181 - Das Hexenhaus

August 26, 2017 | Author: gottesvieh | Category: Nature
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...............

Description

Miriam Margraf

Sorgen um Blacky

Die kleinen Trompeterbücher

Band 192

Miriam Margraf

Sorgen um Blacky

Der Kinderbuchverlag Berlin

Illustrationen von

Christiane Knorr

ISBN 3-358-01502-5

Bettina saß in der großen Pause al­

lein auf dem Schulhof. Die anderen

waren essen gegangen. Sie aber ver­

spürte keinen Appetit. Und- das lag

nicht nur daran, daß es als Schul­

speisung schon wieder klebrige Nu­

deln mit wäßrigerTomatensoße gab.

»Was machst du denn für ein Ge­

sicht?« fragte der Mathelehrer Har­

nisch, der gerade Aufsicht führte.

Bettina sah zu ihm auf und zuckte

mit den Achseln, weil sie nicht ant­

worten mochte. Vor Herrn Harnisch

hatte sie mächtigen Respekt, wie alle Schüler.

»Herr Protzek hat gesagt, daß es in

seiner Vertretungsstunde Ärger gab,

mit dir und mit dem Thomas«, fuhr

der Lehrer fort.

Aha, darauf läuft es hinaus, dachte

Bettina, alle hacken sie auf einem

herum. Dabei fühlte sie sich sowieso 5

schon hinlänglich ungerecht behan­

delt. Und das war auch der Grund für

ihre Appetitlosigkeit und dafür, daß

sie keine Lust hatte, mit den anderen

zu reden, nicht einmal mit Olaf, der

eigentlich ihr Freund war.

Wenn Bettina etwas ganz und gar

nicht ausstehen konnte, so waren es Petzereien

und

Lügen.

Deshalb

nahm sie jetzt vor Herrn Harnisch ih­

ren Mut zusammen und sagte: »Herr Protzek wußte ja gar nicht, was los

war. Er brauchte bloß einen Schuldi­

gen. Und da mußte ich es eben ge­

wesen sern. «

» Kein Wunder. Du bist ja immer

mit von der Partie, wenn was los ist«,

entgegnete Herr Harnisch.

» Dann sag ich jetzt lieber nichts

mehr«, gab Bettina patzig zurück.

Doch Herr. Harnisch hatte Ver­

ständnis für trotzige kleine Mädchen. 6'

Deshalb tat er so, als habe er die et­

was freche

Entgegnung überhört,

meinte nur noch: » Du solltest aber

trotzdem essen gehen« und ließ Bet­

tina in Ruhe.

Das Mädchen fand das sehr in Ord­

nung. Ihr fielen die Ereignisse vom Morgen ein:

Als Bettina zur Schule kam, emp­

fing Olaf sie mit der Botschaft, daß

der Heimatkunde- Unterricht ausfällt.

» Und warum fällt er aus?« erkun­

digte sich Bettina.

»Frau Altmann ist ins Kranken­

haus

gekommen«,

erklärte

Olaf,

» Mandy hat's gesehen: sie haben sie

gestern abgeholt. «

Bettina war ein wenig erschrok­

ken. »Weshalb denn das?«

» Na, sie kriegt doch 'n Baby!«

» Ich denke, übernächsten Monat

erst?«

7

Olaf verdrehte die Augen, als ver­

stünde er alles davon und sie rein gar

nichts. Eigentlich wollte er aber bloß

nicht ausführlicher üb�r das Kinder­

kriegen reden, weil die Weiber da im­

mer kichern. » Na, es kommt eben

zwei Monate zu früh. Deswegen ist ja

das ganze Durcheinander. «

» Und deswegen fällt Heimatkunde

aus«,

fest.

stellte

\

Bettina noch einmal

.

»Ja doch!« erwiderte Olaf. »Haste

's endlich begriffen, Mensch?« Das

klang ziemlich unwirsch.

»Entschuldige, daß ich dich was

gefragt habe!« gab Bettina zurück.

» Bist heute wohl mit'm falschen Bein

zuerst

aufgestanden. «

Nachdem

sich Bettina also gleich als erstes

über die altkluge Art ihres Freundes Olaf geärgert hatte, ging es weiter.

