131 - Sieben Löffel Pudding

August 27, 2017 | Author: gottesvieh | Category: Nature
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Band 131 Sieben Löffel Pudding Günter Saalmann Inhalt: eher unpolitisch; Geschichten mit und um die Drittkläßler Ulrike Veilchenbaum und Jörg Hausmann.

Für Leser von 8 Jahren an 1. Auflage 1978 Illustrationen von Elli Graetz © Der Kinderbuchverlag Berlin

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SIEBEN LÖFFEL PUDDING Jörg ist an allem schuld! Ulrike sitzt am Tisch mit hochgezogenen Schultern, klein zwischen Mutter, Vater, Fräulein Wagereit, Frau Hausmann und Jörg Hausmann, der an allem schuld ist. Woran? Na woran schon! Ulrike starrt böse in ihr Puddingschüsselchen. „Was ist los, Ulrike”, fragt Mutter besorgt, „warum ißt du nicht?” Da schlägt Ulrike ihren Löffel tief in diesen garstigen Pudding. Mund auf! Den ersten Löffel. Ja, Jörg ist an allem schuld. Heute früh in der Schule hat es schon angefangen, Man darf gar nicht daran denken. Alle haben Ulrike heute früh geärgert. „He, Ulrike, frißt dein Kater nicht?”

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„Hu, was bist du für eine Sauertöpfin!“ „Ho! Was ist los mit dir?” He, hu, ho! Jörg Hausmann zeichnete an die Wandtafel ein Mondgesicht mit herabhängenden Mundwinkeln. Darunter schrieb er ein großes U. An anderen Tagen tanzt Ulrike Veilchenbaum über Tische und Bänke. Heute aber, saß sie stumm auf ihrer Schulbank und baute aus ihren Malfarben kleine Türmchen. Natürlich kippten sie immer wieder um. Zum Trotz! Warum, warum? Ulrike hatte etwas Wichtiges vergessen. Etwas sehr, sehr Wichtiges. Nein, keine Hausaufgaben. Überhaupt nichts für die Schule. Aber etwas genauso Wichtiges @ Die Klingel schrillte. Die Kinder polterten an ihre Plätze, und Fräulein Wagereit betrat das Klassenzimmer. Sie legte ihre Aktentasche aufs Pult und wartete, bis absolute Ruhe herrschte.

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Jörg meldete die Klasse 3b zum Unterricht bereit. Zwischen den Bankreihen lag das Braun aus Ulrikes Malkasten, halb in einer Dielenritze, von den poltrigen Kinderbeinen in hundert Krümel zertreten. „Immer bereit!” antworteten die Kinder fröhlich auf den Gruß der Lehrerin. Jörg zog einen feierlichen Blumenstrauß hinter dem Rücken hervor und gratulierte Fräulein Wagereit zum Internationalen Frauentag. Heute war der 8. März! Fräulein Wagereit errötete vor Überraschung. Ulrike – vor Ärger. Ihre verflixte Vergeßlichkeit aber auch! Dabei hatte sie gestern nachmittag dem alten Pappeholz von der LPG noch großartig beim Transparentmalen geholfen: „WIR DANKEN UNSEREN WERKTÄTIGEN MUTTERN! Sollte sie nun heute abend ihre Mutter zu dem Transparent führen und sagen:

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„Das große W am Anfang ist für dich. Etwas anderes habe ich leider nicht zur Hand ...”? „Nun, und was schenkt ihr euren Muttis Schönes?” fragte prompt Fräulein Wagereit. „Ein Nadelkissen!” „Eine Tasche für Messer und Gabel!” „Meine Taucherbrille, zum Zwiebelschneiden!“ Alle hatten eine Idee gehabt. Und natürlich hieß es in der Zeichenstunde: Mein Geschenk zum Internationalen Frauentag. Was sollte Ulrike zeichnen? Dabei wäre in der letzten Woche genug Zeit gewesen, sich ein Geschenk. auszudenken. Statt dessen hatte sie im Schaukelstuhl geschaukelt, mit Fürst Igor, ihrem verwöhnten gelben Kater, gespielt und Bilder gemalt. Malen – ja, das konnte sie! Immer fiel

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ihr etwas Lustiges ein: Flugzeuge mit Blumenpropellern, Wolkengesichter mit hohen Frisuren, fliegende Karussells am Himmel @ Alles wunderschön. Nur nichts Passendes für den 8. März. Ulrike starrte zur Decke. Und das in ihrem Lieblingsfach. Ihr Banknachbar Jörg starrte gleichfalls zur Decke, nur aus anderem Grund als sie. Er hätte schon was zu malen gewußt: den Stiefelknecht, den für seine Mutter ausgesägt hatte, damit sie sich beim Stiefelausziehen nicht mehr so quälen mußte. Für praktische Sachen hatte Jörg Geschick – aber fürs Malen? Du lieber Himmel! Punkt, Punkt, Komma, Strich – und er war am Ende mit seiner Kunst. Nein, lieber starrte er zur Decke und schielte von Zeit zu Zeit zu Ulrike, ob es nicht was zum Abmalen gäbe.

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Mund auf! Den zweiten Löffel von diesem Unglückspudding. Ja, Jörg ist an allem schuld, was später geschah. Wieso hatte er auch auf Ulrikes Zeichenblatt zu schielen? „Fräulein Wagereit, Fräulein Wagereit!“ „Nun, was gibt’s, Jörg?“ „Gibt es zinnoberroten Napfkuchen?“ Die Lehrerin überlegte. Zinnoberroten Napfkuchen? Sie hatte noch keinen gegessen. „Nun, höchstens auf sehr modernen Bildern@ Hast du etwa einen gemalt?“ „Nein, einen braunen“, verkündete Jörg stolz und hielt sein Zeichenblatt in die Höhe. „Aber die Ulrike, die hat ...“ Fräulein Wagereit besichtigte Ulrikes Blatt. Ja tatsächlich, ein zinnoberroter Napfkuchen prangte auf einem himmelblau gedeckten Tisch. Um den Tisch saßen: Die

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Mutter, die mit einem gewaltigen Messer das gemalte Frauentagsgeschenk anschnitt. Der Vater. Ein Mädchen mit einer Tüllschleife in der Ponyfrisur – Ulrike selbst. Außerdem waren da noch drei Stühle, auf denen aber niemand saß. Auf dem Fußboden hockte Fürst Igor und schaute sehnsüchtig nach dem Napfkuchen. Sogar den Schnurrbart leckte er sich. Das alles hatte Ulrike sich in der kurzen Zeit ausgedacht. Jörg brauchte bloß den Kuchen abzumalen und die Farbe zu verändern: Man glaubte einen braunen zu erblicken @ Doch nicht sein Blatt zeigte Fräulein Wagereit der ganzen Klasse: „Eine lustige Feiertagsgesellschaft!“ lobte sie. „Und warum hat Ulrike den Kuchen wohl rot gemalt?“ Nur wenige hoben die Hand. „Es ist ein Arbeiterkuchen“, sagte einer, als wäre der Kuchen eine Fahne. „Es ist rote Grütze!”

