081 - Freitags Beim Angeln

August 27, 2017 | Author: gottesvieh | Category: Sports, Philosophical Science, Science, Psychology & Cognitive Science, Science (General)
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Band 81 Freitags beim Angeln

Ulrich Völkel

Für Leser von 8 Jahren an 4. Auflage 1976 Illustrationen von Sigrun Pfitzenreuter © Der Kinderbuchverlag Berlin

Inhalt: unpolitisch; Gemeinsamkeiten von Mathematik gefunden

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Es werden Angeln und

I Jeden Freitag nach der Schule stand Klaus am Fluß und angelte. Es machte ihm Spaß, dort zu stehen. Manchmal blickte er zum Schwimmer, der auf den Wellen ritt. Aber er sah nicht hin, um zu prüfen, ob ein Fisch gebissen hätte. Das fühlt ein richtiger Angler. Er sah hin aus Gewohnheit. Eben so. Viele Fische gab es hier nicht. Die Strömung war zu stark. Doch von dieser Stelle aus ließ sich weit flußab und flußauf schauen. Die Brücke, die Häuser, die Ruine der alten Burg, das neue Hochhaus – all das konnte er von dieser Stelle aus sehen. Und die Stadt, die hochstieg zu beiden Seiten des Tales, blickte zum Fluß hinab,

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ihrem weitgereisten Freund, der unterwegs war zu noch größeren Weiten. Wenn ich jetzt, dachte Klaus, wenn ich jetzt ein Rindenboot hätte, und es bliebe nirgendwo hängen, ob es bis Afrika schwämme? Hier ließ sich träumen! Die alte Brücke verwandelte sich in die berühmte Towerbrücke von London. Die Häuser der Stadt wurden zu den Terrassen von Neapel, die alte Burg ein sagen umwobenes Schloß, das neue Hochhaus mit seinen zwölf Stockwerken ein stolzes Leningrader Gebäude. In diesen Vorstellungen lebte Klaus jeden Freitag nach der Schule. Wenn er nach Hause kam, stellte er die Schultasche in die Ecke, nahm seine Angel hervor und den kleinen Eimer, sammelte hinter dem Haus Regenwürmer in eine Schachtel und lief hinunter zum Fluß. Und während Klaus hier stand, vergaß er

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die zwei Stunden Mathematik, die Rechenaufgaben, die ihm viel zu schwer waren, das Gekicher der Mädchen, seine Hilflosigkeit beim Rechnen an der Tafel – seinen ganzen Kummer mit dieser Mathematik vergoß er und wurde wieder froh in den Träumen von der Welt. Mit dem Strom, der zum Meer hin floß, trieben seine Gedanken fort. Manchmal biß ein Fisch an. Den zog er heraus und legte ihn zu den anderen, die schon im Eimer schwammen. Aber eigentlich ging er nicht an den Fluß, um zu angeln. Er angelte, um am Fluß zu sein. Schularbeiten machte er abends. Seit Mutter diesen Kursus besuchte, hatte Klaus viel Zeit freitags, denn sie kam spät nach Hause. Vater aber war Kapitän auf einem 10000-Tonnen-Frachter und befuhr die Meere der Welt.

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II Auf der gegenüberliegenden Seite der Straße, die an Klaus‘ Angelplatz vorbei führte, war eine Bushaltestelle Alle zwanzig Minuten kam ein Ikarus, je nach der Tageszeit besetzt Um diese Stunde war er ziemlich leer. Die Leute arbeiteten noch. Laut und lebendig wurde es erst, wenn die Menschen von der Arbeit kamen und noch letzte Einkäufe für das Wochenende erledigten. Dann war die Stadt ganz anders als sonst. Klaus brauchte seine Phantasie nicht mehr, um aus ihr eine Weltstadt zu machen. Die Gehsteige erwiesen sich als zu schmal, die Straßen wurden zu eng. Die Stadt brodelte vor Geschäftigkeit. Und dann, auch das beobachtete Klaus von seinem Platz her, veränderte sich der Fluß. Etwa in der Stunde, in der die Läden schlossen, beruhigte sich der Strom, als

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hätte er, aus dem engen Tal kommend, die Ebene erreicht. Behaglich floß er dahin, wurde dunkler und glänzender. Um diese Zeit kamen die jungen Madchen aus den Häusern und schlenderten hinüber zum Park. So begann der milde Abend des Vorsommers. Es ist komisch, dachte Klaus, auch mein Fluß ist wie die Stadt, immer anders und schön. Drüben fuhr wieder der Bus ab. Ein junger Mann erreichte ihn nicht mehr, schaute auf die Uhr und steckte sich eine Zigarette an. Er blieb eine Weile stehen, dann kam er zu Klaus herüber. Der Junge hatte ihn oft gesehen. Er wußte zwar den Namen nicht, aber er war einer seiner Freitagsbekannten. Der junge Mann stand immer um diese Zeit mit den wenigen Wartenden an der Haltestelle. Noch nie hatte er den Bus verpaßt. Heute geschah

