist sie, wenn sie überhaupt erscheint, projiziert. So fand sich das erste Wissen um seelische Gesetzoder Regelmäßigkeit ausgerechnet in den Sternen und ein weiteres im unbekannten Stoff. Von beiden Erfahrungsgebieten haben sich Wissenschaften abgetrennt, von der Astrologie die Astronomie und von der Alchemie die Chemie. Die eigentümliche Beziehung zwischen astronomischer Zeitbestimmung und Charakter hingegen ist erst in neuester Zeit im Begriffe, sich zu etwas wie wissenschaftlicher Empirie zu formen. Die wirklich wichtigen psychischen Tatbestände können weder mit dem Maßstab, noch mit der Waage oder dem Reagenzglas oder dem Mikroskop festgestellt werden. Sie sind daher (angeblich) unsichtbar, d. h. mit andern Worten, sie müssen den Leuten überlassen werden, die dafür den (inneren) Sinn haben, wie man die Farben den Sehenden und nicht den Blinden zeigen muß. Der Projektionsschatz, der in der Alchemie liegt, ist womöglich noch unbekannter. Zudem hat er einen der näheren Erforschung unerhört abträglichen Nachteil. 213
Daher die Bezeichnung des Mercurius >mare nostrum«.
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Denn, unähnlich den astrologischen Charakterdispositionen, die, wenn negativ, höchstens Einzelnen unangenehm sind, dem Nachbarn aber zur Ergätzung dienen, stellen die alchemistischen Projektionen Kollektivinhalte dar, die in einem peinlichsten Kontrast- oder besser in einem Kompensationsverhältnis zu unsern höchsten rationalen Ueberzeugungen und Werten stehen. Sie geben die seltsamen Antworten der natürlichen Seele auf die von der Ratio übrig gelassenen letzten und äußersten Fragen. Aller Fortschrittlichkeit und sehnliehst gewünschten Zukünftigkeit gegenüber, die aus einer leidvollen Gegenwart befreien soll, weisen sie zurück auf Uraltes, auf jenes in der Ewigkeit abrollende, scheinbar hoffnungslos statische Auf und Ab oder Hin und Wider und auf unsere so innigst geglaubte Welt als kulissenwechselnde Phantasmagorie. Unserm begehrlichen aktiven Leben zeigen sie als Erlösungsziel ein Symbol des Unbelebten, das nicht selber lebt, sondern bloß ist oder >wes!Geist«, diese zweidimensionale Metapher unserer strohdürren philosophischen Dialektik, erscheinen hier in fast stofflicher Plastizität, als beinahe tastbare Hauchkörper, und weigern sich, als auswechselbare Bestandteile unseres rationalen Bewußtseins zu funktionieren. Die Hoffnung auf eine Psychologie ohne Seele wird hier zunichte, und ebenso schwindet unsere Illusion, daß das Unbewußte eben erst entdeckt worden sei: es ist, in eigenartiger Form allerdings, schon an die zweitausend Jahre gewußt worden. Man gebe sich aber keinen Moment der Täuschung hin: so wenig wir die Charakterdispositionen von der astronomischen Zeitbestimmung lösen werden, so wenig werden wir es vermögen, jenen ungebärdigen und evasiven Mercurius von der Autonomie des Stoffes zu 130
lösen. Der Projektion klebt immer etwas vom Projektionsträger an, und wenn wir schon versuchen, das als psychisch Erkannte unserm BewuRfsein zu integrieren und uns dies auch in einem gewissen MaR gelingen wird, so werden wir damit doch etwas vom Weltall und dessen Stofflichkeit integrieren, oder vielmehr werden wir, da der Kosmos so unendlich viel gröBer ist als wir, vom Unbelebten assimiliert. »Transmutemini in vivos lapides philosophicos«, ruft zwar ein Alchemist aus, aber er weiH nicht, wie unendlich langsam ein Stein »west«, d. h. er wünscht es nicht zu wissen, denn er müHte ja, als geschäftiger Europäer, an diesem Wissen zu ersticken glauben. Wem das lumen naturale, welches von den Projektionen der Alchemie ausgeht, zum ernstlichen Problem wird, ·der wird allerdings jenem Autor recht geben, welcher von der durch das Werk erforderten »immensae diuturnitas meditationis« (Langwierigkeit unermeRiicher Meditation) spricht. In diesen Projektionen tritt uns nämlich die Phänomenologie eines »objektiven« Geistes entgegen, einer wahren matrix seelischen Erlebens, deren passendes Symbol darum die Materie ist. Niemals und nirgends hat der Mensch die Materie beherrscht, es sei denn, er habe ihr Verhalten genau beobachtet und ihre Gesetze mit gröRter Aufmerksamkeit erlauscht. Und nur insofern er dies tat, konnte er in eben diesem MaRe sie beherrschen. So verhält es sich auch mit diesem Geiste, den wir heute das UnbewuRte nennen: er ist widerspenstig wie die Materie, geheimnisvoll und evasiv wie diese und gehorcht »Gesetzen«, die uns in ihrer Un- und Uebermenschlichkeit meist wie ein »crimen laesae majestatis humanae« vorkommen. Wenn der Mensch Hand an das opus legt, so wiederholt er, wie die Alchemisten sagen, das Schöpfungswerk Gottes. Dem Ungeformten, dem Chaos der Tiamatwelt entgegenzutreten, ist in der Tat ein U rerlebnis.
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Wie das Psychische in der unmittelbaren Erfahrung uns im lebendigen Stoff und als Eines mit diesem entgegentritt, so ist Mercurius das argenturn vivum. Diebewußte Diskrimination macht und bedeutet zugleich jenen Eingriff, der Körper von Seele trennt und den Geist Mercurius vom Hydrargyrum scheidet, gewissermaßen »auf Flaschen abziehtMalus< könnte ein entstellter >Magus< sein. Von diesem sind in der Liste des Fihrist von I b n AI-Na d im (987) neben Werken des Rimas (Zosimos) zwei Schriften des M a g u s angeführt, wovon die eine betitelt ist: >Das Buch des weisen Magus über die Kunst"brare aa-raJJii « (Vade Satana) 219 und von dem Drachen, der in der Unterwelt auf 1000 Jahre angekettet wird 220 , ahnen. Es hat den Anschein, als ob die übergroße Lichtfülle einerseits eine umso viel schwärzere Finsternis andererseits erzeugt hätte. Es ist ja auch begreiflich, daß bei der ungemein großen Verbreitung der schwarzen Substanz ein Wesen sine macula peccati fast unmöglich erscheint. Ein liebender Glaube an eine solche Gestalt kann natürlich nicht umhin, sein Haus vom schwarzen Unrat zu reinigen. Aber irgendwo muß sich letzterer aufhäufen, und wo dieser Haufen liegt, da wird auch die gesündeste und schönste Natur von übelm Gestank verpestet. Das Gleichgewicht der Urwelt ist gestört. Es liegt selbstverständlich nicht in meiner Absicht, diese Feststellung in kritisch-tadelndem Tone vorzubringen. Ich bin viel zu sehr nicht nur von der unerbittlichen Logik, sondern auch von der Zweckmäßigkeit dieser Entwicklung überzeugt. Die stärkere Trennung der Gegensätze ist gleichbedeutend mit schärferer Diskrimination, und diese stellt die conditio sine qua non jeder Erweiterung und Intensivierung des Bewußtseins dar. Die fortschreitende Differenzierung des Bewußtseins aber ist der menschlichen Biologie als bedeutsamste Aufgabe gestellt und dementsprechend auch mit den höchsten Prämien, nämlich grenzenloser Fortpflanzung, Ausbreitung und Machtentfaltung, belohnt. Das Bewußtsein ist da219 220
Matth. IV, 10. Apok. XX, 2.
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her, phylogenetisch gesehen, in puncto des Effektes der Lungenatmung und ·der W armblütigkeit an die Seite zu stellen. Die Helligkeitsvergrößerung des Bewußtseins bringt es notwendigerweise mit sich, daR das weniger Helle und weniger Bewußtseinsfähige der Seele in einem solchen MaRe verdunkelt wird, daR früher oder später ein Riß im psychischen System eintritt, der zunächst als solcher allerdings nicht erkannt und darum projiziert wird, d. h. in einer weltanschaulichen Projektion erscheint: nämlich in der Form einer Spaltung zwischen den Mächten des Lichtes und denen der Finsternis. Die Möglichkeit dieser Projektion ist jederzeit durch die zahlreich vorhandenen archaischen Reste ursprünglicher Licht- und Dunkelheitsdämonien gewährleistet. Darum steht wohl auch der althergebrachte persische Dualismus in nicht völlig abgeklärtem MaRe der christlichen Gegensatzspannung zu Gevatter, ohne mit dieser identisch zu sein. Es dürfte darüber kein Zweifel obwalten, daR die moralischen Konsequenzen der christlichen Entwicklung einen ganz erheblichen Fortschritt gegenüber der archaischen Gesetzesreligion Israels darstellen. Das Christentum der synoptischen Evangelien bedeutet zunächst nicht viel mehr als eine innerjüdische Auseinandersetzung, die man mit gutem Rechte der viel frühern buddhistischen Reformation innerhalb des hinduistischen Polytheismus vergleichen kann. Beide Reformationen haben, psychologisch gesehen, eine gewaltige Verstärkung des Bewußtseins im Gefolge. Mit ganz besonderer Deutlichkeit geht dies aus der mäeutischen Methode des Sakyamuni hervor. Aber auch die Logia Jesu lassen diese Tendenz klar erkennen, auch wenn man jenes Logion des Lukasevangeliums, welches die schärfste Formulierung dieser Art darstellt, als apokryph außer Betracht läßt, nämlich: »Wenn du weißt, was du tust, so bist du selig. Wenn du es nicht weißt, 138
bist du verflucht und ein Uebertreter des Gesetzes 221.< Auf alle Fälle ist das Gleichnis vom ungetreuen Haushalter (Luk. XVI) nicht unter die Apokrypha, wo es sich gut ausgenommen hätte, geraten. Der RiR, der durch die Metaphysik geht, kommt langsam zum Bewußtsein als eine Spaltung der menschlichen Seele, und der Kampf des Lichtes gegen die Finsternis verlegt seinen Schauplatz ins Innere derselben. Diese Ueberwanderung ist nicht ganz selbstverständlich, deshalb hat S. I g n a t i u s v o n L o y o l a es für angezeigt erachtet, durch besondere »Exercitia Spiritualia« diesen Kampf dem Gemüte zu veranschaulichen - und dies auf sehr drastische Weise 222 • Diese Bemühungen hatten aus leicht ersichtlichen Gründen einen nur sehr beschränkten Anwendungsbereich. Und so kam es seltsamerweise, daR zu Ende des XIX. Jahrhunderts die Aerzte eingreifen muRten, um den ins Stocken geratenen ProzeR der Bewußtwerdung wieder in Bewegung überzuführen. Von der naturwissenschaftlichen Seite her und einer religiösen Absicht gänzlich unverdächtig hat Fr e u d jene Decke, die ein aufklärerischer Optimismus über die abgründige Dunkelheit menschlicher Natur gebreitet hatte, gelüftet, und seitdem hat die Psychotherapie in dieser oder jener Gestalt nicht mehr gerastet, ein ausgedehntes Gebiet der Dunkelheit zu enthüllen, welches ich als den Schatten des Menschen bezeichnet habe. Aber auch dieser Versuch moderner Wissenschaft vermochte nur Wenigen die Augen zu öffnen. Dafür aber haben die historischen Ereignisse unserer Zeit ein Gemälde der psychischen Wirklichkeit des Menschen mit Feuer und Blut gemalt; ein Bild, das sich nicht mehr auswischen läflt, und ein Anschauungsunterricht, der unvergefllich wäre, wenn - und dies ist die große Frage - der 221 222
Dieses Logion findet sich im Codex Bezae zu Lucas VI, 4. Secunda Hebdomada. De Regno Christi. 139
Mensch, so wie er heute ist, schon die Fähigkeit zu jener Bewußtheit besitzt, die nötig wäre, um mit dem rasenden Tempo des Dämons, der in ihm wohnt, Schritt zu halten oder darauf zu verzichten, seiner Schöpferkraft, soweit sie sich im Aufhau materieller Machtmittel vergeudet, die Zügel schieRen zu lassen! Alle Maßnahmen in dieser Hinsicht erscheinen leider wie blutleere Utopien. Die Gestalt des Logos Christus hat im Menschen die anima rationalis auf eine Bedeutungshöhe gehoben, die unbedenklich ist, solange sie über sich den xupw~, den Herrn der Geister, weiß und ihm unterworfen ist. Die »Vernunft« hat sich aber befreit und sich wortwörtlich zur Herrin aufgeworfen und thronte als Deesse Raison seinerzeit in Notre Dame als ein Vorzeichen künftiger Ereignisse. Unser Bewußtsein ist nicht mehr eingefangen im heiligen Ternenos extramundaner und eschatologischer Bilder. Es hat sich daraus befreien können vermöge einer Kraft, die ihm nicht von oben zuströmte, nicht vermöge eines Iumen de lumine, sondern vermöge eines ungeheuern AnstoRes der Dunkelheit, deren Macht sich steigerte, in dem Maße als das Bewußtsein, sich von der Dunkelheit lösend, ins Licht emporstieg. Nach dem die ganze Natur durchwaltenden Komplementaritätsprinzip hat jede psychische Entwicklung sei sie nun individuell oder kollektiv - ein Optimum, das sich, wenn überschritten, zur Enantiodromie wandelt, d. h. zum Gegenteil führt. Schon während des Aufstieges zur kritischen Höhe machen sich Kompensationstendenzen von Seiten des Unbewuflten bemerkbar, welche aber, wenn das Bewußtsein auf seinem Weg beharrt, in jeglicher Hinsicht verdrängt werden. Das Ideal der Vergeistigung kann U:icht anders, als daR es in den Regungen der Dunkelheit teuflischen Betrug sieht. Die Vernunft muß alles, was ihr entgegensteht oder von ihrem »Gesetze« abweicht, als unvernünftig verdammen. Trotz aller Gegenbeweise darf sich die Mo-
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ral keine Wandlungsfähigkeit zugestehen, denn alles, was mit ihr nicht stimmt, ist unvermeidlicherweise unmoralisch und daher zu unterdrücken. Man kann sich unschwer vorstellen, welche Unmenge von Energien bei solcher Bewußtseinsherrschaft ins Unbewußte abfließen muß. Zögernd, wie im Traum, haben Jahrhunderte introspektiver Ergrübelung allmählich .die Gestalt des Mercurius zusammengesetzt und damit ein Symbol geschaffen, welches sich nach allen Regeln psychologischer Wissenschaft zum Christusbilde kompensatorisch verhält. Es soll nicht an dessen Stelle treten; es ist auch nicht identisch mit demselben, sonst könnte es an dessen Stelle treten. In Erfüllung des Gesetzes der Komplementarität entsteht und durch feinste kompensatorische Abstimmung auf das Christusbild versucht es, über .den Abgrund, der die beiden seelischen Welten trennt, die Brücke zu schlagen. Daß bei Faust nicht vor allem der listenreiche Götterbote, de~ man doch bei den antikischen Neigungen des Autors fast hätte erwarten müssen, sondern ein .dem Namen nach den Abfallgruben mittelalterlichen Zauberwesens entstiegener familiaris als kompensatorische Figur erscheint, beweist, wenn irgend etwas, die eingefleischte Christlichkeit des Goethe'schen Bewußtseins. Dieser Einstellung ist der dunkle Andere stets und überall der Teufel. Der Gefahr dieses Präjudizes entgeht Mercurius nur um Haaresbreite, wie meine obigen Darlegungen zeigen. Aber er entgeht ihr dank dem Umstand, daß er es verschmäht, Opposition a tout prix zu treiben. Sein Name verleiht ihm magischerweise die Möglichkeit, sich trotz aller Ambiguität und Duplizität außerhalb der Spaltung zu halten, denn als antiker und heidnischer Gott besitzt er noch die natürliche Ungeteiltheit, der auch logische und moralische Widersprüche nichts anzuhaben vermögen. Das gibt ihm Unverwundbarkeit und Unzer141
setzbarkeit, eben jene Eigenschaften, welche die Zerrissenheit des Menschen so dringend nötig hätte. Wenn man eine Synopsis sämtlicher Aussagen über und alle bildliehen Darstellungen des alchemistischen Mercur herstellt, so ergibt sich ein auffallender Parallelismus mit den aus andern Quellen stammenden Symbolen des Selbst, worauf ich bereits hingewiesen habe. Man kann nicht wohl anders als den Lapis für einen symbolischen Ausdruck jenes psychologischen Komplexes, den ich als Selbst definiert habe, halten. Ebenso und aus denselben Gründen muß auch die Christusgestalt als Symbol des Selbst angesehen werden. Daraus ergibt sich aber ein anscheinend unlösbarer Widerspruch, ·denn man kann sich zunächst kaum vorstellen, wieso das Unbewuflte von einem und demselben Inhalte, dem vor allem noch der Charakter der Totalität zukommt, zwei ganz verschiedene Bilder entwerfen kann. Gewiß haben an beiden Ideengestalten die Jahrhunderte geistige Arbeit geleistet, weshalb man dazu neigen könnte, anzunehmen, ·daß beide durch den AssimilationsprozeR in hohem Maße anthropomorphisiert worden seien. Für diejenige Anschauung, welche beide Gestalten für Erfindungen des Verstandes hält, ist der Widerspruch daher rasch gelöst; er besteht dann nämlich in nichts anderem als in einer Spiegelung des subjektiven psychischen Zustandes: es ist der Mensch und
sein Schatten. Diese sehr einfache und einleuchtende Lösung beruht nun leider auf Prämissen, welche der Kritik nicht standhalten. Christus sowohl wie der Teufel sind auf archetypische Vorlagen gegründet und infolgedessen nie erfunden, sondern erfahren worden. Sie waren vor aller Erkenntnis schon da 223, und der Verstand hatte 223 Dies geht aus dem allgemein verbreiteten Brudermotiv mit Evidenz hervor.
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nichts anderes mit ihnen zu tun, als sie zu rezipieren und so gut als möglich in seine Weltanschauung einzugliedern. Nur oberflächliche Vernünftelei kann diese fundamentale Tatsache übersehen. Wir sind tatsächlich mit zwei verschiedenen Bildern des Selbst konfrontiert, die, wie es allen Anschein hat, schon in ihrer ursprünglichen Form eine Zweiheit darstellen. Diese ist nicht erfunden, sondern stellt eine autonome Erscheinung dar. Insofern wir natürlicherweise vom Standpunkt des Bewußtseins denken, kommen wir unvermeidlich zum Schluß, daß einzig und allein die Trennung von Bewußtsein und Unbewußtem Ursache dieser Zweiheit sei. Es ist aber eine Erfahrungstatsache, daß es ein vorbewußtes psychisches Funktionieren gibt und dazu dementsprechende autonome Faktoren, eben die Archetypen. Kann man sich zu der Anerkennung der Tatsache durchringen! d11ß die Stimmen und Wahnideen eines Geisteskranken autonom, daß die Phobieen und Obsessionen eines Neurotischen dessen Vernunft und Willen entzogen sind, und daß das Ich keine willkürlichen Träume fabrizieren kann, sondern bloß das träumt, was es muR, dann kann man auch verstehen, daR zuerst die Götter waren und hernach die Theologie. Ja, man muR offenbar noch einen Schritt weiter gehen und annehmen, daR es zuerst eine lichte und eine dämmrige Gestalt gab und erst hernach eine BewuRtseinshelle, die sich von der Nacht mit deren ungewissem Sternenschimmer löste. Wenn also Christus und die dunkle Naturgestalt für die unmittelbare Erfahrung autonome Bilder sind, so sind wir genötigt, unsere rationalistische Kausalreihe umzukehren und diese Gestalten nicht von unseren psychischen Voraussetzungen, sondern vielmehr diese von jenen abzuleiten. Damit ist dem modernen Verstand allerdings etwas viel zugemutet, was aber nichts an der 143
Konsequenz der Hypothese ä:ndert. Von diesem Stand~ punkt aus gesehen, erscheint Christus als der Archetypus des Bewußtseins, Mercurius aber als der des Dubewußten. Als Cupido und Cyllenius ist letzterer der Verführer zur Expansion im Raume ·der Sinneswelt; er ist die »benedicta viriditas« und die »multi flores« des jugendlichen Frühlings, ein täuschender und illusionserregender Gott, von dem es mit Recht heißt: Invenitur in vena Sanguine plena 224 • Er ist ein Hermes Chthonios und Eros zugleich, aus dem aber nach Vollendung des weltlichen Pfades, das »lumen superans omnia lumina«, die »lux moderna« hervorgeht, denn der Lapis ist ja nichts anderes als die im Stoffe verhüllte Lichtgestalt 225 • In diesem Sinne zitiert S. August in u s I, Thess. V, 5: »Ümnes enim vos filii lucis estis, ei f:ilii diei, non sumus nociis ilfque tenebrarum« und unterscheidet zwei Arten von Er• kenntnis, nämlich eine cognitio vespertina und eine cognitio matutina; erstere entspricht der »scientia creaturae«, letztere der »scientia Creatoris« 226 • Wenn wir für »cognitio« Bewußtsein setzen, so würde 'der Gedanke Au g u s t i n s besagen, daR das nur-menschliche und natürliche Bewußtsein sich allmählich, wie gegen Abend, verdunkelt. Aber wie aus dem Abend ein Morgen wird, so entsteht aus dem Dunkel ein neues Licht, :.Er wird in der blutgeschwellten Ader gefunden.« Vgl. das dieturn des 0 s t an e s vom Stein im Nil, der ein Pneuma in sich hat. 226 :>Quoniam scientia creaturae in comparatione scientiae Creatoris quodammodo vesperascit: itemque lucescit et mane fit, cum et ipsa refertur ad laudem dilectionemque Creatoris, nec in noctem vergitur, ubi non Creator creaturae dilectione relinquitur.< De Civitate Dei. Lib. XI, cap. VII. 224 225
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die stella matutina, die Abend- und Morgenstern zugleich ist- Lucifer, der Lichtbringer. Mercurius ist keineswegs der christliche Teufel, welch' letzterer weit eher eine »Verteufelung« eines Lucifer, eben eines Mercurius, darstellt. Dieser ist die schattenhaft angedeutete Urgestalt eines Lichtbringers, der niemals das Licht selber ist, sondern ein qJwaqJopor:, das Iumen naturae, das Licht des Mondes und der Sterne, welche überstrahlt werden durch das neue Morgenlicht, von dem S. A u g u s t i n u s meint, daß es sich nicht zur Nacht wende, wenn der Schöpfer nicht von der Liebe der Kreatur verlassen werde. Aber eben letzteres gehört zu dem Gesetze des Wechsels von Tag und Nacht. Hoelderlin sagt: »Und ihm ähnlich Entreißt das Herz uns eine Gewalt; Denn Opfer will der Himmlischen jedes. Wenn aber eines versäumt ward, Nie hat es Gutes gebracht.« Wenn alle sichtbaren Lichter erloschen sind, dann findet man, nach den Worten Yajiiavalkyas, des Weisen, das Licht des Selbst: »Dann dient er sich selbst (atman) als Licht; denn bei dem Licht des Selbstes (oder der Seele) sitzt er und gehet umher, treibt seine Arbeit und kehret heim 227.« So beginnt auch bei S. August in u s der erste Schöpfungstag mit der »Cognitio sui ipsius« (Selbsterkenntnis) 228 , bei welcher es sich, wenn richtig verstanden, nicht um eine Erkenntnis des Ich, sondern des Selbstes, handelt, nämlich der objektiven ErscheiDeussen: Die Geheimlehre des Veda, 1909, p. 52 ff. De Civitate Dei, 1. c.: »Et hoc cum facit in cognitione sui ipsius, dies unus est.« Vielleicht ist dies die Quelle für die eigentümliche Bezeichnung deslapisals :.filius unius diek 227
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nung dessen, wessen Subjekt das Ich ist 229 • In Uebereinstimmung mit Gen. I folgen die übrigen Tage mit der Erkenntnis des Firmamentes, der Erde, des Meeres, der Pflanzen, der Gestirne, der Wasser- und der Lufttiere, und schlieRlieh der Landtiere und »ipsius hominis«, des Menschen selber, am sechsten Tage. Die cognitio matutina ist die Selbsterkenntnis, die vespertina dagegen die cognitio hominis 230 • So schildert S. Au g u s t in u s , wie die cognitio matutina allmählich altert, indem sie immer weiter und mehr sich in die »zehntausend Dinge« verliert und zum Schlusse endlich beim Menschen anlangt, wo man doch hätte erwarten können, daR dies schon bei der Selbsterkenntnis der Fall gewesen wäre. Wäre dem aber wirklich so, so hätte das Augustirrische Gleichnis seinen Sinn verloren, indem es sich selbst widersprochen hätte. Einen solchen offenkundigen Lapsus darf man einem so genialen Manne nicht zutrauen. Er hat wirklich gemeint, daR Selbsterkenntnis »scientia Creatoris« 231 ist, ein geoffenbartes Morgenlicht nach der Nacht, in welcher das Bewußtsein eingehüllt im Dunkel des Unbewuflten schlief. Die ursprünglich aus 229 »Cum nulla scientia melior sit illa qua cognoscit homo semetipsum, discutiamus cogitationes, locutiones atque opera nostra. Quid enim prodest nobis, si rerum omnium naturas subtiliter investigemus, efficaciter comprehendamus et nosmetipsos non intelligamus.« Lib. de Spir. et Anima LI. Dieses Buch ist ein dem Au g u s tinunter geschobener, sehr viel späterer Traktat. 230 »Quapropter ipsa creaturae cognitio in semetipsa vespera, in Deo erat mane: quia plus videtur ipsa creatura in Deo, quam in se ipsa videatur.« Dial. Quaest. LXV, Quaest. XXVI. 231 Der Liber de Spiritu et Anima millt der Selbsterkenntnis eine sehr hohe Bedeutung zu. Sie ist ihm unerläflliche Bedingung zur Vereinigung mit Gott. So sagt er: »Sunt alii quaerentes Deum per exteriora, deserenfes inferiora sua, quibus Deus inferior est. Redeamus ergo ad nos, ut possimus ascendere ad nos ... In prima ascendimus ab istis exterioribus et inferioribus ad nos. In secundo ascendimus ad cor altum ... In tertio ascensu
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dem ersten Lichte hervorgegangene Erkenntnis wird schließlich und unvermeidlich zur »scientia hominis«, also des Menschen, der sich fragt: »Wer weiß und erkennt denn alles? Das bin doch Ich.« Und das ist die anbrechende Dunkelheit 232 , aus welcher der siebente Tag hervorgeht, der Tag der Ruhe: »Sed requies Dei requiem significat eorum qui requiescunt in Deo 233 .« Der Sabbat ist also der Tag, an welchem der Mensch wiederum in Gott einkehrt und von Neuern das Licht der cognitio matutina empfängt. Dieser Tag hat keinen Abend 2"'. Symbolgeschichtlich dürfte es nicht belanglos sein, daß A u g u s t i n die heidnischen Wochentagsnamen gegenwärtig waren. Die zunehmende Verdunkelung erreicht am 5/6 Tag, dem dies V eneris den Höhepunkt, um am Tage des greisen Saturn in den Lucifer umzuschlagen. Der dies Saturni kündigt das Licht an, welches am Sonntag in voller Kraft erscheint. Wie oben gezeigt, hat Mercurius nicht nur zur Venus, sondern vor allem zum Saturn eine intime Verwandtschaft, als Mercurius ist er juvenis, als Saturn senex. Mir scheint, als ob der Kirchenvater eine große ascendimus ad Deum.« Dieses etwas kühne Programm läflt sich wohl kaum »contemptu nostri« (wie der Liber meint) verwirklichen, denn Mangel an Selbstreslfekt züchtet blofl herrenlose Hunde. Das cor altum ist dailo viergeteilte Mandala, die imago Dei, bzw. das Selbst. Der Liber de Spiritu befindet sich mitten im Strome augustinischer Tradition. So sagt S. A u g u s t i n u s selber: »Noli foras ire, in teipsum redi; in interiore homine habitat veritas: et si tuam naturam mutabilern inveneris, transcende et teipsum. Sed memento, cum te transcendis, ratiocinantem animam te transcendere.« (De vera relig. 72.) 232 »Vespera fit quando sol occidit. Occidit sol ab homine id est lux illa iustitiae, praesentia Dei.« Diese Worte äuflert August in in seiner Betrachtung von »Vespere demorabitur fletus et in matutinum exsultatio«. Enarratio in Ps. XXIX, II, 16. 233 De Civitate Dei, Lib. XI, cap. VIII. Idem: Dial. Quaest. LXV, Quaest. XXVI. 234 »Septimus iste dies non habet vesperam.« Sermo IX, 6.
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Wahrheit ahnend angedeutet hätte, nämlich die, daß jede geistige Wahrheit sich allmählich verdinglicht und Stoff oder Werkzeug in der Hand des Menschen wird. Er kann sich infolgedessen kaum der Einsicht entziehen, daß er der Erkenner, ja sogar ein Schöpfer ist, dem grenzenlose Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Ein solcher Mensch ist im Grunde genommen der Alchemist, aber in viel höherem Maße der Mode~ne. Ein Alchemist konnte noch beten: »Horridas nostrae mentis Purga tenebras.« Der moderne Mensch ist schon dermaßen verdunkelt, daß außer dem Lichte seines Verstarrdes. nichts mehr seine Welt erhellt. »Occasus Christi, passio Christi 235 .« Darum wohl passieren unserer gelohten Kultur die wunderlichsten Dinge, die schon mehr einem Weltuntergang als einer normalen Abenddämmerung gleichen. Mercurius, der zweideutige Gott, kommt als Iumen naturae, als Servator und Salvator nur jenem Verstande zu Hilfe, welcher sich nach dem höchsten Lichte, das die Menschheit je empfangen, ausrichtet und sich nicht, dessen uneingedenk, seiner cognitio vespertina ausschließlich anvertraut. Dann nämlich wird das Iumen naturae zu einem gefährlichen Irrlicht, und der Psychopompos zum diabolischen Verführer. Lucifer, der das Licht bringen könnte, wird zum Geist der Lüge, welcher in unserer Zeit die unerhörtesten Orgien, unterstützt von Presse und Radio, feiert und ungezählte Millionen ins Verderben stürzt. Hermes ist zwar ein Gott der Diebe und Betrüger, aber auch ein Offenbarungsgott und hat einer antiken 235
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Ennarratio in Ps. CIII, Sermo III, 21.
Philosophie seinen Namen gegeben, eben der hermetischen. Aus historischer Rückschau gesehen, war es ein psychologischer Moment höchster Bedeutung, als der Humanist Pa tri t i u s dem Papste Gregor XIV. vorschlug, die hermetische Philosophie an Stelle des Aristoteles in der Kirchenlehre zu setzen. In diesem Augenblick haben sich zwei Welten berührt, die in der Zukunft - aber nach was für Ereignissen! - sich noch werden einigen müssen. Damals war es offenkundig unmöglich. Es bedarf noch einer psychologischen Differenzierung ·der religiösen, wie der wissenschaftlichen Auffassungen, bis eine Vereinigung auch nur einigermassen in die Wege geleitet werden kann.
11 jung: Symbolik des Geistes
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rn Die Gestalt des Satans im Alten Testament
Von Dr. Rirokah Schärf
Man sagt, Gott mangelt nichts, er darf nicht unserer Gaben; Ist's wahr, was will er dann mein armes Herze haben? Angelus Silesius
Die Gestalt des Satans im Alten Testament
Einleitung 1. Fragestellung und Methode In einer Zeit, in der das Böse die Welt verdunkelt hat und mit einer ungeahnten Gewalt sich zu manifestieren vermochte, einer Dynamik, die das apokalyptische Bild der Offenbarung Johannes (20, 2. 3. 7. 8) von dem nach tausendjähriger Gefangenschaft entfesselten Teufel heraufruft und zum adäquaten Ausdruck unmittelbar erlebter Wirklichkeit werden läßt, bekommt die Frage nach Wesen und Ursprung dieser Macht unheimliche Aktualität. In solcher Zeit mag es daher nicht siimlos erscheinen, diesem Bild des Teufels in seine Ursprünge zurück nachzugehen. Dies setzt freilich voraus, daß solche Mythologeme als unmittelbarer Ausdruck seelischer Wirklichkeit aufge~ faßt werden, als Symbole, die rational Tinfaßbares adäquat auszudrücken vermögen. Alle Aussagen über eine solche mythologische Gestalt lassen in der Zusammenschau deren Struktur erkennen und damit den seelischen Inhalt, dessen symbolischer Ausdruck sie ist. Ein solches Verständnis der Mythologeme hat allerdings zur weiteren Voraussetzung, daß die Seele des Menschen ihrem Wesen nach nicht als etwas vom >Veber-Menschlichen« (und damit auch vom >Unter-Menschlichen«) Geschiedenes betrachtet wird, sondern o.ls ein diesen Sphären entsprechendes Organon, das diese nicht-menschlichen, überund unter-menschlichen Mächte in sich enthält. Nicht von Gott und Teufel schlechthin, nicht von ihrem Wesen an sich kann und soll hier also die Rede sein - dies wäre metaphysische Spekulation -, sondern von jenen see153
lischen Inhalten und Erlebnissen des Ueber-Menschlichen in einer religiös schöpferischen Zeit, als deren Ausdruck sie erscheinen. Nicht metaphysische Entitäten also sind Gegenstand der Betrachtung, sondern ihr Bild in der Seele des Menschen - Gott und Teufel als Urbilder, Archetypen der menschlichen Seele. Ich fuße mit dieser Auffassung auf den grundlegenden Ausführungen C. G. J ungs zu dieser Frage. In seiner Einführung zum »Tibetanischen Totenbuch« 1 sagt er hierüber: »Metaphysische Behauptungen sind Aussagen der Seele, und darum sind sie psychologisch. Dem abendländischen Geiste aber erscheint diese selbstverständliche Wahrheit entweder als zu selbstverständlich, indem er aus bekannten Ressentiments heraus der Aufklärung fröhnt, oder als unzulässige Negation der metaphysischen ,Wahrheit'. Ihm klingt das Wort ,psychologisch' immer, wie wenn man gesagt hätte, ,nur psychologisch'. Die ,Seele' erscheint ihm irgendwie als etwas sehr Kleines, Minderwertiges, Persönliches, Subjektives u. dgl. mehr.« Und in »Psychologie und Alchemie« 2 : »Wie man sich das Verhältnis von Gott und Seele vorstellen mag- eines ist sicher: daß die Seele kein Nur sein kann, sondern die Dignität eines Wesens hat, dem es gegeben ist, einer Beziehung zur Gottheit bewußt zu sein. Wenn es auch nur die Beziehung eines Tropfens zum Meere ist; selbst das Meer wäre nicht ohne die Vielheit der Tropfen.... Wie das Auge der Sonne, so entspricht die Seele Gott. ... Es wäre eine Blasphemie, zu behaupten, daß Gott sich überall offenbaren könne, nur gerade nicht in der menschlichen Seele. Ja, die Innigkeit der Beziehung zwischen Gott und Seele schließt jede Minderbewertung der Seele von vornherein aus 3 • Es ist vielleicht zu weit gegangen, von einem Verwandtschaftsverhältnis zu Herausgegeben von W. Y. Eva n s- Wen t z, 1936, S. 18. 1944, s. 22/23. 3 »DaR auch der Teufel Besitz von der Seele nehmen kann, vermindert ihre Bedeutung keineswegs.< (S. 23, Anm. 1.) 1
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sprechen; aber auf alle Fälle muß die Seele eine Beziehungsmöglichkeit, d. h. eine Entsprechung zum Wesen Gottes in sich haben, sonst könnte ein Zusammenhang nie zustande kommen. Diese Entsprechung ist, psychologisch formuliert, der Archetypus des Gottesbildes.< Von dieser Entsprechung allein, so wie sie in den biblischen Texten ihren Ausdruck gefunden hat, soll in dieser Arbeit die Rede sein. Und insofern diese Texte eine Entwicklung der Gottesvorstellung zeigen, darf in diesem Sinne wohl von einem Schicksal Gottes in der menschlichen Seele gesprochen we~den, ohne daß dies als Blasphemie mißverstanden wird. Und wiederum soll in dieser Arbeit, die sich eine wissenschaftliche Aufgabe stellt, die letztlich metaphysische Frage, ob diesem innerseelischen göttlichen EntwicklungsprozeR eine metaphysische Realität entspreche, unberührt bleiben 4 • Solche Sicht bedingt aber unvoreingenommenes Er4 Vielleicht darf aber doch gesagt werden, daß durch die Weite und Tiefe der J u n g sehen . Auffassung von der Seele - sie ist für ihn von >Unerme.lllichem Umfang und .unauslotbarer Tiefec (Psychologie und Alchemie, S. 26) - das alte Problem der Transzendenz und Immanenz von seiner Schärfe verliert, da ja die so verstandene Immanenz die Wirkung, Einprä'gung, oder wie immer man es nennen will, des Ueber-den-Menschen-Hinausgehenden, also des Transzendenten, mitumfa.llt. Das Transzendente begegnet vom eigenen Seelenhintergrunde her. Wie man sich aber auch zum Transzendenzproblem stellen mag - Gegenstand einer wissenschaftlichen Untersuchung kann jedenfalls nur das Phänomen des Gottesbildes sein, wie es uns aus den Texten entgegentritt. Auch vom transzendentalen Standpunkt aus ist Gott gewissermaßen nur in der Seinsform eines psychischen Inhalts, in der Brechung menschlicher Sicht faßbar. Selbst wenn der Gegensatz zwischen >immanenter< und >transzendenter< Gottesauffassung als wesenhaft und echt betrachtet wird, würde er im wissenschaftlichen Bereich, d. h. in der Ausrichtung auf das Phänomen der Gottesvorstellung, aufgehoben sein. In der dem Menschen faßbaren Gegebenheit des Phänomens überschneiden sich diese beiden Vorstellungsebenen.
