084 - Matrjoschkas Märchen
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....................
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I
DIE
KLEINEN
TROMPETERBOCHER .
BAND 84
IWAN BURSSOW
Matrjoschkas Märchen
DER KINDERBUCHVERLAG BERlIN
Titel des Originals: MaTpewKHHbI CKa3KH Aus dem Russischen von Thomas Reschke Illustrationen von Hille Blumfeldt
DER HASE ALS G EMUSEGÄRTNER
Im dunklen Walde, unterm bösen Fliegen sc hwamm stand ein umzäuntes Häuschen bei einem Weidenstamm. Ein Ameisenpfad führte dort hin, eine Matrjoschka wohnte darin,
ein hölzernes Weiblein,
auf der
Drehbank gedreht, von traurigem Schicksal hierher verweht. Die Alte hatte ein kluges Gehirn und ein Astlöchelchen auf der Stirn. Abends saß sie auf der Ofenbank, und wenn sie Tee im Mondschein trank, knarrte gemächlich die alte Weide in ihrem silbernen Blätterkleide. Vor dem Fenster huschten Märchen auf hurtigen Pferdchen. Sie sch lugen Zapfen von den Fichten und blätterten in einem Buch mit Geschichten. Wie Kätzchen, so miauten sie brav und sangen das alte Weiblein in Schlaf. Die Matrjoschka warf ihnen noch schräge Blicke 5
zu. Aber dies ist nicht das Märchen, erst die Vorgeschichte. Das Märchen fängt jetzt an. Als der Hase es über hatte, durch den Schnee zu laufen und nach Heu und Stro h zu suchen, nahm er sich vor, im Frühling Kohl zu pflanzen. Er besorgte Setzlinge, suchte eine kleine Lichtung aus und machte sich ans Umgraben. Er grub fleißig, wischte sich mit der Pfote den Schweiß von der Stirn und sang ein liedchen, das er selbst erdacht hatte, damit ihm die Arbeit lustiger von der Hand ginge: "Wachse, Kohl, im Sonnenlicht, nicht zu spärlich, nicht zu dicht. Wachset aus der Erde Schoß, lauter Köpfe - riesengroß!" Da kam der Igel des Wegs. Er sah den Hasen mit dem Spaten die Erde umwühlen, blieb stehen und legte die Pfoten auf den Rücken. 6
"Was machst du da, Nachbar?" fragte er. "Meinen Garten grab ich um", antwortete der Hase. "Will Kohl pflanzen." "Sehr tüchtig", lobte ihn der Igel. "Aber vergiß nicht, Beete anzulegen! Was wär das für ein Garten ohne Beete?" "Schönen Dank für den guten Rat, Nach bar", sagte der Hase. "Ich werde Beete an Iegen. " Der Igel trollte sich, der Hase aber machte sich wieder an die Arbeit. Er grub fleißig, wischte sich mit der Pfote den Schweiß von der Stirn und sang ein liedchen, das er selbst erdacht hatte, damit ihm die Arbeit lustiger von der Hand ginge: "Ja, ich lege Beete an, daß der Kohl gedei hen kann. Wachset aus der Erde Schoß. lauter Köpfe - riesengroß!" Da kam der Fuchs des Wegs. Er sah den Hasen mit dem Spaten die Erde umwühlen, 8
blieb stehen und bog die Lunte zum Frage zeichen. "Was machst du da, Gevatter?" fragte er. "Meinen Garten grab ich um", antwortete der Hase. "Will Kohl pflanzen." "Sehr tüchtig." Der Fuchs wedelte mit der Lunte. "Aber vergiß nicht, den Garten zu gießen! Was wär das für ein Garten, wenn du ihn nicht gießt?" "Schönen Dank für den guten Rat, Ge vatter", sagte der Hase. "Ich werde nicht vergessen zu gießen." Der
Fuchs trollte sich,
der
Hase aber
machte sich wieder an die Arbeit. Er grub fleißig,
wischte sich mit der
Pfote den
Schweiß von der Stirn und sang ein lied ehen, das er selbst erdacht hatte, damit ihm die Arbeit
lustiger von der
Hand
ginge: •
"Ich begieße meinen Garten, brauch nur auf den Kohl zu warten. 10
Wachset aus der Erde Schoß, lauter Köpfe - riesengroß!" Da kam der Wolf des Wegs. Er sah den Hasen mit dem Spaten die Erde umwühlen, blieb stehen und kratzte sich mit der Pfote hinterm Ohr. "Was machst du da, Hase?" fragte er. "Meinen Garten grab ich um", antwortete der Hase. "Will Kohl pflanzen." Sehr
tüchtig."
