030 - Die Igelfreundschaft
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/
DIE
KLEI NE N TROMPETERBOCHER
.
BAND
30
,
MARTIN VIERTEL
Die Igelfreundschaft Zwei Erzählungen
DER KINDERBUCHVERLAG BERLIN
Illustrationen von Heinz Rodewald
Alle Rechte vorbeholten Printed in the German Democratic Republic H3)laHO
B
repMaHcKoif AeMoKpaT""eCKoif PccnyönHKe
Lizenz-Nr. 304-270/398/76·(145) Gesamtherstellung: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden 111-17-20 6. Auflage LSV 7521 Für Leser von 7 Jahren an Best.-Nr. 628 218 9 EVP 1.75 M
DIE IGELFREUNDSCHAFT
An
heißen
Sommertagen
ziehen
die
Wolken hoch über das Gebirge hinweg. Die großen schiebt der Wind vor sich her, die kleinen zappeln lustig und vergnügt hinterdrein.
Ausgelassen
sind
sie
und
tummeln sich wie weiße Lämmer. Wenn der Wind Atem holt und die Wolken einen Augenblick stillstehen, schauen sie neu gierig auf die Erde herab. Die Wälder auf den Bergen' erscheinen ihnen wie ein dichter Pelz. Von den Dorfhäuschen auf den Waldwiesen erkennen
die Wolken
nur die glänzenden Schieferdächer.
Die
Schornsteine sehen wie aufgesetzte Fin gerhüte aus. Manchmal möchten die Wolken
länger
verweilen. Möchten sehen, was die Men schen auf der
Erde
treiben.
Aber
der
Wind bläst sie immer weiter. Die Wolken 5
d ü rfen s i ch n i cht a u s ru h e n . An den hei ßen Ta gen wa rten d i e M e n sch en ü b era l l a uf Reg en. Hei ner schaut oft den Wol ken nach . Auf ei ner Wa l dl i chtung l egt er sich zwi sch en die
Fa r n k räuter u n d trä u mt von
einem
weiten F l u g . E r möchte m it d e n Wo l ke n fl iegen, ü b er d a s ga nze G eb i rge h i nweg. Gewi ß w ü rden zeigen
und
die
sagen:
Leute
in
"S eht,
die
das
Höhe ist
der
H e i n e r a u s dem J ug e l ta l . Er ist e i n m u tiger J u n g e u n d fä h rt i n d ie Welt h i n a us." H eute sitzt H e i n e r a m Dorfbach . I m Frü h ja h r
s pri n g e n
die
Eiswasser
ü ber
das
Stei ngerö l l . D i e We l len ü bersch lagen sich . Die Spritzer sch i l lern b u n t i n der Luft u n d g l itzern wie k l e i n e fa rbige K u g eln . Im Sommer vertrock n et der Bach . Ein Ri n n s a l sch l ä n g elt sich s ch ü chtern d u rch den S a n d.
D i e Ste i n e l i egen
grau
und tot.
H e i n e r ist tra u rig d a r ü ber. Er hat a l les gern, was sich i n der We lt bewegt. Die 6
Wo lk en u n d das Wa sser, den Wind u n d die Vögel . Am Bach trifft er ab er viele Fre u nde. Die beg r ü ßt
Bachstel ze
ihn
u nd
wi ppt
mit
dem S chwänzchen . In den Abendst u n d e n ruft a u ch d i e Spottd rossel vom Wa ldra n d herü ber. D i e Spottd rossel s i n g t frech u n d pfeift m a n chma l wie e i n Sta r. Am Bach begeg nen Hei ner noch a n dere F reu n de. Es sind Sold aten i n g r ü n b ra u ner U n iform ,
die
Genossen
u n se rer G renz
polize i . S i e tragen e i n Gewehr, u n d u m ih re n
Hals
hängt e i n g ro ßes schwarzes
F er n g l a s . D e r Bach i m J u gelta l ist kei n gewöh n lich er Bach .
Es ist der G ren zbach . G l eich a m
a n d eren Ufer b eg i n n t e i n a n deres La n d . E i n La nd, i n dem Freu n d e wohnen . Der Lehrer hat i n der Sch u l e sch on viel davon erzäh lt.
Auch
d i e G renzsoldaten
u n ter
ha lten sich mit Hei n e r da r ü be r. E r darf d u rch i h r Fern g l a s sehen, u n d d ie Berge 7
a u s dem a n deren La nd rücken g a nz n a h vor
H ei n ers
Augen.
Tschech oslowakei .
Das
Die
La nd
hei ßt
Grenzsold aten
nen nen es ei nfach Volksrep u b l ik . Auch o h n e Fernglas k a n n Hei n er das erste Dorf
h i nter
dem
Gren zbach
erken nen.
Koprice ist n i cht größer a l s das deutsch e Dorf J u gelta l . D i e K i n der i n Koprice gehen gen a u so z u r Sch u le wie Hei ner. S i e spie len im Wa l d, u n d sicher scha uen a u ch sie i n die Wol ken und trä u m en . Ein U n ter sch ied zwischen den K i n dern a' u s Koprice u n d Juge/ta l besteh t a ber doch . In Ko price tra gen d i e Pio n i ere rote Halstüch er, i n J ug elta l b l a ue. Auch das hat H ei n er schon beobachtet. Heute ha ben die Gren zpolizisten
kei n e
Zeit für Hei ner. La nge verwei lten sie sich bei den Holzfä l lern i m Ei nsch l a g . S ch nel l müssen sie i hre Streife fortsetzen . Hei n er bleibt
a l l ein
am
Bachra nd
sitze n .
Aus
einer Hasel n u ßrute sch n i tzt er sich eine 8
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Flöte. Sei n e Flöte s ol l g a n z hohe Tö ne tri l l ern . Gena uso hohe wie d ie vom Ge nossenschaftsschäfer.
Mit
dem
Messer
schaft d e n g e l t H e i n e r d i e na sse Holzrinde. Die R i n d e weicht a uf u n d l öst s i ch vom Holz. H e i n e r verd reht stolz d i e Au g e n . Der e rste Ton pfeift a u s der Flöte. Tri l l i , tri l l i , si ngt die Flöte. I m m er wieder. Tri l l i , tril l i . H e i n e r spielt seine Me lod i e n i cht f ü r sich a l l e i n . Im G e b üsch am Bache raschelt es. Heiner
zuckt
zusa m m en .
Er
legt
sei n e
Flöte i n s Gras u nd b l eibt sti l l sitzen . Sei ne Bei n e werden
schwer.
Vors i chtig
scha ut
er sich u m . Bis i n das Dorf s i n d es nur ei n paa r S chritte. H e i n e r sieht ke i n e n Men schen i n der N ähe. Im B u sch a m a n deren Bachra nd raschelt es wieder. Plötz l i ch e rke n n t He i ner e i n e klei n e l ä n g l i che
Spitzschnauze.
Die
N ase
g l ä nzt
d u nkel . S i e ist so ru nd wie e i n e Pfeffer kugel . La n g s a m schiebt sich e i n Stache l pelz aus dem Gebüsch. Heiner atmet a uf. 10
Er hat kei n e Angst m e h r. Aus dem Stra uch kriecht ein Ig el hera u s . Der Igel rollt m it den Äug l e i n . Er steckt sei ne Nas e i n d i e Luft u n d spreizt s e i n e Stach e l n . D i e Ba rt haa re zitte rn . Es riecht n a ch Werm ut u n d Schafga rbe. " G ut, g ut" , m u rmelt der Igel. Hei n er ver steht
ihn
n icht.
Die
Ig elsprach e
ken nt
ü berh a u pt n och kein M e n sch . H e i n e r setzt sei ne Flöte a n d i e Li ppen . Solche Tö n e hat der Igel n och n i cht ge hört. Er freut sich ü ber das Lied. Heiner sieht es
ihm
an
sei n er Kugeln ase on.
T ri l l i , tri l l i , s i ngt die Fl öte. Viel h ö h e r a l s der F i n ken papa i n der E beresche. "Gefä l lt es d i r ? " fragt H e i n e r den Ig e l . D er Igel k l ettert den Bach ra nd h i n u nter u n d tri p pelt auf Hei ner z u . "Du darfst nicht ü ber die Grenze", sagt H ei ner.
"O der d u
m u ßt einen
Ausweis
ha ben . " Das versteht der Ig el natürlich n ich t. Er 11
k ü m m e rt sich n i cht u m G renzen. U n d wen n e i n Soldat kom mt, zieht er si ch erl ich sei nen Kopf e i n u n d zeigt böse sei n e Stach e l n . So d u m m i st ein Ig el, d e n k t H ei ner. H e i n er l egt sich a uf d e n Ba u ch . M i t einem Gra sh a l m
ki tzelt er den Igel u n ter der
Nas e. "Wie heißt d u d u m mer Ig el ?" fragt er. "We n n d u sch o n kei nen Ausweis bei d i r trä g st, m u ßt d u doch e i n e n N a m e n h a be n . " Der Ig el n i est. Erst g a n z k u rz, d a n n lang u n d t i ef wie ein fetter O n k e l . Aber seinen N a m e n weiß der Ig el nicht. H e i n e r ü berlegt. ,Ich werde d i ch Fra nzek n e n n e n . H i nter der Grenze hei ßen viele Ki nder Fra n zek. Waru m sol l ich d i ch n i cht a uch Fra nzek rufe n .' So
le rnt
kennen .
H e i n er
seinen
Er freut s i ch
an
Ig el
Fra n ze k
dem
l u stigen
G es el l e n . Er gräbt i h m d i cke Würmer a u s d e r Erde. Franzek sch üttelt sei nen Kopf. O b er lie ber Sch n ecken frißt? 13
Beim
Fl öten s piel
wird
Fra nzek
so
d ick
wie der Ka ktus auf dem Fen sterbrett vom Dorfschmied. Er bl äst sei n I g elfe" a uf und l ä ßt d i e Stach e l n weit von sich abspieße n . Das sieht ab er gar nicht böse u n d a u ch n icht g efährl ich a u s . U n d je l ä n g e r H e i n e r spi elt, um so d i cker vers u cht sich der I g el a ufz u k u g e l n . D i e Son n e ve rkriecht sich h i nter den hohen Fichte n .
Aus
Nebel .
Ober
spielt
ein
dem den
Wa ld
zieht
wei ßer
Brombeersträ u chern
M ü cken schwa rm.
Die
Berg
schatten fa l l en weit i n s Ta l h i nei n . H einer m u ß n a ch H a use gehen u n d w i l l sich von F ra nzek
vera bsch i eden .
