010_Kurs 1 Kapitel 4 - Torsion

January 11, 2017 | Author: ahmedhossam | Category: N/A
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4

Torsion

4.1

Einführung

Stäbe können zusätzlich zu den Schnittgrößen Normalkraft, Querkraft und Biegemoment auch durch ein Torsionsmoment beansprucht werden. Grundlage der Torsionstheorie ist ein linear-elastisches Materialverhalten, so dass die vorgestellten Methoden und Berechnungsverfahren hauptsächlich als Ergänzung zu Kapitel 3, Abschnitt 3.8 „Das Verfahren ElastischElastisch“ zu sehen sind. Aufgrund ihres Umfangs wird der Torsionstheorie ein eigenes Kapitel gewidmet.

4.2

Grundlagen

4.2.1

Vorbemerkung

Leider werden zum Thema Torsion in der Literatur für ein und dieselbe Größe zahlreiche verschiedene Symbole und teilweise auch Bezeichnungen verwendet. Die folgende Tabelle soll die Zuordnung erleichtern, erhebt jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Symbol

MT mT Mx Mx,p Mx,s

Bezeichnung / Erläuterung (Einzel-)Torsionsmoment (äußere Belastung) (Strecken-)Torsionsmoment (äußere Belastung) Torsionsmoment (Schnittgröße) primäres Torsionsmoment (Saint Venant) sekundäres Torsionsmoment (Wölbkrafttorsion) Drehwinkel um die x-Achse, Verdrehung

‘ p

Verdrillung primäre Schubspannung Wölbschubspannung Wölbnormalspannung

Am

von der Blechmittellinie umschlossene Fläche

alternative Symbole

alternative Bezeichnungen

MD md MT, T Tv, Mx,1 Tw, T , Mx,w, Mx, , Mx,2 , x ‘, x‘

Wölbtorsionsmoment

Drillung Verwindung, Drall, bezogene Änderung des Drehwinkels

v s, s, Ak,

w 2

sekundäre Schubspannung sekundäre Normalspannung

Tabelle 4-1: Alternative Bezeichnungen und Symbole diverser Größen

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IT G·IT WT I

Torsionsflächenmoment 2. Grades

I D , JD , K G·ID, G·JD

Torsionskonstante (K)

Wölbflächenmoment 2. Grades

Iw, CM, A

Wölbwiderstand, sektorielles Trägheitsmoment

E·I

Wölbsteifigkeit

E·Iw, E·CM, E·A

M S

Wölbbimoment

Torsionssteifigkeit Torsionswiderstandsmoment

Wölbflächenmoment 1. Grades Einheitsverwölbung

A w,

sektorielles statisches Moment sektorielle Koordinate

Grundverwölbung

C C

Wölbfedersteifigkeit

c

Drehfedersteifigkeit Abklingfaktor

Tabelle 4-1 (Fortsetzung): Alternative Bezeichnungen und Symbole diverser Größen

4.2.2

Wölbfreie Querschnitte

Unter Torsionsbeanspruchung tritt eine Verdrehung des Stabes um seine Längsachse (bzw. um eine dem Stab aufgezwungene, zur Längsachse parallele Drillachse A) mit dem Verdrehungswinkel auf. Wird die Verdrehung d auf die Längeneinheit dx bezogen spricht man von der Verdrillung d /dx = ‘.

Bild 4-1: Verdrillung ‘ eines Stabelements

Mit der Verdrillung geht bei nicht wölbfreien Querschnitten eine Verwölbung u einher: die einzelnen Querschnittspunkte („Fasern“) verformen sich in Stablängsrichtung unterschiedlich stark, wobei der Stabquerschnitt nicht eben bleibt, er verwölbt sich.