Der
Wolf
fletschte
die
" Zähne. "Aber vergiß nicht, daß du die Setz
linge nicht fressen darfst! Was wär das für ein Garten ohne Setzlinge?" "Schönen Dank für den guten Rat", sagte der Hase. " Ich werde sie nicht fressen." Der Wolf trollte sich, der Hase aber machte sich wieder an die Arbeit. Er grub fleißig, wischte sich mit der Pfote den Schweiß von der Stirn und sang ein Liedchen, das er selbst erdacht hatte, damit ihm die Arbeit lustiger von der Hand ginge: 11
"Wär ja dumm, wollt ich's vergessen: darf die Setzlinge n icht fressen. Wachset aus der Erde Schoß, lauter Köpfe - riesengroß!" Da kam der Bär des Wegs. Er sah den Hasen m it dem Spaten die Erde umwühlen, bl ieb stehen und trat von einer Tatze auf die andere. "Was machst du da, Lampe?" fragte er. .. Meinen Garten grab ich um", antwortete der Hase. "Will Kohl pflanzen." "Sehr tücht ig." Der Bär n ickte. "Aber ver giß nicht, e ine Vogelscheuche aufzustellen. Was wär das für ein Garten ohne Vogel scheuche?" .. Schönen Dank für den guten Rat, Petz", sagte der Hase. . . Ich werde eine Vogel scheuche aufstellen." Der Bär trollte sich, der Hase aber machte sich w ieder an die Arbeit. Er grub fleißig, wischte sich mit der Pfote den Schweiß von 13
der Stirn und sang ein liedchen, das er selbst erdacht hatte, damit ihm die Arbeit lustiger von der Hand ginge: "Vogelscheuch wird aufgestellt, schützt vor Dieben mir das Feld. Wachset aus der Erde Schoß, lauter Köpfe - riesengroß!" Den ganzen Tag arbeitete der Hase. Er grub die Erde um, legte Beete an, fraß die Setzlinge nicht, sondern pflanzte sie ein, begoß den Garten und hängte zum Abend seinen alten Pelz als Vogelscheuche an einen Birkenpfahl. Der Kohl fing an zu wachsen. Er wuchs und wuchs, wuchs und wuchs und war im Herbst so groß, daß die Hasenohren nicht mehr über die Kohlköpfe hinwegschauten. Es wurde Zeit, die Ernte einzubringen. Der Hase nahm ein Messer, schnitt die Kohlköpfe ab und warf sie auf einen Hau fen. Wie freute sich Meister Lampe, daß die 14
Ernte so gut war! Aus vollem Halse sang er sein Liedchen: "Hier, wo's früher wüst und leer, steht jetzt Kohl, ein ganzes Heer, wuchsen aus der Erde Schoß lauter Köpfe - riesengroß!" Wer stand auf einmal da? Der Igel. "Guten Tag, Nachbar", sagte er. "Gratu Iiere zur reichen Ernte!" "Reich oder nicht, sie ist mein", antwortete der Hase. "Nicht ganz." Der Igel rieb sich die Pföt chen. "Ohne meinen Rat, wäre da solcher Kohl gewachsen? Also steckt auch mein Anteil darin. " Der Hase dachte nach - es stimmte. Wer, wenn nicht der Igel, hatte ihm geraten, Beete anzulegen? "Gut", sagte er, "nimm dir deinen Anteil, dann sind wir quitt." Der Igel suchte sich einige der größten Köpfe aus und wickelte sie in Bast. 15
"Hilf mir. sie auf die Schulter zu heben. lieber Nachbar". bat er den Hasen. Da half der Hase ihm. seinen Anteil auf die Schulter zu heben. Der Igel ging zu frieden davon. und seine Stacheln standen gesträubt. Der Hase machte sich wieder ans Werk. Er schnitt die Kohlköpfe ab und warf sie auf Haufen.
einen
Wie freute sich Meister
Lampe. daß die Ernte so gut war! Er sang sein Liedchen. aber nicht mehr aus vollem Halse: "Auf den Beeten kreuz und quer steht der Kohl. ein ganzes Heer. wuchsen aus der Erde Schoß lauter Köpfe - riesengroß!" Wer stand auf einmal da? Der Fuchs. "Guten Tag. Gevatter" , sagte er. "Gratu liere zur reichen Ernte!" "Reich oder nicht. sie ist mein der Hase. 16
JJ.
antwortete
"Nicht ganz." Der Fuchs wedelte mit der Lunte. "Ohne meinen Rat, wäre da solcher Kohl gewachsen? Also steckt auch mein Anteil darin." Der Hase dachte nach - es stimmte. Wer, wenn nicht der Fuchs, hatte ihm geraten, den Garten zu gießen? "Gut", sagte er, "nimm dir deinen Anteil. dann sind wir quitt." Der Fuchs holte einen Sack und stopfte ihn voll Kohl. "Hilf mir, ihn auf die Schulter zu heben", bat er den Hasen. Da half der Hase dem Gevatter, seinen, Anteil auf die Schulter zu heben. Der Fuchs ging zufrieden davon,
und seine Lunte
schleppte auf der Erde nach wie ein Reiser besen. Der Hase machte sich wieder ans Werk. Er schnitt die Kohlköpfe ab und warf sie auf einen Haufen. 2
Malrjoschkas Märchen
Wie freute sich
Meister 17
Lampe, daß die Ernte so gut war! Er sang sein Liedchen, aber schon ganz leise:
-
"Ließ mich nicht mal nachts verdrießen, meinen Garten zu begießen. Wuchsen aus der Erde Schoß lauter Köpfe - riesengroß!" Wer stand auf einmal da? Der Wolf. "Guten Tag, Hase", sagte er. "Gratuliere zur reichen Ernte!" "Reich oder nicht, sie ist mein", antwortete der Hase. "Nicht ganz." Der Wolf fletschte die Zähne. "Ohne meinen Rat, wäre da solcher Kohl gewachsen? Also steckt auch mein Anteil darin." Der Hase dachte nach - es stimmte. Wer, wenn nicht der Wolf, hatte ihm geraten, die Setzlinge nicht zu fressen? "Gut", sagte er, "nimm dir deinen Anteil, dann sind wir quitt." Der Wolf stopfte zwei Säcke voll Kohl. 18
"Hilf mir, sie auf die Schulter zu heben", bat er den Hasen. Da half der Hase dem Wolf, seinen Anteil auf die Schulter zu heben. Der Wolf ging zufrieden davon, und seine Knie knackten. Der Hase machte sich wieder ans Werk. Er schnitt die Kohlköpfe ab und warf sie auf einen Haufen. Aber er sang nicht mehr, die Laune war ihm verdorben. Kaum hatte der Hase den letzten Kopf abgesc hnitten und auf den Haufen gewor fen, sie he da, schon war der Bär zur Stelle. "Guten Tag, Lampe", sagte er. "Gratuliere zur reichen Ernte!" "Reich oder nicht, sie ist mein", antwortete der Hase. "Nicht ganz." Der Bär wiegte den Kopf. "Ohne meinen Rat, wäre da solcher Kohl gewachsen? Also steckt auch mein Anteil darin. " Der Hase dachte nach - es stimmte. Wer, 20
wenn nicht der Bär, hatte ihm geraten, eine Vogelscheuche aufzustellen? "Gut", sagte er, "nimm dir deinen Anteil, dann sind wir quitt." Da ging der Bär zu dem Kohl, raffte den ganzen Haufen in die Arme und sah sogar nach, ob nichts liegengeblieben sei. Dann stapfte er davon, daß die Erde erzitterte. Der Hase blieb in seinem leeren Gemüse garten allein zurück. Er setzte sich unter die Vogelscheuche und weinte bitterlich. Er weinte lange. So lange, daß er Hunger bekam. Er wischte sich die Augen und hielt Umsc hau, ob nicht auch für ihn ein Häpp chen übriggeblieben sei. Unter einem dür ren Grashalm fand er einen kleinen Kohl kopf, den der Bär übersehen hatte. Da wurde er wieder fröhlich. Also hatte er sich doch nicht umsonst geplagt. Der Hase verspeiste den letzten Kohlkopf zum Abendbrot und vergaß alles Leid. 21
"Na gut", er winkte mit der Pfote ab, "nächstes Jahr pflanze ich mehr, damit es für alle reicht und auch für mich etwas bleibt. " So hüpft der Hase bis auf den heutigen Tag durch den Schnee, sucht nach Heu und Stroh und freut sich auf den Frü hling. Aber es fällt ihm schwer, seine Beine sind ja auch sooo lang!
