122 - Preuß, Gunter - Der Hölzerne Kuckuck

August 27, 2017 | Author: gottesvieh | Category: Sports, Nature, Leisure
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DDR 1,75 M

ab7 J.

DIE KLEINEN TROMPETERBÜCHER Ein kleiner Junge muß sich an Mutters neuen Mann gewöhnen. Aber Peter will den Onkel Martin nicht. Eifersüchtig wacht er über alle Erinnerungen an den toten Vater. Von dem Kummer des Jungen erzählt märchenhaft der „hölzerne Kuckuck", der eines Tages verschwunden ist; auf seine Rückkehr wartet Peter sehnsüchtig. Doch Peter muß begreifen lernen, es gibt kein Wiederkommen. – Onkel Martin ist ihm ein verständnisvoller Freund, und eines Tages wird auch Peter wieder fröhlich sein können.

DIE KLEINEN TROMPETERBÜCHER • BAND 122

Gunter Preuß

Der hölzerne Kuckuck

DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN

Illustrationen von Gerhard Preuß

2. Auflage ® DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN – DDR 1977 Lizenz-Nr. 304-270/409/78-(60) Gesamtherstellung: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden LSV 7521 Für Leser von 7 Jahren an Bestell-Nr. 630 282 1 DDR 1,75 M

Die Stadt hat tausend Gesichter. Und jeden Tag kommt ein neues hinzu. Die Stadt ist ein großer Clown. Ein ungezogenes Kind. Ein Zelt. Ein Bett. Ein wildes Tier. Eine bunte Wiese. Die Stadt kann alles sein. Sie kann weinen und lachen. Sie ist traurig oder fröhlich, so traurig oder fröhlich, wie Peter gerade ist. Die Stadt hat für Peter lange nicht mehr gelacht. Seit sein Vater tot und der hölzerne Kuckuck aus der Küchenuhr verschwunden ist. Peter ist nicht von der Schule gleich nach Hause gelaufen. Peter sitzt am Fuße des steil abfallenden Bahndammes auf seinem Ranzen. Er hat den Kopf in die Hände gestützt und sieht auf die funkelnden Gleise. Ab und zu erzittert die Erde unter ihm. Die Gleise singen. Ein Zug jagt in die Stadt hinein oder hinaus.

Gegenüber dem Bahndamm, an dem Peter sitzt, steht in der Reihe grauer Häuser das Haus, in dem Peter wohnt. Die Fenster im dritten Stock sind geöffnet. Musik und Lachen klingen zu Peter herunter. Und da ist auch noch das Gekrächze der fremden schwarzen Vögel. Der Fahrtwind eines vorüberfahrenden Zuges bewegt die hohen Gräser. Die Grasrispen kitzeln Peter auffordernd an den nackten Beinen. Zwischen Bahndamm und Gleisschotter, im Wassergraben modern die Molche. Peter schlenkert die Sandalen von den Füßen und watet gebückt im Graben. Es ist Sommer, die Sonne ist stark, das Wasser ist warm. Die Molche huschen vor seinen Händen davon unter die schützende Böschung. Aus den geöffneten Fenstern des grauen Hauses dringt ein Frauenlachen und dann ein Männerlachen herüber.

Peter hält sich die Ohren zu. Er sieht im Wasserspiegel das Gesicht seines Vaters – ein gutes, ein vertrautes Gesicht. Aber des Vaters Mund bleibt stumm. Seine Augen zwinkern ihm nicht fröhlich zu. Und Peter sieht den hölzernen Kuckuck davonfliegen. Ein Wind bewegt das Wasser. Das Gesicht des Vaters versinkt. Als das Wasser sich wieder glättet, sieht Peter sein Gesicht: blaß, große Augen, der Mund ist zusammengepreßt, die störrischen braunen Haarlocken fallen in die Stirn. „Krah – Krah!“ rufen die schwarzen Vögel aus den geöffneten Fenstern des grauen Hauses. „Krah – Krah!“ Fremd und schwarz erscheinen sie Peter. Peter bekommt einen Molch zu fassen. Er hält ihn fest. Sieht, wie er sich zu befreien sucht. Der Schwanz windet sich, die Beine strampeln. „Du willst wohl auch nicht heiraten?“

sagt Peter. „Ich will auch keinen neuen Vater. Ich will nicht, daß Hochzeit gefeiert wird. Ich will, daß der hölzerne Kuckuck wiederkommt.“ „Du mußt mit“, sagt Peter zu dem Molch. „Ich muß jetzt zur Hochzeit. Und du mußt mit.“ Peter steckt den Molch in sein Hemd. Er nimmt seinen Schulranzen und geht langsam über die Bahnbrücke auf das graue Haus zu. Früher, als Vater noch lebte und der hölzerne Kuckuck da war, war für Peter das Haus nie grau gewesen. Auch die Straße nicht. Und der Himmel war blau gewesen. Und immer hatte die Sonne geschienen. Auf der Straße, vor dem Haus spielen Kinder. Sie jagen einem Ball hinterher. Sie malen mit bunter Kreide und lassen Seifenblasen in die Luft steigen. „Kommst du spielen, Peter?“ rufen die

Kinder. „Wir malen ein großes Haus! Du sollst die Mädchen und Jungen malen, die in dem Haus wohnen!“ Anke kommt zu Peter gelaufen. Sie gehen zusammen in eine Klasse. Anke hat lange schwarze Haare und kann von allen Kindern am schnellsten rennen. Die Kinder nennen sie Ponny. Und wenn Ponny lacht, ist für Peter der Himmel nicht mehr grau. „Bei euch oben wird schon gefeiert“, sagt Anke. „Deine Mutter hat schon nach dir gerufen. Du hast’s gut. Du kannst Hochzeit machen.“ „Laß mich in Ruhe“, sagt Peter. „Geh aus dem Weg. Ich muß hoch.“ „Der Herr hat schlechte Laune. Wie’s dem Herrn beliebt“, sagt Ponny. Sie schüttelt ihr langes schwarzes Haar und rennt zu den anderen.

Peter ersteigt die drei Stockwerke wie einen hohen Berg. Die Musik wird ihm unerträglich laut. Auch das Lachen. Und die Stimmen – Mutters Stimme und seine Stimme. Und dann ist noch das Gekrächze der fremden Vögel zu hören. Die Treppen sind mit Blumen bestreut. Die Wohnungstür ist weit geöffnet, auch alle Zimmertüren. Die Leute tanzen. Peter versucht, sich an ihnen vorbeizudrücken und ungesehen sein Zimmer zu erreichen. Er will niemanden sehen. Er ist zur Schule gegangen, obwohl die Mutter um Urlaub gebeten hatte. Von ihm aus hätte der Unterricht den ganzen Tag und auch noch die Nacht dauern können. „Peter – endlich!“ ruft die Mutter. Sie kommt auf Peter zugelaufen und preßt ihn fest an sich. Peter spürt die Aufregung der Mutter. Ein schnelles, unruhiges Pochen kommt aus ihr. Die Stirn der Mutter ist feucht.

