115 - Hühnerbeins Ausgewählte Frechheiten

August 27, 2017 | Author: gottesvieh | Category: Nature
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Band 115 Hühnerbeins ausgewählte Frechheiten Manfred Hopp (Hauptinhalt: politisch: - kurze Erwähnung des Krieges der Amerikaner in Vietnam - Karl Marx, Manöver, - häufige Einbindung des Begriffes „Pionier“ + sonst drei kurze lustige Geschichten aus Cäsar Hühnerbeins Leben)

Für Leser von 8 Jahren an 1. Auflage 1976 Illustrationen von Hans Ticha © Der Kinderbuchverlag Berlin

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Erster Versuch, aus Frechheiten Geschichten zu machen: Wie einem Klassenkasper das Lachen verging. Ich sag es lieber vorneweg, damit ihr von Anfang an klarseht: Ich bin ein Unglücksrabe. Kaum blinzelte ich zum ersten Mal in die Sonne, schon klebte das Pech an mir. Dabei tat ich nichts anderes als andere Neugeborene: Ich schrie. Heute weiß ich, das war ein Fehler. Papa fand mein Probegeschrei ganz enorm. Begeistert rief er: „Laßt uns den Knaben ‚Cäsar’ nennen. Ein Baby mit so lauter Stimme braucht auch einen großen Namen!“ Von nun an hieß ich Cäsar Hühnerbein. Was für ein Name! Na, Schwamm drüber, heute, neun Jahre danach, habe ich mich daran gewöhnt.

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In unserer Klasse gibt es noch zwei mit ausgefallenen Namen: Bierstrumpf und Clarissa Beate Fettbacke. Wir drei sind Freunde. Pech verbindet. Weil niemand Clarissa Beate aussprechen kann, ohne einen Knoten in die Zunge zu bekommen, nennen wir sie Fetti. Sie ist lang und dürr wie ein Besenstiel. Der einzige Dicke in der Klasse bin ich, und ich bin auch der einzige, der keine Rolle vorwärts kann. Für einen so einfachen Kobolz steht mein dickes Bäuchlein im Wege. Papa hat auch eins. Er wird rot wie Tomatensaft, wenn hinter seinem Rücken jemand „au Backe, ein Butterfaß mit Beene“ flüstert. Mir erklärt er dann, daß er gar nicht dick, sondern stark ist. Und außerdem müsse ein Opernsänger soviel essen, um viel Kraft und Puste für die Singerei zu haben. So, und damit wißt ihr auch Papas Beruf!

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Ich glaube ja meinem Vater fast alles, doch daß er sich einen Bauch anfuttert, um besser singen zu können, das glaub ich nicht. Die Wahrheit ist: Er und ich lieben Schnitzel und Pudding über alles. Ich rede vom Essen und wollte doch von der Maske erzählen, die Papa aus Vietnam heimbrachte. Eine Prachtmaske! Wer an Gespenster und solches Zeugs glaubt, dem läuft es bei ihrem Anblick heiß und kalt den Rücken herunter. Aber wer glaubt heute noch an Gespenster? Die gibt es doch nur noch auf der Geisterbahn. Wenn ich mir die Maske besah, gingen meine Gedanken auf Wanderschaft. Fremde Länder entdeckte ich. Es gab dort Menschen mit drei Beinen und Blumen, so hoch wie der Müggelturm. Ich flunkere nicht – und die Elefanten waren so winzig, daß

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man sie wie Maikäfer in einer Streichholzschachtel bequem wegtragen konnte. Das sind Träume, ich weiß es. Doch diesmal, als ich die Maske anschaute, war es anderes. Ich hatte eine Idee. Keine Träume, etwas Praktisches. Ich würde die Maske mit in die Schule nehmen! Nicht, um Frechheiten oder Hokuspokus zu veranstalten, nein, ich dachte an unseren Pionierauftrag. Wenn ich mich richtig erinnere, heißt er: Lernt fleißig, unsere Republik kann sich Dummköpfe nicht leisten. Wer will denn schon ein Dummkopf sein und nicht wissen, was auf der Welt geschieht? Auch wenn der grausame Krieg, den die Amerikaner in Vietnam führten, endlich vorbei ist, man muß doch noch darüber reden. Böse Dinge darf man nicht vergessen, und vom Krieg muß man erzählen, damit wir ihn hassen lernen. Papa hat die Maske als Dankeschön

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bekommen, als er in den schweren Zeiten versuchte, den Soldaten und Arbeitern in Vietnam mit seinen Liedern Mut zu geben. Besonders von einem Erlebnis, das Papa hatte, möchte ich erzählen. Eines Tages hielt der kleine Bus, in dem die Musiker Vietnam bereisten, in An Thoung. Zerschossene Häuser, von Bomben zerfurchte und zerfetzte Straßen und Felder, mehr war von dem Ort nicht geblieben. Anklagend streckten verbrannte Bäume ihre nackten Zweige in den Himmel. Vor den Träumen der Schule saß eine junge Frau, daß Gesicht in beide Hände gestützt. Die junge Lehrerin weinte um ihre toten Schüler. Von allen Bewohnern war sie allein am Leben geblieben. Sie saß und starrte in die rauchenden Trümmer. Endlich stand sie langsam, doch entschlossen

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auf, wischte sich die Tränen aus den Augen und zog einen leicht angesengten Globus aus dem schwelenden Schutt. „Bringt mich dahin, wo ich Schüler finde“, sagte sie leise und stieg mit ihrem Fund, den sie wie etwas sehr Kostbares trug, in den Bus. – Papa hat mir diese Geschichte oft erzählt, weil sie ihm bewies, es ist unmöglich, Menschen für lange Zeit zu unterdrücken – das Unrecht wird eines Tages besiegt werden. Wenn ich nicht meinen verflixten Aushaketag erwischt hätte, wäre alles so gekommen, wie es geplant war. Aber leider! Habe ich meinen Aushaketag, helfen mir die besten Vorsätze nicht, alles verkehrt sich ins Gegenteil. Von Fräulein Priebs, unserer Deutschlehrerin, zu erzählen ist schwer. Ich will mich

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bestimmt nicht über sie lustig. Doch alles, was sie tut, reizt zum Lachen. Dabei wollen wir gar nicht lachen, die Priebs ist prima und ihr Unterricht gut. Aber was hilft es, Fräulein Priebs ist zu komisch. Es fängt schon bei ihrer altmodischen Kleidung an. Also, Hüte trägt sie, mit viel Gemüse garniert, unbeschreiblich! Und dann ihre BewegungenL! Irgendwie hat sie Ähnlichkeit mit einer Windmühle. Ihr müßtet unser Fräulein mal erleben, wenn sie an der Tafel steht und mit den Armen rudert. Wer sie nicht kennt, der denkt: Sieh da, die Gute fängt Mücken! Pustekuchen, sie schreibt. Ja, so ist das mit ihr – und wir sollen ernst bleiben! Der I-Punkt aber ist ihre Stimme. Ich weiß, niemand kann dafür, wenn seine Stimme weich wie Samt oder aufdringlich wie ein Staubsauger klingt – doch habt ihr schon