HARRAS ALS MÄUSEHIRT
Spätnachts trottete der Bär über den Wald weg zwischen den Buchen, um die Ma trjosc hka mit dem Astlöchelchen zu be suchen. Er kam zu dem Häuschen unterm Fliegenschwamm - und sah einen Tau sendfüßler, angekettet am Weidenstamm. Der Tausendfüßler rasselte mit der Kette: "Die Matrjoschka liegt schon längst im 23
Bette! Was streichst du so spät im Walde herum? Verschwinde sofort, sonst brrring ich dich um!" Erschrocken wich der Bär zurück, um zur Höhle zu stapfen.
Den
Heimweg bestreute er mit stachligen Zap fen, damit ja niemand zu ihm kam und ihm zu Haus die Ruhe nahm. Auf einer Wald wiese - so ein Spaß! - Tränen lachend ein
Hase saß.
Glühwürmchen
An Grashalmen hingen und
piepsten
vergnügt.
Aber dies ist nicht das Märchen, erst die Vorgeschichte. Das Märchen fängt jetzt an. Eines Tages nahm der Kater Murlik den schlappohrigen Harras in seine Dienste, damit er ihm die Feldmäuse hüte. Sie schlos sen einen Vertrag. Der Kater verpflichtete sich, dem Harras für seine Arbeit eine Maus zu geben, groß wie ein Ochse, außerdem ein neues Halsband und eine Kopeke für seine kleinen Hundeausgaben. 24
"Du hast nur aufzupassen, daß die Mäuse nicht weglaufen und daß sie schön Fett ansetzen", trug der Kater Murlik seinem neuen Hirten auf. "Wau, wau!" bellte Harras gekränkt. "Mein Urgroßvater hat noch
Bären gejagt, da
werde ich doch mit den Mäusen zurecht kommen." Murlik reichte ihm die Pfote, und Harras schlug ein. Der Kater schlüpfte auf den Ofen, und der Hund begab sich aufs Feld. Er hütete also die Mäuse, zäh lte die Ar beitstage und leckte sich die wunden Füße, denn das Feld war gar se hr mit Kletten verwuchert. Beim Hüten schonte er seine Hundebeine nicht, und auch nachts fand er wenig Schlaf. Der Kater Murlik aber kam täglich aufs Feld, prüfte die Arbeit des neuen Hirten und kostete die Mäuse, ob sie schon fett wurden. 26
"Wirst gut mit deinen Pflichten fertig!" lobte er den Harras. Da gab sich Harras noch größere Mühe. Mit hängender Zunge jagte er den Mäusen hinterher. Trieb die Herde auf WaIdlich tungen, wo wilder Hafer wuchs. So g.ing der Sommer hin. Die Regenzeit setzte ein. Harras' Pfoten waren übel zu gerichtet. Er war abgemagert, sein Fell hing voller Kletten und Dornen.
Die
Ohren
schlappten bis zur Erde. Der Kater Murlik aber kam noch immer täglich ,aufs Feld, prüfte die Arbeit und kostete die Mäuse, ob sie schon fett wur den. "Wi rst gut mit deinen Pfi ichten fertig!" lobte er den Harras. "Die Maus, so groß wie ein Ochse, und das neue Halsband sind so gut wie dein. Brauchst nur noch für die Kopeke zu arbeiten." Da freute sich Harras. Er gab sich noch 27
größere Mühe und jagte den Mäusen hin terher, um auch die Kopeke zu verdienen. So ging der Herbst hin. Die Zeit der Fröste setzte ein. Die Mäuse schlüpften in ihre Löcher, und so hatte Harras nichts mehr zu hüten. Der Kater Murlik kam nicht mehr aufs Feld. Dann fiel Schnee. Jetzt ist meine Arbeit zu
Ende, dachte
Harras erfreut. Jetzt kann ich mir den ver sprochenen Lohn holen. Als Harras auf den Hof zum Kater Murlik kam, war der gerade erst aufgestanden. Eben machte er seine Gymnastik, indem er auf dem Zaun hin und her spazierte. "Wau, wau '" begrüßte ihn Harras und sagte: "Du hast mir für das Hüten eine Maus versprochen, Kater, so groß wie ein Ochse.