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Bild 4-2: Verwölbung u infolge Torsionsbeanspruchung Mx

Bei sogenannten wölbfreien Querschnitten treten keine Verwölbungen auf. Es gibt drei Arten von wölbfreien Querschnitten:

Rotationssymmetrische Querschnitte

Bild 4-3: Vollkreis

Bild 4-4: Kreisring

Profile aus zwei sich kreuzenden dünnen Blechstreifen Der Schubmittelpunkt M liegt im Schnittpunkt der Profilmittellinien.

Bild 4-5: Wölbfreie Querschnitte aus zwei sich kreuzenden Blechen M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Dünnwandige Hohlquerschnitte mit Zusatzanforderung Für dünnwandige, durch schmale Rechtecke gebildete Hohlprofile werden die Wanddicken der einzelnen Bleche in den Querschnittsecken als Vektoren angetragen und aus je zwei Blechdickenvektoren wird ein resultierender Blechdickenvektor gebildet. Wenn sich alle resultierenden Blechdickenvektoren in einem Punkt schneiden dann ist dieser Schnittpunkt der Schubmittelpunkt M. Ein solcher Querschnitt ist wölbfrei.

Bild 4-6: Wölbfreies Hohlprofil

Bild 4-7: Dreieckshohlprofil

Diese Forderung wird von jedem Dreieck mit beliebigen Blechdicken erfüllt.

 Alle Dreiecks-Hohlprofile sind wölbfrei.

Ferner erfüllen auch alle polygonal begrenzten Querschnitte mit konstanter Blechdicke diese Forderung, wenn in sie ein Kreis einbeschrieben werden kann. Der Mittelpunkt dieses Kreises liegt auf den Winkelhalbierenden je zweier benachbarter Bleche und ist zugleich der Schubmittelpunkt.

Bild 4-8: Dreieckshohlprofil

Bild 4-9: Hohlprofil mit t=.const und einbeschriebenem Kreis

 Alle Polygone mit konstanter Blechdicke t, die einen Kreis umschließen, sind wölbfrei.

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Achtung: Die Eigenschaft der Wölbfreiheit geht verloren, wenn es eine Zwangsdrillachse gibt und sich der Querschnitt nicht um seinen Schubmittelpunkt verdrillen kann.

Alle anderen Querschnitte sind nicht wölbfrei.

Beispiele:

Bild 4-10: Nicht wölbfreie Querschnitte

Als näherungsweise wölbfrei gelten z.B. rechteckige Hohlprofile, deren Seitenlängen a und b sich nicht zu sehr voneinander unterscheiden.

4.2.3

Die zwei Arten der Torsion

Man unterscheidet zwei Arten von Torsion: St. Venantsche Torsion und Wölbkrafttorsion.

Die St. Venantsche Torsion wird auch zwangsfreie Drillung genannt. Alle Querschnitte des Stabes können sich ungehindert verwölben. Durch die Querschnittsverwölbung erfahren die Querschnittsfasern unterschiedliche Dehnungen x. Da sich diese Dehnungen ungehindert einstellen können, entstehen nur Schubspannungen, aber keine Normalspannungen. Die Schubspannungen infolge St. Venantscher Torsion werden als „primäre Schubspannungen p“ bezeichnet.

Die Wölbkrafttorsion wird auch als Zwangs- oder Zwängungsdrillung bezeichnet. Wird die freie Verwölbung eines nicht wölbfreien Querschnittes behindert (z.B. einbetoniertes Trägerende), so entstehen neben primären Schubspannungen p auch „sekundäre Normalspannungen “ und „sekundäre Schubspannungen “. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Für wölbfreie Querschnitte gilt im Allgemeinen die St. Venantsche Torsion. Für nicht wölbfreie Querschnitte muss in der Regel die Wölbkrafttorsion berücksichtigt werden. Für wölbarme Querschnitte kann die St. Venantsche Torsion oft als brauchbare Näherung verwendet werden.

Wenn die Wölbkrafttorsion zu berücksichtigen ist, kann das Torsionsmoment Mx in zwei Anteile zerlegt werden, welche zu primären und sekundären Spannungen führen:

Mx mit

M x, p

M x ,s Mx,p:

Saint Venantsche Torsion

Mx,s:

Wölbkrafttorsion

Es liegt dann gemischte Torsion vor.