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das zum ersten Mal, und jetzt kam er zu Klaus herüber. „Na", sagte der Mann, „du angelst wohl?“ „Hm“, sagte Klaus. Was sollte er auch antworten? Er angelte, das sah man. „Haben Sie den Bus verpaßt?“ „Hm“, sagte der Mann und lachte. „Warum lachen Sie?“ fragte Klaus. „Über uns“, sagte der Mann. „Ich sehe, daß du angelst, und frage, was du tust. Du hast beobachtet, wie mir der Bus wegfuhr, und fragst mich danach. Wir sind zwei, was? Übrigens fuhr er siebenunddreißig Sekunden zu früh.“ Klaus lachte mit. Dann starrten sie beide in den Fluß. Der Mann blies den Rauch der Zigarette zum Schwimmer hin, aber der Wind nahm die kleinen Wolken auf und trug sie behutsam zu den großen. „Angeln ist langweilig“, sagte der Mann.

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Klaus sah ihn von der Seite her an. Wie konnte ein erwachsener Mensch so etwas sagen? „Mathematik ist langweilig“, entgegnete er. „Ho, Mathematik ist die Königin der Wissenschaften. Ohne Mathematik kein Leben!“ Der Mann sagte das, als ob er vor einer Klasse stünde. „Sie sind wohl ein Mathematiker?“ fragte Klaus, und er betonte das i. Mathematicker, klang das. „Ich bin Ingenieur. Und es heißt Mathematiker.“ Er betonte richtig. Jetzt dröhnte der nächste Bus heran. „Ich seh dich oft hier. Angelst du jeden Tag?“ fragte der Ingenieur. „Nein“, sagte Klaus. „Aber freitags, freitags immer.“ „Schön, wir reden noch darüber!“ Er lief auf die andere Seite, stieg in den Bus und fuhr davon.

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Worüber will er mit mir reden, der Mathematiker? dachte Klaus und betonte wiederum das i. Er überlegte noch einen Augenblick, vergaß den Mann aber schnell. Gegen Abend ging er nach Hause. Er mußte eine Stunde vor Mutter dasein, sonst schaffte er die Schulaufgaben nicht. Mathe würde er in der zweiten Pause abschreiben, also reichte die eine Stunde am Abend. Worüber wollte der Mathematiker mit mir reden? überlegte Klaus.

III Als die Mutter nach Hause kam, lag Klaus bereits im Bett. Aber er schlief noch nicht. Er hörte sie in der Küche das Geschirr zusammenräumen, dann war eine Weile Ruhe. Sie aß wohl eine Schnitte; denn ihr Tag war lang gewesen. Klaus wartete. Als er sie kommen hörte,

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schloß er schnell die Augen, atmete tief und stellte sich schlafend. Jetzt kam die schönste Stunde. Dagegen war Fußballspielen nichts, und nichts war Angeln am Fluß. Mutter trat in sein Zimmer. „Schläfst du?“ fragte sie leise. Er antwortete nicht. Da setzte sie sich auf den Rand seines Bettes und sah ihn lange an. Er glaubte ihre Blicke warm auf der Haut zu spüren. Und sie sprach zu ihm. Sie sprach zärtliche Worte, deren Sinn er nicht immer verstand, aber sie spannen ihn ein in wohlige Zufriedenheit. Manchmal erzählte sie von Vati. Daß sie traurig sei, weil er nur selten bei ihnen sein konnte. Und daß sie Furcht hätte wegen der Gefahren auf dem Meer. Sie sprach von ihrer Sehnsucht und von gemeinsamen Stunden. Klaus hätte die Augen öffnen mögen, sie umarmen und trösten. Aber er tat es nicht.

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Oder sie erzählte von ihrer Arbeit. Das wäre ein herrlicher Beruf, technische Zeichnerin. Auf dem klaren Papier entstünden die Plane für riesige Häuserblocks und umfangreiche Grünanlagen in den Neubauvierteln. Aber nur für die war der Beruf schön, die aus den gezeichneten Fenstern Menschen reden hörten, die lärmende Kinder in den Anlagen sähen, obwohl es nur Striche waren auf dem Papier. – Das erzählte sie ihm. Und er hätte aufstehen mögen und sie fragen wollen, um mehr zu hören von diesem Beruf. Aber er tat es nicht. Manchmal erzählte sie von ihrer Abendschule. Es fiel ihr schwer, all die Formeln zu beherrschen. Die Zahlen stritten sich in ihrem Kopf. Aber sie mußte es schaffen, mußte diese Prüfung bestehen, weil die Arbeit, die sie liebte, dadurch leichter wurde und sie noch fröhlicher machte. Weil

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sie es auch der Brigade versprochen hatte, die an sie glaubte. Sie würde es schaffen, und wenn sie dieser Mathematiker noch so spöttisch behandelte und ihr die schlechten Noten eintrug, als ob es ihm leid täte. Klaus hätte das Licht anknipsen mögen, um mit ihr die schwierigen Aufgaben durchzu-rechnen, obwohl er selbst mit Mathematik nicht gut zurechtkam. Aber er tat es nicht. Denn einmal hatte er die Augen geöffnet. Und da war der Zauber der Stunde verloren. Mutter kam gleich auf praktische Dinge zu sprechen. Sie fragte nach seiner Arbeit, nach seinen Zensuren und redete auf ihn ein, weil er ihr durch seine schwachen Leistungen zusätzlich Sorgen machte. Nein, er öffnete die Augen nicht. Er hörte ihre gute Stimme und spürte ihre Nähe. Langsam schlief er ein. Und im Hinüberdämmern dachte er noch, daß er sich jetzt

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unbedingt bessern würde in Mathematik. Und daß er ihr helfen wolle. So dachte er, bevor er einschlief. Und er überlegte noch zuletzt, ob sie wohl wisse, daß er gar nicht schlafe. Daß sie sein Zimmer verließ, hörte er meistens schon nicht mehr.