Nun ist es an der Zeit, Wort zu
halten." "Ach, du kommst wegen der M-m-maus". 29
miaute der Kater wohlig und stellte den Schwanz steil auf. "Hast du denn wenig stens eine Maus zur Größe eines Ochsen •
gemästet?" "Nein."
Harras schüttelte die
Schlapp
ohren. "Was soll ich dir dann geben?" fragte der Kater verwundert. Harras überlegte lange - wirklich, was konnte der Kater ihm geben, wo er nicht eine einzige Maus zur Größe eines Kätz chens, geschweige eines Ochsen gemästet hatte? "Nun gut", willigte er ein, "vielleicht habe ich auch ein wenig schuld, daß keine Maus so groß wie ein Ochse geworden ist. Aber ich habe sie gehütet, habe mich abgemüht. Gib mir für die Arbeit wenigstens das neue Halsband." "Ach, das Haaalsband." Der Kater feixte in den Bart. "Hast du mir denn das Fell 30
von der ochsengroßen Maus mitgebracht?" "Nein."
Harras schüttelte
die
Schlapp
ohren. "Woraus soll ich dir dann das neue Hals band machen?" fragte der Kater verwun dert. Harras überlegte lange - wirklic h, woraus sollte der Kater ihm das neue Halsband machen, wo er ihm nicht das Fell einer Maus gebracht hatte, die so groß wie ein Ochse geworden war? "Nun gut", willigte er ein, "vielleicht habe ich auch ein wenig schuld, daß ich dir nicht das Fell einer ochsengroßen Maus gebracht habe. Aber ich habe die Mäuse gehütet, habe mich abgemüht. Gib mir für die Arbeit wenigstens die versprochene Kopeke. Ich will mir eine Bürste kaufen und mich ein bißchen putzen, bin ja ganz voller Kletten. " "Ach, die Kopeeeke!" Der Kater lachte laut 31
auf, und seine grünen Augen funkelten. "Wo hättest du je gehört, Harras, daß Kater Geld besäßen?" Harras überlegte lange - wirklich, das hatte er noch nie und nirgends gehört. Aber . . . Er entsc hloß sich doch, wütend zu werden. "Wau, wau! Rrrrl" Und er stürzte sich auf den Kater. Aber wie sollte der abgemagerte Harras den im Sommer herausgefütterten Kater einholen! Murlik flitzte Vom Zaun und husch! - einen hohen Baum hinauf. Ver suche mal einer, ihn da zu erwischen! Lange lief Harras um den Baum und bellte, doch dann zog er den Schwanz ein und trottete zu seinem früheren Herrn, um dort u nterzusch lüpfen. Seitdem können Hunde Katzen nicht leiden. Kaum erblicken sie eine, schon wollen sie sie am Sch wanz packen. Sie sind beleidigt, 32
daß der Kater Murlik den Harras so ge prellt hat. Die Katzen wissen das und wagen sich den Hunden nicht vor die Augen.
DER SCHLAUE ZIEG ENBOCK
Mit langem Barte kommt die Nacht; daß alle fein schlafen, gibt sie ac ht. Nanu, im Fenster dort brennt noch licht? Warum schläft die Matrjoschka nicht? Die kleinen Märchen umgaukeln ihr Ohr, lesen ihr aus dem
Bilderbuch
vor. Wie
Kätzchen,
so
miauen sie brav, plaudern das alte Weib lein in Schlaf. Die Matrjoschka hört zu, doch ihr geht nichts ein, denn alles ent weicht durch das Astlöchlein. Mit Netzen haschen die Märchen nach Frühlingsträu men zwischen den mächtigen WaIdesbäu men. Jedes Blümelein ringsum, jedes Blätt34
chen drehen sie um. Am Hals tragen sie Seidentüch lein, um sich nicht zu verkühlen. Aber dies ist nicht das Märchen, erst die Vorgesc hichte.
Das Märchen fängt jetzt
an. Es lebte einmal ein Ziegenbock bei seinem Herrn. Der Ziegenbock war schlau. Er hatte eine hohe Stirn, steile Hörner, spitze Hufe und einen weißen, welligen Bart. Ein gutes Tier, nur ein richtiger Pechvogel. Hatten die Hasen bei den Apfelbäumen im Garten die Rinde angeknabbert, so gab der Herr dem Ziegenbock nichts zu essen. Hatte der Kater oder der Hund einen Krug mit Milch umgestoßen, so bekam die Schelte der Ziegenbock. Der Herr glaubte, er habe einen Schabernack verübt. Der Ziegenbock hatte es über, für fremde Sünden zu büßen, und beschloß, sich auf eigene Füße zu stellen. 35
Beim ersten Morgengrauen, als noch alles sch lief, stand er auf,
hängte sich eine
Tasche um, tat eine Mohrrübe hinein und verließ den Hof. Er wanderte den Feldweg entlang, schlug mit den Hufen die Brennessein ab, ver jagte mit den Hörnern die Bremsen und sang ein liedchen wie jeder Wanders mann: .. E'inS, zwei. 'I Drei, vier! Ich bin ein sch lauer Ziegenbock, scheuch Not und Kummer mit dem Stock. M" " "h .I" aaa So zog der Ziegenbock seines Wegs. Plötz lich sah er vorn etwas glänzen. Ein See, dachte er und ging darauf zu, doch es war nur ein Spiegelscherben. 37
