155 - Das Haus in Der Sonnengasse

August 26, 2017 | Author: gottesvieh | Category: Science, Astronomy, Nature
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Description

-'

Eva Janikovszky

Der verzauberte Regenschirm

Die kleinen Trompeterbücher

ßand 156

Eva Janikovszky

Der verzauberte Regenschirm

Der Kinderbuchverlag Berlin

Aus dem Ungarischen von Jörg Buschmann Originaltitel: A nagy zuM Illustrationen von Marianne Schäfer

Bill Wassiljewitsch MacKonov stand start­ bereit. Das heißt saß. Aber das tut nichts zur Sache, man kann auch im Stehen sitzen, Hauptsache, der Countdown hatte begonnen. "Neun, acht, sieben, fünf, vier, drei, zwei, eins,

zero",

zählte

Bill

Wassiljewitsch

MacKonov r ückwärts, obwohl das weiß Gott nicht zu seinen Pflichten gehörte. Aber was sollte er machen? Er war al­ lein. Die Rakete r ührte sich nicht von der Stelle. Zum Glück bemerkte Bill Wassiljewitsch MacKonov noch rechtzeitig, daß ihm beim Zählen ein Fehler unterlaufen war. Er hatte die Sechs ausgelassen. Blitzschnell riß er den Bremshebel zurück, der zugleich als automatische Startunterbrechung diente, beugte sich leicht nach vorn und begann die Zählerei von neuem. "Neun, acht, sieben, sechs, fünf, vier, drei, zwei, eins . . . " 5

"Was machst du da?" fragte plötzlich eine Stimme, so eine Stimme, die überall rein­ redet,

noch

MacKonov drücken

bevor

Bill

zero sagen,

und,

einen

Wassiljewitsch den

Startknopf

Flammenschweif

hinter sich herziehend, sich in die L üfte erheben konnte. Der Startschuß fiel zwar, doch

das

Raumschiff

hob

nicht

vom

Boden ab. Was Wunder, daß Bill Wassilje­ witsch MacKonov die Wut packte. "Laß mich in Ruhe, das geht dich nichts an!" sagte er barsch und beschloß, den Störenfried keines Blickes zu w ürdigen. Der Störenfried jedoch beschloß es an­ ders, denn er ging um die Signalstange der Bushaltestelle herum und starrte Bill Wassiljewitsch MacKonov dreist ins Ge­ sicht. "Eigentlich siehst du ganz normal aus", stellte der Störenfried fest und warf, des Nachdrucks halber, seine Zöpfe zurück. Dabei riß einer der beiden roten Einweck6

gummis, der die Zopfenden zusammen­ hielt, entzwei und fiel zu Boden. Zugleich löste sich der rechte Zopf, am linken je­ doch leuchtete noch immer hübsch rot der Gummi wie an den Einweckgläsern in der Speisekammer.

Um ein Haar hätte Bill

Wassiljewitsch MacKonov laut herausge­ lacht. Dabei war er alles andere als fröh­ licher Stimmung. "Hast du das bloß aus Quatsch gemacht, das mit dem Zählen?" erkundigte sich der Störenfried, jetzt zur Hälfte Königstochter, zur Hälfte Einweckglas. "Woher kannst du das, r ückwärts zählen?" Bill Wassiljewitsch MacKonov wäre am liebsten blaß geworden bei soviel Un­ verschämtheit. Doch er wußte nicht, wie man das machte. Die

Empörung aller­

dings löste seine Zunge. "Damit du es weißt, ich bin ein, Raum­ fahrer, und nun hab ich deinetwegen den Start verschieben m üssen . . . Ich wollte B

zum Mars fliegen", f ügte er hinzu und blickte vorwurfsvoll zum Himmel auf, wo er eigentlich schon mit der ersten kos­ mischen

Geschwindigkeit

hätte

dahin­

rasen können. "Was du nicht sagst!" Die Einweckglas­ prinzessin winkte ab. "Der Mars läuft dir nicht weg, Hauptsache, ich verpaß den Bus nicht, der kommt nämlich mal früher; ' und mal hat er eine halbe Stunde Ver­ spätung." Bill Wassiljewitsch MacKonov wollte dem Zwitterwesen einen Schreck einjagen. "Ich glaube, der ist schon weg", warf er kurz angebunden hin, und das gelang ihm diesmal

wunderbar:

plumpste der

Seine

Bemerkung

Einweckglasprinzessin re­

gelrecht vor die Füße. Die erschrak auch gründlich. " Der nach A porka-Majoshaz?" fragte sie eingeschüchtert. "Aber der kommt doch erst in zwanzig Minuten!" 9

"Was weiß ich, welcher Bus das war. " Bill Wassiljewitsch Achseln.

"Ich

MacKonov fahre

mit

zuckte dem

die

Raum­

schiff." "Aber wieso stehst du dann an der Bus­ haltestelle?" fragte das Zwitterwesen und leierte sich sein

Prinzessinnenhaar um

den Finger. "Weil das meine Abschußrampe ist", er­ widerte

Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

einsilbig. "Ich hab dich hier noch nie gesehen", wunderte sich das Mädchen. "Dabei fahr ich jeden Tag mit dem Bus." "Kannst du ja auch nicht", klärte sie Bill Wassiljewitsch MacKonov auf. "Ich hab doch das Raumschiff eben erst erfunden und die Abschußrampe dazu." "Ach so!" sagte die Einweckglasprinzes­ sin, denn das hatte sie nun endlich ver­ standen. Sie schwieg und zog mit dem rechten Bein Kreise auf dem Boden. 10