Die Mutter riecht wie ihr neuer Mann. Nach Zigarren und Benzin. Peter sträubt sich gegen die Umarmung der Mutter. Er ist froh, daß er den Molch hat. Er hält ihn fest in seiner Hand. Peters Mutter ist klein und zierlich wie ein Mädchen. Sie ist hübsch. Sie arbeitet als Krankenschwester. Sie spielt Klavier. Peter mag sie sehr. Er ist stolz auf sie. Er hat sich immer mit ihr verstanden, bis sie diesen fremden Mann nach Hause brachte. Am Anfang mochte Peter Onkel Martin. Onkel Martin ist groß und stark. Er fährt einen Lastwagen, einen Fünftonner, und spielt Fußball im Verein. Und er raucht dunkle Zigarren und weiß alles über Vögel. Peter hatte gehofft, von Onkel Martin etwas über den hölzernen Kuckuck zu erfahren. Doch danach gefragt hat er ihn nie. Onkel Martin kam immer öfter. Manchmal schlief er sogar in Vaters Bett. Er zog

Vaters Hausschuhe an. Besah sich seine Briefmarken. Schnitt das Brot mit seinem Messer. „Er soll gehen“, sagte da Peter zu seiner Mutter. „Ich will ihn nicht mehr sehen.“ „Was hast du nur gegen Onkel Martin?“ fragte die Mutter. „Hast du ihn nicht ein bißchen gern? Onkel Martin möchte dein neuer Vater werden.“ „Ich will keinen neuen Vater“, sagte Peter. „Nie.“ Die Mutter fragte Peter immer wieder, ob er Onkel Martin zum Vater haben wollte. Sie weinte oft. Doch Peter sagte immer wieder nein. Und Onkel Martin hatte gesagt, sie sollten Freunde werden. „Nein“, erwiderte Peter störrisch. Und nun feiern sie Hochzeit. Ohne daß Peter ja gesagt hat. Die Hochzeitsgäste umarmen Peter. Sie

reden auf ihn ein. Rufen: „Da ist ja der Peter! Nun kann richtig gefeiert werden!“ Peter reißt sich los. „Laßt mich in Ruhe!“ ruft er. Er rennt in sein Zimmer. Setzt sich auf sein Bett. Hält den Molch in den Händen. Das bunte Clownsgesicht auf dem Bild über seinem Bett sieht traurig auf ihn herunter. Die Musik aus dem Wohnzimmer verstummt, auch das Lachen und die Stimmen. Nur die schwarzen Vögel krächzen noch. Vorsichtig wird die Tür zu Peters Zimmer geöffnet. Erst ist Onkel Martins Kopf zu sehen. Ein Kopf mit einer Löwenmähne. Dann schiebt sich der große, kräftige Mann ins Zimmer. Ponny hat einmal zu Peter gesagt: „Dein Onkel Martin hat tolle Muskeln!“ „Darf ich?“ fragt Onkel Martin. „Darf ich hereinkommen?“

Onkel Martins Stimme klingt leise, fast schüchtern. Peter antwortet nicht. Der Molch strampelt in seinen Händen. Onkel Martin steht groß und breit in dem kleinen Zimmer. Er steht an der Tür, und es sieht aus, als wage er nicht weiterzugehen. „Was hast du denn da?“ fragt Onkel Martin. Er zieht sich den Binder vom Hals, knöpft den Hemdkragen auf. „Das ist doch ein Molch. Wo hast du ihn gefangen?“ Peter sitzt unbeweglich auf seinem Bett. Er sieht starr auf die Uhr, die er sich aus der Küche in sein Zimmer geholt und ans Fenster gehängt hat. Die Uhr ist ein kleines Haus. In ihm wohnte der hölzerne Kuckuck. Der hölzerne Kuckuck war plötzlich verschwunden. Seit Vater tot ist, vermißt Peter den hölzernen Kuckuck. Er ruft nicht mehr Kuckuck – Kuckuck zu

Vaters Geschichten. Die Tür seines kleinen Hauses steht offen. Auch Peters Zimmerfenster steht Tag und Nacht offen. Aber der hölzerne Kuckuck ist nicht wiedergekommen. Onkel Martin geht aus dem Zimmer. Er kommt bald zurück. Stellt ein großes Glas auf den Tisch. Das Glas ist zur Hälfte mit Wasser gefüllt. Onkel Martin sagt: „Molche gehören ins Wasser. Vorläufig muß dieses Glas ausreichen. Morgen besorge ich ein Aquarium.“ Peter sitzt. Starrt auf die Kuckucksuhr. Sagt nichts. Die Bewegungen des Molchs werden immer schwächer. Peters Hände fassen fest zu. Als wollten sie sich festhalten. „Na ja“, sagt Onkel Martin. Er fährt sich mit beiden Händen durch sein Löwenhaar. „Wenn du Lust hast – komm zu uns. Deine Mutter war ganz unruhig, weil du nicht gekommen bist.“

Onkel Martin geht. Leise, vorsichtig schließt er die Tür. Vom Flur sind unruhige Schritte zu hören. „Krah – Krah!“ rufen die schwarzen Vögel. Die Musik spielt wieder. Nicht so laut wie vorher. Gläser klirren. Der Molch in Peters Händen bewegt sich nicht mehr. Peter steht auf, geht zum Tisch, hält die Hand mit dem Molch ins Wasser. Lange steht er so. Dann fühlt er, der Molch wird wieder lebendig. Langsam zieht Peter seine Hand aus dem Glas. Es wird Abend. Es wird Nacht. Es ist still in der Stadt. Still in dem grauen Haus. Der Besuch ist nach Hause gegangen. Peter ist aufgewacht. Er steht von seinem Bett auf. Geht ans Fenster. Sieht in dem kleinen Haus nach, ob der hölzerne Kuckkuck zurückgekommen ist.

Aber das kleine Haus ist leer. Über dem Bahngelände steht der Mond. Ihm stehen tausend Sterne zur Seite. Ihr Licht webt goldene und silberne Fäden. Peter greift nach ihnen. Aber sie schmelzen in seinen Händen. Auch die fremden schwarzen Vögel schweigen. Alles ist still. Der hölzerne Kuckuck hatte es fertiggebracht, aus den Lichtfäden eine goldene Schaukel zu winden. Das war, als Vater noch lebte. Vater kam manchmal spät von der Arbeit. Er arbeitete Schicht. Er war Lokführer. Wenn er kam, setzte er sich zu Peter ans Bett. Legte ihm seine Hand auf die Stirn. Die Hand war rauh. Sie roch nach Ruß. „Wo warst du heute?“ fragte Peter. „Kuckuck – Kuckuck – Kuckuck…!“ rief der hölzerne Kuckuck. Elfmal. „Ich habe einen Zug nach Thüringen ge-

fahren“, antwortete der Vater. „In Thüringen ist sehr viel Wald. Es riecht nach Harz und Pilzen. Die Berge ragen grün in den Himmel. Einmal mußte ich bremsen. Da stand ein Reh auf den Schienen. Schlaf jetzt, mein Junge. Schlaf.“ Peter drückte sich tief in sein Bett. Der hölzerne Kuckuck rief „Kuckuck – Kuckuck…!“ Er wand die Lichtstrahlen des Mondes und der Sterne zu einer goldenen Schaukel. Peter setzte sich drauf. Er schaukelte. Immer höher. Bis hinauf zu den Sternen. – Peter sieht in das Glas auf dem Tisch. Der Molch verharrt an der Wasseroberfläche. Golden ist das Wasser. Dunkel ist der Leib des Molches. „Du – Molch“, sagt Peter. „Ich gehe jetzt zu den fremden schwarzen Vögeln. Ich will nicht, daß sie hierbleiben.“ Peter geht aus dem Zimmer. Er schaltet kein Licht ein. Aus dem Schlafzimmer

hört er Atmen. Verschiedenes Atmen. Das Atmen der Mutter. Und sein Atmen. Peter geht schnell am Schlafzimmer vorbei. Er geht zu der kleinen Abstellkammer-. Öffnet vorsichtig die Tür. Langsam tritt er ein. In den Käfigen flattern erschreckt die Vögel. „Krah – Krah!“ rufen sie. Peter öffnet das kleine Zimmerfenster. Er öffnet die Türen der Vogelkäfige. Er ruft: „Hscht! Hscht! Hscht!“ „Krah – Krah!“ Die fremden schwarzen Vögel umflattern Peter. Sie fliegen zum geöffneten Fenster hinaus. Die Käfige stehen leer. Nur noch ein paar Federn segeln durch die Luft. Peter geht zurück in sein Zimmer. Legt sich ins Bett. Der Molch plätschert unruhig im Glas. Peter hält sich die Hände vor die Augen. Er weint.