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einmal eine schlanke – eine dürre, ältere Dame mit einem Brummbaß erlebt? Fräulein Priebs’ Stimme grummelt so tief, daß es einem im Bauch kribbelt wie Brausepulver auf der Zunge. Manchmal schaffe ich es, daß ich keinen Lachanfall bekomme, leider nur manchmal. Und was passiert, wenn ich es nicht schaffe? Damit die anderen von meinem Gegicker nicht angesteckt werden, setzt mich die Priebs vor die Tür. Ich darf dann das Ende der Unterrichtsstunde auf dem Flur erwarten. Das ist sehr peinlich. Mal kommt ein Lehrer vorbei, dann wieder ein Schüler, und alle machen ein Gesicht wie „Aha, schon wieder der Hühnerbein!“ Warum muß mir stets so etwas zustoßen? An diesem verwünschten Mittwoch, an dem ich die Idee mit der Maske hatte, stand

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unser Fräulein an der Tafel und schrieb. Ich guckte mir ihre lustigen Freiübungen ein Weilchen an. Dann kam mein berüchtigter Aushaker. Schwupp – ich zog die Maske hervor und stülpte sie mir über den Kopf. Wie schaurig die Maske aussah: Lange zottige Haare fielen mir über die Schultern, und aus dem weit aufgerissenen Mund bleckten spitzen Zähne wie bei einem Krokodil. Die Klasse starrte mich an, als wäre der Mann im Mond zu Besuch. Alle waren vor Staunen stumm, sogar Trine, unsere Gruppenratsvorsitzende. Trine ist sonst immer die erste und letzte, wenn es etwas zu quasseln gibt. Leise schlich ich nach vorn zur Tafel, stellte mich hinter Fräulein Priebs und hampelte jede ihrer Bewegung nach. Es dauerte lange, bis sie den Kasper

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hinter sich spürte. In den Bänken gluckste und kicherte es schon laut. Besonders Trine gickerte wie ein Huhn. Um meiner Gespenstervorstellung den richtigen Pfiff zu geben, kletterte ich auf den Stuhl am Lehrertisch. Freund Bierstrumpf drückte mir einen buntbefederten Staubwedel in die Hand, den ich heftig über den dünnen Locken unseres Fräuleins schwenkte. Das war zuviel! Ganz plötzlich drehte sich Fräulein Priebs um und sah das Supergespenst Hühnerbein mit Zottelkopf und Knopfaugen über sich, wie es ihr die Frisur abstaubte. Sie fürchtete keine Geister, das sah ich sofort – sie war sehr zornig und enttäuscht und sagte nichts, sondern blickte mich nur an. Ich hatte kein gutes Gefühl. Irgend etwas kribbelte mir den Rücken hinauf und her-

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unter. – Fräulein Priebs sagte immer noch nichts, schüttelte nur den Kopf. Zu meinem Unglück fügte ich dem ersten Aushaker noch einen zweiten hinzu. Mit einem Riesensatz sprang ich vom Stuhl. Nur raus aus der Klasse, summte es mir im Kopf. Der Stuhl kippte und schlug der Lehrerin hart an die Beine. Fräulein Priebs schrie auf und stürzte. „Hilfe, Hilfe!“ riefen die Mädchen. Die Tür wurde aufgerissen, und bald war in unserem Klassenzimmer ein großes Gedränge. Fast alle Lehrer waren da. Wo ich auch hinsah, warf man empörte Blicke auf mich. Mir war hundeelend. Ich wünschte, der Fußboden täte sich auf, um mich zu verschlucken. Nichts passierte, ich blieb, wo ich war. Wunder gibt es leider nicht, auch wenn man sie dringend braucht.

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Alle mühten sich um Fräulein Priebs. Sie tat mir sehr leid, gern hätte ich alles ungeschehen gemacht. Fräulein Priebs sah mich sonderbar an und sagte so leise, daß ich es kaum hören konnte: „Das war zuviel, Cäsar.“ Oh, war mir mies! Ich wollte um Entschuldigung bitten, doch es ging nicht, vielleicht, weil alle so böse auf mich guckten. Direktor Karl stand, nachdem er den Vorfall erkundet hatte, an der Tafel. „Geh nach Hause, Hühnerbein“, sagte er streng. „Nimm die Maske und geh! Aber glaube mir, es gibt ein Nachspiel.“ Was war aus meiner guten Absicht geworden! Verflixter Aushaketag! Es kam noch schlimmer. Als ich am nächsten Schultag die Klasse betrat, herrschte eisiges Schweigen. Bierstrumpf besah sich aufmerksam seine

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Fingernägel, Fetti blickte verlegen aus dem Fenster. So ist das also mit der Freundschaft, dachte ich bei mir. Nur Trine trompetete schadenfroh. „He, Cäsar, du Klassenkasper, lies mal, was an der Tafel steht!“ Ich traute meinen Augen kaum: Letzte Unterrichtsstunde entfällt, dafür Sondersitzung der Pioniergruppe. Einziges Thema: Kann sich die 4b einen Klassenkasper leisten? Gruppenrat 4b Direktor Karl Prost Mahlzeit, Hühnerbein! In fünf Stunden geht es dir an den Kragen! Für den Unterricht hatte ich gar keinen Sinn, ich dachte nur daran, wie ich mich verteidigen könnte. Dann war es soweit. Sondersitzung wegen Cäsar Hühnerbein, dem Klassenkasper.

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Ich hatte alles und alle hier erwartet, aber nicht meinen Vater! So etwas Gemeines, daß er hier war! Sicher hatte ihn die Priebs hergerufen, um sich an mir zu rächen. Dann ging es los. Unsere Quasselstrippe, Gruppenratsvorsitzende Trine, eröffnete die Sitzung. Was ich von ihr zu hören bekam, ist nicht zu beschreiben! Auf einmal sollte all das, was in unserer Klasse nicht in Ordnung war, meine Schuld sein. Schlechte Leistungen, miese Disziplin, an allem wäre der Faxenmacher Hühnerbein schuld. Niemand könnte sich konzentrieren, weil ich andauerndL, und so weiter und so weiter. Merkte denn keiner, daß Trine ihre Funktion als Gruppenratsvorsitzende dazu benutzte, um mit mir ein privates Hühnchen zu rupfen? Warum sagte Hanne, unser Pionierleiter, nichts? Er wußte doch, daß

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Trine und ich einander nicht leiden konnten? Sah er nicht, daß sie ihr Amt mißbrauchte? Vielleicht hatte es Direktor Karl gemerkt. Er hustete einige Male unnatürlich und tuschelte mit meinem Vater. Aha, Elternhaus und Schule. Typisch, nach Direktor Karls Hüsteln war Trine im Nu mit ihrer Meckerrede fertig. Höchste Zeit für mich, etwas zu sagen, bevor es zu spät war. „Ähähem,“, räusperte ich mich. Dies war nötig. Mir war so, als klebte in meinem Hals eine heiße Pellkartoffel. „Ähähem, hmm.“ – Zuallererst stellte ich die Tatsachen vom Kopf wieder auf die Füße. Ich gab zu, mich nicht wie ein guter Pionier benommen zu haben. Aber Trine war auch nicht gerade vorbildlich, schließlich lachte auch sie über meinem Unfug – und nicht nur einmal. Es war nicht richtig,