Bill Wassiljewitsch

MacKonov sah sich

gezwungen, von neuem das Wort zu er­ greifen. "Hast du denn noch nichts erfunden?" fragte er herablassend. "Ich bin der Sohn des Weißen Hirsches", sagte das Zwitterwesen. "Ach,

nicht seine Tochter?" fragte

Bill

Wassiljewitsch MacKonov, denn ehrlich gesagt, das überraschte ihn. "Nein", erwiderte sie entschieden. "Der Sohn des Weißen Hirsches. Das habe ich eben erfunden." "Na, viel ist das nicht gerade." Bill Was­ siljewitsch MacKonov gewann seine Kalt­ blütigkeit zurück, und er konnte es kaum erwarten, daß der Sohn des Weißen Hir­ sches ihn fragte, wie er denn hieße. Aber der fragte nicht. Wieder

war

es

an

Bill

Wassiljewitsch

MacKonov, die Unterhaltung voranzutrei­ ben. Und ausgerechnet das mochte er an 12

den Mädchen nicht leiden: Entweder sie redeten

wie

ein

Wasserfall,

oder

sie

schwiegen wie ein Grab. " Und welches Hobby hat der Sohn des Weißen Hirsches?" fragte er mit gespiel­ tem Interesse. Der Sohn des Weißen Hirsches verstand die Frage. "Ich zaubere, ich zaubere ein bißchen", sagte er bescheiden und zog dabei noch immer Kreise mit dem rechten Fuß. Dann fragte

er,

" Möchtest

plötzlich du

nicht

lebhaft ein

werdend:

kleines

Wild­

schwein sein? So ein hü sches kleines

9

gestreiftes Ferkelchen?"

.

"Nein, will ich nicht", erwiderte Bill Was­ siljewitsch MacKonov, einigermaßen ver­ dutzt, doch wie er so darüber nachdachte, wollte er es wirklich nicht. "Verzaubere dich lieber selber." "Gut",

willigte der

Sohn

des

Weißen

Hirsches auf der Stelle ein und zog nun 13

mit dem linken Bein einen Kreis. "Aber ich bin

nicht

so sicher,

ob es klappt,

du

mußt wissen, mit mir selber habe ich es noch nicht versucht. Vielleicht geht es gar nicht, aber dann zaubere ich dir etwas anderes, darauf kannst du dich verlas­ sen." Der Sohn des Weißen Hirsches ging hin­ über zu der Akazie, dann spähte er, die Hand über die Augen gelegt, die Straße entlang. Man konnte weit ins Land sehen, doch von einem Bus keine Spur. Allein eine schwarze Wolke zog heran, schneller als der Wind. Oder mindestens ebenso schnell, denn es hatte sich auch ein hef­ tiger Wind aufgemacht. Das w ürde viel­ leicht ein Unwetter geben! Der Sohn des Weißen Hirsches dachte einen Moment scharf nach, dann sagte er, auf

die

zeigend:

Signalstange

der

Haltestelle

"Das ist ein Schirm. Ein roter

Schirm mit blauen Streifen. Ich werde ihn 14

gleich öffnen",

und schon legten sich

seine Finger anmutig um den Pfosten. Natürlich reichten sie nicht herum, und so wandte der Sohn des Weißen Hirsches sich hilfesuchend an Bill Wassiljewitsch MacKonov.

" Er

klemmt

ein

bißchen,

kannst du mal mit zufassen?" Bill Wassiljewitsch MacKonow trat an die Stange heran. "Bei dir piept's wohl", sagte er zu dem Sohn des Weißen Hirsches. "Das ist die Startrampe meines Raumschiffs." Um die Mundwinkel des Indianers spielte ein leises Lächeln. "Wir werden ja sehen", sagte er bedeu­ tungsvoll. Und er b ückte sich und holte aus dem Sportbeutel zu seinen Füßen einen roten Schirm hervor, an den Rändern weiß und blau gestreift.

Mit einem einzigen Ruck

spannte er ihn auf. "Wie du siehst, komme ich auch ohne 16

deine Hilfe zurecht, ich wollte dich nur auf die Probe stellen", bemerkte er ohne jeden Spott und hielt den Schirm über seinen

Kopf,

und schon prasselten die

ersten Regentropfen hernieder. Bill Wassiljewitsch MacKonov platzte fast vor Wut. Und zudem wurde er naß, denn es regnete stärker und stärker. IIKomm doch unter den Schirm", redete ihm der Sohn des Weißen Hirsches be­ sänftigend zu. "Den Regen habe ich nur herbeigezaubert, damit der Schirm auch. einen Sin.n hat." Bill Wassiljewitsch MacKonov aber gab nicht nach, trotzig ließ er sich naß reg­ nen. "Ich bin kein Zuckerp ü ppchen", warf er dem Sohn des Weißen Hirsches von oben herab hin, obwohl diese Bemerkung nicht mehr so trocken herunterprasselte wie eben noch. Irgendwie war sie wohl naß geworden. 17

Der Sohn des Weißen Hirsches begann zu betteln:

"Komm schon, hier haben wir

beid� Platz!" Und er hielt den Schirm so, daß sein Prinzessinnenhaar pitschnaß wurde. Das Angebot jetzt noch zurückzuweisen wäre eine Beleidigung gewesen. Also nahm Bill Wassiljewitsch MacKonov den halben Schirm an und stellte sich darunter. Der Sohn des Weißen Hirsches weichte nun an der rechten Seite durch und Bill Wassiljewitsch MacKonov an der linken. "Wäre ich vorhin gestartet", verkündete Bill Wassiljewitsch MacKonov, "säße ich jetzt schön im Trocknen. Die Wolke da hätte ich längst hinter mir. Und darüber ist der Himmel blau. Zuerst hellblau, dann dunkelblau.