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fassen aller Aussagen, die das Phänomen betreffen, mit allen seinen wesensmäßigen ReJationen. Wo die überpersönlichen Inhalte Persönlichkeitsqualität angenommen haben, wie dies im Alten Testament der Fall ist, können sie nur aus der Struktur der Persönlichkeit, aus ihrem ganzen Beziehungsgefüge heraus verstanden werden. Die Figur des Satans, um die es hier geht, kann daher nicht »an sich« erfaßt werden, sondern nur ill' ihrem Bezug zu Gott. Ihr Wesen kann erst erhellen in hezug auf das Wesen Gottes in allen seinen Aspekten. Es reicht zum Beispiel keineswegs aus~ sich mit der Feststellung zu begnügen, daß der Satan in der Hiobgeschichte Gott untergeordnet ist. Das ist ein einziger Aspekt der Beziehung zwischen Gott und Satan im Alten Testament. Diese Aussage bleibt farblos, solange Art und Grad dieser Abhängigkeit, die ihrerseits vom Wesen Gottes und des Satans abhängt, nicht aus dem ganzen biblischen Text herausgearbeitet wird. Als Fragestellung ergibt sich daher: Wie erscheint der Satan im Alten Testament? Wie ist diese Vorstellung entstanden? Und was für eine Bedeutung kommt ihr zu innerhalb der alttestamentlichen Theologie? Methodisch darf deshalb die spätere, außeralttestamentliche Entwicklung des Satans, obwohl sie Anlaß der Untersuchung sein kann, nicht ihr Ausgangspunkt sein. Gewiß gibt der Stoff Antwort, wenn man von »außen«, von andern, zeitlich späteren oder parallelen Sinnzusammenhängen her Fragen an ihn stellt, wie die erwähnte, ob der Satan Gott untergeordnet sei oder nicht, aber sein Wesen erschließt sich nicht aus ihnen. Ich möchte daher versuchen, aus dem Stoff selbst heraus zu fragen, die Aussagen über den Satan gewissermaßen als Mosaiksteine zu betrachten, die sorgfältig zu seinem Bilde zusammengetragen werden müssen. Und jeder gewonnene Wesenszug soll nach seiner Bedeutung im ganzen Stoffbereich untersucht werden. 156
2. Der Stand der Bearbeitung des Problems Der Satan kommt im Alten Testament als ausgeprägte mythologische Persönlichkeit nur an wenigen Stellen vor (Hi 1, 6-12 und 2, 1 ff.; Sach 3, 2 ff. und 2 Ch 21, 1), die - besonders die Hiob-Stellen zahlreiche Kommentatoren gefunden haben. Es wird Aufgabe der Einzeluntersuchung sein, sich auf diese zu beziehen, resp. sich mit ihnen auseinanderzusetzen 5 • Eine monographische Behandlung hat dieses Problem in neuerer Zeit nur in wenigen Schriften gefunden. Als älteres Werk ist vor allem G u s t a v R o s k o ff, »Geschichte des Teufels«, zu nennen 6 • Roskoff widmet dem Satan des Alten Testaments ein Kapitel 7 , das in seiner Geschlossenheit wohl als kleine Monographie gelten kann 8 • Trotz des Eingespanntseins seiner Betrachtung in das umfassende Thema des Dualismus in den Religionen, wird R o s k o f f in mancher Hinsicht doch auch dem Spezifischen des alttestamentlichen Satans gerecht und trägt Bemerkenswertes bei zur Durchdringung des Problems nach der prinzipiellen Seite hin, so wenn er gleich zu Anfang in Hinsicht auf die Gestalt des Satans feststellt, daß das Buch Hiob »in der h~bräischen Anschauung einen bedeutsamen Wendepunkt« aufweise, dessen Wahr5 Auf Vollständigkeit muRte freilich in Anbetracht der Weitschichtigkeit unseres Themas und im Hinblick auf die umfangreiche Literatur zu jedem der berührten exegetischen Probleme verzichtet werden. • 2 Bde., 1869. 7 Bd. I, S. 186-199. 8 R o s k o f f s Werk hat in neuester Zeit in E d w a r d Langton' s Buch: ~Satan, A Portrait. A Study of the Character of Satan through all the Ages« (London 1945) eine moderne Parallele gefunden. Langton bietet in knapper Form einen guten Ueberblick über die Satansvorstellungen im Laufe der Jahrhunderte; im weitgesteckten Rahmen seines Buches nimmt das Alte Testament aber so geringen Raum ein, daß dieser Hinweis in unserem Zusammenhang genügen mag.
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nehmung allein es schon unmöglich mache, >diese Schrift für eine der ältesten der hebräischen Literatur zu halten< 9 • Im Satan von 1 Ch 21 sieht er »die zerstörende Eigenschaft Jahwe's schon von diesem getrenntEs wird an allen diesen Stellen mit starken Neigungen des Volkes gerechnet; man schärft doch belangloser Dinge wegen nicht fort und fort dieselben Gesetze ein.< 23 1924.
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D u h m s liegt vor in H ein r ich K a u p e l , »Die Dämonen des Alten Testaments« 24 • Der Verfasser gewinnt zunächst durch seine prinzipielle Fragestellung nach der inneralttestamentlichen Bedeutung des Satans, die er bewußt einer ausschlieRlieh religionshistorisch orientierten Betrachtungsweise gegenüberstellt. So spricht er von dem auf alttestamentlichem Gebiet noch zäh verwurzelten, fast zum Dogma gewordenen Entwicklungsschema 25 , und an der Schrift H ans Du h m s kritisiert er mit Recht, dafl »VOn einer wirklichen Würdigung des Satansglaubens recht wenig zu finden« sei 26 • In der Folge wird man aber ebenso sehr enttäuscht durch die entgegengesetzte Einseitigkeit, mit der der Verfasser nicht nur den allzu nivellierenden religionsgeschichtlichen Standpunkt verwirft, sondern überhaupt die Annahme einer Entwicklung der in Frage stehenden Satansvorstellung. Er kommt daher zu Ergebnissen, die ebensowenig einer inneren, d. h. aus dem alttestamentlichen Stoff selbst gewonnenen Fragestellung entstammen, wie diejenige Du h m s, nur dafl das »Auflen«, aus dem er an den Stoff herantritt, bei ihm mehr auf dogmatischer Ebene liegen dürfte. So mündet seine Untersuchung in die These: dafl der Satan im Alten Testament bereits derjenige war, der im Neuen Testament begegnet, nur noch nicht so ausgeprägt 27 • Dafl 1930. I. c. S. 7. 26 I. c. s. 7. 27 Siehe S. 99: »Der Verfasser des Buches Job hat diese Stellung des Satans (d. i. als Menschen- und Gottesfeind), die im Neuen Testament nüch schärfer gezeichnet ist, durchaus zum Ausdruck gebracht..: und S. 117: »Für die Identität zwischen dem Versucher der ersten Menschen und dem Satan sind alle Voraussetzungen gegeben..: »In Gn 3 steht nicht Satan, sondern Schlange, nur weil die Schlange allgemeiner bekannt war als verderbendes und verführerisches Wesen..: Wie sehr dieser Auffassung die rationalistische Annahme eines nach Gutdünken verfahrenden "Verfassers.: dieser rein mythologischen Erzählung zugrunde liegt, ist sich K a u p e I 24 25
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er, um solches zu beweisen, oft seltsam mit dem Stoff umspringt, kann nicht verwundern 28 • Trotz des m. E. verfehlten Resultats der K a u p e 1 sehen Untersuchung enthält sie aber wertvolle Einzelbeobachtungen, die im folgenden am gegebenen Ort herangezogen werden sollen. Wertvoll ist auch seine umfängliche Literaturverarbeitung. In An t o n J i r k u s Arbeit >Die Dämonen und ihre Abwehr im Alten Testamente: 29 finden wir den religionsgeschichtlichen und den »absoluten< Standpunkt in unbekümmerter Unverbundenheit beisammen. > Jahwe war zu allen Zeiten immer derselbec:, heißt es S. 22, und >... wir sehen klar und deutlich am Anfang das Wunder, wie gleichsam vom Himmel herab einem kleinen Wüstenvolke ein Gott zuteil wird, der sich dereinst die halbe Welt erobern sollte«. Dämonische Züge in Jahwe werden kategorisch abgelehnt, meist durch recht naive petitio principii, so wenn J i r k u z. B. zu Nu 12, wo Moses' Schwester Mirjam vom Aussatz befallen wird, schreibt: >Jahwe ist es, der ihn hervorruft. Gemeint wird natürlich sein, ,der es zuläßt' 30 .< Auch der Ueberfall auf Mose (Ex 4, 24-26) ist nach Jirku nicht Jahwezuzuschreiben: >Wenn auch in der jetzigen Fassung dieser Erzählung ausdrücklich Jahwe als derjenige bezeichnet wird, der den Mose überfällt und zu töten sucht, so wird doch ursprünglich statt Jahwe dennoch von einem Nachtdämon die Rede gewesen sein 31 .c: Und weiter: »Es kann nicht angenommen werden, daf! von dem Manne, der als erster so voll und ganz J ahwe zum Gotte seines Volkes gemacht hat, wohl nicht bewußt. - Zur Beziehung von Paradiesesschlange und Satan s. unten, S. 202 f. 28 Seine Thesen im Einzelnen s. zu. den entsprechenden Stellen, unten. 29 1912. 30 1. c. s. 48. 31 1. c. s. 31.
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der mit J ahwe sozusagen in täglichem Verkehr stand, dafi von diesem Manne erzählt wurde, dafi ebenderselbe Jahwe ihn zu töten suchte 32 .« Das tiefe Problem der göttlichen Ambivalenz, das in dieser Erzählung erscheint, bleibt der zu engen Sicht J i r k u s verborgen. Dafi Jahw:e überhaupt dämonische Handlungen zugeschrieben werden, geht nach J i r k u darauf zurück, dafi alte Dämonensagen vorlagen, »dem Ueberarbeiter die Existenz anderer Geister neben Jahwe aber unmöglich schien«, und da »wurde in frommem Eifer aus dem Dämon einfach Jahwe gemacht ... « 88 • So »einfache wäre dieser Prozefi aber wohl selbst dann nicht gewesen, wenn es sich wirklich nur um ein bewufites literarisches Unternehmen gehandelt hätte. Wenn Jahwe solche ausgesprochen dämonische Züge »einfach« zugeschrieben werden konnten und dann noch »mit frommem Eifer«, so wäre dies ja wiederum nur Ausdruck der inneren Tatsache, die J i r k u mit seiner Erklärung eben gerade ausscheiden möchte, nämlich: dafi es ertragen wurde, Jahwe mit alten Dämonen zu identifizieren! In denkbar gröfitem Gegensatz zu seiner oben geschilderten »absoluten« Betrachtungsweise steht der krasse Rationalismus, mit dem J i r k u die Entstehurig des Dämonenglaubens erklärt: »Die Schauer der Nacht führten zur Vorstellung von Nachtdämonen 3 \ Erinnerungen an die Zeit des Wüstenlebens 35 zu der von Wüstendämonen. Das plötzliche Auftreten von Krankheiten schuf den Glauben an Krankheitsdämonen, wie der Anblick reißender Tiere den an Tierdämonen 36 .« Der Satan figuriert bei J i r k u unter den Krankheitsdämonen, weil er im Hiobbuch »als Urheber der verschiedenen Krankhei32
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l. c. s. 31. I. c. S. 23. Von J i r k u vorher an Gn 32, 23 ff. exemplifiziert (S. 28). I. c. S. 33, bezieht sich auf Azazel. I. c. S. 96.
ten erscheint, die Hiob befallen« 87 • J i r k u sieht freilich ein: »als bloßen Krankheitsdämon kann man den Satan nicht bezeichnen«. Seine Vermutung: »er scheint mehr ein böser Geist zu sein, der über solche Dämonen besondere Macht hatte«, vermag aber nur zu zeigen, daß J i r k u von seiner Fragestellung her dem Problem der Satansgestalt im Alten Testament nicht wirklich nahezukommen vermag. Auf ganz anderem Boden als die bisher besprochenen Arbeiten bewegt sich AI b er t B r o c k- U t n e in seinem Aufsatz »Der Feind« 38 • Wie der Untertitel: »Die alttestamentliche Satansgestalt im Lichte der sozialen Verhältnisse des nahen Orients« zeigt, sieht er die Wurzeln der Satansvorstellung in der menschlich-sozialen Sphäre. Er geht von jenen alttestamentlichen Texten aus, wo »Satan« unzweifelhaft einen Menschen bezeichnet. B r o c kU t n e s Unternehmen ist aber dadurch präjudiziert, daß er diesen frühen Satanstellen nicht unbefangen nachgeht, sondern den auf die Bedeutung »Ankläger« eingeengten, dem Hiobbuch und Sacharja entnommenen metaphysischen Satansbegriff schon im menschlich-sozialen Bereich nachzuweisen versucht, mit dem Endergebnis, daß der Ankläger-Satan als bestimmter sozialer Menschentypus dann später auf die himmlische Sphäre übertragen worden sei. Die soziale Gegebenheit, die den T ypus des »Satans« hervorbrachte, schildert B r o c k - U t n e folgendermaßen: »Palästina war - mit kurzen Unterbrechungen - im ganzen Altertum ein Staat, um den die Großmächte kämpften. Die palästinensischen Fürsten 37 l. c. S. 49. Im Text ist nur von einer Krankheit die Rede. Die anderen Schläge kommen von Jahwe, nicht vom Satan. s. darüber unten z. St., S. 283 f. 38 In: >Klioc, Beiträge zur alten Geschichte, Bd. 28, 1935. Den Hinweis auf diese Arbeit, wie auch auf weitere, insbesondere in Zeitschriften :.vergrabene« neuere Literatur zu meinem Thema verdanke ich Herrn Prof. W. B a u m g a r t n e r in Basel.
12 Jung: Symbolik des Geistes
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waren abhängig von diesem oder jenem großen König oder standen unter seinem Einfluß, und Ruhe und Glück der Fürsten und ihre Reiche waren in vieler Hinsicht abhängig von der Gunst, die sie bei den großen Königen in Aegypten oder den Ländern am Euphrat erlangen konnten. Einen solchen palästinensischen kleinen Fürsten konnte deshalb großes Unheil treffen, wenn ihn irgendein Gegner von ihm bei dem großen König verleumdete oder anklagte 39 .« B r o c k- U t n e bringt Beispiele hierfür aus den El-Amarna-Briefen 40 • Diese kleinen Fürsten lebten daher ständig in Furcht vor dem >Verleumder«. Durch Verleumdung beim großen König suchte ein Fürst den andern, nach dessen Macht er trachtete, auszuschalten. Nach_ einer phantasievollen Schilderung dieses Verleumders 41 , die er durch keinen Text belegt, wird ihm seine bloße Vermutung so sehr zur Gewißheit, daß B r o c kU t n e unvermittelt feststellt: »Solche Menschen werden vornehmlich ,Satane' genannt.« Ein solcher »Satan« sei Hadad, der nach Aegypten floh und große Gunst bei Pharao erlangte (1 K 11, 14 ff.) und ein zweiter Reson, der später König von Damaskus wurde (1 K 11, 23 ff.). Als dritten nennt er Jerobeam (1 K 11, 26 ff.), der zwar nicht direkt als »Satan« erwähnt werde. Erheben sich schon bei der erstgenannten Stelle Bedenken - ist doch in der Erzählung von Hadad rein nichts von einer verleumderischen Tätigkeit desselben beim Pharao gesagt, sondern lediglich von einer offenen F e i n d s c h a f t dieses Edomiterkönigs gegen Salomo, was doch wohl keinen 39
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s. 221. s. 221/22.
u >Die Verleumder waren deshalb vielfach ehrgeizige und beredte Edelleute, deren Fähigkeiten hatten ihr Auftreten bei Hofe erleichtert. Es waren hauptsächlich kräftige und mutige Naturen. Man muß sie sich als draufgängerische und kühne Abenteuer-Ritter vorstellen, die mit der Schlauheit auftraten, die die Situation erforderte, und auch mit dem Selbstbewußtsein, wie es ihre adlige Herkunft gebot.< (S. 222.)
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andern Schluß erlaubt, als »Satane: in diesem Sinne aufzufassen, nämlich als Kriegsfeindl - so macht das Beispiel von Reson B r o c k - U t n e s Auffassung vollends unwahrscheinlich. Abgesehen davon, daß nach dem Wortlaut der erwähnten Stelle »Satan« auch hier nichts anderes als »Kriegsfeind« heißen kann 42 , ist noch ein weiterer Umstand zu berücksichtigen: Bevor diese »Satane« gegen Salomo aufstehen, schreibt dieser schon an Hiram, den König von Tyrus (1 K 5, 18): »Nun aber hat mir Jahwe, mein Gott, auf allen Seiten Ruhe gegeben. Kein Widersacher (wörtlich st#än) ist mehr da, kein Mißgeschick.« Auch hier ist wohl deutlich, daß es sich um kriegerische Bedrohung handelt. Zudem aber würde Salomo kaum als Empfehlung bei einem andern König, von dem er etwas will, darauf hinweisen, daß kein »Satan« im Sinne B r o c k - U t n es gegen ihn sei. Dies wäre auch schon darum ein völlig ungeeignetes Argument, weil er es gar nicht wissen konnte. Liegt es im Wesen der Verleumdung, daß sie dem Verleumdeten, wenn überhaupt, erst nachträglich bekannt wird, wie sollte er wissen, ob nicht im gleichen Moment jemand gegen ihn intrigierte? Ebenso unüberzeugend ist die Satan-Interpre42 :.Gott ließ ihm auch einen Widersacher (wörtl. siifiin) erstehen in Reson, dem Sohn Eljadas, der von seinem Herrn Hadad-Eser, dem König von Zoba, weggeflohen war. Der sammelte Männer um sich und wurde Anführer einer Streifschar; dann nahm er Damaskus ein, setzte sich darin fest und wurde König über Damaskus. Und er war Israels Widersacher (siifiin), solange Salomo lebte.« (1 K 11, 23 ff.) - Ich folge bei den Zitaten der Uebersetzung der Zürcher Bibel, mit der durchgehenden Aenderung, daß die Gottesbezeichnung >der Herr« durch den hebräischen Gottesnamen >Jahwec des Originals ersetzt wurde und die Uebersetzung »Engel des Herrn« durch mal'iik ]ahroe. Dies empfiehlt sich in einer Arbeit, wo es um die theologischen Kategorien selber geht, aus Gründen größerer Prägnanz. Weitere gelegentliche Abweichungen von der Zürcher Bibel sind jeweils an Ort und Stelle kenntlich gemacht.
167
tation B r o c k - U t n es von 1 S 29, 4. Danach fürchten die Philister, daß sich David bei Saul auf ihre Kosten einschmeicheln würde. Aus der ganzen Vorgeschichte ergibt sich aber, daß sie David, den einstigen Vasallen Sauls, im Kampf gegen diesen nicht für zuverlässig hielten. Er könnte ihnen zum »Feinde« werden, heißt: er könnte zu Saul, ihrem Feinde, überlaufen. Aehnliche Einwände sind gegen die Interpretation der andern Belegstellen durch Brock- U tne zu erheben43 • Abgesehen davon läßt sich eine durchaus wesentliche »Satan«Stelle, nämlich Nu 22, 22, überhaupt nicht ins AnklägerSchema pressen 44 • Ueber die Brücke der Psalmstellen, in denen der Satansbegriff vorkommt (27, 12; 71, 13; 109, 4.20. 29) - B r o c k - U t n e sieht sie als Königspsalmen an 45 - kommt er zum Schluß, »dafl die Satansgestalt ihre Wurzeln in den politischen Verhältnissen und im Kultus der Könige hat«. Der himmlische Satan ist nach B r o c k- U t n e nun einfach ein Abbild des politischen: »Im Laufe der Zeit wurde jedoch Jahve selbst ein großer König. Man stellte sich ihn vor als sitzend im Himmel, umgeben von seinem Hofe von Gottessöhnen, und es wurde natürlich, daß auch dieser Hof seine Satansgestalt erhielt. Und übereinstimmend mit irdischen Verhältnissen dachte man sich diesen Satan an Jahves Hof wie die Satane an irdischen Höfen, nämlich als einen mächtigen Edelmann- in diesem Falle als einen ,Gottessohn' 46 der selbstbewußt und mit Beredsamkeit die Menschen 43
sitna
Esr 4, 6 kann als sehr späte Stelle für B r o c k-
U t n es These nicht als Beweis dienen. Zu 2 S 19, 23 s. unten 186 f.
s.
44 B r o c k - U t n e erwähnt sie wohl, aber ohne darauf zu achten, daß sie seine Theorie in Frage stellt (l. c. S. 227, Anm. 1). 45 Gestützt besonders auf Birkeland, Die Feinde des Individuums in der israelitischen Psalmenliteratur, 1933. ' 6 B r o c k - U t n e verkennt hier gänzlich den mythologischen Hintergrund der ~Gottessöhne«!
168
verleumdet 47 .« Sehr dazu angetan, einen Strich durch die Rechnung B r o c k- U t n es zu machen, ist auch die jedem Unvoreingenommenen sich aufdrängende Analogie der Situation im Hiobprolog zu derjenigen von 1 K 22, 19 ff., die B r o c k- U t n e jedoch ignoriert. Sie zeigt nämlich eine »Vorform« des Hiobsatans, die nichts mit Anklägertum zu tun hat. Zu rational leitet B r o c k- U t n e des weiteren die große Bedeutung, die der Satan später erhielt, davon her, dafl er sich als KompromiR zwischen der prophetenbegeisterten Richtung, die alles Gute und Böse von Jahwe herkommend betrachtete, und der primitiven breiten Masse, die alles Böse auf selbständige Dämonen zurückführte, gut eignete. Daß Satan ganz von Jahwe abhängig war, paßte den Monotheisten, die Art seines Funktionierens (»Er fuhr umher und brachte Unheil über Land und Volk« [S. 227]) den Andern! B r o c k - U t n es Arbeit scheint mir prinzipiell bedeutsam zu sein, weil sie Satansbegriff und -vorsteliung von den friihen Texten, d. i. vom menschlichen Bereich her, zu verfolgen unternimmt. M. E. scheitert der Versuch aber daran, dafl ein aus den späteren Texten gewonnenes Kriterium: die Ankläger-Bedeutung des Satans, in die frühen Texte hineinprojiziert wird. Allzu einfach ist auch das Problem des »Umschlags« des Satanbegriffs vom politischen in den himmlischen Bereich behandelt. Mit der Erklärung: »Der Uebergang vom Menschen zum Dämon dürfte dadurch erleichtert worden sein, dafl die kleinen Fürsten in ihrer Wut und Furcht ihre Verleumder als mit dämonischen Zügen ausgestattet betrachteten ... « 48 dreht sich der Verfasser nur im Kreise. Prinzipiell ist aber mit seiner Fragestellung, die vom menschlichen Bereich ausgeht, einer der wesentlichsten 47
48
I. c. S. 225-226. I. c. S. 22?, Anm. 2.
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Punkte der alttestamentlichen Satansproblematik berührt, was dem im Endergebnis m. E. verfehlten Versuch B r o c k - U t n es doch Bedeutung verleiht. Im Ausgangspunkt nahe verwandt mit dem Aufsatz Brock- Utnes ist derjenige Gerhard v. Rads über die alttestamentliche Satansvorstellung 49 • Auch er fixiert den Satansbegriff - von der Wortanalyse herkommend, die die Grundbedeutung »Feind, Widersacher« ergeben hat- im sozialen Bereich, aber nicht wie BrockU t n e in den politischen Verhältnissen, sondern im israelitischen Rechtsleben. Der Satan ist danach im ganz speziellen Sinn Ankläger vor Gericht. Aehnlich wie B r o c k - U t n e seine Verleumdervorstellung schreibt v. Rad den Ankläger-Begriff in der gerichtlichen Ausprägung auch den frühen Satanstellen zu. Israels Feinde haben bei Jahwe eine besondere Funktion. Sie sind Ankläger Israels. »Diese wichtige Vorstellung gibt uns das Recht, die Satane, die J ahwe gegen Salomon erweckt, ... nicht einfach der generellen Grundbedeutung entsprechend als ,Feinde' zu verstehen, sondern auch hier den bestimmten juristischen Sinn zu vermuten: Salomo hat sich nach Meinung des deuteronorniseben Geschichtsschreibers versündigt, und auf diese Schuld beziehen sich nun die Satane, die im Laufe der Regierungszeit dieses Königs aufstehen 50 .< Für die Vorstellung des Feindes als »Ankläger« beruft sich v. Rad auf Ez 21, 28 ff., wo von Nebukadnezar, und 29, 16, wo von den Aegyptern als mazkir 'äro6n (= der, der die Schuld [bei Gott] in Erinnerung bringt) die Rede ist. Abgesehen davon, daß an unseren Stellen nicht mazkir 'ä:roon, sondern säfän steht, und auch sonst für die theologische Problematik, die v. R a d im Auge hat, in diesem einfachen historischen Bericht kein Anhaltspunkt 49 In K i t t e I , Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, 1933, s. v. ~uißoA.or:, Bd. 2, S. 71-74. 50 I. c. S. 72.
170
zu finden ist, müssen gegen seine Auffassung auch die prinzipiellen Einwände, die gegen B r o c k- U t n e erhoben wurden, geltend gemacht werden: Auch er entnimmt die für ihn mallgebende spezifische Bedeutung des Satansbegriffs dem Hiobprolog, um sie dann dort ebenfalls als bloße Analogie zu den irdischen Verhältnissen erscheinen zu lassen: »Wie das irdische, so kennt auch das himmlische Regiment ein Organ im Hofstaat Gottes, das das Amt eines gerichtlichen Anklägers bekleidet 51 .« Für v. Rad ist der Satan im Hiobbuch »keineswegs ein · dämonisches Wesen; er ist der himmlische Staatsanwalt •.. « 52 • Er sieht sich aber sofort zu Einschränkungen genötigt: »Freilich diese Satansvorstellung bei Hiob enthält implicite doch schon die Elemente, die später die Linie so tief nach unten abgebogen haben 53 .« Und noch weitergehend - unter Hinweis auf die Schicksalsschläge, die der Satan über Hiob bringt - stellt v. Rad fest: »De facto ist er also nicht nur Ankläger, sondern hat Kompetenzen, die über seine juristische Funktion hinausgehen. Und hier ist ein wesentlicher Punkt, an dem die Analogie zu dem irdischen mazkir 'äroön versagt 54.« Um Nu 22, 22 von seiner Auffassung her gerecht zu werden, sieht sich v. Rad zur Annahme gezwungen, der Satan sei vielleicht nicht immer dieselbe Figur gewesen, so daß grundsätzlich jeder der bene hä-'elöhim als Ankläger beordert werden konnte. In Nu 22,22 sei es sogar der Engel Jahwes, der Bileam als Satan begegne. Daß aber die Anklägerauffassung die Situation in der Eileamerzählung überhaupt gar nicht trifft, übersieht v. Rad. Er begibt sich mit ihr, da er den Schwierigkeiten nicht 51
I. c. S. 72.
do. do. - Mir scheinen die dämonischen Elemente im Hiobprolog sehr im Vordergrund zu sein. Siehe darüber unten, 52
53
s.
274ff. 54
do.
1?'1
wie B r o c k - U t n e in dieser Hinsicht einfach aus dem Wege geht, sondern sie berücksichtigt, auf immer unsichereren Boden. Er sieht z. B. den engen inneren Zusammenhang der rüaQ,- Vorstellung in 1 K 22, 19 ff. mit dem Hiobprolog, und stellt fest: ~Die Schwierigkeit besteht darin, daß das so deutliche Grundelement des Verklägers mit dem Verführer so gut wie nichts zu tun hat, ... und es ist möglich, daß man in Israel von einem Widersacher wußte, der sich unter Umständen nicht nur de jure auf die menschliche Sünde bezog, sondern die Bedrohung ihrer ganzen Existenz verkörperte 55 .« 1 Ch 21, 1 müßte v. Rad vollends zur Aufgabe seiner These führen, wenn er das Problem nicht in ein literarisches verflüchtigen würde. »1. Chr. 21 ist aber insofern nicht ohne weiteres ausdeutbar, als der Zusammenhang gar nicht ursprünglich vom Satan gehandelt hat, sondern erst sekundär dieser Begriff aus religiösen Bedenken als Korrektur in den Text hineingekommen ist 56.« Er sieht aber doch selbst in dieser Stelle eine »schwere Paradoxie, die allem Teufelsglauben anhaftet« und anerkennt, daß ~die Korrektur wohl kaum in dieser Weise vollzogen worden wäre, wenn die Vorstellung vom Satan nicht doch eine ziemlich entscheidende Wandlung erfahren hätte« 57 • v. R a d s Grundthese vom Satan als gerichtlichem Ankläger wird somit eigentlich durch seinen eigenen Untersuchungsgang in ihrer Unzulänglichkeit offenbar. Als ob in ihm eine viel tiefere Erfassung des alttestamentlichen Satansproblems bereit gelegen hätte, die aber nicht aus seiner vorliegenden Untersuchung hervorgeht, finden sich bei v. Rad so tieferfaßte Formulierungen wie diese: >Der Satan verkörpert die Bedrohung der Menschen von I. c. S. 73. I. c. S. 73 - M. E. tut sich gerade in diesem Wechsel ein ungewöhnlich interessantes Problem auf. Siehe unten, S. 316 f. 67 I. c. S. 73. 65
66
172
Gott her, sei es, daß er der Verkläger ihrer sittlich religiösen Fehlsamkeif ist, sei es als ein im Heilsplan ... festverankertes dämonisch-zerstörerisches Prinzip 58 .c: In die Nähe der beiden letztgenannten Autoren gehören hinsichtlich der Problemstellung auch H. T o r c z y n er s Aufsatz: »Wie Satan in die Welt kam« 59 und Adolphe L o d s' Studie: c: Les origines de la figure de Satan, ses fonctions a la cour celeste »60 • Sie gehen wohl vom mythologischen Bereich aus, stellen aber ebenfalls das Problem des irdischen Vorbildes, resp. der Wurzel der Satansfigur in historisch gegebenen Verhältnissen in den Vordergrund. Da sie jedoch im wesentlichen nur den Hiob-Prolog und Sach 3,1 ff. in Betracht ziehen T o r c z y n e r in ersterem den Ursprung der Satansvorstellung sehend, L o d s eher in Sacharja - gehören sie nicht mehr eigentlich in diese Uebersicht, sondern sollen weiter unten am gegebenen Ort berücksichtigt werden 61 • Erwähnt sei hier nur kurz das Gesamtresultat ihrer Untersuchungen: Tor c z y n er sieht im Satan des HiobBuches einen Geheimboten des göttlichen Hofes, entsprechend den Geheimboten irdischer Könige, die gehen und kommen und über das Treiben der Untertanen berichten 62 • Er gründet seine Anschauung vor allem auf die Ableitung des Nomens sätan vom Verbum süt herumschweifen, worauf weiter unten noch ausführlich eingegangen werden soll 63 • L o d s faßt das Ergebnis seiner Untersuchung folgendermaßen zusammen: » 1• Le
=
I. c. s. 73/74. In: Mitteilungsblätter der Hebräischen Universität Jerusalem, Nr.4, Januar 1938; zwei Jahre vorher schon englisch erschienen in: Expository Times 1936/37, pag. 563 f. 60 In: Melanges Syriens offerts a M. R. Du s sau d, S. 649-660, 1939 erschienen, mir jedoch erst vor kurzem zugänglich geworden. 81 s. unten, S. 181, Anm. 25; S. 295 usw. 82 I. c. s. 16. 81 s. S. 181, Anm. 25. 58
59
1?'3
safän, dans la vision de Zacharie, ne jouait pas le röle
d'avocat general - car l'organisation judiciaire de l'ancien Orient ne paralt pas avoir comporte de magistrat de ce type, - mais d' accusateur occasionnel 64 • - 2" Dans le prologue du poeme de Job, la fonction du säfan est celle d'un agent de la police divine 65 .« Letztere Auffassung vertritt er in ausdrücklicher Anlehnung an den erwähnten Aufsatz Tor c z y n er s , jedoch ohne dessen etymologische Begründung zu übernehmen. Er stellt in der Hauptsache auf historische Parallelen ab, die weiter unten noch zur Sprache kommen sollen 66 • Ueberblicken wir die besprochenen Arbeiten, so darf vielleicht gesagt werden, daß sie im großen und ganzen einseitige Ausgestaltungen prinzipiell wesentlicher Gesichtspunkte darstellen. Es rechtfertigt sich daher vielleicht der Versuch, diese durch das Gesamtphänomen erforderten Blickpunkte in einer Arbeit zu vereinen, resp. das Problem aus ganzheitlich-phänomenologischer Sicht neu zu erfassen, wobei selbstverständlich von den bisherigen Forschungsresultaten als Grundlage ausgegangen werden soll.
64 65 66
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Dagegen unten, S. 293 ff. I. c. S. 660. s. s. 295.
I. Der Begriff »Satan« und seine Entwicklung im Alten Testament 1. Etymologie des Wortes »Satan« In der Welt des Alten Testamentes, wo Namen nicht »Schall und Rauch« sind, sondern magische Kraft haben, gewissermaßen substantiell und somit geradezu identisch mit dem Wesen ihres Trägers sind \ wird es gegeben sein, auch bei der Figur des Satans zunächst nach der Bedeutung seines Namens zu fragen. Der Name »Satan« kommt, wie allgemein angenommen wird 2 , von dem Verbum satan anfeinden, befehden, verfolgen, und dann auch spezieller: ·durch Anklage anfeinden. Demgegenüber findet sich in der »Historischen Grammatik der hebräischen Sprache< von H. Bauer und P. Leander 3 die Ansicht vertreten, das Nomen sei ursprünglich und das Verbum denominiert. Ersteres gehöre zu den Beschreibewörtern auf Suffix -an (>ön). Ger h a r d v. Rad 1 stellt neben diese Ableitung von B a u e r - L e an d e r , auf die er sich bezieht, die andere Möglichkeit einer einfachen Nominalbildung qäfiil, betont aber, daß auch in letzterem Fall das Verbum st#an wohl denominiert sei. Nun ist es Tatsache, daß das Verbum nur fünfmal im Alten
=
1 Vgl. die Namensverleihung an die Dinge der Schöpfung in Gn 1 und 2, wo sie zugleich Wesensverleihung ist. Siehe u. a. auch die Verweigerung der Nam~nsneimung, weil sie dem um den Namen Wissenden Macht über dessen Träger gäbe: Ex 3, 14; Gn 32, 29. · 2 s. vor allem Ge s e Ii i u s - B u h I , Hehr. und aram. Handwörterbuch über das Alte Testament, 1915, und Ludw i g K ö h I e r , Lexikon in veteris testamenti libros, das sich jetzt im Druck befindet, und dessen Manuskript der Verfasser mir gütigst einzusehen erlaubte. 3 1922, s. 500, t. 4 1. c. s. 71.
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Testament vorkommt und zwar durchwegs in den Psalmen, in bezug auf die »Feinde< 6 , also an jüngeren Stellen als das Nomen, was die Annahme, dieses sei ursprünglich und das Verbum von ihm abgeleitet, zu begünstigen scheint. Dagegen spricht aber der Umstand, daR die Nebenform des Verbums sätan: sätam, die sich ebenfalls an fünf Stellen des Alten Testaments findet, neben einer Stelle in den Psalmen 6 und einer im Hiobbuch 7 , dreimal in der Genesis vorkommt 8 , und zwar beim Jahwist und Elohist 9 • 6 Ps. 38, 21: >· •• die mir Gutes mit wider mich sind (jistenüni) .. .< Ps. 71, 13: :.Es müssen zu Schanden men die meiner Seele feind sind (söfne Ps. 109, 4: :.Für meine Liebe
Bösem vergelten, die werden und umkomnafsi) .• •<
befeinden
sie mich
(jiSfenüni) ... <
Ps. 109, 20: :.Das sei der Lohn meiner Feinde (pe'ullat söfnai) •• .<
Ps. 109, 29: :.Meine Widersacher (söfnai) müssen mit Schmach sich bedecken, ... < 8 Ps. 55, 4: :. ... denn sie wälzen Unheil auf mich und befeinden mich grimmig (übe-'af jistemüni).« 7 Hi 16, 9: >Sein Zorn zerriß und befehdete mich ('appö fiiraf roaj-jistemeni) •• .< 8 Gn 27, 41: :.Esau aber ward dem Jakob feind (roajjisföm 'esiiro 'et ja'aqöb), um des Segens willen, mit dem ihn
sein Vater gesegnet hatte.« Gn 49, 23: :.Es reizten i.hn und schossen, es befeindeten ihn Pfeilschützen (roaj-jisfemühü ba'ale l:zi~;lJim); .. .< Gn 50, 15: :.Als nun die Brüder Josephs sahen, daß ihr Vater gestorben war, sprachen sie: Wie? wenn nun Joseph feindselig gegen uns auftritt (lü jisfemenü jösef) und uns all das Böse vergilt, das wir ihm angetan haben?« 0 s. Die Heilige Schrift des Alten Testaments, übersetzt von E. Kaut z s c h, 4. Aufl., hrsg. von A. B er t holet, 1922, zu den Stellen (im folgenden: HSAT 4). - Mit der Prämisse des Denominativs fällt auch der Schluß v. Rads, daß das Wort :.demnach eine Eigenschaft (nicht etwa eine Funktion)« ausdrücke, dahin. Als Beweis für den Funktionscharakter des Wortes scheint mir auch das Nomen sitnii angesehen werden zu dürfen, das kaum anders denn als 'ein
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Diese anscheinend ältere Nebenform gibt auch mehr Anhaltspunkte für die Grundbedeutung des Wortes. Die Bedeutung »feindlich verfolgen«, »nachstellen«, wie sie besonders aus Gn 2'7, 41 und 49, 23 hervorgeht, meinte ursprünglich sehr konkret: nachstellen, im Sinne von: eine Schlinge, eine Falle legen, Fußfesseln anlegen 10• Der einzige alttestamentliche Beleg für diese Grundbedeutung findet sich in Hos 9, 8. Da heißt es {vom Propheten):
pab, jäqös 'al kol deriikäro mastemii be-bet 'elöhiiro »... Schlingen des Vogelstellers findet er auf all seinen Wegen, mastemä im Hause seines Gottes.«
mastemä erscheint also in strenger Parallele zum pab,, dem Netz des Vogelstellers. G u t h e 11 übersetzt es daher in Uebereinstimmung mit Ge s e n i u s 12 mit »Schlingen« 13• Eine Schwierigkeit ergibt sich jedoch dadurch, daß in V. '7 maSfemii ebenfalls vorkommt, und zwar parallel zu 'liroön, was eine übertragene Bedeutung auch .für mastemä nahelegen würde. G u t h e übersetzt es mit Abstraktum der Funktion interpretiert werden kann. Die Belegstelle Gn 26, 21, wo das Wort als ein wohl alter Brunnenname vorkommt, spricht gleichzeitig, da es sich bei ihm wohl eindeutig um eine Ableitung vom Verbum sii.fan handelt, wiederum gegen die Denominativtheorie B a u e r L e anders und v. Rads. Abgesehen von der grammatikalischen Frage läßt sich der funktionelle Charakter des Begriffs aber auch aus der Einzelbetrachtung der fraglichen Stellen belegen. Vgl. unten, S. 208 f. zu Nu 22, 22. 10 Ge s e n i u s , Thesaurus Linguae Hebraeae et Chaldaeae Veteris Testamenti. 1840, Sp. 1327: säfam insidiatus est alicui, hostiliter persecutus est eum.... Origo est in laqueo, vel potius decipulo ferreo ponendo, quo pedes prehendantur, ... < 11 In HSAT•, Bd. II, S. 15. 12 Thesaurus, Sp. 1327: masfemli = compes, decipulum ferreum pedes alicuis prehendens. 18 Ebenso K a r I M a r t i, Das Dodekapropheton, S. 73.