Es klingelte. Aber natürlich machte

8

keiner Anstalten, seinen Platz aufzu­

suchen. Man wußte ja, daß Frau Alt­

mann nicht kommen würde. Bettina

packte trotzdem den Schnellhefter

aus und las zum Zeitvertreib im Ma­

thematikbuch. Sie blätterte und fand

etwas über Multiplikation und Divi­

sion, was ihr im Moment interessan­

ter erschien als ein Gespräch mit Olaf. Plötzlich wurde ihr das Buch

aus der Hand gerissen und flog in ho­

hem Bogen durch den Raum. »Guckt

euch bloß mal die Streberziege an! « blökte

Bettinas

eingeschworener

Feind Thomas. Er stand vor ihr und hatte die Fäuste in die Hüften ge­

stemmt.

» Du hast es gerade nötig, mit Bü­

chern rumzuschmeißen! « gab das Mädchen zurück. » Los, heb es auf! « Thomas tippte sich an die Stirn.

Es war sehr still geworden im Klas9

senraum. Auch Olaf, der mit drei an­

deren Jungen gespielt hatte, sah

herüber. Aber er machte keine An­

stalten; Bettina zu verteidigen. Sie

hätte das, wußte er, als ehrenrührig empfunden.

»Heb das Buch auf!« forderte sie

noch einmal von Thomas, wobei sie

aufstand und mit der Stirn beinah an

seine Nase stieß.

Er wollte sie verächtlich beiseite

schieben. Aber nicht mit Bettina! Sie

schlug ihm auf die Hand, worauf er

ihren Arm zu fassen bekam und sie

herumschleuderte.

Bettina fiel hin und brüllte: » Mist­

stück!« Da sah sie plötzlich ein Paar Beine in Anzughosen vor sich. Sie

blickte auf und in das Gesicht Lehrer Protzeks, der in der Oberstufe Biolo­

gie gab.

» Mists tück?«

10

wiederholte

Herr

Protzek und tat, als habe er sich ver­

hört.

Doch Bettina beharrte trotzig: »Ja,

dßr da! « und zeigte auf Thomas. Der

Junge lehnte erschrocken an einer Bank.

» Erstaunlicher Ausdruck im Wort­

schatz eines Mädchens«, sagte der Lehrer.

Bettinas Augen funkelten böse.

»Ach, aber Jungs dürfen das wohl

sagen?«

Aus der Ecke, wo Olaf mit seinen

Freunden stand, kam ein Kichern,

das Bettin'a ärgerte. Und Herr Protzek

fragte: »Fallen dir noch mehr Unver­

schämtheiten ein?«

Zornig schwieg das Mädchen.

Jetzt entdeckte der Lehrer das Ma­

thematikbuch, das in der Ecke hin­

gefiedert lag. Er hob es auf. »Wem

gehört das?« 12

Alle schwiegen, während der Leh­

rer streng von einem zum andern blickte. Thomas schlug � sofort die

Augen nieder. Das fiel Herrn Protzek

natürlich auf. » Ist es dein Buch?« Der Junge schüttelte den Kopf.

11

Bettinas.

11

»Ach! « Sofort wandte Herr Protzek

seine Aufmerksamkeit wieder dem Mädchen zu�

grinsen.

Bettina sah Thomas

» Interessant«, bemerkte der Leh­

rer. » So gehst du also mit deinem Lehrmaterial um. «

» Ich hab's da nicht hingeworfen«,

entgegnete sie. Eigentlich hatte sie

Thomas nicht verpetzen wollen, aber er hätte es auch nicht tun dürfen,

deshalb fügte sie hinzu: »Thomas

war's. «

Der

aber

erwiderte

auf

Herrn Protzeks Blick: »War ich nicht. Oder kann das wer beweisen?«

13

Wieder ließ Herr Protzek die Blik­

ke schweifen. In der Klasse fand sich

keiner, der den Mut aufbrachte, sich

gegen Thomas zu stellen.

Bettina

sah zu Glaf, doch der zuckte nur mit

den Achseln.

Und um das Maß voll zu machen,

ergänzte Thomas: » Die wartet doch

bloß drauf, mir mal eins auswischen

zu können, weil sie neidisch ist auf

mein Pony, weiß doch jeder!«

Natürlich wußte das jeder, offen­

bar auch der Lehrer, zumindest war

ihm die alte Feindschaft zwischen Bettina und Thomas bekannt.