Am nächsten Morgen wird Peter durch Onkel Martins Stimme geweckt. Sie klingt laut und erregt. „Meine Sittiche sind weg!“ ruft Onkel Martin. „Wie konnte das nur passieren? Ich habe doch die Käfige selbst zugemacht! Das Fenster auch!“ Beim Frühstück sagt die Mutter: „Ich verstehe das nicht, Martin. Die Vögel können doch nicht einfach wegfliegen. Du mußt die Käfigtüren nicht richtig geschlossen haben.“ „Meine schönen Vögel“, sagt Onkel Martin. Ihm will das Frühstück nicht schmecken. Er steckt sich eine dunkle Zigarre in den Mund. Dicke Qualmwolken steigen zur Zimmerdecke auf. Immer wieder springt er auf. Läuft zum Fenster. Sieht hinaus. Sucht seine Vögel. Der Himmel ist dunkel. Es regnet. Ein Zug pfeift dumpf.

„Ich habe die fremden schwarzen Vögel herausgelassen“, sagt Peter. „Du?“ Die Hand der Mutter zittert. Sie setzt die Kaffeetasse ab. Sie bekommt eine Falte zwischen die Augen. Ihr Mund wird schmal. Sie sagt: „Warum hast du das getan? Das war böse von dir! Du weißt genau, wie sehr Onkel Martin an seinen Vögeln hängt!“ „Irene!“ ruft Onkel Martin. Leise sagt er: „Laß uns das mal unter Männern besprechen.“ Peter bereut fast, daß er die Vögel hat wegfliegen lassen. Er kann die Mutter nicht traurig sehen. Und wenn sie böse mit ihm ist, kann nicht einmal Ponny mit ihrem Lachen die Sonne hervorzaubern. „Es ist schon spät“, sagt Onkel Martin. „Ich muß zur Arbeit. Komm, Peter, ich

fahre dich mit dem Auto zur Schule.“ Vor dem Haus wartet der breitbauchige Fünftonner. Peter setzt sich neben Onkel Martin. Sie fahren bis zur Schule. Peter will aussteigen. Onkel Martin hält ihn am Arm fest. Der Motor blubbert schwer. „Die Vögel“, sagt Onkel Martin. „Meine Sittiche – es sind bunte Vögel, lustige Burschen. Man kann sie sogar das Sprechen lehren. Sie lernen sagen: Ich heiße Otto Pfiffig. Ich bin ein lieber Vogel.“ „Der hölzerne Kuckuck konnte Geschichten erzählen“, sagt Peter. „Er hat mich auf einer goldenen Schaukel schaukeln lassen. Deine Vögel sind häßliche Vögel. Sie können nur Krah, Krah schreien.“ Ein Mädchenkopf blickt durch die Scheibe des Autos. Im schwarzen Haarschopf steckt eine rote Schleife. Es ist Ponny. Sie sagt: „Guten Morgen, Herr Dreyer!“

Zu Peter sagt sie: „Der Herr hat’s gut. Der läßt sich zur Schule kutschieren. Beeile dich. Der Unterricht fängt gleich an.“ Peter springt aus dem Auto. Er geht mit Ponny zum Eingang der Schule – ohne sich umzusehen. Der Motor grollt auf. Im Schulhaus fragt Ponny: „Warum seid ihr eigentlich nicht auf Hochzeitsreise?“ „Weil ich nicht will“, antwortet Peter. Vom Klassenzimmer aus, auf dem Schulhof im Geäst der Kastanie, sieht Peter einen der fremden schwarzen Vögel sitzen. In der Pause rennt Peter auf den Schulhof. Vertreibt den Vogel mit Steinen. Der Abend ist voller Musik. Die Fenster der Häuser stehen weit offen. Eine Mädchenstimme singt das Lied von dem König in Thule. Das Gewitter ist abgezogen. Der Himmel ist rein und klar wie ein Glasscherben. Die Kinder laufen barfuß durch die

breiten Wasserlachen. Sie lassen Papierschiffchen schwimmen. Die Mutter spielt in der Wohnstube auf dem Klavier. Leise klingen die Töne. Sie möchten lustig sein, aber es gelingt ihnen nicht. Peter sitzt am Tisch in seinem Zimmer. Er hat alle Schulhefte auf dem Tisch ausgebreitet. Tut so, als würde er lernen. Aber die Hausaufgaben hat er längst erledigt. Das Haus des hölzernen Kuckucks ist gekehrt, es ist sogar frisch gestrichen. Der hölzerne Kuckuck soll sich wohl fühlen, wenn er zurückkommt. Peter gibt die Hoffnung nicht auf. Die Wohnungstür wird aufgeschlossen. Schwere Schritte gehen auf dem Flur. Sie gehen in die Wohnstube. Zur Mutter. Das Klavierspiel verstummt. Dann kommen die Schritte in Peters Zimmer. Peter dreht sich nicht herum. Er rechnet

laut: „Vierundzwanzig plus acht ist – ist gleich…“ „Guten Abend“, sagt Onkel Martin. „Störe ich?“ „Guten Abend“, sagt Peter. „Vierundzwanzig plus acht ist gleich…“ Onkel Martin stellt Schweres ab. Er packt etwas aus. Stellt es auf den Tisch. Es ist ein kleines Aquarium. Onkel Martin schüttet aus einer Tüte Kies hinein. Er baut aus zwei Feldsteinen einen Unterschlupf. Dann pflanzt er Wasserpflanzen ein. Schließlich geht er in die Küche. Kommt mit einem Eimer Wasser wieder. Schüttet das Wasser vorsichtig in das Becken. „Meine Herren!“ ruft die Mutter aus der Küche. „Es gibt Abendbrot!“ „Nun kannst du deinen Molch in das Aquarium umsetzen“, sagt Onkel Martin. „Darin wird er sich wohl fühlen.“

Ein Regenbogen spannt sich über den Himmel. In Peters Zimmer hinein. Ins Wasser des Aquariums. Das färbt sich bunt. Peter möchte aufstehen. Den Molch in sein neues, freundliches Zuhause setzen. Aber er bleibt sitzen. Rührt sich nicht. Spannt jeden Muskel an. „Der hölzerne Kuckuck“, sagt Onkel Martin. „Du hast ihn sehr gemocht, ja?“ Peter nickt mit dem Kopf. Er sagt: „Der hölzerne Kuckuck war mein Freund. Du hast ihn erschreckt. Er ist weggeflogen. Nun steht sein Haus leer.“ Onkel Martin schweigt. Auch Peter. Der Regenbogen wandert aus dem Aquarium. Schaut in das kleine Haus des hölzernen Kuckucks. Verschwindet aus Peters Zimmer. Aus dem Hof ist Ponnys helles Lachen zu hören. Die Mutter steht in der Tür. Sie sagt:

„Wollt ihr nicht essen kommen? Als Nachtisch gibt es Pudding mit Nüssen, Peter. Eine große Schüssel voll. So viel, daß du es gar nicht aufessen kannst;“ „Dein Klavierspiel klingt traurig“, sagt Peter zur Mutter. „Früher mußten wir alle dazu singen, wenn du spieltest. So fröhlich klang es.“ Mutter und Onkel Martin sehen sich stumm an. Peter ißt hastig. Löffelt schnell den Pudding. Geht zurück in sein Zimmer. Die Mutter will ihm nach. Onkel Martin hält sie am Arm fest. Peter nimmt den Molch aus dem Glas. Er hält ihn dicht an sein Gesicht. Er fragt: „Du – Molch – möchtest du in s e i n Glas?“ „Ich möchte zurück“, sagt der Molch. „An den Bahndamm. In den Graben.“ „Das geht nicht“, sagt Peter. „Du mußt

bei mir bleiben, Molch. Ich will mit dir sprechen, bis der hölzerne Kuckuck wiederkommt.“ Peter setzt den Molch vorsichtig in das Aquarium. Der Molch durchschwimmt das Becken. Versteckt sich zwischen den Steinen. Sooft ihn Peter auch ruft – der Molch bleibt zwischen den Steinen. Peter zieht sich aus. Wäscht sich. Legt sich ins Bett. Die Mutter kommt. Setzt sich zu ihm. Sie riecht nach Krankenhaus, Zigarre und Parfüm. Früher roch sie nach Lokomotiven. Die Hände der Mutter sind warm. Auf dem Flur läuft Onkel Martin auf und ab. Mit schweren Schritten. „Soll ich dir eine Geschichte erzählen?“ fragt die Mutter. Peter nickt. Er hat lange keine Geschichte mehr gehört. „Vor vielen, vielen Jahren stand am

Wurzacher Ried ein Bauernhof“, erzählt die Mutter. „Eines Abends kam eine alte Frau in die Stadt Wurzach und bat um ein Nachtlager. Sie war weit gelaufen. Es war kalt. Aber überall wies man sie ab. Und der reiche Bauer sagte: ‚Pack dich, Alte, sonst hetz ich die Hunde auf dich!‘ Da ging die alte Frau zum Stadtbrunnen, schöpfte einen Löffel Wasser aus dem Brunnen und sagte: ‚So gewiß ich diesen Löffel voll Wasser ausgieße, so gewiß wird bis zum Morgen Wurzach versunken sein!‘ Am nächsten Morgen waren die Stadt und der große Bauernhof versunken. Und noch lange Jahre danach konnte man das Klagen der Leute aus der Tiefe hören.“ „Ist deine Geschichte wahr?“ fragt Peter. „Nicht alles“, antwortet die Mutter. „Sie ist eine Sage. Einer hat sie dem andern erzählt. Und jeder hat etwas hinzuerzählt. Auch ich.“

„Ich mag deine Geschichte nicht“, sagt Peter. „Der hölzerne Kuckuck hat mir nur wahre Geschichten erzählt.“ Die Mutter nimmt ihre Hände von Peters Kopf. Sie atmet schnell. Sie steht auf. Sie sagt: „Der hölzerne Kuckuck! Der hölzerne Kuckuck! Ich höre nur noch von dir: der hölzerne Kuckuck! Kannst du ihn denn gar nicht vergessen? Wir sind doch auch noch da – ich, deine Mutter, und Onkel Martin. Du tust mir weh, Peter…“ „Ich will dir nicht weh tun“, sagt Peter. „Aber ich will den hölzernen Kuckuck nicht vergessen.“ „Du hast mich nicht lieb“, sagt die Mutter. „Du hast deine Mutter nicht mehr lieb…“ Die Stimme der Mutter klingt wie feines, zerbrechendes Glas. „Doch!“ sagt Peter. „Ich habe dich sehr lieb!“

Die Tür zu Peters Zimmer wird geöffnet. Onkel Martins Löwenkopf schaut herein. Onkel Martin sagt: „Irene – komm jetzt. – Schlaf gut, Peter. Wir gehen ins Kino. Wir sehen uns einen Tierfilm an.“ Onkel Martin geht zum Fenster, das die Mutter geschlossen hatte. Er macht es weit auf. Er prüft, ob auch alle Fenster und die Tür des kleinen Hauses offenstehen. Dann gehen Onkel Martin und die Mutter. Peter liegt auf dem Bauch. Sieht aus dem Fenster. Mondbunte Wolken treiben durch den Himmel. Aus dem Mauerwerk unter der Dachrinne klingt verschlafener Vogellaut. Die Tage rennen weg. Peter will das so. Früher sollte kein Tag ein Ende haben. Aber jetzt ist Peter schon am Morgen ungeduldig auf den nächsten Tag. Er ist im

Park in den Wipfel des höchsten Baumes gestiegen. Er hat allen Vögeln zugerufen: „Wenn ihr den hölzernen Kuckuck seht – sagt ihm, er soll zurückkommen! Die Tür und die Fenster stehen immer offen! Das kleine Haus ist neu gestrichen! Die Zimmer sind gekehrt!“ Wit-Wit – Grigrigri – Kix – Pink-pink, haben die Vögel geantwortet: „Wir richten das aus, wenn wir den hölzernen Kuckuck treffen!“ In der Schule paßt Peter oft nicht auf. Herr Siebholz fragt ihn: „Peter, was weißt du uns über unsere heimischen Vögel zu erzählen?“ Peter steht von seinem Stuhl auf. Er antwortet: „Der hölzerne Kuckuck – er ist kleiner als eine Schwalbe – kleiner als ein Sperling – er ist ganz bunt und lustig – und er ruft zu jeder Stunde: Kuckuck – Kuckkuck – und er kann aus Sternenfäden eine goldene Schaukel weben…“

Die Jungen und Mädchen lachen übermütig. Herr Siebholz legt besorgt seine Hand auf Peters Stirn. „Ist dir nicht gut?“ fragt er. „Bist du etwa krank, Peter?“ Peter ist nicht krank. Er weiß selbst nicht, was mit ihm ist. Er sitzt jetzt oft nach dem Unterricht am Bahndamm. Versucht, in den mächtigen Lokomotiven der vorüberfahrenden Züge die Lokomotivführer zu erkennen. Einmal hat er laut Vater gerufen. Das rußige Gesicht des Lokomotivführers hat ihm zugelacht. Die Lokomotive hat einen grüßenden Pfiff ausgestoßen. Peter hat sich wieder auf seinen Ranzen gesetzt. Er hat Herrn Siebholz die richtige Antwort gegeben: „Viele Vögel ziehen im Herbst von uns weg nach Afrika. Andere Vögel bleiben auch im Winter bei uns. Wir haben den Sperling, die Schwalbe, die Kohlmeise, den Star, den Storch – den Kuckuck…“

Niemand versteht Peter. Auch Ponny nicht. Aber sie lacht nicht über ihn. Sie sagt: „Reiß dich doch zusammen. Kann ich endlich mal deinen Molch ansehen?“ Peter und Ponny sitzen vor dem Aquarium. Der Molch schwimmt. Ruht sich auf den Steinen aus. Schwimmt wieder. Ponny verfolgt ihn mit ihrem Zeigefinger. Sie stupst ihn. Sie will, daß er sie zwickt. Sie quiekt, wenn der Molch nach ihr schnappt. „Wie heißt denn dein Molch?“ fragt Ponny. „Molch“, antwortet Peter. „Molch“, sagt Ponny. „Molch ist kein Name. Wir heißen auch nicht Mensch. Der Molch muß einen Namen haben.“ „Er soll keinen Namen haben“, sagt Peter. „Er soll nur Molch heißen.“ „Von mir aus“, sagt Ponny. „Es ist ja nicht mein Molch. Bei mir würde er Herr