=
1'7'7
»Sünde«, ebenso die Zürcher Bibel. Letztere gleicht mit der Uebersetzung »Anfeindung« in V. 8 diesen an V. 7 an. Eine übertragene Bedeutung in V. 8 stört aber die klare Bildparallele. W e ll h a u s e n streicht daher V. 8 1 \ Ge s e n i u s- Buh 1 15 läßt die Frage der Echtheit von V. 8 offen, bemerkt aber, daß ihre Bejahung Streichung von V. 7 bedingen würde. M a r t i 16 vermutet, daß ma.Sfemä in V. 7 nicht ursprünglich ist, mit der sehr guten Begründung, daß masfemli, auch wenn man es als »Anfeindung« faßt, keine gute Parallele zu 'äroön bildet, und es sehr leicht aus V. 8 an Stelle eines ähnlichen Wortes eingedrungen sein kann. Er vermutet dafür l;wtfä'tam 17 • Im Prinzip gleich und mit ähnlicher Konjektur urteilt auch Gut h e 18 , und Ernst Se ll in gibt ebenfalls V. 8 den Echtheitsprimat 19 • M. E. spricht für die Echtheit von V. 8 jedenfalls die in sich geschlossene Bild14 Die kleinen Propheten, 1898. S. 123. Eine eigentliche Begründung fehlt jedoch. Er lehnt die Zurückführung von masiemä auf »Fallstrick.: gemäß Ge s e n i u s, Thesaurus, ausdrücklich ab - wiederum ohne Grundangabe -, hält sich für maStemä an die Uebersetzung »FeindschaftWidersacher< nicht unter den Engein In dulden. Er macht es sich nur wesentlich leichter, indem er etk.liift; der Satan hätte nie unter den Engeln erscheinen können, das sei nur >poetische Fiktion< und ebensowenig ernst gemeint vom Verfasser des Hiobbuches, wie daß Jahwe es nötig gehabt hätte, einen Menschen durch Satan prüfen zu lassen! - Die. Ableitung des Nomens säfiin von süt findet sich auch bei dem. jüdischen Gelehrten S a m u e I D a v i d L u z z a t t o , Erläuterungen über einen Teil der Propheten und Hagiographen, Lernberg 1876, pag. 197: >iel.älat qeriä'tö siifän mis-süt bä'ä.rel?«· (Ich verdanke diesen Hinweis Herrn Rabb. S. S p e i e r ,
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übersetzt in seiner Bibelübersetzung 26 mit »Widergeist«, was aber m. E. zu sehr bereits von der mythologischen Figur ausgeht, nicht von der ursprünglich noch keineswegs mythologischen, sondern ganz profanen Bedeutung. Es läßt sich nämlich, wie bereits erwähnt, feststellen, daß das Nomen stttän ursprünglich im profanen Bereich zu Hause ist. Es ist in profaner Bedeutung in Tex26
Die Heilige Schrift, neu ins Deutsche übertragen. 193?'.
•• (Fortsetzung)
Zürich.) In neuester Zeit ist diese These von Harry Torc z y n er (Wie Satan in die Welt kam. s. oben, S. 1?'3, Anm. 59) wieder aufgegriffen worden. Seine Begründung vermag aber keineswegs zu überzeugen. U. A. beruft Tor c z y n er sich auf die arabische Form saifän, deren Diphtong der ersten Silbe noch die Zugehörigkeit zu einem Verbum »sehnt« nicht »stn.: zeige. Da das arabische Wort jedoch ein biblisches Lehnwort sein dürfte, wie noch gezeigt werden soll (s. unten, S. 182 ff.), kommt es für die Entstehung des Begriffes nicht in Frage. Tor c z y n er fährt fort: »Dagegen ist es begreiflich, daß die anklagende Tätigkeit des Schatan (Tor z c y n er nimmt s als ursprünglich an und beruft sich auf den Wechsel von s und s innerhalb des Hebräischen und auch zwischen Hebräisch und Arabisch) oder Satan zur Entstehung eines neuen Zeitwortes ,stn' führte, das ,anklagen, befeinden' bedeutet, und von dem sich weiter ein Substantiv ,sitna' Anklage entwickelte.« (S. 1?'.) Diese Erklärung fällt jedoch in sich zusammen angesichts der Tatsache, daß die Ableitung des Nomens sätän von süf und die Auffassung vom Satan als umherschweifendem Boten dem relativ jungen Hiobbuch entnommen ist (auch die sog. Volkserzählung kann nach Ansicht der meisten Forscher nicht über 600 zurückgehen; vgl. hierüber unten, S. 24?' ff.), während das Nomen säfän bereits in wesentlich älteren Texten (s. Nu 22, 22; 1 S 29, 4; 1 K 5, 18; 11, 14. 23) vorkommt. Daß in Hi 2, 1 ev. ein bewußtes Wortspiel mit süt und sätän vorliegt, dem vielleicht sogar eine jener falschen Volksetymologien zugrunde liegen mag, wie sie im Alten Testament nicht selten sind, ist damit nicht in Abrede gestellt. - Wie bereits oben, S. 1?'4 erwähnt, grenzt sich auch A. L o d s, der sich der Auffassung Torc z y n er s vom Hiob-Satan als herumschweifendem göttlichen »Geheimpolizisten.: anschließt, gegen dessen etymologische 13 Jung: Symbolik des Geistes
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ten gebraucht, die älter sind als jene, in denen es den mythologischen Satan bezeichnet. Dieser Tatsache, die sich im Folgenden als von größter theologischer Tragweite herausstellen soll, scheint ein anderes Faktum entgegenzustehen, nämlich, daß das arabische Wort saifän nicht erst im Koran auftaucht als Bezeichnung des Teufels neben »lblis«, sondern schon in vorislamischen Schriften als Synonym des Ausdrucks ginn, und zwar auch im Plural. I g n a z Go 1 d z i h er 27 belegt ginn und saitän in der speziellen Bedeutung des dichterischen Daimonion. F r an z P r re t o r i u s 28 hält es auf Grund dieser Feststellungen für wahrscheinlich, daß der jüdisch-christliche Satan arabischen Ursprungs sei. Er stellt sich damit gegen die Auffassung W e 11 haus e n s 29 , der säifän als christlichen Terminus, welcher aus Abessinien ins Arabische eingedrungen sei, ansieht, und D. H. M ü 11 er s 30 , der das arabische sa#än für eine der Erörterungen ab: »••• sans accepter l'aventureuse hypothese etymologique de M. Torczyner, ... « In seinen diesbezüglichen Ausführungen, die mir erst nach Abschluß dieser Auseinandersetzung mit Tor c z y n er s Hypothese bekannt wurden (s. oben, S. 173, Anm. 60), fand ich meinen Standpunkt aufs schönste bestätigt und noch durch weitere Hinweise gestützt: »Est-il vraisemblable que le verbe säfan, ,s'opposer', et le substantif sifnä, ,opposition', qui sont fort anciennement attestes, par exemple par le nom d'un puits dans le desert (Gen. 26, 20), soient derives d'un substantif designant un agent de police et supposant, par consequent, l'existence d'un Etat centralise et organise? Le rapprocherneut du nom du säfän et du verbe souf ,circuler' dans Job I, 7 peut, s'il est intentionnel, etre un simple jeu de mots par assonance, comme les affectionnaient les auteurs et ecrivains hebreux.« (S. 658/59.) 27 Abhandlungen zur arabischen Philologie. Leiden 1896, S. 106; Die Ginneu der Dichter, in: ZDMG, Bd. 45, S. 685 ff. 28 Aethiopische Etymologien, in: ZDMG, Bd. 61, S. 615-24. 29 Reste arabischen Heidentums 2 (1897) S. 157, Anm. 3. 30 Zur Geschichte der semitischen Zischlaute, S. 10. Diese Arbeit war mir leider nicht zugänglich.
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ältesten Entlehnungen aus dem hebräischen sätän hält. A. S. Tri t t o n 31 erwähnt, daR die arabischen Philologen Shaifan für ein arabisches Wort hielten. Sie leiteten es von der Wurzel sh-t-n ab, einige zogen hingegen die Wurzel sh-y-t vor 32 • Tritt o n hält es jedoch, da die Vorstellung unverkennbar entlehnt sei, für wahrscheinlich, daR das Wort- eine regelrechte arabische Formebenfalls entlehnt sei, und zwar von dem äthiopischen Wort, das seinerseits aus dem Hebräischen abzuleiten ist. sa#än ist auch der Name einer Schlange 33 • Das rein philologische und sprachgeschichtliche Moment scheint für die Lösung dieses Problems nicht auszureichen. M. E. ist die Annahme eines direkten oder über Abessinien erfolgten Eindringens des biblischen Begriffs ins Arabische plausibler als diejenige des umgekehrten Einflusses. Dem steht die Umwandlung des Begriffs, entsprechend den erw·ähnten arabisch-heidnischen Vorstellungen (Plural, Synonym für ginn), nicht im Wege. Der Satan ist in seiner letzten alttestamentlichen und vollends in der christlichen Ausprägung dämonischer Natur und könnte gut von den heidnischen Arabern für ihre - pluralistische- Form des Dämonismus übernommen worden sein. Uebrigens findet sich der Plural von sätän bereits in jüdisch-apokryphen Schriften, wo der Satan Herr eines Geisterheeres ist, also bereits wieder in eine Vielheit aufgespalten erscheint, so z. B. 1 Ren 65, 6 und 40, 7 34 • Angesichts der Tatsache, daR sich im Koran viele Elemente aus den apokryphen Schriften zum Alten und Neuen 31 Artikel »ShaitanSchicksalsschlage: ( pega' rä') 89• Salomo hat sein Reich befestigt und geht nun daran, den Tempel zu bauen. Kein Feind, kein »WidersacherDarum heißen auch solche, welche sich der ruhigen und ungestörten Regierung und dem friedlichen Verlaufe der Entwicklung eines Staates entgegenstellen, Satan ...:. 39 Diese Verbindung ist anscheinend schon von den Alten nicht für zufällig gehalten worden. Da Iman führt für pega' neben :.Begegnisböser Dämon« an (Aramäisch-Neuhebräisches Wörterbuch, s. v.). Nach F o erster, Art. (Ja.lp.wJJ in: Kitte I, Theol. Wörterbuch zum Neuen Testament (S.13), war pega' im tannaitischen Judentum =der Anfallende (selten vorkommend). 40 Die Zürcher Bibel übersetzt >VersucherBöser Alu, geh' nach der wüsten Stätte!
Deine Wohnung ist eine zerstörte Ruine;« Die gemeinsame Aufzählung wilder Tiere und Dämonen als Bewohner der Einöde bei Jesaja findet, worauf K a u p e I hinweist (I. c. S.10; gegen die Auffassung von W. R. Sm i t h, Religion of the Semites. Deutsch v. S tue b e. 1899, S. 86, der deshalb alle dort genannten Tiere für, Dämonen hält), eine Analogie bei den Arabern, die sich die Ginneu auch sehr enge mit den wilden Tieren verbunden denken. 78 I. c. s. 13?. 79 s. darüber auch unten, S. 259. 14 jung: Symbolik des Geistes
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Eine Ausnahme scheint Azazel zu sein, der in den Kult einbezogen ist und zugleich Jahwe gegenübersteht. Diese dämonische Gestalt erfordert desha1h in unserem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit, weil ihr m. E. nur scheinbares- Jahwe-Gegenüherstehen mehrere Forscher zur Ansicht veranlaßt hat, er sei identisch 80 mit dem alttestamentlichen Satan oder seine Vorform 81 • Abgesehen vom Indiz des Eigennamens, der bei Azazel im Gegensatz zum Satan einen überkommenen Dämon erkennen läßt, zeigt der offenbar alte Ritus 82 bei näherer Betrachtung eine in dieser Frage entscheidende Eigentü~lichkeit: Der Dämon Azazel erscheint nicht als ein 80 G a ll in g , dem sich K a u p e I anschließt (I. c. S. 91) in RGG, 2. Aufl. II, 1928, S. 964: Er ist der Gegenspieler Gottes, eine dem Satan entsprechende Figur. - Bei 0 r i g e n es findet sich schon die Identifikation von Azazel und Satan und Schlange von Gn 3 (s. Ca I d w e ll, I. c.). 81 B e n z i n g e r akzeptiert R e u ß ' Annahme, daß die :.Auffassung von Azazel auf dem Wege liegt, der später zum Satan führtAsasel, Zeltheiligtum, vor allem das ,Lager' Israels sind Zeichen, die auf die Zeit vor der Seßhaftwerdung in Kanaan, auf eine Existenz in der Hirtensteppe des südlichsten Palästina hinzudeuten scheinen. Vielleicht ist die Entsendung eines Bockes an Asasel vormosaischer Sühneritus eines der Leastämme, der beim Aufkommen des Jahwismus aus unbekannten Gründen in den Jahwekult aufgenommen wurde.«
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Gegenspieler Jahwes, nicht als eine ihm wirklich gegenüberstehende Macht. Dies geht vor allem daraus hervor, daR es sich in Lev 16 nicht um ein Opfer handelt, worauf schon J u s t i n u s 83 hinweist, R o s k o f f entscheidenden Nachdruck legt 84 und heute die meisten modernen Forscher 85 • R o s k o f f s Auffassung kann m. E. weitgehend gefolgt werden: »Azazel ist keine Macht, zu deren Siihne ein Opfer dargebracht würde, und der Dualismus, der durch ihn sich herausstellt, ist eben nur ein schattenhafter. Er ist nur die Qualifikation der abstrakten Unreinheit gegenüber der absoluten Reinheit Jahwes, er ist nur ein Schattenbild ohne Realität gegenüber der allein realen Macht Jahve's 86 .« Der Azazel-Ritus scheint mir einen einzigartigen Einblick in eine bestimmte Phase der Entstehung des monotheistischen Gottesbegriffes zu bieten, eine »Momentaufnahme« des Verdrängungsprozesses der alten dämonischen Gottheiten. Sie hält gewissermaßen den VerdrängungsprozeR selber fest. Azazel, ursprünglich wohl eine alte dämonische Gottheit 87 , ist nur mehr ein Begriff, der als solcher noch vorhanden, aber weitgehend ausgehöhlt ist. Er ist nur noch Symbol der Oede 88 • Er ist an den Ort verbannt, wo kein Leben mehr ist. Der Gegensatz zur öden Azazel-Wüste ist das »heilige Zelt«, wo der lebenDialog mit Tryphon 40, 4; s. Kau p e 1, l. c. S. 8?. l. c. s. 186. 85 u. a. J. Gutmann, in: Encycl. Judaica, Art. ~Asasel«; Eichrod t, Theologie des Alten Testaments II, S. 120; B. Stad e, Theologie des A. T. I, 1906, S. 188 f.; E. Kaut z s c h, Bibl. Theologie des A. T., 1911, S. 20. 34?; G. H ö 1 scher, Geschichte der israelitisch-jüdischen Religion, 1922, § 9, 9. 86 I. c. S. 186. 87 s. oben, S. 194. 8 s V gl. HSAT • z. St., pag. 185, Anm. c: »In dem Hinschikken des mit der Sünde des Volkes beladenen Asasel (V. 21) kommt lediglich die symbolische Wegschaffung der Sünde und Unreinheit aus dem J ahwe heiligen Lande in den Bereich des Unreinen und Unheiligen in Betracht.< 53 84
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dige Gott wohnt. Dem Werden des heiligen Gottes entspricht auf der menschlichen Ebene die Forderung der Heiligung. Auch innerpsychisch entspricht daher dem göttlichen Geschehen eine Abspaltung. Betrachtet man die menschliche Seite des Ritus psychologisch, so kann der Bock wohl als Symbol der Tierlibido des Menschen gelten. Diese Kraft wird gespalten: es sind zwei Böcke. Einer muß Jahwe geopfert werden, und einer in die Wüste verschwinden. Das Los entscheidet, welcher für Jahwe, welcher für Azazel bestimmt ist. Sie sind also an sich gleich. Dieselbe Triebkraft muß also teils Jahwe geopfert, ge'iveiht werden, teils wird sie weggeschafft Nur ein Teil der Libido wird also sublimiert, der andere wird als Sünde abgestoßen, verdrängt. Die sündige Libido geht zu ihrem »Ursprung« zurück, in die Wüste, d. h. sie versinkt im UnbewufHen, das wegen der Abspaltung »Wüsten«-Charakter hat. Das Unbewußte wird mit der Sünde belastet. So sagt in späterer Zeit, wo Azazel wieder zu dämonischer Geltung gelangt ist, ein Midrasch: »Die Sünden wurden zu Asasel geschickt, damit er sie trage 89 .« Psychologisch geschieht im Azazel-Ritus etwas Aehnliches wie in der Sacharja-Vision vom Weib im Epha (5, 5-11), nur auf anderer Stufe 90 • Hier wie dort wird die Sünde verdrängt und zwar an einen Ort, der mit ihr identifiziert wird: hier in dieser frühen Zeit ist es die Wüste, später ist es das heidnische Babyion 91 • 89 Midrasch Abchir (J alkut Gen. § 44), zit. G r u e nbau m, Beiträge zur vergleichenden Mythologie aus der Hagada, in Zeitschr. der Deutschen Morgenländ. Ges. Bd. XXXI, 18??, S. 226. 00 Den Vergleich zwischen den beiden Stellen ziehen u. a. auch Benzinger, >Azazel« in Encycl. Biblica, S. 395; J. Gutmann, »Asasel« in Encycl. Judaica; Eichrodt, Theologie des A. T., . II, S. 120. 91 L e o n h a r d Rost (Erwägungen zu Sacharjas ?. Nachtgesicht, in ZATW 57/58, 1939-41, S. 224 ff.) bietet eine Studie über den Begriff ris'ä. Obwohl er zugibt, >daR das
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Daß bei Sacharja eine Frau als Verkörperung der Sünde erscheint, scheint mir von unserem Zusammenhang her bedeutsam zu sein: Die Frau ist ihrem Wesen nach der Erde und der Dunkelheit des Unhewußten näher 82 • In der ihrem Wesen nach männlichen Jahwereligion, die gleichsam das Herauswachsen des Bewußtseins aus dem mütterlichen Urschof! der Naturreligionen darstellt man denke an den Symbolgehalt der Sinai-Offenharung nach der Befreiung aus der Knechtschaft Aegyptens 98 seltene ris'ah sonst nur in der weiteren Bedeutung, nicht in der älteren rein forensischen belegt istc: (S. 226), macht er doch letztere für Sach 5, 8 geltend. Danach ist ris'ä das Verdammungsurteil des Exils. Das Fortbestehen des Fluches zeige sich bei Haggai und angedeutet bei Sach 8, 10 ff. im Mißwuchs der Felder. >Das leere Getreidemaß, in dem nun der personifizierte Schuldspruch Platz genommen hat, räumt das Land.c: Der Verdammungsspruch werde in dem den Mißwuchs charakterisierenden leeren Epha nach Babel gebracht, dem Sitz der Bedrückermacht. - Ich kann mich den Ausführungen R o s t s nicht anschließen. Dagegen sprechen vor allem ältere Belege für die Bedeutung :.Frevele: :.Gottlosigkeit.: - s. u. a. Jes 9, 17: :.Denn das Unrecht (riS'ä) brannte wie Feuere, und besonders Ez 18, 27: :.Und wenn der Gottlose sich bekehrt von der Gottlosigkeit (ü-besüb räsä' meriS'ätii), die er getan hat, ... c: - wo eine Uebersetzung im eng·eren forensischen Sinn als :.Schiedsspruche: gar nicht möglich wäre (s. auch den unwittelbar folgenden parallelen Gebrauch von pesa'!). Zu vergleichen ist auch Mal 1, 4, wo Edom das >Land der Ruchlosigkeit< (gebül ris'ä) genannt wird, was zu unserer Stelle, wo die ris' ä nach Babel als ihrem Stammsitz geführt wird, eine sehr nahe Parallele ergibt. Außerdem findet in der These Rosts die Personifikation der ris'ä als Frau keine Erklärung. . 92 Am ausgeprägtesten zeigt dies die chinesische YangYin-Polarität, wie sie z. B. eines der ältesten Bücher, der I Ging, :.Das Buch der Wandlungen« darstellt (Aus dem Chinesischen verdeutscht und erläutert von R i c h a r d W i Ihelm, 1924). · 93 In der mehrfach im Alten Testament sich findenden Identifizierung Aegyptens mit Rahab liegt seine symbolisch weibliche Qualität, wogegen die Licht-Theophanie am Sinai 201
und an das Bild des die Rahah überwindenden Jahwe 94 - konnte, ja mußte die Frau zum Symbol der von Jahwe abgesonderten, »sündigen« Libido werden. Ueber die Frau scheint mir, ideengeschichtlich gesehen, auch eine Beziehung zwischen Azazel und Satan schon im Alten Testament angedeutet zu sein, die dann später zur Identifizierung der beiden Figuren in den Apokryphen geführt hat. Wenn es auch falsch ist, genetisch von einer Identität des Satans auch mit der Paradiesesschlange zu sprechen 95 , so besteht zwischen ihnen, wie im weiteren gezeigt werden soll, wesensmäßig durchaus ein Zusammenhang 96 • Wie Eva mit der Schlange gegen Gott paktiert, ebenso zeigt sich Hiobs Frau unbewußt-wesensmäßig auf der Seite des Satans 97 • Erst in einer Zeit, in der der göttliche DifferenzierungsprozeR zu einem Auseinanderfallen der betreffenden göttlichen Wesensseiten geführt hat, was eine Wiederbelebung vorjahwistischer Dämonen in der Gestalt böser und guter Engel bewirkte 98 , die Entwicklung also gewissermaßen in eine neue Polytheisierung des Jahwismus auf höherer Stufe mündete, wurde Azazel zu einem der gefallenen Engel des Henochbuches und auswechselbar mit dem Satan. Derselbe ProzeR zeigt sich in der Erscheinung, daß Mastema aus Hos 9, 7 99 im Buch der Jubiläen zu einem Namen des buchstäblich »ErleuchtungIch bin Jahwe, dein Gott«. Der Verfasser nergaß« einen Augenblick das sprechende Subjekt und geriet (unbewußt) in den Stil der Jahwerede. 2. einen textgeschichtlichen: mal'äk kann vor ursprünglichem >Jahwe« interpoliert sein. 3. einen stilistischen, auf den S t i e r das Hauptgewicht legt: es handelt sich um eine Kurzform des altorientalil. c. s. 102. In: Alttestamentliche 2. Heft. 158 S. 22 l. c. s. 17 ff. 20
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Abhandlungen.
1934,
Bd. 12,
sehen Botenstils. Der Bote spricht, als ob er der Sender der Botschaft wäre. Hierfür gibt S t i er auch außerbiblische Beispiele: Im babylonischen Adapamythos 23 spricht der Bote ohne die Formel »So spricht Anu«. »Da Interpolation selbstverständlich hier nicht in Frage kommt, handelt es sich um eine prägnante Weise, wie der Orientale die Botenrede wiedergeben kann 24 .« Gekürzte Stilisierung der Botenrede zeigt auch das Zwiegespräch zwischen Assurbanipal und Nabu 25 • Ein Priester des Nabu sagt dem König: »Fürchte dich nicht, Assurbanipal! Langes Leben will ich dir geben, guten Odem will ich für deine Seele beordern.« Aus alledem ergibt sich für S t i er, daß der mal'iik ]ahme ein »kreatürlicher« Engel ist, resp. eine »ldentitätsvorstellung völlig ausgeschlossen« sei. Stier übersieht aber zwei wesentliche Faktoren: 1. Das Identitätsproblem kann schon deswegen nicht auf ein biofies stilistisches Problem reduziert werden, weil die Identität sich gar nicht ausschließlich durch Botenreden ausdrückt, sondern auch in Handlungen, die einmal Jahwe, ein anderes Mal sein mal'ak ausführt 26 • 2. Die stilistische Kürzung hat als solche wiederum einen psychologischen Hintergrund. Wenn keine Wesensgleichheit gemeint oder mindestens denkbar wäre, würde doch das Sprachempfinden gerade peinliehst auf Auseinanderhaltung achten. Dasselbe ist von dem von Stier angenommenen Vorstellungswechsel zu sagen 27 • Ein solcher Vorstellungswechsel von Gottes-Ich und Boten-Ich wäre ja nicht möglich, wenn die verwechselten Subjekte nicht wesensmäßig etwas miteinander zu tun 23 Stier verweist auf A. U n g n a d, Die Religion der Babyionier und Assyrer, 1921, S. 128 ff. u. a. (l. c. S. 19, Anm. 37). 24 l. c. 19. 25 H. Pi n c k er t, Hymnen u. Gebete an Nebo, Nr. 2, S. 16 ff.; zit. Stier, l. c. S. 20, Anm. 40. 26 Beispiele s. oben, S. 207 f. 27 s. oben, S. 212.
s.
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jung: Symbolik des Geistes
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hätten. Das psychologisch Wesentliche ist, daß so verwechselt wird und verwechselt werden kann. Eine Verwechslung ist eine unbewußte Identifizierung. S t i e r übersieht hier außerdem, daß eine solche »Identität« nicht nur beim mal'äk ]ahroe, sondern sogar bei den Propheten, den »Gottesmännernc: vorhanden ist, in dem Sinne, daß sie das Sprachrohr Jahwes sind. Ihre menschliche Individualität ist im Moment der Botschaft gleichsam ausgelöscht. Dies muß entsprechend auch von dem erwähnten Nabu-Priester angenommen werden 28 • 28 Den prinzipiellen Einwand Stiers gegen die >Identitätstheoriec, man dürfe nicht moderne Begriffe an einen alten Stoff herantragen, finde ich an sich durchaus richtig. Er sagt treffend: >Der Historiker sucht sich in die Träger religiöser Vorstellungen verstehend einzufühlen, um ihnen so ihr wahres Meinen abzulauschen. Man darf erst dann abendländisch reden, wenn man morgenländisch gesehen hat. Die ... angeführten Formulierungen zeigen deutlich, wie die griechisch-römische Prägung unseres Denkens und Auffassens gar leicht zur unberufenen Auslegerin wird, die sich ständig zwischen uns und das Wort der Quelle drängen möchte. Die Religionsgeschichte ist eben eine höhere Uebersetzungskunst und wie diese nur dann echt und wahr, wenn sie Nachgestaltung ist.< (S. 7/8.) Eine wesentliche Einschränkung scheint mir jedoch am Platze zu sein: Man muß wohl aus dem Stoff heraus denken, nicht in ihn hinein, aber man kann in der Erfassung eines Stoffes nicht sämtliche Erkenntnismöglichkeiten, die sich aus der seitherigen Kulturentwicklung herauskristallisiert haben, ignorieren. Z. B. archaisches Denken als solches erfassen heißt nicht: selber archaisch denken. Gerade die Distanz ermöglicht erst die Erkenntnis, nicht die Identifizierung mit dem Stoff. In einer tieferen Schicht ist freilich auch der moderne Mensch archaisch, und ohne ein Mitschwingen dieser menschlichen Urerfahrung ist ein lebendiges Nahekommen an den Stoff nicht möglich. Aber unser Stoffverständnis muß notwendigerweise über das Selbstverständnis einer vergangeneu Zeit hinausgehen. Denn ein alter Stoff birgt mehr Sinn als der Zeit seiner Entstehung bewußt war. Können denn wir uns selbst und den geistigen Gehalt unserer Zeit voll erfassen? Wir müssen uns in den Stoff möglichst voraussetzungslos, oder besser: in möglichster Be-
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Religionshistorisch sieht S t i e r den Ursprung des mal'äk ]ahroe im ägyptisch-babylonischen Wesir. Auf die diesbezüglichen Ausführungen S t i e r s näher einzugehen, würde in unserem Zusammenhang zu weit führen. Es sei nur das Endergebnis seiner Untersuchung erwähnt: Er weist auf den babylonischen Nebo und den ägyptischen Thot als himmlische Wesire, entsprechend den irdischen Wesiren hin. Nebo hei1H >nabiu Anuc: = >Verkünder (Herold) Anusc: 29 • Als Herold der Götter führt er den Namen Pap-sukal, d. h. »höchster oder hl. Botec: 80 • Der stereotype Titel Thots ist >Stellvertreter des Rec:. Der Wesir ist also ein stellvertretendes Mittelwesen zwischen Gott und Mensch. Das trifft nach S t i e r auch für den alttestamentlichen mal'äk zu. Aber auch mit dieser religionshistorischen Begründung der mal'äk ]ahroe-ErwuRtheit der eigenen Voraussetzungen, versenken. Wir können aber nicht umhin, den erfaflten Sinngehalt auf der Stufe des Erkenntnisausdrucks wiederzugeben, den die Kultur seither geschaffen hat. Begriffe wie >Hypostase.:, >ManifestationIdentität< usw. können daher durchaus legitim für einen alttestamentlichen Sinnzusammenhang verwendet werden, auch wenn sie nicht selbst alttestamentliche Begriffe sind. Eine letzte >objektive Wahrheit< verbürgt auch die phänomenologische Sicht nicht. Sie stellt aber wohl ein Optimum dar. Die objektive Wahrheit ist vielleicht überhaupt ein Grenzbegriff. Der wissenschaftliche Mensch kann sich ihr nur strebend nähern. Dies hängt wohl letztlich damit zusammen, daß das Wesen des Geistes vielschichtig ist, sein Licht sich in vielen Facetten bricht. 29 Jas t r o w, Die Religion Babyloniens und Aegyptens, Bd. I, S. 119, zit. Stier, l. c. S. 135. - Herrn Prof. W. B a u m g a r t n e r , Basel, verdanke ich den Hinweis,. daß diese Uebersetzung äußerst zweifelhaft ist. Erstens heißt es nicht >Verkünder des Anuc, sondern >der von Anu Berufene« und zweitens gibt es noch eine andere Bedeutung von nabü, nämlich >glänzenKriegsfeind« anmeldet, was sich auch mit der profanen Bedeutung des Satan-Begriffs deckt, wie wir oben 47 gesehen haben. In unserem Zusammenhang kommt aber auch noch der Symbolgehalt des Schwertes in Betracht. Das gezogene Schwert scheint mir Symbol der durch den Konflikt von göttlichem und eigenem Willen hervorgerufenen Diskrimination, Entscheidung darzustellen. Es ist Symbol der Erkenntnisfunktion. Das gezückte Schwert erinnert an die >Flamme des zuckenden Schwertes« in Gn 3, 24. Auch dort verkörpert es m. E. - es erscheint dort nicht von einem Engel getragen, sondern wie eine selbständige göttliche Hypostase- den Zustand des diskriminierenden Wissens um Gut und Böse, der den Menschen für immer vom tierhaft-unschuldigen Zustand des Lebens an sich - das Schwert bewacht ja den Baum des Lebens! - trennt. In dieses Paradies kann der Mensch nicht mehr zurück. Sein Wissen um Gut und Böse, manifestiert in der »Flamme des zuckenden Schwertes« trennt ihn davon 48 • Im Zusammenhang mit dem Wissen um Gut 46 l}ebii.' has-siimaim, in: Oriental. Studien II, Festschrift für Theodor Noeldeke, S. 725. 17 S.185 ff. 18 KarIBu d d e (Die biblische Paradiesesgeschichte, 1932, S. 84) sieht in lahat ha-l:tereb ham-mithappel:tet den Blitz. Entsprechend sind für ihn die Kerubim Gewitterwolken. Der
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und Böse erscheint der mal'tik Jahme ja auch ausdrückheb in 2 S 14, 17: (Die Frau von Tekoa sagt:) »Und deine Magd dachte: das Wort meines Herrn, des Königs, wird mir eine Beruhigung sein; denn mein Herr, der König, ist wie der mal'tik Jahme, daß er Gutes und Böses unterscheiden kann.« In Nu 22, 22 ff. geschieht also das Bedeutsame, daß der Widerstand gegen den menschlichen Willen nicht von einem irdischen Feind kommt, wie z. B. in den SalomoKerub mit dem Schwert in der Hand ist nichts anderes als Gewitterwolke und Blitz. Gunkel (Genesis, S. 24 f.) geht über diese im engeren Sinne naturmythologische Auffassung - die schon darum nicht ausreichen kann, weil sie sich nur auf die Keruben-Stellen bezieht, wo diese den Thron J ahwes bilden (1 S 4, 4; Ps 18, 11; Ez 10, 2), nicht aber auf die häufigeren, wo sie bewachende Funktion haben - hinaus (s. aufler Gn 3: Ex 37, 5-9; 1 K 6, 23-27; Ex 28, 16: »Der schirmende Kerub« keriib has-sokek ). Gunkel verweist auf die Allgemeinheit des Motivs der Heiligtumsbewachung: Sphinxe bei den aegyptischen Tempeln und mischgestaltige Wesen am Eingang der babylonischen Tempel. Eine direkte Anlehnung an letztere dürften nach ihm die biblischen Kernben sein. Auch im Flammenschwert sieht er eine solche aus der Fremde übernommene mythologische Vorstellung. Als Parallele erwähnt er die Waberlohe, die Brünhild umgibt und - näherliegend für das Alte Testament - den von T h ur e a u D a n g i n (Revue d'histoire et de Iitterature religieuses I, 146 ff.) mit dem Flammenschwert zusammengebrachten ehernen »Blitz«, den Tiglat-Pileser I an der Stelle einer zerstörten Stadt errichtet hat (Inschr. Tigl.Pil. I KB I, 36 f. Z. 15 ff.). Und auf dem Boden des Alten Testaments selbst: Sach 2, 9, wo Jahwe selbst als Feuermauer das Jerusalem der Zukunft bewacht. Vgl. · auch A. Je r e m i a s, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, 1930, S. 111. Er faflt ]:tereb selbst nicht als Schwert, sondern Waberlohe auf, da es auch Trockenheit und Hitze bedeute. Bei der viel häufigeren Bedeutung »Schwert~ von arab. ]:tarib scharf, J:tarbat Lanze, ]:tarb Krieg, scheint mir dies aber nicht wahrscheinlich, besonders im Hinblick auf die Parallele unserer Stelle Nu 22, 22 ff. wo ebenfalls das Schwert in Verbindung mit einem göttlichen Wesen auftritt. - Den Blitzcharakter macht für
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Stellen, sondern von Gott, d. h. hinter dem, was den menschlichen Willen durchkreuzt, steht göttlicher Wille. Der Widersacher ist Gott. Hier tut sich hinter dem mal' tik Jahwe ein in noch ganz anderer Weise dunkler Aspekt Gottes auf als im mal'äk ham-masl]jt. Es wird ein Anspruch Gottes an den Menschen sichtbar, der sich lebensfeindlich manifestiert, und der den Menschen zwingt, sich diesem scheinbar lebensfeindlichen Willen unterzuordnen. die :.Flamme des zuckenden Schwertes< auch W. Zimmer I i (1. Mose 1-11. Die Urgeschichte, 1943, S. 232 ff.) geltend, denkt jedoch nicht wie B u d d e lediglich an die naturhafte Blitzerscheinung, sondern wie Gun k e I an den mythologisch belegten Schutzcharakter des Feuers oder Blitzes. Die genaueste Parallele für diese Auffassung bringt H. V in c e n t (Revue biblique t. XXXV, 1926, p. 481 ff.) bei (zit. in: Pa u I H um b er t, Etudes sur le recit du Paradis et de la chute dans la Genese, in: Memoires de l'Universite de NeuchiHel 1940, p. 40). Der Kerub entspricht dem mesopotamischen Karibu, das flammende Schwert dem Blitz, der den Zutritt zu einem Ort verbietet und dem lamassu (lal.tmu) gleichkommt. Die beiden Ausdrücke in Gn 3, 24 wären daher die Entsprechung der >inseparables couples: lamasu-Karibu postes en sentineile aux seuils des demeures royales ou divines dans I'antique Mesopotamieeibt Gunk e I (Das Märchen im Alten Testament, S. 84): »Diese Gestalt, die vielleicht babylonischen Ursprungs ist, mag ursprünglich ihr wildes Spiel für sich selber getrieben haben, bis sie die Jahwereligion in den Dienst dieses Gottes gestellt hat.« 2
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chologisch gesehen - schon im Eingehen auf diese Wette ein Zugeständnis an den Zweifel des Satans? Wäre er gar nicht am Ausgang dieser Wette interessiert aus einer geheimen Unsicherheit heraus, er würde diese geradezu unmoralische Wette auf Kosten seines Knechtes Hiobwohl ablehnen 4 • Kann man in der Tatsache, daR Jahwe dem Satan die Erlaubnis gibt, Hiob heimzusuchen, wirklich noch einen Ausdruck der Souveränität Gottes sehen? Wohl ist der Satan seinem Rang nach der Diener J ahwes, der nichts aus eigener Machtvollkommenheit heraus tun kann, aber psychologisch gesehen ist er eigentlich der 4 Welche Schwierigkeiten auch heutigen Forschern diese Stelle macht, mag ein Beispiel illustrieren: Be r n h a r d Du h m schreibt hiezu in seinem Hiob-Kommentar, S. 9: :. Wenn es nun aber wirklich anstößig ist, annehmen zu sollen, daß der Autor Hiobs Unglück auf eine Schwäche J ahwes zurückführe, der der ersten besten Verdächtigung Glauben geschenkt hat, so muß man sich wohl den Gedankengang des Verfassers so vorstellen: Jahwe hat zwar für seine Person die Ueberzeugung, daß sein Knecht Hiob von Herz·en und nicht blos aus Eigennutz fromm ist, aber der Satan hat doch darin Recht, daß ein objektiver, entscheidender, auch für Dritte gültiger Beweis dafür bis jetzt noch fehlt. Der Satan (und die von ihm vertretene öffentliche Meinung der niedrig Denkenden) hat ein Recht, eine Probe zu verlangen, bevor auch er es glaubt; und Gottes Gerechtigkeit und Unparteilichkeit nötigt ihn, entgegen seiner Neigung in die Untersuchung zu willigen und seinen Günstling der Tortur preiszugeben. Hiob wird unglücklich, weil Gott gerecht ist, gerecht nämlich auch gegen die Meinung untergeordneter Wesen, die er nicht durch sein überleg·enes Wissen brutal niederschlägt.« Mir scheint diese Erklärung keineswegs geeignet, die Situation zu uetten«. Auch eine solche Konzession an den Satan und »die von ihm vertretene öffentliche Meinung der niedrig Denkenden« würde den Gedanken an Schwäche näher legen als den an Gerechtigkeit, ganz abgesehen davon, daß Du h m s Argumentation vom Stoff nirgends gestützt ist. Wenn Gottes überlegene Gerechtigkeit ihn zum Nachgeben veranlassen würde, wie wäre dann sein Vorwurf an d·en Satan, ihn umsonst verführt zu haben, zu erklären?