IV Klaus ging zur Schule. Eine Blechbüchse lag auf dem Gehsteig. Es zuckte ihm im rechten Bein, aber er schoß sie nicht quer über die Straße. Er hob sie auf und warf sie in den nächsten Abfallkorb. Ja, er war vom heutigen Tag an ein anderer Mensch. Der Entschluß, den er gestern abend gefaßt hatte, als Mutter wieder zu ihm sprach, war ganz fest. Brigitte sah das sofort. Sie trafen sich immer an der Ecke. „Bist du krank?“ fragte sie besorgt.

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„Nein“, sagte Klaus. „Ich bin jetzt ein anderer Mensch. Und in Mathe schreibe ich nie mehr ab von dir.“ Brigitte freute sich; denn wenn sie ihm auch das Abschreiben nicht verwehrt hatte, wohl gefühlt hat sie sich nie dabei. Klaus war ihr Freund, gut. Aber half sie ihm, wenn sie seine Faulheit unterstützte? „Das ist schön“, sagte Brigitte. Dann wartete sie, daß er erzählte wie jeden Morgen. Doch Klaus schwieg und ging ernst neben seiner Freundin einher. „Du, bist du vielleicht doch krank?“ fragte sie. „Warum sollte ich?“ wollte er wissen. „Du erzählst nicht wie sonst.“ „Damit ist jetzt auch Schluß. Ich bin ein anderer Mensch. Was ich erzählt habe, war doch alles gesponnen.“ Er merkte nicht, daß sie erschrak. Wird er nie mehr erzählen, wie das sein

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wird, wenn wir groß sind? dachte Brigitte. Die Hafenstadt, die wir uns ausgedacht haben, die soll es nicht mehr geben? Und das Schiff, unser Schiff, wird nicht mehr festmachen an der Pier? Und ich werde nicht aus dem Betrieb weglaufen, wenn das Schiff gemeldet wird, auf dem mein Mann heimkommt, der Kapitän? Das war gesponnen? Nichts würde wahr sein von dem, wovon sie jeden Morgen auf dem Schulweg erzählt hatten? Darüber erschrak sie; denn es hatte ihren Tag schön gemacht schon am Morgen, wenn sie redeten, wie ihr Leben einmal sein würde. So anders will er sein? Fleißig lernen ist richtig. Aber nie mehr träumen von morgen? Klaus merkte nichts von Brigittes Gedanken. Er ging an ihrer Seite und saß neben ihr auf der Bank und hatte nur den einen Gedanken: Ich bin jetzt ein anderer Mensch, weil ich es will. 22

Und das Sonderbare geschah. Als Frau Bergholz zu Beginn der Mathematikstunde verkündete: „Wir schreiben eine Arbeit!“, da freute sich Klaus. Brigitte glaubte ihren Augen nicht trauen zu können. Klaus, der sonst blaß wurde vor Schreck bei einer solchen Eröffnung, freute sich diesmal. Was war bloß mit ihm geschehen? Klaus sah die ganze Stunde nicht auf. Er arbeitete eifrig. Er rechnete, strich, begann von neuem und war mit seiner Arbeit fertig, als die Stunde abgeklingelt wurde und Frau Bergholz die Hefte einsammeln ließ. Er hatte ein Gefühl, als ob das Ziel bereits erreicht wäre. In der Pause tobte er nicht durch die Klasse. Er saß auf seinem Stuhl, blätterte in den Büchern, sprach kaum ein Wort mit den anderen und dachte immer nur daran, daß er seine erste Eins in Mathe geschrieben hatte.

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Die ganze Woche hielt dieses Hochgefühl an. Er angelte nicht mehr und wies selbst den Gedanken daran zurück. Die Stadt, das war nur noch eine Ansammlung irgendwelcher Häuser für ihn und die Straßen gewöhnliche Straßen. Das interessierte ihn alles nicht mehr. Seit er ein Mathematiker war (er betonte jetzt richtig), bestand die Welt aus Zahlen, geometrischen Figuren und Formeln. Die Welt ließ sich berechnen, es gab keine Geheimnisse und Träume mehr. Am Freitag gab Frau Bergholz die Arbeiten zurück. Die Klasse hatte einen guten Durchschnitt erreicht. Nur eine Fünf war in den Spiegel einzutragen. Die Fünf hatte Klaus geschrieben. Er konnte es nicht glauben. Er saß in seiner Bank, steif, ihn fror. Alle starrten ihn an. Aber er erkannte ihre Gesichter nicht. Über seine Wangen liefen Tränen, er

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spürte sie nicht. Brigittes Worte vernahm er nicht. Es klang nur immer diese „Fünf“ in seinen Ohren, schwer wie Maschinendröhnen. Brigitte hatte gesagt: „Ich werde dir helfen.“ Er lief fort aus der Schule, warf die Schultasche in sein Zimmer, riß das Angelgerät aus dem Schrank und rannte hinunter zum Fluß. Alles war verloren. Die Tränen fielen ins Wasser.