Ich w ürde der Sonne ent­

gegenfliegen. "

Und

da

der

Sohn

des

Weißen Hirsches nichts darauf erwiderte, fuhr er fort: "Ich denke, wir sollten einen 18

Schirm erfinden, der auch Seitenwände h at.

Die

bis

zum

Boden

reichen,

ringsherum. Dann w ürden wir überhaupt nicht naß, nicht vorn und nicht hinten, und an der Schulter auch nicht." In den Augen des Indianers zeigte sich Verwunderung. "Was du nicht alles weißt! Mir wäre so was nie eingefallen, ein Schirm, der bis zur Erde geht." Bill

Wassiljewitsch

Anerkennung,

MacKonov

wozu

es

auch

tat

die

leugnen,

außerordentlich wohl. "So was Besonderes ist das nun auch wieder nicht",

wehrte er das

Lob be­

scheiden ab. "Man muß sich nur mal ein bißchen

den

Kopf

zerbrechen,

dann

kommt man auf alles mögliche, woran andere noch nicht gedacht haben. " "Wenn der Schirmrand bis zum Boden reicht", sagte der Sohn des Weißen Hir­ sches sichtlich begeistert, "dann braucht 20

man ihn auch nicht festzuhalten.

Man

kann den Griff loslassen, der Schirm steht dann auch von allein, stimmt's?" Bill Wassiljewitsch MacKonov nickte. "Na klar, bloß braucht der untere Rand noch irgendein Gestell, genau wie das Dach. Damit er gespannt bleibt und einen Halt hat." "Und jetzt hat er einen Halt?" fragte der Sohn des Weißen Hirsches aufgeregt. "Aber ja", bestätigte Bill Wassiljewitsch MacKonov und nickte.

"Du kannst ihn

getrost loslassen. " Den Sohn des Weißen Hirsches freute es sichtlich, daß er den Schirmgriff auf der Stelle

hätte

destoweniger

loslassen hielt

er

können, ihn

nichts­

weiter

um­

klammert. "Jetzt werden wir nicht mehr an den Schultern naß!" verkündete er nun, ganz unnötigerweise,

denn es verstand sich

von selbst, daß sie nicht an den Schultern 22

naß wurden, wenn der Schirm eine Sei­ tenwand hatte, die obendrein noch bis zum Boden reichte. Auf dem Boden jedoch, direkt zu ihren Füßen, hatte sich unterdessen eine Pfütze gebildet, und sie wurde immer größer. Nicht mehr lange, Schuhe

unter

und sie setzte ihre

Wasser.

Der

Sohn

des

Weißen Hirsches trat einen kleinen Schritt zurück

und

blickte

Bill

Wassiljewitsch

MacKonov ins unergründliche Gesicht. "Eigentlich . . . ",

fuhr

er

zögernd

fort,

"wenn er Seitenwände hat . . . , wieso kann er nicht auch einen Boden haben? Was meinst du? Wenn der Schirm einen Boden hätte, w ürden unsere Schuhe nicht naß. Willst du nicht noch einen Boden dazu erfinden?" fragte er in aufmunterndem Ton. "Gut, wenn du willst, dann kriegt er auch einen Boden", stimmte Bill Wassiljewitsch MacKonov zu, doch sein Gerechtigkeits23

gefühl veranlaßte ihn, noch hinzuzufügen: "Den Boden, den hast natürlich du erfun­ den. " Der Sohn des Weißen Hirsches errötete unter dem Lob. "Ach wo!

Hättest du nicht die Seite.n­

wände erfunden, wäre ich nie auf die Idee mit dem Boden gekommen. Ehrenwort, nie im Leben." Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

war

in

Gedanken vertieft. "Also, jetzt hat er Seitenwände und einen Boden. Wir werden nicht mehr naß, das ist die Hauptsache. Aber ich bin sicher, wir könnten noch so manches dazuerfinden!" Und er blickte auf den Sohn des Weißen Hirsches, was der wohl dazu meinte. Der Sohn des Weißen Hirsches öffnete den Mund einen Spalt breit, als wollte er etwas sagen. Aber dann machte er ihn wieder zu, offenbar hatte er doch nichts sagen wollen. 24

Bill Wassiljewitsch MacKonov mußte lä­ cheln. " Meinst du nicht, daß es hier drin ziem­ lich finster ist, wenn der Schirm bis zur Erde geht und auch noch einen Boden hat?" Der

Sohn des Weißen Hirsches blickte

erstaunt drein. Es war sogar im Dunkeln zu sehen, dieses Erstaunen. "Aber

gewiß ist es

finster hier drin!"

pflichtete er bei und nickte dazu, dann warf

er

mit

einer

unerwarteten

Kopf­

bewegung das Prinzessinnenhaar zurück, so daß sich auch der andere Einweck­ gummi vom Zopf löste. " Und wie finster! Aber ich' mag nicht ohne Licht sein." "Fürchtest

du

dich

etwa?"

fragte

Bill

Wassiljewitsch MacKonov, und in seiner Stimme schwang ein Anflug von Scha­ denfreude mit. "Der Sohn des Weißen Hirsches kennt keine Furcht", erklärte Prinzessinnenhaar 25

w ürdevoll. " Besonders dann nicht, wenn an seiner Seite . . . Übrigens, wie heißt du überhaupt?" Endlich

war

der

Auge"nblick

gekom­

men. " Meine Freunde nennen mich Bill Was­ siljewitsch Erfinder

MacKonov", stellte sich der

vor.

"Kundschafter der Ersten

Internationalen

Raumflotte!"