Der
Igel
b l i ckt
Heiner tra u rig a n . Fra nzek ken nt sich i n J u gelta l n i cht a us . Er wird sich ver/alUfen. Die Gren zsoldaten werden kom men u nd Fra nze k über den Bach z u rücksch i cken . N e i n , H einer ka n n seinen Franzek n i cht mehr a l lei n lassen . ' Er n i mmt ihn auf den Arm, bedeckt i h n m it 14
Heu u n d lä uft dem Dorf z u . Fra nzek ver h ä l t s i ch r u h i g u n d sti l l . H e i n er fü h l t d i e Ig elwärme
in
sei n e n
Händen. Er
s p ü rt
sogar den He rzsch l a g von Fra n zek. B u p. b u p. b u p. b u b bert das H e rz. H i nter dem Wasserh ä u sch en trifft Heiner den Postbote n . Der Postbote trä gt e i n e n Eil brief
zum
B ü rgermeister.
Sch n u rrbartenden
h ä n gen
An
seinen
Schwe i ßtro p
fe n . .. Hast d u schon geerntet ?" frag t der B riefträ ger. Da bei zeigt e r m it d e m Bri ef auf d a s H e u b ü sch el ü ber H e i n ers Arm . H einer
ersch rickt.
Da rf
er
den n
einen
F rem den. der h i nter der G renze woh nt. m it
n a ch
J u gelta l
b ri n gen ?
beim Vol kspol izisten Gesetzb uch .
Oder
l i egt
i m Dorf e i n d i ckes
das sei n e Freu n dschaft m it
Fra nzek verb ietet ? H e i ner wei ß es n icht. Er zu pft a n den Heu h a l men heru m u n d ist froh.
als
der
Postbote
hi nte r dem
Wa sse rh ä u sch en verschwi n det. Auch H einers Kla ssenfre u n d ist neugier i g . 15
Leo sitzt a uf dem Sch u p pen u n d teert das Dach . Auf seinem Gesich t pl ustern s i ch schwarze Flecke. E i n M ohren kopf, i n dem die Augen wie G l itzerste i n e glä nzen . Als Leo Heiner bem erkt, steckt er sei nen Pi n sel i n den Topf u n d wil l vom Dach s pri n g e n . Z u m G l ü ck b l e i bt er mit sei nen Sch u h e n i m Teer kl eben . "Warte, Hei ner ! Warte doch '" Hei n er an twortet n icht. Er lä uft sch nel ler und
ist g l ü ckl ich ,
daß
n i ema nd
sei nen
Fra nzek g esehen hat. Fra nzek g ehört i h m g a n z a l l e i n . N i emand we i ß etwa s davo n , u n d n i e m a n d sol l es erfa hre n . Vors ichtig trägt er Fra nzek i n den Garte n. Bei dem M i stbeet setzt er i h n ab. Dort wim meln In sekten. Fra nzek ka n n sich vol l fress e n . H e i n er ka n n l a n ge nicht e i n sch l afe n . Auch Mutter und Vater hat er n i chts von sei n em ,
Igel erzä h lt. U n d n u n sorgt sich Hei n er u m Fra nzek. Werden i h m d i e F l i egen i m 2
Igelfreundschaft
17
J u g elta l
sch m ecken ?
Viel leicht
hat Ig el
Fra n zek H eimweh u n d m öchte z u rück zu sei ner Igel fra u u n d sei nen Ig el ki ndern ? Ich werde
ihn
morgen fragen,
beruhigt
sich H e i n er. Da n n trä u mt er von Fra n zek und
der
Bach stelze,
von
den
G renz
sold aten u n d der Spottd rossel. Ei ne g roße Wolke trägt i h n von der Erde fort. J u gel tal bl eibt z u rück. D i e hohen Berge werden z u kleinen
H ü g e l n . In den Armen aber
h ä lt er seinen F ra n zek. G a n z fest p reßt er ih n a n sich . Die Stach e l n stech en n icht. Heiner freut sich noch im Traum über den verga n g e n e n Ta g . Der Igel fü h l t sich woh l in H ei ne rs Garte n . Wen n
sich
Heiner
auf
das
Wa sserfa ß
s etzt u n d a uf sei ner Flöte s p ielt, tri ppelt Fra nzek ü ber die Beete auf H einer z u . Da n n
sitzen
a lte Fre u n d e,
sie
beiein a n der
wie
g ute
d i e s i ch viel z u erzä hlen
ha ben . "Ken n st d u das lied vom P u m pe l h einrich, 18
der
immerzu
die
Maiskörner
aus
den
Kolben beißt?" fragt Heiner. "Schnick,
schnack",
scheint
Franzek
zu
antworten. Heiner spielt ihm das Lied vor. Die erste, zweite und dritte Strophe. Franzek schüt telt mißmutig seinen Kopf. Bei der vierten hebt er sein Hinterteil,
als
möchte er
einen Kopfstarid versuchen. "Hat sich der Heinrich den Mais aus gepumpelt, haben die Hühner das Bein ihm zer hackt. Läuft nun der Heinrich verpumpelt, verschrumpelt, weil er den Mais aus den Kolben geknackt. " Franzek steckt den Kopf unter ein f.ettes Kürbisblatt.
Ein Sonnenkälbchen schlägt
seine Flügel breit. "Sei nicht ungeduldig, Franzek. Du wirst das Lied bestimmt noch lernen." Und zum 2'
19
Trost stellt i h m Heiner eine Sch ü s sel M i lch h i n . Fra nzek sch l eckert, u n d u nter sei ner Nase wächst e i n wei ß er Postboten b a rt. H e i n er
flickt
.j:res sen Ig el,
den
Gartenza u n .
Füchse
hat H e i ner g ehört. Sei nen
Fra n zek soll kein F u ch s fressen .
H e i rier
wi l l ihn beh üten . U n d wen n es noch Wölfe im
Gebirg e
gä be,
wie
zu
G roßvaters s i e d avo n
Zeiten,
wü rde
H e i n e r a u ch
jagen .
Sel bst
mit
den
b ra u nen
B ä ren
wol lte er kä m pfen . H e i n e r trifft s i ch n u r n och selten m it sei nem
Freu n d .
"Kom m st d u heute mit i n
den Wa ld ? " fra gt Leo a rgwö h n i s ch . Hei ner spielt nicht m e h r i m Wa l d . Er fi ndet Ausreden . Jeden Tag eine a n dere. U n d a l les n u r für F ra n zek. D i e We lt ist l a n g wei l i g o h n e i h n . Kei ner hört s o a ufm erk sam auf das Flöten s piel wie Fra nze k. Auch Leo n i cht. Franzek wi rd a u ch viel eher das Lied vom P u m pe l h ei n r ich lernen a ls Leo. In der Sch u l e wä h rend des U n terrichtes 20
m u ß H e i n e r i m merz u a n Fra n zek denken. Sei n e
Gedan ken
gehen
s paziere n .
Sie
h o psen da h i n u n d dorth i n . I n den Wa l d u n d a n d e n G renzbach , ,a uf d ie Wiese u nd
in
d i e Wol ken.
a ber z u r ü ck
in
Stets
den
springen
G a rten z u
sie
sei nem
F reu n d Fra n zek. H e i n e r hört nicht, we n n i h n d e r Le h rer fragt.
Der Leh re r erm a h nt i h n .
"Wo ra n
den kst d u , H e i n e r ? " H ei n e r schweigt. Sei n
Gehei m n i s verrät
e r n i cht. Weder M utter noch Vater ken n e n es, a u ch
d e r Postbote u n d
Leo wissen
n icht von i h m . Erzä h l te er es jetzt dem Le h rer,
w ü rden
es
alle
Ki nder
in
der
Klasse erfa h ren. Nei n , das kan n niem a n d von Hei ner erwa rten . "D a n n werde ich w o h l m i t dei nen E ltern sprech en m ü s sen " , sagt der Le hrer. Hei ner b l e i bt stu m m . einen
klei n e n
Jungen,
Es
ist schwer für
ein
g ro ßes
Ge
h e i m n i s zu h a ben. Es d rückt wie e i n Feld21
,
1
ste i n i n der Brust, u n d m a n wei ß n i cht, wie man
d iesen
Ste i n fassen
u n d vo n sich
werfen ka n n . Heute aber l a u scht H e i n e r a u fm erksa m a uf d e n Leh rer. Der Leh re r sch i ebt sei ne Bri l le auf die Sti rn u nd l i est e i n e n Brief vor. Der B ri ef ka m ü be r d i e Gren ze, d i e Pion iere a u s Koprice sch rieben i h n . Auf dem U m sch lag kl ebt e i n e fremde B rief ma rke mit dem B i ld des Präsidenten a us der Vo l ksrepu bl i k. Al l e K i n d e r i n Hein ers Klasse d ü rfen d i e B ri efma rke a n sch a u e n . Der
Brief b r i n g t e i n e
Freuden botschaft.
Die J u n g pi o n i ere a u s Koprice l a d en d i e J u n g p i o n iere a u s J u g e lta l z u e i n e m Treffe n a n der G renze e i n . S i e wol l e n sich m it i h n en ü ber d ie
Sch u l e
und
das
P i o n ierleben
u nterh a lte n . E i n l u stig e r Ta g sol l es werd e n . D i e Ki nder springen a u s den B ä n ken u n d tra m pe l n m it den Fü ßen. Der Leh rer m u ß den Brief h och ü ber seinen Kopf halte n . J edes K i n d wi l l i h n sehen . 23
Nach m ittags, raten s i e .
i n der Pion iergru ppe,
be
Leo zau bert viele Vo rsch läge
a u s sei nem Kopf. Der Pionierleiter sch reibt sie a l l e a uf. ne ues
lied
Die S i nggr u ppe wird lernen,
ein
d i e Tä nzer werden
einen Ba uernta n z ü be n . Auch e i n Spiel aus
i h rem
Dorf,
von
i h re r
Genossen
schaft, wol len s i e vorfü h re n . Leo wi rd a l s Schwe i n em eister a uftreten
und
mu ß
in
der G e nossen schaftsvers a m m l u n g wie e i n Doktor sprech e n . F re u n d e ka n n ma n n icht mit leeren H ä n den besuch en . Jeder P i o n i e r wi l l e i n Ge schenk baste l n . Hei ne r ü berlegt. Soll e r e i n e Flöte sch enken ? Aber d a n n denkt er sich etwa s a n deres
aus.
Er wird einen
Berg m a n n sch n itzen. Eine Kappe soll der Bergma n n tra g e n , e i n e La m pe u n d e i n e n Berg h a m m er. Genau wie Vater, w e n n e r i n den Schacht ei nfä hrt. Zu H a u s e be g i n n t H e i n e r g l e i ch mit der Arbeit. E r s u cht sich e i n 24
Stück l i n d e n holz im
Sch u ppen
und
sch n ei det
es
z u rech t.