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Stärkere. Er ist der Diener, der seinen Herrn zu überreden vermag. Dies geht ganz deutlich aus dem Vorwurf Jahwes gegen ihn in Kap. 2, 3 hervor: :.Und du hast mich gereizt, ihn ohne Ursache zu verderben.< Er wirft dem Satan also vor, ihn zu einer Tat verführt zu haben, die ihn eigentlich gereut - um sich ein weiteres Mal vom Satan zu noch weitergehenden Entschlüssen gegen Hiob »reizen« zu lassen! Hier gerade die Machtvollkommenheit Jahwes sehen zu wollen, ist doch wohl nicht möglich. Ein alter Talmudlehrer scheint mir für die Atmosphäre dieser Erzählung ein feineres Sensorium bewiesen zu haben als jene, die die Bedeutung des Satans in diesem Text bagatellisieren. Zu Kap. 2, 3: :.Du hast mich gegen ihn gereizt, ihn ohne Ursache zu verderben«, macht er die Bemerkung: »Wenn es nicht in der Bibel stände, dürfte man es nicht sagenc:; denn Gott werde dargestellt >wie ein Mensch, der sich vom andern verführen läßtc: 5 • G u n k e I hat diese atmosphärische Gegebenheit wohl ebenfalls wahrgenommen. Er schreibt 6 : >••• diese Wette klingt doch so, wie wenn sie ursprünglich nicht zwischen einem Diener und seinem hoch über ihm stehenden Herrn, sondern vielmehr zwischen Gleichstehenden abgeschlossen worden sei. Dafür spricht auch, daß Jahwe und Satan in der gegenwärtigen Erzählung ohne Beachtung des unermeßlichen Abstandes zwischen einander reden.« Den Grund sieht er darin, daß die Erzählung auf ein altes Märchen zurückgehen mag. :.Solche Worte sind viel besser zu verstehen, wenn sie etwa zwischen dem Schutzgott und dem bösen Dämon des Menschen gewechselt werden.« Daß damit die Antwort auf die Frage nach der theologischen Bedeutung dieser Worte aber auch für Gun k e I nicht gegeben ist, zeigt die Tatsache, daß er 5 Jochanan Bab. Bathra 16a, zit. in: Isaak Wiernik o w s k i, Das Buch Hiob nach der Auffassung des Talmud und Midrasch. Diss. Breslau 1902, S. 36. 8 l. c.S. 85.
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eine weitere Erklärung dafür gibt, die aber unhefrie... digend ist, weil sie bereits voraussetzt, was sie erklären will: »... der Dichter des Hiob mag sie (diese Worte) dann aufgenommen haben, weil er so Satans Frechheit, die sich solche unehrerbietige Sprache gegen den Höchsten erlaubt, schildern konnte.« Warum mußte er denn diese »Frechheit« schildern? Wesentlich ist ja gerade, da.ß sie Raum hat in der Jahwevorstellung, daß dieser freche Satan so zu J ahwe reden darf, d. h. da.ß diese Satansvorstellung theologisch ertragen wird. Der Satan hat hier also im Vergleich mit alten Dämonen im Alten Testament eine ganz wesentliche und neuartige Bedeutung. Auch abgesehen von der sprachlichen Entwicklungslinie und der Tatsache des Herauswachsens der Satansfigur aus dem profanen Bereich kann daher wohl gesagt werden, daß diese innerhalb der J ahwereligion unmöglich alt sein kann 7 • Sie ist ein theologisches Novum, das sich ,nur aus der bereits aufgezeichneten Entwicklung des Gottesbegriffs erklären läßt. Wäre in der Gottesvorstellung keine Wandlung aufgetreten, eine solche Geschichte hätte nicht entstehen können. Mit dem urtümlicheren Jahwebild hätte sie sich einfach nicht vertragen 8 • 7 Schon R o s k o f f (I. c. Bd. I, S. 186) sagt vom Buche Hiob, wie bereits erwähnt (oben S. 157), daß es >in der hebräischen Anschauung einen bedeutsamen Wendepunkte: aufweise - »der althebräische Glaube setzt alle Macht nur in Jahwe< - und sieht darin ein Indiz dafür, daß diese Schrift unmöglich für eine der ältesten der hebräischen Literatur gehalten werden könne. 8 Siehe Am 3, 6: >Geschieht ein Unglück in einer Stadt, und Jahwe hätte es nicht gewirkt?« und sogar noch bei Deuterojesaja (Jes 45, 5-7) heißt es in besonders starker Formulierung: :.Ich, J ahwe, und keiner sonst, der ich das Licht bilde und die Finsternis schaffe, der ich Heil wirke und Unheil schaffe, ich bin's, J ahwe, der dies alles wirkt.« Beweis hiefür ist aber auch gerade die Rioh-Erzählung selbst. Im BewulHsein des frommen Hiob der Rahmenerzählung hat die Satanvorstellung ja noch gar keinen Raum. Er selbst schreibt
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Läßt sich so der Satan innerhalb des Alten Testaments nicht als ein alter Dämon erweisen, so wäre doch unserer Frage nach dem Alter dieser Vorstellung nicht genügend Rechnung getragen, wenn nicht auch der Möglichkeit eines aus dem Vergleich mit außeralttestamentlichen Quellen zu entnehmenden Fremdeinflusses auf ihre Entstehung nachgegangen würde, resp. der Frage, ob sich aus der Phänomenologie des Satans im Alten Testament nicht dessen Verwandtschaft oder sogar Identität mit einer außeralttestamentlichen Gottheit nachweisen lasse. Ein früher Versuch, den alttestamentlichen Satan auf den ägyptischen Seth zurückzuführen - soviel ich sehen konnte, hat er in der moderneren Literatur keine Nachfo]ge gefunden 9 - liegt in der Arbeit Dies t e I s : »Seth-Typhon, Asahel und Satan. Ein Beitrag zur Religionsgeschichte des Orients« vor 10 • Aus dem reichen, vor allem aus Plutarch geschöpften Material über Seth, das D i es t e I beibringt, sei nur in den Hauptzügen dasjenige erwähnt, was für D i es t e I die von ihm aufgestellte These: Satan der ins Alte Testament übernommene Seth, zu beweisen scheint: Der Gegensatz von Osiris und Seth als wohltätige resp. zerstörerische, ausdörrende Sonne erhält schon sehr früh auch eine politische Ausprägung. Osiris ist der Schutzgott Aegyptens, der Gegensatz Aegyptens ist aber das Ausland, und so erscheint Seth in seiner Hauptstadt als Gott des Auslandes. Er wird als farblos, blaß, gelblich bezeichnet 11 • Mit den farblosen, gelblichen Menschen sind
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das ihn treffende Unheil Jahwe zu. Weiteres über diesen in unserem Zusammenhang entscheidend wichtigen Punkt s. unten, S. 284. 9 Vgl. heute vor allem Gerhard Seippel: Der Typhonmythus, 1939 (s. unten, S. 235, Anm. 14 und S. 237, Anm. 20). 10 In: Zeitschrift für die historische Theologie. Jhrg. 1860, II. Heft, Bd. XXX. 11 P l u t a r c h , De lside et Osiride, Cap. 33.
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aber, nach Dies t e I, auf den Monumenten immer die nördlichen Ausländer gemeint 12 • Dies t e I glaubt nun, die ägyptische Vorstellung des Seth habe die Idee des Satan, so wie er in der ersten Gestalt der Hiobsage aufgetreten sein muR, hervorgerufen. Ein enger geographischer Zusammenhang, der den Uebergang vermittelte, scheint ihm dadurch gegeben, daR das Land Uz des HiobBuches jedenfalls im Süden zu finden sei, die Aegypter aber schon sehr früh auf der sinaitischen Halbinsel, dem Grenzgebiet zwischen Judäa und dem Nillande, Bergbau getrieben hätten, was umfangreiche Ansiedlungen notwendig gemacht habe. Ueberdies sei in späterer Zeit der eigentliche Aufenthalt des Seth selbst sowie seine Verehrung in diese nordöstlichen Marken hin verlegt worden. D i es t e I erwähnt hierzu die mythologischen Züge, daR Seth im sirbonischen See gefesselt gewesen ist 13 und seine Flucht nach Syrien und Palästina 14 • Ebenso leicht scheint D i es t e I die Aehnlichkeit der beiden Figuren zu beweisen zu sein. Aber hier erheben sich Bedenken. Zunächst schränkt er diese Uebereinstimmung auf die Tätigkeit des Satans im Hiob-Buch in der Verursachung der Uebel ein: er nennt alle fünf: Einfall der Sabäer, Gottesfeuer, Einfall der Chaldäer, Wüstenwind, Aussatz. Ohne darauf zu achten, daR die ersten vier Schläge gegen Hiob nicht direkt vom Satan ausgehen, deutet Dies t e I das Gottesfeuer, obwohl er selbst sagt, daR es gemäR den Analogien Nu 16, 35; 1 K 18, 18; 2 K 1, 10 und 12 nur den Blitz meinen kann, unter Berufung l. c. s. 200 ff. H e r o d o t III, 5; zit. D i e s t e l , S. 1?2. 14 Plutarch c. 19,5; zit. Diestel, S. 1?6.- Vgl. auch T h e o d o r Ho p f n er, Plutarch über lsis und Osiris. 1940, Bd. li, S. 143 ff. Hopfner zieht aber aus den semitischen Bezügen Seths, ebensowenig wie G. S e i p p e l (s. oben, S. 234, Anm. 10) die den alttestamentlichen Satan betreffenden Folgerungen Diestel s. 12
13
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auf E w a I d als ursprünglich »eine aus der Luft kommende plötzliche (?) Schwüle und Hitze« 15 • »Es ist tötende, sengende Gluthitze, welche sehr schnell Menschen und Tiere hinraffen kann. Gerade dies ist das erste hervortretende Merkmal des Seth 16 .« Ein Zweifel über die Herkunft dieses Gottesfeuers von Jahwe, besonders im Hinblick auf die vonDies t e I selbst angeführten Parallelen, ist aber doch wohl kaum möglich. Sodann macht er geltend, daß der Viehstand des Hiob durch räuberische Horden aus Nordosten und Südosten zerstört wurde, also durch Ausländer. Seth aber ist der Gott des feindlichen Auslandes, und zwar gerade auch des Südens und N ordens. Für den Satan als ausdrücklichen Bringer des Aussatzes kann sich D i e s t e I nur auf die sehr allgemeine Aeußerung PI u t a r c h s berufen, wonach Seth der Bringer jeder Hemmung, Störung, Vernichtung sei. D i es t e I s Schluß: »Somit ergibt sich, daß fast sämtliche wesentliche Uebel, die Satan zufügt. auch die Tätigkeit des Seth bilden« 17 , wirkt daher nicht überzeugend. Am deutlichsten erweist sich aber sein Versuch als Fehlgriff, wenn er eine Namensidentität zwischen Seth und Satan konstruiert, »indem der erstere mit sut, sit zusammenhängen könnte« 18 • Wie dies zu safän werden konnte, erklärt Dies t e I damit, »daß man, um jene religiöse Vorstellung zu bezeichnen, auf semitischem Boden auch ein streng semitisches Wort nahm, welches wenigstens eine Lautähnlichkeit zugleich mit treffender Charakteristik darbot« 19 • Nichts ist aber wohl unwahrscheinlicher als dies, daß säfiin lediglich ein willkürlich gewählter, weil ähnlich klingender Deckname für Seth wäre! l. c. do. 17 l. c. 18 do. '" do. 15 16
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s. s.
210. 211.
Nach D i e s t e I wäre diese V ebernahme schon sehr früh erfolgt. Zum mindesten hätte es sich dann wohl um einen unbewußten ProzeR gehandelt. Dagegen spricht aber alles, was wir bisher über den Satan-Begriff und seine Entwicklung eruieren konnten, vor allem eben sein ursprünglich profaner Gebrauch 20 • 20 Und doch erweist sich die Heranziehung der Seihgestalt in unserem Zusammenhang vielleicht nicht als umsonst, sobald man nicht, wie Dies t e I, den EinfluR der Seth-Gestalt auf die Jahwereligion auf den Satan festlegt, sondern die Frage allgemeiner faflt. Und da springt die Parallele zu ]ahroe selbst in die Augen. Dies t e I erwähnt als Seths Tiere neben andern auch Krokodil und Nilpferd (P I u t a r c h , de Is. c. 32, 1. c. S. 169/70). Läflt sich nicht vielleicht hier innerhalb des Jahwismus die Spur Seths finden? Denn als Leviathan lind Behemoth, deren Namen u. a. ja auch als ägyptisch beurteilt wurden (s. oben, S. 195), sind sie in Hi 38 Attribute Jahwes. Aegyptischer EinfluR ist ja im Hiobbuch vielerorts spürbar, weshalb schon ein ägyptischer Verfasser angenommen wurde (s. hierüber G u s t a v H ö I s c h e r, Das Buch Hiob, 1937, S. 7/8. Vgl. auch P a u I H u m b e r t , Recherehes sur les souroes Egyptiennes de la liWirature sapientale d'Israel. 1929, p. 75 ff.). Hier, in diesen beiden mythologischen Gestalten erscheint die wilde Naturseite J ahwes. Interessant ist zudem, daR Behemoth und Leviathan auch mit den mythologischen Meerung'eheuern verwandt sind, und eines von ihnen ~ Rahab -auch direkt als Personifikation Aegyptens erscheint (Jes 30, 7; 51, 9; Ps 87, 4; 89, 11), also als das ungestüme Meer. Mit dem Meer wird aber in Aegypten auch Seth gleichgesetzt. Er ist das Meer, »in welchem sich der Nil (Osiris) bei seinem Ausflusse auflöst und gänzlich verschwindet«. (PI u t a r c h, de Is. c. 32; zit. Dies t e I, l. c. S. 169/170.) Gerhard Sei p p e I (a. a. 0. S. 136) führt einen weiteren interessanten Einzelzug der Uebereinstimmung zwischen Seth und Behemoth (nicht Rahab, wie er annimmt!) in Hiob 40, 15 an: »Seths Knochen sind das Eisen, das das Material der Waffen liefert und symbolisch für Seths kriegerische Kraft zu werten ist. Vom Nilpferd, das J ahwe geschaffen hat ..., heiRt es (a. 0. 40, 15 ff): »Seine Knochen sind Röhren von Erz, seine Gebeine gleichen geschmiedeten Eisenstangen.« Der Satan aber ist nicht die in all diesen Bildern symbolisierte dunkle Naturgewalt selbst, sondern ein geistiges,
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Dies entscheidende Moment macht auch die Möglichkeit eines babylonischen Ursprungs der Satansvorstellung wenigstens für die erste Assimilationsstufe 2 \ d. i. das unbewußte Uebernehmen babylonisch kanaanäischer Vorstellungen nach der Seßhaftwerdung, sehr unwahrscheinlich. Nun ist aber doch zu bedenken, ob es nicht möglich wäre, daß es sich trotzdem beim Satan um eine alte babylonische Vorstellung handeln könnte, die aber erst in der zweiten Phase des babylonischen Einflusses, d. i. nach dem Exil, als adäquater Ausdruck einer inneralttestamentlichen Entwicklung der Gottesvorstellung assimiliert worden wäre. Da drängt sich als scheinbar enge Parallele zum Hiobbuch das babylonische »Lied des leidenden Gerechten« der Betrachtung auf, der sog. babylonische Hiob: Ein leidender König 22 wurde mit Krankheit geschlagen. Er schildert seine Qualen in einem großen Klagelied an die Götter, das dann, nachdem er von seinem Leiden befreit wurde, in eine Lobpreisung des »Herrn der Weisdifferenzierendes Prinzip in Gott, das macht, daR sich Gott dieser eigenen Naturseite bewußt wird. Dies soll aus der weiteren Hiobexegese noch ganz erhellen. Als Ueberwinder der Rahab, des Leviathan und Behemoth, erscheint J ahwe noch mancherorts, auch im Hiobbuch selbst (26, 12; vgl. auch Ps '74, 14; 104, 26; Jes 51, 9), hier aber ist das Ueberwundene zu einer Wesensseite seiner selbst geworden. Er überwindet seine Natur in sich selbst durch sein Wissen um sie. Hierin liegt eine eminente psychologische Wahrheit, die als Mythologem an der Gottpersönlichkeit erlebt wird. Auf anderer Ebene geschieht eine solche Selbstüberwindung J ahwes auch in Sach 3, 1 ff., wie noch zu zeigen sein wird (s. unten, S. 302). 21 Darüber s. unten, S. 255 ff. 22 DaR es sich um einen solchen handelt, nimmt J a s t r o w (Die Religion Babyloniens und Assyriens, Gießen 1912, Bd. 2, S. 106 ff. und speziell S. 121) auf Grund anderer Beispiele von »Königsklagen« an. Ebenso Lande r s d o r f er lEine babyIonische Quelle für das Buch Job? 1911. In: Bibi. Studien, Bd. 16), der den Gründen, die dafür sprechen, ebenfalls im Einzelnen nachgeht (S. 55-59). 238
heit« mündet. Unzweifelhaft ist mit dem in Tafel II erwähnten »Verfolger« ein Krankheitsdämon gemeint 23 • Die sich zunächst erhebende Frage, ob es sich beim HiobBuch und speziell der Figur des Satans um eine unmittel23 J a s t r o w , I. c. S. 128: »Den ganzen Tag verfolgt mich der Verfolger, Inmitten der Nacht läilt er mich nicht aufatmen, Durch EntzweireiBung sind meine Gelenke aufgelöst, ... «
Vgl. auch Landersdorfer, I.c. S. 24; V. 66ff.: :.Den ganzen Tag verfolgte mich der Verfolger. War die Nacht gekommen, lieil er mich nicht aufatmen einen Augenblick, Durch Verstümmelung waren gelöst meine Gelenke, ... « Und ähnlich E b e l in g, in: G r es s man n, Altorientalische Texte zum Alten Testament, S. 276, V. 104: >Den ganzen Tag verfolgt mich der Verfolger, In der Nacht läilt er mich nicht einen Augenblick aufatmen. Durch Hinundherzerren sind meine Sehnen gelöst, Meine Glieder sind zersprengt, bei Seite geschlagen.« Und Tafel IV: Jastrow, l.c. S. 132: >Marduk nahm meinem Verfolger den Hinterhalt weg, sein Versteck umringte er.« Lande r s d o r f er, I. c. S. 28, V. 20: >Marduk hat den Hinterhalt meines Verfolgers in seine Gewalt gebracht, sein Versteck hat er umschlossen.« Ebeling, l.c. S. 280, V. 115: >Marduk nahm weg meines Häschers Versteck, Lieil zurückfallen seinen Klumpen.« Ein Vers, in dem der Krankheitsdämon als >Feind« bezeichnet sein soll, worauf sich H ö l s c her (Das Buch Hiob, Tübingen 1937, S. 3) für seine Auffassung vom babylonischen Ursprung des Hiob-Satans beruft, findet sich von den drei erwähnten Uebersetzungen nur bei J a s t r o w (I. c. S. 131): »Den Feind (?), der mich niedergetreten hat, den Fluch (?) hat er aus meinem Körper entfernt.« Durch die Fragezeichen bezeichnet er seine Uebers.etzung als unsicher. V gl. auch S. 131, Anm. 8: »Meine Uebersetzung dieser Zeile soll natürlich nur als Vorschlag gelten.c
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bare literarische Anlehnung handeln könnte, wird sowohl von J a s t r o w 24 als von L a n d e r s d o r f e r 25 abgelehnt. Letzterer hält dafür, daß »wahrscheinlich in dem einen wie im andern Fall eine mehr oder minder freie Bearbeitung einer Volkserzählung vorliegt, wie man sie in den Literaturen aller Kulturvölker zu Dutzenden findet«. Und sein Schlußresultat lautet: »Es ist kein Grund vorhanden, irgendwelche literarische Abhängigkeit des biblischen B~ches Job von dem babylonischen Lied des leidenden Gerechten, weder eine direkte noch indirekte anzunehmen, da die Aehnlichkeiten, welche beide Texte miteinander aufweisen, sich ebensogut und viel ungezwungener als aus der natürlichen Entwicklung des Erzählungsstoffes entstanden erklären lassen, ihnen zudem eine große Zahl bedeutender Verschiedenheiten gegenübersteht und schließlich auch alle positiven Beweise für eine Abhängigkeit fehlen 26 .« Erwähnen wir :q_och die indische Parallele vom König Hariskandra 27 und das ägyptische »Gespräch eines Lebensmüden mit seiner Seele« 2 S, die ebenfalls das Problem des leidenden Gerechten aufwerfen, so bestätigt sich Lande r s d o r f e rs Ansicht, daß es sich um ein typisches Motiv verschiedener Religionen handle. Mit der Allgemeinheit des Grundmotivs der beiden Dichtungen und der Unwahrscheinlichkeit einer direkten literarischen Anlehnung des Hiobbuches an die babylonische Dichtung ist das Problem des babylonischen 24 l. c. S. 133: >Aus der hier gebotenen Darstellung dieser Abteilung der babylonisch-assyrischen Literatur ergibt sich der Schluß, daß von einem direkten Einfluß der babylonischassyrischen Klage- und Bußgebete auf biblische Erzeugnisse nicht die Rede sein kann.« 25 l. c. s. 126. 26 l. c. s. 138. 27 s. unten, S. 245 f. 28 In: A. Erman und F. Krebs, Aus dem Papyrus der königlichen Museen zu Berlin, 1899, S. 54.
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Einflusses aber noch nicht gelöst. Könnte nicht der Krankheitsdämon, auf den im babylonischen Klagelied die Leiden des Königs zurückgeführt werden, eine Vorstellung sein, die während des Exils übernommen wurde und in nachexilischen biblischen Schriften, in unserem Fall im Hiobbuch, ihren Ausdruck gefunden hätte? Krankheit bringt ja auch der Satan über Hiob. Dies hat H o e I s c h e r , wie schon vor ihm H a n s D u h m u. a. zum Schluß veranlaßt, daß der Satan im Hiob eine »Dämonenfigur ist, die als Urheber von allerlei Unglück, vorzüglich Krankheit, gedacht ist« 29 • Schon aus dem bisher sichtbar gewordenen Wesen des Hiob-Satans dürfte jedoch hervorgegangen sein, daR dieser keineswegs ausschließlich oder auch nur in erster Linie ein Krankheitsdämon ist. Zudem scheinen mir aber Erwägungen des inneren Gehalts nicht nur die literarische Abhängigkeit des Hiob-Satans vom babylonischen Klagelied auszuschließen, sondern auch eine tale quale-Uebernahme der »Verfolger«-Vorstellung. Die wesentlichen Unterschiede der beiden Dichtungen hinsichtlich ihrer theologischen Struktur und Atmosphäre können jedoch erst auf dem Hintergrund des vollen Wesensbildes des Hiob-Satans ganz in Erscheinung treten 30 • Hingegen scheint es mir sehr wahrscheinlich, daß der babylonische Krankheitsdämon als Urbild einer einzelnen Wesensseite des HiobSatans, eben, daR er Krankheit bringt, doch in diese Gestalt eingegangen ist. In dieser Hinsicht wird er uns weiter unten noch einmal beschäftigen 31 • Hat unsere Untersuchung ergeben, daß sich der Satan als komplexe Erscheinung auch auf keinen außerbiblisch faßbaren alten Dämon zurückführen läßt, so muR doch noch auf einen ganz andern Aspekt der Frage nach dem Alter der Vorstellung eingegangen werden. Wie La n29 30
31
l. c. s. 2/3. s. unten, S. 292 f.
do.
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d er s d o r f er s Untersuchung üher den >babylonischen Hiob« für das Motiv des leidenden Gerechten dessen Vorhandensein in verschiedenen Religionen nachgewiesen hat, so ist es unverkennbar, daß auch das Motiv der Gotteswette in Mythen und Märchen weit verbreitet ist. Wie bereits erwähnt 32, maclit Gun k e I 33 den Märchencharakter dieser Erzählung geltend 34 • Insbesondere ist August Wünsche in seinem Buch >Der Sagenkreis vom geprellten Teufel« 35 diesem Motiv nachgegangen. Nach ihm ist es aus der zwiefachen Wurzel des altchristlichen Dogmas der Versöhnung- wonach die Ueberwindung des Satans als ein Werk der Ueberlistung durch den Erlöser dargestellt wird 36, resp. dieser durch das Opfer Christi um sein durch die Sünde der ersten Menschen erworbenes Recht auf die Menschen geprellt wird - und anderseits des germanischen Götterglaubens entstanden. Hier waren es ursprünglich die Riesen, die von Göttern überlistet wurden. An ihre Stelle trat dann nach der Christianisierung der Teufel, der in vielen germanischen Sagen wie jene dumm ist. Wie die vielen Geschichten verschiedener Herkunft vom geprellten Teufel zeigen, die W ü n s c h e anführt, ist das Motiv der Wette als ein Messen der Kräfte zwischen göttlichen oder dämonischen Potenzen ein allgemeines 37 , psychologisch gesprochen: s. oben, S. 232. Das Märchen im Alten Testament, S. 85. 34 Vgl. auch Osk. Dähnhardt, Natursagen, Bd. I, 1907, 8.177 ff. und 347 ff. und Joh. Bolte und Georg P o I i v k a , Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Bd. III, 1918 (zu Nr.189: Der Bauer und der Teufel), S. 355 ff. 35 1905. 36 Die verschiedenen Versionen in den neutestamentlichen Apokryphen und bei mehreren Kirchenvätern s.l. c. S. 3-9. 37 W ü n s c h e hält es für einen »Wanderstoff « (Vorwort, o. Seitenzahl), wogegen aber gerade die von ihm angeführten Beispiele sprechen. Denn weder ist ein Einfluß des christlichen Wette-Motivs auf die Entstehung des germani32 33
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ein archetypisches. Was aber könnte es ausdrücken? Mir scheint, es entspricht einer Phase der Bewu1Hseinsentwicklung der Menschheit, in der die Gegensätze auseinandergetreten und als solche sichtbar geworden sind, aber es herrscht noch keine Stabilität. Es ist unsicher, wer stärker ist. Das Gute muß sich gegenüber dem mächtigen Bösen noch als stärker erweisen, das Kluge gegen das Dumme, oder das aus der Unbewu.ßtheit sich herausringende Bewußtsein gegenüber der Dunkelheit des Unbewu.ßten. Dieser letzte Kern kann als gemeinsame Grundlage des germanischen, alttestamentlichen und indischen 88 Wettemotivs gelten. Solche archetypischen Motive erfahren aber kulturhistorisch bedingte Ausgestaltungen, die wesensmäßig weit auseinandergehen können. So z. B. ist in den von W ü n s c h e angeführten germanischen Sagen und Märchen von dem bei seinen Wetten geprellten Teufel dieser meistens dumm und wird durch Klugheit überwunden 89 • Um diesen Gegensatz handelt sehen möglich, noch umgekehrt. Wünsches Arbeit zeigt gerade die Unzulänglichkeit der >Wandertheorie«. >... Bast i ans Völkeridee, die ein selbständiges Entstehen für die legendarischen Erzählungen aus der Gemeinsamkeit der menschlichen Natur fordert«, 1ehnt Wünsche ausdrücklich ab, jedoch ohne Begründung. Die Idee B a s t i an s ist aber seither durch die Archetypenlehre C. G. Jung s längstens bestätigt und von ihm an einer Fülle mythologischen und Traummaterials belegt worden. Die Archetypen sind Ausdruck menschlicher Urerfahrungen, die überall auftreten können. Um einen solchen Archetypus handelt es sich auch beim Motiv der Gotteswette. 38 Denn auch Indien hat seine Wettegeschichte. Siehe darüber unten, S. 245. 39 s. W ü n s c h e, l. c. S. 82: >Daß eine Verwandtschaft zwischen den mythologischen Riesen- und den christlichen Teufelssagen stattfindet, dafür spricht vor allem die Dummheit, die in beiden ein charakteristisches Merkmal bildet. Wie die Riesen bei aller ihrer Stärke und Gewalt plumpe und dumme Wesen sind, die sowohl von den kleinen klugen Zwergen wie von den einsichtigen Göttern überlistet und ge-
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es sich aber z. B. bei Gott und Satan im Hiobbuch keineswegs. Der Satan ist eine eminent geistige Potenz und ein »Gottwesen«, wie noch zu zeigen sein wird. Und auch in der christlichen Ausprägung dieses Motivs in den erwähnten, bei W ü n s c h e aufgeführten Beispielen ist dieses wesentlich verfeinert und vertieft 40 • Ebenso ist vom »köstlichen Humor« des Sagenkreises vom geprellten Teufel, von dem Wünsche spricht 4 \ für mein Gefühl weder in den von Wünsche erwähnten frühchristlichen Ausgestaltungen des Motivs der Teufelswette noch im Hiobbuch etwas zu spüren 42 • Es geht vielmehr um etwas verzweifelt Ernstes, wie oben bereits zu zeigen versucht wurde 43 • Inhaltlich am nächsten kommen der Wette im Hiobbuch zwei Parallelen, die mit dieser auch noch das Motiv der Frömmigkeitsprobe gemeinsam haben: 1. Eine Suaheli-Legende erzählt, daß die Erzengel Gabriel und Michael sich uneinig darüber waren, ob man noch Mitleid bei den Menschen finden könnte. Michael zweifelte daran. Sie stiegen zur Erde herab, Gabriel als Schwerkranker, Michael als Arzt. Er erklärt den teilnehprellt werden, so zeigt sich auch der Teufel gerade in den meisten Sagen, die ihn in Wetten eingehend darstellen, als ein dummes Wesen, das die Tragweite der Wette nicht ermißt und def!halb den kürzeren zieht.4: 40 Der von germanisch-christlichen Teufelssagen wesentlich verschiedene Charakter der Satanswette des Hiob-Buches wird bei Wünsche ungewollt dadurch deutlich, daf! er sie als )kleine Abschweifung« mitten unter jene setzt (S. 82/83). 41 Vorwort. Er erwähnt allerdings, daf! es vor allem die deutschen Sagen sind, die diesen Humor zur Geltung bringen. 42 Auch G u s t a v H ö I s c her, der in seinem HiobKommentar ebenfalls den Humor dieses Motivs betont, dürfte hier weniger von einem unmittelbaren eigenen Gefühlserlebnis bei der Lektüre der Rioh-Erzählung als wie Wünsche vom Eindruck der germanischen Teufelssagen ausgegangen sein, ohne zu merken, daf! hier eine ganz andere Luft weht. 43 s. oben, S. 230 ff.
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menden Bürgern, daß der Kranke nur durch ein Menschenopfer geheilt werden könne. Ein Knabe zeigt sich dazu bereit, und nun ist Michaels Zweifel überwunden 44 • 2. Die indische Erzählung von den Prüfungen und der wunderbaren Geduld des Königs Hariscandra 45 : »In Indras Himmel waren einst die Götter und die heiligen Büßer versammelt. Da entstand ein Streit unter ihnen, ob es einen vollkommen tugendhaften Fürsten auf Erden gebe. Vasischtha behauptete, daß sein Schüler Hariscandra ein solcher sei; Siva aber, der in der Gestalt des Visvamitra zugegen war, entgegnete zornig, daß die Tugend dieses Mannes in einer schweren Prüfung nicht bestehen werde. Die Götter geben ihm den Hariscandra preis und Visvamitra geht ans Werk. Er erweist dem König eine Hilfstat, für die er eine ungeheure Summe Geldes verlangt, und Hariscandra verspricht, sie ihm zu zahlen. Weil er sie immer wieder nicht zahlen kann, kommt er mit seiner Gemahlin in tiefstes Elend; beide geraten schließlich in Sklaverei und der König muß den verachtetsten Dienst, den es gibt, die Leichenbestattung besorgen. Aber er nimmt alles auf sich, um seines Versprechens wil. " s. Pa u I V o I z, Hiob und Weisheit, in: Schriften des Alten Testaments. 1921, S. 9. - Die Legende ist auch ausführlich wiedergegeben bei C a r I Mein h o f, Die Dichtung der Afrikaner. 1911, S. 85 ff. 45 Im Markändeya-Puräna, s. Pa u I V o I z, Hiob und Weisheit, in: Schriften des Alten Testaments, 1921, S. 8/9. Ausführlicher erzählt die Geschichte Konstant in SchI o t tman n (Das Buch Hiob, 1851), auf den sich V o lz beruft; s. auch A. J er e m i a s, Das Alte Testament im Lichte des alten Orients, pag. 328-29 u. a. m. (Vollständigen Nachweis s. bei A d o I p h e L o d s , Recherehes recentes sur le livre de Job, in: Revue d'Histoire et de Philosophie religieuses. 1934, p. 501-33.) - SchI ot t man n (1. c. S. 18) hält aber bei dieser Erzählung einen Einfluß durch christliche Missionare nicht für undenkbar, da die .')zene im Himmel, die an Hiob anklingt, sich nicht in den älteren Versionen findet, nicht einmal in den Puränas, sondern erst in späteren Dramen. 17 Jung: Symbolik des Geistes
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len, denn ,keine höhere Pflicht gibt es für einen Mann, wie die Pflicht zu bewahren das eigene Wort'. Auch er, unterstützt von seiner edlen Gemahlin, besteht die Probe bis zum Schluß, erhält Weib, Kind und Königreich zurück und wird von den Göttern samt seinem Volk in den Himmel erhoben. So wird am Ende, wie die Dichtung sagt, der große Schmerz in die größte Lust verwandelt.« Auftauchen und Ausprägung eines archetypischen Motivs stehen also, wie diese Parallelen veranschaulichen, nicht außerhalb der Historie. Sie sind Ausdruck eines inneren Entwicklungsprozesses, sei es in den Träumen des Einzelnen oder in den mythologischen oder theologischen Vorstellungen eines Volkes. In unserem Falle ist das Mythologem der Gotteswette Ausdruck der Entwicklung der Gottpersönlichkeit Jahwe, was im folgenden noch deutlicher werden soll. Wäre dem nicht so, wie wäre es zu verstehen, daß nicht noch viel mehr Märchen- und Mythengut in die Jahwereligion aufgenommen wurde? Warum wurde z. B. in diesem Lande des Fruchtbarkeitskultes katexochen, wo die Vorstellung des Hieros gamos von Gott und Göttin überaus lebendig war, J ahwe doch nie eine Göttin beigesellt 46 ? Eine solche Uebernahme wäre nicht ertragen worden, weil sie einen Rückfall in eine vorjahwistische Gottesvorstellung dargestellt hätte. Es ist eben ganz wesentlich zwischen der ersten Stufe der Entwicklung, der Zusammenschmelzung vieler guter und böser Dämonen zur Gottpersönlichkeit Jahwe, und späteren Einflüssen der polytheistischen Umgebung zu unterscheiden, die erst infolge einer weiteren Entwicklungsstufe dieser Gottpersönlichkeit möglich wurden, nämlich der Wiederauseinanderfaltung der Einheit in 46 Elephantine kann hier nicht gut als Beispiel gelten, da es sich um eine relativ späte, selbständige Sonderentwicklung eines losgelösten Zweiges des Volksganzen handelt, die als solche allerdings höchst bemerkenswert ist.