Und

er

wartete auf die Wirkung seiner Worte. "Darf ich dich Mac nennen?" fragte der Sohn des Weißen Hirsches nach einigem Grübeln. Der

Kundschafter

der

Internationalen

Raumflotte nickte zum Zeichen des Ein­ verständnisses,

obwohl

es

ihm

lieber

gewesen wäre, er hätte endlich einmal wieder seinen vollen Namen gehört. Bis­ her

hatte

ihn

noch niemand fehlerlos

nachsprechen können. Niem·and in der ganzen Raumflotte. "Und kann Mac der Raumfahrer etwas 26

gegen die Dunkelheit erfinden?" Der Sohn des Weißen Hirsches sah ihn erwartungs­ voll an. " Mein Volk wäre Mac dem Raum­ fahrer dankbar, wenn er die Finsternis ver­ treiben w ürde." Bill Wassiljewitsch MacKonow, denn so bezeichnete er sich auch weiterhin, mit seinem

vollen

Namen,

warf

Prinzes­

sinnenhaar einen anerkennenden Blick zu. Sie wußte mit Worten umzugehen, auch wenn sie vom Erfinden nicht viel verstand. Daf ür war er ja zum Glück da. "Wenn es weiter nichts ist", sagte er. " Paß auf: Wenn wir irgendwo in die Schirm­ wand eine viereckige Öffnung schneiden, kommt dort das Licht herein." Dem Sohn des Weißen Hirsches verschlug es die

Sprache.

Er stand nur da und

staunte. " Und wenn du mehr Licht willst, machen wir die Öffnung einfach größer", fuhr Bill Wassiljewitsch MacKonov fort. "Klar?" 27

"Klar", wiederholte der Sohn des Weißen Hirsches. "Dort kommt das Licht herein. Und der Regen? Der Regen kommt dort nicht herein?" Bill

Wassiljewitsch

umwölkte sich.

"MacKonovs

Miene

Prinzessinnenhaar hatte

recht, daran hatte er nicht gedacht. Durch dieses Viereck w ürde es gewiß auch her­ einregnen. "Sehr richtig", lobte er den Sohn des Weißen Hirsches. " Eben darum muß ich etwas erfinden, was das Licht hereinläßt, aber den

Regen nicht.

Sagen wir, ein

außergewöhnlich dünnes Material. So mir nichts, dir nichts geht das natürlich nicht, das will erst erprobt sein." "Ach was, erfinde es einfach!" drängte der Sohn des Weißen Hirsches. "Wozu erst erproben?" Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

gab

schließlich, wenngleich ohne Gewissens­ bisse - er hatte es ja unterlassen, das 28

ungewöhnlich dünne Material zu erpro­ ben -, der Bitte nach. " Ich habe es erfunden", verkündete er. " Mac der Raumfahrer ist einer der ganz großen Erfinder!" schmeichelte der Sohn des Weißen Hirsches. Doch die schmeichelnden Worte vermoch­ ten

Bill

Wassiljewitsch

MacKonovs

Wachsamkeit nicht einzuschläfern. In der Ferne hörte er Motorengeräusch. "Der Bus kommt!" rief er, und tatsäch­ lich: Auf der Landstraße tauchte der Bus auf. "Das ist nicht unser", stellte der Sohn des Weißen Hirsches mit einem einzigen Blick fest, dabei war der Bus noch ziemlich weit weg, und es hätte ebensogut der sein können, auf den sie warteten. Aber er war es nicht. Der Bus fuhr an der Haltestelle

vorbei,

gleichmütig

seine

Scheibenwischer bewegend. "Jetzt könntest du aber auch mal was 30

erfinden", MacKonov

bemerkte

Bill Wassiljewitsch

griesgrämig.

Er

f ühlte

sich

mit einemmal unheimlich m üde. Wahr­ scheinlich vom vielen Erfinden, schließ­ lich war das ja auch kein Kinderspiel ge­ wesen. "Ich zaubere uns Wärme in den Schirm, gut?" sagte der Sohn des Weißen Hir­ sches bereitwillig.

" Und ich koche dir

einen Tee! Oder möchte Mac der Raum­ fahrer lieber

Mescal trinken, mit einer

Süßwurzel dazu, über kleinem Feuer ge­ backen?" Prinzessinnenhaar beugte sich voller Eifer nach links und nach rechts, und ein jedes­ maI streifte der nasse Schirm Bill Was­ siljewitsch MacKonovs Haar. "Wenn Mac der Raumfahrer zurückkehrt, ist der Tee fertig . . . " "Aha, ich bin also gar nicht hier?" fragte Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

verdutzt

und zog gereizt den Kopf unter dem nas31

sen Schirm hervor. "Ja, wo bin ich denn dann?" "Natürlich bist du nicht hier." Prinzes­ sinnenhaar strahlte ihn an. "Denn wärst du hier, könnte ich dich nicht zurücker­ warten, und ich könnte dich weder mit Tee noch

Mescal bewirten.

kleinem Oder

Feuer

Magst du

gebackene

über

Süßwurzel?

soll ich dir lieber Knoblauchbrot

rösten?"

Und während sie dies sagte,

tanzte der Schirm in ihrer

Hand ohne

Unterlaß. "Wärst du jetzt hier, könnte ich dich

nicht

zurückerwarten

in

diesem

schönen, trockenen, hellen und freund­ lichen Schirm, den du erfunden hast. " Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

war

in

Gedanken vertieft. "Sehr richtig, wäre ich nicht hier,' m üßte ich da draußen sein.