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andere zu richten und selber keine reine Weste zu haben. Dann erzählte ich die Sache mit der Maske, daß ich eine gute Tat vollbringen wollte, woraus leider nichts geworden war, und ich erklärte auch, warum ich ausgerechnet bei Fräulein Priebs so albern bin. Als alles gesagt war, stand mir der Schweiß auf der Stirn. Es war bestimmt die längste Rede, die ich je zusammengestottert hatte. Manchmal geschehen Dinge, die es eigentlich nicht gibt. Ich hatte schon alle Hoffnung aufgegeben, daß man mich verstehen würde, da erhob sich Fräulein Priebs. Ich habe nicht alles mitbekommen, was sie sagte, weil ich so aufgeregt war, das Wichtigste aber doch. „Niemand“, so sagte sie, „ist frei von Fehlern. Das ist schlecht, aber es ist so.

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Wichtig ist, daß jeder seine Fehler erkennt und sich bemüht, sie zu vermeiden.“ Sie meinte, ich mache es mir sehr leicht, mich damit zu entschuldigen, ich sei ein Unglücksrabe und deshalb passieren immer wieder Dinge, die ich gar nicht tun möchte. Es reiche einfach nicht, nur das Gute zu wollen, man müsse es auch tun. Und wenn einer allein es nicht schaffe, dann hätte die anderen die Pflicht, ihm zu helfen. Dann sprach sie zu Trine. „Auch für dich ein Wort. Wenn in einem Kollektiv einiges nicht stimmt, so ist es zu einfach, zu sagen: Der da ist schuld. Denk einmal darüber nach!“ Sie stand nun ganz dicht vor mir und sah mir in die Augen. „Cäsar“, sagte sie, „die Vier b kann sich wirklich keinen Klassenkasper leisten, du mußt dich ändern. Und noch etwas, Cäsar. Wenn ich dich durch

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meine – na, sagen wir, etwas wunderliche Art zu Albernheiten verleitet habe, dann bin auch ich schuld. Was ist, Cäsar, wollen wir beide uns ändern, wollen wir uns gegenseitig helfen, damit wir es schaffen?“ Oh, war ich verlegen, meine Ohren, glaube ich, glühten wie Blinklichter. Reden konnte ich nicht. Kein Piep und kein Pap kam aus meinem Mund. So nickte ich nur, gab ihr die Hand – und sie schlug ein. „Abgemacht“, sagte sie, „doch eines bitte ich mir aus: Auf meine Hüte mit den Blumen verzichte ich nicht, da gewöhnt euch dran!“ Ich schwor, daß ich mich daran gewöhne. Den ersten Schritt zur Besserung hatte ich bereits getan. Während unser Fräulein sprach, klopfte sie mit der Hand auf ihre Bluse. Es klang, als ob Regen auf ein leeres Zelt tropft – plop,

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plop. Das war komisch, doch Ehrewort – ich habe nicht gelacht. Dafür schmunzelten der Direktor und Papa. Na ja, die Erwachsenen dürfen eben! Ganz ohne Strafe bin ich doch nicht davongekommen. Die hatten sich Papa und der Direktor ausgedacht. Mein Vater nahm Herrn Karl unsere Pionierzeitung aus der Hand und las laut und deutlich vor: „Aufforderung zum Trommel-Preisausschreiben: Ich schreibe mein Buch selbst!“ Weil wir alle dumm guckten, war Papa mit sich zufrieden. Ich kenne mein Vater. „Lieber Pioniere“, sprach er, „ein guter Weg, klüger zu werden und Fehler zu vermeiden, ist, über sich selbst nachzudenken. Schriftlich geht dies bekanntlich am besten, und deshalb schlage ich vor: Cäsar schreibt zum Klügerwerden mit eurer Hilfe

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einige seiner Frechheiten auf, und ihr beteiligt euch damit am TrommelPreisausschreiben.“ Ich dachte, mich rührt der Schlag. „Mensch, Papa“, schrie ich erschrocken auf, „Dichten ist doch was für Große, ich bin doch erst in der Vierten!“ Alles vergeblich, Papa blieb hart. „Wer genug Phantasie hat, sich Frechheiten auszudenken, der sollte es auch schaffen, sie zu Papier zu bringen!“ Mir war vielleicht zumute! Hühnerbein als Schriftsteller – an den Gedanken mußte ich mich erst gewöhnen. Trine meldete sich aufgeregt: „Ich bitte ums Wort!“ Herrje, es war wieder soweit, sie hielt eine Rede! „Ich schlage vor, wir gründen einen Literaturzirkel, um unseren Klassenkasper beim Schreiben zu helfen!“

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Beim Klassenkasper hüstelte Direktor Karl erneut – aber sonst wurde der Vorschlag angenommen. Nun hatte sie wieder was zum Angeben. Typisch – SIE hatte einen Literaturzirkel gegründet! Haha, da kann einem Klassenkasper doch glatt das Lachen vergehen!

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Nächster Versuch: Rosinen im Kopf Bierstrumpf macht uns Kummer. Bei ihm fangen die Zensuren erst bei Drei an. Das ist schlimm, doch schlimmer ist seine Sprache. Er berlinert. Gäbe es Weltmeisterschaften im Berlinern, Bierstrumpf hätte die Goldmedaille schon in der Tasche. Neulich war das Gedicht „Einkehr“ von Ludwig Uhland zu lernen. „Na“, ermunterte uns Fräulein Priebs, „wer wagt es?“ Bevor sich noch einer melden konnte, hob Bierstrumpf die Hand. Das passiert bei ihm selten. Unserem Fräulein wurde vor Freude ganz warm ums Herz. Sie lächelt freundlich. „Beginne, mein Lieber!“ Der „Liebe“ stellte sich hin wie einer, der jeden Tag Gedichte aufsagt: ein Bein vor, die Hände vor der Brust gefaltet und den

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Blick schräg in die Wolken. Er begann: „Einkehr. Von Ludwig Uhland. In eena Wirtschaft wundamild, da war ick jüngst zu Jaste, een goldna Appel war det Schild – ick gloob, der war aus PlasteL“ Weiter kam der Künstler nicht. Krachend fuhr Fräulein Priebs’ Lineal auf den Tisch nieder. Ihren Lieblingsdichter ließ sie nicht beleidigen, schon gar nicht von Bierstrumpf mit seiner Berliner Klappe! – Ohne Bierstrumpf wäre es in unserer Klasse öde. Was auch immer geschieht, er ist dabei. Das mißfällt Trine. Sie denk nur noch an den Erzählerwettbewerb. Dabei stört Bierstrumpf sie mit seinem Berlinern. Trine ist mit Fräulein Priebs einer Meinung: „Gute Geschichten müssen in schöner Sprache geschrieben werden. Berlinern, das geht nicht.“