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eine Mehrheit 47 • In letzteren Prozefl scheint mir, wie bereits erwähnt, auch die Satansfigur wesentlich zu gehören. Auch wenn es sich um eine alte Dämonenfigur handeln sollte, die auf dieser Stufe wieder lebendig wurde, so wurde sie jedenfalls zu etwas ganz Neuem, Anderem, sobald sie in den Gottesbegriff Aufnahme fand. Das Problem verschiebt sich also vom Alter der Satansvorstellung an sich auf die Frage nach dem Alter ihres Auftretens im Zusammenhang mit Jahwe. Diese Problemstellung ist umso gerechtfertigter, als, wie bereits erwähnt, keinerlei Belege im Alten Testament selbst für die mythologische Satansvorstellung ohne den Jahwebezug zu finden sind. 2. Das Alter des Textes Während die Rahmenerzählung des Hiobbuches infolge ihres volkstümlichen Charakters fast durchwegs als alt betrachtet wird, gibt es jedoch einige Forscher, die daran zu zweifeln begonnen haben. So schreibt H ö 1 s c h er : »Es ist aber kaum angängig, die Niederschrift der Rahmenerzählung deshalb (d. i. wegen der Differenzen zwischen Dichtung und Rahmenerzählung) in eine sehr alte Zeit hinaufzurücken ... Späte Abfassungszeit auch der Rahmenerzählung beweist die Abhängigkeit von P (42, 17) und ein Aramaismus wie qibbel (2, 10)
48 .«
47 Wobei aber die gewonnene Einheit nicht verloren geht, was sich z. B. darin zeigt, daR die Engel Gott untergeordnet sind. 48 H ö I s c her, I. c. S. 5. Er bezieht sich auf K. K a u t z s c h , (Das sogenannte Volksbuch von Hiob Cap. 1; 2; 42, 7-17. 1900), der (S. 24 ff. und 40 ff.) noch weiteren späten Sprachgebrauch nachweist, auf Grund dessen er die Annahme eines ~Volksbuches«, das dem Hiobdichter vorgelegen hätte, für irrig hält. Er ist der Ansicht, daR Dichtung
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Nicht für die ganze Rahmenerzählung, wohl aber für die Satanstücke, ist dieser Ansicht auch E r n s t S e 11 in 49 • Er hält sie für Einschiebsel des Dichters der Hiobdichtung in die Volkssage 50 und verweist insbesondere auf vier gewichtige Punkte, die seine Annahme erhärten: 1. Rein textlich sind die beiden Satanstücke als Einschiebsel denkbar - ohne daß dies als Beweis gelten kann - weil sie aus dem Zusammenhang genommen werden können, ohne daß eine Lücke entsteht. Wesentlich ist S e 11 in aber vor allem, daß 1, 13 unmittelbar an den letzten Vers vor dem Satanstück anschließt, d. h. an 1, 5. Da ist geschildert worden, wie Hiob opfert, auch vorsorglich für die Sünden, die seine Kinder begehen könnten. Und dann geht es unter Auslassung des Satanstückes und Rahmenerzählung aus einer Hand stammen. Letztere mag dem Dichter evtl. als ältere mündliche Tradition bekannt gewesen sein (S. 8'2'). Die Satanstellen hält Kaut z s c h für einen der stärksten Beweisgründe gegen die Annahme der vorexilischen Herkunft des Prologs (S. 58). - Nachexilischen Ursprung des Prologs, in dem der Satan auftritt, nimmt auch Er i k S t a v e (Ueber den Einfluß des Parsismus auf das Judentum, Haarlern 1898, S. 249 und Anm. 1) an, unter Berufung auf E. König, Einleitung in das Alte Testament, 1893, S.410 ff., § 84, 2a.- Vgl. auch W. F. Albright in seiner Rezension über Hölschers Hiob-Kommentar im Journal of Biblical Literature 1938, vol. 57, p. 22'2' f., und J. He mp e l, Die althebräische Literatur, 1930, S. 1'2'6. 49 Das Problem des Hiobbuches. 1919. 50 Vgl. auch Norbert Peters, Das Buch Job. In: Exegetisches Handbuch zum Alten Testament, 1928, S. 49 *. Auch J o h. Lind b l o m hält es für sicher, daß die SatanEpisode in die primitive Erzählung eingefügt wurde, glaubt aber, sie sei dem Dichter der Hiobdichtung schon in die alte Erzählung (in ihrer israelitischen Traditionsform, vgl. unten, S. 280, Anm. 98) eingearbeitet vorgelegen. Er stützt sich auf die Tatsache, daß der Satan im Dialog nicht erwähnt wird, - in Verkennung, wie wir glauben, des 'inneren Zusammenhangs der Satan-Episode der Rahmenerzählung mit dem Problemgehalt des Dialogs (darüber s. unten, S. 282 ff.).
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folgerichtig weiter: >Nun begab es sich eines Tages, daß seine Söhne und Töchter aßen und tranken usw.« 2. Würde die Satanserzählung zur ursprünglichen Volkssage gehören, so müßte der Epilog irgendwie auf die Wette mit dem Satan zurückkommen. Se ll in sagt hierzu: >In der Volkssage wäre es denn doch ein unbedingt erforderliches Moment gewesen, daß Gott diesen für seine unberechtigte Anschwärzung hätte schelten müssen, während es dem Dichter nur auf eine spätere Aufklärung Hiobs ankam 51 .« 3. Der Grund der Einfügung der Satanstücke ist ein theologischer: Der Dichter brauchte sie für seinen Aufbau als unumgänglich notwendigen und jetzt meistens nicht gewürdigten Bestandteil 52 • 4. Der Satan begegnet ausschließlich erst in nachexilischer Zeit, und die Art des Auftretens unter den Engeln deckt sich genau mit der von Sach 3, 1 ff. Die Vorstellung von ihm als Vermittler alles Uebels für die Menschen paßt nicht zu dem altisraelitischen Gedanken, daß schlechthin alles, Gutes wie Böses, von Jahwe getan werde (Amos 3, 6; 2 Sam 24, 1) 53 , und kann kaum in einer alten Volkssage gesucht werden 54 • Wir werden S e ll ins Auffassung erst anläßlich der Textanalyse im einzelnen folgen können. Sie scheint mir dem Tatbestand am meisten gerecht zu werden und durch den Namensfaktor, den Se ll in nicht erwähnt, noch eine Bestärkung zu erfahren. In der theologischen Ausführung des inneren Zusammenhangs von Rahmenerzählung und Dichtung kommt er allerdings zu Schlüssen, denen ich nicht ganz folgen kann: der Satan hat nach ihm die Funk51
52
1. c. do.
s. 23.
53 Am reinsten formuliert Anm. 8. 54 I. c. S. 23.
Jes
45, 7. Vgl. oben, S. 233,
249
tion, Gott gewissermaUen vom Bösen zu entlasten 55 , was m. E. zu einfach gesehen ist 56 • Wesentlich scheint mir an dieser Stelle jedoch Se ll ins prinzipielle Feststellung, daR ein enger Zusammenhang zwischen der Satansfigur der Rahmenerzählung und der theologischen Problematik der Dichtung besteht. Wo dieser von unserem Blickpunkt aus liegt, soll noch erörtert werden. Zusammenfassend läflt sich sagen: Mit Recht wird von den meisten Forschern die Frage nach dem Alter des Textes von derjenigen nach dem Alter der Satansvorstellung getrennt. Es zeigt sich aber die weitere Notwendigkeit, innerhalb der Satansvorstellung eine ältere und jüngere Schicht zu unterscheiden. Die Motivparallelen aus dem Bereich von andern Mythen und Märchen haben uns die Urtümlichkeit der zugrundeliegenden Vorstellung gezeigt 57 • Se ll in schenkt diesem Faktor keine Berücksichtigung. Dafür sehen diejenigen, die das Alter der Vorstellung betonen, darüber hinweg, daR sie nur in ihrer Urform, als Archetypus alt ist, nicht aber in der ganz bestimmten Ausprägung der vorliegenden Erzählung. Sie übersehen damit vollständig das theologische Novum, das dieses archetypische Grundmotiv innerhalb der Jahwereligion darstellt, während Se lli n s Fehler darin liegt, den archetypischen Charakter des Motivs zu übersehen, wie wenn es eine Erfindung des Hiobdichters wäre. Jeder dieser einseitigen Gesichtspunkte vernachlässigt etwas Wesentliches, schwerwiegender allerdings die Anhänger des »alten Dämons«. Eine Kombination dieser beiden Gesichtspunkte scheint mir notwendig zu sein: Die Erzählung ist eine Abwandlung eines alten Grundmotivs des Volksglaubens. Sie ist aber in ihrer gegebenen Ausprägung nicht ein theologisch unbedeutendes Relikt 55 56 57
250
1. c. s. 36. Vgl. unten, S. 22'4 ff. s. oben, S. 241 ff.
dieses von der Jahwereligion überwundenen Volksglaubens, sondern der Spiegel einer wesentlichen Entwicklungsstufe der J ahwereligion. Wir müssen daher fragen: Wie ist nun diese archetypische Dämonenvorstellung in die Jahwereligion »eingebaut«? Schon der Umstand, dafl es sich nicht um irgendeine von Jahwe losgelöste Figur handelt, die ihm von ungefähr entgegentritt, sondern um eine, die einer dem Alten Testament spezifischen Kategorie göttlicher Wesen angehört, zeigt die völlige Umschmelzung und Weiterentwicklung dieser archetypischen Gestalt. Der alttestamentliche Satan gehört nämlich zu den bene hä-' elohim. Er ist ein Engel. Um seine Bedeutung zu verstehen, müssen wir daher zunächst nach dem Wesen der bene ha-' elohim fragen. 3. Vorkommen und Wesen der bene ha-'eloh:lm im Alten Testament Womöglich noch komplexer als das Problem des mal'äk ]ahme ist dasjenige der bene hä-'elohim. Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, ihm bis in alle Verzweigungen nachzugehen. Es sollen nur die Bezüge herausgearbeitet werden, die uns für den Satan als einen der bene hä-' elohim im Hiobbuch von Belang zu sein scheinen. Wenden wir uns zunächst dem Begriff als solchem zu. Gunkel erwähnt in seinem Genesis-Kommentar 58 die Möglichkeit, dafl hier ein älterer polytheistischer Sprachgebrauch dahinter steht, wonach es sich im f'igentlichen Sinne um Söhne von Göttern, d. h. von Göttern gezeugte Wesen handelt, gibt aber der andern Auffassung den Vorzug, die vom hebräischen Sprachgebrauch ausgeht, wonach bene ha-'elohim als »zur Kategorie von 'elohim ge58
4. Aufl., 191?', 8.1?'.
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hörende Wesen« aufzufassen sind. B. Du h m nennt den ben hä-'elohim ~ein Einzelwesen der göttlichen Sphäre« 59 • In Verbindung mit einem Gattungsbegriff wird im Hebräischen als Bezeichnung eines Individuums, das zu dieser Gattung gehört, ben verwendet. So heißt 'ädam der Mensch als Gattung, also die Menschheit, ben 'adäm ein Einzelwesen der Gattung Mensch, also: der einzelne Mensch, nicht der Menschensohn. Immerhin bleibt diese sprachliche Gegebenheit selbst ein interessantes Problem. Es ist, als ob dahinter ein urtümliches Bild von der Beziehung der Gattung zum Einzelnen stünde und das ist die Beziehung von Vater und Sohn. Die Gattung erzeugt gewissermaßen das Einzelne. Es ist dahinter eigentlich etwas wie eine substantielle platonische Idee, nur anschaulich personifiziert. Diese personifizierte Gattungsidee manifestiert sich im Einzelwesen, wie der Vater im Sohn. Von seinem so eventuell vorhandenen archetypischen Hintergrund her wird dann die Uebersetzung mit »Sohn« doch wieder sinnvoll. Der Menschensohn ist dann die im einzelnen verwirklichte Idee »Mensch«, der Gottessohn die verwirklichte Manifestation Gottes 60 • Beide B. D u h m , Hiob, pag. 6. Von hier aus gesehen erhält die Auffassung der Paulicianer oder Bogomilen, einer neu-manichäischen Sekte, wonach nicht Christus, sondern der Satan der erstgeborene Sohn Gottes sei, Sinn und Gewicht. E u t h y m i u s Z i g ab e n u s berichtet darüber: :.Dicunt, daemonem, qui a Servatore appellatus est Satanas, Filius esse ipsum quoque Dei Patris et vocari Satanael, et Filio Verbo natu majorem esse, praestantioremque, utpote primogenitum ... < (Panoplia, Tit. 23. S. Mi g n e , Patrologia Graeca, Bd. 130, col. 1290; zit. in der lateinischen Uebersetzung von Du PIes s i s aus Christo p h U Ir ich Hahn, Geschichte der Ketzer im Mittelalter, Bd. I, S. 48, Anm. 1.) Die Auffassung findet sich bereits bei den Ebioniten vorgebildet: :.Duos ut iam dixi, a deo constitutos asserunt, Christum et diabolum.< (E p i p h an i u s , Panarium, c. XXX, hrsg. u. übersetzt von F r an c i s c u s 0 e h I e r, 1859, Bd. I, S. 267.) 59
80
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Bedeutungen: benals Teil der Gattung und als Sohn eröffnen in unserem Fall interessante theologische Aspekte und schlieRen sich nicht aus, nur ist der Begriff »Sohn« bildhaft und dadurch lebendiger. DaR es sich hinsichtlich dieses Sprachgebrauchs nicht nur bei diesen theologisch markanten Begriffen »Gott« und »Mensch« so verhält, was die Situation weniger schlüssig machen würde, zeigt z. B. noch der Begriff ben bäqlir: ein einzelnes Glied der Herde, oder auch: bene han-nebi'im was nicht »Prophetensöhne« meint, sondern Angehörige einer Prophetengruppe 61 • Es ist also die Bezeichnung eines Gattungsexemplars unter dem Bilde des Sohnes. Die bene hä-' elohim, die Gottessöhne, sind also Gottwesen, »Einzelwesen der göttlichen Sphäre« (B. Du h m), Teile der Gottsubstanz. Gleich wie die mal' äkim kann man sie daher als mythologischen Ausdruck der göttlichen Wesensseiten bezeichnen. Während aber der mal'lik gewissermaßen von Mal zu Mal als Gott selbst in der Ausführung einer intendierten göttlichen Handlung erscheint, sind die bene hli-' elohim immer um Gott. Sie sind gewissermaßen die vorhandene Substanz des innergöttlichen Umfangs, in seine Einzelelemente aufgeteilt. Das wird dadurch ausgedrückt, daR sie Gott als »himmlische Versammlung« umgeben. In ihrem Begriff liegt aber auch zugleich schon ein wesentlicher Unterschied zum mal' lik] ahroe ·angedeutet. Dieser göttliche AufteilungsprozeR schlieRt sich rein sprachlich nicht an den individuellen Gottesnamen Jahwe an, sondern an den schon in seiner sprachlichen Form als ursprünglich pluralistischer Begriff noch erkennbaren Gottesnamen 'elohim. Nirgends ist von bene ]ahroe die Rede. Dies legt die Annahme nahe, daR sich in ihrer Vielheit die ursprüngliche Pluralität des Gottesbegriffes aus61
1 K 20, 35; 2 K 2, 3. 5. 7. 15; 4, 1. 38; 5, 22; 6, 1; 9, 1.-
Ge s e n i u s- Buh I s. v. übersetzt ;)Angehörige der Prophetengenossenschafh; die Zürcher Bibel >Prophetenjünger«.
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drückt, resp. daR sich hinter ihnen alte vorjahwistische Götter bergen, eine Pluralität von 'elöhim. Das wird durch zwei Parallelstellen aufs schönste bestätigt. Die nächste Brücke bildet Ps 89, 7, wo die Gottessöhne bene 'elim heißen, also Götterwesen oder -söhne, wobei 'elim im Gegensatz zu 'elöhim nur pluralistisch verstanden werden kann. Zudem ist 'el ein alter nordsemitischer Göttername 62 • Dies führt zur weiteren Parallele von Ps 82, wo sie schlechtweg »Götter« - 'elöhim- genannt werden. Gott - 'elöhim - steht in der Gottesversammlung - ba-' adat 'el -, inmitten der Götter- 'elöhim- richtet er. Und im seihen Psalm, V. 6, werden sie auch bene 'eljön genannt, ein Gottesname, der wohl eine alte jerusalemitische Gottheit bezeichnet (s. Gn 14, der Gott von Melchizedek). DaR es sich ursprünglich wohl um alte vorjahwistische Gottheiten handelt, in ihrem Begriffe daher im Gegensatz zu den mal' äkim nicht nur der Differenzierungsprozefl, sondern der ihm vorausgegangene Verschmelzungsvorgang noch sichtbar ist, läßt sich aber noch durch weitere Parallelen erhärten. Die bene hä-' elöhim bilden in ihrer gleichartigen Vielheit das »Heer des Himmels« $ebä' has-sämaim. DaR man diese beiden Begriffe geradezu gleichsetzen kann, geht aus 1 K 22, 19 hervor, wo in der Vision des Micha hen Jimla die göttliche Hofversammlung $ebä' has-sämaim genannt ist, also in der gleichen Situation, wo Hi 1, 6 und 2, 1 von bene hä-'elöhim die Rede ist. DaR dahinter ursprünglich wohl alte Gestirnsgottheiten gestanden haben, geht aus mehreren Stellen hervor, wo von Sonne, Mond und Sternen als dem $ebä' has-sämaim gesprochen wird, das anzubeten der Mensch nicht sich verführen lassen soll 63 • 62 Nähel"es darüber s. bei J u l i a n M o r g e n s t e r n , The Mythological Background of Ps 82, pag. 39, Anm. 22, in: Hebrew Union College Annual. Vol. XIV, Cincinnati 1939. 63 Dt 4, 19; 17, 3; 2 K 17, 16; 21, 3. 5; 23, 4; Zeph 1, 5; Jer 8, 2; 19. 13; Hi 31, 26-28. - Im Zusammenhang mit
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Historisch ist der Prozefl, wie in anderem Zusammenhang bereits erwähnt, wohl so zu denken, daß die Gottgestalt Jahwe eine Vielheit alter Gottheiten, eben all die hypostasierten Naturkräfte in sich aufnahm. Nach diesem ursprünglichen Einschmelzungsprozefl bilden diese Gottwesen aber Elemente einer neuen Struktur und bekommen darin ihren Ort. Die historische Prägung, die einem dem Gottesnamen ]ahroe 11eba'öt hat das 11eba' has-slimaim zu einer Diskussion Anlaß gegeben, die, soweit ich sehen kann, noch nicht zum Abschluß gekommen ist und auch noch nicht zu einer befriedigenden Lösung geführt hat. In einer gründlichen Studie geht G. West p h a I dem Problem nach (11ebli' has-slimaim. In: Oriental. Studien II, Festschrift für Theodor Nöldeke, S. 719-728). Er kommt zum Schluß, daß es sich ursprünglich um ein himmlisches Kriegsheer handelt, das J ahwes Kriege mitkämpft, entsprechend etwa dem »wilden Heer« der deutschen Märchen, an das Gun k e I erinnert. Von diesem himmlischen Kriegsheer hat Jahwe seinen Namen ]ahroe ~ebli'öt. West p h a I stützt seine These hauptsächlich auf Jos·5, 14, wo von dem saqebti' ]ahroe die Rede ist, der als »Oberster des Heeres Jahwes~ Josua als dem Anführer des irdischen Heeres entgegentritt. Erst später wäre dann der terminus ~ebli' ]ahroe für das irdische Heer gebraucht worden. West p h a I weist darauf hin, daß es sich bei jenen Stellen, wo unzweifelhaft das irdische Heer gemeint ist, um solche jüngeren Datums handelt (Ex 7, 4; 12, 17. 41 = P, und Ri 16, 13). Manche Einzelzüge stützen die These West p h a I s, so z. B. das mal}ane 'elöhzm, das Heerlager Gottes, von Gn 32, 3 (Z. B. 32, 2). Auch seine Auffassung von den feurigen Wagen und Rossen des Elisa (2 K 2, 12) in diesem Sinne hat viel für sich. Trotzdem ist mit seiner Lösung des Problems nicht durchzukommen. Ein schwacher Punkt seiner Beweisführung liegt vor allem darin, daR er für die übrigen, nicht kriegerischen Funktionen des ~ebti' has-slimaim keine befriedigende Erklärung weiß: :.Dieser zweifellos in der Periode der Eroberungen entstandene Ausdruck wurde dann den jeweiligen Vorstellungen von der Aufgabe und Tätigkeit der ,himmlischen Heerscharen' angepaßt, so hat das $ebli' has-slimaim in 1 K 22, 19 ff. eine beratende Tätigkeit, später erhielt es die Aufgabe beständigen Lobpreises J ahwes, so Ps 48, 2; 103, 20 ff. Als dann unter Manasse
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alten Bezugssystem entstammt, erhält im neuen Bezugssystem eine neue Färbung oder erfährt eine völlige Umprägung. Gerade heim Beispiel der bene hä-' elöhim resp. des $ebä' has-sämaim zeigt sich dabei die interessante Tatsache, daß Vorstellungen, die durch das ganze Alte Testament hindurch als Götzendienst verpönt sind und bekämpft werden, dann »legalisiert« erscheinen, wenn der babylonisch-assyrische Gestirnsdienst in Juda und Jerusalem eindrang, fand man den alten, an sich ziemlich gegenstandslos gewordenen Ausdruck für geeignet zur Bezeichnung dieses neuen Kultobjektes.« Gerade letzteres scheint mir aber völlig unwahrscheinlich. West p h a I geht nicht genug auf die enge Verbindung der ~ebä' has-sämaim-Vorstellung mit derjenigen der bene hä-'elöhfm ein. Er wird auch dem durchaus überwiegenden Gebrauch von ~ebä' has-sämaim für die Gestirne nicht gerecht. Sein Hinweis darauf, daß das himmlische Heer ursprünglich aus meteorologischen Mächten hervorgegangen sei, resp. die Sterne als Hilfstruppen des Gewittergottes J ahwe erscheinen, wofür er hauptsächlich Ri 5, 20 anführt, wo die Sterne von ihren Bahnen am Himmel aus gegen Sisera kämpfen, reicht keineswegs aus. Die vielen Stellen, die von der Anbetung der Gestirne sprechen, zeigen deutlich, daß es sich um die Vorstellung von den Gestirnen als Götter handelte. Des weiteren fällt eine Textbeobachtung S c h r a d e r s (Der ursprüngliche Sinn des Gottesnamens J ahve Zebaoth. o. J .) schwer gegen die These West p h als ins Gewicht: nämlich daß der Plural sebä'öt nur für irdische Heere gebraucht wird, nie für das hi:m:mlische Heer. Sc h r ad e r hält daher den Gottesnamen Jahroe ~ebä' öt für synonym zum :.Gott der Schlachtenreihe Israels« in 1 S 1'1', 45, zu dem es in ausdrücklicher Parallele steht. Hierauf beruft sich auch E i c h r o d t (Theologie des Alten Testaments, Bd. I, S. 94). Daß es sich ursprünglich um eine Kriegsgottbezeichnung handelt, sieht Eichrod t überdies in dem Umstand bestätigt, daß dieser Beiname J ahwes stets in enger Beziehung zur Lade steht (1 S 4, 3-5. 5 ff.; 2 S 6, 2), die lange Zeit als Kriegspalladium diente. Eichrod t stößt sich aber dar an, daß mit der Kriegsgott-Auffassung der prophetische Sprachgebrauch nicht erklärt ist. Er sieht keine andere Möglichkeit als die Annahme, daß ~ebä'öt gar nicht auf bestimmte Heerscharen hinweist, sondern die Scharen, Massen, Mengen über-
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sie in bestimmten Momenten der jahwistischen Entwicklung, gewissermaßen unbewu.f!t, reibungslos als passendes Bild für einen Vorgang des jahwistischen Entwicklungsprozesses absorbiert werden können. So wird einerseits die Anbetung der Gestirne als Götzendienst verworfen 64 und anderseits wird die Vorstellung des Himmelsheeres schon früh (Jos 5, 14; 1 K 22, 22) resorbiert. Wir dürfen daher wohl füglieh annehmen, daß die Vorstellung des himmlischen Hofstaates und der göttlichen Ratsversammlung nur aufgenommen werden konnte, weil sie als passendes Mythologem für den beginnenden innergöttlichen DifferenzierungsprozeR notwendig war. Sie präsentiert sich gewissermaßen von selbst, aus dem Bereich der init der Seßhaftwerdung in Kanaan unbewußt aufgenommenen babylonisch-kanaanäischen Vorstellungen 65. haupt meint, den Inbegriff aller himmlischen und irdischen Wesen, wie es auch LXX verstanden hat: xupwc:: TWI.I au~.~dp.eOJI.I. Vielleicht liegt in der Tat hier eine Lösung des Problems, besonders im Hinblick auf Gn 2, 1, wo von :.Himmel und Erde und all ihrem Heer« die Rede ist? - L. K ö h I er (Theologie des Alten Testaments, S. 33) entscheidet sich für die Annahme: ]ahroe tjeba:ot heifle: Herr der Sterne, worin eine Absage an die heidnische Vorstellung, dafl die Sterne Götter seien, liege. Diese Auffassung wird aber wiederum der Tatsache, dafl das himmlische Heer nie im Plural erscheint, nicht gerecht. Das Problem scheint also noch ungelöst. 64 Die Stellen s. oben, S. 254, Anm. 63. 65 Eine zweite Schicht der Rezeption bildet dann, wie bereits erwähnt, das babylonische Exil, wobei diese wiederum unbewuflt gedacht werden mufl, angesichts der bewuflt ablehnenden Haltung, gerade in dieser Zeit, gegen die feindlichen Eroberer und ihre Kultur. Dafl eine unbewuflte Infiltration trotzdem stattgefunden hat, beweist am schönsten Ezechiel, der die Säule des inneren Besteheuskampfes der Exilierten war, und dessen Vision, soweit sie eine spontane Manifestation des Unbewuflten ist, durchtränkt ist mit babylonischen Vorstellungen. Solche sind wahrscheinlich der Gotteswagen
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So werden die aus dem pluralistischen Gottesbegriff 'elöhim »entstandenen« bene hä-'elöhim nach dem Einschmelzungsprozeß zu Wesensseiten ] ahroes. Die Bedeutung ihres Namens darf daher für diese neue Stufe nicht überwertet werden. Sie sind nicht mehr eine Vielfalt nebeneinanderstehender Naturgewalten, sondern die Naturgewalt in Jahwe, gewissermaßen sein Aspekt der schöpferischen, aber auch Zerstörerischen Natur. Noch deutlicher als das »Heer des Himmels«, dessen urtümlich mythologischer Charakter nicht weiter bildhaft umrissen der Berufungsvision, der Schreiberengel usw. Es sei denn, man folge der m. E. zu rationalistischen Darstellung von L o r e n z D ü r r (Die Stellung des Propheten Ezechiel in der israelitisch-jüdischen Apokalyptik, 1923), dessen Ausführungen auf den Visionscharakter dieser Inhalte so gut wie keine Rücksicht nehmen, sondern sie gewissermaßen als Ausdruck bewußter theologischer Ueberlegung, resp. Uebertragung babylonisch-kultischer Züge auf J ahwe erscheinen lassen, was mir unzutreffend scheint. - Auch die Sacharja-Visionen zeugen davon und vielleicht besonders eindrücklich die babylonischen Vorstellungen im Schöpfungsbericht des Priesterkodex, wo hinter der Tehom. noch die in ihr verborgene Tiamat zu erkennen ist und der aus dem Chaos den Kosmos gestaltende Jahwe an Stelle des die Tiamat überwindenden und in Himmel und Erde zerteilenden Marduk steht. Freilich wird hier auch gerade die Umprägung ins spezifisch J ahwistische besonders deutlich; aber die babylonischen Mythologeme sind als Bilder nicht wegzudenkende Wesensaussagen über den alttestamentlichen Gott. - Auch Zimmern (in: Sc h r ader, Die Keilinschriften und das Alte Testament, 3. Aufl., von H. Zimmern und H. Winckler, 1903, S. 457) unterscheidet übrigens zwei Phasen des babylonischen Einflusses auf den J ahwismus, wenn er die alttestamentliche Vorstellung des Engelheeres auf die babylonische Vorstellung von den >um den obersten Gott teils als Ratsversammlung, teils als Kriegsheer versammelten Igigi (und Anunnaki)< zurückführt und dann hinzufügt: >In späterer Zeit (von Zimmern hervorgehoben), vom Exil an, ist die israelitische Engelsvorstellung allem Anscheine nach von Neuern stark von der babylonischen Mythologie beeinflußt worden.< 258
ist, geht dies aus andern Beispielen hervor. So sind die Seraphim, die in der Theophanie Jesajas (Kap. 6) den göttlichen Thron umgeben, entsprechend den bene hä,eloh'im der erwähnten Stellen, noch als ausgesprochen mythologische Tiergottheiten zu erkennen 66 • Sie gehören buchstäblich mit zum Bilde, zur Erscheinung Gottes, also zu seiner Ganzheit. DaR sie zugleich als Diener um den thronenden König herumstehen, läßt das Hinauswachsen der Gottpersönlichkeit über das Nur-Naturhafte erkennen. Er wird zum heiligen Gott. Aber diese Heiligkeit ist in ihm nicht aus der Natur herausgerissen, sondern wurzelt in ihr. Und die Natur beugt sich vor der Heiligkeit. Man denke an das »Heilig! heilig! heilig!« der Seraphim in der Jesaja-Vision. Das ist historisch die Ueberwindung: der alten Naturgottheiten durch den Geistgott J ahwe, aber es zeigt eben auch die Entwicklung Jahwes vom Naturgott zum heiligen Gott. In der Jesaja-Vision ist diese phänomenologische Ganzheit unübertrefflich ausgedrückt 67 • 66 Ihr Ursprung ist bisher noch nicht mit Sicherheit festgestellt worden. Man neigt aber allgemein zur Annahme, daß es sich um schlangenartige Fabeltiere handelte (s. Ha n s Du h m, I. c. S. 4; Baudiss in, Studien zur semit. Religionsgeschichte. Die Symbolik der Schlange. Bd. I, S. 282; J o h an n es Ni k e I, Die Lehre des Alten Testaments über die Cherubim und Seraphim. 1890, S. 88), worauf der Name slirlif deutet, der vielleicht auf den brennenden Bill des Tieres hinweist. Eine zwingende Analogie bilden aber auch die nel:tliS'im has-seriifim, die Serafen der Wüste (Nu 21, 4-6 und Jes 30, 6, wo von der geflügelten Schlange [slirlif me-'öfefl die Rede ist).- Zum Namen vgl. auch oben, S. 196. 67 Nicht so eng verknüpft wie bei Jesaja 6 und ohne die Vollkommenheit einer echten Vision, die eben alle lebendigparadoxe Einheit adäquat auszudrücken vermag, erscheint dasselbe Phänomen auch im neJ:tustlin, der wohl eine alte Schlangengottheit darstellt. Der Unterschied zur J esaja-Vision ist aber sehr aufschlußreich. Die Legende in 2 K 18, 4, es handle sich um die eherne Schlange Moses', soll ihren Zu-
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Entsprechend bilden die Kerubim in der EzechielVision, um den Thron Gottes gruppiert, resp. ihn tragend, seine lebendige Natur-Geist-Einheit. Sie sind auch die Hüter des Paradieses, des göttlichen Naturbereichs, aus dem die Menschen verstoßen werden. Und in Ps 18, ist der Kerub das Reittier Jahwes: »Er fuhr auf dem Cherub und flog daher und schwebte auf Flügeln des Windes.« Als auf den Keruben thronend erscheint er auch 1 S 4, 4 und 2 S 6, 2. So sind Seraphim und Kerubim ein besonders deutliches Beispiel der zu Wesensseiten J ahwes gewordenen alten Naturgottheiten. Sie erhärten somit durch ihre parallele Funktion unsere Auffassung von dem Jahwe umgebenden »Heer des Himmels« und den zu diesem funktionell in enger Parallele stehenden bene ha-'elohim, um die es uns hier zu tun ist. Stete Umgebung Jahwes zu sein, ist also ein erster Zug, der die bene ha-'elohim vom Begriff des mal'ak unterscheidet. Der mal'ak erscheint fast ausschlieRlieh in der Einzahl. Er ist hauptsächlich, worauf ja schon sein Name hinweist, jeweils ad hoc gesandter Bote Gottes. Es ist zu beobachten, dafl dies auch für fast alle Stellen, wo der Plural auftritt, gilt. Auch in Gn 28, 12 ist von den mal' äkim nicht bildhaft ausgesagt, daR sie Gott umgeben, sammenhang mit Jahwe bestärken. Jahwe sendet die Schlangen und läßt Mose den neJ:tas nel:töset errichten. Daß eine spätere, religiös differenziertere Zeit in dieser Zurückführung des neJ:tustän auf Moses nur eine dünne Bemäntelung eines urtümlichen Schlangenkultes erkannte, beweist Hiskias Kampf gegen ihn. Er läßt den neJ:tuStän zerschlagen, in derselben »Säuberungsaktion«, in der er die Höhenheiligtümer abschafft, die Malsteine zertrümmert und die Ascheren umhaut. Der Bezug dieser alten Schlangengottheit zu Jahwe war zu wenig eng und organisch. Als losgelöster Naturkult wurde er von der entwickelteren Jahwereligion nicht ertragen. Ein Herausfallen der Naturseite in Jahwe und ihre losgelöste Verehrung bedeutete in jener Zeit wirklich eine Regression auf eine frühere Stufe.
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sondern sie sind ebenfalls seine Boten, oder Vorboten: sie steigen die Leiter auf und nieder, dadurch gewissermaßen das Erscheinen Gottes ankündigend. Ganz deutlich ist ihr Botencharakter auch in Ps 78, 49: Jahwe entläHt seinen »Zorn«, »Grimm«, seine »Wut« und »Drangsal< als eine »Rotte verderbender Engel« über Aegypten (mislab,at mal'äke rä'im) 68 • mislab,at, die »Sendung«, verstärkt noch den schon im Begriff des mal'äk liegenden Botencharakter. Ausdrücklich ist er auch in Ps 91, 11 ersichtlich: »Denn seine mal'äkim wird er für dich entbieten 69 .« Nun gibt es aber auch zwei Stellen, die die Annahme einer früheren Berührung oder teilweisen Gleichsetzung der beiden Engelkategorien nahelegen: 1. Der sar $ebä' ]ahroe in Jos 5, 14. Dem Begriff nach gehört er wohl zu den bene hä-'elöhim, in seiner Einzelfunktion erinnert er jedoch auch an den mal'iik]ahroe, durch das Schwert in der Hand an Nu 22, vor allem aber durch die oben festgestellte Identität mit Jahwe, die für den mäl'ak ]ahroe charakteristisch ist; sagt er doch fast mit den gleichen Worten, wie sie Ex 3, 5 J ahwe an Mose richtet, zu Josua: »Ziehe deine Schuhe aus von deinen FüHen; denn die Stätte, da du stehst, ist heilig.< 2. Gn 32, 2, wo von mal'äkim als mab,ane 'elöhim die Rede ist 70 • Aus allen übrigen Stellen lassen sich aber so deutliche unterscheidende Merkmale der beiden Engelbegriffe feststellen, daH diese beiden Stellen nur Beweise einer sich anbahnenden Verschmelzung sein können, die sich in späteren Schriften, wie bereits erwähnt, deutlich vollzogenhat. Nun treten aber auch die bene hä-'elöhim als Boten 88
Uebrigens einer der schönsten Belege für die Engel als und zugleich :.Gesandte< Gottes! Vgl. auch Ps 103, 20 und Ps 104, 4. Vgl. zu den beiden Stellen auch oben, S. 255, Anm.