Und wäre ich da

draußen, müßte ich doch irgendwie in diesen

schönen,

trockenen, hellen und

freundlichen Schirm hereinkommen. Aber 32

wie komme ich herein, wenn er überall bis zum Boden reicht?" In

der

Tat,

das

war

eine

verzwickte

Frage. "Das wirst du noch erfinden." Prinzes­ sinnenhaar lächelte ihn an, und im Nu war Bill Wassiljewitsch MacKonovs schlechte Laune wie weggeblasen. Das grenzenlose Vertrauen, das ihm aus den Worten des Indianers

entgegenschlug,

verlieh

ihm

Flügel. "Ich hab's!" rief er schon im nächsten Augenblick und erklärte dazu: " Paß auf, ich mache mit meinem Dolch hier vorn an der Schirmwand einen so langen Schnitt, daß ich hindurchpasse.

Und wenn ich

hinauskomme, dann komme ich wieder herein, stimmt'!J?" Prinzessinnenhaar begann vor Freude zu hüpfen. "Ich

wußte doch,

daß du es erfinden

würdest. Ich wußte doch, daß du es er34

finden w ürdest!" Und Bill Wassiljewitsch MacKonov verließ gemessenen

Raumfahrerschritts

den

Schirm, der ihm ständig auf den Kopf schlug. Ganz augenscheinlich durch den Spalt, den er gerade erst erfunden hatte. "Also, dann warte ich jetzt auf dich", sagte der Sohn des Weißen Hirsches laut, doch offenbar mehr zu sich selbst.

"Ja, wo

bleibt er denn nur, Mac der Raumfahrer? Sie werden ihn doch nicht auf irgend so einem Stern festhalten? Aber nein, be­ stimmt treibt er sich wieder in der Milch­ straße herum. Oder er hat den Großen Wagen gestoppt, ich kenn doch meinen Mac. Er müßte längst da sein! Hoffentlich setzt er sich den Raumhelm auf, sonst holt er sich noch einen Schnupfen, so wie es hier draußen regnet." Denn es war ein richtiger Platzregen, es goß wie aus Kannen. Und Bill Wassilje­ witsch MacKonov war draußen im Regen. 35

Der Sohn des Weißen Hirsches bedauerte ihn. "Das

ist

das

Knattern

seines

Raum­

schiffs", stieß er plötzlich hervor, "unter tausend Raumschiffen hör ich es heraus, es tuckert so hübsch; sehr schön, gleich wird es auf dem Boden aufsetzen, das Tee­ wasser kocht schon, und auch die Süß­ wurzel ist bald gar!" Und

wirklich,

Wassiljewitsc



schon

näherte

MacKonov

sich

Bill

dröhnenden

Raumfahrerschritts. ' Der Sohn des Weißen Hirsches begrüßte ihn. "Tritt über die Schwelle meines beschei­ denen Zelts, Mac!" Bill Wassiljewitsch MacKonov stutzte. "Was hast du gesagt?" fragte er. Die Röte der Verlegenheit überzog das Gesicht des Indianers. "Na, daß du über die Schwelle meines bescheidenen Zelts treten sollst", wieder36

holte er. "Wieso? War das falsch?" "Das ist es ja!" brach es bitter. aus Bill Wassiljewitsch MacKonov hervor, und in seinem Zorn warf er den Schirm auf den Boden. "Das Ende vom Lied ist immer: Es ist alles schon erfunden! Wie lange zer­ martere

ich

mir

den

Kopf,

um

einen

Schirm zu erfinden, dessen Wände bis zur Erde reichen, der an den Seiten zu ist und der einen Boden hat und aus dem man heraus

kann

und

in den man hinein­

kommt, und dann stellt sich heraus, daß es nichts weiter ist als ein lausiges Zelt! Und schon längst erfunden! Immer ist das das Ende vom Lied!" Erschüttert vernahm der Sohn des Wei­ ßen

Hirsches

Bill

Wassiljewitsch

Mac­

Konovs bittere Worte. Er hob den Schirm auf, schüttelte die daran haftenden Blätter ab und hielt ihn über Mac den Raum­ fahrer. , Na ja, aber so ein lausiges Zelt ist doch � 37

nicht aus einem Schirm gemacht", ver­ suchte er den Erfinder zu trösten. "Das Schirmzelt hast du erfunden, oder? Und auch das Raumschiff hast du erfunden und die Abschußrampe, stimmt's?" Bill Wassiljewitsch MacKonov mochte es nicht, wenn man ihn tröstete. " Laß mich in Ruhe!" sagte er zu dem Sohn des Weißen Hirsches, und abermals stellte er sich hinaus in den Regen. "Nie wieder werde ich etwas erfinden. Da können sie lange warten!" Der Sohn des Weißen Hirsches wußte sich keinen

Rat.

Er wagte nicht,

Mac noch

einmal den Schirm anzubieten, da wurde er schon lieber selber naß. Bill Wassiljewitsch MacKonov ging rastlos zwischen den beiden Akazienbäumen auf und ab. Prinzessinnenhaar folgte ihm nur mit dem Blick: ihr Kopf drehte sich von links nach rechts und von rechts nach links, bis sie es satt bekam und sich an 38

Macs

Fersen

heftete,

den

geöffneten

Schirm hinter sich herziehend. Und auch ihr Mundwerk blieb dabei nicht stehen. "Also hör mal, warte doch, bleib schon stehen, bei mir klap pt es ja auch nicht jedesmal, das mit dem Zaubern, glaub mir, es klappt auch nicht jedesmal! Viel­ leicht kann ich es auch gar nicht richtig, vielleicht bloß

kann ich es überhaupt nicht,

manchmal,

weißt du,

bleib doch

endlich stehen! Verstehst du denn nicht: Wenn ich es könnte, hätte ich längst den Bus herbeigezaubert, wo es doch so gießt, nicht? Wenn ich nur ein ganz klein biß­ chen da . . .

zaubern

könnte,

wäre

er

schon

"

In diesem Augenblick bremste auf der Straße ein Lastauto, dann fuhr es rück­ wärts bis an den Signalmast der Bushal­ testelle. "Was

ist denn

hier

los? Kurzstrecken­

wettlauf?" fragte der Fahrer und öffnete 39

die Wagentür. "Statt daß ihr euch unter den Schirm stellt! Los, kommt rein, der Bus hat vor der Kurve eine Panne, da könnt ihr lange warten!" "Aber zaubern kannst du nicht, was?" flüsterte

Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

seiner Gefährtin höhnisch zu, während sie sich

am

Fahrerhaus

hochangelten.