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sagte ein anderer. He, hu, ho! Keiner bemerkte die wütenden Tränchen in Ulrikes Augenwinkeln. Sie wußte nicht: Ärgerte sie sich mehr über die dummen Antworten oder mehr darüber, daß es Ihren Kuchen in Wirklichkeit nicht gab? Dieser Kuchen – und dazu selbstgebacken –, der hätte ein Geschenk abgegeben! Was wußte Jörg schon: „Und Kater fressen zinnoberroten Napfkuchen, oder was es sein soll, schon gar nicht!“ Was sagte er da? Sie fressen ihn nicht?? „Sie fressen ihn!“ „Sie fressen ihn nicht!“ „Sie fressen, fressen, fressen ihn!“ „Sie tun’s nicht! Zinnober ist giftig, haha, hähä @“ So schnell konnte Fräulein Wagereit nicht eingreifen: Ulrike hatte ihr schönes Bild blitzschnell zur Kugel geknüllt und stopfte es Jörg mit den Worten: „Da hast du

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deinen giftigen Kuchen!“ in den aufgesperrten Mund. „Humhumhum, humhum“, machte Jörg bloß. „Nun ist aber Schluß!“ rief Fräulein Wagereit außer sich und zog mit spitzen Fingern das Papier aus Jörgs Mund heraus. Zum Glück klingelte es. Mund auf! Den dritten Löffel. Dieser Pudding will nicht rutschen. Ja, Jörg ist an allem schuld. Weshalb tut er sich dicke mit seiner Mutter, die als Chefköchin in der LPG-Küche angeblich jede Woche rote Grütze kocht? Nach der Schule schlurrte Ulrike durch den Frühlingsmatsch am Straßenrand nach Hause. Tief in Gedanken. Was nutzte es ihr, wenn in den Bäumen schon der Star

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pfiff? Wenn alle Welt froh und heiter war? Sie hatte deswegen doch lange kein Geschenk für ihre Mutti: Selbst das Bild aus der Zeichenstunde – es war hin, zwischen Jörgs Zähnen zerknautscht und zerknittert. Jörg patschte auf der anderen Straßenseite durch den Schlamm. Zwischen ihm und ihr lag die Pf1asterstraße in ihrer ganzen Breite. Beim Poststein mußte er herüberkommen, denn er war ja nicht nur ihr Banknachbar, er wohnte auch auf Ulrikes Seite. Der Ranzen baumelte am Riemen in seiner Hand. Man merkte, er wollte sich vertragen. „Vielleicht war es ein Erdbeerpudding? Der ist ja rötlich?“ Ulrike tat, als wüßte sie nicht, wovon er sprach. „Laß mich vorbei!“ „Oder war es wirklich rote Grütze?“ „Pah, was ist schon rote Grütze!“

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„Koch sie erst mal, du!“ Er bekam Ohren. „Meine Mutter kocht sie jede Woche, und deine Eltern essen sie auf!“ Aufessen? Hihi, daß ich nicht kichere! Sie lassen sie stehen! Aber ich, ich koche ihnen jeden Tag was viel Feineres, wenn sie abends heimkommen, Kartoffelsuppe mit Würstchen‚ Klöße, Roulade – alles! Und hinterher Pudding!“ „Pudding kochst du? Du traust nicht.“ „Wetten, daß ich mich doch trau?“ Mund auf! Den vierten Löffel. Ja, Jörg ist an allem schuld. Er hat Ulrike zu diesem blöden Pudding angestiftet – hat er! Und nun muß sie schlucken, was er ihr eingebrockt hat. Wer sonst? Jörg war mit hereingekommen. Auf dem Stuhl am Küchenfenster saß Fürst Igor. Er

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ließ sich von Jörg nicht streicheln. Auch er merkte, daß Jörg unausstehlich war. Träge sprang er vom Sitzkissen. Ulrike hatte unterdessen auf der Anrichte einen Zettel gefunden: Tochter! Im Kühlschrank steht Kartoffelsuppe mit Würstchen. Iß sie aber nicht wieder kalt! Gruß! Mutti und Vati Den Zettel steckte sie schnell weg. Den brauchte Jörg nicht zu lesen. Und hungrig war sie jetzt auch nicht. „Wollen doch sehen, ob ich keinen Pudding kochen kann! Schüsseln und Töpfe her! Dazu Maizena, Rosinen, Eier, Milch – Jetzt gib acht, Jörg!“ Jörg vermißte das Puddingpulver. Typisch, ohne Puddingpulver ging es bei ihm nicht: „Puddingpulver ist die Hauptsache, denn auf der Tüte steht das Rezept. Das Rezept@“

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Das Rezept, das Rezept! „Quark“, unterbrach Ulrike die Rede dieses praktischen Menschen. Sie schob ihm eine Schüssel hin und drückte ihm einen Quirl in die Faust: „Rühren!“ Sie selbst erfand schnell eine ganz neue Geschmacksrichtung: Muskat, Nelken, Paprika – stop, Paprika mochte sie nicht – aber Zimt und Vanille. immer neue Gewürze schleppte sie aus dem Schrank herbei. Sie kramte danach im hintersten Winkel, die Schranktür konnte gleich offen bleiben. Jörg rührte gehorsam. Als der Brei zu dick wurde, goß Ulrike kurzerhand einen Schwapp Milch dazu. Jörg rührte ungerührt. Jetzt war der Brei zu dünn. Also noch eine Handvoll Maizena her @ Auf diese Weise quoll die Schüssel bald über. Aber es gab noch mehr Schüsseln @

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„Und jetzt, Jörg, färben wir ihn rot!“ Jörg ließ vor Schreck den Quirl in den Brei fallen. „Etwa mit Zinnober aus dem Malkasten?“ „Warum nicht? Ist das mein Pudding oder deiner?“ Mund auf! Den fünften Löffel. Ja, Jörg ist An allem schuld! Hat etwa sie die sauren Johannisbeeren als Färbemittel vorgeschlagen? Durch die ist alles so schlimm geworden! „Vielleicht nimmst du lieber Johannisbeeren zum Rotfärben? Zinnoberrot ist wirklich giftig, mir ist schon ein bißchen flau im Bauch.“ Jörg verdrehte die Augen wie ein krankes Huhn. Aber das war Theater. Wovon sollte ihm flau im Bauch sein – etwa von dem Tröpfchen Malkastenfarbe

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auf ihrem Zeichenblatt, das sie ihm zu kosten gegeben hatte? Aber – konnte man’s wissen? Ulrike langte nach dem Kellerschlüssel, um ein Glas Johannisbeeren heraufzuholen. „Genascht wird nicht, mein lieber Scholli! Drei Meter Abstand!“ Als sie die Küche wieder betrat, betrug der Abstand zwar nur zwei Meter, aber Jörg hatte ein harmloses Gesicht, und an seinem Mund klebte kein Puddingbart. Es verging noch viel Zeit, bis der rote Brei endlich kochte. Blasen stiegen aus der Tiefe: Blubb ... blubb ... Keine Puddingform hätte ihn fassen können. Sie füllten die heiße, wohlriechende Masse in die große Geburtstags-Napfkuchenform. Jörg hielt sie vorher unter den Wasserhahn, damit sich das Meisterwerk später stürzen ließ.