Da

sich das Mädchen ungebührlich auf­

geführt hatte und es keinen ersichtli­

chen Grund gab, Thomas zu strafen,

sagte er: » Bettina erhält eine Fünf in Betragen. Und jetzt geht auf eure

Plätze!«

Als Glaf sich neben sie in die Bank-

14

reihe setzte, zischte Bettina ihm zu:

» Du bist feige und gemein. Du hast

genau gesehen, daß es Thomas ge­

wesen ist!«

»Hab ich nicht. «

Bettina war sicher, daß er log. Und

überhaupt, als ihr Freund hätte er sie

verteidigen müssen, - auch ohne es

gesehen zu haben. » Du hast bloß

Angst,

daß Thomas dich verprü­

gelt«, sagte sie.

Olaf tippte sich an die Stirn und

lehnte sich beleidigt zurück.

Daß Thomas kurz darauf von Prot­

zek zur Leistungskontrolle aufgeru­

fen wurde und eine Vier bekam, weil

er nicht gelernt hatte, konnte Bettina

wenig Genugtuung verschaffen. Sie war wütend auf Olaf.

Und nun saß sie also auf dem Schul­

hof herum, allein mit ihrer Wut, und 15

hatte keine Lust, mit irgendeinem zu

reden, mit irgendeinem von all de­

nen, die sie vorhjn nicht verteidigen

wollten. Als die Klassenkameraden

vom Essen kamen, tat Bettina, als ob Olaf Luft sei. Bis zum Unterrichts­

ende wechselte sie kein Wort mit

ihm.

Nach' Schulschluß stand Thomas

mit ein paar Freunden an der Tür. Es

wäre sinnlos gewesen, sich jetzt mit

ihm anzulegen, denn Thomas und

seine Freunde waren überlegen. Bet­

tina sagte also im Vorbeigehen rasch

und leise: » Das zahle ich dir heim. «

Thomas lachte darüber. » Paß nur

auf«, rief er ihr nach, » ich werde dir

noch eins auswischen. «

Zu Hause wurde Bettina vom freudi­

gen Gekläff Blackys empfangen. Er

sprang an seiner Herrin hoch und 16

wackelte mit dem Schwanzstummel.

Bettina stellte die Schultasche in die

Ecke, nahm Blacky an die Leine und

ging stromern. Vergessen der Ärger.

"Der Laubwald färbte sich schon

herbstlich bunt. In den Zweigen der Büsche hingen

zernd

im

Spinnweben,

Sonnenschein.

glit­

Mutter

nannte das Altweibersommer, wor­

über Bettina immer lachen mußte.

Zu dieser Jahreszeit konnte man

viele Pilze finden; das war aufregen­

der

als

kannte

Ostereiersuchen.

einige

eßbare

Bettina

Arten

und

nahm mit, was sie in ihren Jackenta­

schen unterbringen konnte.

Als sie zurückkam, war die Mutter

schon zu Hause. Das Mädchen legte

die Pilze auf den Wohnzimmertisch.

»Schön«, sagte die Mutter. »Hast

du deine Hausaufgaben gemacht?« Nein", erwiderte Bettina. "

17

Die Mutter trug die Pilze in die Kü­

che und begann, sie zu putzen. Bet­

tina setzte sich dazu.

»Hast schlechte Laune«, stellte die

Mutter

fest.

Schule?«

»War

was

in

der

» 'ne Fünf in Betragen«, antwortete

Bettina, und der Grimm war wieder

da.

Die Mutter sah sie von der Seite

an. »Warst wieder vorlaut?«

»War ich nicht«, entgegnete Bet­

tina. »Protzek ist ungerecht. Alle sind

ungerecht. «

»Wer sind ,alle'?«

Bettina

schwieg.

Ihre

Mutter

merkte nur, daß sie offenbar wirklich

ungerecht behandelt worden war,

und versuchte, sie auf andere Ge­

danken zu bringen. »Willst du zu Olaf

gehen?« Das war ein großzügiges

Angebot in Anbetracht der un�rle18

digten Hausaufgaben. Aber Bettina fauchte nur: »Ach der!«

Da wußte die Mutter nun nicht

mehr

zu

raten

und

begann

Abendessen vorzubereiten.

das

»Ich wollte dir noch etwas sagen«,

ließ sie sich nach einer Weile verneh­

men.

»Hm«, machte Bettina und schob

gedankenverloren die Teller auf dem

Tisch herum.

»Wir haben doch ein viel zu großes

Haus, wir beide«, begann die Mutter. Bettina wurde aufmerksam.