"Kannst du nicht! Auch nicht ein ganz klein wenig!" Der Sohn des Weißen Hirsches schwieg beschämt. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn: Hatte er vielleicht doch dieses Last­ auto hergezaubert? Aber selbst wenn nicht - der Verdacht blieb an ihm hängen. Mac der Raumfahrer würde es ihm nie verzeihen. "Setzt euch auf die Unterlage hier, sonst hab ich nachher eine Pfütze auf den Sit­ zen." Der Fahrer reichte den beiden ein Stück Plane. Der Sohn des Weißen Hirsches saß ganz 40

außen an der T ür, und er hielt den zusam­ mengeklappten

roten

Schirm fest

um­

klammert. In der Kabine war es mollig warm. Sie fuhren los. " Leg den nassen Schirm auf den Boden, du brauchst dich doch nicht daran fest­ zuhalten! Ich fahre direkt bis zum Gut, wo soll ich euch absetzen?" Gehorsam legte der Sohn des Weißen Hirsches den Schirm neben seine Füße, doch seine Antwort fiel so leise aus, daß er den Satz wiederholen mußte, weil der Fahrer nichts verstanden hatte. "Würden Sie uns bitte an der Querstraße vor der

Himbeerplantage absetzen, am

Ende der Pappelallee." Bill Wassiljewitsch MacKonov starrte auf die Scheibenwischer. "Warum habt ihr euch nicht unter den Schirm gestellt?" fragte der Fahrer, um eine Unterhaltung in Gang zu bringen. 41

Der Sohn des Weißen Hirsches sah Bill Wassiljewitsch MacKonov ratlos an. Aber der war ausschließlich mit den Scheiben­ wischern beschäftigt. Vielleicht auch mit seinen Gedanken, auf jeden Fall sagte er nichts. "Er ist kaputt", erwiderte endlich der Sohn des Weißen Hirsches. " Man kann sich nicht mehr druntersteIlen." Der Fahrer zündete sich eine Zigarette an, sicher wußte er gar nicht mehr, was er soeben gefragt hatte. Noch eine Kurve, und sie hatten die lange Gerade vor sich. Am Ende der Pappelallee kam unverhofft zwischen

dunklen

Gewitterwolken

die

orangengelbe Sonne hervor. "Der

Regen

hat aufgehört",

sagte

Bill

Wassiljewitsch MacKonov. "Sie können die Scheibenwischer abstellen. " "Gut, daß du mich daran erinnerst, mein Junge, das vergesse ich öfter mal. Man achtet nur auf die Straße und merkt über42

haupt

nicht,

ob

es

noch

regnet

oder

nicht." Der Fahrer stellte die Scheibenwischer ab und fuhr langsamer. Sie waren an dem bewußten Querweg angelangt. "Also, dann macht's mal gut, nehmt die Beine unter den Arm, damit ihr euch nicht erkältet!" Das Lastauto hielt an, der Fahrer öffnete die Tür. Der Sohn des Weißen Hirsches warf einen forschenden Blick auf Bill Wassiljewitsch MacKonov, aber der sprang gleichzeitig mit ihm vom Wagen herunter. "Vielen Dank auch!" rief Prinzessinnen­ haar zum Abschied dem Fahrer nach, der inzwischen weitergefahren war. "Wohnt ihr denn auch hier?" fragte der Indianer den an seiner Seite trottenden Bill Wassiljewitsch MacKonov, als sie den Feldweg hatten.

schon "Wenn

zur ihr

Hälfte nämlich

hinter

sich

nicht

hier

wohnt, ist es besser, du bleibst auf der 43

Landstraße, von hier ist es weiter zum Dorf. Wir wohnen dort", und sie zeigte auf ein gelbes Haus in der Ferne. Vielleicht war das Haus auch gar nicht gelb,

son(jern wirkte nur

so,

weil die

orangengelbe Sonne darauf schien. "Aha",

sagte

Bill

Wassiljewitsch

Mac­

Konov. Und dann fragte er in gespieltem Gleichmut: " Und wo ist dein Schirm?" "Mein Schirm?" Vor lauter Schreck blieb der Sohn des Weißen Hirsches stehen und blickte zurück. "Der ist im Auto geblieben. Eine schöne Bescherung!" "War

deine

Zauberwissenschaft

da

drin?" Der Sohn des Weißen Hirsches guckte dumm aus der Wäsche. Dann fiel bei ihm der Groschen. "Ja", sagte er, und seine Augen wurden einen Schein dunkler. "Jetzt steht es fest: Ich werde nie wieder zaubern können." "Kommt er denn nicht z-urück, wenn du 44

ihn

irgendwo

liegenläßt?"

fragte

Bill

Wassiljewitsch MacKonov mißtrauisch. Der Sohn des Weißen Hirsches senkte den Kopf.