Es
ist
ein
schWerer K l o be n . Bei den ersten groben Messersch n itten h i lft i h m der Vate r. H e i n e r sch n itzt. Zwei Ta ge l a n g hockt er n ach dem U n terricht ü ber dem Ho lz, zwei Tage l a n g bes u cht er Fra nzek n i cht i m Garten . A m näch sten Aben d sitzt der Igel vor H e i n ers Sch l afstu benfen ster. Er stu pst seine Kugel nase platt u n d s ch i e bt sie a n der Schei b e entl a n g . Da sch ä mt sich H ei n er vor sei n e m Freu n d u n d ist böse a u f sich , d a ß e r Fra n ze k ver gessen ko n n te. Beh utsam trägt e r ihn a u f das M i stbeet zu rück u n d versp richt Fra n zek f ü r jed en Tag wieder e i n e n Besuch . H ei n er n i m m t seine S ch n itze rei m i t i n den Ga rte n .
D i e Späne
fa l l en
a u f Fra nzek
hera b . Fr.a nzek sch n u p pert dara n . Sei ne Nase zieht s i ch
zusammen.
Er versteht
n i cht, was Heiner a u s dem H o l z h era us sch n itzt. S e i n e N e u g i erde s p iegelt sich i n den Augen wider. 25
We n n die B l asen a n den Fingern bren nen, nim m t Heiner die Flöte u n d s pielt Fra n zek vor. Tri l l i , tri l l i, klingt es i m Gar te n . Die g roße Son n e n b l u m e wiegt ihren schweren
Kopf.
Wie
G roßmutter,
eine
die n icht m e h r ta nze n ka n n . In J u ge lta l freuen sich a l l e Leute a uf das Fre u n d scha ftstreffen .
Der
B ü rgermei ster
ka uft ein g roßes B u ch m it bu nte n B i ldern u n d einem U m sch lag aus Leder. Die M üt ter a u s der F ra u e n g ru ppe sticken Fa h n e m i t u n serem
Staatswa ppen.
eine Die
K u m pel vom Schacht werde n ein en ver sil berten
Berg h a m m e r
mitschicken .
Und
jedes Kind in J ug e l ta l bastelt u n d ba ut, leimt
und
klebt
ein
Gesch e n k
fü r die
J u ngen Pio n iere a u s Koprice . .
Heiner hat den Berg m a n n fertig gesch nitzt. Derbe H ä n d e hat die H olzfig u r u nd ein k l u ges G esicht. H einers Vater sagt : "Das ist dir g u t gel u n g e n . echter K u m pel a u s . " 26
Er sieht wie ein
...
-
•
.
�
H e i n e r zeigt seinen Berg m a n n a u ch Fra n zek. Er ste l l t ihn i m Ga rten vor Fra n zek h i n . Der Igel zuckt sche u mit den Bart ha aren.
La n g s a m
u m schleich t
er
den
Berg m a n n . Fra nzek b esieht ihn von a l le n Seite n . Da n n n i ckt er. Das sol l bedeuten: " D ie
Kinder
in
mei ner
Heimat werden
sich d a rü b e r freu en." Da d e n kt H e i n e r z u m erste n m a l dara n , daß
Franzek
vie l l e i cht
Koprice sta m mt.
aus
dem
Dorf
Heiner s i n n t n a ch . Zu
d u m m , d a ß Franzek kei nen Ausweis be sitzt.
Von
e i n er
Ig e l polizei
hat
Hei n e r
a u ch n och n i chts gehört. Es herrscht eben n i rgends so viel O rd n u n g wie bei den Mensch e n . Nach d e n k l i ch beugt s i ch H e i n e r z u Fra nze k herab. " D u wirst immer bei m i r b l e i ben " , sagt e r. " U n d von m e i n e r Reise bri n g e ich d i r e i n e g roße fette F l i ege m it. " H eute ist Son ntag. Hei ner e rwacht. Die S o n n e versteckt sich noch hi nter den Ber28
gen . Im Tal d ä m mert es. D i e H ä u sch e n sehen wie d u n k l e S chatte n a u s .
Heiner
ka n n n icht meh r sch lafe n . Er reibt sich d ie Aug en . Im trü ben M o rg e n licht sieht e r den Berg m a n n
auf
dem
Nachtti sch
steh e n .
H einer s pr i n g t a ufgeregt a n das Fenster. E r sieh t h e ute n icht n a ch den Wol ken . Seine Augen s u chen d ie Dorfstra ße a b . Die Stra ße ist l eer. H einer hat es n icht versch l afen . M u tter ka n n
H einer n i cht m e h r in
der
Stube z u r ü ckha lte n . E r verpackt den Berg m a n n i n H o lzwolle u n d ren nt z u r Sch u l e. Im Kl assenzim mer sitzen sch o n Gertra ut, Hilde u n d D i eter. A u ch sie ha ben Gesch e n ke
in
Pa pier
Gertra ut freut sich
i h re
e i n g esch l a g en .
g a n z besonders a u f
das Treffe n . Sie d a rf heute die Freu nd schaftsfa h n e tragen. Die Sti m men schwir ren Ecke
d u rch e i n a n der. u nd
ü bt sich
Leo in
ste h t seiner
in
einer
Ro l l e
als
Schwein e m eister. 29
Der Leh rer tritt fröh l i ch i n das Zi m m er. Seine B r i l l e g l ä nzt. Er putzte sie besser a l s z u m U nterrich t. Der Son ntag ist ei n wirkl ich e r Feierta g . Die Eltern kommen m i t z u m Sch u l h a u s . Der B ü rg ermeister ü berg i bt dem das
B u ch ,
der
Pion ierleite r
Lehrer
trägt
den
sil bern en Berg h a m m e r der K u m pe l . Aus vielen
Fen ste rn
wehen
b u n te
Fa h n en.
J u g elta l s ch m ückt s i ch . Als d i e J u n g p i o n iere a u s J u ge lta l h i n a u s m a rsch i ere n , wi n ken ihnen d i e Eltern z u . Die
Klei n en
aus
dem
K i n derga rten
schwe n ken bu nte Fä h n ch e n . D i e Stra ßen rä nder s i n d so b u n t wie d i e Feldra i n e i m Frü h l i n g . Am G re n z bach g rü ßen d i e Sol date n . S i e legen die H a n d a n d i e M ütze. H e i n e r erken n t u n ter i h n e n sei n e Fre u nde. G roße Fre u n d e , a uf d i e er seh r stolz i st. Die Ju ngen
P i o n i e re si ngen .
Das
Lied
k l i ngt h e l l i n den Morg e n . Der Wi n d trägt es auf i h rem Weg vora us. S i e ziehen a m 30
Grenzbach
ent l a n g ,
d u rch
Fich tenwald
u n d ü ber Wiesen. Am Wa ldrand
Soldat.
steht wieder ei n
E r trä gt e i n e a n dere U n iform a l s d i e de ut schen Grenzpol iziste n . D i e S ch u lterstücke s i n d breiter. Es ist e i n Offizier a u s der Vo l ksrep u b l i k. Er lach t u n d ruft laut den J u gelta ler P i o n i eren en tgegen .
" F reu n d
schaft ! " ruft er. H e i n e r möchte i h m gleich d i e H a n d sch üttel n . Aus e i n em H ä u s ch e n tritt der Leh rer von Koprice.
Er trägt
einen
breitkrempigen
H ut. Sein G r u ß k l i n gt fremd, und H e i n e r versteht i h n n i cht. D a erst wei ß Hein e r, daß er i n e i n em fremde n La nd ist. O h n e Wol ken reiste er u n d kam doch ü ber e i n e G renze. D i e Leh rer b3g rü ßten s i ch u n d ta u schten Wim pel a u s . E i n e n wei ß roten mit e i n em b l a u e n D rei eck a n der O berka nte ü ber g i bt
der
Leh rer
schwarzrotgoldenen
von mit
Koprice, dem
einen Staats31
wappen
d e r Le hrer von J u g elta l.
Da n n
kommen g a n z plötzl i ch d i e Ko pricer Pio n iere a u s d e m H a u s g era n nt.
Sie u m
a rmen d i e J u gelta l e r u n d k lQpfe n i h n e n a uf d ie Sch u lter. Vor Aufreg u ng
vergessen
die
Pion iere.
i h r lied z u si n g e n . Auf
dem
B a l k on
der
Wa n derherberg e
bl äst e i n Trom peter. D i e Pioniere ste l l e n sich
an
den
Fa h n e n m asten
tsch echosl owa ki sch e
und
Eine
a uf.
eine
deutsch e
P i o n i erfa h n e steigen a n d e n M asten e m por. Zwei Fa h n en d er Fre u n d schaft. d ie i m mer n e be n e i n a n d er weh en werden. Im He rbergssaal s i n d die Tisch e g edeckt. Auf
langen
Strä u ße
we i ßen
bu nter
Tel l er m i t K u ch e n
Tafe l n
B l u men.
steh n
viele
D azwischen
u n d Sa�zbreze l n . Der
KaHeegeruch k itzelt i n der Nase. Auf e i n e m Pod i u m sitzt e i n e B l aska pe l l e . Der D i r i g e n t spielt sel bst Trom pete u n d trä gt wie a l l e M u si ker der Ka pel l e ei n e 32
weite J acke m i t e i n e r bu nten Weste da r u n ter.
An
der
d icken
bu nte Stei nchen
und
h ä ngen
U h rkette Bi lder
aus
Elfe n
bei n . H e i n er 's i tzt neben e i n e m j u n g e n Pionier aus
Koprice.
schwa rze
Das
H a a re ,
Mädchen u nd
i h re
so d u n kel wie die von
hat
lange
Augen
s i nd
H e i n ers M utter.
Wä h re n d d i e B l aska pelle spielt, kön nen s i e sich n u r zuzwi n kern . D i e bö h m i sche Po l ka l ä ßt d i e F ü ße u nter den
Tisch e n
m itta n zen .
B ru m -bu m-bu m ,
sch lägt d i e P a u ke d azwisch en,
u n d die
Posa u n e sch n a u bt h eiser h i nter d e n Trom petentö n e n
h er.
Die
Po l k a
endet
m it
ei nem la ngen Tusch . Das M ä dchen. beugt sich zu H e i n er her ü ber. " Ich h e i ße Vera .
fI
H e i n e r versch l uckt sich a n sei n er Stre u se l sch necke. "H e i n e r" , prustet er h eraus. Vera versteht sich seh r sch n e l l m it H ei n er. Sie 34
lernt
in
der
Sch u l e
die
de utsche
S p rache.