Bild 4-11: Gemischte Torsion

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Infolge des Torsionsmomentes Mx verdreht sich der Querschnitt um seine Längsachse. Wären die Flansche nicht mit dem Steg verbunden, so würden sich die drei Einzelbleche jeweils um den Winkel verdrehen, wobei die Schwerpunkte der Einzelbleche auf der z-Achse verbleiben würden. Die Endpunkte des Steges würden sich relativ zu den Flanschmitten um das Maß voben bzw. vunten verschieben. Die zu diesem Zustand gehörenden primären Schubspannungen p laufen um jeden Querschnittsteil im gleichen Drehsinn herum. Dieser Zustand entspricht dem Anteil aus Saint-Venantscher Torsion. Natürlich tritt in der Realität zwischen den Flanschen und dem Steg keine Klaffung auf, so dass die Flansche zusätzlich zur Rotation (x) auch eine Translation voben bzw. vunten erfahren, da die Querschnittsform erhalten bleibt (Verträglichkeit der Verformungen der Querschnittsteile). Damit sich diese Verformung der Flansche einstellt, müssen in den Flanschen zwangsläufig sekundäre Schubspannungen und auch (hier nicht dargestellte) Wölbnormalspannungen auftreten. Dieser Zustand entspricht dem Anteil aus Wölbkrafttorsion.

Diese Schubspannungsverteilung führt nur zu Verdrehungen um den jeweiligen Schubmittelpunkt der Einzelbleche (identisch mit Schwerpunkt der Einzelbleche), nicht aber zu Verformungen quer zur Stabachse.

Die Theorie zu den beiden Torsionsarten wird in den folgenden Abschnitten ausführlich erklärt.

4.3

Die Saint Venantsche Torsion

4.3.1

Voraussetzungen

Es müssen folgende Voraussetzungen eingehalten sein, damit reine St. Venantsche Torsion vorliegt: Der Werkstoff verhält sich linear-elastisch (Verfahren Elastisch-Elastisch). Die auftretenden Formänderungen sind klein im Vergleich zu den Abmessungen des tordierten Stabes. Die Querschnittsform bleibt erhalten. Torsionsmomente greifen nur an den beiden Stabenden an. Die entstehenden Querschnittsverformungen in Längsrichtung (Verwölbung) werden nicht behindert . M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Unter diesen Voraussetzungen entstehen nur Schubspannungen nantsche oder primäre Schubspannungen bezeichnet.

p.

Sie werden als St. Ve-

Die Forderungen, dass Torsionsmomente nur an den Stabenden angreifen und Verwölbungen nicht behindert werden dürfen, gelten nur für nicht wölbfreie Querschnitte.

Die Erhaltung der Querschnittsform ist von großer Bedeutung. Deshalb werden insbesondere an Krafteinleitungsstellen (Angriffspunkte von Einzellasten, Lager) Rippen, Schotte oder steife Querverbände angeordnet. Zu beachten ist jedoch, dass Maßnahmen zur Erhaltung der Querschnittsform abhängig von deren individueller Ausführung dazu führen können, dass die freie Verwölbung des Querschnittes nicht mehr möglich ist und somit keine reine St. Venantsche Torsion mehr vorliegt (Beispiel: dicke Stirnplatten oder Rippen).

4.3.2

Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion

Anhand eines Kreisquerschnitts wird die Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion hergeleitet. Der infinitesimal kleine Stababschnitt der Länge dx wird durch das Torsionsmoment Mx,p beansprucht.

Bild 4-12: Stabelement der Länge dx unter Torsionsbeanspruchung

Für die Verformung eines Punktes im Abstand r von der Stabachse gilt

r d ( x) dx

,

woraus unmittelbar die Verzerrung folgt.

d ( x) r dx

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Die Schubspannungen

G

p

p

betragen in Abhängigkeit vom Abstand r von der Stabachse

d ( x) r dx

G

Anmerkung: Der Schubmodul G beträgt für Baustahl 81.000 N/mm².