>Wesensseiten« 89
70
18 jung: Symbolik des Geistes
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auf. So bekommt in der Vision des Micha ben Jimla der »Geist« ja den Auftrag, Ahab zu betören, und auch der Satan des Hiob-Buches hat eine Botenfunktion. Aber gerade an diesen Beispielen wird ein wesentlicher Unterschied sichtbar, der uns wieder auf unsere Hauptspur, den Satan als einen der bene ha-'elöhim zurückführt: auch wenn einer der bene hä-'elöhim oder des $eba' has-sllmaim einen Botendienst übernimmt, ist er nicht wie der mal'ak I ahroe blindes Ausführungsorgan, gewissermaßen der Arm, der Jahwes Tat tut, oder der Mund, der Jahwes Wort redet, sondern er ist personhafter, autonomer, er scheint über einen eigenen Willen zu verfügen. Jahwe hat eine Beziehung zu ihm, redet zu ihm. Das ist beim mal' äk nicht der Fall, außer bei Sacharja, wo der mal'äk Iahroe als angelus interpres mit Gott Frage und Antwort wechselt. Dies ist aber gewissermaßen nur eine Form der Beziehung Gottes auf den Menschen. Auch hier ist der mal'ak I ahroe Bote, das Gespräch zwischen ihm und Gott ist nicht wirklich dialektisch. Dies ist ein subtiler Unterschied, jedoch von weittragender Bedeutung, wie wir noch sehen werden. Der Unterschied wird deutlich, wenn wir die Micha ben Jimla-Vision näher betrachten. Der Text lautet (1 K 22, 19 ff.): >Ich sah Jahwe auf seinem Throne sitzen und das ganze Heer des Himmels neben ihm zur Rechten und zur Linken stehen. Und Jahwe sprach: Wer will Ahab betören, daß er nach Ramoth in Gilead hinaufzieht und dort fällt? Der eine sagte dies, der andere jenes. Da trat der Geist hervor, stellte sich vor Jahwe und sprach: Ich will ihn betören. Jahwe fragt ihn: Womit? Er antwortete: Ich will hingehen und zum Lügengeiste werden im Munde aller seiner Propheten. Er sprach zu ihm: Du magst ihn betören und wirst es auch zustandebringen. Gehe hin und tue also!<
Das Interessante an diesem Gespräch im göttlichen Hofstaat ist, daß deutlich verschiedene Willensstrebungen vorhanden sind. J ahwe will Ahab betören. Er schickt aber 262
nicht einfach einen mal'äk, der es tut, sondern ist gewissermaßen darauf angewiesen, daR einer aus dem Heer des Himmels es übernimmt. Es scheint keine sehr begehrte Aufgabe zu sein; denn »der eine sagte dies, der andere jenes«, d. h. die meisten reden sich heraus 71 • Einer, der »Geist« (ha-rual},) - schon das nomen appellativum zeigt, daR es ein aus der Vielheit herausgehobenes Wesen ist7 2 71 Dies und nicht etwa, daß seitens der bene hä-' elohzm positive Vorschläge gemacht werden, scheint mir aus diesem Satz hervorzugehen; denn auf die bestimmte Frage Gottes kann es nur eine Antwort geben: eine ebenso bestimmte Bereitschaftserklärung, wie sie denn auch tatsächlich im wohl nicht zufälligen Gegensatz zu den unbestimmten Reden der Andern von seiten des >Geistes« erfolgt. 72 Die Auffassung J. Benzingers (Die Bücher der Könige, 1899, S. 124): »Mit diesem Geist, der unter Jahwes Dienern ist, kann nur der Geist gemeint sein, der überhaupt die Propheten beseelt und treibt«, scheint mir zu abstrakt zu sein. Aehnlich äußert sich Kitte I (Die Bücher der Könige, in: Nowack-Handkommentar, 1900, pag. 175): »Der göttliche Geist der Weissagung, der die Profeten erfüllt, wird zur selbständigen Person, ähnlich etwa wie die göttliche Eigenschaft der Weisheit in Prov. 8 zu einer selbständigen Hypostase wird. Wie das göttliche Zorngericht im Würgengel (masJ:tzt) personifiziert erscheint, so hier die göttliche Geistwirkung im ,Geist'.Aber wäre hier wirklich der erste Schritt zum Satansglauben getan, so würde man erwarten, daß II. Chr. 17, 22 ff. has-siifiin für hii-rüalJ- eingesetzt hätte.« Eine Verkiennung des Entwicklungszusammenhangs ist es auch, wenn umgekehrt Fr i e d r ich Schwa 11 y (Zur Quellenkritik der historischen Bücher, in: ZAW 1892, S. 159 f.) gestützt auf Stad e (Geschichte des Volkes Israel, Bd. I, S. 531, Anm.1) die unwahrscheinliche Vermutung äuf!ert, daf! statt rüalJ_ in 1 K 22 »Ursprünglich siifiin oder ein wirklicher Engelname Michael oder dgl. dagestanden hatdie Frommen« gemeint. Diese Auffassung findet sich schon in einer zadokitischen Tradition, die besonders von syrischen Schriftstellern seit Ephl'em verbreitet wurde; danach waren die bene hii-'elöh'im im Henochbuch nicht Engel, sondern Söhne Seths, die wegen ihrer Frömmigkeit »Söhne Gottes« genannt wurden (s. A d o I p h e L o d s , La Chute des Anges, Origine et portee de cette speculation, in: Congres d'Histoire du Christianisme, 1928, S. 32/33). Das Alter dieser Auffassung beweist aber nichts gegen ihre Unwissenschaft-
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also eine selbständige Zielstrebung dar 78 • Sie folgen einem Gelüste, einem Drang zum Menschen hin. Gewissermaßen hinter Gottes Rücken verbinden sie sich mit dem Menschen 79 • lichkeit. Sie ist ein die Erzählung von Gn 6, 1-4 weiterbildender Midrasch, nicht eine wissenschaftliche These. Als solche. V1ertritt sie allerdings auch J. W. R o t h s t e in (Die Bedeutung von Gen 6, 1-4 in der gegenwärtigen Genesis. In: Festschrift Karl Budde, BZAW 2'2', 1920, S. 150 ff), vermag aber nicht zu überzeugen. Neben sonstigen Unwahrscheinlichkeiten seiner Argumentation, auf die einzugehen hier zu weit führen würde, verkennt R o t h s t e i n vor allem den typisch mythologischen Charakter des fraglicheil Fragments, sowie den inneren Bezug der bene hli'elohlm in diesem Text zu anderen Aussagen über diese Engelkategorie. Auch Kau p·e I kann sich schließlich nicht anders helfen, als in Hinsicht auf die Hiobstelle, wo die bene hli-' eloh'im unzweifelhaft Engel sind, einen uneinheitlichen Sprachgebrauch anzunehmen (S. 133). 78 Vgl. auch C. H. T o y, Evil Spirits in the Bible, (in: Journal of Biblical Literature, Vol. IX. 1890, pag. 22): >••• but the ,sons of Elohim' act without reference to the supreme God; ... « Auch T o y sieht in ihrer Selbständigkeit einen Wesensunterschied gegenüber dem mal'lik: :.While the term mal' lik describes those superhuman intelligences who act as agents or representatiV1es of God in his control of affairs, the ,sons of God' are mentioned in other Connections, not so much as ministers, but rather as membres of the divine court, attendants on God yet in a sort independent.« (Von mir hervorgehoben.) 79 Psychologisch gesehen kommt darin ein gewissermaßen noch unbewußtes Drängen Gottes zum Menschen hin zum Ausdruck, was auch in der Vielheit der Engel als Wesensseiten Gottes angedeutet ist. Es ist kein bewußtes Sich-Hinneigen Gottes zum Menschen, wie im späteren Theologem von der Menschwerdung Gottes, sondern ein unbewußtes Getrieben-Sein. Aus der Verbindung geht denn auch nicht, wie im späteren Theologem, ein Gottmensch hervor, sondern Monstren. Als eine Vorform jenes Theolowems darf vom psychologischen Standpunkt aus aber wohl auch diese Stelle beansprucht werden.
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Es wurde oft darauf hingewiesen, es liege eine Unlogik darin, daß Gott nicht, wie zu erwarten wäre, die Engel bestrafe, sondern die Menschen, indem er diesen die Lebensdauer verkürzt so. Vom inneren Zusammenhang her erscheint es mir aber durchaus folgerichtig: eine Seite in Gott will sich dem Menschen einen, eine andere aber will dies durchaus nicht, weil der Mensch dadurch Gott gleich würde. Daher: »Mein Geist soll nicht auf immer im Menschen walten, ... « (Gn 6, 3). Auch dies ist ein schöner Beleg dafür, daß die bene hä-' elohim Geist vom Geiste Gottes sind. Es ist dieselbe Problematik wie in Gn 3, 1, wo eine Seite Gottes, nämlich die dunkle, die Schlange, die Menschen verführen will, daß sie wie Gott sein werden und wissen, was gut und böse ist, die andere aber sie gerade um dessentwillen aus dem Paradiese vertreibt. Die Schlange ist - obwohl der Wortlaut hierzu keine direkte Handhabe bietet - schon sehr früh s\ aus einer richtigen Intuition heraus, mit dem Satan identifiziert worden. Denn indirekte Hinweise dafür ergeben sich aus den alttestamentlichen Satanstellen durchaus. Ein solch indirekter Zusammenhang ist gerade der eben aufgewiesene zwischen Gn 3 und Gn 6, 1-4. Aus ihm ergibt sich auch der weitere von Gn 3 mit dem Satan des Hiob-Buches, der ja auch einer der bene hä-' elohim ist. Der Satan ist, wie die Schlange im Paradies und die bene hä-' elohim in Gn 6, 1 ff., darauf aus, die Beziehung des Menschen zu Gott zu verändern. Gott selbst arbeitet im Alten Testament durch seine dunkle Seite am Menschen als »die Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schaffk Denn obwohl in der Paradiesesgeschichte es der Sündenfall katexochen ist, ist Gott gerade auf diese Sünde des Menschen, zu wissen, was gut und böse ist, ja dann in so Vgl. die Ansicht J u l i an Morgensterns, die Stelle habe ursprünglich von der Bestrafung der Engel berichtet, unten, S. 270 f. s1 Weisheit Salomonis 2, 24.
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der Folge für seine Heilszwecke angewiesen. Im HiobVolksbuch vermag der Satan den Menschen Hiob nicht direkt zu der geplanten Sünde zu verführen, aber in der Hiobdichtung wird Hiob doch bis tief in die ans Blasphemische grenzende Auflehnung gegen Gott hineingerissen - dies übrigens ein weiterer Umstand, neben den bereits erwähnten, der die theologische Zusammengehörigkeit von Satansfigur im Volksbuch und dem Hiob der Dichtung zeigt 82 • Ueberblicken wir dies alles in Hinsicht auf die Wesensbestimmung der bene hä-'elohim, so ergibt sich uns als hervorstechendes Merkmal ihre Zugehörigkeit zu Gott im positiven wie negativen Sinne. Sie gehören zu seinem vollen Wesen, sie bilden seinen Hofstaat. Der Keim eines eigenen Willens ist in ihnen aber sichtbar, ein leiser Riß entsteht in der Gottpersönlichkeit, der alte :.Nähte« auflöst und erkennen läßt, daß diese Einheit bereits aus einer Vielheit entstanden war, resp. hinter der Eigenwilligkeit der bene hä-'elohim der bezwungene Wille alter Götter wieder lebendig wird. Das wird auch deutlich aus der sonst schwer erklärlichen Stelle Jes 24, 21-23, aus der sog. Jesaja-Apokalypse 88 : >An jenem Tage, da wird J ahwe heimsuchen das Heer der Höhe in der Höhe und die Könige der Erde auf der Erde. Die werden zusammengesperrt in die Grube, wie man Gefangene einsperrt, und sie werden verschlossen in den Verschlu.H und nach vielen Tagen zur Strafe gezogen. Der Mond wird erröten 82 Hiobs Frau stellt übrigens den Teil in ihm dar, der dem . Satan verfällt. Sie redet die Worte zu Hiob, die genau den geheimen Intentionen des Satans entsprechen: >Fluche Gott und stirb!< Auch dies ergibt eine auffallende Parallele zur Schlange und Eva in der Paradiesesgeschichte, worauf bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde (oben, S. 202). 83 J o h. LindbIom (Die Jesaja-Apokalypse. Lund 1938, S. 84) setzt sie ins 5. J ahrh. v. Chr., B er n h a r d D u h m (Das Buch Jesaja, 1914, S.147/148) ins 2. Jahrh. v. Chr.
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und die Sonne beschämt dastehen; denn König ist der Herr der Heerscharen (Jahroe fiebä'öt) auf dem Berge Zion und zu Jerusalem, und vor seinen Aeltesten ist Herrlichkeit.«
Hier muß wohl beides gesehen werden: die Polemik gegen die alten Gestirnsgötter, zugleich aber die Bestrafung der revolutionären bene hä-' elohim. J o h an n Li n d b I o m hält diese Verse für einen späteren Zusatz innerhalb der Jesaja-Apokalypse. Die Stelle hänge »offenbar mit spätjüdischen angelalogischen und eschatologischen Vorstellungen zusammen. Den besten Kommentar gibt uns das Henochbuch« 8 4. Als Erklärung kann dieser Hinweis auf ein jedenfalls doch noch bedeutend jüngeres Buch aber wohl nicht gelten. Einen sehr interessanten Versuch unternimmt Juli an Morgenstern 85 , Psalm 82 mit unserer Stelle, sowie Gn 6, 1-4 und Jes 14, 13: »Wie bist du zu Boden gefallen, du strahlender Morgenstern!« 86 in unmittelbaren Zusammenhang zu bringen. Sein Resultat ist in Kürze folgendes: Von Ps 82, 6-?': »Wohl habe ich gesprochen: Götter !>eid ihr, ihr alle seid Söhne des Höchsten. Doch wahrlich, wie Menschen sollt ihr sterben, ... «
fällt ein erklärendes Licht auf Gn 6, 4. Es handelt sich um einen Mythos von Engeln, die sich mit Menschentöchtern verbanden und dafür bestraft wurden, und zwar eben dadurch, daß sie von nun an »wie Menschen leben sollten«. Ursprünglich wurden also nach Morgenstern in Gn6, 1-4 nicht die Menschen bestraft, sondern die bene ha84 1. c. S. 27. Er verweist insbesondere auf Hen 90, 24; 88; 91, 15. 54; usw. 85 The Mythological Background of Psalm 82. In: Hebrew Union College Annual. Cincinnati 1939, pag. 29-126. 86 Auch dies ein später eingeschobenes, nicht von Jesaja stammendes Stück. B. D u h m (1. c. S. XIII) setzt es ins 2. bis 1. Jahrh. v. Chr. an, Julian Morgenstern (l.c. pag. 110, Anm. 144) zwischen 486 und 476 v. Chr.
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'elöh'im 87 • Im Nachsatz von Ps 82, 2': »(ihr) sollt stürzen wie einer der Fürsten« wird ein weiterer Mythus sichtbar: derjenige des rebellischen und wegen seiner Rebellion gestürzten helel ben säl},ar 88 , der in Jes 14, 12 ff. als Bild 87 Dafl aber auch die vorliegende Version, resp. die Bestrafung der Menschen, nicht sinnlos ist, versuchte ich oben, S. 268 darzutun. 88 Nach B. Du h m (Jesaja. S. 96) >spielt eine Sternfabel von Merkur mit ein, der mit der Sonne den Himmel ersteigen will, aber (weil er plötzlich unsichtbar wird) zurückgewiesen wird, die griechische Fabel vom PhaetonLe safan represente clone ici la conscience, le droit strict, qui se trouve, dans l'espece, en Opposition avec les desseins misericordieux de Yahve, la justice aux prises avec la gräce« - ein exegetischer Tiefblick, aus dem L o d s jedoch in seiner in erster Linie auf das Historische ausgerichteten Arbeit nicht die Konsequenzen hinsichtlich der theologischen Bedeutung der Satansfigur zieht. Auch Er i k S t a v e (1. c. S. 254) sieht sich eigentlich genötigt,· im Satan »eine Personifikation der Gerechtigkeit d.es heiligen Gottes« zu sehen, kann den Gedanken dann aber doch wieder nicht aufrecht erhalten, weil ihm eine spätere Satansvorstellung in die Quere kommt, nämlich, daR der Satan von Anfang an ~als ein schadenfroher Geist, der eine innere Lust und Freude daran offenbart, deJ;It Menschen Leiden zufügen und sie zur Sünde v·erlocken zu dürfen«, erscheine. Diesen scheinbaren Gegensatz kann S t a v e nicht überbrücken. Ihn überhaupt anzunehmen, führt aber vom Sinn dieser Stelle gerade weg. Schon Diestel (l. c. S. 213) bemerkt, es sei nicht wohlgetan, »dem Riobischen Satan allerlei böse Absichten, Wünsche, Hoffnungen, von denen im Prologe kein Wort steht, unterzuleg·en; man tut dies, um seine Gestalt ungerechtfertigterweise der Anschauung des Neuen Testaments näher zu bringen, und verletzt das Gebot der geschichtlichen Strenge«. Dies läßt sich ohne weiteres auch für
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weil ein höheres Prinzip gesichtet ist: die Liebe 14• Gewiß ist auch früher schon von der Liebe und dem Erbarmen Gottes die Rede, so Dt 4, 31: »Denn Jahwe, dein Gott, ist ein barmherziger Gott ('el ral:tum): er wird dich nicht verlassen, noch verderben, und er wird des Bundes nicht vergessen, den er deinen Vätern geschworen hat.< Und Ps. 86, 15: »Aber du, o Herr, bist ein barmherziger, gnädiger Gott ('el ral),Üm roe-l:tannün), langmütig und reich an Huld und Treue.« Ferner Jes 54, 10: »Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Gnade (l:tasdi) soll nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht Jahwe, dein Erbarmer (me-ral:tamek).< Und Jer 3, 12: »Ich will nicht finster auf euch blicken;· denn ich bin gütig (l:täsid), spricht Jahwe, ich trage nicht ewiglich nach.< Meist handelt es sich hier aber um Verheißungsaussagen, während wir in unserer Stelle das unmittelbare Geschehnis des barmherzigen Eingreifens J ahwes als bewußte Haltung vor uns haben. Nirgends ist sie so bewußt wie hier, wo sie im Gegensatz steht zu ihrem Gegenpol, zur Gerechtigkeit. Das wird besonders auch aus dem oben zitierten Psalm 86 deutlich, wo die Gerechtigkeit neben die Barmherzigkeit tritt. Im Psalm besteht kein Problem in dieser Hinsicht. Ein solches konnte erst entstehen, nachdem das Dunkle hervorgetreten ist, seinen Gegensatz rufend. Erst hier wird das Negative in der Gerechtigkeit sichtbar. Sie ist nur negativ, wenn sie an Stelle der Liebe steht. Und weil nun die Liebe sichtbar werden kann, wird die Gerechtigkeit das zu überdie Betrachtung des Satan bei Sacharja geltend machen. Das :.Teuflische« liegt hier nicht in einem Gegensatz zur Gerechtigkeit, sondern in ihr selbst. 14 Vgl. auch R o t h s t ein, Kommentar zum 1. Buch der Chronik, S. 380: :.Dem Satan gegenüber, dem Vertreter göttlicher Gerechtigkeit, ... ist der mal'äk ]ahroe der Träger göttlicher Barmherzigkeit und Gnade, . . . er ist die von J ahroes persönlichem Wesen abgelöste und hypostasierte Ausroirkung des Liebesroesens ]ahroes.« (Von mir hervorgehoben.)
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windende Hindernis. Die Gerechtigkeit will den Menschen um seiner Sünde willen bestrafen. Wenn man sich vergegenwärtigt, was es bedeutet hätte, wenn Jahwe dem Satan willfahren hätte, so wird das »Satanische< in ihr begreiflich. S t avesagt mit Recht zu dieser Stelle: :.So ist der Satan hier zum Widersacher Gottes und des ganzen Heilsplanes geworden, .. .« 15 Hier wird noch einmal besonders deutlich, daß er jene Seite Gottes ist, die schon von Abraham die Tötung seines einzigen Sohnes forderte; denn auch dort ist Gott gewissermaßen der Widersacher seiner selbst und seines Heilsplanes. Der Satan in der Sacharja-Vision fordert die gerechte Bestrafung Josuas. Aber der mal'äk ]ahroe rettet das >aus dem Feuer gerissene Scheik Hier ist Jahwe seiner dunkeln Seite Herr geworden. Das scheint mir ein Gedanke zu sein, der den äußersten Rand des Alten Testaments bildet und wohl als die alttestamentliche Voraussetzung für den Liebesgedanken des Neuen Testamentes angesehen werden kann. Aber auch in der jüdischen Weiterentwicklung hat dieser Gedanke eine höchst bedeutsame Ausprägung gefunden: im Sephirothbaum der Kabbala 16 • Da ist die Ganzheit des geistigen Seins in zehn Sphären dargestellt, die gestuft sind als Emanationen Gottes, als Aeste des Lebensbaumes, dessen Wurzeln oben, dessen Krone unten ist. In ihren polaren Entsprechungen drückt sich das Wesen der Welt aus in allen Seinsschichten, von der höchsten bis zur tiefsten. In diesem System nun steht die Gnade, die Liebe (l;wsed) 17 auf der rechten (männlichen) Seite, die GerechI. c. S. 251. Ueber diese Grundvorstellung der Kabbala s. Gerh a r d Sc h o I e m, Art. >Kabbala« in: Encyclopedia Judaica, S. 6?3 ff.; E r n s t M ü 11 e r , Der Sohar und seine Lehre, 1923. S. 16, u. A. m. 17 Ne I so n GI u e c k, Das Wort lJesed im alttestamentlichen Sprachgebrauche als menschliche und göttliche gemein15
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tigkeit oder das Gericht (din) auf der linken (weiblichen). Der Gnade ist das Wasser zugeordnet, der Gerechtigkeit das Feuer. Die strömenden Wasser der Gnade überwinden das fressende Feuer des Gerichts. Der eifernde Gott ist buchstäblich auf die >linke« Seite geraten. Hier tut sich ein tiefer Blick in das Wesen des göttlichen Entwicklungsprozesses auf: Erst in seiner Liebe drückt sich das Männlich-Schöpferische in Gott aus. Seine unberechenbare Emotionalität, sein Zorn, sein Eifern, seine Gerechtigkeit, sind weiblich. Das ist - psychologisch gesprochen - gewissermaßen die weibliche Seite Gottes, die undifferenschaftsgemäße Verhaltungsweise (BZA W 4?, 192?), weist den ursprünglich rechtlichen Charakter von lJ,esed nach. Im Gegensatz zu ralJ,amfm, dem es in späterer (prophetischer) Zeit sehr nahe kommt, >schließt lJ,esed die Idee des Pflichtgemäßen ein, die für ralJ,amfm nicht in Frage kommt< (S. 2?, vgl. auch S. 66). W. F. Loft h o u s e, Hen and Hesed in the Old Testament (in: ZAW 1933, S. 29-35) bestätigt im Großen und Ganzen die Ergebnisse GI u e c k s. Es scheint mir jedoch fraglich, ob GI u e c k für die spätere Entwicklung nicht doch zu sehr an der ursprünglichen Bedeutung haften geblieben ist, ob nicht vielmehr, wenigstens für die lJ,esed Gottes, eine deutliche Weiterentwicklung im Sinne der göttlichen Gnade und Liebe vor sich ging, z. B. gerade in der oben zitierten Stelle Ps 86, 15, wo lJ,esed als Synonym von ralJ,ilm roe-lJ,anniln, 'erek 'appaim erscheint: >Aber du, mein Herr, bist ein barmherziger, gnädiger, Gott, langmütig und reich an Huld und Treue.« Die rein formale Beziehung, die L o f t h o u s e zwischen lJ,esed und ralJ,amfm sieht - >This word signifies yearning Iove; like that of a mother for the habe within her' womb ... But even ralJ,amfm is based on a tie, indeed, the closest imaginable. Here lJ,esed and ralJ,amfm are both in the nature of things.< (pag. 35) - dürfte nicht ausreichen. Man vgl. auch das erwähnte Beispiel von Jer 3, 12, wo Jahwe von sich sagt: >Ich bin lJ,aszdc, wobei die unmittelbare Fortsetzung: >ich trage nicht ewiglich nach« doch wohl als direkte Erklärung des Begriffs lJ,iisfd angesehen werden darf. Sicher aber ist dieser Begriff im späteren Judentum ausgesprochen Ausdruck für Gottes strömende Gnade, wie gerade das Beispiel der Kabbala zeigt.
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ziert und chaotisch ist. Der Geistgott Jahwe hatte sich aus der mütterlichen Urnatur herausgerungen, aus dem Urgrund der heidnischen Naturreligionen. Dadurch ist das W eihliche naturnotwendig ausgeschaltet, um dann aber eben unhewußt und negativ doch in seinem Wesen zu erscheinen. Hier wird von neuem der Zusammenhang zwischen dem Weihlichen und dem Satan sichtbar. Der »Zorn Gottes« in 2 S 24 wird in 1 Ch 21 zum »Satan«. Ebenso wird der »brüllende Löwe« des Alten Testaments als Bild des zornmütigen Gottes (Hos 11, 10; Jer 49, 19) zum Bild des Teufels im Neuen Testament (1. Petr 5, 8). Das Fruchtbare und Weiterführende der Kabbala ist aber, daß diese weihliehe Seite wohl »links« ist 18 , aber doch ihre volle Dignität im geistigen Weltsystem hat. Das W eihliche ist nicht nur überwunden, sondern auch aufgehoben im Sinne des Bewahrtseins, Wesenhaft-Seins. Hier umfaflt Gott seine beiden Seiten, er ist männlich und weiblich. Er ist die coincidentia oppositorum. Bei Sacharja ist diese Ueherwindung der Gerechtigkeit durch die Liehe noch nicht vollzogen. Sie ist gewissermaßen im Vollzug. Die Gerechtigkeit als Potenz ist noch verkörpert in dem als Hindernis gegenüber Gottes Gnade und Güte erscheinenden Satan. Indem der mal' tik ] ahroe ihm widersteht, wird aber der Weg frei für die Liehe Gottes, die sich dem Menschen zuneigt. Es erscheint der Gott, der das »aus dem Feuer gerissene Scheit« retten will, lebendiges Erbarmen hat mit dem von Sünde beschmutzten und von Leiden zerquälten und schon halb verzehrten Volkskörper, der durch den Hohepriester Josua repräsentiert wird. Diesem lebendigen Gefühl wird die dunkle Emotionalität so suspekt und negativ, daR sie als Satan, als negative zerstörerische Macht erscheint. Angesichts dieses höchst bedeutsamen Durchbruchs des göttlichen 18 Vgl. auch die chinesische Symbolik, wo Yang das helle, Yin das dunkle Prinzip ist, Licht und Finsternis, Tag und Nacht, als ewig bewegtes Gleichgewicht der Weltkräfte.
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Einsatzes für den Menschen ist es vielleicht nicht von ungefähr, daß im seihen Kapitel sich ein Hinweis auf den Messias findet: »Höre, Hohepriester Josua! Du und deine Genossen, die vor dir sitzen, ihr seid Männer der Vorbedeutung 19 • Denn siehe, nun will ich meinen ,Spro/l' 19 bringen.« (3,8) Noch in einem andern Sinn ist diese Stelle aber eine Weiterentwicklung der Satansvorstellung im Alten Testament. Wir sahen, daß der Satan das Element des Hindernisses ist, das das weltlich-naturhafte Leben des Menschen stört und behindert, das seinen Willen bricht (Bileam, Hiob), und ihn zur Ergebenheit in Gottes Willen führt. Aber auch diese Funktion erscheint nun begrenzt. Das religiöse Gefühl ist tiefer durchgedrungen: es gibt einen Zustand, wo auch das Leiden nichts mehr nützt ohne göttliche Gnade, wo die Gnade das Werk des Leidens vollenden muß, soll das Gefäß des Göttlichen, der Mensch, nicht zerbrechen. Der Satan ist hier in seiner Hinderungsfunktion, in seiner Brechung des menschlichen -Willens und dessen Wandlung zur Ergebenheit in Gottes Willen an eine Grenze gekommen, wo der Gott zur Erhaltung des Gefäßes eingreifen muß. Der mal'äk ]ahroe rettet das »aus dem Feuer«- aus dem verzehrenden Feuer Jahwes - »gerissene Scheik Der liehende Gott vermag den Menschen vor dem zürnenden Gott zu beschützen. Hiohs Gebet: »Gott, sei du mir Zeuge gegen Gott«, ist hier erfüllt, und damit seine ahnende Gewißheit: »Ich weiß, daß mein Erlöser lebt«. Josua, der Repräsentant des ganzen sündigen Volkes, wird dem Satan nicht mehr ausgeliefert wie Hiob. Heißt das aber nicht auch, daß der Mensch, wenn er die dunkle Seite Gottes gesehen und ertragen hat, ihr nicht mehr in dem Maße ausgeliefert ist?
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Von mir hervorgehoben.
V. Der Satan als selbständiger Dämon in 1 Ch 21, 1 In 1 Ch 21,1 heißt es: »Und der Satan trat auf wider Israel und reizte David, Israel zählen zu lassen.« Der Satan erscheint hier als der Anstifter zu einer unfrommen Handlung, deren Wesen zunächst festzustellen ist. DaR das Zählen des Volkes als tabuiert betrachtet wurde, geht schon aus Ex 30, 11-16 hervor. Die Volkszählung wird dort nicht verboten, aber sie wird von Jahwe nur geduldet, wenn sie gleichzeitig wieder gesühnt wird: »Wenn du die Zahl der Israeliten feststellst, derer, die gemustert werden, so soll ein jeder Jahwe ein Lösegeld für sein Leben geben, damit nicht eine Plage über sie komme, wenn man sie mustert.<
An sich ist sie also gegen den göttlichen Willen, ja sogar gewissermaßen eine Todsünde; denn das durch sie verwirkte Leben der Gezählten muß durch ein Lösegeld zurückerworben werden, sonst fallen sie einer Plage anheim, die wie 1 Ch 21, 11-12 zeigt 1, tödlich ist. David kann als Strafe für die Volkszählung wählen: Hungersnot, Zerstörung durch die Feinde oder die Pest. Die Volkszählung muß also eine schwerwiegende Verletzung der göttlichen Macht in sich schließen, die den Zorn Gottes hervorruft. Sie ist ihrem Wesen nach gegen die göttliche Macht gerichtet; denn sie dient menschlichen Zwekken, der Macht eines irdischen Königs. Sie bringt ihm seine Macht zum Bewußtsein, indem sie sie ihm als konkreten, abgeschätzten Wert in die Hand gibt und damit gewissermaßen erst in seinen völligen Besitz. Sie ist gleichsam als Betonung menschlichen Besitzes und menschlichen Ordnens und Planens ein Ungehorsam gegen die Herrschaft Gottes, der mit dem tatsächlichen (wie in 2 S 1
Vgl. 2 S 24, 3. 4.
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24, 3 resp. 1 Ch 21, 1) oder symbolischen Lebensopfer (wie in Ex 30, 11-16) geahndet wird. Diese Wertung der Volkszählung ist alt und findet sich nicht nur in der Bibel. Letztlich geht sie auf eine allgemein primitive Anschauung zurück, wie J. G. Frazer 2 an Hand vieler Beispiele aus Afrika, Amerika und Europa nachweist. So fürchten die Leute im Kongogebiet gezählt zu werden, weil es die Aufmerksamkeit der bösen Geister auf sie ziehen wird 3 • Meist dehnt sich die Scheu vor der Zählung auch auf Kinder \ Vieh 5 und weiteren Besitzstand 6 aus. B e r t h e a u 7 und C u r t i s 8 verweisen auf die von Servius Tullius eingesetzte Iustratio populi Romani, die jedesmal nach Beendigung des Census auf dem Marsfelde 2 Folklore in the Old Testament, Studies in Comparative Religion, Legend and Law. 1919, vol. II, S. 555 ff.: The Sin of a Census. 3 F r a z er erwähnt, daß dort 1908 eine Volkszählung zum Zwecke einer Steuererhebung mit militärischer Gewalt durchgeführt werden mußte: :.The natives would have resisted the officer, but he had to many soldiers with him; and it is not improbable that fights have taken place between whites and blacks in other parts of Africa, not that they resisted the taxation, but they objected to be counted for fear the spirits would hear and kill them.c: (l. c. S. 556.) 4 So gilt es z. B. bei den Bakongo im unteren Kongogebiet als äußerst unglückbringend, wenn eine Frau ihre Kinder eins, zwei, drei usw. zählt; denn die bösen Geister werden es hören und einige von ihnen durch den Tod wegholen. (1. c. s. 556.) 5 Z. B. zählen die Masai in Ostafrika weder Menschen noch Vieh, im Glauben, es verursache den Tod. (l. c. S. 556.) 8 In Oran (Nordafrika) :.the person who counts the measures of grain, should be in a state of ceremonial purity, and instead of counting one, two, three and so on, he says ,In the name of God' for ,oue'; ,two blessings' for ,two'; ,hospitality of the Prophet' for ,three' ... and so on, up to ,twelve', fd'r which the expression is ,the perfection for God'.c: (l. c. S. 558.) 7 Die Bücher der Chronik, Leipzig 1873. 8 The Books of Chronicles. In: The International Critical Commentary, 1910, p. 247.
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vorgenommen wurde 9 • Ueher die Scheu vor der Volkszählung bei heutigen Beduinen berichtet L e o H ä f e I i in seinem Buche »Die Beduinen von Beerseha« ~ 0 : Der Gouverneur von Beerseha 'Aref el-'Aref stellte fest, daß sich im Gerichtsbezirk von Bir es~Seha' bei ?'0 000 Seelen finden: »Einige glauben, es seien mehr als 100 000. Gott weiß, was richtig ist!« H ä f el i bemerkt hierzu: »Allah a'lam hi:;H:;awah oder 'ilm 'ind Allah sind bekannte und oft wi~ derkehrende Formeln, die eine Auseinandersetzung über einen Gegenstand zum Abschluß bringen, bei dem man es als vor Gott unrecht erachtet, den genauen Sachverhalt erforschen zu wollen 11 .« Für den Bereich des Alten Testaments formuliert Kar 1 B u d d e zu unserer Stelle diese primitive Vorstellung trefflich folgendermaßen: »Die Volkszählung ist ein unmittelbares Attentat auf Israel, auf das Lehen der Unterthanen Davids. Denn Jahwe schenkt und nimmt das Lehen; darum leidet er es nicht, daß man ihm die Seelen nachrechnet, und macht, wenn man es thut, einen Strich durch die Rechnung, indem er ein großes Sterben schickt 12.« In unserem Text kommt diese Scheu vor der Volkszählung in Joah zum Ausdruck (1 Ch 21,3)
13 :
»Wollte Jahwe zu seinem Volke noch hundertmal soviel hinzufügen, als ihrer jetzt schon sind, wären sie nicht alle, mein Herr und König, meines Herrn Untertanen? Warum trachtet mein Herr nach so etwas? Warum soll es Israel zur Schuld gereichen?Habe nicht ich befohlen, das Volk zu zählen? Ich bin es, der gesündigt und den Frevel begangen hat; aber was haben diese da, die Herde, getan? Herr, mein Gott, deine Hand schlage mich und meines Vaters Haus, nicht aber dein Volk.c: (1 Ch 21, 17.)
An den so gewandelten David ergeht dann der durch Gad, den Seher, vermittelte Befehl, Jahwe einen Altar zu bauen, aus dem dann später der Tempel entsteht, und zwar an der Stelle, an der Jahwe dem die Pest verbreitenden Engel Einhalt gebot, weil ihn das Unheil reute (21, 16). Wie bei der Sintflut, wie bei Isaaks Opferung und bei der Prüfung Hiobs sehen wir J ahwe auch hier nahe daran, seine Schöpfung wieder zu zerstören. Wieder geht es um eine Prüfung des Heilsträgers, wie in Gn 22, und um eine innere Wandlung wie bei Hiob, wenn diese Erzählung · auch viel primitiver ist, bei weitem nicht in die individuelle Differenzierung und Tiefe der Hiobdichtung hinabreicht. Die Parallele kommt aber auch noch durch die Verschonung des zukünftigen Heilsortes zum Ausdruck: Jerusalem wird im letzten Augenblick vor der Zerstörung bewahrt. Wenn man an die spätere zentrale Bedeutung J erusalems denkt, seinen höchsten Symbolwert bei Ezechiel und dann auch im Christentum, wird einem das GeExegese an den Chroniktext, in welchem allein der Satan erwähnt ist, obwohl der Samueltext älter ist. 1 i s. oben, S. 308. 310
wicht dieser Stelle erst voll bewußt 15 • Mit dem Hiobbuch ist diese Chronikstelle auch spezieller noch dadurch verbunden, daß hier wie dort der Satan der die Zerstörung auslösende Faktor ist. Das Neue in der Chronik ist aber, daß der Satan seines Charakters als Gottesfunktion entkleidet erscheint. Er figuriert nicht mehr, wie im Hiobbuch, im göttlichen Hofstaat, sondern ist eine selbständige, von Gott scheinbar losgelöste Figur geworden, die nicht mehr, wie im Hiobbuch und bei Sacharja in einer dialektischen Auseinandersetzung mit Gott resp. seinem Engel steht. Sprachlich drückt sich diese Entwicklung darin aus, daR safän hier zum Eigennamen geworden ist. Hier ist der göttliche Differenzierungsprozeß, die Herauslösung und Sichtbarwerdung der dunkeln Wesensseite Gottes bis zur vollständigen Ablösung gediehen. Sie ist nun vollends ein »autonomer Komplex«, eine losgelöste Person geworden 16 • 15 Vgl. K a r I B u d d e (Die Bücher Samuei, S. 326) zur entsprechenden Stelle 2 S 24, 16: »Da nun das Heiligtum auf dem Zion endlich das einzige Jahweheiligtum geblieben und in der Ueberzeugung Isra·els das einzige berechtigte geworden ist, das dann in seiner Verklärung und Vergeistigung auch in den Besitz der Christenheit überging und in der neutestamentlichen Apokalypse in die himmlische Welt hinaufgehoben wurde, so muR man unser Stück als eines der wichtigsten des ganzen Alten Testaments bezeichnen.< Vgl. auch Gerh a r d v. Rad (Art. i3uißoJ..or; in: Kitte I, Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, S. 73, Anm. 17). 16 Angesichts dieser höchst sinnvollen Zusammenhänge fällt es schwer, für den Versuch F. X. Ku g I er s (Von Mose bis Paulus, Forschungen zur Geschichte Israels, 1922, S. 241 bis 243), im Satan der Chronik einen menschlichen Gegner Davids zu sehen, Verständnis aufzubringen. Seine Argumentation steht aber auch auf so schwachen Füllen, daR sie kaum noch ernst genommen werden kann. Zunächst wird von einer an den Text herangetragenen Gottesauffassung her einfach beschlossen, daR die Versuchung Davids nicht habe von Gott ausgehen können: >Kann aber von ]ahve gesagt werden jäset ,er reizte (David) an'? Gewiß nicht in dem Sinne, daR er als
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Diese Tatsache hat verschiedentlich Anlaß gegeben, an einen persischen Einfluß zu denken. Ger h a r d v. Rad 17 sieht darin eine »innere Verlagerung in der Satansvorstellung, die sich vielleicht auf Grund neueingedrungener iranischer Gedanken« vollzog, er betont aber, daß »keinesfalls die Satansvorstellung als solche von den Persern ,übernommen'« ist 18 • Demgegenüber sieht E r i k S t a v e in seiner Schrift »Ueber den Einfluß des Parsismus auf Urheber der Sünde zu gelten hat ... Deshalb dünkt es mir sehr unwahrscheinlich, daß Jahve als Subjekt gedacht ist.< (S. 242.) Kugle r greift zum Ausweg, ein anderes Subjekt anzunehmen, nämlich- »man~. Also: »Man reizte David an.< Dies, »obschon ,man' meist durch die 3. Plur. masc. und we:p.iger häufig durch die 3. Sing. masc. ausgedrückt wird.:. (I. c.) ~Hiernach wäre David unter dem Einfluß eines schlimmen Beraters gestanden, ... Er hat wahrscheinlich das Volk bei David beschuldigt, daß es seinen Verpflichtungen sich großenteils entziehe, und als sicheres Mittel dagegen allgemeine militärische (!) Erhebungen durchgesetzt. Er ward so zu einem Satan im eigentlichen Sinne des Wortes, einem Ankläger und Bedränger Israels.< (S. 242/43.) Kau p e l hat diese Anschauung Kugle r s übernommen, und steht Kugle r an phantastischer Schilderung dieses menschlichen »Satans« nicht nach: Es handle sich in 1 Ch 21 um einen »unverantwortlichen Intriganten~ (S. 10), einen »dunklen HintermannErledigung« des Problems stellt Kau p e l dann mit spürbarer Erleichterung fest: »Die Stelle also, die vielen Erklärern den Höhepunkt, oder doch wenigstens einen wesentlichen Fortschritt in der Satansvorstellung des Alten Testaments bedeutet, scheidet für deren Behandlung aus.~ 17 Art. a,d{Jo).oc; in: Kittel, Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 2, S. ?'4. 18 Vgl. auch S cheftel o w i t z, Die altpersische Religion und das Judentum. Gießen 1920, S. 51: »Die Annahme, daß die Juden diese Idee von den Persern übernommen haben, ist unhaltbar.<
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das Judentum« 19 in Angramanyu das Urbild des alttestamentlichen Satans, darin über seinen Vorläufer A I e x a n d e r K o h u t 20 hinausgehend, der den parsistischen Einfluß doch vorwiegend auf den Satan der Apokryphen und des Talmuds einschränkt. Auch S t a v e sieht zwar neben dem angenommenen persischen Einfluß doch auch das immanente Moment; die beiden Gesichtspunkte schließen sich ihm aber noch nicht zu einem einheitlichen Bilde zusammen, sondern bleiben gelegentlich - und dies gerade beim Problem des Ursprungs der Satansfigur in offenem Widerspruch stehen. Neben allen Ergebnissen unserer Untersuchung, die gegen eine » Uebernahme« der Satansfigur sprechen, genügt bei der »persischen« These ein Vergleich der Grundstrukturen der beiden Religionen, um eine solche Uebernahme, mit v. Rad u. A. für ausgeschlossen zu halten. Nimmt man die beiden Figuren, den Satan des Alten Testaments und den Angramanyu der persischen Religion nicht losgelöst, sondern eingebettet in das ganze religiöse Beziehungsgefüge, so zeigt sich ein fundamentaler Unterschied. Auch S t a v e geht davon aus, daß der alttestamentliche Satan nicht von vornherein denselben Charakter hat wie der persische Angramanyu. Dieser ist von Anfang an eine selbständige Größe neben Ahura Mazda. Es besteht in der persischen Religion ein Urgegensatz zwischen Spentamanyu und Angramanyu. Letzterer herrscht wie Ahura Mazda über ein eigenes Reich und steht mit jenem im Kampf. Sie teilen sich auch in die Schöpfung des physischen Alls, indem auch Angramanyu an der Schöpfung teil hat. Er ist der Schöpfer der schädlichen 19 Von der Teyler'schen Theologischen Gesellschaft gekrönte Preisschrift. Haarlern 1898. 20 Ueber die jüdische Angelologie und Dämonologie in ihrer Abhängigkeit vom Parsismus, 1866.