Das

nasse

Prinzessinnenhaar

klatschte ihm in die Stirn. "Ich hab ihn noch nie liegenlassen", er­ widerte er leise, aber Tränen standen ihm dabei nicht in den Augen, denn ein India­ ner weint nur höchst selten. Bis zum gelben Haus wechselten sie kein einziges Wort mehr. "K�mmst du mit,rein?" fragte der Sohn des Weißen Hirsches am Zaun in einem Tonfall, als wäre es ihm völlig egal, ob Bill Wassiljewitsch MacKonov nun mit her­ einkam oder nicht. Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

pflanzte

sich im Gartentor auf und musterte das gelbe Haus. Denn gelb war es, auch ohne Sonne, sonnenscheingelb. Der

Sohn

des Weißen

Hirsches folgte

seinem Blick. Dabei kannte er das gelbe 46

Haus schon, er wohnte ja seit zwei Jahren darin. "Na ja", sagte schließlich Bill Wassilje­ witsch MacKonov, ,;ein Dach, vier Wände, Fenster,

eine

Tür.

Keine

so

große

Sache." "Natürlich

nicht",

pflichtete

Prinzes­

sinnenhaar, etwas gekränkt, dem Raum­ fahrer bei. "Aber wir haben uns trotzdem riesig gefreut, als es fertig war." "Eine tolle Erfindung, so ein Haus, ich muß schon sagen", brummte Bill Was­ siljewitsch MacKonov. "Weißt du, was ich glaube? So ein Haus ist e"enfalls aus dem Zelt entstanden, als man es erfunden hatte. Und das Zelt habe ich auch erfunden, innerhalb von zehn Minuten. " "Unser

Haus ist in einem halben Jahr

gebaut worden, und wir haben sogar noch dabei geholfen. Und vorher haben sie sich allesamt ein Jahr lang den Kopf zerbro­ chen, wie es aussehen soll. Vati und Onkel 47

Mihaly

haben

meine

sämtlichen

Hefte

damit vollgekrit�elt. Selbst die Zeitungs­ ränder. Alles, was es an Papier im Hause gab. Damals wohnten wir noch bei meiner Großmutter in A porka. Aber hier ist es viel besser. Kommst du?" In dieser Frage lag schon ein leises Drän­ gen. Und auch Ungeduld. Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

tat,

als

hätte er nicht gehört. .

"Wir haben früher auch bei meiner Großmutter gewohnt, aber in Budapest", sagte er. " Und ich kann jederzeit wieder zurück zu ihr, wenn ich will. Ich habe es dort viel besser. Da ist die ganze Raumflotte und so. Und hier kenne ich keinen. " "Na dann, tschüs", sagte der Sohn des Weißen Hirsches und machte auf dem Absatz kehrt. Die Gartentür klinkte nicht ein, als er hineinging, sie schwang zurück, als wollte sie offenbleiben, fiel aber endlich doch ins Schloß. 48

Prinzessinnenhaar hatte bereits das Ende des Kieswegs erreicht, als Bill Wassilje­ witsch MacKonov ihr nachrief: "Warte!" Der Sohn des Weißen Hirsches blieb an der Treppe stehen, drehte sich um, ohne jedoch einen Schritt zurückzukommen. Er wartete. Bill Wassiljewitsch MacKonov stieß das Gartentor auf und lief den Kiesweg ent­ lang. "Kannst du mir eine Tretmühle borgen?" fragte er. " Bloß für eine Viertelstunde. " "Silberner Blitz steht dem fremden Bleich­ gesicht zur Verfügung", sagte der Sohn des Weißen Hirsches. "Dort in der Garage, die Tür ist offen, du kannst ihn dann wieder hineinstellen. " Damit neigte er den Kopf vor Bill Was­ siljewitsch MacKonov und ging ins Haus. Sogar die Tür klinkte er diesmal richtig

zu.

Bill Wassiljewitsch MacKonov ging zur 50

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Garage, in der sogar vier Fahrräder stan­ den. Und ein Motorrad. Und selbst f ür ein Auto war dort noch Platz.

Er erkannte

Silbernen Blitz auf den ersten Blick: Sil­ berne Federn schmückten das Netz am Hinterrad. Der Sattel schien ihm etwas zu niedrig, als er sich darauf schwang, aber vielleicht war es auch nur ungewohnt. Um die Wahrheit zu sagen - das Rad war viel besser als sein eigenes. Bill Wassiljewitsch MacKonov jagte auf dem Silbernen Blitz davon, und als er auf der

Landstraße war, legte er die erste

kosmische Geschwindigkeit ein. Natürlich war Silberner Blitz inzwischen das Leit­ schiff der Raumflotte geworden. Er hätte bestimmt noch mehr herausholen kön­ nen, aber wenn man im Verband flog, mußte man Disziplin halten. Doch jetzt flog Bill Wassiljewitsch Mac­ Konov nicht im Verband. Allein raste er der 52

Sonne

entgegen.

Rechter

Hand

glitzerte das Wasser der Kleinen Donau, ihre Ufer waren schilfbewachsen. Jeden­ falls war es hier viel schöner als in der Damjanich-Straße in Budapest. Und die Hufe

des

Silbernen

Blitzes klapperten.

Aber vielleicht war es auch die Kette, die irgendwo anschlug. Eine

halbe

Stunde

später

klopfte

Bill

Wassiljewitsch MacKonov keuchend und erhitzt an die Tür des gelben Hauses. Er hätte auch klingeln können, aber auf die Idee war er gar nicht gekommen. Der Sohn des Weißen Hirsches öffnete die Tür, das Prinzessinnenhaar war in Flech­ ten

gelegt,

auf

dem

blauen

Pullover

prangte eine große orangengelbe Sonne. Sie ähnelte der wirklichen, die sich gerade anschickte, hinter dem Akazienwäldchen zu verschwinden. Bill

Wassiljewitsch

MacKonov

wischte

sich die Stirn mit dem Jackenärmel. " Ich hab das Rad in die Garage gestellt!", 53

sagte er mit erstickter Stimme. "Danke. " Der Sohn des Weißen Hirsches stand in der Tür, mit seiner orangengelben Sonne auf dem Pullover, und schwieg. "Silberner