M a nch m a l
ü berlegt
sie
lange
u n d s u cht n a ch ei n em Wort. H ei ner h i lft und
i h r d a bei, Satz,
den
sie
bei de lachen
ü ber den
gemei n s a m
gefu n den
h a ben. S i e erzä h l en sich vom Dorf u n d von d er S ch u le, von der Genos sen sch aft u n d i h ren B ü rgermei stern . S i e verg leich en a u ch i h re Zen su ren u n d sprech e n ü ber i h re Leh rer. Am
Nach m i ttag
Berg m a n n von
der
aus.
wickelt
Heiner
sei nen
E r z u pft d i e Ho lzwol le
S ch n i tzerei
und
streicht
noch
ei n ma l ü ber d ie Fi g u r. Der K u m pe l h ä lt sei nen Berg h a m mer fest i n der H a n d u n d b l ickt
l usti g
in
den
Tag .
Wie
H e' i ners
Vater, wen n er a u s d er G r u be fä hrt u n d s i ch ü ber das Son nen l i cht freut. "Den h a be ich f ü r d i ch gesch n i tzt", sagt Hei ner u n d sch iebt verlegen die F ü ße h i n u n d her. Vera d r ückt Hei ner g a n z fest die H a n d . Sie 3"
d r ü ckt
a u ch
sei nen
Kopf.
Hei ners 35
O h ren fä rben s i ch s o rot wie d i e B l üten vom Kl atschmo h n .
Er weiB n och
immer
n i cht, wo h i n er sch a u e n sol l . Da bei hat er etwas g a n z N e ues entdeckt. Er spürt d i e Freude, einem a n deren Mens ch en Freude bereitet zu h a b e n . Das ist e i n w u n der sames Gefü hl. Vera schen kt H e i n er ei nen Wa ndteller. S i e bema lte i h n mit B l üten u nd
B l ättern,
za rten
zeich n ete
Pi n sels trichen
sie m i t fei n e n ,
a u f das
Porze l l a n .
" D amit d u mich n i cht verg iBt " , sagte Vera . H e i n e r möchte Vera a uch a n sich drücken. Aber da steht Leo mit sei n er Schwei ne mei stersch ü rze n eben i hm. Den Wa n d teller h ä l t H e i n e r fest i n seinen Hä nden . E r w i l l Vera nie meh r vergessen . Die K i n d e r .aus Koprice ta nzen . Der Le h rer spielt a uf der H a rmo n i k a . D i e Tä n zer stemmen d i e H ä n d e i n d i e H üften u n d ,
spri ngen
in
d ie
K n iebeuge.
röcke bau schen sich
a uf.
Mädchen
Bu n te B ä n der
fl attern . D i e J u g elta ler Pion ie re k l atschen 36
i n die
H ä nd e,
und
zum
Sch l u ß tanzen
alle mit. Leo darf sich vor d i e Blaska pe l l e stellen u n d d e n Ta kt a n geben. Er z i eht e i n Ge sich t, a l s wen n er i n sich h i ne i n l a u sch e . E i n e Dirigentengesta l t ist er n i cht. Vera u n d H e i n e r l i egen n e benei n a n der i m Gra s . "Wir z ü chten jetzt Kan i n chen " , erzä h l t H e i n e r. "Viele Pion iere i n u n serer Repu b l i k ziehen Ka n i n ch e n g ro ß . " "Und
wir
h a ben
einen
g roßen
Sch u l
ga rten mit e i n e m Vers u ch sfeld u n d e i n e m Früh beet " , berichtet Vera. Plötz l i ch
we rden
i h re
Augen
t ra u rig.
H e i n e r ist verwund ert. T r ü be Augen hat H e i n er gar n i cht gern . O b s ich Vera n i cht m e h r ü ber den Bergma n n freut? "Wi r hatten einen Igel in u n serem Sch u l garten . Vor e i n paar Tagen l i ef e r u n s davo n . " Das ist F ra n zek, denkt H e i n e r. M e i n Ig el Fra nzek ist es. Heine r sch l u ckt ein pa ar37
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m a l . N e i n , seinen Fran zek würde e r n i e ,
und
n i m m er wieder h erg eben.
Er sieht
Vera von der Seite a n . H e i n e r kramt sei n Taschentuch a n derem
von
etwas
erzä h le n . Viel leicht von
sei ner
h ervor
u n d will
Flöte oder von den Schafen a u s der Ge nossensch aft. Vera sieh t vor sich hin, a l s we n n s i e n i cht m e h r z u hören wollte. " U nseren Ig el haben wir a l l e g ern ge h a bt.
Er f ra ß Sch n ecken u n d M ä use i n
u n serem G a rten. Es wa r e i n l i ebes Tier." H e i n e r ka n n sich n i ch t mehr fre u e n . Wi e d u m m a u ch , d a ß sei n Igel Fra nzek ge rade den Pioni eren von Kop rice g ehört. Aber Fra nzek zurückgeben würd e er nie m a l s . Franzek wa r i h m z u g e l a ufen . Sogar d i e Grenze hatte er ü berq uert. U n d wie könnte den n Fra nzek i n Zuku nft leben, wenn er n i cht m e h r das Flötenspiel von H e i n er hörte ? Vera w i l l w i eder lusti g sei n . Es g e l i ngt i h r n i ch t m e h r . Sie d e n kt a n i h ren Igel a u s 39
dem Sch u l garte n . U nd H e i n e r ka n n Vera n i ch t m e h r i n d i e Augen sehen . D i e Son n e hat sich h i nter den Wo l ke n ver steckt. Ein Sch a tten l i egt ü ber dem G eb i rg e . H i nter d e n Bergen ru mort e i n G ewitter. Froh u n d a u sgelassen ziehen d i e Pioniere a us
J u g eltal
in
ihr
Heimatdorf
Viele tra gen jetzt d i e roten
z u rück .
H a l stüch e r,
die s i e von i h ren Freu nden a u s Koprice erha lten habe n . A u ch H e i n e r besi tzt e i n rotes
Ha l! s tuch .
schwer,
Aber sei n
H erz
dr ückt
u n d er trä gt e i n e g roße Sorge
m i t n ach H a u s . Im m erz u eri n nert e r s i ch a n Vera u n d i h r tra u riges Gesicht. Wi e g u t, d a ß er n och n i e m a n d von seinem Ige l Fra n zek erzä h lt hatte. Sonst m ü ßte e r i h n jetzt besti m m t na ch Koprice sch icken. Düster s i n d d i e Ta g e a m G renzbach ge word e n .
Die Son ne trägt ei nen g e l ben
Sch l eier. D i e F i chten am Wa l d lassen i h re Zweige h ä n g e n . F ü r H einer ist d i e We lt n i cht m e h r b u nt. 40
Im Garten hat er für Fra nzek ein weiches Lager a u s La u b gebaut. Jeden Morg en, bevor er zur Sch u le geht, sch l eicht sich H einer in den Garte n . Ma nchma l wollte er schon Vater u m Rat fra g e n . Er druckste h er um u n d versch l u ckte schließlich seine Frage. H einer versch ließt sich g egen a l l e Welt. Im U n terrich t ist Heiner noch u n a u fmerk samer geworden. U n gedu ldig erwartet er das letzte Klingelzeich e n . Er re n nt von der Sch u l e nach Hause u n d setzt sich wieder z u Fra nzek. S eit dem Pion iertreffe n an der Gre n z e hat Heiner kein Verg n ü g e n mehr mit
Fran zek.
Er s pielt ihm a u ch
nichts
mehr a uf seiner Fl öte vor. U n d sel bst die Son n e n b l u me l ä ßt ihren Kopf h ä n g e n . Die g e l ben
B l üte n b lätter fa l l en verwe l kt zur
Erde. Sie liegen wie die ersten gro ßen Sch neeflocken in der O ktoberso n n e. I ch
werde
Fra nzek
einfach
ü ber
den
Grenzbach setzen, entscheidet sich
H ei
ner. Fran zek wird den Weg nach Ko price 41
i n den Sch u l g arten fi nden, u n d a l l es ist wied e r g ut.
Aber d a n n
ü berl egt er es
sich wieder a n ders. E r w i l l Franzek n och sich ere r verberg en, wil l i hm eine G ru be schaufe l n , so tief wie die Wolfs p i n g e am Hen neberg . In der Schu le schreibt H einers Kla sse e i n e Rechen arbeit.
Die
Zahlen
ta n zen
vor
H e i n e r ü ber das Pa pi er. E r verschrei bt sich u n d st reich t d u rch . E r verrech net s ich . E i n großer Klecks setzt s ich i n die Kä stchen . Die Pioniere wo l len H einer helfen. Heiner s pricht
n icht
nimmt von
mit
Ta g
ih n e n . zu
S ei n
Kummer
Ta g z u . Wer sol lte
H e i n er ü berha u pt helfen kön nen ? Als d er l..:e hrer das Rech e n d i kta t z u rück g i bt,
h at Hei n e r e i n e Vier gesch riebe n .
Leo pfeift d u rch
die Zähne.
Die
M äd
chen kich er n . Aber H einer schweigt noch Immer. •
Nach der Sch u l e geht er al lein nach H a u s . E r ärg ert sich ü ber die F reude der an42
deren Ki nder . F ü r H e i n e r g i bt es k e i n e Freude m e h r. An
denken. dara n ,
wie
Obera l l
m u ß e r a n Vera
i h re tra u ri g e n Vera
und
Augen
und
Ki nder
aus
die
Koprice i h ren Igel vermiss en . E i n i g e Tage s päter k l o pft es wä h rend des U nterrichtes a n d i e Tü r. D e r Leh re r b l i ckt verw u n dert a uf. Er hat es n i cht gern, we n n wä hrend der Stu n d e ge stört wird . Aber d a n n h uscht ein Lä ch e l n ü ber sei n Gesicht. I m Klassenzi m m e r steht ei n G renzsoldat. Er
trägt
kei nen
Helm
und
a u ch
kei n
Geweh r . In den Arme n a b e r h ä l t er e i n e n g roßen Ka rto n . In d e n Karto n s i n d Löcher ei ng esch n itten . "Dieses Pa ket sch i cken d i e P i o n ie re a u s Koprice " ,
sagt
der
Soldat.
Die
Ki nder
sp r i n g e n von i h ren Si tzen h och. A l l e s i n d n e u g i erig .
So
ein
g roßes
Paket !