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Insekten undTiere 21 • Yasna 45,2 heißt es: »Ich will reden von den beiden Geistern zu Anfang des Lebens, .. .« 22 ; Yast 13, 76: »... als die beiden Geister- er, der heilige Geist, und er, der böse,- die Schöpfung schufen 23 .« Und in Yasna 30 werden sie Zwillinge genannt: »Die beiden Geister zu Anfang, die sich durch ein Traumgesicht als Zwillingspaar offenbarten, ... 24 « Der Dualismus ist also der Ausgangspunkt der persischen Religion. Der kosmisch-ethische Konflikt scheint das Grunderlebnis der Perser gewesen zu sein, das ihre Religion prägte. Demgegenüber scheint mir, worauf bereits an anderer Stelle hingewiesen wurde 25 , das religionsschöpferische Spezifikum des israelitischen Volkes gerade etwas Gegensätzliches zu sein: die Personalität Gottes, als die die Gegensätzeumfassende und aufhebende Einheit. Von dieser grundsätzlichen Erwägung ausgehend drängt sich einem unvoreingenommenen Beobachter sehr bald die Erkenntnis auf, daR ein EinfluR des AhrimanAngramanyu auf die Satansfigur in eminentem MaRe vorhanden ist, nicht aber auf der Stufe des Alten Testaments, wo der Satan gewissermaßen aus der alttestamentlichen Gottgestalt heraus geboren wird, sondern auf einer weiteren Entwicklungsstufe: der spätjüdisch-christlichen. Erst im Satan als Gegenspieler des Messias im spätjüdischen Schrifttum einerseits, im Neuen Testament anderseits, kann Angramanyu als Urbild des Satans erkannt werden. Hier ist der Satan zu einem selbständigen Prinzip geworden, zur Verkörperung des Bösen als Weltprinzip 21 Vendidad Kap. 1. s. Fr i t z Wo I f f, Avesta, Die heiligen Bücher der Parsen. 1924, S. 317 ff. 22 Christian Barthoiomae, Die Gatha's des Awesta, 1905, S: 69. 23 F r i t z W o I ff , I. c. S. 240. 24 B a r t h o I o m a e , I. c. S. 13. 26 s. oben, S. 161.
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schlechthin. Es ist daher etwas Richtiges daran, wenn Gun k e 126 den alttestamentlichen Satan vollständig vom neutestamentlichen unterschieden wissen will. Er hält die beiden Figuren für unabhängig voneinander, auf verschiedene Ursprünge zurückgehend, wobei letzterer eben dem persischen Einfluß entstamme. In dieser extremen Konsequenz wird diese Ansicht allerdings wieder unrichtig. Es ist wohl unumgänglich, beide Momente, das der Kontinuität und das der Andersheit zu berücksichtigen, was nur mittels des Entwicklungsbegriffs möglich ist. Es wäre doch wohl absurd, für eine Zeit und einen Raum, die vom Jahwismus geprägt sind, anzunehmen, daß eine geistige Konzeption entstehen könnte, die nicht auf diese Prägung bezogen wäre, um so mehr als ja die Namenskontinuität ebenfalls ein - wenn auch nur das äußerlichste - Indiz für die innere Kontinuität der Satansfigur im Alten und Neuen Testament darstellt. Es ergibt sich somit, daß erst eine Differenzierung der Gottpersönlichkeit, die geradezu einem Auseinanderfallen gleichkam, die Voraussetzung bilden konnte für einen tiefergehenden parsistischen Einfluß, also gewissermaßen die Endphase des Auseinanderfaltungsprozesses der alttestamentlichen Gottpersönlichkeit, nicht aber ihr Anfang. Insofern ist vielleicht auch schon für die Chronikstelle ein parsistischer Einfluß, wie ihn auch v. Rad in Betracht zieht, möglich 27 • Ahriman könnte in seiner polaren Gegensätzlichkeit zu Ahura Mazda Vorbild für den sich aus der Gottpersönlichkeit herauslösenden alttestamentlichen Satan gewesen sein. Entscheidend bleibt 26 Art. »Teufelsglaube« in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 5, S. 1063/64. 27 Vgl. auch Kittel (Geschichte des Volkes Israel, III, S. 141), der schon für den Satan bei Sacharja einen persischen EinfluR annimmt, obwohl er »eine selbständige innerjüdische Weiterentwicklung der bisherigen Vorstellungsweise4: nicht für ausgeschlossen hält. M. E. schlieRen sich diese beiden Möglichkeiten nicht aus.
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aber auch hier die immanente Entwicklung als Voraussetzung eines solchen Einflusses. Erst nachdem sich dieser Differenzierungsprozell vollzogen hatte, war der Boden für eine weitergehende persische Beeinflussung gegeben, die denn auch aus den Texten klar hervorgeht 28 • 28 So erscheint Weish. Sal 2, 24 der Satan mit der Paradiesesschlange und dem Tod identisch. Auch das Spätjudentum kennt diese Vorstellung. Im Talmud ist der Satan auch der »Todesengel« (Baha Bathra 16 a, Jer. Sabb. 2, 6 etc. s. S c hefte 1 o w i t z, l. c. S. 56. Anm. 7). Und bei den Rabbinen wird der Teufel auch han-nal:tas haq-qädmon genannt (Web e r , System der altsynagogalen palästinensischen Theologie, S. 211 f. [zit. S t a v e, l. c. S. 266]. - Vgl. auch K o h u t, I. c. S. 66.). (Auf den höchst interessanten Gegensatz zum Adam Kadmon kann hier nicht eingegangen werden.) Diese Züge entsprechen sehr genau dem persischen Ahriman. Mit ihm kommt der Tod in die Welt: :.Und als diese beiden Geister zusammentrafen, da setzten sie fürs erste das Lehen und das Nichtleben fest, .•. « (Yasna 30, 4. Bart h o 1om a e, I. c. S. 14), und im Vendidad, Kap. 1, hat er das stehende Epitheton ~der vielverderblichN (Wo 1 f f, Avesta, S. 317; vgl. Ja me s Darmsteter, The Zend-A vesta, Part I: The Vendidad, Sacred Books of the East, Bd. IV, 1880, pag. 5 ff.: »who is all death«). Ueher seine Schlangengestalt berichtet der Bundehesh, Kap. III, 10/11: »Afterwards, the evil spirit, with the confederate demons, went towards the luminaries and he saw the sky; and he led them up, fraught with malicious intentions. He stood upon one-third of the inside of the sky, and he sprang, like a snake, out of the sky down to the earth « (s. E. W. West: Pahlavi Texts, in: The Sacred Books of the East, V, 1880, pag. 17). Weitere Entsprechungen zwischen Ahriman und dem spätjüdisch-christlichen Satan s. bei S c hefte I owitz, l. c. S. 55 ff.; Stave, I. c. S. 263 ff.; Kohut, l.c. S. 62ff.; Roskoff, l.c. S. 190ff. AufschluRreich ist in unserem Zusammenhang die Tatsache, daR die direkte Uebernahme eines persischen Dämons in der nachexilischen Zeit belegt ist, nicht aber im Satan, sondern im Asmodi des Tohit-Buches, das wahrscheinlich im Perserreich entstanden ist. Und hier ist denn auch typischerweise, wie bei den alten babylonischen Dämonen der Name mitübernommen: Asmodi ist nach Ansicht der meisten der persische Aeshma Däva. Nach AI e x an der K o h u t, (1. c.
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Die Ablösung des Satans von Gott, durch die er von seiner Dunkelheit »gesäubert< wurde, barg ungeheure Konsequenzen. Sie bildete die Voraussetzung für die neutestamentliche Entwicklung des Satans zur Gegenpersönlichkeit Gottes, und zu seiner völligen Abspaltung, wie sie sich im Mythologem des eingesperrten Drachens der Johannesapokalypse ausdrückt. Im Alten Testament als seiner »Geburtsstätte< ist die Gottbezogenheit des Satans aber selbst in der Chronikstelle noch sichtbar. Haben schon die bisherigen Untersuchungen über die chronistische Erzählung den Satan durch die sich aufdrängenden Parallelen wesensmäßig in die nächste Nähe Jahwes gerückt, so wird dieser Zusammenhang durch die entsprechende Stelle 2 S 24, 1 ff. auch noch ausdrücklich auf unerwartet tiefe Weise offenbar. In seiner Selbständigkeit in 1 Ch 21 ist der Satan nicht mehr auf Gott bezogen- weil er mit ihm gleichsam identisch ist. Er tut nämlich genau das, was 2 S 24, 1 Jahwe selbst tut. Dort heißt es: »Und der Zorn Jahroes entbrannte abermals gegen die Israeliten und er reizte David wider sie 29 .« Im Samuelbuch ist es also ganz deutlich Jahwe, der S. 73) heißt Aeshma >der heftig suchende begehrliche GeistAnu and Bel called me, Hammurabi, the exalted prince, the worshipper of the Gods, to go forth like the sun ... to enlighten the land.c R. F. Ha r p er : The Code of Hammurabi, 1904, p. 3. Hast in g s, X, 392 a.
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Stelle Adads, des Sturmgottes 14 • Sie ist die Mutter der Götter und zugleich die Tochter 15 des Anu sowohl wie des Sin. Die Anrufung der alten großen Triade nimmt bald rein formelhaften Charakter an. Die Triade erweist sich >mehr als theologischer Glaubenssatz denn als eine lebendige Kraft« 16 • Es handelt sich in der Tat um die frühesten Ansätze zu einer Theologie. Anu ist der Herr des Himmels, Bel derjenige des Unteren, nämlich der Erde, Ea ist ebenfalls ein Gott des Unteren, aber mehr der Tiefe, insbesondere der Wassertiefe 17 • Das Wissen, welches Ea personifiziert, stammt damit aus der »Wassertiefe«. Nach einer babylonischen Sage soll Ea das Liehtmesen Uddushu-namir, den Götterboten in der Höllenfahrt der Ishtar, erschaffen haben. Der Name bedeutet: »Sein Licht (oder Aufgang) strahlt 18 .« Je r em i a s bringt ihn mit Gilgamesh, dem mehr als halbgöttlichen Heros, zusammen 19 • Der Götterbote heißt gewöhnlich Girru (sumer.: Gibil), der der Gott des Feuers ist. Als solcher hat er einen ethischen Aspekt, indem er das Böse durch sein reinigendes Feuer vertilgt. Er ist ebenfalls ein Sohn Eas, obschon er andererseits auch als ein Sohn Anus bezeichnet wird. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dafl bei Marduk insofern ebenfalls eine Doppelnatur vorliegt, als er in einem Hymnus »mar mummi«: Sohn des Chaos genannt wird. In demselben Hymnus wird seine Gefährtin Sarpanitu zusammen mit der Gemahlin Eas, der Mutter Marduks, als 11 Vergl. die Anrufung des Heiligen Geistes als >Mutter< in den Thomasacten. Sophia, die häufig den Heiligen Geist darstellt, ist ebenfalls weiblicher Art. 15 Vergl. dazu Maria als Geschöpf und als IJeoroxoc;;. (Gottesgebärerin). 18 J a s t r o w : I. c. p. 141. 17 P· 61. 18 P· 133. 19 J e r e m i a s : I. c. p. 265 f.
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,Silberglänzende< angerufen, worunter wohl V enw, die ,femina alba< zu verstehen ist. In der Alchemie geht die albedo auf den Mond über, welcher in Babyion noch männlich ist 20 • Die Begleiter Mar.duks sind vier Hunde 21 • Die Vier dürfte hier Ganzheitsbedeutung haben, wie bei den vier Söhnen des Horus, den vier Seraphim in der Vision des Ezechiel und den vier Evangelistensymbolen, welch letztere je aus drei Tieren und einem Engel bestehen. 2. Aegypten
Was in der babylonischen Tradition als Andeutung vorhanden ist, hat sich in Aegypten zu völliger Klarheit entwickelt. Ich kann mich in dieser Hinsicht kurz fassen, indem ich in anderem Zusammenhang in einer noch nicht vollendeten Untersuchung über die symbolgeschichtlichen Grundlagen der Alchemie .die ägyptischen Vorbilder der Trinität ausführlicher behandle. Ich will nur hervorheben, daß die ägyptische Theologie vor allem eine Wesenseinheit (Homoousie) zwischen dem Gotte als Vater und als Sohn (dargestellt durch den König) aussagt 22 • Als Dritter kommt dazu der Ka-mutef (= ,Stier seiner Muttergeradezu von einer Dreieinigkeit Gott-König-Ka sprechen in dem Sinne, daR der Gott der ,Vater', der König der ,Sohn' und der Ka das schöpferische Bindeglied zwischen ,Vater' und ,Sohn' istc 28 • In seinem Schlußkapitel zieht J a c ob s o h n eine Parallele zwischen der ägyptischen Vorstellung und dem christlichen Credo. Zu jener Stelle des Glaubensbekenntnisses >qui conceptus est de Spiritu Sancto, natus ex Maria virginec zitiert er die Formulierung von Kar l Bart h 21 : >... es gibt wohl eine Einheit von Gott und Mensch; Gott selbst schafft sie ... Sie ist keine andere als seine eigene ewige Einheit als Vater und Sohn. Diese Einheit ist der Heilige Geist.« Als Zeuger entspricht der Heilige Geist dem Ka-mutef, welcher die Einheit von Vater und Sohn bedeutet und gewährleistet. Dazu zitiert Ja c ob s o h n wiederum eine Betrachtung von K. Bart h zu Luc. I, 35 (>Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten; daher wird auch das Heilige, das gezeugt wird, Sohn Gottes genannt werden.c:): >Wenn die Bibel vom Heiligen Geist redet, so redet sie von Gott als von der Verbindung von Vater und Sohn, vom vinculum caritatis 26.< Die göttliche Zeugung des Pharao findet durch den Ka-mutef in der menschlichen Königinmutter statt. Diese bleibt aber außerhalb der Trinität wie Maria. Wie P r e i s i g k e nachweist, haben die frühchristlichen Aegypter ihre traditionellen Anschauungen vom Ka ohne weiteres auf den Heiligen Geist übertragen 28 • 23
J a c o b s o h n : I. c. p. 58.
21
1. c. p. 64. K. B a r t h : Credo p. 63.
In: Theologische Existenz heute. Heft 19, p. 26. P r e i s i g k e : Die Gotteskraft der frühchristlichen Zeit. Papyrusinstitut Heidelberg. Schrift 6. (Ebenso Schrift 1: Vom göttlichen Fluidum nach ägyptischer Anschauung. Zit. J a c o b s o h n I. c. p. 65.) 25
2~
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Dies erklärt auch die sonderbare Tatsache, daß in der koptischen »Pistis Sophia« (3. Jahrhundert) Jesus den Heiligen Geist als Doppelgänger, d. h. als richtigen Ka hat 27 • Das ägyptische Mythologem von der Wesensgleichheit von Vater und Sohn und der Zeugung in der königlichen Mutter reicht bis in die fünfte Dynastie (Mitte des 3. Jahrtausends) hinauf. Von der Geburt des göttlichen Knaben, in welchem sich Horus offenbart, sagt der Gott-Vater: »Er wird ein Königtum der Gnaden in diesem Lande ausüben, denn meine Seele ist in ihm«, und zum Kinde sagt er: »Du bist mein leiblicher Sohn, den ich erzeugte 28 .« »Die Sonne, die er vom Samen seines Vaters in sich trägt, geht neu in ihm auf.« Seine Augen sind Sonne und Mond, die Hornsaugen 29 • Bekanntlich wird ·die Stelle Luc. I, '78 f: »Wegen der mitleidvollen Barmherzigkeit unseres Gottes, womit auf uns strahlen wird (Var. gestrahlt hat) der Aufgang aus der Höhe, zu leuchten denen, die in Finsternis und Todesschatten sitzen«, auf Maleachi 4, 2 bezogen: »Euch aber, die ihr meinen Namen fürchtet, wird die Sonne der Gerechtigkeit aufgehen, die Heilung birgt unter ihren Flügeln.« Wer denkt hier nicht an die geflügelte Sonnenscheibe Aegyptens? Diese Ideen 30 gingen in den hellenistischen Syncretismus über und wurden durch P h i 1 o und P 1 u t a r c h dem Christentum übermittelt 31• Es ist also keineswegs so, wie auch neuere Theologen gelegentlich behaupten, 27 Pisfis Sophia. Uebers. von C. Sc h m i d t, 1925. 121, 20 ff. p. 89. 28 Hehr. I, 5: ~Du bist mein Sohn, ich habe dich heute gezeugek (Ebenso V, 5.) 29 A. More t : Du caractere religieux de la royaute pharaonique. 1902, II. Zit E d. N o r d e n : Die Geburt des Kindes 1924. p. ?5 f. 30 Weiteres Material zu den heidnischen Quellen bei N i e 1 s e n : Der dreieinige Gott. 1922. 81 Vergl. hiezu Norden 1. c. p. ?? ff.
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daß in der christlichen Anschauungsbildung keine oder nur sehr geringe ägyptische Einflüsse festzustellen seien. Das Gegenteil ist wahr. Es ist ja in der Tat äußerst unwahrscheinlich, daß nur die babylonischen Ideen in Palästina eingedrungen wären, wo doch dieses kleine Zwischenland lange unter ägyptischer Besetzung stand und überdies die engsten kultürlichen Beziehungen zu dem mächtigen Nachbarn hatte, insbesondere seit der Zeit (vor Christi Geburt), wo sich in Alexandrien eine blühende jüdische Kolonie entwickelte. Man begreift es schwer, was die protestantischen Theologen veranlassen könnte, es wenn immer möglich so erscheinen zu lassen, als ob die christliche Ideenwelt einmal plötzlich vom Himmel gefallen wäre, wo doch die katholische Kirche liberal genug ist, den Osiris-Horus-lsismythus, wenigstens in dessen passenden Teilen, als eine Präfiguration der christlichen Heilslegende gelten zu lassen. Der Wahrheitswert und die numinose Kraft eines Mythologems gewinnen doch beträchtlich durch den Nachweis von dessen archetypischem Charakter. Der Archetypus ist ja das quod semper, quod nbique, quod ab omnibus creditur, und sollte er nicht bewußt anerkannt werden, dann erscheint er von hinten »in his wrathful form«, in seiner »zornigen« Gestalt, als »Sohn des Chaos«, als finsterer Uebeltäter, statt eines Heilandes als Antichristus, wie die Gegenwartsgeschichte deutlich demonstriert.
3. Griechenland Zu den vorchristlichen »Quellen« des Trinitätsbegriffes müssen wir auch die mathematisch-philosophischen Spekulationen des griechischen Geistes rechnen. Dieser Geist macht sich bekanntlich schon im Johannes-Evangelium, einer deutlich gnostisch ange-
hauchten Schrift, bemerkbar und später, bei den griechischen Vätern, beginnt er den archetypischen Gehalt · der Offenbarung zu amplifizieren und gnostisch auszudeuten. An der ursprünglichen Gestaltung des griechischen Geistes ist wohl P y t h a g o r a s und seine Schule am allermeisten beteiligt. Da nun die Trinität einen zahlensymbolischen Aspekt hat, so lohnt es sich, im pythagoräischen Zahlensystem der Auffassung der in Betracht kommenden Grundzahlen nachzugehen. Z e 1 1 er 32 schreibt: »Die Einheit ist das Erste, aus dem alle Zahlen entstanden sind, in dem daher auch die entgegengesetzten Eigenschaften der Zahlen, das Ungerade und das Gerade, vereinigt sein sollen. Zwei ist die erste gerade Zahl, drei die erde ungerade und vollkommene, weil in der Dreizahl zuerst Anfang, Mitte und Ende ist 88 .« Die pythagoräischen Auffassungen haben P 1 a t o n beeinflußt, wie aus dessen Timaios zu ersehen ist, und da letztere Schrift auf die philosophischen Spekulationen der Nachwelt einen unabsehbaren EinfluR hatte, so müssen wir uns hier etwas in die Psychologie der Zahlenspekulation vertiefen. Das Eine beansprucht eine Ausnahmestellung, die sich in der mittelalterlichen Naturphilosophie wiederfindet. Das Eine ist für diese noch gar keine Zahl, sondern erst die Zwei 31• Die Zroei ist die erste Zahl und zwar darum, weil mit ihr eine Absonderung und Vermehrung eingetreten ist, auf Grund welcher das Zählen überhaupt erst beginnt. Mit der Zwei tritt neben das Eine ein Anderes, was dermaßen eindrücklich ist, daß das »Andere.« in vielen Sprachen direkt das :.Zweite« bedeutet. Damit verbindet sich gerne die Idee Die Philosophie der Griechen. II. Aufl. 1856, I. T. p. 292. Letzteres nach dem Zeugnis des A r i s t o t e l e s : De coelo I, 1, 268. a. 31 Hiefür scheint M a c r ob i u s die Quelle zu sein (Comm. I, 6, 8). 32 33
335
von Rechts und Links afi und bemerkenswerterweise von günstig und ungünstig, ja sogar von Gut und Böse. :.Der Andere« kann >sinistre< Bedeutung haben, oder man fühlt das :.Andere« wenigstens als Entgegengesetztes und Fremdes. Darum, so argumentiert ein mittelalterlicher Alchemist, habe Gott den zweiten Schöpfungstag nicht gelobt, weil an diesem Tage (an einem Montag= dies lunae) der binarius, resp. der Teufel (als Zweizahl, »ZweiflerEinen< und des >Andern« in einem jeglicher Bestimmbarkeit baren Zustand verblieben wäre. Diß Drei erscheint daher in der Tat als ein pa!>sendes Synonym für einen EntwicklungsprozeH in der Zeit und bildet somit eine Parallele zur Selbstoffenbarung Gottes als des absoluten Einen in der Entfaltung der Drei. Die Beziehung der Dreiheit zur Einheit kann durch ein gleichseitiges Dreieck 88 ausgedrückt werden: a = b = c, d. h. durch die Identität ·der Drei, wobei in jedem der drei verschieden bezeichneten Winkel jeweils die ganze Dreiheit mitgegeben ist. Diese intellektuelle Idee des gleichseitigen Dreiecks ist eine denkerische Voraussetzung für das logische Bild der Trinität. Unmittelbarer als pythagoräische Zahlendeutung dürfte der geheimnisreiche Timaios als Quelle für trinitarische Vorstellungen im griechischen Geiste in Betracht kommen. Vor allem möchte ich die klassische Ueberlegung Timaios 31 B - 32 A erwähnen: >Daher bildete Gott, als er anfing den Weltkörper zusammenzufügen, ihn aus Feuer und Erde. Zwei Dinge aber lassen sich für sich allein nicht haltbar zusammenfügen; es gehört notwendig dazu ein drittes, ein vermittelndes Band nämlich, welches die Vereinigung beider erst zustande bringen kann. Das schönste aller Bänder aber ist dasjenige, welches die engste Vereinheitlichung des Bandes selbst mit den verbundenen Gegenständen herstellt. Dies aber am besten zu bewirken vermag ihrem Wesen nach die (progressive geometrische) Proportion. Denn wenn von drei Zahlen, seien es nun Produktzahlen oder Quadratzahlen, die mittlere zu der letzten sich so verhält, wie die erste zur mittleren und ebenso wieder die letzte zu der mittleren wie die mittlere zu der ersten, so ergibt 88 Harn a c k (Dogmengeschichte, 1931, Bd. II, p. 303) vergleicht die lateinische Trinitätsauffassung mit dem gleichseitigen Dreieck.
33?'
sich, daß, wenn man die mittlere an die erste und letzte Stelle, die letzte und erste dagegen heide in die Mitte setzt, das Verhältnis immer ganz das nämliche bleibt; bleiben sie aber immer in dem nämlichen Verhältnis zueinander, so bilden sie zusammen eine Einheit.« Die geometrische Reihe oder Progression ist dadurch charakterisiert, daß der Quotient (q) der einanderfolgenden Glieder derselbe bleibt, also z. B. 2 : 1 4 :2 8:4 = 2, algebraisch ausgedrückt: a, aq, aq2 • Die Proportion lautet daher: 2 verhält sich zu 4, wie 4 zu 8, oder a zu aq, wie aq zu aq2 • Diesem Argument folgt nun eine Ueherlegung von psychologisch weittragenden Folgen: Wenn nämlich ein einfacher Gegensatz wie Feuer und Erde durch ein Mittleres (p.Saov) gebunden wird, und wenn diese Verhindung eine (geometrische) Proportion ist, dann hedeutet ein Mittleres, daß es sich bloß um die Vereinigung zweidimensionaler Gebilde handeln kann, indem nämlich die Vereinigung von dreidimensionalen, also körperlichen Gebilden zwei Mittlere erfordert. »Hätte nun der Weltkörper«, heißt es im Timaios, »eine bloße Fläche werden sollen ohne Tiefe, so hätte ein Mittelglied genügt zur Vereinigung seiner selbst mit den beiden andern. Nun sollte er aber körperhaft sein; zur Vereinigung aber von körperhaften Dingen reicht ein Mittelding nie aus, sondern es gehören dazu immer zroei«. Die zweidimensionale Vereinigung ist also noch keine körperhafte Wirklichkeit, sondern als in der dritten Dimension unausgedehnte Fläche nur etwas Gedachtes. Zur körperhaften Wirklichkeit aber braucht es drei Dimensionen und infolgedessen zwei Mittlere. Sir T h o m a s H e a t h 87 faßt dieses Problem in folgende algebraische Formeln:
=
=
87 Greek Mathematics, I, 89, zit. F. Macdon a I d Co r nf o r d: Plato's Cosmology. 1937, p. 47.
338
1. Die Vereinigung in 2 Dimensionen von Erde, bezeichnet als p 2, und Feuer, bezeichnet als q 2 •
p• : p q
=pq
: q•
Wie ersichtlich, ist das psaov einfach p q. 2. Die körperhafte Vereinigung von Erde und Feuer. In diesem Fall repräsentiert die Kubikzahl p 3 die Erde und q 3 das Feuer.
Pa : p•q
= p•q : p
q•
=p
q• : qs
Das einf' psaov ist p 2 q und das andere p q 2 • Ersteres entspricht dem körperhaften Element Wasser und letzteres der Luft. »So stellte denn Gott Wasser und Luft in die Mitte zwischen Feuer und Erde und stellte unter ihnen die Proportion in möglichster Genauigkeit her, so daß, wie sich Feuer zu Luft, so Luft zu Wasser, so Wasser zu Erde verhält. Auf diese Weise formte und fügte er den Weltenbau zusammen zu einem sichtbaren und fühlbaren Ganzen. Und eben deshalb ward der Körper der Welt aus diesen so gearteten und quantitativ eine Vierzahl bildenden ·Eiemeiden nach Maßgabe einer Proportion in sich zusammenstimmend erschaffen, und daher stammt denn auch ihr freundschaftlicher Zusammenhalt: in und mit sich eng vereint kann er durch keine andere Kraft aufgelöst werden als durch die des Urhebers selbst 38 .« Die Vereinigung von einem Gegensatzpaar führt nur zu einer zweidimensionalen Dreiheit p 2 + p q + q 2 • Diese Größe ist als bloße Fläche nicht wirklich, sondern bloß gedacht. Es braucht dagegen zwei Gegensatzpaare, also einen Quaternio {nämlich p 3 + p 2 q + p q' + q 3 ) um die körperhafte Wirklichkeit darzustellen. Hier begegnen wir - allerdings in verdeckter Form - dem in den 38
Timaios 32 BC. 339
Eingangsworten des Timaios angedeuteten Dilemma von Drei und Vier. Die Bedeutsamkeit dieser Anspielung hat Go e t h es Intuition wohl treffend erfaflt, wenn er (Faust li, Kabirenszene) vom vierten Kabiren sagt: »..... . er sei der Rechte, Der für sie alle dächte«, und vom achten, dafl er »im Olymp« zu erfragen sei 39 • Es ist vielleicht bezeichnend, dafl P l a t o n zuerst die Vereinigung der Gegensätze als denkerisches Problem (zweidimensional) darstellt, um dann gewissermaßen einzusehen, dafl damit keine Wirklichkeit erreicht ist. In ersterem Fall handelt es sich um eine in sich gebundene Dreiheit, in letzterem um eine Vierheit. Dieses Dilemma beschäftigte die Alchemie für mehr als ein Jahrtausend, und als »Axiom der Mari a Pro p h et iss a « (der Jüdin oder Koptin), erscheint es in modernen Träumen 40 und tritt auch in der Psychologie auf als der Gegensatz der drei relativ differenzierten Bewufltseinsfunktionen zu der einen undifferenzierten, sog. inferioren oder minderwertigen Funktion, welche undomestiziert, unangepaflt, unkontrolliert, primitiv und irrfolge Kontamination mit dem kollektiven Unbewuflten archaisch-mystisch ist. Sie steht in strengstem Gegensatz zu der am meisten differenzierten Funktion. Wenn z. B. letztere das Denken resp. der Intellekt ist, dann stellt das Gefühl die minderwertige 41 vierte Funktion dar ••. Dem Psychologen und dem Al39 Ausführliche Darstellung in: Psychologie und Alchemie, 1944, p. 216 ff. 40 Wie Psychologie und Alchemie, p. 216 zeigt. 41 Dies natürlich beurteilt vom Standpunkt der meist differenzierten Funktion. 42 Vergl. dazu: Psychologische Typen, p. 646.
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ehemisten (in Go e t h e z. B.) klingen daher die Eingangsworte des Timaios »Eins, zwei, drei - aber der Vierte, mein lieber Timaios, ... Wo bleibt er uns denn?c: vertraut, und er zweifelt nicht daran, daß P I a t o n damit auf etwas Bedeutsames anspielt. Wir sehen hier, daß es sich um das Dilemma des bloßen Gedachtseins und der Wirklichkeit, resp. der Verwirklichung handelt. Das ist in der Tat - gerade für den Philosophen, der kein bloßer Schwätzer ist - ein Problem erster Ordnung und um kein Jota weniger wichtig als das damit aufs Innigste verknüpfte moralische Problem. P I a t o n hat in dieser Hinsicht persönliche Erfahrungen gemacht, welche ihm zeigten, wie schwierig der Schritt vom zweidimensionalen Gedachtsein zur Verwirklichung in der Dreidimensionalität ist 48 • Schon mit seinem philosophisch-politischen Freunde Dionys dem Aeltern, dem sizilianischen Tyrannen, geriet er dermaßen auseinander, daß letzterer ihn als Sklaven verkaufen ließ. Nur ein glücklicher Zufall (Loskauf) bewahrte ihn vor diesem Los. Auch die Versuche bei dem jüngeren Dionys, staatsphilosophische Ideen in die Wirklichkeit überzuführen, schlugen dermaßen fehl, daß P I a t o n von da an auf alle politische Tätigkeit verzichtete. Die Metaphysik erschien ihm darum aussichtsreicher als dieses spröde Diesseits. So lag für ihn persönlich der Nachdruck auf der zweidimensionalen Gedankenwelt und dies besonders bei der Abfassung des Timaios, welcher nach den politischen Enttäuschungen entstand. Er wird allgemein zu den spätesten Werken P I a t o n s gerechnet. Bei dieser Sachlage gewinnen die Eingangsworte, 43
>Eng ist die Welt und das Gehirn ist weit, Leicht bei einander wohnen die Gedanken. Doch hart im Raume stoßen sich die Sachen.< (S c h i ll er : Wallensteins Tod, I1, 2.)
23 Jung: Symbolik des Geistes
341
welche weder einer scherzhaften Laune des Verfassers noch einem hloflen Zufalle ihr Dasein verdanken, einen etwas melancholischen Sinn: Von den Vieren fehlt einer, weil er krank geworden ist. Das heiflt - wenn wir dieses Stück Rahmenerzählung als symbolisch auffassen -, dafl von den Elementen, welche die körperhafte Wirklichkeit zusammensetzen, entweder die Luft oder das Wasser fehlt. In ersterem Falle fehlt die Brücke zum Geist (Feuer), in letzterem zur Stofflichkeit und konkreten Wirklichkeit (Erde). An Geist fehlt es P l at o n nicht, aber an der von ihm ersehnten konkreten Verwirklichung der Ideen. Er mufl sich mit der Harmonie eines schwerelosen Gedankengemäldes und mit der Oberfläche des tiefelosen Papieres begnügen. Der Schritt von Drei zu Vier stöflt auf dem Gedanken fremde und unerwartete Schwere, Trägheit und Beschränkung, die sich weder von »fl~ « 44 noch von »privatio honi« •5 beschwören und vermindern lassen. Selbst des Gottes schönste Schöpfung ist dadurch verdorben, und Faulheit, Dummheit, Bosheit, Ungenügen, Krankheit, Alter, Tod erfüllen den herrlichen Leih des »seligen Gottes« - eine kranke Weltseele - wahrlich ein leidensvoller Anblick, und eben leider ganz und gar nicht so, wie P l a t o n s inneres Auge sie schaute, als er schrieb: »Dieser ganze wohlerwogene Plan, den der von Ewigkeit her seiende Gott für die Schöpfung des Gottes entwarf, der erst ins Dasein treten sollte, brachte es mit sich, dafl der Körper der Welt glatt und eben war, und dafl seine Oberfläche allerseits gleichweit vom Mittelpunkte abstand, ferner, dafl er ein in sich geschlossenes Ganze bildete und, selbst vollkommen, auch aus vollkommenen (unverkürzten) Teilen bestand. Der Seele aber gab er ihren Sitz in der Mitte der Welt,
ov
u Nicht seiend. Abwesenheit des Guten.
45
342
streckte sie durch das Ganze, ja umhüllte den Körper auch noch von außen mit ihr. Und im kreisförmigen Umschwung sich drehend ward er so hingestellt als das eine und ganz auf sich beschränkte Weltall, durch seine Vortrefflichkeit imstande, an dem Umgange mit sich selbst Genüge zu finden und niemandes anderen zu he· dürfen, in ausreichendem Mafle mit sich selbst bekannt und befreundet. Durch Spendung aller dieser Vorzüge erschuf er ihn zu einem seligen Gott.« Diese von Gott erschaffene Welt ist selber ein Gott, ein Sohn des sich selbst offenbarenden Vaters. Die Welt, die also ein Gott ist, hat eine vom Demiurgen geschaffene Seele, die früher da ist, als der Körper (Tim. 34 B). Die Weltseele wurde vom Demiurgen folgendermaßen geschaffen: er machte eine Mischung des Unteilbaren ( dpepsc;) und des Teilbaren ( pepun:o})) und stellte damit eine mittlere (dritte) Wesenheit her. Letztere hatte ein Wesen, das unabhängig vom »Seihen« (ro aoro})) und vom »Anderen« (ro erepo})) war. Zunächst scheint das »Seihe« mit dem Unteilbaren und das »Andere« mit dem Teilbaren zusammenzufallen 46 • Der Text lautet hier: »Aus der unteilbaren und immer gleichen Substanz (Co r n f o r d s »Sameness«) und der körperlich teilbaren andererseits stellte er durch Mischung eine mittlere, dritte Art von Wesenheit her, die hinwiederum ihr eigenes Sein hatte neben dem ,Selbigen' und dem ,Anderen' und demgemäß (xanx moui) bildete 16 T h. Go m p erz (Griechische Denkier, 3. Aufl. 1912 li, 487) spricht von zwei Ursubstanzen, welche die folgenden Namen tragen (im Philebos): »Grenze« und »UnbegrenztesAndere«, das »Unteilbare« und das »Teilbare«, und PI a t o n' s Schüler hätten von der »Einheit« und dem »GroLlen und Kleinen« oder der >Zweiheit« gesprochen. Daraus geht deutlich hervor, dafl auch Go m p erz das »Selbige« und das »Unteilbare« als synonym ansieht, den Widerstand des »Anderen« und damit die fundamentale VierheU der Weltseele übersieht. (Siehe unten.)