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„Siehst du“, sagte Ulrike, „was für einen feinen Pudding ich zum Frauentag gekocht habe!“ Dieser Jörg! Dieses Ekel! Warum mußte er wieder anfangen zu streiten, dieser Rechthaber! Daß der Pudding nun kein Kuchen war, wie auf der Zeichnung in der Schule, wußte Ulrike selbst. Aber ein Geschenk blieb er doch. Und auch die Farbe stimmte! „Du, Jörg Hausmann, bekommst sowieso nichts davon ab!“ Der Pudding stand auf dem Fensterbrett und duftete und dampfte. Der Dampf wirbelte durch das spaltbreit geöffnete Fenster und verflog an der frischen Luft. Jörg griff seinen Ranzen und zog beleidigt ab. Mund auf! Den sechsten Löffel. Ja, Jörg ist an allem schuld. Seinetwegen

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erlebt Ulrike Blamage.

jetzt

diese

entsetzliche

Die mütterliche Schimpfe für das stehengelassene Mittagessen und das unbeschreibliche Durcheinander in der Küche war bald verklungen. Am Frauentag sind Mütter heiter und besonders milde gestimmt. Ulrike war hungrig wie ein Wolfsjunges. Der Abendbrottisch ähnelte wirklich ihrer gemalten Festtafel: Auf der himmelblau gedeckten Fläche prangte der rote – nun ja, der rote Pudding. Napfkuchenförmig. Mit einem großen Löffel rückte die Mutter ihm zu Leibe. Endlich. Draußen pfiff der Star. Und dann klingelte es an der Tür. Vater zog das Jackett über und ging öffnen. Im Korridor wurde halblaut ein Gespräch geführt. Ulrike saß auf einmal mit hoch-

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gezogenen Schultern. Die Stimme kannte sie doch, dieses: „Nun, Herr Veilchenbaum@“ Fräulein Wagereit betrat die Stube. Sie gab der Mutter und ihr, Ulrike, die Hand und entnahm ihrer Aktentasche... ein zerknittertes Zeichenblatt ... Das Zinnoberrot war breitgewischt und überzog wie Zornesröte das Gesicht des gemalten Vaters @ Vater bot Fräulein Wagereit einen Stuhl an. Dann öffnete er das Fenster. „Jörg?“ Das Pfeifen verstummte. Der Star hieß Jörg. „Komm doch auf einen Sprung herein, Jörg Hausmann. Und bitte auch deine Mutter zu uns. Zum Pudding!“ „Ach @ ich @ wir @ Wir möchten ihnen den Pudding nicht wegessen @“ „Dieser Pudding ist groß genug!“

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Damit waren die drei leeren Stühle besetzt. Nicht anders als auf dem Bild. Die Mutter und Frau Hausmann machten verwunderte Augen wegen der seltsamen Einladung. Mutter ließ sich aber nichts weiter anmerken und teilte den Pudding aus. „Oh, Johannisbeeren“, sagte Frau Hausmann, „die sind gewiß eigene Ernte?“ „Nun – man braucht wohl viel Zucker zum Einkochen, nicht wahr?“ bemerkte Fräulein Wagereit „Wir kochen sie ohne Zucker ein“, sagte der Vater. „Man kann sie ja zuckern, wenn man ein Glas aufmacht.” Und bei diesen harmlosen Worten war es Ulrike, als hätte sie eine Ohrfeige bekommen. Sie hob den Blick nicht von ihrer Puddingportion: Die blaue Tüte @ Die Tüte mit dem Zucker stand im Küchenschrank gleich vornean. Und sie hatte im

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hintersten Winkel nach extrafeinen Zutaten gesucht! Den Zucker – wie konnte sie den Zucker vergessen! „Guten Appetit!“ Mutter, Vater, Fräulein Wagereit, Frau Hausmann und Jörg griffen nach den Löffeln. Die Johannisbeeren im Pudding sahen aus wie verregnete Vogelbeeren im November: sauer, sauer, sauer ... Frau Hausmann kostete zuerst: „Hm, hm. Gar nicht übel. Das Rezept müßt ihr mir für die LPG-Küche verraten.“ Dieser Spott! Alle aßen den Pudding nur, um Ulrike zu hänseln. Fräulein Wagereit schmeckte dem ersten Bissen genießerisch nach: „Wirklich! Doch! Nun – etwas eigenwillig vielleicht?“ Vater aß und sprach kein Wort. Und Jörg? Lachte der? „Was ist los, Ulrike“, fragte Mutter besorgt, „warum ißt du nicht?“

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Da schlug Ulrike ihren Löffel tief in den garstigen Pudding, wie es schon am Anfang dieser sauren Geschichte geschrieben steht. Und Ulrike schluckte sechs Löffel davon, gehäuft voll, ohne daß sie merkte @ Mund auf! Den siebten Löffel. Jörg, Jörg ist an allem schuld. Aber was ist das? Fürst Igor hat dem Puddingduft nicht widerstanden, ist auf den Tisch gesprungen, obwohl ihm das streng verboten ist, und leckt den Puddingteller sauber. Vater wirft ihn natürlich sofort runter, aber @ wenn dem Kater der Pudding schmeckt, Fürst Igor dem Verwöhnten, ja dann @ Und plötzlich – wo hat Ulrike nur vorher ihre Augen – nein, ihre Zunge gehabt – plötzlich schmeckt sie es selbst. Der Pudding ... ist ja doch ... süß @

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Wieso ist der Pudding gesüßt? Und schmeckt sogar ganz ausgezeichnet? Süß-sauer-pikant? Ist ein Wunder geschehen? Ruhig nachdenken: Nachträglich kann den Zucker niemand hingetan haben @ nur vor dem Kochen. Sie selber war es bestimmt nicht. Fürst Igor? Jörg? Aber wann? Wann bloß? Ulrike schaut auf, Sie muß sich getäuscht haben Jörg lacht überhaupt nicht. Schon eine ganz Weile blickt er Ulrike an – verlegen und vielleicht‚ klein-kleines bißchen verschmitzt. Seine Hand streichelt den schnurrenden Kater. So unausstehlich ist dieser Jörg eigentlich nicht, denkt Ulrike. „Jörg @ hat @ mitgekocht“, sagt sie schließlich mit vollem Mund.

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DER ALTE AST Diese Geschichte passierte Ulrike und Jörg, als die Kirschen reiften. Gott sei Dank fuhr gerade Heike vorbei auf dem Schoß die neugekaufte Doktortasche, gefüllt mit Salben, Tropfenfläschchen, Binden, zwei Spritzen und der Zeugnismappe, worin zu lesen stand: Hat das Arztstudium mit „sehr gut“ beendet. Des Weges kam auch der Fahrer Wolf von der Obsterntebrigade. Die Hauptperson in dieser Geschichte aber ist ein Großvater. Wie eigentlich in jeder ordentlichen Geschichte: Denn was wären wir ohne Großväter? Dieser hier heißt – je nachdem – Herr Holz, Papa Holz oder sogar Pappeholz, auch der Spitzname ist freundlich gemeint. Und jeder sollte sich merken: Papa Holz kann mehr als nur zum Frauentag Transparente malen.