»Und da hat mirder Bürgermeister

vorgeschlagen, abzuvermieten. Das

heißt, eigentlich ist es wohl so, daß

er jemand unterbringen muß, für

den er keine Wohnung hat. Was

meinst du dazu?«

»Warum nicht«, gab Bettina zu­

rück. »Und wer ist es?«

19

» Du wirst es sehen. «

Bettina zuckte mit den Achseln.

Gleichgültig machte sie sich eine But­

ters��lle zurecht. Heute verdrängte

der Arger sogar ihre Neugier.

Am nächsten Schultag fehlte Tho­ mas, vermutlich war er krank. Bet­

tina war es sehr recht, daß sie ihrem Racheschwur nicht sofort Taten fol­

gen lassen mußte, denn es stand

nicht fest, zu wessen Gunsten der Kampf ausgehen würde. Sie wartete

den ganzen Vormittag daraut daß Olaf sich entschuldigte.

Der aber

machte keine Anstalten, und also

wechselte Bettina mit ihm kein Wort.

Wenigstens auf den Nachmittags­

spaziergäng mit Blacky konnte sie

sich noch freuen. Vielleicht fand sie

wieder Pilze.

Als das letzte Klingelzeichen er-

20

tönte, warf sie Hefte und Buch in die Mappe und sprang hastig auf. Aber

Olaf hielt sie am Arm fest. » Du, hör mal!«

»Faß mich nicht an!«

» Mann, bist du zickig!«

» Ich will in· Ruhe gelassen wer­

den«, gab Bettina barsch zurück und

schob Olafs Hand weg.

» Kannst du ja haben, aber morgen

nachmittag komme ich vorbei und hol mir Blacky zum Abrichten. «

Bettina sah den Freund abweisend

an. » Du spinnst wohl?«

» Ich spinne gar nicht!« erwiderte

Olaf. » Blacky ist unser Hund, nicht

deiner. «

Bettina durchlief es heiß, ein Ge­

fühl zwischen Wut und Angst, das

sich in der Magengrube einnistete.

Man wollte ihr den Hund streitig ma­

chen, den einzigen Trost, den sie 21

jetzt hatte. Recht.

Und

Natürlich war Olaf im eben

das

war

das

Schlimme. Das Mädchen holte zur

Verteidigung 'aus.

»Wer hat denn

Blacky damals aus dem Wasser ge­

fischt? - Ich! «

» Bei dir wär erverhungert, weil du

keine Ahnung von Hunden hattest

und nicht mal wußtest, wie man ihn

zum Fressen bringt. «

Bettina schluckte das. Sie hatte tat­

sächlich erst durch Olaf gelernt, mit

Hunden umzugehen.

))Trotzdem«, sagte sie. »Wer hat

denn

Blacky die ganze Zeit ver­

sorgt?«

» Du«, bestätigte Olaf. »Aber ich

habe dir immer Futter mitgebracht.

Außerdem hab ich nicht behauptet,

daß es mein Hund ist, sondern unser

Hund. Also kriege ich ihn morgen, und basta. « Damit stand er von sei22

nem Platz auf und verließ vor Bet­ tina, di.e es so eilig gehabt hatte, fort­

zukommen, das Klassenzimmer.

Bettina blieb im leeren Raum sit­

zen und starrte die Wandtafel an. Die

Tür stand offen. Auf dem Gang lärm­

ten Kinder. Ein Lehrer kam vorbei

und blieb stehen. Protzek. )) Sitzt du

freiwillig nach?« fragte er.

Das Mädchen schrak zusammen.

Sie nahm wortlos ihre Tasche, erhob

sich und ging an dem Lehrer vorbei,

ohne ihn anzusehen. Sie fand es

nicht nötig, ihm guten Tag zu wün­ schen.

Blacky war weg! Kein

freudiges

Gebell

empfing

Bettina. Sie pfiff, rief -umsonst. Tho­

mas! schoß es ihr durch den Kopf.

Aber alleine würde sie zu dem nicht gehen. Da müßte schon Olaf mit-

23

kommen. Wenn er nicht auch dazu

zu feige ist, dachte Bettina ein wenig

boshaft, obwohl sie eigentlich nicht

daran zweifelte, daß Olaf letztendlich

zu ihr halten würde, wenn es um den

Hund ging.