Blitz

ist

das

schnellste

Schlachtroß, das ich jemals . . . ", begann Bill

Wassiljewitsch

MacKonov,

noch

immer außer Atem. "Also, es macht sei­ nem Namen alle Ehre . . . Einen so schnell­ füßigen Hengst wie Silbernen Blitz gibt es in der ganzen Prärie nicht noch ein­ mal. " Der Sohn des Weißen Hirsches sah Bill Wassiljewitsch MacKonov unverwandt an und sagte kein Wort. "Was stierst du mich so lange an, du blöder Indianer, ich hab dir doch deinen Schirm vom Gut geholt! Ich hab das Last­ auto gerade noch erwischt!" brach es nun aus Bill Wassiljewitsch MacKonov hervor, und er warf Prinzessinnenhaar den roten Schirm, 54

den

er

bisher

hinter

seinem

Rücken verborgen gehalten hatte, vor die Füße. Die orangengelbe Sonne auf dem blauen Pullover leuchtete auf, wieso, das läßt sich nicht genau sagen.

Vielleicht, weil das

Sonnenlicht

die

schien,

durch

vielleicht

aber

Blätter auch,

darauf

weil

der

Lampenschein vom Korridor sie beleuch­ tete, als die Tür aufging. "Warum rufst du deinen Freund nicht herein,

Veronka?/I

fragte

eine

Frauen­

stimme. " Gerade ist der Tee fertig, und es gibt geröstete Knoblauchschnitten dazu./I Der Sohn des Weißen Hirsches bückte sich nach dem roten Schirm auf der Erde, dann hielt er die Korridortür auf. " Möge

Mac

der

Raumfahrer

über

die

Schwelle unseres bescheidenen Heimes treten!/I Und Mac der Raumfahrer trat darüber. Von der Küche her duftete es stark nach 56

Tee

und Toastbrot.

An die fünf

Leute

saßen um den Tisch herum. "Dich kennen wir noch nicht, stimmt's7" fragte

die

Frau

und stellte

noch eine

Teetasse auf den Tisch. "Das ist Bill Wassiljewitsch MacKonov", stellte

der

Sohn

des

Weißen Hirsches

seinen Gast vor. Und Bill Wassiljewitsch MacKonov war so glücklich wie noch nie.

Endlich konnte

jemand seinen vollen Namen sagen! Und er beschloß, ihn auch dann zu tragen, wenn er ein Indianer wurde. Höchstens würde er sich dann Bill Wassiljewitsch MacKonov, Sohn der Lüfte, nennen. Als er die erste Henkeltasse ausgetrunken hatte, fiel ihm ein, er könnte doch eigent­ lich einen Scheibenwischer erfinden, der sich von selbst einschaltet, wenn es zu regnen

beginnt,

und sich

wieder

aus­

schaltet, wenn es zu regnen aufhört. Er teilte seine Idee auch sogleich dem Sohn 58

des Weißen Hirsches mit. "Wenn du ihn erfunden hast, schicken wir den ersten, der fertig ist, unserem Last­ wagenfahrer", sagte der Sohn des Wei­ ßen Hirsches. Bill Wassiljewitsch MacKonov nickte, er war einverstanden. Nach der zweiten Tasse Tee kam ihm in den Sinn, er müßte etwas erfinden, wovon es im Raumschiff nach Zitronentee und gerösteten

Knoblauchschnitten

roch,

selbst wenn es Abendbrot nur aus der Tube gab. Denn das war ein äußerst lieb­ licher Geruch. Aber diesen Einfall gab er dem Sohn des Weißen Hirsches nicht preis. Er wollte seine Erfindung in aller Stille machen, und so größer würde dann die Über­

um

raschung sein, wenn er mit den Indianern zum erstenmal ins All startete.

59

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Mitten in Berlin wohnt das Mädchen Mirjam. Es ist elf Jahre alt. Wer ihr begegnet, wird sie für ein Mädchen wie jedes andere halten. Mirjam aber ist ein besonderes Mädchen, sie ist eine Märchenerfinderin.

Schuld

daran

ist

ihre

Schwester Kati. Sie fragt viel. Wenn Mirjam keine Antwort weiß, erfindet sie ein Märchen.

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"Der eine Mann hieß Herr Korkenbeutel, der zweite Mann hieß Herr Pappelberg, und der dritte

Mann

Schaufler.

hieß

eigenartigerweise

Herr Schaufler wußte, daß

Korkenbeutel

Herr

Korkenbeutel

hieß

Herr Herr und

Herr Pappelberg Herr Pappelberg. Herrn Kor­ kenbeutel war bekannt, daß Herr Pappelberg Herr Pappelberg hieß, und genauso wußte Herr Pappelberg, daß Herr Korkenbeutel Herr Kor­ kenbeutel war. Daß aber Herr Schaufler Herr Schaufler hieß, das wußte niemand." Könnt Ihr das Rätsel lösen?

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DIE KLEINEN TROMPETERBÜCHER "Damit du es weißt, ich bin ein Raum­ fahrer, und nun hab'ich deinetwegen den Start verschieben müssen ..." - Bill Was­ siljewitsch

MacKonow,

genannt

Mac,

ist wütend. Soeben hat er ein Raum­ schiff erfunden und die Bushaltestelle zur

Abschußrampe

erkoren,

um

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Mars zu fliegen, da stört ihn diese Veron­ ka mit ihren ewigen Fragereien. Doch bald entdeckt Mac: Veronka kann zau­ bern. - Augenzwinkernd erzählt Eva Ja­

nikovszky diese kleine Alltagsgeschichte und öffnet dem Leser das unerschöpf­ liche Reich der Phantasie.

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