Was
wird d a r i n nen sei n ? Leo sch euert sich vor N e u g i erde
die
H a n dflächen
a uf sei nen
Lederhosen a uf. 43
Der Lehrer zieht einen Br ief a u s d e m Kar ton. La ut l i est er ihn der Klas se vor. " Liebe Pion iere a u s J u gelta l ! Wir den ken a l l e gern a n u n ser Freu nd schaftstreffen z u r ü ck. Es wa ren fröhl iche Stu nden, d i e w i r n i cht verg essen kön n e n . Beso nders ha ben w i r u n s g efreut, d a ß Ihr t u rer Rep u b l i k helft, den g roßen Plan zu erfü l l e n . Dazu g ratu l ieren w i r E u ch. Aus un sere m
Schu lgarten
schicken
Euch
wir
e i n G esche n k, d a m i t Ihr E u re Ka n i n chen z u cht schneller verg rößern M i rka,
u n ser
schö n stes
kön n t.
Es ist
Ka n i n che n .
Wir
ha ben es a l l e sehr l i eb u n d wo l lten es sel bst beha lte n . U n ser Lehrer sagte a ber : F ü r Fre u n d e ist das
Beste gerade g u t
g e n u g . So schicken w i r a l so M i r ka u n d g rü ßen Euch. U nter die Streu ha ben wir ei nen
Zettel
mit
dem
S peisep l a n
von
M i rka gel egt. I m m e r bereit! D i e J u n gen Pion iere a u s Koprice . " D i e K i nder stü rmen d u rch das Klassen44
z i m mer. J eder w i l l M i rka z u erst sehe n . Es ist ein s i l berg ra ues Ka n i n chen mit q u i r ligen
Augen.
Verä ngstigt
b l i ckt
es
die
Kinder a n . S e i n Fell z u ckt. Der Lehrer m u ß M irka hoch ü ber d i e Köpfe halte n. Es ist e i n Freudentag i n der S chu le. D i e K i n d er bri ngen M i rka i m Tri u m p hzug z u m Sta l l . H e i n er
trottet
lang s a m
hi nterher.
Er
schä mt s i ch. Seinen Fra nzek will er n u r für sich beha lten . Für sich g a n z a l l e i n . D i e P i o n i ere a u s Koprice geben a ber ihr l i ebstes
Ka n i n chen
nach
J u g e lta l .
Da
ren nt H ei ner a u s der Schu le fort. In sei nem Garten setzt er s i ch zu Fra nzek u n d we i nt große d i cke Trä nen. Der Abend
ist schwül.
Der G e n ossen
schaftsschäfer tre i bt sei n e H erde i n s Dorf. Auf der Stra ße wa l l en Sta u bwo l ken a uf. Sie ziehen bis zu H ei n er in den Garte n . H ei ner sitzt noch i m mer bei Fra nzek. Wa s sol l
er
Pioniere n
jetzt
tu n ?
erzäh len ?
Soll
er
a l l es
den
Oder sol l er Vera 45
sch rei ben ? Da schämt er sich wieder u n d möchte am
l i ebsten
m i t Franzek i n d i e
Erde k riech e n . Dan n d e n kt e r wieder an den Brief. den d i e Pioniere aus Koprice gesch rieben haben . .. F ü r Fre u n d e i st das Beste gerade g u t g e n u g ". hatte der Leh rer vorgelesen. H e i n e r s prich t jedes Wort l e ise vo r s i ch h i n . In sei nem O h r k l i n gt der Satz. als wen n i h n Vera gesproch en hätte. H e i n e r lä uft d i e Dorfstraße h i n u nte r. Erst langsa m . dan n immer sch n el ler. Vor dem Haus
d es
m e h r.
Er
Leh rers d rü ckt
zögert
auf
den
Hei n e r
n i cht
K l i n g el kn opf.
E i n m a l . zweimal. dreimal. Hinter der Tür b l e i bt es sti l l . Der Leh rer ist i n die Kreis stadt g efah ren . Verzweifelt geht Heiner wieder nach
Hau se.
Jetzt w i rd
er n i e
mand me h r u m Rat frag en kö n n e n . H e i n er bedeckt Franzek m i t H e u . H ei m l i ch
h u sch t er u n ter dem K üch en fen ster
vorbei .
M utter
bem erkt
ihn
n ich t.
Die 47
Ga rten pforte
q u ietscht.
H einer
ren nt
ü ber d i e Wi ese i n s Ta l h i n a b u n d s p ringt ü ber den G re n zbach . Auf dem Weg nach Koprice kennt e r jed en Ba u m u n d jed en Stein.
jetzt
Auch
noch,
da
es
d u n kel
wird . N u n l ä uft u n d hetzt e r bis zum d i chten U n terholz hi n ü ber. Er atmet schn el l . Fra n,
zek preßt er a n sich . D i e Stach e l n s p ü rt er d u rch sein H e m d . Wie
werden
die
Pioni ere
von
Koprice
morgen d i e Augen a ufrei ßen, wen n s i e ihren
Ig e l
decken .
wieder
D a rü ber
fühlt sich
im w i rd
Sch u l garten H ei ner
froh .
ent Er
l e i cht u n d möchte jetzt scho n
wieder so l u stig sei n wie frü h er. Vors ichtig tritt er a u s den e rsten
H ä user
von
Koprice
Fichte n .
Die
l i eg e n
vor
ihm. Das we i ße g roße Gebä u d e ist das Sch u l ha u s.
U n d g l e ich h i nter ihm wei ß
H e i n e r den Sch u l g a rte n der Ju ng e n Pio n i ere von Koprice. 48
Heiner
will
a n setzen
Wiese
h i n u nterre n n e n .
gerade
die
und
G ewe hre
Zwei
richten sich a u f i h n . " Halt!
Stehen b l e i ben ! "
ruft
eine
ti efe
Sti m me. Seitwä rts kommen zwei tschecho slowa kis ch e
Grenzsoldaten
a us
dem
Fichte n gehölz. "Woh i n ? " fragen sie Hei ner streng. H e i n er
stottert.
Er
wei ß
n i cht,
wa s
er
sagen sol l . Lügen darf er n i cht. Er hat noch n i e i n seinem 'leben gelogen . U n d die
G renzsol daten
sind
ja
sei ne
a u ch
Fre u n d e . E i n S old at bri ngt Hei n er z u r Wa ch e. I m Wach h ä uschen sitzt e i n Offizier.
Heiner
ken nt ihn . Es ist derselbe, der d i e J u gel taler P i o n i erg ru ppe d a m a l s bei m F reu nd schaftstreffen
beg rü ßt
hat.
Heiner
ver
spürt kei ne Angst mehr . "Was hast d u u nter dem Arm ?" fragt der Offi zier. Da erzä h l t H e i n e r a l l es. Wie er den Igel 4
Igelfreundschaft
49
g efu n den hat u n d w i e er i h n i n seinem Garten g epf legt hat. Er verschweigt a u ch n i cht, d a ß er Franzek a uf seiner Flöte vor spi elte . U n d weil der Igel doch den K i n de rn von Koprice gehört, w i l l i h n H ei n e r n u n wieder z u rückge ben. "Freu n d e n sch e n kt m a n a u ch das liebste " , sagt H ei n er. Fra nzek sappelt ü b e r den Sch re i btisch des Offiziers . Er sch i ebt sei n e Nase vor u n d sch n u p pert a m Tintenfa ß . listig b l i n zelt er dabei m i t den Schwein s ä u g l e i n . "Eige ntl ich m ü ßte i ch e u ch beide verhaf ten I" sagt der Offi z i e r ern st. " I h r b esitzt kei n en Ausweis." Da l a ch en d i e Soldaten i m Z i m m e r. E i n Feldwebel gießt H e i n e r a u s sei ner Fel d fla sch e K a kao i n e i n e Tasse. Der Offizier tel efo n i ert. Kurze Zeit später e rsch e i n t Vera a uf der Wache. I h r Gesich t s i eht b l a ß a u s . Als s i e a ber H e i n e r erkennt, ren n t sie a uf i h n z u . 50
S i e u m armen sich w i eder wie d a m a l s bei dem
Die Sold aten
F re u n d schaftstreffe n .
sch m u n ze l n . Vera n i m mt d e n I g e l a uf d i e H ä n de. S i e h ä l t i h n vor i h r Gesicht u n d stupst m i t i h rer Na s e a n d i e Nase des Igels. H e i n e r sieht lachend z u . E r freut s i ch m it Vera u n d ist g a n z sehr fro h . "N u n m ü Bt i h r a ber nach Ha use", sagt der Offiz i er. H e i n e r ruft er noch ei n m a l zu
sich
darfst
h era n .
du
n i cht
"Al le i n, n och
ohne
einmal
Ausweis, über
die
Grenze", m a h n t er. Hei ner vers pricht a l les. Er ist d e r frö h l i ch ste J u n g e a uf der Erde . U n d a l l e i n g eht er besti m mt n i cht wied er ü ber d i e Grenze. ,
Fra nzek wird siche rl ich a u ch a u s dem Sch u l g a rten von
n ie wieder
Koprice a u s
rei Ben. E i n Soldat bringt H e i n e r z u rück z u m d eut s chen Poste n . Vera w i n kt noch l a n g e h i n ter i h nen her. 52
I n der Sch u l e lernt H e i ner wieder so g u t wie frü her. Am Nach m i tta g a b e r sitzt e r m it d e n a n deren Pion ieren bei den Ka n i n ch en . Und
Ga n z besonders wen n
er
beim
pflegt er M i rka . näch sten
Fre u n d
schaftstreffen Vera b egeg net, wird e r ihr von
M i rka,
dem
K a n i nchen,
Vera a be r wi rd
i h m von
Igel,
Und
beri chte n .
H e i n e r,
werden
Fra n zek,
bei de,
i m m er
erzä h l e n .
g ute
Vera
dem und
Freu nde
blei ben .
53
DER WUNDERSCHACHT
Mitten im Gebirgswald versteckt liegt das Dorf
Georgstann.
Der Schornsteinfeger,
der einmal im Jahr aus der Stadt kommt, hat in Georgstann nur wenig Essen zu kehren.
Aber
die
Häuser
stehen
weit
voneinander entfernt, viel weiter als in anderen
Dörfern.
Wenn
Stefan
seine
Freundin Henny besucht, kann er sich drei Geschichten erzählen, bis er das
Haus
von Henny erreicht hat. Meistens kommt ihm
jedoch
Henny
entgegen,
und
sie
kann das Ende der Geschichte mit an hören. Und Stefan weiß jeden Tag neue. Es sind wundersame Geschichten, gruse lige und spannende. Henny erwartet Stefan heute am Wald rand, wo der Ziegensteig zu den Teufels steinen abzweigt. Bei den Teufelssteinen stehen 54
nicht
nur
Fichten
wie
in
den
Wä ldern
um Georgsta n n , son dern a u ch
Ahorn bä ume, und
B i rken .
bäumen den
k l ei ne B l ätter
wol l en
U n terricht
Eich e n , von
Henny
Eberesch e n
d i esen
und
s a m mel n .