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Er sitzt in Ulrikes und Jörgs Klasse hinterm Lehrerpult und erzählt aus seinem leben. Vor ihm liegt sein abgeschabter schwarzer Schäferhut. Fräulein Wagereit hätte ja auch einen anderen Landarbeiter-Veteranen einladen können. Aber Herr Holz ist erstens der älteste, den sie finden konnte, und zweitens erzählt er gern, Hauptsache, man hört aufmerksam zu. „@ Und wenn die gnädige Frau Baronin in der Jagdkutsche durchs Gutstor preschte, mußten die Burschen die Mützen schwenken, tief, bis zum Boden. Sogar im dicksten Winter. Und damals, da waren noch Winter! Trotzdem: Es gab Jungs, die haben ihr Leben lang keinen Hut aufgesetzt, weil sie ihn nicht dauernd ziehen mochten, haben sich lieber die Haarwurzeln erfroren. Na ja @“ Pappeholz schüttelt es, als ob er lachen wollte, aber das Lachen kommt nicht aus

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ihm raus. Seine knotigen Finger spielen mit der Hutkrempe. Er verstummt und schaut mit seinen listigen, zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster, hinaus auf das baumgrüne, kirschrote Stück Chaussee zum Oberdorf. Fräulein Wagereit, die auf einem Stuhl bei der Tür sitzt, hebt beunruhigt den Kopf: Ob der Herr Holz den Faden seiner Erzählung verloren hat? Nebenbei schleudert die Lehrerin einen Augenblitz nach einer Schülerin @ Jörg Hausmann versetzt seiner Nachbarin einen Rippenstoß, damit sie ihre Krakelei auf der Bank unterbricht: In einer Jagdkutsche mit vier Pferden sitzt eine dicke Baronin. Eine kanonengroße Flinte hält sie auf dem Schoß, und neben der Kutsche steht eine Art gestiefelter Kater und schwenkt den Hut. Das soll Herr Holz sein.

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„Ja, so ging das zu”, spricht der plötzlich leise weiter, wie zu sich selbst, „das halbe Dorf gehörte der gnädigen Frau, die ganze LPG – das heißt, ich meine: der Gutshof, die Ställe, Pferde, Kühe, der Bulle ... Ja, und meine Schafe, die gehörten ihr auch. Sogar die Kirschen am Weg ... Und wenn die Gnädige in der Jagdkutsche durchs Gutstor preschte, mußten die Burschen die Mützen schwenken, bis zum Boden. Auch im Winter! Es gab Jungs, die haben später...“ Fräulein Wagereit erhebt sich rasch: „Nun, lieber Herr Holz, liebe Kinder ...“ Aber der liebe Herr Holz erlaubt nicht, daß man ihm einfach in die Rede fällt. Er räuspert sich: „Na ja, ich, ich hab immer was auf dem Kopf getragen. Winter wie Sommer. Oijoi, was hab ich von meinem Vater mal für eine fürchterliche Backpfeife eingefangen, weil ich die Mütze aufbe-

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halten hatte! Grad wie die Gnädige vorbeifuhr! Diese Backpfeife werde ich meinem Vater nie vergessen: Die gemausten Kirschen unter der Mütze hätten ein ganzes Sonntagskompott abgegeben @“ Klasse 3b blickt ernst. Sogar das Bild des Staatsmannes an der Wand. Ulrike stellt sich vor, wie ein schwarzer Schäferhut durch die Luft fliegt und gelbrote Kirschen über die Chaussee kullern, und tiefes Mitgefühl erfüllt ihr Herz. „Nun, lieber Herr Holz, liebe Kinder!” ruft Fräulein Wagereit noch einmal, „ich glaube, es war eine schöne und lehrreiche Heimatkundestunde. Wir danken unserem Gast am besten mit unserem Lieblingslied.” Sie gibt den Ton an: „Mmmnaaa! Lie-be-Hei ...“ Alle stehen auf. „Eins, zwei, eins!“ Sie schmettern los. Papa Holz hat sich

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hinterm Pulthoch gerappelt, mit feierlicher Miene blickt er in die blanken Kindergesichter, und sein stoppliges Kinn beginnt, so eigenartig auf und nieder zu hüpfen, als ob er mitsingen wollte. Aber er kennt dieses Lied wohl nicht. Damit er es lernt und jedes Wort gut mitbekommt, zieht der Chor die Töne schön lang und breit: Liebe Haaaimaaat @ Es klingt wie im Radio: Liebe Heimat, deine Weiten locken uns mit Lerchenschlag, seinen Reichtum auszubreiten, eilt der junge Sommertag @ Dann klingelt es. Fräulein Wagereit erinnert noch einmal an den für Sonntag, also morgen, geplanten Ausflug in die Kreisstadt, wo ein großer Rummel mit Karussells und bunten Buden aufgebaut ist.

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Die Kinder drängeln hinaus. In sicherem Abstand an dem grauhaarigen Spitz Faßmann vorbei, der am eisernen Schuhabkratzer angebunden liegt. Er blinzelt in die Sonne, gähnt und wartet auf seinen Herrn. Auf dem Weg nach Hause lockt die heimatliche Weite nicht so sehr mit Lerchenschlag als vielmehr mit dem Geschrei der jungen Stare. Wohin? In die Kirschen. Diese jungen Stare aber auch! Sie hüpfen vergnügt zwischen den blinkenden Aluminiumstreifen umher, welche in den Ästen aufgehängt sind, als eine Art Verbotsschilder für Stare. Es ist damit wie mit dem Schild „Schutt abladen verboten“. Wo es steht, gerade dort liegt der meiste Schutt. Ja, also der Sommertag eilt, seinen Reich-

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tum auszubreiten, ahnungslos und zutraulich, gelb und rot und blank, mit süßem, saftigem Fruchtfleisch. „Hihi!“ lacht Ulrike und wirft ihre Schultasche auf die Chaussee. „Sprett, sprett”, rufen die Starenmütter ihre Jungen zum Mittag. „Wie wär’s, wenn wir zwei heute einmal auswärts essen würden?” schlägt Ulrike vor. „Wieso? Wo?” fragt Jörg ein bißchen schwerfällig. Ist er wirklich so langsam von Begriff? Ulrike stellt sich auf die Schultasche: „Ganz einfach! Hier!” So einfach ist die Sache nun doch nicht. Dort oben, dieser fast blattlose alte Ast hält wie ein knorriger Arm mit knotigen Zweigfingern seine Kirschenfülle in die Luft. Wenn man an den ran käme! Die Tasche mit Liederbuch, Lesebuch und

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Mathebuch hilft beim Mausen nicht weiter. „Heb mich hoch, Jörg!” Jörg läuft die Spucke im Mund zusammen, man sieht es schon. „Aber meine Mutter hat gesagt die Kirchen gehören der LPG!” Ulrike lacht sich halb kaputt: „Na und? Gehören wir etwa nicht zur LPO? Helfen wir unseren Eltern nicht bei der Ernte?“ Man muß Jörg nur alles auf die passende Weise erklären. Jetzt legt er seinen Ranzen auf Ulrikes Schultasche, stellt sich rauf und sagt: „Komm, ich heb dich!“ „Ho-up!” Stark ist er! Ulrike streckt die Arme hoch macht lange Finger, greifbar nah hängen die Kirschen. – Haff, haff, haff ... rrrrr ..., Ein Hund hat Jörg am Hosenbein. Die schöne Pyramide bricht zusammen.