Bild 4-13: Schubspannungsverteilung im Vollkreis

Bild 4-14: Infinitesimales Element dA

Durch Integration der Schubspannungen über die Querschnittsfläche erhält man das Torsionsmoment Mx,p als Resultierende der Schubspannungen.

M x, p

p

r dA

A

d ( x) G dx

r 2 dA A

Ein wichtiger Querschnittswert ist das Torsionsflächenmomentes 2. Grades I T, das mit der Einheit [cm4] angegeben wird.

Mit dA

r d

dr berechnet man IT für den betrachteten Kreisquerschnitt zu r

d 2

r 2 dA

IT A

r

2

r 2 r d dr r 0

0

d 2

r 3 2 dr r 0

d4 . 32

In gleicher Weise lässt sich IT eines Kreisringquerschnittes bestimmen.

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IT

r4 2

IT

2 2

[r 4

r4

(r t ) 4 ] 1 4

IT Bild 4-15: Schubspannungsverlauf und IT (Vollkreis)

2

t r

r4

für

t r

1

r3 t

Bild 4-16: Schubspannungsverlauf und IT (Kreisring)

Umstellen der Bestimmungsgleichung für Mx,p und Einsetzen der Beziehung für IT liefert die Differentialgleichung (DGL) der St. Venantschen Torsion.

( x)

d ( x) dx

M x, p

DGL der St. Venantschen Torsion

G IT

Damit vereinfacht sich nach Auflösen und Einsetzten auch die Gleichung zur Berechnung der Schubspannungen:

p

G

G

d ( x) r dx

M x, p IT

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r

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4.3.3

Vollquerschnitte

4.3.3.1 Allgemeine Vollquerschnitte Die Schubspannungen infolge St. Venantscher Torsion können für beliebige Vollquerschnitte mit Hilfe der Prandtlschen Membrananalogie (Analogie zur Poissonschen DGL) exakt bestimmt werden.

Bild 4-17: Prandtlsche Membrananalogie (Seifenhautgleichnis)

M x, p

p

( x) r dA

A

Dabei entspricht die Torsionsbeanspruchung dem Druck auf die Membran. Das Torsionsmoment aus St. Venantscher Torsion entspricht dem Zweifachen des Volumens, das von der Querschnittsoberfläche und der Membranoberfläche begrenzt wird. Die Schubspannungen verlaufen tangential zur Membran, wobei ihr Betrag der jeweiligen Neigung der Membran entspricht. Die Membrananalogie lässt sich aus dem Vergleich der Auslenkung der Membran mit der DGL der Torsion dickwandiger Stäbe herleiten.

Für Vollquerschnitte folgt daraus:

IT

2 A M x, p p

ds

s

IT

A4 Näherung nach St. Venant für Vollquerschnitte 40 ( I y I z )

Weitere Ausführungen sind der einschlägigen Literatur zur Technischen Mechanik zu entnehmen (z.B. E. Pestel / J. Wittenburg: Technische Mechanik Band 2, Wissenschaftsverlag 1986, ISBN 3-411-01608-6). M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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4.3.3.2 Rechteckquerschnitte Für einen Rechteckquerschnitt mit den Abmessungen t·h beträgt der Maximalwert der Schubspannungen

M x, p p , max

h t2

,

und das Torsionsflächenmoment 2. Grades

IT

h t3.

und sind Beiwerte, die vom Verhältnis h/t der Querschnittshöhe h zur Querschnittsdicke t abhängen.

Bild 4-18: Schubspannungsverteilung bei einem dickwandigen Rechteckquerschnitt

Bild 4-19: Schubspannungsverteilung bei einem dünnwandigen Rechteckquerschnitt

Während bei dickwandigen Querschnitten die Schubspannungsverteilung über den Querschnitt nicht linear ist, sind die Schubspannungen bei dünnwandigen Querschnitten über die Blechdicke t linear verteilt.