La u b
Stefa n Das
für
haben
beide dem Leh rer versprochen . Stefa n b r i n g t e i n e n klei nen Sack mit. Den Sack hat e r z u e i n e m Bü ndel zus a mmen gerollt
und
trägt
ihn
dem Arm .
u n ter
D u rch ei n Loch s i eht H e n ny e i n e n b l itze n den Sch i m mer. "Was ist das ?" fra gt He n ny neug i erig u n d stu pst mit dem Fi nger da ra uf. Stefa n zieht das
B ü n del
rasch
z u rück
Ze igefinger a u f d i e
und
Lippen .
legt d e n
H e n n y sol l
schweigen . U n d d a b ei ist �eit u n d b reit kei n Men sch i n der N ä he. "Ein Gehei mn i s ?" fragt> s i e leise. " "Ei n g roßes Geheimnis , flüstert Stefa n . Beide gehen a uf dem Ziegensteig i n den Wa ld h i n e i n . Stefa n trägt a n sei n em Ge h e i m n i s u n d H e n ny a n i h rer Neugierde. 56
Es s i n d schwere Laste n , d i e sie s i ch a uf gebuckelt
haben.
i m mer n i cht,
Stefa n
was e r i n
noch
verrät
sei n e m
B ü ndel
u n ter dem Arm trä gt. "Sag es m i r doch e n d l ich " , bettelt Hen ny. "Erst a n d e n Teufe lsstei n e n . " Stefa n hat sich seh r wichtig u n d weiß n i cht, wie er den Kopf h a lten s oll . "Ist das G e h ei m n i s e i n e Gesch i chte ?" " E i n e g a n z seltene Ge sch ichte . " H e n ny d rä n g elt u n d w i l l d i e G esch i chte sch on a u f dem Weg erz ä h l t h a ben. Sie verspricht Stefa n i h re n Kreisel und a u ch den
M a u l w u rf,
den
H e n nys Vater a u s
gestopft hat. Aber Stefa n sch üttelt s ei nen Kopf u n d sagt n u r: "Wa rte, bis w i r bei den Teufel sstei n e n s i n d . " H e n n y m u ß warten . S i e ist ä rg erli ch u n d böse a uf Stefa n . Wen n s i e es i h m a ber sagt, w i rd er i h r die G esch i chte m it dem Gehei m n i s n i e erzä h l e n . S o eigen s i n n i g ist Stefa n . H e n ny geht schwe igend neben 57
i h m her u n d b l i n zelt i m m er wieder a u f den Sack u nter Stefa n s Arm. " Dort s i n d die Teufel sstei ne", sagt Stefa n plötzl ich . Er SGgt d a s g a n z seltsa m , u n d Henny
s p ü rt,
wie
ka lt
es
ü ber
i h re n
Rücken l ä uft. S i e stehen vor e i n e r Wa l d l i chtu n g . Holzfä l ler in
ha ben
einen
den Wa l d geh a u e n .
kahlen
Die
Sch l a g
Der Ka h lsch l a g
d e h n t sich b i s zur Ta lsenke h i n u nte r. Dort ragen Boden
drei
hohe Felsen ste i l
h e ra u s .
Das
sind
die
a us
dem
Teufe l s
stei ne. "Nun
erzä h l st
du
mir
aber
die
Ge
sch i chte . " H e n n y d rä n gt. U n ru h i g zappelt s i e u m Stefa n herum. Stefa n wi n kt a b u nd zeigt a u f den m ittleren Teufel sste i n . "S ieh e rst e i n m a l h i nter d i e Weiden b üs ch e . " Henny l ä uft zu den
B ü sch en u n d biegt
d i e Zwei g e vors i chtig z u r Seite. U m i h re n Kopf gau kelt e i n Sch metterl i n g . "Ich sehe n i chts . " 58
"K riech e zwisch en
den Ästen
hind urch ",
fordert Stefa n sie a uf. H och in den
Fich te n krächzt ein
Ra be.
Henny z u ckt erschrocken zusa m m e n . Ein Eich kätzch en
spring t
an
ein em
Baum
sta m m h och . In d e r B a u m kro n e knackt ein d ü rrer Ast. "Eine
H ö h l e!"
H e n ny
steht
vor
ein e m
großen schwarzen Loch. "Das ist kei n e H ö h l e, son dern ein Scha ch t. U n d n u n kom m her zu mir, ich wil l dir mein e G eschichte erzä h l e n . " Henny
k l ettert
aus
dem
Gebüsch .
Sie
wischt sich die S pin nweben von der Stirn u n d setzt sich n eben Stefa n . I h r G esicht g l ä nzt rot, u n d rot sind a u ch ih re O h ren u n d die H ä nde. I n ihre m H a a r steckt ein Weidenb latt. H e n n y sieht wie eine Wa l d fee a u s . "Vor in
vielen,
diesem
vielen
Schacht
J a h ren
a rbeiteten
Berg leute",
begin nt
Stefa n seine G esch ich te . "Die Arbeit wa r 60
schwer, u n d die Berg leute hatten i m m er H u n ger. " "Wa r u m
ha ben
sie
denn
n i chts
g e-
g essen 2" . "Weil s i e we n i g Geld hatte n . Das S i l ber, das sie i m Scha cht fa nden, m u ßten sie dem reichen He rrn i n d i e Sta dt schicke n . Eines Tag es a ber traf ei n Berg m a n n i m S cha cht e i n e k l e i n e u n schei n b a re Gestalt. Das M ä n n chen trug e i n e gra u e Kutte u n d ei nen Z i pfel pelz." "Das w a r
ein
Berg g ei st",
sagt
Henny
a u fgeregt u n d schl i n gt d i e Arme fest u m ihre Knie. "Der
g u te
Berg g eist war d a s " ,
erzählt
Stefa n weiter. " U n d stel l di r vor, was er z u dem Berg m a n n sagte . ,We n n d u a n d i eser
SteHe
mit
deiner
Picke
g rä bst',
sagte der Berggeist, ,wi rst d u viel S i l be r für
d kh
d iesen
fi n d e n .' Der Berg m a n n war ü be r Ratschlag e rsta u nt. Aber er be
d a n kte sich d af ü r u n d fi n g a n zu scha ch61
ten . Er sti eß auf e i n e S i l bera der u n d g r u b g roße Batzen S i l ber aus. I m m e r meh r u n d i m mer
m e h r.
So
viel
S i l be r
hatte
der
Bergm a n n noch n i e geseh e n . Als er a be r m i t sei nem Schatz a n das Tages l i ch t kam, wa r etwa s
Eigenarti ges gesch ehen .
Der
Berg m a n n fa n d sich a u f der Welt n i cht m e h r zurecht. " "Wa r u m n i ch t ? " fragt H e n ny gespa n n t. "Wei l die Welt u m
drei
Men schena lter
ä l ter geworden wa r. " "W ieviel ist das: drei Mensch e n a lter?" "H u n dert Jah re. " Henny verzieht den M u nd, u n d i h re Augen b l i cken
u n g l ä u b ig
a uf
Stefa n .
Das
ist
wirkl ich e i n e s eltsa m e Gesch i chte. In den Schacht ei nfa h re n ,
und
nach
ein
pa a r
Stunden, wen n m a n wieder h era u s kommt, ist die Welt u m h u n dert J a h re ä lter ge worden . "Ist das e i n e wa h re G esch i chte ? " "S ie steht sog a r i n e i n e m B u ch . M e i n e 62
G ro ß m u tter
hat
mir
sie
vorgelesen."
Stefa n rollt seinen Sack a u f u n d h olt e i n e La m pe
hera u s .
l a m pe
s e i n es
Es
ist die
Vaters .
Eisen b a h n er
Das
S p i egelglas
g l itzert in der Son ne. "Fü rchtest d u d ich ? " Stefa n fragt g leich g ü ltig u n d g i bt sich M ü he. m utig u n d ver wegen a u szusehen . "N ich t
ein
bißch e n " .
a n twortet
H e n ny
entsch l oss en. Aber i h re H ä n d e schwitze n . u n d s i e versteckt s i e vor Stefa n . d a m it e r n i ch t sieht. wie a ufg eregt s i e ist. Stefa n
fin gert
Streich hölzer
aus
sei n er
Ta sch e u n d z ü n det d i e La m pe a n . Erst flackert u n d ru ßt d i e F l a m m e. d a n n bren nt s i e wei ß u n d g rel l . Stefa n steckt das Säck che n i n sei n e n G ü rtel. n i m mt d i e La m p e u n d geht z u den Weiden b ü schen a m m i tt l e ren Teufelsstei n . "Ko m m m it". sagt er z u H e n ny. J etzt verg i ßt Hen ny.
i h re An gst z u ver
berg e n . Das Wei d e n b l att fä l l t a u s i h rem 63
Haar,
und
klei ne, Zögernd
aus
der
furch tsame und
Wa ldfee Henny
ist
eine
g eworden .
la ngsam fol gt s i e Stefa n
u n d ste i g t h i nter i h m d u rch d i e B ü sch e . Im Schach t riecht es n a ch M oder u nd fa u lem H olz. N u r dort, wo Stefa n mit seiner Lampe hin leuchtet, g l itzern Wa s sertro pfen wie b u nte Perl e n . D i e Stei nwönde s i n d ü ber u n d ü ber damit beh a ngen . "We n n wir w i eder h era u s kommen, wird d i e Welt u m h u n dert Ja hre ä l ter sei n " , sagt Stefa n . H e n n y erschri ckt vor sei ner Stimme. Im S chach t k l i n g t sie viel ti efer a l s im Wa l d . We n n Stefa n i n d e n Schacht g a n g h i n e i n spricht, kommt d i e Stimme mit den g l ei ch en Worten a us der D u n ke l heit z urück . "H u n d ert J a h re ä lter" , sagt Stefa n . " H u n dert Ja hre ä lter" , sagt es a u s dem Schacht. Stefa n tapst d e m Sch e i n d er La m pe nach . Henny stol pert h i n terdre i n . .. U n d was wird i n h u nd ert Ja hren se i n ? " 64
fragt Henny leise. Aber auch ihre Stimme hat sich verändert, und Henny erkennt sie nicht wieder. "In hundert Jahren werden die Kinder in einem Hubschrauber zum Bäcker fliegen und Brötchen einkaufen", erklärt Stefan . .. Von den Bäumen kannst du siebenmal '-
im Jahr Äpfel und Kirschen ernten. Und die
Menschen
Woche
feiern
Sonntag
und
sechsmal essen
in
der
sechsmal
Pflaumenknödel und Pudding." .. Und das werden wir alles erleben?" .. Noch viel mehr.