Zwack heißen.“ Die Mutter hat für Peter und Ponny Sahne geschlagen. Peter und Ponny schlecken. Onkel Martin kommt von der Arbeit. „Guten Tag, Peter!“ sagt er. „Guten Tag, Ponny!“ Ponny kneift Onkel Martin in die Armmuskeln. „Bei meinem Vater ist das wie Pappe“, sagt sie. „Helfen Sie mir, wenn er mich mal verprügeln will?“ „Schlägt dich dein Vater etwa?“ fragt Onkel Martin. „Nein! Nie!“ lacht Ponny. „Hans ist schwer in Ordnung. Nur etwas liederlich. Wir müssen ihm alles nachräumen. Mutter sagt manchmal: Wenn wir unseren Vater nicht hätten, wüßten wir vor Langeweile nicht, was wir machen sollten!“ Ponny lacht. Onkel Martin lacht. Auch Peter – doch er wird gleich wieder ernst.

Onkel Martin klopft seine Jackentaschen ab. Er zieht eine Pinzette heraus. Nimmt eine Fliege aus der Schachtel, in der Peter die gefangenen Fliegen und Käfer für den Molch aufbewahrt. Onkel Martin klemmt die Fliege zwischen die Pinzette. Hält sie an die Wasseroberfläche des Aquariums. Er klopft dreimal ans Glas. Der Molch regt sich unter den Steinen. Er kennt das Kommando. Er kommt zur Wasseroberfläche geschwommen. Schwimmt unentschlossen um die Pinzettenspitze mit der Fliege herum. Schließlich schnappt er danach. Verschluckt die Fliege. Ponny ist aufgeregt. „Darf ich auch mal!“ ruft sie. Ponny, Onkel Martin und Peter füttern abwechselnd den Molch. Bis er einen dicken Bauch hat und nichts mehr fressen will.

„Wenn Herr Zwack weiter soviel frißt, gibt’s bald keine Fliegen mehr!“ staunt Ponny. Onkel Martin verabschiedet sich. Er muß zum Fußballtraining. Seine Mannschaft hat am Sonntag ein Spiel. Er ladet Peter und Ponny ein, sich das Spiel anzusehen. „Wir sind dabei!“ ruft Ponny. „Wir werden für Ihre Mannschaft schreien!“ „Ich nicht“, sagt Peter. „Ich kann nicht. Ich – ich muß am Sonntag – am Sonntag muß ich – mein Zimmer aufräumen.“ „Das kannst du doch auch an einem anderen Tag machen“, sagt Ponny. „Nein“, antwortet Peter. „Am Sonntag.“ „Der Herr hat sie wieder mal nicht alle“, sagt Ponny. Sie schüttelt den Kopf über Peter. Ponny bleibt noch ein Weilchen, als Onkel Martin gegangen ist. Sie sitzt vor dem Aquarium. Dreht in ihrem Haar. Sagt

nichts. Peter malt auf einem Blatt Papier. Er malt den hölzernen Kuckuck. „Ich muß jetzt gehen“, sagt Ponny. „Ja“, sagt Peter. Ponny steht auf. Geht zur Tür. Bleibt stehen. Sagt: „Dem Herrn ist wohl eine Laus über die Leber gelaufen. Wenn der Herr wieder normal ist, kann er ja bei mir vorsprechen.“ Ponny geht. Die Wohnungstür kracht ins Schloß. Die Mutter kommt in Peters Zimmer. „Was war denn?“ fragt sie. „Habt ihr euch gestritten?“ „Ich will Ponny nicht mehr sehen“, sagt Peter. „Aber sie ist doch deine Freundin…“, sagt die Mutter. „Nein!“

Die Mutter setzt sich auf Peters Bett. Stützt ihren Kopf in die Hände. Sie atmet schwer. Peter schneidet aus Papier den hölzernen Kuckuck aus. Er faltet das Papier. Geht zum Fenster. Wirft den Kuckuck in den Wind. Will ihn fliegen sehen. Aber der Kuckuck stürzt ab. Auf dem Hof liegt ein Stück weißes Papier. Es ist Sonntagmorgen. Peter dehnt und rekelt sich im Bett. Die hellen Strahlen der Sonne haben ihn geweckt. In der Küche läuft das Radio. Geschirr klappert. Ein Ball springt auf die Dielen. Die Mutter schimpft. Onkel Martin lacht. Peter befühlt seinen Körper. Seinen Kopf. Er möchte krank sein. Heute. Aber er kann nichts finden. Kein aufgeschlagenes Knie. Keinen lockeren Zahn.

Heute hat Onkel Martin sein Fußballspiel. Die Mutter hat Dienst im Krankenhaus. Onkel Martin hat zu Peter gesagt: „Du kommst doch mit zum Spiel, Peter? Ich habe auf der Tribüne einen Platz für dich bestellt.“ Peter drückt sich auf den Magen. Er drückt ganz fest. Peter stöhnt. Langsam spürt er einen Schmerz. Er stöhnt lauter. Immer stärker wird der Schmerz. Peter stöhnt. Der Schweiß steht ihm auf der Stirn. Die Mutter und Onkel Martin kommen in Peters Zimmer gelaufen. Sie sind erschrocken. „Peter! Peter!“ ruft die Mutter. „Was hast du denn?“ Peter stöhnt und windet sich. Die Schmerzen sind jetzt im ganzen Körper. Die Mutter tupft Peter die Stirn ab. Sie fühlt ihm den Puls. „Wo hast du Schmer-

zen?“ fragt sie. „Zeig mir, wo es weh tut.“ Onkel Martin steht unbeholfen an Peters Bett. Er hebt die schweren Arme. Fährt sich mit den Fäusten durchs Haar. „Soll ich – soll ich einen Arzt holen?“ fragt er. „Nein, nein“, beruhigt die Mutter. „So schlimm ist es nicht.“ Die Mutter gibt Peter eine Medizin. Peter schluckt. Die Medizin schmeckt bitter. Peter hat plötzlich keine Schmerzen mehr. „Na, geht es besser?“ fragt die Mutter. „Nein“, antwortet Peter. Er beginnt wieder etwas zu stöhnen. Die Mutter sagt: „Würdest du bitte mal in die Küche gehen, Martin. Damit das Mittagessen nicht anbrennt.“ Onkel Martin geht zögernd nach draußen. Die Mutter beugt sich zu Peter herab. Sieht ihm fest in die Augen. Sagt: „Warum machst du so etwas, Peter? Warum erschreckst du mich und Onkel Martin?