Tabelle 4-2 ist zu entnehmen, dass für

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h t

und

einen Grenzwert von 1/3 besitzen.

412

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h/t

1,0

2,0

3,0

6,0

10

0,140 0,208

0,229 0,246

0,236 0,267

0,299 0,299

0,313 0,313

Tabelle 4-2: Beiwerte

Für

h t

10 ist

und

1/3 1/3

für Rechteckquerschnitte

0,313 , also schon recht nahe am Grenzwert 1/3, d.h. als Kriterium für

das Vorliegen eines dünnwandigen Querschnitts kann in etwa ein Verhältnis

Mit

1/ 3 beträgt die maximale primäre Schubspannung

p

h t

10 gelten.

für einen dünnwandigen

Rechteckquerschnitt p , max

IT

3 M x, p t h t2 t

M x, p IT

t , mit

1 h t3 . 3

In diesem Zusammenhang sei auf folgendes Paradoxon hingewiesen:

Jene Schubanteile, die parallel zur kleinen Abmessung t verlaufen, erscheinen im Vergleich zu den Anteilen entlang der großen Abmessung b vernachlässigbar.

Bild 4-20: Paradoxon im Zusammenhang mit der Schubspannungsverteilung bei dünnwandigen Rechteckquerschnitten

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Integriert man die Schubspannungen über die Breite b und die Blechdicke t, so erhält man als Resultierende ein Kräftepaar, das einem Torsionsmoment Mx*entspricht.

1 M x* 2

t 2 b t 2 3

max

max

t2 t b 6 t

max

t3 1 b 6 t

1 2

max

IT t

Dieses Torsionsmoment ist nur halb so groß wie das Torsionsmoment Mx,p, das sich nach der Formel

M x, p

max

t

I T ergibt.

Dieser Widerspruch kann dadurch erklärt werden, dass an den Blechenden Schubspannungen in Dickenrichtungen wirken, die in obiger Betrachtungsweise nicht berücksichtigt wurden. Diese Schubspannungen sind den übrigen Schubspannungen im Blech gleichwertig, klingen mit zunehmender Entfernung vom Blechrand rasch ab, besitzen aber einen relativ großen Hebelarm und tragen so zur Aufnahme des Torsionsmomentes bei. Das richtige Torsionsmoment ergibt sich aus der Lösung der sogenannten Spannungsfunktion (hier nicht behandelt, siehe Fachliteratur).

Für einen dünnwandigen Rechteckquerschnitt beträgt die maximale Schubspannung

M x, p p , max

IT

t.

Zum Vergleich: Für einen allgemeinen Vollquerschnitt beträgt die maximale Schubspannung

M x, p p , max

WT

WT [cm³] wird Torsionswiderstandsmoment genannt und ist für die gebräuchlichsten Querschnittsformen in den einschlägigen Tabellenwerken (z.B. Schneider Bautabellen) enthalten.

Da Vollquerschnitte für die Metallbaupraxis eher von untergeordneter Bedeutung sind, wird bezüglich ausführlicherer Hintergrundinformationen auf die Literatur verwiesen.

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4.3.4

Dünnwandige offene Querschnitte

Für einen Blechstreifen der Dicke t und der Breite b gilt

M x, p p , max

IT

t

IT

1 b t3 3

Die gebräuchlichen Stahlbauprofile sind aus solchen dünnen Blechstreifen zusammengesetzt.