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Neuerdings sollen Fetti und ich auch zu den Sorgenkindern gehören. Das ist eine böse Erfindung von Trine. Auf der letzten Pionierversammlung besprachen wir die geplante gemeinsame Ferienaktion – Timurhilfe. Trine machte einige Vorschläge, die schon recht abgenutzt waren: Für Rentner einkaufen gehen, Oma Piesecke die Kohlen aus dem Keller holenL In der Art ging es munter weiter. Zugegeben, das sind nützliche Arbeiten. Wir drei aber wollten Großes vollbringen, etwas, was nicht nur Oma Piesecke, sondern vielen helfen würde. Wir schlugen vor, eine Agentengruppe aufzustöbern. Hanne hatte erst kürzlich von einem Agentenfilm erzählt. Trine fand unsere Pläne albern. Wir hätten Schuhe an, die drei Nummern zu groß wären. Agenten sollten wir der Volkspolizei überlassen.

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Bierstrumpf unterbrach die neun mal Kluge. „Nu is jenuch, hör uff. Abstimmung: Wer is für Trines mickrije Tips?“ Die zeigte uns frech einen Piep und schrie böse: „Ihr habt ja Rosinen im Kopf. Agenten fangen, hahaL Euch fehlt eine Abkühlung!“ Sie schleuderte Bierstrumpf den pitschnassen Tafellappen an den Kopf. Der stand nun mit Schmutzwasser bekleckert und staunte. Dieser Art zu diskutieren hatte er nicht erwartet. Freunden steht man in der Not bei. Ein Blick zu Fetti genügte. Sie griff die große Vase, in der immer noch der Weihnachtsstrauß steckte. Ich packte Trine. Ehe sie noch bis drei zählen konnte, war ihr das uralte Blumenwasser über die Locken gegossen. Nun roch sie etwas seltsam. Hanne konnte nicht eingreifen, so schnell ging alles. Die gemeinsame Ferienaktion war geplatzt. Trine und ihre Freunde

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wurstelten so weiter wie im Vorjahr. Wir aber würden Großes vollbringen! Von Pionierleiter Hanne waren wir enttäuscht. Der lachte nur: „Bitte, wenn ihr unbedingt Heldentaten vollbringen wollt, tut es! Nach den Ferien ist Auswertung, blamiert euch nicht!“ Damit waren die Ferien da. Und was für welche! Schmutziggraue Wolken hingen tief über den Dächern. Mit einer langen Stange konnte man fast hineinpieken. Heiliger Bimbam, war das trübe! Winterferien und kein Schnee, dafür ekliger Nieselregen. Der Kiefernbaum vor unserem Haus stand gebückt wie unter einer eiskalten Dusche. Fröstelnd spreizte er seine Nadeln. An jeder hing ein silbriger Tropfen, schillernd wie Kristall. Das war schön. Bierstrumpf gähnte. Die Langeweile hatte uns gepackt. Die Ferien waren schon fast

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vergangen, doch kein Agent ließ sich sehen. Dafür lag Fetti im Bett – Grippe. Nun ruhte die Last, Großes zu tun, nur noch auf unseren Schultern. „Cäsar, bevor wir vor Langeweile abnippeln, jehen wir in die Pionierrepublik!“ Eine halbe Stunde später standen wir vor dem Haupteingang. Mein Freund pfiff erstaunt durch seine Zahnlücke. „Du, hier is wat faul!“ Es stimmte, etwas war anders als sonst. „Cäsar, kiek dir mal die Figuren an!“ Ich guckte. Das war es also: Die schönen Plastiken links und rechts vom Haupteingang waren mit häßlicher schwarzer Farbe bepinselt. „Schwarzmaler!“ flüsterten wir wie aus einem Munde. Wir begriffen – um dem Ansehen unserer Pionierorganisation zu schaden, hatte jemand die Plastiken so schwarz beschmiert!

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Wir hatten unseren Fall, endlich konnten wir Großes tun. „Was nun, Bierstrumpf?“ „Na, Meldung machen, watt’n sonst?“ Schon waren wir unterwegs. In einem Zimmer klapperte eine Schreibmaschine. Wir klopften und traten ein. Mein Freund ließ sich nicht bremsen. „He, Frollein, Agenten haben det Fahnenmädchen und den Jungen mit der Tute jeteert!“ Die Dame machte Augen, groß wie Mantelknöpfe. Bierstrumpf stieß mich an. „Du, die is taubstumm.“ Darin irrten wir. „Waaas?“ fragte sie endlich. „Man hat die Plastiken am Eingang mit schwarzer Farbe beschmiert“, sagte ich, jedes Wort betonend. „Jawoll“, unterbrach Bierstrumpf, „nu sind se keene Werbung für’t fröhliche Jugend-

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leben mehr, eha für’n Trauaverein. Wenn ick den Schmiera erwische, den mach ick zu Appelmus.“ Die Dame hinter der Schreibmaschine verschluckte sich vor Lachen. „Breitleb“, rief sie hustend. Und als der eintrat: „Breitleb, die beiden sind über den neuen Anstrich der Plastiken empört! Hihi, die wollen Sie zu Apfelmus machen!“ Nun wurde sie von einem Lachkrampf geschüttelt. Breitleb ging in Boxerhaltung und grinste. „Fangt nur an, doch Vorsicht, ich war DDRMeister im Fliegengewicht!“ Wir traten den Rückzug an. Draußen kam der Verdacht. Ganz fest hakte er sich in unsere Köpfe. Breitleb und die Kicherdame waren die Schwarzmaler! Aber wie das beweisen? „Wir schaffen det schon“, sagte mein Freund. „Zuvor wolln wir die Fijurn wieda heita anpinseln. Heute abend im Dustan

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jeht’s los. Ich besorge Pinsel und Farben aus Vatas Pejeha.“ Kaum dämmerte es, stand mein Freund vor unserer Tür. Stolz zeigte er auf den Rucksack, „PGH Bunte Palette“ war darauf zu lesen. „Komm rein“, sagte ich, „Spiegeleier essen. Künstler brauchen einen guten Blick. Eiweiß soll gut für die Augen sein!“ Wir aßen jeder vier Spiegeleier. Mehr als acht Eier waren nicht im Kühlschrank, sonst hätten wir noch mehr für unsere Augen getan. Ich zeigte kauend auf den Rucksack. „Die Farben geklaut?“ „Eh, eh“, er schüttelte den Kopf, „jepumpt, zahl’n wa vom Taschenjeld zurück!“ Wieder vor der Pionierrepublik, kamen mir Bedenken. Waren die Plastiken früher wirklich bunt angestrichen? Mein Freund, Fachmann in Malerfragen, verscheuchte die Zweifel.