V „Na, beißen sie?“ Klaus drehte sich um. Der junge Mann vom letzten Freitag stand vor ihm. Klaus wollte allein sein mit seinem Kummer. Deshalb antwortete er schroff: „Nein !“ Der Mann blieb an seiner Seite. „Warum?“ fragte er nach einer Weile. „Warum ist Mathematik langweilig?“

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Klaus wollte gleich eine patzige Antwort geben, aber ihm fiel nichts ein. Das ärgerte ihn, und er sagte trotzig: „Weil sie eben langweilig ist.“ Der Mann lachte. „Du bist mir ein Spaßvogel! Und eine Angel ist eine Angel, weil man damit angeln kann, stimmt’s? Exakt: Du behauptest, Mathematik ist langweilig. Wer das behauptet, muß es beweisen können.“ Und genau das konnte Klaus nicht. „Ich habe eine Fünf geschrieben, die dritte in diesem Schuljahr“, sagte er kleinlaut. Er dachte an Frau Bergholz, die ihn enttäuscht angesehen hatte: Die dritte Fünf, Klaus! Der Ingenieur pfiff leise durch die Zähne. „Oh!“ sagte er, „das ist oberfaul. Drei Fünfen in Mathematik!“ Und er schüttelte bedächtig den Kopf. Plötzlich streckte er aufgeregt den Finger zum Fluß und rief: „Da, paß doch auf!“

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Der Schwimmer tauchte in kurzen Abständen unter das Wasser. „Zieh doch!“ sagte der Ingenieur aufgeregt. Aber Klaus ließ sich Zeit. „Zieh doch!“ wiederholte der Mann dringend. Aber erst, als der Schwimmer ganz unter Wasser blieb, zog Klaus mit einem leichten Ruck an. „Ruhig bleiben“, kommentierte er seine Arbeit. „Der sitzt.“ Langsam spulte er die Angelsehne auf. Der Schwimmer kam wieder an die Oberfläche und dann, zappelnd, der Fisch. „Wir haben ihn!“ rief der Ingenieur fröhlich. In dem Moment fuhr sein Bus ab. „Macht nichts, ich nehme den nächsten. Ist das eine Forelle?“ Klaus sah den Mann argwöhnisch an. „Eine Forelle“, sagte er gedehnt, „in diesem Wasser und mit Regenwurm am Haken? Exakt: Wo soll die herkommen?“ Unwahrscheinlich, wie wenig Ahnung

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manche Erwachsene vom Angeln hatten. „Eine Plötze ist es, das sieht man doch. Katzenfisch.“ „Man kann nicht alles wissen“, verteidigte sich der Ingenieur. „Also eine Plötze, aha." „Für mich ist es aber ein Wrackbarsch. Der wird bis zu zwei Meter lang. Er kommt im Mittelmeer vor und an den Küsten des Atlantik." „Das versteh ich nicht“, sagte der Ingenieur. „Ich hielt den Fisch für eine Forelle. Du sagst, es ist eine Plötze. Aber für dich wäre es ein Wrackbarsch, zwei Meter lang, aus dem Mittelmeer. Wie das?“ „Mein Vater ist Kapitän. Er befährt die Meere der Welt. Aus jedem Hafen schickt er Ansichtskarten. ich stelle mir vor, wo er ist. Und dort angle ich“, erklärte Klaus. „Ah, ich verstehe. Zur Zeit fährt dein Vater auf dem Mittelmeer, und deshalb angelst

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einen Wrackbarsch“, sagte der Mann. "Du hast immerhin Phantasie.“ „Ja“, sagte Klaus, „und deshalb ist Mathematik langweilig. Da gibt es keine Phantasie. Nur Zahlen.“ Da wurde der Mann richtig böse. „So“, sagte er, „keine Phantasie, nur Zahlen. Dann war also Einstein phantasielos? Weißt du, welch ungeheures Maß an Phantasie dazu gehört, die Mathematik zu begreifen? Vorstellungskraft! Du kommst mir vor wie einer, der die französische Sprache nicht beherrscht und dennoch behauptet, sie tauge nichts. Wenn du es dir so einfach machst mit der Mathematik, dann gehört dir jeden Tag eine Fünf ins Klassenbuch geschrieben. Mathematik und langweilig! Angeln, ja, dabei kann einer schlafen.“ „Und warum haben Sie vorhin aufgeregt gerufen: ‚Zieh doch, zieh doch!‘ Aus Langeweile?“ fragte Klaus aufgeregt. 31