343
er diese Wesenheit als ein Mittleres zwischen dem Unteilbaren und dem körperlich Teilbaren« {35 A.) 47 • Dann nahm er alle drei und mischte sie wiederum, wobei er »die der Mischung widerstrebende Natur des Anderen gewaltsam mit dem Seibigen vereinigte 48 Er erstellte (eine Art der Natur des Seibigen und des Anderen) im Mittleren des Unteilbaren (und des Teilbaren).« Demnach würde das Mittlere des zweiten Gegensatzpaares mit dem Mittleren des ersten koinzidieren. Die Figur, die daraus entsteht, wäre ·demnach eine Quincunx, indem die zwei Gegensatzpaare ein gemeinsames p.SaoJJ oder 't"pl't"oJJ etiJor:: haben:
u >Was sich dem Nichts entgegenstellt, Das Etwas, diese plumpe Welt... < (Faust I.)
346
das Unteilbare
das Teilbare
ooalae Wesen
p.saov
1:
pho11 eliJor:
dritte Form
Mittleres
q;uaeer: Naturen
das Andere
das Selbige
Ich stelle hier die vier Hälften der zwei Gegensatzpaare nicht gegen- (wie im vorigen Schema), sondern nebeneinander, um deren Vereinigung in einem Mittleren zu verdeutlichen. An diesem Schema sind drei Elemente zu unterscheiden, nämlich die beiden Gegensatzpaare und ihr gemeinsames Mittleres. Darauf beziehe ich das folgende xae r:pla Aaßwv a.odx ovr:a (:mnd indem er diese drei Existenzen nahm«). Insofern nämlich das Mittlere als r:phov eliJor: (»dritte Form«) bezeichnet wird, darf man annehmen, daß die Gegensätze jeweils erste und zweite Form darstellen, z. B. Unteilbares erste Form; Teilbares zweite Form; das Mittlere die dritte usw. Die Vereinigung in der Quincunx ist insofern sinnvoll, als sie der Vereinigung der vier Elemente in einem Weltkörper entspricht. T h o ma s Ta y l o r sagt in seinem stark vonPro c l u s beeinflußten Timaioskommentar (1804): »For those which are connected with her (viz. anima mundi) essence m
=
=
34?
a following order, proceed from her according to the power of the fourlh term (4), which possesses generative powers; but return to her according to the fifth {9) which reduces them to one« 52 • Eine weitere Bestätigung für die Quaternität von Weltseele und Weltkörper findet sich in dem Berichte des Timaios, daR der Demiurg dieselben in der Form eines X getrennt und wieder verbunden hätte. Ein X in einem Kreis soll nach P o r p h y r i u s bei den Aegyptern die Weltseele bedeuten 53 • Tatsächlich ist dies die Hieroglyphe für Stadt 54• Ich vermute, daR P I a t o hier schon versucht, jene Mandalastruktur hervorzubringen, welche dann im »Kritias« als Hauptstadt der Atlantis erscheint. Man kann in der doppelten Mischung eine Parallele zu den zwei fl.Saa der körperlichen Elemente erblicken {vergl. oben). Co r n f o r d dagegen hält für das Wesentliche .die Andeutung von dreien intermedia, die er als »intermediate Existence«, {ditto) »Sameness« und (ditto) »Difference« bezeichnet 55• Er insistiert hauptsächlich auf dem dreifachen Verfahren und nicht auf den vier Substanzen desselben. Wir begegnen im Mittelalter ebenfalls den quatuor elementa {A, B, C, D) und den tria regimina (drei Verfahren), welche erstere vereinigen, nämlich A-B, B-C und C-D. Unter diesen Umständen entgeht dem Kommentator die Subtilität, 52 Neulich wieder gedruckt in :.The Bollingen Series< Pantheon Books. New-York. P l a t o : The Timaeus and the Critias or Atlanticus. 1944, p. 71. 53 T a y l o r l. c. p. 75. 54 F. L. Griff i t h : A Collection of Hieroglyphs. Archaeol. Survey of Egypt. 1898, p. 34 B. Fig. 142 (4 = Plan of a village with cross streets. 55 C o r n f o r d : l. c. p. 61. Er konstruiert aus Existence, Sameness und Difference jeweils einen Gegensatz vermittelst der Konjektur, daR Unteilbar und Teilbar Attribute jedes der drei Prinzipien seien. Ich weiß nicht, ob der Text diese Operation gewährleistet.
348
welche P l a t o n s Anspielung auf die Widerspenstigkeit ues Vierten enthält. Wir wollen nun nicht etwa annehmen, da.ß die aus dem Texte des Timaios abgeleiteten Gedankengänge zugleich auch bewußte Ueberlegungen P l a t o n s gewesen seien. Wir dürfen diesem Denker zwar gewi.ß ein außerordentliches Ma.ß an Genialität zumuten, was aber keineswegs voraussetzt oder einschließt, daR seine Gedanken alle, samt und sonders, bewußt waren. Das Problem des Vierten z. B., welches doch unbedingt zur Ganzheit gehört, ist kaum vollständig zum Bewußtsein gekommen, sonst wäre die Gewaltsamkeit der Lösung in einem harmonischen System viel zu anstößig gewesen. Auch hätte P l a t o n nicht inkonsequenterweise an der konstitutionellen Dreiheit seiner Weltseele festhalten können. Ebenso möchte ich nicht die Behauptung aufstellen, daR er die Eingangsworte des Timaios mit bewußter Beziehung auf die nachfolgende Problematik des widerstrebenden Vierten gewählt habe. Vielmehr deutet alles darauf hin, daR jener selbe unbewu.ßte spiritus rector am Werke war, der den Meister vermochte, zweimal eine Tetralogie (zum Staat und zu Theaetet) zu schreiben, resp. eine solche zu versuchen, wobei aber das vierte Stück beide Male unvollendet blieb 56 • Dieselbe Determinante sorgte auch dafür, daR P l a t o n , in Bestätigung der männlichen Dreizahl seines Gottesbildes, zeitlebens Junggeselle blieb. Je mehr sich die Geschichte der Wende unserer Zeitrechnung nähert, desto abstrakter werden die Götter, d. h. sie spiritualisieren sich. Selbst Jahwe mu.ß sich diese Wandlung gefallen lassen. In der alexandrinischen Philosophie des letzten Jahrhunderts vor Christi Gehurt ändert sich nicht nur sein eigenes Wesen, son56 Vergl. dazu T h. Go m p erz: 3. Aufl. 1912, li, p. 475.
Griechische Denker,
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dern es treten zwei andere göttliche Gestalten in seine Nähe, nämlich der Logos und die Sophia. Sie bilden mit Gott sogar eine Trias 57 , welche eine deutliche Präfiguration der nachchristlichen Trinität darstellt.
II
Vater, Sohn und Geist Ich habe bei den Anschauungen Babyloniens, Aegyptens und des platonischen Geistes etwas länger verweilt, um meinem Leser ein Bild zu vermitteln von jenen Dreiheiten und Einheiten in Zeiten, die z. T. um viele Jahrhunderte dem Christentum vorausgingen. Ob nun diese Ideen jeweils durch Migration und Tradition der Nachzeit überliefert wurden, oder spontan wiedererstunden, ist eine Frage, die wenig bedeuten will. Die Hauptsache ist, dafl sie vorhanden waren, weil sie einstmals dem unbewußten Geiste der Menschheit entsproflten (und zwar nicht nur in Vorderasien!), und daher jederzeit und überall wieder entstehen konnten. Es ist mehr als zweifelhaft, ob jene Väter, welche die Homoousieformel aufstellten, auch nur von ferne die altägyptische Königstheologie kannten. Dennoch ruhten und rasteten sie nicht, bis sie den altägyptischen Archetypus wieder restlos hergestellt hatten. Etwas Aehnliches geschah auf ·der Synode von Ephesus 431 p. Chr. n., in dessen Straßen einst der Preis der großen Diana erschallte, als Maria zur {}eoroxo~ (Gottesgebärerin) erklärt wurde\ Wie wir von E p i p h an i u s erfahren~. gab es sogar eine Sekte, die sog. Collyridianer, in deren L e i s e g a n g : Der Heilige Geist, 1922, p. 86. Hiezu gehört auch die Legende, daf! Maria sich nach dem Tode Christi mit Johannes nach Ephesus begeben hätte, wo sie bis zu ihrem Tode gelebt haben soll. 2 Panarium. Haer. LXXIX. 57
1
350
Kultus Maria wie eine antike Göttin verehrt wurde. Dieser Kult hatte sich hauptsächlich in Arabien, Thracien und der Scythia superior verbreitet und fand namentlich unter den Frauen Anklang, was dem Kirchenvater Anlaß gibt, den Weibern . die Leviten zu lesen - »quod genus lubricum et in errorem proclive, ac pusilli admodum et angusti animi esse .solet·d Aus seiner Strafpredigt erkennt man, daß es Priesterinnen gab, die an gewissen Festtagen einen Wagen oder viereckigen Sitz schmückten und mit Linnen deckten, worauf sie ein Gebäck als Opfer an den Namen Mariae legten (d!)aLeviathan« (Teufel) fängt 12 • Es ist daher bemerkenswert, daß das Kreuz, welches eben deu Zusammenstoß Christi mit dem Teufel darstellt und darum genau in der Mitte zwischen Himmel und Hölle errichtet ist, der Quaternität entspricht. Die Ikonologie des Mittelalters hat sich, die Spekulation über die ß.eodxxoc: (Gottesgebärerin) weiterspinnend, durch die Darstellungen der Krönung Mariens ein quaternäres Symbol zurechtgemacht 13 und es sozusagen sachte an die Stelle der Trinität geschoben. Die Assumptio Beatae Mariae Virginis bedeutet eine Aufnahme der Seele Mariens mit dem Körper und ist kirchlich zugelassene Lehre, die aber noch nicht dogmatisch fixiert ist 14• Christus ist zwar auch mit seinem Leibe aufgefahren, jedoch bedeutet dies insofern etwas anderes, als er Gott ist, was von Maria nicht gilt. In ihrem Fall wäre es noch viel mehr ein materieller Leib, nämlich ein zu Raum und Zeit gehöriges Wirklichkeitselement, als bei Christus 15• Seit Timaios bedeutet das Vierte> Verwirklichung« und damit Uebergang in einen 12 Hortus Deliciarum der Herrad von Landsperg. Vergl.: Psychologie und Alchemie, 1944. Abb. 28, p. 117. 13 Psychologie und Alchemie, 1944, p. 287 ff, und Psychologie und Religion, 1940, p. 127 ff. 14 Diese Lehre hat den Zustand der conclusio probabilis überschritten und befindet sich in dem der conclusio certa, welcher nur noch die definitio sollemnis fehlt. Es handelt sich bei der Assumptio um ein sog. revelatum implicitum, d. h. es ist nirgends explicite geoffenbart worden, sondern durch allmähliche Entwicklung als ursprünglicher Inhalt der Offenbarung klar geworden. (Siehe K. W i e d e r k e h r : Die leibliche Aufnahme der allerseligsten Jungfrau Maria in den Himmel. 1927.) Diese Auffassung bedeutet symbolgeschichtlich und psychologisch eine konsequente und logische Wiederherstellung der archetypischen Situation, in welcher der erhöhte Stand Mariae tatsächlich implicite geoffenbart ist und daher im Laufe der Zeit zur conclusio certissima werden muß. 15 Die Entrückung des Leibes Mariae hat zwar prinzipielle Bedeutung, ist aber nicht der erste Fall dieser Art:
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wesentlich anderen Zustand, nämlich in den der weltlichen Stofflichkeit, welche laut autoritärer Aussage dem princeps huius mundi unterworfen ist. Der Stoff ist nämlich der äußerste Gegensatz zum Geiste. Er ist recht eigentlich das Gehäuse des Teufels, welcher seine Hölle und sein Herdfeuer im Innern der Erde hat, während der helle Geist im Aether schwebt, befreit von den Fesseln der Schwere. Die Assumptio Mariae bedeutet nicht nur eine Vorbereitung zur Divinität 18 der Gottesgebärerin, sondern auch zur Quaternität. Zugleich wird der Stoff in den metaphysischen Bereich gerückt und mit ihm das korrumpierende Prinzip der Welt, das Böse. Man kann die Materie als ursprünglich rein und der Reinheit prinzipiell fähig erklären, womit aber die Tatsache, daß der Stoff zum Mindesten die Bestimmtheit der Gedanken Gottes darstellt und damit die Individuation mit allen ihren Folgen ermöglicht, nicht aus dem Wege geräumt ist. Der Widersacher ist daher, durchaus logisch, gewissermaßen als Seele des Stoffes gedacht, denn dieser wie jener stellt jenen Widerstand dar, ohne welchen die relative Autonomie einer Einzelexistenz schlechthin undenkbar ist. Das Anders- und Im-GegensatzWollen charakterisiert den Teufel, wie der Ungehorsam die Ursünde überhaupt. Wie schon gesagt, sind dies die Voraussetzungen für die Schöpfung überhaupt und sollten daher wohl im göttlichen Plan eingetragen und damit in den göttlichen Bereich eingeschlossen sein 17• Henoch und Elias wurden mit ihren Leibern entrückt, ebenso auferstanden viele Heilige aus ihren Gräbern, als Christus starb. 18 Man kann diese als stillschweigende conclusio probabilis auffassen, ebenso die Mariaverehrung als adoratio resp. 1CpOUXU!)Y}aer;. u Aehnlich drückt sich K ö p g e n aus: :.Das Wesen des Teufels ist der Haß gegen Gott; und diesen Haß läßt Gott zu. Zwei Dinge gibt es, die nur eine göttliche Allmacht möglich 22' jung: Symbolik des Geistes
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Die christliche Definition Gottes als summum honum aber schloß den Bösen von vornherein aus, wo er doch alttestamentlich noch einer der Gottessöhne gewesen war. So blieb der Teufel als simia Dei außerhalb der trinitarischen Ordnung und im Gegensatz zu dieser. Der Darstellung des dreieinigen Gottes mit drei Köpfen entsprach eine Tricephalität des Satans, wie sie z. B. bei D an t e erscheint. Damit ist, in Analogie zum Antichristen, eine infernale Antitrinität, eine wahre >>Umbra trinitatis«, angedeutet 18 • Der Teufel ist ohne Zweifel eine miRliehe Gestalt: Er steht irgendwie schief zur christlichen Weltordnung. Deshalb vermindert man seine Bedeutung gerne durch euphemistische Verkleinerung oder gar durch konsequentes Wegsehen von seiner Existenz; eher noch schreibt man ihn auf das Schuldkonto des Menschen; und zwar geschieht dies von Leuten, die gewaltig protestieren würden, wenn der sündige Mensch sich den Ursprung alles Guten ehenfalls zulegen wollte. Ein Blick auf die heiligen Texte aber genügt, um uns die Wichtigkeit des Teufels im göttlichen Erlösungsdrama zu zeigen 19 • Wäre die Macht des Bösen so gering gewesen, wie es gewisse Meinungen wollen erscheinen lassen, so hätte die Welt macht: den Haf! Satans und die Existenz des menschlichen Individuums. Beide sind in ihrem Wesen völlig undurchsichtig. Undurchsichtig ist aber auch ihr Verhältnis zu Gott.> (Gnosis des Christentums, 1939, p. 185.) 18 Wie lebendig eingefleischt dergleichen Vorstellungen sind, zeigt z. B. der Titel eines modernen Buches: T h. S o s n o s k i : Die rote Dreifaltigkeit. Jakobiner und Bolscheviken. Einsiedeln 1931. 19 K ö p g e n s Auffassungen stehen den meinigen in gewisser Hinsicht nicht allzufern. So sagt er z. B., daf! der Satan »gleichsam als Kraft Gottes wirke«. »Im Geheimnis des dreipersönlichen Gottes erschließt sich eine neue göttliche Freiheit in ihren Wesenstiefen, die auch den Gedanken an einen persönlichen Teufel neben und gegen Gott möglich macht.« (Gnosis des Christentums, 1939, p. 186.)
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des Herabkommens der Gottheit selber nicht bedurft, oder es läge dann in der Macht der Menschen, die Welt gut zu machen, was bis jetzt aber noch nicht geschehen ist. Was immer die metaphysische Stellung des Teufels sein mag, in der psychologischen Wirklichkeit bedeutet das Böse eine wirksame, ja sogar bedrohliche Beschränkung des Guten, so daß nicht zu viel gesagt ist, wenn man annimmt, daß in dieser Welt nicht nur Tag und Nacht, sondern auch gut und böse sich mehr oder weniger die Waage halten, und daß dies der Grund sei, warum der Sieg des Guten immer einen besonderen Gnadenakt bedeutet. Wenn wir vom eigenartigen persischen Dualismus absehen, so gibt es in der Frühzeit der geistigen Menschheitsentwicklung noch keinen richtigen Teufel. Im alten Testament gibt es einen Ansatz dazu in der Gestalt Satans. Der eigentliche Teufel aber erscheint erst als Widerpart Christi 20 , und damit wird einerseits die Lichtwelt Gottes und andererseits der Höllenabgrund offenbar. Der Teufel ist autonom, er kann der Herrschaft Gottes nicht unterworfen sein, denn sonst vermöchte er nicht der Widerpart Christi zu sein, sondern wäre nur eine Maschine Gottes. Insofern das Eine, Unbestimmbare sich zur Zweiheit entfaltet, wird es ein Bestimmtes, nämlich dieser Mensch Jesus, der Sohn und der Logos. Diese Aussage ist nur möglich mittels eines Anderen, das nicht Jesus, nicht Sohn oder Logos ist. Der Liebestat im Sohne steht die luciferische Verneinung gegenüber. 20 Da Satan ein Gottessohn ist und Christus ebenfalls, so wird ersichtlich, daR es sich hier um den Archetypus der zwei Brüder, in diesem Fall der feindlichen, handelt. Die alttestamentliche Präfiguration dazu wäre Kain und Abel und deren Opfer. Kain ist luciferisch vermöge seiner rebellischen Fortschrittlichkeit. Abel aber ist der fromme Hirt. Auf alle Fälle hat Jahwe die vegetarische Richtung nicht ermutigt.
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Insofern der Teufel von Gott geschaffen war als ein Engel, der »wie ein Blitz vom Himmel fiele:, ist er ebenfalls aus der Gottheit hervorgegangen und ist zum ,Herrn dieser Weltc: geworden. Es ist auch bezeichnend, daß die Gnostiker ihn bald durch den unvollkommenen Demiurgen, bald· durch den saturnischen Archon, den Jaldabaoth, ausdrückten. Die bildliehen Darstellungen dieses Archon entsprechen in ihren Einzelheiten durchaus denen eines teuflischen Dämons. Er stellte die Macht der Finsternis dar, von welcher die Menschheit zu erlösen der Christus gekommen war. Auch die Archonten sind aus dem Schoße des unerkennbaren Abgrundes hervorgegangen, d. h. aus der gleichen Quelle, aus welcher der gnostische Christus hervorging. Ein mittelalterlicher Denker hat bemerkt, daß, als Gott am zweiten Schöpfungstag die oberen Wasser von den unteren schied, er am Abend nicht sagte, wie an allen andern Tagen, daß es gut war. Und zwar darum nicht, weil Gott am zweiten Tag den Binarius, die Zweizahl, den Ursprung des Bösen, geschaffen hätte 21 • Diese Ueberlegung finden wir ähnlich in einem persischen Bericht wieder, wo der Ursprung Ahrimans auf einen Zweifelsgedanken Ahuramazdas zurückgeführt wird. Ein nicht-trinitarisches Denken kann sich daher der Logik des folgenden Schemas wohl schwerlich entziehen: Pater
Filius
21
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Diabolus
Siehe: Psychologie und Religion, 1940, p. 110.
Es ist daher nicht merkwürdig, daß wir der Antichristusidee schon so früh begegnen. Sie dürfte einerseits mit der astrologischen Synchronizität des anbrechenden Fischezeitalters, andererseits aber auch mit der zunehmenden Realisierung der durch den Sohn gesetzten Zroeiheit zusammenhängen, welche ihrerseits wieder im Fischsymbol präfiguriert ist: )-( 22 , nämlich in den zwei Fischen, die durch eine commissura verbunden, in entgegengesetzter Richtung sich bewegen 23 • Es wäre verkehrt, hier an irgendwelche kausalistische Konstruktionen zu denken. Es handelt sich vielmehr um vorbewuRte, präformierte Zusammenhänge der Archetypen unter sich, deren Andeutungen man auch bei andern Konstellationen und ganz besonders in der Mythenbildung begegnet. In unserem Diagramm erscheinen Christus und der Teufel als äquivalente Gegensätze, welche durch die ) Widerparü-Idee angedeutet sind. Dieser Gegensatz stellt einen Konflikt zum Aeußersten dar, und damit auch eine säkulare Aufgabe für die Menschheit bis zu dem Zeitpunkt, oder bis zu jener Zeitwende, wo Gut und Böse anfangen sich zu relativieren, sich selbst zu bezweifeln, und wo sich ein Ruf erhebt nach einem »Jenseits von Gut und Böse«. Im christlichen Zeitalter aber, d. h. im Reiche des trinitarischen Denkens, ist eine solche Ueberlegung schlechthin ausgeschlossen; denn der Konflikt ist zu heftig, als daR dem Bösen irgend eine andere logische Relation zur Trinität eingeräumt werden könnte, als die des absoluten Gegensatzes. In einem affektiven Gegensatz, d. h. in einem Konflikt, 22 Astrologische Bezugnahme ist für das Altertum nichts Auf!ergewöhnliches. 23 Dieses ist der Fall im Symbol der Pisces. In der astronomischen Konstellation ist der eine Fisch, der zeitlich ungefähr dem ersten christlichen Jahrtausend entspricht, vertikal, der zweite jedoch horizontal.
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können Thesis und Antithesis nicht zusammen geschaut werden. Das ist erst kühlerer Ueherlegung vom relativen Wert des Guten und vom relativen Unwert des Bösen möglich. Dann allerdings ist es nicht mehr zweifelhaft, daß ein gemeinsames Lehen nicht nur vom Vater und dem lichten Sohne, sondern auch vom Vater und dem dunkeln Geschöpf geatmet wird. Der unsägliche Konflikt, der durch die Zweiheit gesetzt wird, löst sich in einem vierten Prinzip, welches die Einheit des ersten in seiner völligen Entfaltung wieder herstellt. Der Rhythmus ist dann ein Dreischritt, das Symbol aber eine Quaternitiit. Pater
Filius
~ I
V
Diabolus
/
Spiritus
Der religiösen Spekulation ist der zweifache Aspekt des Vaters keineswegs unbekannt 24 • Das zeigt z. B. die Alle21 Die Gegensatznatur Gottes drückt sich auch in seiner Mannweiblichkeit aus. P r i s c i 11 i an u s nennt ihn darum masculofoemina, begründet durch Gen. I, 27.
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gorie des Monoceros, das die Zornmütigkeif Jehovas darstellt. Wie dieses reizbare Tier habe er die Welt in Unordnung gebracht und habe sich erst im Schofle der reinen Jungfrau zur Liebe gewandelt 25 • Lu t her kannte einen deus absconditus. Mord und Totschlag, Krieg, Krankheit und Verbrechen und jegliche Scheußlichkeit fällt in die Einheit der Gottheit. Wenn Gott sein Wesen offenbart und ein Bestimmtes wird, nämlich ein bestimmter Mensch, dann müHten seine Gegensätze auseinanderfallen: Hier das Gute und dort das Böse. So sind die in der Gottheit latenten Gegensätze in der Erzeugung ·des Sohnes auseinandergefallen und haben sich im Gegensatz Christus-Teufel manifestiert. Der persische Gegensatz Ormuzd-Ahriman dürfte dabei als sous-entendu zugrunde gelegen haben. Die Welt des Sohnes ist die Welt des moralischen Zwiespaltes, ohne welchen das menschliche Bewußtsein kaum jenen Fortschritt der geistigen Differenzierung zustande gebracht hätte, den es tatsächlich gemacht hat. DaR man heute von diesem Fortschritt nicht restlos begeistert ist, zeigt sich allbereits an den Zweifelsanfällen des modernen Bewußtseins. Der christliche Mensch ist der moralisch leidende Mensch, der trotz seiner potentiellen Erlöstheit in seinem Leid des Trösters, des Parakleten, bedarf. Der Mensch kann den Konflikt aus eigener Kraft nicht überwinden, wie er ihn ja auch nicht erfunden hat. Er ist auf die göttliche Tröstung und Versöhnung angewiesen, d. h. auf die spontane Offenbarung jenes Geistes, der menschlichem Willen nicht gehorcht, sondern kommt und geht, wie Er will. Jener Geist ist ein autonomes seelisches Geschehen, eine Stillung nach dem Sturm, ein versöhnendes Licht in den Finsternissen des menschlichen Verstandes und die geheime Ordnung unseres 25
Vergl.: Psychologie und Alchemie, 1944 p. 589 ff.
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seelischen Chaos. Der Heilige Geist ist ein Tröster wie der Vater, ein stilles, ewiges und abgründiges Eines, in welchem die Liehe und der Schrecken Gottes zur wortlosen Einheit zusammengeschmolzen sind. Und eben darin wird der V rsinn der noch sinnlosen Vaterwelt im Raume menschlicher Erfahrung und Reflexion wieder hergestellt. Der Heilige Geist ist in einer quaternarischen Anschauung eine Versöhnung der Gegensätze und damit die Antwort auf jenes Leiden in der Gottheit, das Christus personifiziert. · Die pythagoräische Quaternität war noch eine Naturtatsache, eine archetypische Anschauungsform, aber kein moralisches Problem. geschweige denn ein göttliches Drama. Darum ist sü~ ~untergegangene:. Sie war eine bloß natürliche und darum unreflektierte Anschauung des naturgebundenen Geistes. Die Trennung, welche das Christentum zwischen Natur und Geist aufgerissen hat, befähigte den menschlichen Geist nicht nur jenseits der, sondern auch gegen die Natur zu denken und damit seine - ich möchte sagen - göttliche Freiheit zu erweisen. Dieser Aufschwung aus der Dunkelheit der Naturtiefen gipfelt im trinitarischen Denken, das sich in einem platonischen, hyperuranischen Reiche bewegt. Zu Recht oder Unrecht blieb aber die Frage nach dem Vierten bestehen. Er ist nämlich ~unten« gehliehen als häretische Quaternitätsvorstellung oder als naturphilosophische Spekulation der Hermetik. In diesem Zusammenhang möchte ich an den Frankfurter Arzt und Alchemisten G e r a r d u s D o r n e u s erinnern, welcher an der in seiner Kunst seit alters überlieferten Quaternität der Grundprinzipien sowohl wie des Endzieles, des Lapis Philosophorum, Anstoß nahm. Es ist ihm aufgefallen, daß sie eigentlich eine Häresie sei, da doch das weltbeherrschende Prinzip eine Trinität darstelle. Die Quaternität müsse vom .Teufel
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stammen 28 • Die Vier sei nämlich das Doppelte von Zwei, und die Zwei s'ei am zweiten Schöpfungstag geschaffen worden, mit dessen Resultat Gott am Abend offenbar nicht ganz zufrieden gewesen sei. Der Binarius ist der Zwiespaltsteufel und zugleich auch das Weibliche. (Die geraden Zahlen sind im Osten wie im Westen weiblich.) Das Unerfreuliche des zweiten Schöpfungstages bestand darin, daß sich an diesem ominösen Tage, ähnlich wie bei Ahuramazda, ein Zwiespalt in der Natur des Vaters zeigte, aus welchem die Schlange, der >quadricornutus serpens< hervorging, der allsogleich die ihm vermöge des Binarinswesens verwandte Eva verführte. (> Vir a Deo creatur, mulier a simia Dei.IchHeiligen GeistBoden< wird, der allerdings :.leuchtend und durchsichtig< ist. Mit diesem >Boden< ist eine unveränderliche, sozusagen absolut reale Grundlage geschaffen. Dieser blaue, durchsichtige Boden ist wie ein gläserner See, durch dessen durchsichtige Schichten der Blick in die Tiefe dringt. Aus dieser Tiefe leuchtet nun die sog. >goldene Fahne< auf. Es ist hier zu bemerken, daß das Sanskritwort >dhvajac für >Fahne< überhaupt die Bedeutung von >Zeichen< und >Symbol< hat. Man könnte daher ebensogut vom Erscheinen eines >Symboles< reden. Es wird hier klar, daß, indem das Symbol sich >nach den acht Richtungen des Kompaß' < erstreckt, die Grundlage ein achtstrahliges System darstellt. Wie der Text sagt, sind durch die Fahne die >acht Ecken der Grundlage vollkommen ausgefüllt1000 Millionen Sonnengoldenen TauenLeiden und Nichtsein, Vergänglichkeit und Nichtselbst«, was besagen will, dafl alles Sein leidvoll, und alles Ichhafte vergänglich sei. Aus diesen Irrtümern erlöst das Nichtsein und das Nicht-Ich-Sein. Das tönende Wasser ist also etwas wie die Lehre Buddhas überhaupt, ein erlösendes Wasser der Weisheit, eine »aqua doctrinae«, um einen Ausdruck des 0 r i g e n es zu gebrauchen. Die Quelle dieses Wassers, die Perle ohne Gleichen, ist der Tathagata, der Buddha selber. Daher folgt nun die imaginative Rekonstruktion des Buddhabildes, und indem dieser Aufbau vorgenommen wird, ergibt sich die Einsicht, dafl Buddha eigentlich nichts anderes ist, als die in der Meditation tätige Psyche des Yogin, des Meditierenden selber. Aus dem »eigenen Bewußtsein und Gedanken« geht nicht nur die Gestalt des Buddha ~ Jung: Wandlungen und Symbole der Libido, 1912, p. 161 u. a. a. 0.
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hervor, sondern die Seele, die diese Gedankenbilder erzeugt, ist Buddha selber. Die Gestalt des Buddha sitzt im runden Lotus, im Zentrum des oktogonalen Amitabhalandes. Buddha ist ausgezeichnet durch das große Mitleid, mit dem er »alle Wesen annimmt«, also auch den Meditierenden, d. h. das innerste Wesen, welches Buddha ist, tritt in der Vision hervor und offenbart sich als das eigentliche Selbst des Meditierenden. Er erfährt sich selber als das alleinig Seiende, als das höchste Bewußtsein, welches eben Buddha ist. Um zu diesem letzten Ziel zu gelangen, brauchte es den ganzen Weg mühsamer geistiger Rekonstruktionsübung, um vom verblendeten Ichbewußtsein, das die Schuld an der leidvollen Illusion der Welt trägt, loszukommen und an jenen andern seelischen Pol zu gelangen, in welchem die Welt als Illusion aufgehoben ist.
* Unser Text ist insofern kein bloßes literarisches Museumsstück, als er in dieser und in vielen andern Formen in der Seele des Inders lebt und dessen Leben und Denken durchdringt bis in die kleinsten Einzelheiten, die dem Europäer so überaus fremdartig vorkommen. Es ist nicht etwa der Buddhismus, der diese Seele formt und erzieht, sondern der Yoga. Der Buddhismus selber ist eine Geburt aus dem Geiste des Yoga, der älter und universaler ist als die historische Reformation Buddhas. Mit diesem Geiste muß sich derjenige wohl oder übel befreunden, welcher danach strebt, indische Kunst, Philosophie und Ethik von Innen her zu verstehen. Unser gewohntes Verstehen aus dem Aeußeren versagt hier, weil es dem Wesen indischer Geistigkeit hoffnungslos inadäquat ist. Und insbesondere möchte ich warnen vor der so oft versuchten Nachahmung und Anempfindung östlicher Praktiken. 462
Es kommt dabei in der Regel nicht mehr heraus als eine besonders künstliche Verdummung unseres westlichen Verstandes. Ja, wer es fertig brächte, in jeder Hinsicht auf Europa zu verzichten und wirklich auch nichts anderes zu sein als ein Yogin mit allen ethischen und praktischen Konsequenzen und im Lotussitz auf dem Gazellenfell unter .einem staubigen Banyanbaum dahinzuschwinden und seine Tage in namenlosem Nichtsein zu beschließen, einem solchen würde ich es zugestehen müssen, daß er den Yoga auf Indisch verstanden hat. Wer das nicht kann, der soll auch nicht tun, als ob er den Yoga verstünde. Er kann und soll nicht auf seinen westlichen Verstand verzichten, sondern im Gegenteilletzteren anstrengen, um ohne Nachahmung und Anempfindelei in ehrlicher Weise so viel vom Yoga zu verstehen, als unserm Verstande eben möglich ist. Da die Geheimnisse des Yoga dem Inder so viel oder noch mehr bedeuten als uns die Mysterien des christlichen Glaubens, und wir es doch jedem Exoten verwehren würden, unser mysterium fidei lächerlich zu machen, so dürfen auch wir die seltsamen indischen Vorstellungen und Uebungen nicht gering schätzen und für absurden Irrtum halten. Damit würden wir uns nur den Zugang zu einem sinngemäßen Verständnis verbauen. Allerdings haben wir es in Europa schon weit gebracht in dieser Hinsicht, indem uns die geistigen Inhalte des christlichen Dogmas in einem rationalistischen und aufklärerischen Nebel bis zu einem bedenklichen Grade verschwunden sind, und allzuleicht ist es, zu unterschätzen, was man nicht kennt und versteht. Wenn wir überhaupt verstehen wollen, so kann dies nur auf europäische Weise geschehen. Man kann zwar vieles mit dem Herzen verstehen, aber dabei findet es oft der Verstand schwierig, mit der intellektuellen Formulierung nachzukommen und dem Verstandenen den 463
gebührlichen Ausdruck zu geben. Es gibt zwar ein Begreifen mit dem Kopfe und insbesondere mit dem wissenschaftlichen Verstand, wobei aber manchmal das Herz zu kurz kommt. Wir müssen daher bald das Eine, bald das Andere der wohlwollenden Mitarbeit des Publikums überlassen. Versuchen wir es also zunächst mit dem Kopfe, jene verborgene Brücke aufzufinden oder zu bauen, welche vom Yoga zum europäischen Verständnis herüberführen soll. Zu diesem Zwecke müssen wir uns noch einmal die Reihe der bereits besprochenen Symbole vergegenwärtigen, aber diesmal mit Rücksicht auf ihren Sinngehalt. Die Sonne, mit der die Reihe anhebt, ist die Quelle von Wärme und Licht und unzweifelhafter Mittelpunkt unserer sichtbaren Welt. Als Spenderin des Lebens ist sie daher sozusagen immer und überall entweder die Gottheit selber oder wenigstens ein Bild derselben. Selbst in der christlichen Vorstellungswelt ist sie eine beliebte Allegorie Christi. Eine zweite Quelle des Lebens, und dies namentlich in südlichen Ländern, ist das Wasser, das bekanntlich auch in der christlichen Allegorik eine bedeutende Rolle spielt, z. B. in der Gestalt der vier Paradiesesströme und der Quelle, die an der Seite des Tempelberges entsprang. Letztere wurde dem Blute aus der Seitenwunde Christi verglichen. In diesem Zusammenhang erinnere ich auch an das Gespräch Christi mit der Samariterin am Brunnen und an die Ströme lebendigen Wassers aus dem Leibe Christi (Joh. VII, 38). Eine Meditation über Sonne und Wasser wird unfehlbar solche und ähnliche Bedeutungszusammenhänge evocieren, womit der Meditierende allmählich aus dem Vordergrunde der sichtbaren Erscheinung zum Hintergrund, d. h. zu dem dahinterliegenden geistigen Sinn der Meditationsgegenstände übergeleitet wird. Dadurch wird er in die psychische Sphäre versetzt, wo Sonne und Wasser ihrer physischen Gegenständlich-
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keit entkleidet und damit zu Symbolen seelischer Inhalte werden, nämlich zu Bildern der Lebensquelle in der eigenen Seele. Unser Bewußtsein schafft sich ja nicht selber, sondern es quillt auf aus unbekannter Tiefe. Es erwacht allmählich im Kinde, und es erwacht jeden Morgen aus der Tiefe des Schlafes aus einem unbewußten Zustande. Es ist wie ein Kind, das täglich aus dem mütterlichen Urgrunde des Unhewußten geboren wird. Ja, eine genauere Erforschung des Bewußtseinsprozesses ergibt die Tatsache, daß es nicht nur vom Unbewußten beeinflußt wird, sondern sogar in Form zahlloser spontaner Einfälle überhaupt beständig dem Unbewußten entquillt. Die Meditation der Bedeutung von Sonne und Wasser ist daher etwas wie ein Abstieg zur seelischen Quelle, eben zum Unbewußten selber. Hier liegt nun allerdings ein Unterschied zwischen östlichem und westlichem Geiste vor. Es ist derselbe Unterschied, dem wir schon begegnet sind: es ist der zwischen Hochaltar und Tiefaltar. Der Westen sucht immer Erhebung, der Osten aber Versenkung oder Vertiefung. Die äußere Wirklichkeit mit ihrem Geist der Körperhaftigkeit und Schwere scheint den Europäer viel stärker und schärfer anzupacken als den Inder. Darum sucht Ersterer sich über die Welt zu erheben, Letzterer aber kehrt gern in die mütterlichen Tiefen der Natur zurück. . Wie nun die christliche Kontemplation z. B. in den Exercitia Spiritualia des Hl. lgnatius von Loyola mit allen Sinnen sich bestrebt, die heilige Gestalt so konkret wie möglich zu erfassen, so verfestigt auch der Yogin das Wasser, das er betrachtet, zunächst zu Eis und sodann zu Lapislazuli und schafft dadurch einen festen »Boden
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