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„Laß det Grübeln. Nischt is schöner als die Natur. Und wie sieht een Pionier inne Natur aus? Blaue Hose, weißet Hemde und heita! Also fang’n wa an. Wat wir bemalen, sieht aus wie’t blühende Leben. Det macht die Kunst“ – Das überzeugte mich. „Nimm du die Kleene“, flüsterte Bierstrumpf, „Mädchen liegen mir nich!“ Wir arbeiteten fleißig wie die Bienen. Bluse und Kniestrümpfe wurden mit weißer, Wimpel und Halstuch mit roter Farbe bemalt. Gelb umrahmte ich das Pionierzeichen. Verflixt, das Rot reichte nicht mehr für die Flammenspitzen, und auch die Farbe fehlte, um Gesicht und Hände zu streichen. Was nun? Weiße Farbe für die Haut oder blaue? Beides ging nicht. Blau war die Farbe für beschwipst, und Weiß macht blaß. Ein blasse Pionierorganisation? Unmöglich! „Nehm wa jelb“, sagte Bierstrumpf.

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Unser Kunstgespräch wurde schrill unterbrochen. Es war Breitleb, der wie eine Lokomotive fauchte. Dem gefiel unsere Arbeit nicht. Kein Wunder! Seine Boxerhände zerrten an unseren Ohren wie an Schnürsenkeln. Dabei schrie er nach der Volkspolizei. Ein glatter Fehler von ihm, wenn die erfuhr, daß er... ! Die Volkspolizei kam nicht, dafür viele Arbeiter vom nahen Bildröhrenwerk. Schichtwechsel, sie warteten auf die Straßenbahn. Ein kleiner, dicker Herr verhinderte, daß wir Eselsohren bekamen. „Meier, Parteisekretär“, stellte er sich vor. Bevor der Boxer die Tatsachen verdrehen konnte, erklärten wir den Arbeitern den Vorfall. Breitlebs Mund stand offen wie eine Bratröhre. Schauspieler, dachte ich, der kann Erstaunen spielen! Bierstrumpf beendete die Erklärung stolz: „Wir beide ham den Schaden wiedajutje-

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macht, die Figuren sehn wieder optimistisch aus, und da habt ihr den Agenten.“ Übermütig pikte er dabei seinen Zeigefinger in Breitlebs Bauch. Der lachte, Meier lachte, alle lachten. Bierstrumpf empörte sich. „Kichert nicht, Schwarzmaler sind nicht zum Lachen!“ Darin gab uns der Dicke recht. „Nur“, meinte er, „ist noch nicht jeder, der Plastiken schwarz anstreichen läßt, ein Bösewicht. Ohne rechte Beweise sollte man niemand verdächtigen. Entschuldigt euch bei Herrn Breitleb!“ Der war überraschend nett und sagte: „Schon gut, schon gut!“ Meier aber war noch nicht am Ende. „Wenn ich euch recht verstanden habe“, sprach er, „wolltet ihr und Breitleb eigentlich dasselbe, eine schöne und saubere Pionierrepublik. Deswegen bekamen die

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Plastiken die beiden Anstriche. Euer Problem ist, daß ihr verschiedene Meinungen darüber habt, was schön ist.“ Wir nickten heftig. Längst war uns klargeworden, daß der Anstrich doch nicht die große Tat war, die wir tun wollten. „Blamiert euch nicht“, hatte Hanne gesagt“. Na, viel fehlte nicht an einer handfesten Blamage. Ich schickte einen stummen Stoßseufzer in den Abendhimmel: „Heiliger Bimbam, schütz uns vor Trines Spott!“ Um den Spott sind wir nicht herumgekommen. Aber ein Gutes hat die Sache doch eingebracht. Zum ersten Pioniernachmittag nach den Ferien besuchten uns Herr Meier und Breitleb. Sie brachten – wie an jenem Abend versprochen – einen Bildhauer mit. Der erzählte von der Bildhauerei und entschied den Streit zwischen Breitleb und uns.

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Wenn ihr wissen wollt, wer recht bekam, dann fahrt zur Pionierrepublik und seht euch die Plastiken an!

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Letzter Versuch: Als Weihnachten und Ostern auf einen Tag fielen Ich wette meine prima Dreiklangtute gegen alte Filzlatschen, dass zwischen Berlin und Unterpustewitz nicht drei Familien auf die gleiche Art Weihnachten feiern. Die Engländer, habe ich gehört, essen zu Weihnachten immer Truthahn. Truthahn ist ein ganz gewöhnlicher Puter und schmeckt auch so. Komisch, dass einfach Dinge oft so aufgeplusterte Namen tragen. Zum Beispiel Frikadellen! Ist das nicht ein schreckliches vornehmes Wort? Es zwingt einen beinahe dazu, sich vor ihm zu verbeugen. Laßt euch von den aufgedonnerten Namen nicht bluffen. Ein Fleischklops bleibt ein Klops, auch wenn er sich auf der Speisekarte als Frikadelle breit macht. Genauso ist es mit dem Puter, aber das sagte ich ja schon. Na, mir soll es egal sein, was die Leute so

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in sich hineinstopfen, jeder feiert eben Weihnachten auf seine Art. Wir, die Hühnerbeins, haben auch unsere besondere Art. Solange ich denken kann, und das ist schon ganz schön lange, war ein Weihnachten wie das andere – bis auf eine Ausnahme, und die war, als Weihnachten und Ostern auf einen Tag fielen. An diesem Tag wurde alles anders gemacht, man konnte sich auf nichts mehr verlassen. Der Tannenbaum, der sonst am 24. Dezember geschmückt wurde, stand schon einen Tag früher fix und fertig auf Papas Flügel, diesem seltsamen Klavier mit drei Beinen. Sonst hatte mein lieber Vater die Suppe, den gebratenen Hecht und einen entsetzlich trockenen englischen Pudding gerade rechtzeitig zur Bescherung fertigbekommen. Aber diesmal war das Festessen schon am

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Vormittag fertig und brauchte am Abend nur aufgewärmt zu werden. Und den Hecht gab es überhaupt nicht. Wunder über Wunder! Mir war es recht, ich habe nichts gegen Abwechslung. Die größte Überraschung stand aber noch bevor. „Knabe“, sprach mein Vater feierlich, „,mache dich bereit zum Weihnachtsspaziergang nach Müggelheim.“ So was war ja noch nie da! „Is jut, Papa“, seufzte ich, „machen wir einen Weihnachtsspaziergang.“ So ein Vater kann einen ganz schön durcheinanderbringen. Jahrelang darf Weihnachten nur so und nicht anders gefeiert werden, und plötzlich, aus heiterem Himmel, wirft der Herr Papa alles über den Haufen. Erwachsene sind komische Leute, das kann ich euch flüstern. Weihnachtsspaziergang, haha!