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„Ihr Lauser! Ihr dreimal verflixten @ Komm her, Faßmann! Kommst du her!“ Widerwillig läßt Faßmann das Hosenbein los und umkreist knurrend die gestellten Diebe, die strammstehen wie Zinnsoldaten. „Bandi-ten!” schimpft Herr Holz und fuchtelt mit seinem Stock. Wie soll man sich jetzt herausreden? Jörg glaubt einen besonders schlauen Einfall zu haben: „Stare sind Kirschendiebe, Herr Holz, da wollen wir sie @“ Er zeigt unbestimmt irgendwohin. Der Stock folgt Jörgs ausgestrecktem Zeigefinger. Jörg tut, als wenn er angestrengt in die Zweige spähte: Er traut seinen Augen nicht: Hängt doch in einer Astgabel wirklich ein graues Knäul aus trockenen Halmen, Federn, Blättchen@ „Ein Nest“, sagt Herr Holz mit veränderter Stimme und läßt vor Kummer und

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Enttäuschung über diese Kinder den Stock sinken: „Ihr seid also Nesträuber. So, den ganzen Sommer singen die Stare für euch, und ihr @“ Wie kann einer nur so schwindeln, Jörg! „Herr Holz, ach”, piepst Ulrike, macht ihr schuldbewußtestes Gesicht und stottert ganz echt: „Papa Holz, wir ... wir wollten nur ... nur ... bloß, höchstens @ ein paar Kirschen ... abpflücken @‚ wo wir doch vorhin in der Schule auch so schön gesungen haben wie die Stare ...“ Faßmann knurrt wieder. Herr Holz aber packt seinen Stock am verkehrten Ende, und mit der Krücke – „Ruhig, Faßmann!“ – angelt er den Zweig herab: „Mit euch macht man was mit, ihr Lauser! Soll ich hier ewig stehen wie’n Denkmal?“ Seine Augen verschwinden in winzigen Falten und Runzeln. „Danke, Papa Holz!“

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Schmeichelkatze Ulrike pflückt artig vier Kirschen ab. Sie will ja nicht unbescheiden sein! Die erste ist für den lieben Papa Holz, die zweite für sie selbst, die dritte, kleinste, für Jörg, diesen Dämlack mit seinem Starennest. Die vierte für Faßmann. Der Spitz schnuppert mißtrauisch an der Kirsche, dann trollt er sich beleidigt. „Daß ihr mir die Vögel in Ruhe laßt, ihr Sänger! Komm, Faßmann!“ Kopfschüttelnd setzt sich Pappeholz wieder in Marsch. Was brummt er noch für wunderliche Sachen vor sich hin? „Bist selbst ein alter morscher Ast, Jakob Holz ... Früher kletterte man einfach rauf, barfuß ...“ „Hast du gehört, was er gesagt hat?“ Ulrike zieht Schuh und Strümpfe aus. „Der Ast ist morsch!“ „Der hält!“

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Die sonnendurchglühte Baumrinde duftet nach Kirschharz und kitzelt angenehm an den Fußsohlen. Der Starenschwarm hat sich mit einem Flurrr! in die Luft erhoben, doch ein Vogel nach dem andern kehrt zurück. Bald lassen sich auch die Jungen nicht im geringsten mehr beim stibitzten Mittagsmahl stören, picken wie die Alten. Jörg bleibt dicht beim Stamm sitzen und hält Ulrike an den Beinen fest. Sie liegt bäuchlings auf dem knorrigen Ast, kleidsame Gehänge aus Kirschen über den Ohren, und spuckt große Bogen. Freigiebig versorgt sie auch ihren Freund, der fortwährend barmt: „Kriech nicht zu weit! Der Ast knackt schon!“ „Angsthase! Willst morgen Riesenrad fahren, und hier wird dir schon schwindlig!“ Ulrike schmatzt. „Steck lieber ein paar Kirschen ein für Pappeholz, wir werden ihn ja gleich überholen!“

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Ja, wirklich, sie werden ihn gleich überholen, aber anders, als Ulrike sich das vorgestellt hat. Denn hinter der Kurve brummt der Zweiuhrbus die Steigung herauf. Der Ast, durchhängend von dem ungewohnten Gewicht, schabt über das Verdeck. Ulrike langt aus Spaß nach dem kleinen Geländer auf dem Dach. Aber da passiert die Sache noch nicht @ Vor einer Minute noch hat Heike, Heike mit der neuen Doktortasche auf dem Schoß, vergnügt aus dem Heckfenster des Busses geschaut. Hat sich bald den Hals verrenkt nach dem Lastwagen, der hinter dem Bus herpolterte und die ganze Zeit nicht zum Überholen ansetzte, obwohl er es sehr gut gekonnt hätte. Am Lenkrad saß, staubbedeckt und schwitzend, der junge Fahrer Wolf von der Obsterntebrigade.

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Wolf ist so dicht wie möglich aufgefahren und lacht ihr zu. Was für kräftige Zähne! denkt die Ärztin Heike noch, daß mir das in der Schule früher nie aufgefallen ist ... Plötzlich winkt sie wie wild mit der Tasche. Wolf winkt zurück – nachher will er gleich einen Spankorb voll frischgepflückter Kirschen von der Ladefläche nehmen und zu Heikes Eltern tragen: Gratuliere zur bestandenen Prüfung! Plötzlich bremst der Bus, Wolf muß überholen. Warum alle mit den Armen Zeichen machen und der Busfahrer ihm hinterherhupt? „Ob an meinem Lastwagen was locker ist? Aber ich bin ja gleich am Ziel“, spricht Wolf zu sich, blinkt, gibt gewaltig Zwischengas, schaltet und biegt in die Toreinfahrt der LPG ein, über der noch

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das Familienwappen der Frau Baronin hängt ... Hühner zetern, stieben auseinander, mit einem Satz rettet sich ein alter Mann – ah, das ist Papa Holz –‚ er quetscht sich an die Mauer und hält schimpfend seinen Hut. Wolf lacht: „War doch bloß Spaß, Pappeholz!“ Er freut sich und weiß nicht, warum, bremst mitten auf dem Hof, springt aus dem Fahrerhaus: „He, nichts für ungut, Papa Holz, wir trinken einen zusammen!“ Wolf schlägt den eisernen Riegel an der Wagenrückwand zur Seite, klappt sie runter@ @ in den Kirschkörben sitzt ein kleines Mädchen, anzusehen wie ein zerraufter Bluthänfling, über und über rot gesprenkelt, und schreit erbärmlich. Aus der Futterküche stürzt Ulrikes Mutter, im Laufen wischt sie sich die Hände an