„So, hab ich das? Na ja, kann schon sein. Ich wollte wissen, ob er beißt.“ Es hatte jetzt jeder mit seinen Gedanken zu tun. Und es denkt sich gut, wenn man in einen Fluß hinabsieht. Wer war Einstein? Klaus wußte es nicht. Aber wenn er den Mann richtig verstanden hafte, mußte er etwas Großes geleistet haben in der Mathematik. Zahlen und Phantasie, dachte der Junge. Wenn man das zusammenbringen könnte. Und der Ingenieur dachte an die Plötze, die für den Jungen ein Wrackbarsch aus dem Mittelmeer war. Vielleicht war Angeln gar nicht langweilig? „Sag mal“, fragte der Ingenieur, „hast du keinen, der dir beim Rechnen hilft? Ich meine, so lange, bis du herunterkommst von deiner Fünf?“ Klaus schüttelte den Kopf. „Keinen mehr“, sagte er. „Am Anfang, da wollten sie mich

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unterstützen, Pionierhilfe. Und ich bin auch dreimal dagewesen. Aber wenn ich etwas nicht begriff, haben sie immer gesagt: Du mußt, sonst bleibst du hängen. Ich bin nicht mehr hingegangen.“ „Aber sie hatten doch recht!“ sagte der Ingenieur. „Und wie sie recht haben. Ich mag keine Rechthaber, das ist es wohl“, sagte Klaus. Nachdenklich sah der Ingenieur den Jungen an. Ihm war etwas eingefallen: Hatte er nicht neulich in der Abendschule zu den Studenten gesagt: „Sie müssen diese Rechnung begreifen, sonst fallen Sie durch!“ Ja, das hatte er gesagt. Klaus ahnte nichts von den Gedanken des Mannes. Er dachte an Brigitte. Von allem, was er in der Mathematikstunde heute gehört hatte, klang ihm Brigittes freundliche Stimme am deutlichsten im Ohr: Ich werde dir helfen. Warum wollte sie das eigentlich?

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Er hatte sie doch am meisten enttäuscht. Keine Geschichten mehr von den großen Fahrten und wie es sein würde, wenn sein Schiff im Heimathafen festmachte. Und außerdem noch diese Fünf. Er wollte alles allein schaffen. „Brigitte wird mir helfen“, sagte er leise. „Sie hilft mir bestimmt.“ „Gut“, sagte der Mann, „dann sind da schon zwei, die dir helfen, denn jeden Freitag treffen wir uns. Ich helfe dir. Und vielleicht“, sagte er und lachte, „vielleicht finde ich Spaß am Angeln und gehe bei dir in die Lehre. – Mein Bus!“ rief er plötzlich. „Ich muß zur Abendschule. Ein schöner Lehrer, der zu spät kommt.“ Er lief schnell über die Straße und sprang in den Bus. Ach, du bist das! dachte Klaus, Muttis Lehrer.

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VI An diesem Freitagabend war Klaus noch wach, als die Mutter kam. Er hatte in der Küche aufgeräumt, sogar abgewaschen und den Mülleimer weggebracht. Er lag im Bett und las ein Buch über das Leben Albert Einsteins. Die Mutter trat sogleich in sein Zimmer und fragte: „Hast du etwas angestellt?“ Denn die Ordnung in der Küche war sonst ein sicheres Zeichen dafür. Sie war müde und abgespannt. Der lange Tag mit dem Abendstudium griff sie immer sehr an. Und Klaus bedauerte, daß er nicht erwachsen war wie Vater und sie trösten konnte. Die wenigen Stunden, die er seine Eltern zusammen glücklich sah, prägten sich mit besonderer Deutlichkeit in sein Bewußtsein. Vater war viel zu selten daheim. Vielleicht war das der Grund, warum er mit Brigitte immer davon geredet hatte,

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wie es sein wird, wenn er später einmal mit seinem Schiff nach Hause kommt. Glücklich sein, das wußte er schon, ist etwas anderes als nur Glück .haben. Er legte sein Buch zur Seite, setzte sich im Bett auf und sagte: „Mutti, ich habe heute meine letzte Fünf in Mathematik geschrieben.“ Er hatte sich das alles wunderbar ausgedacht. Er wollte mit dem Unterschreiben nicht bis zur letzten Minute warten, wenn Mutter schon in der Tür war, um zur Arbeit zu gehen. „Ach so, Mutti, ich hab da noch etwas vergessen, ‚eine Unterschrift.“ Vom Mathematiker wollte er erzählen und von Brigitte und von seinem Entschluß. Für ihn war alles klar, exakt. Aber die Mutter fiel aus allen Wolken „So? Die letzte Fünf? Und wieviel letzte Fünfen hast du eingeplant in diesem Jahr? Meinst du denn, mir macht das Spaß? Die ganze