Fein, da lege ich mir eine Wirtschaft zu, dachte der Ziegenbock, hob den Spiegel scherben auf und tat ihn in die Tasche. Und wanderte weiter. Die Sonne stieg höher, und es wurde immer heißer. Der Ziegenbock rupfte ein Klettenblatt ab und spießte es auf die Hörner, damit ihm die Sonne nicht die Stirn verbrannte. Er wanderte den Feldweg entlang, scbüttelte den Bart und sang ein Liedchen wie jeder Wandersmann: . E·inS, zwei.I J
J
Drei, vier! Bei Schaf und Ganter lernte ich, vor nichts und niemand fürcht ich mich. Määäh !" So zog der Ziegenbock seines Wegs. Plötz lich sah er vorn etwas Rundes glänzen. In 38
der Nacht ist der Mond vom Himmel ge fallen, dachte er und ging darauf zu, doch es war nur ein abgetretenes Hufeisen. Fein, da leg ich mir eine Wirtschaft zu, dachte der Ziegenbock, hob das Hufeisen auf und tat es in die Tasche. Und wanderte weiter. Die Sonne neigte sich wieder der Erde zu. Die Schatten der Gräser wurden so riesen groß, daß der Ziegenbock darüber stol perte. Nach Singen war ihm nicht mehr zumute, und er überlegte, wo er sein Nacht lager aufschlagen könnte. Wie er so überlegte und nachsann, kam er in einen Wald. Hier war es schon ganz schummerig. Zwischen den Tannen brauten Nebel, und im Dickicht buhten die Schuhus einander zu. Dem Ziegenbock gruselte es. Ach, hätte ich bloß den Hahn Petja mit genommen, zu zweit wär's lustiger, dachte er. 39
Kaum hatte er dies gedacht, da sah er unter einer krummen Kiefer ein Häuschen, aus gebeizter Eiche gezimmert und mit Rasen und Rosmarin gedeckt. Mit seinem hellen Fenster guckte es den Ziegenbock an wie eine Eule. Das ist gut, freute sich der Ziegenbock. Wer auch hier wohnt, er wird einem Wanderer nicht das Nachtlager verweigern. Der Ziegenbock öffnete die knarrende Tür, doch entsetzt blieb er auf der Schwelle stehen: Am Ofen saß ein Wolf und zog sich Rindlederstiefel an. Als er aufblickte und den Ziegenbock sah, begann er zu lachen. Er lachte, daß die Scheibe des einzigen Fensters erzitterte wie ein Espenblatt. "Hahahaha! Gerade überlege ich, was ich zu Abend esse, da kommt das Abendbrot von selbst zu mir ins Haus!" Mehr tot als lebendig stand der Ziegenbock da. Der Wolf aber erhob sich, stampfte mit 40
dem Absatz auf und zog sein Messer aus dem Gürtel. "Gleich steche ich dich ab", sagte er zum Ziegenbock, "ich will nur noch das Messer schleifen. " Der Wolf packte einen mächtigen Mühl stein und führte ihn auf dem Messer hin und her, daß die Funken nur so sprühten. Der Z iegenbock, der vor Angst schlotterte, erkannte mit seinem schlauen Verstand, daß der Wolf grimmig, aber dumm war. Hätte wohl ein Kluger mit dem riesigen Mühlstein das Messer geschärft, wenn er das Messer am liegenden Stein wetzen konnte? Hehe, Wolf, dich überliste ich dachte der
Ziegenbock und
allemal,
holte
den
Spiegelscherben aus der Tasche. Er sch aute in den Spiegel, drehte ihn, und den Wolf plagte die Neugier: Was machte sein bärtiger Gast? Endlich h ielt er es nicht 4 Matrjoschkas Märchen
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mehr aus und fragte: "Was guckst du denn da 2" . " Ich nehme vor dem Tode von meinem Väterchen Abschied", antwortete der Zie genbock. "Laß sehen, was für einen Vater du hast." Der Wolf nahm den Spiegel scherben und schaute hinein, da blickte ihm ein gefletsch ter Wolfsrachen entgegen. "Hm", sagte der Wolf verwundert,
"ich
hätte nie gedacht, daß ein Wolf solc he Kinder haben kann wie dich. Warum hast du mir nicht gleich gesagt, daß du mit mir verwandt bist? Ich hätte dich glatt aufge fressen." Der Wolf errötete vor Verlegenheit. " Ich
wollte
dich
überraschen,
Onkel",
sagte der Ziegenbock pfiffig und nahm die Tasche von der Schulter, als sei er wirklich zu Besuch gekommen. Der Wolf hörte auf, das Messer zu schlei42
fen, und schob es w ieder h inter den Gür tel. "Ich habe gar nichts, was ich d ir vorsetzen könnte, Neffe", sagte er. "Wenn du Hun ger hast, mußt du mit m ir auf die Jagd gehen.
Dann essen w ir gemeinsam zu
Abend." Darauf hatte der Ziegenbock nur gewartet. Er holte das abgetretene Hufeisen aus der Tasche und zeigte es dem Wolf. "Ic h habe eben erst ein Pferd gegessen", sagte er. "Das Hufe isen h ier ist mir in den Zähnen steckengeblieben, da hab ich's in die Tasche getan." Der Wolf besah das Hufeisen und leckte s ich die Schnauze. "Wo hast du so na hrhaft gespeist?" fragte er den Z iegenbock . "N icht weit von h ier wohnt ein Mann", ant wortete
der
Z iegenbock.