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der Kittelschürze sauber und fängt an zu schelten: „Was habt ihr wieder angestellt! Ich hau euch den Hintern voll!“ Noch immer schimpfend, nähert sich Papa Holz. Faßmanns Gekläff verstärkt den Spektakel. Ulrikes Vater kommt eilenden Schritts aus der Remise, schiebt die blaue Schweißerbrille in die Stirn. Frau Hausmann läuft herbei, gefolgt von zwei Kolleginnen in weißen Küchenhauben, die die Hände beim Anblick des armen Kindes erschrocken über dem Kopf zusammenschlagen. Das arme Kind aber hat soviel Publikum nicht erwartet und stellt das Geschrei ab. Ihm tut nämlich nichts weh, das Rote am Hosenlatz ist gottlob nur Kirschsaft. Ulrike läßt sich in die Arme der Mutter fallen und versteckt das Gesicht an ihrer Schulter. Eine verirrte Träne tropft auf eine

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Kittelschürzenblume und zittert dort ein Weilchen. „Mein Murmelchen, mein Murmelchen“, sagt die Mutter. Umgestürzte, eingedrückte Spankörbe liegen auf dem LKW über- und untereinander, dazwischen kollern und hüpfen zerquetschte Kirschen im Takt des Motors, der noch immer läuft. Über der ganzen Bescherung liegt ein knorriger Ast. Ein zerzaustes Starennest löst sich aus seiner Astgabel und segelt sacht zu Boden. Wolf steigt aufs Trittbrett des Fahrerhauses, schaltet den Motor ab und betastet sorgenvoll die frische Schramme auf dem neulackierten Dach. „Der Junge war auch dabei“, sagt Papa Holz in die plötzlich eingetretene Stille. „Wo ist mein Junge?“ ruft Frau Hausmann mit hoher Stimme. Faßmann winselt auf und versucht an der herabhängenden Wagenrückwand hoch-

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zuspringen. Bewegung kommt in den Ast, er wird zur Seite gehoben, und darunter taucht Jörg empor, blaß um die Nase ... „Was war denn?“ flüstert er und wischt sich mit dem Arm über die Stirn wie einer, der aus dem Schlaf erwacht. Wolf und Ulrikes Vater helfen ihm vom Auto. „Flach hinlegen!“ kommandiert Papa Holz. Er bettet Jörgs Wange auf seinen Schäferhut und öffnet ihm den Hemdkragen: „Na, na, mein Freund, wer wird denn ...“ An der Scheunenrückwand lehnt ein Fahrrad. Wolf schwingt sich darauf. Doch schon an der nächsten Ecke kommt ihm Heike entgegengerannt, sie hat den herabbrechenden Ast vom Busfenster aus beobachtet. Wolf setzt sie auf die Querstange seines Rades und klingelt ihr den Weg frei zu ihrem ersten Patienten.

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DAS ODRADEK „Ist das langweilig, langweilig, langweilig, weil ich krank, weil ich krank, weil ich krank bin ...“‚ singt Jörg. Er muß flach liegen, er muß „eisern“ liegen: „Eiserne Bettruhe, Frau Hausmann!“ hat Doktor Heike gesagt. – Hart ist das! Härter noch ist Heikes Spruch: „Die Fahrt auf den Rummel, ist vom ärztlichen Standpunkt aus nicht zu vertreten. Unter gar keinen Umständen, Frau Hausmann.“ Dabei ist er doch kerngesund! Besonders, wenn er an das Riesenrad denkt. Anfangs, ja, da spürte er Kopfschmerzen. Man hat ihm erzählt, er sei vom, Baum gefallen. Er muß glauben, denn die Beule unter seinem Haarwirbel ist nicht von schlechten Eltern. „Ist das langweilig, langweilig, langweilig@“

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Lesen ist verboten. Basteln ist untersagt. Scharfes Nachdenken hat zu unterbleiben. Seine Mutter wimmelt alle Besucher an der Wohnungstür ab: „Tut uns leid, ich darf keine Menschenseele zu ihm lassen!“ Er hört die Mutter in der Küche rumoren und gereizt vor sich hin pfeifen. Das ist so ihre Art, wenn sie sich ärgert. Über den Kirschdieb in ihrer Familie. Oder über die außerplanmäßigen Kessel Buntes, der ihr Tagesprogramm durcheinander wirft: „Kirschflecke gehen nie wieder raus!“ Er kann sie förmlich wettern hören. Pfeif nicht, Mutti, du schaffst auch diese Kirschflecken. „Ist das langweilig @“ Auf dem Nachtschränkchen steht der elfenbeinfarbene Telefonapparat. Das Telefon hat Ulrike zum Geburtstag bekommen. Ein wertvolles Geschenk, alle Achtung. Und er, Jörg, hat die Leitung

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gelegt. Gleichfalls: Alle Achtung! Ein Kabel führt vom Nachtschrank zum Fenster, hinüber in die Silbertanne, von dort zu Hausmanns und Veilchenbaums gemeinsamer Teppichstange, um diese dreimal herum und in Ulrikes Zimmerfenster. In den ersten Tagen hat die Leitung regelrecht geglüht, ununterbrochen haben die Apparate gesurrt. Jetzt steht der elfenbeinfarbene Kasten schweigend neben dem Arzneiflächchen. Telefonieren ist zwar nicht ausdrücklich untersagt, aber sicherlich nur deshalb nicht, weil Heike vergessen hat, das Verbot auszusprechen. Wenn doch Ulrike auf die Idee kommen würde, anzurufen! Immerhin hätte er dann nicht angefangen @ „Ist das langweilig!“ Schon lange steht Ulrike unten im Erdbeerbeet. Nicht wegen Hausmanns Erd-

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beeren! Sie hat noch von den LPGKirschen genug. Wirklich, sie hat jetzt Wichtigeres im Kopf. Auf dem Arm hält sie Fürst Igor, den sie behutsam zu einer Krankenvisite zu bewegen sucht. Denn Igor ist ein Kater und keine „Menschenseele“. Heikes Besuchsverbot gilt nicht für ihn, oder? „Nun klettere schon am Efeu hoch! Mach schon! Überbring die Nachricht! Hopp!“ Der Fürst trägt sein Sonntagshalsband – aus Glasperlen, an dem, im dichten Pelz verborgen, ein Papierröllchen hängt, nicht größer als ein Tombolalos. Darauf steht in winzigen Buchstaben: Du fährst auf jeden Fall Riesenrad. „Hopp!“ befiehlt Ulrike noch einmal, eindringlicher. „Du kriegst auch einen Zipfel Salami!“ Der geheime Bote hopst von Ulrikes Arm, macht einen Satz in Richtung Hauswand und – hockt sich vor ein Mauseloch. Seine