Die
Kinder
brauchen
dann nicht mehr zu lernen. Sie bekommen eine Haube über den Kopf gestülpt, und das Kabel von der Haube wird in einen Apparat gesteckt. Nach ein paar Minuten kannst du das kleine Einmaleins vorwärts und rückwärts. Und im Diktat schreibst du keine Fehler mehr." .. Keine Fehler mehr", sagt es auch aus dem Schacht. 66
"Keine
Feh l e r m e h r " ,
h ört Hen ny,
u nd
das gefä l l t i h r. Das ist e i n e wunderbare Welt. U n d je mehr i h r Stefan davon e r zä h lt,
um
so m e h r S e h n s u cht beko m m t
s i e danach . Sie ve rg i ßt sogar i h re An gst. J etzt l ä uft sie sch o n n e be n Stefan her. Auch als d e r Gang sch maler wird, b l ei bt s i e an sei ner Seite. D i e Kin d e r k l ettern ü ber
h erein gebroch enes
G este i n ,
über
R u n d hö lzer, m o rsch e B retter u n d e i n mal sogar ü be r e i n eisernes Faß. " M u ß man i n h u n dert Jahren auch noch " S ch u he putzen ? w i l l H e n ny wissen . . " D u m m kopf", antwortet Stefan u n d lacht s i e aus . "In h u ndert Jah ren kan nst d u d ir S ch u h e kaufen , d i e so lange g lä nzen, wie d u s i e an den F ü ßen trägst." Stefan u n d Henny d rin gen im mer tiefer i n den Schacht ei n . S i e waten d u rch Pfützen u n d Sch lamm. D i e S ch u h e h ä n g e n schwer an i h ren F ü ßen. Das Wasser s p ritzt bis zu den K n i e n hoch . 67
Auf ei n e m Ste i n ruhen sie sich aus . Der Stein ist feu cht u n d kalt. Henny fröste lt es. Stefa n g i bt ihr sei n e Jacke. Ka l te Wasser tropfen fa l l en a uf H e n nys Nacken . "Kehren
wir
jetzt
wieder
u m ?"
fragt
Hen ny. "Jetzt sind erst fü nfzig J a h re vergangen . Das ist n i cht v i e l . " "Wen n e i n K u ckuck f ü nfzi g ma l ruft, zä h lt m a n s i ch B l asen a u f die Z u n g e . " " M i r g e n ü gt es aber nicht. H u n dert J a h re sol l d i e Welt ä lter sei n." Stefa n g i bt nicht nach, u n d H e n ny m u ß sich füge n . S i e stehen auf u n d wo l len weitergehen. "In d i ese Richtu n g ", sagt H e n ny. . · " N ein, In d'les e .I" Sie
streiten
sich .
Am
Ende wissen
sie •
sel bst n i cht, woher sie g e kom m e n sind u n d wohin sie gehen wol le n . "Ich h a be recht", behau ptet Stefa n . . ICh I" · " N em, •
Wä h re n d sie sich streiten, z u ckt H en n y 68
-.
•
....
plötzl i ch zusam m e n . M it den H ä n den be deckt sie i h r G esicht. I h re K n i e sch lagen gegeneinander.
i h re
Sch u l tern
zittern .
"Der Berg gei st!" sch reit sie auf u n d d u ckt s i ch h i nter Stefans Rücke n . Von der Stei n wan d sieht ein g roßes kaltes G esicht auf d i e bei den h erab. D i e Augen f u n kel n wie Feuer.
u n d der breite M u n d
g ri n st sie
h ö h n i sch an. Das K i n n ist nach vorn ge sch o be n . S o sieht der W i rt i m G asthof von Georgstan n aus. wen n er z u m Ernte fest Li m o n ade an d i e Ki nder verkauft. Stefan
kann
n u r langsam sei n e Lam pe
hebe n . Er l e u chtet d e m Berggeist i n s Ge sicht. U n d wie er d ie Lam pe d reht u n d wen d et. dreht s i ch a u ch der S chatten auf dem G es i cht m it. Da bemerkt H e n ny. daß es gar k e i n
Berg g eist ist.
sondern
ei n
großer Ste i n . der weit aus der Wand h e r vo rs p ri ngt. D i e Augen s i n d k l e i n e H ö h l en . d i e s i ch m it Wasser g efüllt h abe n . H enny 70
und
Stefan
s p ri ngen
auf.
Sie
rennen weiter, steigen und laufen, laufen und klettern. Sie haben vergessen, daß sie die Welt
entdecken wollen,
die in
hundert Jahren sein wird. Lieber wollen sie wieder
lernen,
als
noch einmal in ,
den Schacht gehen. Stefan stampft durch Pfützen und zieht Henny hinter sich her. Sie stoßen und schlagen sich an Pfosten, rennen gegen Spreizen und hetzen weiter. Hinter und vor ihnen ist Finsternis. Die Lampe brennt nur noch trüb. Henny keucht. .. Sind wir bald wieder an den Teufelssteinen?" Als ihr Stefan keine Antwort gibt und nur läuft und läuft und läuft, fühlt sie Tränen in ihren Augen. Sie ist müde und schlapp geworden.
Die
Beine
lassen
sich
nur
noch schwer bewegen. Stefan und Henny wissen
nicht,
wie
lange
sie
schon
im
Schacht sind. .. Lauf doch langsamer", ruft Henny ver zweifelt. 71
"W i r kön n en
n i ch t,
u n sere Lam pe geht
gleich aus." Stefan d reht an der Wassersch rau be. D i e Flamme
h i nter
der
Gl asschei be
zittert.
N och e i n mal leuch tet sie auf, w i rd kl einer und
erl ischt.
Stefan
und
H e n ny stehen
i m Dunke l n . Sie rufen. H e n ny tastet sich Stefan entgegen u n d s u cht sei n e H ä n de. Stefans F i n ger s i n d kalt u nd steif, werden plötz l i ch
u n d wieder kalt.
Warm
H e n ny
s p ü rt, wie das B l ut i n sei n e n Adern pocht. Stefan s ch l u ch zt, u n d H e n n y we i n t. "Was w i rd jetzt aus u n s werde n ? " "Ich
wei ß
es
n i cht",
trüb-
sagt Stefan
sin nig . •
•
Sie setzen sich auf den stei n i g e n nassen Boden u n d l eh nen s i ch anei n ander. I m Schach tg ang knistert u n d kn ackt es. Ab u n d zu fä l l t e i n S te i n aus den Wä nden, u nd
man chmal
B rocken
sch l ägt
h ern ieder.
polternd
Obera",
wo
ein
Stefan
u n d H e n n y h i nschauen, ist D u n kel heit und 72
Nacht.
H e n ny wil l a u ch
nirgends
meh r
h in seh e n . Schwarz u n d g rau sam kalt ist der Schacht. Nirg ends ein lichtschim mer. N i rge n d s ? "Aber dort ist doch licht ! " H enny sch reit es aus sich h erau s . "Ist doch licht ! ", kräht es aus dem Schacht zu rück. Stefan streicht sich
ü b e r die Augen . Er
blinzelt u n d zwinkert. lich t ! Diesmal hat H e n ny kein en
Berg geist geseh en. Weit,
weit hinten in dem Gang sieht er ein en sch malen ein
lichts palt.
w i n zige r
k lein e r
Ein
H offn u ng s licht,
Ritz in
die
g roße
Welt. Die Beine sin d pl ötzlich nicht m e h r schwer. H e n ny u n d Stefan rich ten sich auf. Sie fas sen sich an den H ä nden, tasten sich die Wä nde entlang u n d gehen Sch ritt f ü r S ch ritt dem H offn u n g slicht entg eg e n . Langsam wird d e r S palt b reiter. Die Luft ist wä rmer g eworden , u nd es riech t nach Wald u n d frisch em S chal holz. 6
Igellreundschoft
73
"Wir sind wied er auf der Erde ! " "Auf d e r E rd e " , u n kt es aus dem S chacht. Die Offn u n g , vor d e r Henny u n d Stefan ste h e n , ist verbaut. S te m pel stützen h ä n gend e Steine ab. Der Berg ist aufgerissen . "Das ha ben die M e n sch en in den letzten h u n dert Jahre n getan", sagt Stefa n , u n d seine Stim m e klingt gar nicht m eh r ä n gst lich . "Du
m einst",
fragt
Henny verstört,
"es
sind wirklich h u ndert Jah re vergan g en ? " "Du siehst es doch. Als wir hier ein stiegen, standen
n och
B ü sch e vor dem
Sch acht.
Jetzt ist al l es mit Stützen verbaut." Stefan rä umt hastig ein paar Stein e z u r Seite u n d k riecht in das Lich t. H e n n y zieht er an den Armen aus dem Schacht h e rau s . Sie stehen wied er auf der E rde, a uf Wald boden zwisch en B ä u m e n . Das Licht b re n n t in ihren Augen. Aber das ist ein S ch m erz, den sie nicht s p ü ren wol l e n . U n d wie sich der Platz vor d e m S chacht74
ein gang
verä ndert
hat!
b reiten sich Wies en,
Am
Waldrand
u n d es d uftet wie
Pfefferminz. H e n ny atmet den D uft ein, als we n n sie ihn n och n ie ges p ü rt hätte. Die Welt hat sich verwan delt. Die Fichten e rscheinen Stefan u n d Henny g r ü n er, die B l u m en b u nter, der Him mel blauer. "Auch ein Dorf haben die Men s chen in den
letzten
h u n dert J a h re n hierher ge
baut", sagt Stefan u n d zeigt m it der Hand in das Tal . "Als wir in d e n S ch acht ging e n , war hier noch Kah lsch lag, u n d d rü ben auf dem Berg stand dichter Wald . " "Ein Dorf ist aber nicht vie L " H e n n y ist ein wenig enttä uscht. " U n d das Dorf sieht n och genauso aus wie die Dörfer damals, wir
n och
Ki nder
waren . "
wirkl ich
keine
Kinder
m eh r ?
als
einander an .
Sind
sie
Sie sehen
Nein , älte r sin d sie nicht
g ewo rden . Stefans G esicht g l ä nzt leh m versch miert, u n d H e n n y h at ein e b reite Falte auf d e r Stirn . 6°
Das ist die letzte 75
Ang stfalte, d ie g leich wieder verschwin den wird . Aber ä l te r sin d sie nicht geworden, u n d sch o n gar nicht h u ndert Jah re. Beh utsam u nd andäch tig gehen sie bis z u m Wal d rand u n d dan n in das Dorf hinein. "Die S perlinge trag en jetzt weiße Federn im Gefieder" , sagt Stefan u n d freut sich, ein e
Besonderheit gef u n den
zu
haben.