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Wäre es nicht besser gewesen, die Geschenke ein Stündchen früher herauszurücken? Warum mußte mich mein Vater in den unfreundlichen Winterwald schleppen? Ich ahnte Schlimmes! Sicher würde er wieder endlose Fragen stellen: Was ist das für ein Baum, wie heißt der Vogel, kennst du eine Fuchsspur... Ich sage euch, da laßt ihr Nerven. Na ja, Hühnerbein, dachte ich mir, mach deinem Vater ’ne Freude. Schließlich ist heute Weihnachten, da muß man sich doppelt anstrengen. Ein Unglück kommt selten allein – ist einer von Opas Sprüchen. Ich glaube, er hat recht. Mit dem Spaziergang hatte ich mich gerade abgefunden, als Papa noch eine Idee hatte. „Knabe“, sprach er, „wir besuchen bei der Gelegenheit einen alten Freund in Müggelheim.“ Au, war ich sauer! Besuche machen, wie

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ich das liebe! Der Teufel sollte Papas Bekannten holen. Aber wahrscheinlich feierten die Teufel auch gerade Weihnachten. Papas Freund öffnete mit pfiffigen Gesicht die Tür. Es gibt Augenblicke, von denen man nicht einmal zu träumen wagt! Dies war so einer. In der Tür stand Mikosch, ein junger, roter Cocker Spaniel mit langen seidigen Schlappohren. Die feuchten braunen Augen musterten mich neugierig. „Der Hund gehört dir, Cäsar“, sagt Papa. Ich begriff nichts. „Jaja“, antwortete ich, „ein herrlicher Hund!“ Wie verzaubert stand ich da und starrte das kleine Tier an. Der Spaniel wedelte freundlich mit seinem Stummelschwänzchen, als wollte er sagen: Tag, Junge, ich heiße Mikosch, und du? Genau so einen Cocker wünschte ich mir seit Jahren. Wie oft hatte ich gebettelt: Schenk mir einen solchen Hund. Aber

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Papa wollte nicht. Er hatte wie immer seine Gründe. „Lieber Cäsar!“ So fing die Predigt an. „Begreife, ein Hund ist kein Spielzeug, er ist ein lebendiges Wesen, das sich nicht einfach in die Ecke stellen läßt, wenn man genug mit ihm gespielt hat. Für ein Tier muß man sorgen und Verantwortung tragen. Dies aber traue ich dir nicht zu.“ Na, und seitdem warte ich! Nun stand so ein Hund vor mir. Au, war mir zumute! Traurig und elend sind ganz dünne Worte für das, was ich fühlte. Mikosch legte den Kopf schief und sah mich mit seinen braunen Augen aufmerksam an. Halb ängstlich, halb zärtlich streichelte ich sein weiches Fell. „Papa“, sagte ich schluchzend, „ich will nie wieder etwas zu Weihnachten und Ostern geschenkt bekommen, wenn du mir so einen kleinen Hund kaufst. Das schwöre

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ich! Du brauchst dich um ihn überhaupt nicht zu kümmern. Futter kochen, ihn bürsten und baden – alles mache ich. Ich will mit ihm jeden Tag mindestens eine Stunde spazierengehen. Bitte, bitte, kauf mir so einen Hund!“ Papa lachte. „Knabe, mit deinem Gehör stimmt etwas nicht. Mikosch gehört dir, es ist dein Hund!“ Irgendwann fällt bei jedem der Groschen, jetzt war es bei mir soweit. Mir wurde ganz schwindelig vor Freude. „Juchhu“, schrie ich und fiel allen Leuten, die im Zimmer herumstanden, um den Hals. Mikosch winselte erschrocken und verkroch sich unter einem Sessel. Was war das für eine Überraschung, was war das für ein Fest! Quatsch, das war nicht ein Fest, das waren mindestens zwei Feste: Weihnachten und Ostern, alles an einem Tag.

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In den Wochen nach Weihnachten war mir so, als schwebte ich auf einer Wolke. Alles ging plötzlich so leicht, so von alleine. In Mikosch hatte ich endlich jemanden zum Kuscheln und Knuddeln gefunden. Vor allem beim Zubettgehen war einer da, den ich gern haben konnte. Papa mußte mich abends oft allein lassen, immer dann, wenn er zur Vorstellung ging. Das Wort Langeweile hatte ich fast vergessen. Ich erlebte viel mehr Abenteuer als früher. Einmal, am Müggelsee, versuchte mein Hund, mit einem Schwan zu kämpfen. War das eine Aufregung! Mikosch wurde vom Jagdfieber gepackt. Er kläffte und knurrte. Mal versuchte er den Schwan von vorne, dann wieder von hinten zu packen. Doch Mikosch hatte Pech. Durch mächtige Flügel- und Schnabelhiebe wurde er in die Flucht getrieben. Dazu fauchte der stolze Vogel, als würde aus drei Fahrradschläuchen

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zugleich die Luft rausgelassen. Seitdem weiß Mikosch, Schwäne sind für kleine Spaniels mindestens eine Nummer zu groß. Nicht immer gab es heitere Erlebnisse. Als Mikosch eine Lungenentzündung bekam, war ich beinahe so krank wie er. Zum Glück war er bald wieder auf den Beinen. Die Tierärztin und ich, wir haben ihn gesund gepflegt. So etwas vergißt man nicht so schnell. Es ist wunderbar, zu erfahren, daß man gebraucht wird und helfen darf. Doch ich will ganz ehrlich sein. Nicht jeder Tag mit Mikosch war für mich ein Feiertag. Meistens waren es ganz gewöhnliche Tage, Alltag. Alltag heißt für mich Schule und Schularbeiten, Pionierarbeit, Sportzirkel und ein bißchen im Haushalt helfen. Zum Alltag gehört natürlich auch das Tüpfelchen Freizeit, das übrigbleibt. Und dieses kleine

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bißchen Freizeit mußte ich noch mit Mikosch teilen. Deswegen hatte ich beinahe jeden dritten Tag mit Papa Ärger. Immer wenn ich Fußball spielen oder Fahrrad fahren wollte, kamen die Fragen, die ich schon gar nicht mehr hören konnte. „Cäsar, warst du mit dem Hund spazieren? Cäsar, hast du Hundefutter eingekauft? Cäsar, ist Mikosch schon gebürstet?“ Ihr könnt mir glauben, manchmal wünschte ich mir, daß Mikosch nicht da wäre. Dann könnte ich endlich wieder mit meiner freien Zeit machen, was ich wollte. Ich weiß nicht mehr genau, wann es war, als die Sache passierte. Auf jeden Fall war es ein Wochenende im Frühling. Mikosch war über ein Jahr alt. Seit langem freute sich unsere Pioniergruppe auf dieses Wochenende. Von unserem

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Patenbetrieb war die Einladung gekommen, diesen Sonnabend und Sonntag im Betriebsferienheim in Prieros zu verbringen. Prieros ist Klasse! Wälder, Wiesen, Wasser – genau das richtige Gelände für ein Manöverspiel. Und das war es, worauf sich alle freuten. Manchmal glaube ich wirklich, daß ich ein Pechvogel bin. Freitagabend bekam Papa einen Anruf, daß er für einen erkrankten Kollegen am Sonnabend und Sonntag in Dresden singen müßte. Ausgerechnet dieses Wochenende! Na und, fragt ihr, was hat das alles mit dem Manöverspiel zu tun? Begreift doch! Wenn Papa wegfährt, wer muß dann für den Hund sorgen? Ich natürlich! Ihr habt vielleicht eine Mutti oder eine Oma, da habt ihr’s gut. Ich habe keine Mutti, und meine Oma wohnt weit weg in