Du bist gar nicht krank. Und Schmerzen hast du auch nicht.“ Peter setzt sich im Bett auf. Er schreit: „Und doch bin ich krank! Und doch habe ich Schmerzen!“ „Nein“, sagt die Mutter. „Nein, du bist nicht krank, Peter. Und du hast keine Schmerzen.“ Peter legt den Kopf in den Schoß der Mutter. Die Mutter streichelt ihm übers Haar. Peter weint. Er schluchzt: „Ich muß den hölzernen Kuckuck wiederhaben! Ich muß ihn wiederhaben!“ „Der hölzerne Kuckuck…“, sagt die Mutter. „Du hast doch jetzt den Molch…“ „Ich will den Molch nicht! Ich will den hölzernen Kuckuck!“ „Weine nicht“, sagt die Mutter. „Du kannst eine Katze bekommen, wenn du möchtest. Oder einen Hund. Einen niedlichen kleinen Hund. Der kann vor deinem

Bett schlafen…“ „Ich will den hölzernen Kuckuck“, sagt Peter leise. „Ich will meinen hölzernen Kuckuck wiederhaben.“ Aus den Bäumen vor Peters Zimmerfenster rufen die Vögel: Wit-Wit – Grigrigri – Kix – Pink-pink – Wir haben den hölzernen Kuckuck überall gesucht! – Der hölzerne Kuckuck ist nirgends zu finden! – Niemand hat den hölzernen Kuckuck gesehen! „Du hast Vater sehr gern gehabt“, sagt die Mutter zu Peter. „Er hat dir viele schöne Geschichten erzählt. Wahre Geschichten. Von seiner Arbeit. Er hat dir Drachen gebaut. Du bist auf seiner Lokomotive mitgefahren. – Aber – Vater ist tot, Peter. Wir – wir können ihn nur weiter liebhaben…“ Peters Kopf liegt heiß in der Mutter Schoß. Peter zittert. Am ganzen Körper.

„Der hölzerne Kuckuck“, sagt die Mutter. „Der hölzerne Kuckuck war doch nur ein – ein Stück Holz. Er – er war doch nie lebendig, Peter. Er ist auch nicht weggeflogen. Er ist nur irgendwann entzweigegangen…“ Peter reißt sich von der Mutter los und schreit: „Das lügst du! Du lügst!“ Onkel Martin steht plötzlich an Peters Bett. Er sagt: „Peter hat recht. Der hölzerne Kuckkuck ist lebendig. Ganz bestimmt, Peter.“ Langsam beruhigt sich Peter. „Wann?“ fragt er. „Wann kommt der hölzerne Kuckkuck zurück?“ „Ich weiß nicht“, antwortet Onkel Martin. „Ich weiß nur, daß er eines Tages zu dir zurückkommen wird. Dann wirst du wieder ganz froh sein.“ Peter lacht. Er will aufstehen. „Ich bin nicht mehr krank“, sagt er. „Ich habe auch gar keine Schmerzen mehr.“

„Bleib nur noch im Bett liegen“, sagt Onkel Martin. „Ich werde nur telefonieren gehen. Ich werde meiner Mannschaft sagen, daß ich nicht mitspielen kann.“ „Geh du nur zu deinem Spiel, Martin“, sagt die Mutter. „Ich werde bei Peter bleiben.“ „Niemand braucht bei mir zu bleiben“, sagt Peter. „Ich kann allein bleiben. Mir geht es gut.“ Es wird Mittag. Peter hat zwei Teller Milchreis gegessen. Und drei Schüsseln Pflaumenkompott. Peter liegt im Bett. Sein Bauch ist prall wie eine Trommel. Peter pfeift ein Lied. Er ist lustig. Er ist froh. Der hölzerne Kuckuck wird zu ihm zurückkommen! Die Mutter geht zu ihrer Arbeit. Onkel Martin zu seinem Fußballspiel. Peter wartet noch ein paar Minuten. Dann springt er aus dem Bett. Zieht

schnell seine Sachen an. Er geht aus der Wohnung. Aus dem Haus. Läuft auf Umwegen zum Sportplatz. Der Sportplatz liegt mitten im Rosental. Hohe Bäume umstehen ihn. Die Sonnenhitze läßt Blätter und Gräser knistern. Die Spieler sind noch nicht auf dem Spielfeld. Es sind nicht viele Zuschauer gekommen. Die meisten Stadtbewohner sind heute zum Baden gefahren. Peter versteckt sich hinter den Büschen. Niemand soll ihn sehen. Nicht weit von Peter entfernt steht Ponny. Sie hat ein paar Jungen und Mädchen mitgebracht. Ponny springt von einem Bein aufs andere. Sie bläst in eine kleine Trompete. Ihr schwarzes Haar umhüllt ihre Schultern. In Peters Füßen zuckt es. Er möchte gern neben Ponny stehen. Aber dann würde Onkel Martin ihn sehen. Onkel Martin

soll nicht sehen, daß Peter zu seinem Fußballspiel gekommen ist. Die Schiedsrichter und die Spieler laufen auf das Spielfeld. Peter sieht Onkel Martin. Er überragt alle um Kopfeslänge. Die Mannschaften begrüßen sich. Die Mannschaftskapitäne gehen zum Schiedsrichter. Der wirft ein Geldstück in die Luft. Onkel Martins Mannschaft muß in der ersten Halbzeit gegen die Sonne spielen. „Pech“, sagt Peter. Er ist aufgeregt, als würde er selbst mitspielen. Das Spiel ist hart und verbissen. Die Spieler kämpfen, als ginge es um die Weltmeisterschaft. Die Zuschauer schreien Klasse! oder Pfui!. Onkel Martin ist Stürmer. Linksaußen. Er dringt oft mit dem Ball in den Strafraum der Gegner ein. Er ist nur mit unsauberen Mitteln vom Ball zu trennen.

Ponny bläst in ihre Trompete, wenn Onkel Martin am Ball ist. Sie lacht. Sagt: „Das ist vielleicht ein Gehacke! Hoffentlich haben die Spieler ihre Knochen numeriert!“ Die Leute lachen über Ponny. Peter ist wütend auf Ponny. Er ist wütend auf die unfairen Spieler. Er möchte laut Pfui! schreien, wenn ein gegnerischer Spieler Onkel Martin ein Bein stellt. Wieder dringt Onkel Martin mit dem Ball in den gegnerischen Strafraum ein. Zwei Spieler der anderen Mannschaft bringen ihn zu Fall. Peter springt hinter den Büschen hervor. „Pfui!“ schreit er. „Strafstoß! Elfmeter!“ Ponny vergißt, auf ihrer Trompete zu blasen. „Peter!“ ruft sie. „Du bist ja da!“ Peter springt zurück hinter die Büsche. Ponny kommt zu ihm gelaufen. Peter rennt weg. Richtung nach Hause. Ponny

rennt ihm nach. Sie rennt schneller als Peter. Holt ihn bald ein. Peter und Ponny stehen mitten auf einer Straße. Beide atmen hastig. „Du hast sie wohl nicht alle“, sagt Ponny. „Warum rennst du denn weg?“ „Geht es dich was an?“ sagt Peter. „Jawohl“, sagt Ponny. „Schließlich bist du mein Freund. Oder nicht?“ Peter schiebt die Hände in die Taschen seiner Lederhose. Er guckt in den Himmel. Druckst herum. Sagt schließlich: „Onkel Martin soll nicht wissen, daß ich zu seinem Spiel gekommen bin.“ „Versteh ich nicht“, sagt Ponny. „Warum denn nicht? Er freut sich doch, wenn du kommst.“ „Er soll sich nicht freuen“, sagt Peter. „Aber warum denn nicht?“ fragt Ponny. „Weil ich es nicht will. So“, antwortet Peter.