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Woche arbeite ich im Konstruktionsbüro. Es ist eine schöne Arbeit, aber deswegen keine leichte. Jeden Freitag gehe, ich in die Volkshochschule, um mich zu qualifizieren. Mathematik ist meine schwache Seite. Was glaubst du, was mir meine Brigade erzählen würde, wenn ich mit einer Fünf ankäme? Und Schule, das ist deine Arbeit.“ Heftig stand sie auf und ging zur Tür. „Wenn Vati kommt, spreche ich mit ihm, verlaß dich drauf. Bisher habe ich geschwiegen, weil ich ihm die wenigen Tage, die er bei uns ist, froh machen wollte.“ Ihre Stimme war schwer, als ob sie Tränen unterdrücken müßte. „Ich habe es wirklich nicht einfach. Warum hilfst du mir nicht?“ Die Mutter löschte das Licht und verließ das Zimmer. Weinte sie jetzt? Alles ertrug er. Sogar verhauen würde er sich lassen. Aber das tat sie ja nicht. Doch wenn Mutter weinte, fühlte er sich elend. Er saß im Bett. 38

Ihm war heiß, und, die Augen brannten vor Trockenheit. Er mußte etwas finden, um sie zu trösten. Als er in ihr Zimmer trat, saß sie vor seinem Heft und rechnete die Aufgaben nach. „Hier“, sagte sie, „ich habe mir deine Arbeit angesehen. Wenn du auch nur ein bißchen Phantasie besäßest, hätte dir auffallen müssen, daß das Ergebnis gar nicht stimmen kann.“ Phantasie, dieses Wort hatte Klaus heute schon gehört. „Es ist wirklich meine letzte Fünf, Mutti“, sagte er. „Morgen rede ich mit Brigitte. Sie hilft mir bestimmt. Und wenn das nicht ausreicht, es gibt da noch jemand, der mich unterstützt.“ „Die Hilfe anderer ersetzt nicht die eigene, Kraft“, sagte die Mutter. „Sie verdoppelt sie, das ist wahr. Aber beginnen mußt du bei dir. Auch mir fällt die Mathematik nicht leicht. Noch dazu, ich habe keine Frau

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Bergholz, sondern einen strengen Lehrer, der zu mir sagt ‚Das müssen Sie begreifen, sonst fallen Sie durch die Prüfung Und er hat recht. Bloß die Art, wie er recht hat, macht es mir nicht einfacher.“ Klaus schlief schwer ein. Er dachte über alles nach, was Mutter gesagt hatte, und er wußte, daß sie recht hatte. Als er endlich schlief, träumte er von seltsamen Dingen. Er stand an der Brücke, wie immer freitags, und angelte. Neben ihm stand der Mathematiker und schrieb Aufgaben an eine große schwarze Tafel. Er schrieb die Zahlen und Formeln, ohne hinzusehen, und rechnete die Aufgaben aus ohne einen Blick zur Tafel. Es waren Aufgaben, wie Klaus sie in Mutters Heften gesehen hatte, mit x und y und fremden Zeichen. Plötzlich tauchte der Schwimmer unter, und der Mathematiker rief: „Paß auf, Jochen!“ Klaus mußte alle Geschicklichkeit und

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Kraft anwenden, damit die Angelsehne nicht riß. Wahrscheinlich saß ein Wrackbarsch am Haken. Der Ingenieur rief: „Zieh doch, Peter!“ Endlich tauchte der Schwimmer auf. Aber was war das? Der Haken war groß wie ein Schiffsanker, und an ihm klammerte sich der Lehrer fest. „Zieh doch!“ rief er und schwamm in einem Meer von Zahlen. „Hilf ihm“, sagte Brigitte mit ihrer guten Stimme. „Hilf ihm, Klaus. Wer ist das eigentlich?“ „Mutters Mathelehrer. Ich weiß nicht, wie er heißt“, sagte Klaus unter Anstrengung. Er zog mit aller Kraft. „Verschlaf deine guten Entschlüsse nicht“, sagte die Mutter. Es brauchte Zeit, bis Klaus begriff, daß er geträumt hatte. Es war sieben Uhr; Zeit, aufzustehen. Auf dem Weg zur Schule traf Klaus Brigitte wie an allen Schultagen. „Heute nach-

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mittag“, sagte Klaus, „beginnt das Lernen, ernsthaft. Sag mal, kennst du Albert Einstein?“ „Nein“, sagte Brigitte, „in welche Klasse geht er denn?“ Da mußte Klaus laut lachen. Brigitte war froh, ihren Freund so fröhlich zu sehen.

VII Es ist leichter, ein ernstes Geheimnis für sich zu behalten als ein freudiges. Klaus hatte dem Ingenieur nichts von Mutter und der Mutter nichts von seinem neuen Freund erzählt. Aber Brigitte wußte, woher Klaus‘ plötzliches Interesse für die Mathematik rührte. Und wenn es sich einrichten ließ, kam sie freitags zum Angelplatz, der heute Leningrad war und morgen auf der Zuckerinsel Kuba lag. Klaus lernte rechnen. Der Lehrer lernte