" Der
bewirtet
e inen jeden aus der Wolfsfamilie mit Pfer44
den. Er züchtet s ie eigens für unsereinen. Man braucht nur an sein Fenster zu klop fen und zu sprechen: Ein grauer Wolf bin ich und kenn des Fleisches Wert . Komm und bewirte mich zum Abend m it 'nem Pferd!, schon kommt der Hausherr heraus und führt e inen in den Pferdestall. Dort muß man selber aussuchen." " Das kenn ich." Der Wolf leckte sich die Schnauze, und seine Augen brannten wie zwei laternen. "Sag mir noch, wie komme ich zu diesem Mann?" Der Z iegenbock wußte, daß sein früherer Herr e ine Flinte besaß, und sch ickte den Wolf stracks zu i hm. "Paß aber auf, vergiB nicht zu sagen, daß du e in grauer Wolf bist, sonst kannst du lange auf das Pferd warten", schärfte er ihm nochmals e in . 45
Der Wolf machte sich auf den Weg. der Ziegenbock aber verließ das Wolfs häus chen und versteckte sich für alle Fälle un weit in einem kleinen Tann. •
Lange saß er da. horchte und sch lummerte sogar ein Weilchen ein. Endlich hörte er zwei Schüsse. Erleichtert seufzte er auf und ging getrost in das Wolfshäuschen. um sich auszuruhen. Er wußte. daß sein früherer Herr einen Wolf niemals verfehlte. Seither wohnt der Ziegenbock als alleini ger Besitzer in dem Wolfshäuschen. Und wer's nicht glaubt - nachprüfen er laubt. Das Häuschen ist leicht zu finden. Man er kennt es an dem abgetretenen Hufeisen. das über der knarrenden Tür angenagelt ist. Falls jemand auch noch den Spiegel scherben sehen möchte. der dem Ziegen bock half. den Wolf zu überlisten. so möge 46
er eintreten. Der Scherben steht auf dem Ofensims. Vor ihm kämmt der Ziegenbock allmorgendlich
seinen
weißen,
welligen
Bart. Dazu singt er sein lied: ·1 " E·Ins, zwei. Drei, vier! Bei Schaf und Ganter lernte ich, vor nichts und niemand fürcht ich mic h . Määäh !"
WIE DASEI DIE HENNE BELEHRTE
Still war's im Walde und am Weidenstamm, still
war's
schwamm.
im Der
Häuschen
am
Fliegen
Tausendfüßler
schlum
merte tief, und auch die gute Matrjoschka 48
sch lief, aber noch immer lauschte sie den Märchen, das vergaß sie nie. Rings um den F liegenschwamm, kreuz und quer, schlich die Stille auf Zehenspitzen einher. Durch den Schornstein schaute der Mond auf die Matrjoschka herab. D ie Mücken zerst ießen im Mörser Tau, ein Märchen verirrte sich in der Au. Zu Matrjoschkas Häuschen l ief es im Trab, doch kam es vom Ameisenpfade ab. Man sollte besser achtgeben, wo die Füße hintreten. Aber dies ist nicht das Märehen, erst die Vorgeschichte. Das Märchen fängt jetzt an .
..
D ie bunte Henne hatte e ines Tages ein E i gelegt. Ein ganz gewöhnliches E i - glatt, weiß, rund. " Ko-ko-ko! " kakelte die Henne zufrieden und wo llte aus der Scheune in den Hof laufen, als sie jemand rufen hörte: "He, du, b leib stehen!" 49
Die Henne hielt auf halbem Wege inne und schaute nach allen Seiten - niemand zu sehen. Nur Sonnenflecke spielten auf dem Heu. und das Ei lag weiß in der Ecke. "Ko-ko-ko-komisch. wer ruft denn da?" fragte die Henne verwundert. "Ich. das Ei". tönte es aus der Scheunen ecke. "Wie denkst du dir das? Hast mich kaum gelegt und wil lst mich schon meinem Schicksal über lassen?" Die Henne hatte in ihrem Hühnerleben etliche hundert Eier gelegt. aber daß ein Ei mit ihr sprach. er lebte sie zum erstenmal. Vor Staunen sperrte sie den Schnabel auf. dann sch lug sie beschämt die Augen nie der und rechtfertigte sich: "Nein. ich über lasse dich nicht deinem Schicksal. Morgen komme ich und lege noch ein Ei. übermor gen wieder eines und dann noch mehr. Danach wärme ich euch. bis k leine pusch lige Küken aus euch sch lüpfen. Dann hast 51
du viele Geschwister ." Das Ei tat einen Hüpfer. "Was brauche ich Geschwister? Ich fühle mich alleine sehr wo hl. Auch du hast an mir genug. Komm, setz dich her und wärme . mlc h I" . Die Henne überlegte mit ihrem Hühner verstand : Wirklich, wozu brauchte sie viele Küken? Um jedes mußte sie zittern, um jedes mußte sie fürchten, das hielt ihr Herz nicht aus. Mit nur einem war es ganz anders. Satt und wohlbe hütet würde es sein. Und sie hatte es leichter. Die Henne h örte auf das Ei, wärmte und brütete es. Da saß sie auf dem Ei, schloß die Augen und träumte: Ein Küken werde ich ausbrü ten, drollig und lustig. Zu einem prächti gen Hahn wird es heranwachsen, schön und stimmgewaltig. Er wird die Sonne wek ken und den Mond zur Nachtruhe schicken. Ihm wird Ruhm zuteil und mir E hre . 52
Vor Vergnügen wollte sie loskakeln, doch das Ei hinderte sie. Wieder erhob es die Stimme : "Was hockst du auf mir wie auf dem Ofen?