Ein Auto hupt. Der Fahrer schreit etwas Unfreundliches. Peter und Ponny gehen von dem Fahrdamm auf den Fußweg. „Der Herr hat wirklich nicht alle“, sagt Ponny zu Peter. „Der Herr sollte mal zum Arzt gehen. Seinen Vogel untersuchen lassen. Der Herr hat einen ziemlich großen Vogel.“ Ponny geht weg. Zum Sportplatz zurück. Läßt Peter einfach stehen. Peter wartet, daß Ponny stehenbleibt. Auf ihn wartet. Aber Ponny läuft. Peter rennt Ponny hinterher. Er holt sie ein. Hält sie am Kleid fest. Sagt: „Du weißt gar nichts! Dir ist kein hölzerner Kuckuck weggeflogen!“ Ponny bleibt stehen. Sie sieht Peter groß an. „Nein“, sagt Ponny. „Ich habe nie so einen Vogel gehabt. Ich bin auch nicht verrückt danach. Ich habe meine Puppe Erna. Sie hat nicht mehr viel Haare, nur noch ein Ohr und ein Bein. Aber mit ihr

kann ich alles bereden.“ „Was würdest du machen, wenn dir deine Puppe wegliefe?“ fragt Peter. „Erna? Mir weglaufen?“ sagt Ponny. „Erna läuft mir nicht weg. Und wenn – dann holt sie mir mein Vater zurück!“ „Mein Vater“, sagt Peter leise. „Mein Vater kann mir den hölzernen Kuckuck nicht zurückholen…“ Leute drängen an Peter und Ponny vorbei. Stoßen sie an. Peter und Ponny rühren sich nicht. Sie sagen nichts. Ein Wind singt in den Hochspannungsdrähten. „Und Onkel Martin…“, sagt Ponny. „Onkel Martin kann dir bestimmt deinen hölzernen Kuckuck zurückholen.“ „Nein“, sagt Peter. „Das hätte nur mein Vater gekonnt.“ Peter dreht sich weg von Ponny. Ihm ist kalt. Trotz der heißen Sonne. Er geht langsam die Straße entlang. Nach Hause.

Wit-Wit – Grigrigri – Kix – Pink-pink, rufen die Vögel aus der Luft: Wir haben den hölzernen Kuckuck nicht gesehen! Wieder vergeht ein Tag nach dem anderen. Bald beginnen die großen Schulferien. Peter spricht nicht mehr soviel von dem hölzernen Kuckuck. Manche Tage vergißt er sogar das kleine Haus. Peter hat dem Molch doch einen Namen gegeben. Nicht Herr Zwack, wie es Ponny wollte. Er nennt den Molch Fliegenschnepper. Onkel Martin hat ein Motorrad mit Beiwagen gekauft. Damit wollen sie in die Ferien fahren: Zelten. An einen See bei Berlin. Mit Peter, der Mutter und Fliegenschnepper. Das Motorrad ist nicht neu. „Es hat seine Mucken“, sagt Onkel Martin. Und Ponny sagt: „Das ist eine alte Kiste.“

Onkel Martin repariert das Motorrad. Es soll wie neu werden. Fast jeden Abend bastelt Onkel Martin. Auf dem Hof. Er feilt, sägt, schraubt, montiert, lackiert. Peter spielt auf der Straße. Er treibt den Ball vor sich her. Plötzlich bleibt er stehen. Rennt auf den Hof. Sieht zu, was Onkel Martin mit dem Motorrad macht. Onkel Martins Gesicht ist ölverschmiert. Er baut das Vorderrad ein. Er sagt: „Gib mir doch mal den Siebzehnerschlüssel, Peter.“ Inzwischen weiß Peter, was der Siebzehner Schlüssel ist. Er reicht ihn Onkel Martin zu. „Halt mal das Rad“, sagt Onkel Martin. Peter klemmt das Rad zwischen die Beine. Faßt mit beiden Händen fest zu. „So ist es gut“, sagt Onkel Martin. Er lacht, sagt: „Wir werden das schon schaffen. Oder was meinst du, Kollege?“

Peter nickt. Er bekommt kaum Luft. So sehr hält er fest. Ponny kommt auf den Hof. Nachsehen, wo Peter so lange bleibt. „Der Herr ist wohl unter die Motorradschlosser gegangen“, sagt Ponny. „Wenn die Kiste fährt, heiße ich Egon.“ „Die fährt“, sagt Peter. „Und du heißt Egon.“ „Hier muß mal wieder Staub gewischt werden“, sagt Ponny. Sie nimmt einen Putzlappen. Putzt die Speichen blank. Ein Kind nach dem anderen kommt auf den Hof. Kommt, um zu necken. Bleibt, um zu helfen. „Nun kann uns gar nichts mehr passieren“, lacht Onkel Martin. „Bei so viel Fachleuten muß ja alles klappen.“ Wenn Peter Onkel Martin hilft, bekommt er manchmal etwas Geld dafür. „Das will ich nicht“, sagt Peter.

„Nimm“, sagt Onkel Martin. „Wer arbeitet, soll auch verdienen.“ Peter spart das Geld. Auch sein Taschengeld. Der Bauch des Sparschweins füllt sich. „Auf was sparst du denn?“ fragt Ponny. „Schlachte das Schwein. Wir könnten zehn Pfund Eis essen.“ „Nein“, sagt Peter. „Das Schwein bleibt ganz.“ „Oh, ist der Herr geizig!“ sagt Ponny. Wenn Peter manchmal die Mutter aus dem Krankenhaus abholt, bleibt er vor einem Zoologiegeschäft stehen. Hinter der Scheibe, in Käfigen flattern Vögel. Bunte Vögel. Wellensittiche. Wird die Tür des Geschäftes geöffnet, hört Peter sie spektakeln. Peter sieht sich die Vögel genau an. Er kann nicht verstehen, daß diese Vögel einmal für ihn schwarze Vögel gewesen

sind. Vögel, die er aus Onkel Martins Käfigen verjagt hat. Peter tritt in das Geschäft ein. „Was kostet ein Wellensittich?“ fragt Peter. „Fünfzehn Mark“, antwortet der Verkäufer. Am nächsten Tag geht Peter wieder in das Geschäft. „Wieviel Wellensittiche braucht man, wenn sie viele Kinder kriegen sollen?“ fragt Peter. „Du willst es ganz genau wissen“, lacht der Verkäufer. „Zwei brauchst du. Ein Männchen und ein Weibchen. Und was zwei Vögel kosten, kannst du dir selber ausrechnen.“ „Ja“, sagt Peter. Zu Hause schlägt Peter das Sparschwein kaputt. Fast dreißig Mark hat er gespart. Bestimmt könnte er sich für das Geld ei-

nen hölzernen Kuckuck kaufen. Aber in welches Geschäft Peter auch geht – überall bekommt er die gleiche Antwort: „Einen hölzernen Kuckuck? – den haben wir nicht.“ Jeden Abend kommt Onkel Martin an Peters Bett. Zum Gute-Nacht-Sagen. Peter rückt immer dicht an die Wand. Damit Onkel Martin sich auf den Bettrand setzen kann. Heute ist Onkel Martin erst sehr spät von der Arbeit nach Hause gekommen. Peter ist noch wach. Onkel Martin öffnet vorsichtig Peters Zimmertür. „Ich bin munter!“ ruft Peter. Die Mutter lacht froh. „Schlaf, morgen bist du müde in der Schule!“

Onkel Martin setzt sich auf Peters Bett. Er sagt: „Ich hatte eine Panne heute, mußte das Hinterrad von meinem LKW auswechseln. Und ich hatte schwere Kisten geladen. Alles mußte abgeladen werden. Wagen aufbocken. Radwechsel. Alles wieder aufladen. Aber ich habe es hingekriegt.“ Vor Peters Zimmerfenster rührt sich die Nacht. Sie ist blau. Sie ist warm. Am Himmel stehen Mond und Sterne. „Ich glaube, unser Motorrad haben wir jetzt so weit“, sagt Onkel Martin. „Wie ist es, wollen wir morgen eine Probefahrt machen?“ „Ja“, sagt Peter. „Ja.“ „Gute Nacht“, sagt Onkel Martin. „Schlaf jetzt. Damit wir morgen ganz munter sind.“ „Gute Nacht“, sagt Peter. Onkel Martin geht leise aus dem Zimmer.