Unterwegs freute Bettina sich, ei­

nen Grund zu haben, um sich wieder

mit Olaf zu vertragen. Das Mädchen

läutete. Olafs Mutter öffnete.

» Ist Olaf da? Es ist sehr wichtig!«

sprudelte Bettina sofort los.

Olafs Mutter schüttelte den Kopf.

» Nein, Mädchen. Olaf ist zum Trai­

ning. «

Richtig! Das hatte sie völlig ver­

gessen. Seit einem halben Jahr war

er ja in der Leichtathletik-Staffel der Schule. » Danke. Wiedersehen!« rief

sie, und schon war sie fort. Etwas

verwundert blickte ihr Olafs Mutter

hinterher. 24

Wohin

jetzt?

Zum

Sportplatz?

überlegte Bettina. Nein, erst noch

einmal nach Hause. Vielleicht war Blacky inzwischen wieder da. Nicht,

daß Olaf glauben könnte, sie hätte ir­

gendeinen Anlaß gesucht, um einzu­

lenken. Es war so, aber das zuzuge­

ben, verbot ihr der Stolz.

Wieder zu Hause, war kein Blacky da.

Von den Stufen vor der Haustür

aber erhob sich ein fremder junger Mann.

Halblanges

schene Jeans.

Haar,

verwa­

» Guten Tag«, sagte er. » Bin ich

hier bei Malischs?« »Ja«,

Rennen

gab

))Warum?«

Bettina zurück,

noch

außer

vom

' Atem.

Er lächelte. )) Ich heiße Sebastian

Mengel und bin der neue Mieter. Der

Bürgermeister schickt mich. Wann kommt denn deine Mutter?«

25

» Bald. «

dran,

Bettina

war drauf

kehrtzumachen

und

und

zum

Sportplatz zu laufen. Was interes­

sierte sie jetzt der Mieter! »Warte

mal«,

sagte

der

junge

Mann. » Du bist ja ganz durcheinan­

der, kann dir vielleicht einer was

helfen?«

» Mein Hund ist weg. «

» Dein Hund. «

» Blacky, so ein kleiner, schwar­

zer. « Plötzlich brach sie inTränen aus.

» Na, na«, sagte der junge Mann, et­

was

unbeholfen

angesichts

einer

weinenden Dame. )) Vielleicht ist er

nur mal stromern gegangen und

kommt wieder. «

» Blacky geht niemals stromern«,

erklärte Bettina. » Und das

Loch da im Zaun?«

fragte Herr Mengel und wies auf eine Stelle, wo das Erdreich frisch aufge-

26

kratzt war. Tatsächlich! Das sah aus,

als hätte Blacky einen Durchschlupf

gefunden.

Sebastian

Mengel sagte:

»Viel­

leicht tiat er eine Hundefreundin?«

Möglich war e�! Wenn Hunde­

rüden zu gewisser Zeit eine Hündin

wittern, unternehmen sie alles mög­

liche, um sie zu besuchen. Plötzlich

kam Bettina noch ein anderer Ge­

danke. » Und wenn der Förster ihn er­

wischt und abknallt?« » Komm,

dem

sagen

wir

Be­

scheid«, erwiderte Sebastian Men­

gel entschlossen. » Du weißt doch

sicher, wo das Forsthaus ist?«

»�Iar. « Bettinas Nase lief. Sie ZO"g

hoch, Herr Mengel gab ihr ein Pa­

piertaschentuch, das er aus seinem Rucksack nahm, der an der Haus­

wand lehnte. » Kann ich den schon

mal ins Haus stellen?« 28

»Ach, richtig«, entsann sich Bet­

tina. » Sie sind ja der Mieter. «

» So etwa«, sagte er, und Bettina

zeigte ihm gleich das Zimmer un­

term Dach, das er beziehen sollte.

Das Forsthaus, am Ende des Dor­

fes, schon etwas außerhalb, war ein

einsames Gehöft zwischen Siedlung

und Wald.

Des Förster� Dackel empfing die

Besucher kläffend. Doch als Bettina

ihn anrief, verstummte er, denn er

kannte ihre Stimme. Das Mädchen

war schon oft hier gewesen, meist

mit Blacky.

Natürlich war Bettina

auch dem Förster nicht unbekannt.