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Ohren spielen, der hochgereckte Katerschwanz biegt sich zum Fragezeichen: Was geht mich irgendein Papierchen an? Vor Mauselöchern kann er stundenlang sitzen. Verflixtes, verwöhntes Katerviech! Was soll nun werden? Bau, wau, wau, rabau! Husch, husch – Igor rettet sich mauzend um die Hausecke, so schnell, daß sich das Röllchen vom Halsband löst und vor Ulrikes Füßen landet. Faßmann nimmt bellend die Verfolgung auf, er bekämpft schon sein Lebtag alle Katzen, japsend rennt er außen am Zaun entlang. „Pst, Faßmann, oben liegt ein Kranker!“ Pappeholz lehnt sich auf die Zaunplatten: „Wie geht es unserem Kranken? Tag, Fräuleinchen!“ „Ach, Papa Holz! Ist es nicht schrecklich? Sie will ihn nicht zu den Karussells lassen@“

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„Wer? Die Doktorsche? Oijoi! Dann hatte ich recht mit meinem Verdacht: Gehirnerschütterung! Hat sie Wadenwickel verschrieben? Wadenwickel helfen gegen Kopfweh. Und das Odradek. Es beruhigt das Gemüt. Glaub einem alten Schäfer.“ „Das – was?“ fragt Ulrike verblüfft. „,Kennt ihr nicht das Odradek?“ spricht der Alte da in verändertem Tonfall, halb singend, und sein Gesicht nimmt eine geheimnisvollen Ausdruck an, als wollte er beginnen: Es war einmal ... „Kennt ihr nicht das Odradek? Od – ra – dek! Das auf seinem hölzern’ Bauch treu uns nachrollt oder auch Unterm Bänklein friedlich ruht? Kennt ihr nicht das Odradek? Od – ra – dek! Hat ja nur ein Holzbein, ach,

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und das Holzbein schleppt es nach, hat kein’ Kopf und braucht kein’ Hut. Kennt ihr nicht das Odradek? Od – ra – dek! Dem die Gummiseele oft Sich entzwirnt ganz unverhofft, daß es wilde Sprünge tut? Kennt ihr nicht das Odradek? Od – ra – dek! Und – wie wenig es auch zählt – Merkt ihr nicht, wie sehr’s uns fehlt? Helft uns suchen, seid so gut!“ Ulrike hebt den Blick: Nein, ein Märchenbart Herrn Holz heute nicht gesprossen. Um seinen Mund sträuben sich die grauen Stoppeln wie Igelstacheln. Er lacht. Mit seinen unbeholfen alten Fingern zieht er ein eigenartiges hölzernes Ding

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aus der Joppentasche hervor, dreht ein paarmal daran herum und setzt es vorsichtig aufs Straßepflaster. Es fängt an zu kriechen wir eine Schildkröte, klettert über Hügel und Halme, springt unversehens hoch wie ein angeschossener Hase, überschlägt sich ... und kriecht weiter. An der Seite schleppt es ein hölzernes Beinchen nach @ Faßmann, der von seiner mutigen Katerjagd zurück ist, verfolgt Schritt für Schritt den Lauf dieses merkwürdigen, geduldigen kleinen Wesens. Er schnüffelt an dem rollenden Körperchen, dem der Geruch seines Herrn anhaftet, der altvertraute Geruch von Wiesen und Schafen. Und wer weiß, in seiner Hundephantasie erinnert ihn das vorwärts zockelnde braune Etwas vielleicht an eine große Hammelherde: Ein kurzes Quiemen, wie bei einem jungen Hund dringt aus seiner Kehle.

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Ulrike hat sich niedergekauert und äugt durch die Zaunlatten: Das Ding besteht aus einer alten hölzernen Zwirnrolle. Durch das runde Loch ist ein Bündel Schnipsgummis gezogen, daß auf der einen Rollenseite von einem Nägelchen festgehalten wird. Auf der anderen Seite steckt ein Bleistiftstummel in der Gummischlaufe. Aha! Am Bleistift muß man drehen, dann werden die Gummis straffgezwirbelt. Sie treideln sich von selbst wieder auf und bewegen dabei die Rolle. Ein Gummimotor ist das ganze Geheimnis. „Und warum rollte es nicht schneller?“ „Ich habe eine Scheibe Kerzenwachs als Bremse dazwischen geklemmt, siehst du? Dafür hält es länger. Das Odradek soll ja Jörg helfen, gesund zu werden, und darf ihn nicht aufregend.“ „Wir haben immer Panzer dazu gesagt“,

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mischt sich da ein neuer Krankenbesucher ins Gespräch. Es ist Wolf, der Fahrer. „Jeder nennt es anders, mein Junge“, spricht der alte Mann würdevoll „Und wie kriegen wir es zu Jörg ins Zimmer?“ fragt Ulrike. „Welches Fenster?“ erkundigt sich Wolf und blickt schon das Odradek wurfbereit in der Hand. „Halt, diese Botschaft muß noch mit!“ Ulrike händigt Wolf das zusammengedrehte Papier aus, daß Igor vorhin verloren hat. Wolf stopft es, ohne viel zu fragen, in das Loch der Zwirnrolle. „Das offene Fenster oben rechts“, sagt Ulrike. Wolf holt tief Luft: „He, Keule Hausmann, tut die Birne noch weh?“ Er brüllt zu Jörgs Fenster hinauf, daß die Scheiben wackeln. Er ist nun mal Fahrer

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der LPG, daher die kraftvolle landwirtschaftliche Ausdrucksweise. Könnte aber auch sein, er gebraucht sie bloß, um anzudeuten, daß der ganze Unfall unter Männern nicht so wichtig ist. Um nicht merken zu lassen, daß er sich sorgt. „He, Keule! Post für dich! Und wenn du wieder auf den Beinen bist, kutschieren wir zusammen gemütlich in die Stadt. Wirst mein Beifahrer auf dem Granit!“ Und Damit schleudert Wolf das Geschenk mit gut gezielten Wurf durch das offene Fenster. „Es heißt Odradek“ ruft Ulrike hinterher. Ach! Wie oft werden gerade unserer freundschaftlichsten Absichten falsch verstanden! Mit dem Ruf: „Lausejungen!“ erscheint am Fenster Doktor Heike, in der Hand das unschuldige Odradek. Als sie Herrn Holz und Wolf erblickt, legt sich ein wenig der Zorn. Nur rot wird sie: „Wie werden meine

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Anordnungen befolgt? Wer hat erlaubt, hier so herumzuschreien?” Papa Holz versucht die strenge Ärztin zu besänftigen: „Das Spielzeug, Fräulein Doktor – geben Sie‘s dem Jungen. Es wird ihm nicht schaden. Haben Sie übrigens Wadenwickel verschrie @“ „Bitte jetzt weitergehen!” unterbricht ihn Heike kurz angebunden. Sie schließt das Fenster, doch das Odradek nimmt sie mit hinein. Jörg hat ein Stündchen geschlafen, zum Abendbrot sieben Zwiebäcke mit Butter verdrückt und darf nun bis zum Müdewerden mit dem Odradek spielen. Sachte färbt die Dämmerung die Zimmerdecke dunkelblau, aber Jörg spürt keinen Schlaf unter den Lidern. Er hält sich das Spielzeug an dem Bleistiftstummel dicht vor die Augen. Unermüdlich