Auf ein em rund en Feldstein trippelt ein Vog el u n d wetzt sich den Sch n abe l . "Das ist ein Wiesen pieper, den gab es vor h u ndert J ah ren auch sch o n . " "Aber auf dem
Traktor
dort sitzt
kein
M e nsch m e h r. " "Es sitzt doch einer d rauf. Schau n u r hin", beharrt Hen ny. "Wie vor h u n d e rt Jahre n . " Sie n ä h ern sich dem Dorf. Hen nys Ent täu sch u n g wird immer g rößer. Alles, was sie sieht, gab es vor h u n dert Jahren auch sch o n . "Sogar der Kon s u m besteht noch." U n d der J u n ge, der aus dem Laden kom mt, 77
steigt n i cht i n ei nen H u bsch ra u ber, son dern l ä uft gena uso die Dorfstra ß e ent l a n g , wie es e i n stma l s H e n ny u n d Stefa n g eta n hatte n . In seinem E i n ka ufsn etz trägt der J u n g e Brot u n d Zitronen . .. Aber d i e Zitronen s i n d g rößer gewor den " , sagt Stefa n . .. Sie
sind
noch
g e n a u s o g ro ß w i e vor
h u ndert J a h re n " , stel lt H e n ny fest. U n d so viel s i e a u ch Neues a uf d er Welt zu fin den s u ch e n , sie entdecken n i chts. Sog a r der Vol ks p o l i zist trägt noch die g l ei ch e U n i form . Al les wie vor h u n dert J a h re n . Wi e a ber würden sich d i e M ensch e n be n e h m e n ? Sagen s i e i m m e r n och .. G u ten Ta g " u n d .. Auf Wiederseh en" ? Auf der Stra ße treffen H e n ny u n d Stefa n ei n paar Kin de r, d i e a u s dem Sch u l ho rt kom m e n . Als H e n ny s i e a n s prech en will , sagt d e r g rö ßte z u i h n en : .. Ih r seid aber d reckige
Ferkel .
Geht nach
H a u se u n d
wasch t e u ch ! " 79
Da sch ä men s i ch d i e beiden u n d b i egen von
der
Dorfstra ße
auf
nächsten
den
Feldweg a b . An der Weg k rü m m u n g a u f e i n er B a n k sitzt ei n a l te r M a n n . E r sitzt tief ü ber sei nen Stock gebeugt u n d
beme rkt d i e beide n
erst, a l s s i e n a h e vor i h m stehen. "G ute n Tag ! " sagt Stefa n ' h a l b l a u t u n d zögern d .
Der
a l te
Mann
sch a u t
a uf,
•
n i ckt f reu n d l i ch u n d a ntwo rtet ebenfa l l s : "Guten Ta g ! " Wievor h u ndert J a h ren , d e n k t Hennywieder. "D ü rfen wir u n s setzen ?" So h öfl i ch hat i h ren
Henny
Fre u n d
Stefa n
n och
nie
fragen h ö re n . "Setzt euch n u r. I h r h a bt sicherlich e i n e weite Reise h i nter euch . " D e r a lte M a n n rutscht bis a n das Ende der B a n k . Henny ist froh,
einen
M e n sch en
g efu nde n
zu
h a ben, d e r s i ch m i t i h nen u nterh ä lt. "Wi r
sind
Stefa n eifrig . 80
sch on
a l te
Leute " ,
erzä h l t
"So seht i h r a uch a u s . " Henny sieht, wie der Alte läch elt, u n d das gefä l lt i h r g a r n i cht. Sie ist gekrä n kt. "Wie a l t seid i h r de n n ? " " I ch werd e n ä chsten
Monat h u n dertacht
J a h re a lt, u n d meine Freu n d i n ist schon h u n dertu nds ieben. " "Don nerwette r l "
entfä h rt es
dem
a l ten
Mann. "Und wi e es vor h u n dert Ja h ren a uf der Welt a u ssa h , kön nen wir I h nen gena u e r zä h l e n . Damals waren wi r n och Pioni ere u n d seh r d u m m . U n d ols der erste S putn i k z u m H i m m el flog, g i ngen wir noch n i ch t e i n m a l zur Sch u l e . " "Wie hat sich doch d i e Welt seitdem ver ä n dert", pra h lt Stefa n . " D a m a l s sta n den i n d i esem Ta l n och u n hei m l ich e Wä lder. Es wa r e i n e wilde Geg e n d . " "U nd wa n n h a bt i h r denn z u m l etzten m al gesch l afen ? " fragt der A lte besorgt. Stefan u n d H e n ny sehen s i ch
betroffen 81
a n . H e n ny sch ieblt d i e U n terl i p pe vor, a l s m ü ßte s i e a n gestrengt nach rech n e n . "Heute nacht vor h u n dert J a h re n " , a nt wortet sie ernst. Stefa n vers u ch t g leich zu g ä h n e n . So wie es s i ch geh ört, we n n man h u ndert J a h re n i cht g esch la fen h a t. "Wi r
damals
wo h nten
in
Georgsta n n .
Das wa r e i n klei n es Dorf, das S i e sich er l i ch n i ch t k e n n e n . " " D och " ,
sagt d e r Alte.
"Ich
kenne es.
Georgsta n n l iegt h i nter d i esem Berg . " Er wei st m it dem Stock i n d i e Richtu n g , wo die Son n e sch on ü b er den Fichte n steht. "Kön nen
wir
h i n fl i egen ? "
fragt
Stefan
g roßspuri g . "In G eorgsta n n g i bt es h eut z uta g e sich er l i ch e i n e n F l u g platz . " " N e i n , ei nen F l u g platz g i bt es i n Georgs ta n n noch n i cht. Gehen w i r zu Fu ß d a h i n . Ich
werde euch
bis
a uf den
Berg
be
g leiten . " Wä h rend s i e den Fel dweg h i n a ufsteigen, e rzä h l t Hen ny a l l i h re Erlebn isse. Wie sie 82
i n den Sch ach tgang g esti egen s i n d u n d wie s i e dem
Berggeist beg egnete n, der
g a r kei n Berggeist war. Wie der E i n g a n g zum
S chacht
damals
mit
B ü sch en
be
wach se n war u n d h e u te m i t Stempeln ver baut ist. " U n d waru m wol l tet i h r d i e Welt i n h u n dert J a h ren ken n e n l e rnen ? " "We i l
d ie
Ki n der i n
d ieser Wel t n i ch t
m e h r zu lernen b ra u ch e n . W i r m u ßten u n s d a m a l s noch q u älen, u m hera u szubeko m m e n , w ievi el si eben m a l n e u n ist. " Da lacht de r Alte a u f. Er b l e i bt ste h e n u n d m u ß vor l a uter Lach e n tief Atem h ol e n . M i t dem Sch n u pftuch betu pft er s i ch d i e Augen u n d wischt sich d e n Lachschwe i ß von sei nem H a l s . H e n n y h ä l t sich d i e Ohren z u . S i e ka n n den Spott n i cht höre n . S i e m öchte wieder zu rück i n j ü nger
ist.
i h re Welt, M öchte
d ie h u n dert J a h re wi eder
zur
Sch u le
gehen u n d einfach lernen w i e d i e a n deren 83
Ki nder. N u r a u sgelach t wi l l sie n i ch t meh r werd e n . Als d i e d re i a u f dem Berg a n ko m m e n , können s i e nach beiden S eiten i n das Ta l h i n a bsch a ue n . " Seht" , sagt der Alte. Jetzt ist sein G es icht ern st, u n d e r hebt s e i n e n Stock w i e der Leh rer i n Georgsta n n , we n n er e i n M ä r chen b i l d erklärt. "Seht, dort u nten stehen d i e Teufelsstei neo
Dort seid
Sch acht h i n e i n g ega n g en . "
i h r i n den
E r d reht sich
u m u n d zeigt i n d a s a n d e re Ta l . "Und dort a u s di eser Offn u n g seid i h r wieder h era usgeko m m e n . Bei den Teufelsstei nen ist der Gang verwa chsen, u n d a u f d i eser Seite i st er m i t Ste m pe l n a bg estützt. Ih r seid i n d rei Stunden d u rch den B e rg ge k roch e n , das i st das g a nze Ge hei m n is . " Der Alte stü tzt s i ch a uf seinen Stock u n d beugt s i ch zu Henny u n d Stefa n hera b. Sei ne Augen b l i n ke n l i stig . "Und so wie e u ch g eh t es a l len M e n sch en, d i e fü r d i e 84
Fa u l heit i h re Kl u g h e i t verschwen den . Ih r wol lt a uf den M o n d u n d a uf d i e Sterne f l i egen ,
aber
lern e n .
n i ch ts
Ih r
wol lt,
daß d i e Erde s ch ö n e r wird, aber n i chts dazu
tun.
so
Ih r 'fIol it
leben,
wie d i e
M e n sch e n i n h u n dert J a h re n leben, a be r i h r g l a u bt a n das, was d i e M ensch en vor h u n dert J a h ren n icht
mög l ich .
N e i n , das ist
g l a u bten . U nd
lernen
werden
d ie
M e n sch en i m m er m ü ssen . I n h u n dert u n d a u ch
i n ta u send Ja h re n .
zwei
S pitzb u ben,
die
ihr
U n d a u ch die
Zeit
ihr be
steh len wo l l tet, werdet euch n i cht davor d r ücken kön n en . " Stefa n u n d Henny ziehen besch ä m t den Kopf ei n . S i e tra u en s i ch n i ch t m e h r, dem a l ten M a n n i n d i e Augen zu sehen . "Die Welt w i rd sch ö n e r werd en " ,
mun
terte s i e der Alte a uf. "Aber n i cht d u rch Za u bere i . I h r m ü ßt s chon etwas d a z u tu n . N u n geht n a ch H a u s e . Dort h i n ter dem H ü gel
l i egt
Georg sta n n .
Und
für
die 85
nächsten hundert Jahre wünsche ich euch alles Gute." " Danke", sagt Henny schwerfällig. "Danke", brummelt auch Stefan. Der alte Mann lacht wieder. Es ist ein ver gnügtes Lachen. Lange Zeit winkt er mit dem Schnupftuch, und die beiden winken zu ihm zurück. " Und ich weiß doch, was sich in hundert Jahren
verändert
haben
wird",
sagt
Henny fröhlich, als sie mit Stefan wieder allein ist. "In hundert Jahren werden alle Menschen so freundlich sein wie unser alter Mann."
87
I n ha lt Die Igelfreu ndschaft
5
Der Wunde rschacht
54
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