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Mecklenburg. Manchmal hilft uns Frau Kraushaar, wenn uns beiden Männern der Haushalt über den Kopf wächst. Nicht, was ihr denkt! Papa und ich sind wirklich einsame Klasse in Haushaltssachen. Aber manchmal kommt es vor, daß uns nur noch Frau Kraushaar retten kann. Doch diesmal konnte sie nicht helfen, sie war krank. Da hatten wir den Salat! Wieder mußte ich wegen Mikosch auf die schönsten Dinge verzichten! Kurz und gut, Papa fuhr am Sonnabend ganz früh nach Dresden. Ich blieb zu Hause. Kein Manöverspiel für mich, aus – Feierabend! An diesem Tag haßte ich zum ersten Mal meinen Hund. Ich heulte vor Wut und trommelte wütend mit beiden Fäusten auf dem Küchentisch herum. Mikosch hatte sich in seiner Kiste verkrochen. Er spürte, daß er mir im Wege war. Plötzlich hatte ich einen Einfall. Ahoi, das

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war die Lösung! Wenn ich es ganz geschickt anstellte, würde Papa nicht einmal etwas erfahren. Ich war begeistert von meiner Idee. Wie eine Rakete schoß ich durch die Wohnung. Freßnapf her, Fleisch und Knochen rein, ein Schälchen Milch, einen Topf mit Wasser dazu; damit nichts schiefgehen konnte, eine Tüte mit Hundeknochen daneben ausgeschüttet, der Hund in die Küche, Küchentür zu, fertig! Halt, noch nicht fertig! Wanderrucksack auf, Seife, Handtuch, Zahnbürste und was sonst noch dazu gehört, hinein, Rucksack zu, endgültig fertig. Es konnte losgehen! Mikosch winselte herzerweichend, als ich die Tür abschloß. Nicht weich werden, Hühnerbein, beruhigte ich mein schlechtes Gewissen – nicht weich werden! Schließlich jammerte Mikosch auch, wenn er nur eine

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einzige Stunde allein gelassen wurde. Doch diesmal, so schien es mir, klang sein Winseln anders, viel vorwurfsvoller als sonst. Aber was sollte ich machen, wo ich doch Manöverspiele über alles liebe? „Alles einsteigen“, rief Hanne, als der Bus vorgefahren war. Fräulein Priebs kam in letzter Minute mit einem riesigen Koffer in der Hand angeschnauft. Auf dem Kopf trug sie ein keckes Hütchen. „Modell Vitaminkur“, lästert Bierstrumpf, weil das schöne Stück mit Wachspflaumen und -kirschen überladen war. Der Koffer kam auf das Dach, Fräulein Priebs fand ihren Platz, und abging die Post. Ob ihr es glaubt oder nicht, selbst in Königs Wusterhausen hörte ich noch Mikoschs anklagendes Winseln.

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Das war ein Tag, an dem stimmte alles. Die Busfahrt war lustig, das Mittagsessen Sonderklasse und der erste Teil des Manöverspiels... Ach, was soll ich lange reden, der Tag war prall, rund und dufte wie ein Fußball. Den kleinen Schönheitsfleck, daß man nicht der vietnamesischen Befreiungsfront, sondern den frechen Landräubern zugeteilt hatte, will ich gar nicht beachten. Todmüde fielen wir abends in die Betten. Zufrieden mit mir und der Welt schlief ich ein. Im Halbschlaf hörte ich das Rauschen des Windes in den alten Kastanienbäumen, die gerade ihre schönen weißen Blütenkerzen hervorzauberten. Die Vögel sangen ihr Abendlied. Ruhe und Frieden lagen über dem Ferienheim. – Dann kamen die Träume. Ganz allein schlich der Kundschafter Hühnerbein durch tropische Urwälder.

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Mächtige Bäume versperrten ihm immer wieder den Weg und die Sicht. Von nassen Bäumen rankten gelb und giftig Lianen. Mit tausend klebrigen Armen versuchten die Schlingpflanzen, Hühnerbein aufzuhalten. Sie rankten sich um Arme und Hals, griffen nach seinen Füßen und ließen straucheln. Sooft der Kundschafter auch fiel, immer wieder stand er auf. Nichts würde ihn aufhalten können, seinen Auftrag auszuführen. Die Hitze wurde unerträglich. Schweißgebadet kämpfte sich der Held vorwärts. Dicke violette Insekten umschwirrten mit schrecklichem Singsang den Einsamen. Die Luft war erfüllt von ihrem Lärmen, als würden sich tausend Mücken zugleich auf ein Opfer stürzen. Die feigen Feinde hatten sich mit den Tieren und Pflanzen verbündet, um ihn, den großen Kundschafter, zu besiegen.

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Pflanzenarme, Sumpflöcher und modrige Wurzeln sollten ihn aufhalten. Haha, lächerlich, ein Held wie Cäsar Hühnerbein läßt sich durch nichts aufhalten! Keine giftigen Schlingerpflanzen und scheußlichen Insekten konnten ihn hindern. Da, ein Knacken im Dschungel! War er dem Feind schon so nahe? Vorsichtig schlich er näher. Geschmeidig wie eine Katze sprang er über umgestürzte Bäume. Das sollte der Sportlehrer sehen, der würde Augen machen! Wieder krachte es, diesmal unter seinen Füßen. Der Boden gab nach, und Hühnerbein stürzte in die Tiefe. Lange dauerte der Sturz. Endlich, nach langer, banger Zeit, prallte sein Körper hart auf den Boden. Der Kundschafter war gefangen, er war in eine Falle gelaufen. Als er wieder zu sich kam, fand er sich an einen Pfahl gefesselt. Vor ihm hockten stumm seine Feinde. Er

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kannte sie alle, es waren die Hunde aus der Nachbarschaft: Ajax, der Schäferhund, Onkel Pang, ein Pikenese, Kläff, der Spitz, und neben dem Collie Lord stand Mikosch, der Spaniel. Lord zeigte auf den Gefangen. „Ist er das?“ Mikosch nickte. Der Collie erhob sich würdevoll, betrachtete Hühnerbeinstreng und begann das Verhör. „Höre, Gefangener, was der Spaniel Mikosch gegen dich vorzubringen hat. Beginne Spaniel!“ Mikosch trat vor, sah Cäsar durchdringend an, zum ersten Mal – so schien es dem Gefangenen – mit kalten Augen, und fing stockend an zu reden. „Ich klage den Gefangenen an, mich vernachlässigt zu haben. Er hat sein Wort gebrochen, mich zu pflegen, mich zu lieben und mit mir zu spielen. Der Gefangene denkt nur an sich selbst. Die Liebe und