Ich bin immer hin lebendig,
und wie leicht kannst du mich zerquetschen. Wärme mich zarter und behutsamer. Wenn du es nicht kannst, laß es sein." Die Henne wollte schon ärgerlich werden, schließlich hatte sie Dutzende Küken aus gebrütet und wußte Bescheid. Doch dann fiel ihr ein, daß sie ja nur ein Ei hatte und daß es Pflege und Zärtlichkeit verlangte, und so fügte sie sich. Sie erhob sich etwas auf den Füßen, stützte sich mit dem Sterz ab und umfing das Ei mit ihren Flügeln. So saß es ,sich unbequem, denn sie wagte sich nicht zu rühren. Nur träumen, das konnte sie: Ein Küken werde ich ausbrüten, drollig und lustig. Zu einem prächtigen Hahn wird es heranwachsen, schön und stimmgewaltig. Er wird die Sonne wecken 54
und den Mond zur Nac htruhe sc hicken. Ihm wird Ruhm zuteil und mir Ehre. Vor Vergnügen wollte sie loskakeln, doch das Ei hinderte sie. Wieder erhob es die Stimme: .. Was sitzt du da wie tQt? Die ganze Seite habe ich mir schon wund gelegen im Heu. Dreh mich um . Wenn du nic ht richtig brüten kannst, laß es sein." Die Henne wollte schon ärgerlich werden, schließlic h hatte sie Dutzende Küken aus gebrütet und wußte Besc heid. Doch dann fiel ihr ein, daß sie ja nur ein Ei hatte und daß es Pflege und Zärtlic hkeit verlangte, und so fügte sie sich. Sie drehte das Ei auf die andere Seite und machte sich wieder ans Brüten. Sie wärmte das Ei, schloß die Augen und träumte: Ein Küken werde ic h ausbrüten, drollig und lustig. Zu einem prächtigen Ha hn wird es heranwac hsen, schön und stimmgewaltig. Er wird die Sonne wecken 55
und den Mond zur Nachtruhe schicken. Ihm wird Ruhm zuteil und mir Ehre. Vor Vergnügen wollte sie loskakeln, doch das Ei hinderte sie. Wieder erhob es die Stimme: "Was läßt du mich hier in Schwüle und Dunkelheit liegen? Ich bin immerhin bendig und könnte ersticken. Trag mich hin aus ins licht, damit die Sonne mich wärmt und der Wind mich umfächelt. Wenn du nicht richtig brüten kannst, laß es sein." Die Henne wollte schon ärgerlich werden, sch ließlich hatte sie Dutzende Küken aus gebrütet und wußte Bescheid. Doch dann fiel ihr ein, daß sie ja nur ein Ei hatte und daß es Pflege und Zärtlichkeit verlangte, und so fügte sie sich . Sie nahm das Ei unter den Flügel und trug es hinaus in den Hof, in die liebe Sonne. Sie wollte zum Dach
hinauffliegen und
schwang die Flügel, da fiel das Ei heraus. Platsch - war es zerbrochen. 56
Noch lange grämte sich die Henne, doch dann legte sie neue Eier. Als der Sommer zu Ende ging, erschien sie mit zwanzig Küken auf dem Hof. Sieben Hähne und dreizehn Hennen. Alle drollig und lustig. Eine Freude war's, sie anzu schauen. DER KATER, DIE KAT ZE UND DER G RAUE W OLF
Längst ist in Matrjosc hkas Haus das Licht. im kleinen Fenster aus. Matrjoschka liegt in tiefer Ruh, hat auch das linke Auge zu. Die Märchen schlafen woh lverwahrt, nur die alte Weide knarrt . Wie der Mond vom Dach herunterrollt, kommt noch ein Mär chen angetrollt, es hatte sich im Wald ver irrt. Die Matrjoschka aber schläft unbeirrt. Was soll das kleine Märchen tun? Etwa bis morgen warten nun? Es schleicht ins Haus 5 Matrjoschkas Märchen
57
durchs Ofenrohr,
beugt sich über
Ma
trjoschkas Oh r . . . Bald kommt der Mor gen.
Kurz sind die Sommernächte. Die
Vorgeschichte ist zu Ende. Das Märchen fängt an. Das letzte. Es waren einmal eine Katze und ein Kater. Sie hatten ein eigenes Häuschen mit einem großen warmen Ofen. Doch darauf schlie fen sie nur im Winter. Im Sommer wärmten sie sich tagsüber in der Sonne, des Nachts aber spielten sie Blindekuh. So lebten sie. Eines Tages ging es der Katze gar nicht gut. Ob sie auf der feuchten Erde gelegen oder sich am Tau die Pfoten naß gemacht hatte, vielleicht war es auch nur eine Laune, jedenfalls schloß sie die grünen Augen, legte sich auf den Ofen und klagte, sie könne weder essen noch trinken. Der Kater ging um den Ofen und bewegte den langen Schnurrbart. 58
"Was hast du nur?" fragte er. "Hast du vielleicht was Sch lechtes gegessen oder getrunken ?"
,,0 weh", antwortete die Katze vom Ofen, "ich glaube, meine letzte Stunde hat ge schlagen. Ich habe auf nichts Lust . Aber wenn ich ein bißchen Milch
hätte, die
würde ich wohl trinken." Der Kater bewegte den Sch nurrbart, er griff
einen
Eimer
und
begab sich
ins
nächste Dorf. Sämtliche Häuser klapperte er ab, bis er endlich Milch bekam. Erst gegen Morgen kehrte er nach Hause zu rück. "Hier", sprach er zur Katze, "ich habe dir Milch mitgebracht. Trink, vielleicht wird dir besser." Die Katze schleckte die Milch und kniff die grünen Augen noch fester zu.
,,0 weh", sagte sie vom Ofen, "ich glaube, meine letzte Stunde hat geschlagen . Ich 60
habe auf nichts Lust. Aber wenn ich ein bißchen Butter hätte, die würde ich wohl probieren." Der Kater bewegte den Schnurrbart, nahm einen Spaten und hob neben dem Häus chen eine Grube aus. Da hinein goß er Milch. Dann holte er einen Birkenknüppel und machte sich daran, die Milch in der Grube zu buttern. Er butterte und butterte, und gegen Abend wurde er müde. Er setzte sich ins Gras, ließ die Beine in die Grube baumeln und schlief ein. Zu dieser Zeit kam der Wolf aus dem Wald, um auf die Jagd zu gehen. Er schno ·berte - es roch lecker. Der Wolf schaute nach allen Seiten aus und entdeckte das Katzenhäuschen.