Sobald sie einander begegneten, be­

stürmte ihn das Mädchen mit Frag-en

nach Pflanzen und Tieren des WaI­

des. Ein/Beruf, der damit zu tun hatte,

würde ihr gefallen. Vorerst aber be­

drückte sie eine unschöne Wirklich-

29

keit, in der ihr lieber Blacky ver­

schwunden war und sie sich über­

haupt herumärgerte. Sie fanden den

Förster hinterm Haus beim Hunde­ zwinger.

Herr Mengel hatte kaum Zeit, sich

vorzustellen, da sprudelte Bettina ih­

ren Kummer schon heraus.

Förster Hartung seufzte. »Das. ist

natürlich

bedenklich,

Blacky stromert. «

daß

dein

»Weiß ich noch gar nicht sicher«,

klagte Bettina. »Aber was soll ich

jetzt machen?«

»Ihn sicher einsperren, sowie er

heimkommt. Denn du mußt verste­

hen, daß die Bestimmung, nach der

stromernde Hunde und Katzen zu er­

schießen sind, berechtigt ist. «

»Will ich nicht verstehen«, gab

Bettina zurück.

Doch Förster Hartung fuhr unbeirrt

30

fort:

» Sie können nämlich gefähr­

liche Krankheiten übertragen. Zum Beispiel die Tollwut. «

Bettina schwieg. Sie wollte nicht

schon

wieder

heulen,

schon

nicht vor den beiden Männern.

gar

» Sie müssen Bettina nicht Angst

machen«, mischte sich Herr Mengel

ein. »Wir wollten, daß Sie wissen,

daß Blacky gesucht wird. « Daraufhin

gab

Förster Hartung

den belehrenden Tonfall auf. » Natür­

lich werde ich ihn nicht aufs Korn

nehmen,

sondern

einsammeln,

wenn ich ihn treffe. Es ist

g ut,

daß

Sie hier waren, denn von dieser

schwarzer:!

einige. «

Zottelhundsorte

Da wurde Bettina leichter

gibt's ums

Herz. Am liebsten hätte sie den För­ ster umarmt.

Der zwinkerte ihr zu. »Wenn du 31

willst, zeig ich dir was. Das wird dich

bestimmt interessieren. «

Gespannt verfolgte das Mädchen,

wie Förster Hartung den Hundezwin­

ge( öffnete. Herr Mengel betrachteJe

inzwischen

eingehend

die

Ge­

wächse im Garten, was Bettina ko­

misch fand.

» Sieh mal!« sagte der Förster.

Da lag die Setterhündin Ira und bei

ihr fünf Welpen, die erst wenige

Tage alt sein konnten, denn ihre Augen waren noch nicht geöffnet.

Fünf Wollbällchen mit hellblondem

Flaumfell. Bettina bückte sich, um einen Welpen in die Hand zu neh­

men. Aber die sonst so friedliche Ira

knurrte

böse.

» Das

ist

Instinkt«,

sagte Förster Hartung. » Die Mutter

verteidigt die Kinder. «

»Aber wieso?« fragte Bettina. » Sie

kennt mich doch. « 32

»Trotzdem, du gehörst nicht zum

Rudel. Da.zu kommst du nicht oft ge­

nug. « Der Förster nahm ein Junges auf.

Und als

Ira

wieder

knurren

wollte, rief-er: »Aus! « Er gab Bettina den Welpen, den sie so gern strei­

cheln wollte, und erklärte: »Wenn

sie dich anknurrt, darfst du ihr das

nicht übelnehmen. Woher soll sie

wissen, daß du ihren Kleinen nichts tun willst? Ich bin -ihr Rudelführer.

Nur deshalb kann ich den Welpen

nehmen. «

Bettina gab dem Förster den Wel­

pen zurück, und der legte ihn zur Mutter, die ihr Junges gleich ab­

leckte, um es vom Menschengeruch zu befreien. Am Eingang stand Herr Mengel. Er

sagte: » Sie haben da ja sogar eine Bergkiefer.

hier. «

Die findet man selten

33

Der Förster hob überrascht die

Augenbrauen. » Ich hab's. wohl mit einem Fachmann zu tun?« »Wie

unterscheidet

Bergkiefer

von

einer

chen?« fragte Bettina.

man

eine

gewöhnli­

Herr Mengel wies zu dem Baum.

» Sie hat Zapfen, die aufrecht stehen,

während sie bei der Gemeinen Kiefer

hängen. «

» Sie kennen sich aber aus! « rief

Förster Hartung anerkennen
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