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Treue, die ich ihm entgegengebracht habe, hat er mit Füßen getreten. Das ist Verrat!“ „Jawohl, Verrat“ bläffte Onkel Pang grell. „Der Verräter soll sterben!“ In Ajax, dem Schäferhund, rührte sich aus vergangener Zeit das Blut seiner Väter – Wolfsblut. Ohne Gnade betrachtete er das Opfer. „Der Pikenese hat recht“, knurrte er, „solche schweren Verbrechen werden mit dem Tode bestraft.“ Gefährlich bleckten Ajax’ scharfe Zähne. Sein böses Knurren trieb Cäsar den Angstschweiß aus den Poren. Hätte er Mikosch doch nur nicht so oft vernachlässigt. Hätte er ihn doch mit nach Prieros genommen..., hätte , hätte. Zwei Augenpaare starrten sich an. In Cäsars Augen hockte die Angst, in Mikoschs Augen sah man Enttäuschung. Leise fing Mikosch an zu sprechen, so als spräche er zu sich selbst. „Cäsar, du hast

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dir wenig Mühe gegeben, mein Hundeherz zu verstehen. Die große Liebe und Treue, die ich dir entgegengebracht habe, waren dir ganz selbstverständlich. Warum bist du nie auf den Gedanken gekommen, daß dein Hund auch von dir Treue erwartet? Du hast mich nur geliebt und gepflegt, wenn es dir gerade paßte. Hunger und Durst kann ein Hund ertragen, aber verweigerte Liebe erträgt er nur selten.“ Jetzt erst sprach der Spaniel lauter. „Wer zu seinem Tier gleichgültig und schlecht ist, wer nur zuerst an sich selbst denkt, der kann kein gutes Herz haben!“ Noch einmal blickte Mikosch Cäsar in die Augen. „Verurteilt ihr ihn“, sagte er enttäuscht und traurig und verließ den Richtplatz. Ajax, Lord, Onkel Pang und Kläff erhoben sich von ihren Plätzen. „Im Namen aller Hunde“, knurrte der Oberste Richter, „verurteile ich dich, Cäsar

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Hühnerbein. Du hast deine freiwillig übernommenen Pflichten nicht erfüllt, du hast deinen Hund leiden lassen. Du bist ein Tierquäler. Ajax, faß zu!“ Mit einem gewaltigen Satz sprang der Schäferhund auf sein Opfer zu. „Nein, nein!“ schrie der Verurteilte. Er bäumte sich auf, um seinem Schicksal zu entgehen. Die Angst verlieh Hühnerbein gewaltige Kräfte. Er zerriß seine Fesseln, stieß wild um sich und versuchte zu fliehen. Krachend flog die kleine Lampe vom Nachttisch, polternd kippte der Stuhl mit Hühnerbeins Kleidungsstücken um. Der Traum war ausgeträumt. – Ich lag pitschnaß vor Angstschweiß neben meinem Bett auf dem Läufer und starrte benommen in besorgte Gesichter. Hanne, unser Pionierleiter, kühlte mir mit einem nassen Lappen die Stirn. Fräulein Priebs

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machte mit ihrem Getue alle Pferde scheu. „Wir brauchen einen Arzt“, erregte sie sich. Gott sei Dank ließ sich Herr Marks von unserem Patenbetrieb nicht aus der Ruhe bringen. „Is ja gut, Frolleinchen, nun machen Se mal een Punkt, und dann hol’n Se tief Luft. Ick wette, in der Zeit is der Bengel wieder mopsfidel!“ Ganz so schnell, wie Herr Marks sich das vorstellte, ging es nun doch nicht. Schließlich hatte ich sehr fest geschlafen und so heftig geträumt, daß ich nicht einmal durch meinen Sturz aus dem Bett richtig wach geworden war. Was blieb mir anderes übrig, als meinen Traum und die Sache mit dem eingesperrten Mikosch zu erzählen? Ich schämte mich sehr. Auf einmal konnte mir das ganze Manöverspiel und das schöne Ferienheim gestohlen blieben. Ich hatte nur noch den Wunsch, so schnell wie

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möglich nach Hause zu kommen – nach Hause zu Mikosch. Ich mußte wiedergutmachen, was ich so gedankenlos verbockt hatte. Warum hatte ich nicht daran gedacht, Mikosch mit nach Prieros zu nehmen. Papa hätte es sicher erlaubt. „Bitte, lassen Sie mich fahren“, bettelte ich, „jetzt um vier Uhr früh fährt bestimmt schon ein Zug nach Berlin.“ Fräulein Priebs, Herr Marks und Hanne machten nachdenkliche Gesichter. „Hopp, Hühnerbein“, befahl Hanne, „verschwinde unter die Bettdecke, wir reden nachher beim Frühstück über die Sache. Alle Mann ins Bett, es wird weitergeschlafen!“ Hanne hatte gut reden. Jetzt zu schlafen, mit dem schlechten Gewissen, das sollte er mir mal vormachen. Irgendwie muß ich dann aber doch eingeschlafen sein.

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„He, Hühnerbeen, olla Pennbruda, wach uff, du hast Besuch!“ Von weit her hörte ich Bierstrumpfs Stimme. „Mensch, wach endlich uff, du vaträumte Nudel!“ Und da war es passiert. Die Tür ging auf, und mit einem riesigen Satz sprang Mikosch auf mein Bett. Er bellte vor Freude und leckte mir liebevoll das Gesicht. „Mensch, Micki“, heulte ich, „wo kommst denn du her?“ Es war eine blöde Frage, ich weiß. Mikosch beantwortete sie auch auf seine Weise. Wie ein Karussell drehte er sich um sich selbst, so groß war seine Freude, mich wiedergefunden zu haben. Er bellte, leckte und fiepte, ohne aufzuhören, sprang von mir zu Hanne, beschnupperte seine Hände und war schon wieder auf meinem Bett. Mikosch war mit nicht böse, das war die Hauptsache. „Hier hast du deinen Wohnungsschlüssel

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wieder, du Unglücksrabe. Herr Marks und ich haben uns ihn ausgeborgt.“ Hanne gab mir den Schlüssel ohne einvorwurfsvolles Wort. Ehrlich, für mich ist Hanne der beste Pionierleiter, den es gibt, und Herr Marks aus unserem Patenbetrieb ist genauso Klasse wie sein Namensvetter mit x und großem Bart. Ich habe mich bei beiden sehr bedankt. Wenn sie nicht in aller Frühe mit dem Motorrad nach Köpenick gefahren wären, nur um Mikosch zu holen, hätte für mich der Tag sehr häßlich begonnen. Nicht einmal den Brief an meinen Vater hatten sie vergessen. Ich war überglücklich. Das war es, was ich erzählen wollte. Halt, eines hätte ich beinahe vergessen. Alle waren sich einig, daß das Manöverspiel am zweiten Tag erst durch Mikosch den richtigen Pfiff bekommen hatte.

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Mikosch wurde der Fährtenhund der Befreiungsarmee, und vor seiner Nase war kein Feind sicher. Und es sonnenklar: Wo Mikosch war, da mußte auch ich sein, diesmal auf der richtigen Seite.

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