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angeln. Und Brigitte rechnete damit, daß bei der Angelei für alle etwas Gutes herauskäme. „Eines Tages fragte Brigitte auf dem Nachhauseweg: „Denkst du, daß es dir gelingt, den Anschluß an die Klasse zu bekommen?“ „Ja“, sagte Klaus. „Ich schaffe es. Ihr helft mir prima.“ „Und der Ingenieur?“ fragte sie. „Ich glaube, der kommt noch zu kurz. Er beherrscht gerade die Anfänge der Angelkunst“, gab Klaus zu. Brigitte lachte. Sie hatte eigentlich an etwas anderes gedacht. „Die Tropensonne schadet dir, Kapitän. Du kommst voran in Mathematik. Er hilft dir. Aber deine Mutti! Du hast doch selbst erzählt, daß sie es nicht leicht hat. Sie sitzt oft bis in die Nacht und zerbricht sich den Kopf.“ Klaus begriff noch nicht. Da mußte sie es

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erklären. „Kennst du die Heinzelmännchen?“ Natürlich kannte er das Märchen von den Knirpsen, die überall halfen. Aber er verstand nicht den Sinn ihrer Frage. „Du schreibst die Aufgaben ab aus dem Heft deiner Mutter, bringst sie zum Freitag mit, und wir sagen unserem Freund, das wären unsere Hausaufgaben.“ „So etwas Schlaues!“ Klaus schüttelte den Kopf. „Das merkt er doch.“ Brigitte war anderer Meinung. „So viel, wie der die Woche rechnet, da kann er gar nicht mehr wissen, was er all seinen Studenten, aufgegeben hat.“ Das leuchtete Klaus ein. Und sie lachten wie Verschwörer, die heimlich etwas Wunderbares vollbringen wollten. Klaus schrieb also die Aufgabe ab. Die hatte es in sich. Er begriff keine Zeile davon und hatte Mühe, wenigstens fehlerfrei zu übertragen. 46

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Der Freitag kam. Klaus und Brigitte gingen aufgeregt zum Angeln. Auf die Minute pünktlich kam der Ingenieur. „Na, dann kann es ja losgehen. Zuerst die. Hausaufgaben.“ Zaghaft legte Klaus das Heft auf die Brüstung. Ihm war nicht ganz geheuer bei der Sache. Brigitte preßte die Lippen zusammen vor Aufregung. Ob es klappte? Der Ingenieur las die Aufgaben und schmunzelte. Er hat es gemerkt, dachten die beiden. „Kinderspiel !“ sagte er fröhlich. „Endlich lernt ihr richtige Mathematik. Klaus, fang an.“ „Was?“ fragte der Junge erschrocken. „Die Aufgabe rechnen, natürlich, wie ihr es gelernt habt. Exakt.“ Heinzelmännchen spielen ist sehr schwer. Sie redeten allerlei Zeug und schwindelten, um den Ingenieur zu bewegen, die Aufgabe zu rechnen.

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„Soso?“ Der Ingenieur schüttelte den Kopf. Er rechnete die Aufgabe vor und unterstrich die Lösung. An diesem Tag wollte keine rechte Freude aufkommen. Nicht einmal die Fische bissen. Als der Bus kam, verabschiedete sich der Mathematiker. Er sah sie nachdenklich an. „Ist euch eine Laus über die Leber gelaufen, Freunde?“ „Ach, nichts weiter“, sagte Klaus. „Sie müssen ja fahren. Sonst kommen Sie zu spät in die Abendschule. Die Studenten haben es gut dort. Einen Lehrer, der soviel Verständnis für seine Schüler aufbringt!“ „Ich weiß nicht ...“, sagte der Mathematiker zögernd. Dann lief er eilig über die Straße, stieg in den Bus und fuhr davon. Sein grüblerisches Gesicht konnten die Kinder nicht mehr sehen. Sie standen an der Brüstung und starrten in den Fluß.

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„Du hättest das nicht sagen sollen mit dem Verständnis, Klaus. Das war ungezogen.“ „Zu uns ist er nett. Aber er weiß nicht einmal die Namen seiner Studenten.“ Der Tag war wie aus Blei gemacht. Sie ärgerten sich über den Mathematiker, um sich vor sich selbst herauszureden; denn sie hatten allen Grund, auf sich selber wütend zu sein. Statt die Wahrheit zu sagen, hatten sie ein Lügennetz gestrickt, und nun waren sie froh, an ihrem Freund einen Fehler zu wissen. Das machte ihnen den Ärger ein wenig leichter. Aber war ihre Schuld deshalb kleiner? Sie gingen nach Hause. Die Straße lag grau und leer. Vom Fluß her kam ein modriger Geruch. Die Autos hupten, es klang wie das Kläffen böser Hunde. Ein Tag war das! Lügen verdunkeln sogar die Sonne. „Wie heißt er eigentlich?“ fragte Brigitte. „Sinus“, sagte Klaus. „Er heißt Sinus.“ Und 50

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dann lachten sie plötzlich los, weil Sinus ein ulkiger Name ist für einen Mathematiker. „Wenn er um die Ecke geht“, sagte Klaus, „macht er eine Sinuskurve!“ Sie hätten sich ausschütten können vor Lachen. Die Stadt wurde wieder schön. Klaus, der Kapitän, kam mit seiner Frau vom Hafen. Und er hatte viele gute Ideen, alles wieder in Ordnung zu bringen. „Laß es Freitag werden!“ sagte er. „Parole: Freitags beim Angeln.“