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dreht sich die Zwirnrolle in der Luft @ „Erwachsene eine Mark, Kinder nullkommafünfzig, meine Herrschaften!”, Jörg versucht den Ton eines Rummelplatzausrufers hinzukriegen und hält sich die Nase zu, damit es wie aus dem Lautsprecher klingt. Das Odradek soll das Riesenrad sein. Du fährst auf jeden Fall Riesenrad – so hat es die Nachricht in der Rolle versprochen. Doch auf die Dauer läßt sich das Odradek nicht zum Riesenrad machen. Leider! Jörg legt es auf den Nachtschrank. Es krabbelt quer über die glatte Fläche, schiebt mühselig das Arzneifläschchen zur Seite und rollt unentwegt gegen das stumme Telefon an. Unterdessen ist es Nacht geworden, mildes Mondlicht flutet durchs Fenster. Ulrike wird jetzt ebenfalls in ihrem Bett liegen. Ob ich sie doch anrufe? Sie muß mich schließlich

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bei Fräulein Wagereit entschuldigen! Sonst steht am Ende im Klassenbuch: Jörg H. fehlte unentschuldigt auf dem Rummel. Eine Eins in Betragen kann er deshalb nicht bekommen Jörgs Hand hebt sich von ganz allein zum Telefon. Ausgerechnet in dieser Sekunde surrt der Apparat. Die Hand fährt erschrocken zurück wie auf frischer Tat ertappt. Doch dann greift sie entschlossen nach dem Hörer. „Hallo?“ „Hier spricht Ulrike Veilchenbaum von der Fluggesellschaft Kinderflug! Sie erhielten von uns eine Flugkarte zum Riesenrad?“ Die Stimme der Freundin tönt laut aus dem Hörer, so natürlich und ohne Knacken, als säße Ulrike an Jörgs Bett. „Leiser, Ulrike! Sonst erwischt uns meine Mutter.“

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„Ach Ouak! Die Erwachsen sitzen vor der Flimmerkiste. Aber mach’s wie ich: Nimm den Hörer mit unier die Decke. Rück ein Stück, Igor!“ „Darf dein Kater etwa mit ins Bett?” Jörg fühlt sich ein wenig gekränkt. „Nein, wie kommst du auf so was! Der Fürst ist doch beleidigt wegen Faßmann. Jetzt läßt er sich drei Tage nicht blicken. Ich rede mit meinem Plüsch-Igor. Und du mach das Odradek startklar. Wir fliegen!“ „Hihi! Das Odradek und fliegen.“ „Ist es heute etwa nicht zu dir geflogen? Also red nicht. Mal sehen, wer eher beim Riesenrad ist. Dreh nur dreimal an dem Beinchen. Und sag drei! Na los, du mußt drei sagen!“ „Drei“, wiederholt Jörg unsicher. „Zwei!“ „Zwei.“

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„Eins!“ „Eins.“ „Start!“ Wer von den Erwachsenen um diese Zeit nicht vor der Flimmerkiste sitzt, sondern sich – was viel gesünder ist – zu einem Mondscheinbummel durchs Oberdorf verabredet hat, der erblickt beim mossbewachsenen Poststein wunderliche Dinge @ „Ich mach mir Sorgen wegen der abgestürzten Kirschendiebe“, sagt gerade Wolf, der Fahrer. „Ich hätte den Ast rechtzeitig sehen müssen, ich hätte ihn sehen müssen @“ „Wo hattest du auch deine Augen!“ antwortete die strenge Ärztin Heike, macht plötzlich Huch! und flüchtet erschrocken an Wolfs breite Brust. Ärztinnen sind auch nicht immer nur streng und tapfer. Ganz nah, aus einem Parterrefenster

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fährt ein Katertier, ein Mädchen klammert sich an die hochstehenden Ohren, das Fell glänzt wie Plüsch @ Fast zugleich rattert aus einem zweiten Fenster funkensprühend ein Gefährt, das Heike und Wolf irgendwie bekannt vorkommt. Dem Jungen, der darauf reitet, stehen die struppligen Haare zu Berge. „Nicht so schnell, Ulrike!“ schreit er. „Schneller, schneller! Hui! Wir fallen nicht hinunter“ antwortet das Mädchen. Die Ratterrolle vollführt drei atemberaubende Saltos, fängt sich dicht über dem Pflaster und strebt in einer langgestreckten Kurve aufwärts, dem Kater nach @ „Der Bengel scheint wieder fidel zu sein“, sagt Heike verwirrt und löst sich aus Wolfs Armen. Plüsch-Igor und das Odradek aber jagen dahin über die Dächer der LPG, über die Kirschallee.

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„Nicht so hoch, Ulrike!“ schreit Jörg in das Brausen des Flugwinds. „Höher, höher! Hui!“ Wir fallen nicht hinunter!“ Ulrike dreht sich kurz um. Sie nähern sich der Schule. Im erleuchteten Giebelstübchen schreitet Fräulein Wagereit vor ihrem Schreibtisch auf und ab. Soeben hat sie die Betragenszensuren ihrer Klasse festgelegt und könnte eigentlich das Klassenbuch zuklappen Aber bei zwei Schülern weiß sie nicht wie sie entscheiden soll: „Eins oder nicht Eins, das ist hier die Frage“ spricht sie laut vor sich hin. „Einerseits kommen bei beiden immer wieder verschiedene – nun@ Unregelmäßigkeiten vor. Andererseits: Wir waren auch keine Englein @“ Mit diesen Worten tritt sie ans Fenster um einen Blick in die milde Mondnacht zu tun. Da sieht sie in der Luft @ „Nein, das geht zu weit @“

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Seufzend öffnet sie ihren Füllfederhalter. Auf dem abschüssigen Schuldach sitzen die schlafenden Tauben, die Köpfe unter den Flügeln. „Nicht so weit, Ulrike!“ schreit Jörg in das Tosen des Flugwinds. „Weiter! Hui! Wir fallen schon nicht hinunter!“ Hier oben ist die Luft dünn, und das Atmen fällt schwer. Ulrike zügelt ihren Igor. Sie scheint nun doch ein wenig erschöpft zu sein. „Hier hast du @ dein @ Riesenrad“, sagt sie. „Bitte einsteigen!“ Aber Jörg läßt sich nichts vormachen. Der Mond ist kein Riesenrad, und ein Pudding ist kein Kuchen. „Sieh genau hin“, ruft er und bremst sein Odradek neben dem Kater, „sieh hin: Es ist Pappeho1z, er kann nicht schlafen und leuchtet nach seinen Schafen im Pferch.

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Er zählt sie: Ein Schaf @ zwei Schafe @ drei Schafe @ Schafe zählen ist die beste Medizin fürs Einschlafen. Hörst du ihn schon schnarchen?“ Jörgs Nase drückt sich an der Sprechmuschel des Telefonhörers platt. Den Leitungsdraht entlang schwingt sich ein Rrrr – püh! hinaus in die Nacht. Es schlüpft durch die mondbeschienenen Zweige der Silbertanne, von da zu Hausmanns und Veilchenbaums gemeinsamer Teppichstange. Dort begegnet es einem Chrrr — pütipühl!, und beide überschlagen sich an dieser Stelle dreimal.

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INHALTSVERZEICHNIS 5

Sieben Löffel Pudding

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Der alte Aste

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Das Odradek

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