Neben dem
Häuschen
saß der Kater und war eingenickt. Kein schlechtes Abendbrot, freute sich der Wolf und schlich sich geräuschlos an den Kater heran. Und dann sprang er los. 62
Allerdings hatte er in der Dämmerung die Grube nicht gesehen. Er sprang genau hinein. In der Grube aber war keine Milch mehr, sondern dicke Sahne. Der Wolf blieb kleben. Er zappelte und strampelte, doch die Sahne wurde dicker und immer dicker. Der Wolf schlug so lange um sich, bis er die Sahne zu Butter geschlagen hatte und in dem Butterklumpen steckte. Der Kater hatte die ganze Zeit geschlafen und nichts gemerkt. Als er erwachte, sah er, daß es dunkel geworden war und die Sterne über ihm einander zuzwinkerten. Schämst du dich gar nicht, schalt sich der Kater. Du schläfst, und die Katze möchte vor ihrem Tode gern noch einmal Butter essen. Der Kater ergriff den Birkenknüppel, stieß ein paarmal zu und merkte, daß die Butter fertig war. So sehr hat mich der Sch laf gekräftigt, 6 3
dachte "der Kater, der nichts ahnte.
Er
wickelte die Butter in Klettenblätter und trug sie ins Haus. "Da", sprach er zur Katze, "ich habe dir Butter mitgebracht. Iß, vielleicht wird dir besser." Die Katze leckte von der Butter und kniff die grünen Augen noch fester zu. ,,0 weh", sagte sie vom Ofen, "ich glaube, meine letzte Stunde hat geschlagen. Ich habe
auf
nichts
Lust.
Aber
dort
ist
noch ein bißchen Hirse. Wenn ich ein Süpp chen mit Butter hätte, die würde ich wohl probieren. " Der Kater bewegte den Schnurrbart und machte sich daran, Suppe zu kochen. Er zündete im Herd ein Feuer an, goß Was ser in den Kessel und schüttete Hirse hin ein. Dann gab er die Butter dazu und ging den Birkenknü ppel holen, um die Suppe umzurühren. 64
Unterdessen kochte das Wasser, die Butter schmolz - und da sprang der Wolf aus dem Kessel! Naß und verbrüht! Er sah das offene Fenster, und - heidi! - war er auf und davon. Als der Kater mit dem Birken knüppel zurückkam, fand er die Suppe auf dem Fußboden vergossen, und die Katze war vom Ofen verschwunden. lange suchte der Kater nach der Katze, im Häuschen und draußen, doch er hätte sie wohl nicht gefunden, wenn sie sich nicht gemeldet hätte. Sie war vor Angst durch den Sch ornstein geklettert und saß nun auf dem Dach. "Was machst du da?" fragte der Kater ver wundert. "Ich habe von dem Süppchen gekostet, da ist mir besser geworden", sagte die Katze pfiffig.
"Nun wollte ich
zählen,
wieviel
Sterne am Himmel sind. Komm herauf, zu zweit zä h It es sich leichter.
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Der Kater bewegte den Schnurrbart und kletterte schweigend aufs Dach. Wahrscheinlich sitzen sie noch heute dort. Die Sterne am Himmel zu zählen ist schließ lich nicht einfach. Im dunklen Walde. unterm bösen Fliegen schwamm stand ein umzäuntes Häuschen bei einem Weidenstamm. Ein Ameisenpfad führte dorthin. eine Matrjoschka wohnte darin.
ein hölzernes Weiblein.
auf der
Drehbank gedreht. von traurigem Schicksal hierher verweht. Die Alte hatte ein kluges Gehirn und ein Astlöchelchen auf der Stirn. Abends saß sie auf der Ofenbank. und wenn sie Tee im Mondschein trank. knarrte gemächlich die alte Weide in ihrem silber nen Blätterkleide. Vor dem Fenster husch ten Märchen auf hurtigen Pferdchen. Sie schlugen Zapfen von den Fichten und blät terten in einem Buch mit Geschichten. Da. 67
wo sich der Pfad im Gras verirrte, der Tau sendfüßler mit der Kette klirrte. Tag und Nacht hütete er das Häuschen klein. Mich ließ er zur Matrjoschka hinein. Ich war mehr als einmal dort, trank Tee mit ihr an diesem Ort. Wir hörten zusammen der Märchen Sang, bis daß es uns in den Ohren klang. Ein paar von den Märchen habe ich euch hier wiedererzählt. Sie hat es mir erlaubt. Schließlich gehören die Märchen ihr, der Matrjoschka.
INHALT
Der Hase als Gemüsegärtner 5
Harras als Mäusehirt 23
Der schlaue Ziegenbock 34
Wie das Ei die Henne belehrte 48
Der Kater, die Katze und der graue Wolf 57
S HA K E S P E A R E- MÄ RCH EN für Kinder neu erzählt von Franz Fühmann Kinder dürfen abends nur selten ins-Thea ter gehen und lesen auch meist Theater stücke nicht gern. Deshalb hat Franz Füh mann vier märchenhafte T heaterstücke von William Shakespeare in Märchen verwan delt, damit die kleinen Leser auch etwas davon haben.
Illustrationen von Bernhard Nast 228Seiten ' Pappband mit Folie · 17,50 M
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D E R KIN D E R BUCHV E R L A G B E R L IN
Emilijan Stanew D A S N A SC H H A FT E BÄ RCH E N Aus dem Bulgarischen übersetzt von Hartmut Herboth Ein ehrwürdiger alter Rabe und ein weitge reister Storch, die können etwas erzählen! Und noch viel mehr über die Lebens gewohnheiten von Amseln und Spechten, von Mardern und Eichhörnchen, von Hasen, Bären und Hirschen erzählt der bulgarische Schriftsteller, der die Tiere liebt und sie genau beobachtet hat, in seinen Geschich ten über die Bewohner des Waldes. Illustrationen von Erika Klein 144 Seiten . Pappband mit Folie . 5,20 M
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D E R K I N D E RB UCHV E RL A G B E RLIN
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Der Kinderbuchverlag Berlin - DDR 1972
Llzenz-Nr. 304-270/370/77- (140) Gesamtherstellung : Grafischer Großbetrieb Välkerfreundschaft Dresden 4. Auflage LSV n68 Best.-Nr. 628901 4 DDR: 1,75 M
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