Peter legt sich auf den Bauch. Sieht aus dem Fenster. Da schwingt die goldene Schaukel zu ihm heran. Lädt ihn ein aufzusteigen. Die goldene Schaukel – Peter staunt. Der hölzerne Kuckuck ist nicht da. Und doch wartet die goldene Schaukel auf ihn. Aber Peter traut sich nicht, sich auf die goldene Schaukel zu setzen und bis zu den Sternen hochzuschwingen. Er hat Angst, daß ihn die Schaukel nicht trägt. Und Fliegenschnepper plätschert im mondhellen Glas. Alle Kinder helfen Onkel Martin und Peter das Motorrad auf die Straße schieben. Die Mutter schaut aus dem Fenster. Sie drückt beide Daumen. Ponny sagt: „Die Kiste sieht gar nicht mehr wie eine Kiste aus. Vielleicht heiße ich doch Egon – und der Apparat bewegt

sich.“ Onkel Martin und Peter setzen sich einen Sturzhelm auf. Peter springt in den Beiwagen. Onkel Martin schaltet die Zündung ein. Tritt das Motorrad an. „Blubb-blubb“, sagt der Motor. „Blubb – blubb – blubb.“ Peter hält den Atem an. Seine Hände sind schweißnaß. Sein Herz klopft schnell und schwer. Die Kinder stehen bewegungslos. Sie schweigen. Onkel Martins Gesicht ist ganz rot. Wieder und wieder tritt er das Motorrad an. Und dann schreit der Motor unternehmungslustig auf. Die Kinder springen hoch in die Luft. Onkel Martin und Peters Mutter lachen sich zu. Ponny sagt: „Verdammt – jetzt heiße ich Egon.“

Onkel Martin ist aufgestiegen. Er gibt Gas. Fährt langsam an. Die Kinder rennen schreiend dem Motorrad ein Stück hinterher. Onkel Martin und Peter fahren durch die Stadt. Peter summt eine Melodie. Er pfeift. Die Stadt lacht. Peter läßt sie lachen. Die Stadt ist bunt. Peter färbt sie bunt. „Wir fahren!“ ruft Peter. „Ja!“ lacht Onkel Martin. „Wir fahren!“ Es ist der letzte Schultag. Morgen früh fährt Peter mit Mutter und Onkel Martin zelten. Peter läuft mit Ponny aus der Schule nach Hause. Peter nimmt Fliegenschnepper aus dem Aquarium. Steckt ihn unters Hemd. „Wohin willst du denn mit Herrn Zwack?“ fragt Ponny.

„Ich bringe ihn zurück an den Bahndamm“, antwortet Peter. Peter und Ponny laufen zum Bahndamm. An den Wassergraben bei den Gleisen. Züge fahren vorbei. Hinein in die Stadt. Hinaus aus der Stadt. Ponny winkt den Fahrgästen. Sie schreit: „Gebt bloß nicht so an! Morgen fahre ich auch in die Ferien!“ Peter zieht Fliegenschnepper aus dem Hemd. „Warum willst du Herrn Zwack nicht mehr?“ fragt Ponny. „Ich brauche ihn nicht mehr“, sagt Peter. „Hier hat er es besser als im engen Aquarium.“ „Wenn der Herr meint“, sagte Ponny. „Aber setze Herrn Zwack an eine schöne Stelle.“ Peter läßt Fliegenschnepper vorsichtig ins Wasser gleiten.

Fliegenschnepper umschwimmt noch einmal Peters Hände. Dann ist er im Dunkel der Böschung verschwunden. „Gehen wir spielen“, sagt Ponny. „Ich muß noch etwas kaufen“, sagt Peter. „Kommst du mit?“ Peter und Ponny gehen zu dem Zoologiegeschäft. „Da bist du ja wieder“, sagt der Verkäufer zu Peter. „Aber einen hölzernen Kuckuck habe ich immer noch nicht zu verkaufen.“ „Wer hat denn gesagt, daß wir einen hölzernen Kuckuck kaufen wollen“, sagt Ponny zu dem Verkäufer. Der Verkäufer schmunzelt. „Deine Freundin hat Haare auf den Zähnen“, sagt er zu Peter. „Da mußt du aufpassen, wenn ihr einmal verheiratet seid.“ „Zwei Wellensittiche möchte ich kaufen“, sagt Peter. „Ein Männchen und ein Weibchen. Den gelben und den grünen

dort.“ Peter und Ponny tragen die zwei Schachteln zu Peter nach Hause. In den Schachteln raschelt und spektakelt es. Die Mutter und Onkel Martin sind noch nicht zu Hause. Peter und Ponny gehen in die kleine Kammer. Peter öffnet einen der leerstehenden Käfige. Er öffnet die Schachteln. Läßt die beiden Sittiche in den Käfig fliegen. Dann schließt er die Käfigtür. Die Vögel springen von Stange zu Stange. Ponny steckt die Finger zwischen die Stäbe. Läßt sich zwicken. Sie fragt: „An den hölzernen Kuckuck denkt der Herr wohl überhaupt nicht mehr?“ „Doch“, sagt Peter. „Der hölzerne Kuckuck ist bestimmt zu einem anderen Kind geflogen. Das ihn braucht.“ „So wird’s sein“, sagt Ponny. „Bestimmt hat der Herr recht.“

Es ist Abend. Peter liegt in seinem Bett. Onkel Martin sitzt auf dem Bettrand. Aus der Kammer sind die beiden Sittiche zu hören. „Gefallen dir deine Vögel?“ fragt Peter. „Es sind die schönsten Vögel, die ich je hatte“, sagt Onkel Martin. „Es sind lustige Vögel“, sagt Peter. „Wie willst du sie nennen?“ Onkel Martin zuckt mit seinen breiten Schultern. Er fragt: „Was denkst du? Vielleicht – vielleicht Grünfederchen und Gelbfederchen?“ „Gut“, sagt Peter. „Sie sollen Grünfederchen und Gelbfederchen heißen.“ „Jetzt müssen wir schlafen“, sagt Onkel Martin. „Morgen früh gehen wir zeitig auf Reisen. Schlaf gut, Peter.“ „Du auch.“ Es wird still in der Wohnung. Still auf der Straße. Still in der Stadt.

Die Nacht kommt mit schnellen Schritten. Der Mond zieht ruhig seine Bahn. Die Sterne stehen auf ihrem Platz. Nur manchmal fällt einer von ihnen herab. Peter steht noch einmal auf. Geht zum Häuschen des hölzernen Kuckucks. Er schließt die Fenster. Schließt die Tür. Er geht zurück in sein Bett. Sieht aus dem Fenster. Die goldene Schaukel schwingt heran. „Steig ein“, sagt die goldene Schaukel. „Du kannst ruhig einsteigen. Ich trage dich sicher.“ Peter steigt ein. Er hat gar keine Angst. Er fühlt sich sicher. Schwingt ganz hoch. Bis hinauf zu den Sternen.

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