VIll Die Tage dieser Woche vergingen viel zu langsam. Auf dem Schulweg malten sich Brigitte und Klaus die Überraschung aus, die es am Freitag geben würde. Sie hatten wieder eine Arbeit geschrieben. Unter Klaus‘ Aufgaben stand eine Drei. Und dahinter hatte Frau Bergholz 52

geschrieben „Schade, es fehlt nur ein Punkt für die Zwei.“ „Du holst jetzt auf in Mathematik, Klaus“, hatte die Mutter froh gesagt. „Das ist schön Wie kommt’s denn?“ Er erzählte von den Freitagen. Nur eines verschwieg er, wer sein Freund und Lehrer war. „Er ist ein hochbegabter Mathematiker, exakt. Stell dir vor, er angelt. Und gar nicht übel.“ „Ein Mathematiker und angeln!“ Die Mutter lächelte. Sicherlich mußte sie an ihren Lehrer denken, der so etwas nie tun würde. Angeln mußte gänzlich gegen seine Natur sein, weil sich nicht errechnen läßt, wann und ob überhaupt ein Fisch beißt. „Aber mein Mathematiker angelt“, bestätigte Klaus. „Paß auf, Mutti, am Freitag kommst du zum Fluß. Wir werden schon dort sein. Ich mach dich mit ihm bekannt. Und ich wette, das Rechnen wird dir bald

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soviel Spaß machen wie mir.“ Die Mutter sagte zu. Wohl mehr, weil sie sah, wie Klaus sich darauf freute. Und außerdem wollte sie sich bei seinem Freund bedanken. Wenn es genützt hätte, Klaus hätte die Blätter vorzeitig vom Kalender gerissen, um den Freitag herbeizuzaubern. Jeden Morgen redete er mit Brigitte über das bevorstehende Ereignis. Endlich der Freitag! Klaus hatte seiner Mutter noch am Morgen das Versprechen abgenommen, wirklich zu kommen. „Sei doch nicht so quickelig, Junge. Ja, ich werde mir deinen Mathematiker ansehen. In der Schule mußte Klaus mehrfach zur Aufmerksamkeit ermahnt werden. In der großen Pause sagte Brigitte: „Parole?“ Und er antwortete: „Freitags beim Angeln !“ Aus Angst, zu spät zu kommen, gingen sie

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eine halbe Stunde früher zu ihrem Platz. Der Ozean brandete gegen die Felsen. Weit draußen zog eine Delphinherde vorbei. Der Wind stand gut. Es war der rechte Tag für einen Kapitän. „Ahoi, ihr beiden!“ sagte der Ingenieur. Man hätte die Uhr nach ihm stellen können, so pünktlich kam er. „Habt ihr diesmal bessere Laune?“ „Eine ganze Ladung voll!“ sagte Klaus übermütig, und Brigitte nickte aufgeregt. In dem Moment trat die Mutter zu ihnen. „Darf ich bekannt machen? Der Mathematiker, Herr Sinus, mein Freund und Lehrer. Herr Sinus, meine Mutter.“ Die beiden Erwachsenen sahen sich erstaunt an. „Sie sind das?“ fragte die Mutter ungläubig. Und der Mathematiker sagte beklommen: „Beinahe hab ich es mir schon gedacht.“ „Alles in Ordnung?“ fragte Klaus.

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Brigitte zupfte ihn am Ärmel. „So geht das nicht, Klaus!“ flüsterte sie ihm zu. „Das sind doch erwachsene Menschen.“ Ein Glück, daß da noch eine Angel war! „Es beißt einer!“ rief der Mathematiklehrer Sinus. „Wo denn?“ Klaus konnte nichts erkennen. „Doch, der Schwimmer ist untergetaucht. Ich habe, es deutlich gesehen.“ Und zur Mutter sagte er: „Ganz schön aufregend, die Angelei.“ „Und die Mathematik erst!“ sagte Klaus trocken. Die Spannung löste sich in Lachen auf. Die Mutter bedankte sich bei Herrn Sinus, daß er ihrem Sohn geholfen hatte. Und Herr Sinus beteuerte, er habe schließlich auch etwas gelernt. „Das bißchen Angeln!“ sagte Klaus. „Ach nein“, entgegnete der Lehrer. „Das allein ist es nicht. Wissen Sie“, wandte er sich an die Mutter, „wir werden das heute

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abend im Seminar besprechen. Mathematik lehren, ich habe das an Klaus erfahren, ist eben mehr als Formeln vermitteln Es muß dem Schüler Spaß machen und bei aller Arbeit ein Vergnügen sein. Wir sollten für uns alle herausfinden, wie das zu machen ist.“ „Ja“, sagte die Mutter fröhlich. „Das ist wunderbar. Und wir wollen immer auch an die anderen denken wie an uns. Das ist eine gute Lösung. Und eine schöne Aufgabe.“ „Der Schwimmer!“ rief Brigitte. In kurzen Abständen tauchte er unter und blieb endlich ganz verschwunden. „Ein Hai wird das sein“, sagte Klaus, „ein Blauhai, wie ihn unser Bootsmann im Atlantik gefangen hat. Alle Mann an Deck!“

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