Weil die Querschnittsform voraussetzungsgemäß erhalten bleibt, muss die Verdrillung ', die sich infolge des Torsionsmomentes Mx,p ergibt, für den Gesamtquerschnitt und für jeden Teilquerschnitt (Einzelblech) gleich groß sein.

d 1 dx

d 2 dx

d i dx

...

d dx

Wegen der Gleichgewichtsbedingung

M x, p

d 1 G I T ,1 dx

M x, p ,i i

d G dx

IT i

d d 2 G I T , 2 ... i G I T ,i dx dx

d G IT dx

d G IT dx

I T ,i i

I T ,i

Mx = 0 gilt ferner

1 3

bi t i

3

i

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Bild 4-21: Aus dünnen Blechen zusammengesetzter Querschnitt.

Diese Formel gilt für nicht geschlossene Profile, die aus Blechen zusammengeschweißt oder –geschraubt sind.

Für Walzprofile wird ein Korrekturwert stehenden Rundungen zu erfassen:

IT

1 3

Profil

bi ti

eingeführt, um den Einfluss der beim Walzen ent-

3

i

L

T, C, U, Z

1,0

1,10 bis 1,15

Tabelle 4-3: Korrekturwerte

I 1,3

für verschiedene Walzprofile

Für Lamellenpakete, wie sie insbesondere in den Anfangsjahren des Stahlbaus verwendet wurden, kann IT wie folgt berechnet werden:

genietet:

IT

1 3 b0 t o 3

1 3

ci t i

3

Bild 4-22: Genietetes Lamellenpaket

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geschweißt:

IT

1 3 bs t o 3

Bild 4-23: Geschweißtes Lamellenpaket

4.3.5

Dünnwandige geschlossene Querschnitte

Einzellige Querschnitte Bei dünnwandigen offenen Querschnitten stellt sich unter Torsionsbeanspruchung ein über die Blechdicke linear veränderlicher Schubspannungsverlauf ein. Im Gegensatz dazu besitzen die Schubspannungen bei geschlossenen dünnwandigen Querschnitten über die Blechdicke einen konstanten Verlauf.

Bild 4-24: Schubspannungsverteilung in einem offenen Querschnitt

Bild 4-25: Schubspannungsverteilung in einem geschlossenen Querschnitt

Schneidet man aus einem geschlossenen Querschnitt einen Teil heraus (vgl. Ausschnitt C, Bilder 4-25 und 4-26), so kann mit Hilfe des Satzes von der Gleichheit einander zugeordneter Schubspannungen gezeigt werden, dass der Schubfluss T über den Querschnittsumfang konstant ist:

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1

Fx

0:

t1

2

1

t2

t1 dx

2

ti

T

i

t 2 dx

const.

Bild 4-26: Ausschnitt C zu Bild 4-25

Das Torsionsmoment Mx,p ist die Resultierende dieses konstanten, umlaufenden Schubflusses T. Die folgenden Gleichungen beziehen sich auf einen (beliebigen) Drehpunkt A. Der Index A macht den Bezug zum Drehpunkt A kenntlich.

Es wird eine lokale Koordinate s mit Ursprung im Punkt P0 eingeführt, die der Profilkontur tangential folgt. Jeder Querschnittspunkt P kann durch diese lokale Koordinate s als P(s) ausgedrückt werden.

Dann legt man im Punkt P(s) gedanklich eine Tangente an die Querschnittskontur. Zum Drehpunkt A besitzt diese Tangente den Abstand rt,A.

Bild 4-27: Geschlossener Querschnitt – Koordinate s, Drehpunkt und Normalabstand rt,A M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Die Schubspannungen zusammengefasst:

T ( s)

p

( s) t ( s) T

p

werden durch Multiplikation mit der Blechdicke t zum Schubfluss T

const.

Innerhalb eines infinitesimal kleinen Abschnitts der Querschnittskontur mit der Länge ds beträgt die resultierende Kraft des Schubflusses T·ds. Diese Kraft erzeugt mit dem Hebelarm rt,A ein Torsionsmoment bezüglich der Drillachse A:

dM x , p

rt , A T ds

Durch Integration von dMx,p über den gesamten Umfang des geschlossenen Querschnitts ergibt sich das Torsionsmoment

M x, p

rt , A T ds T

rt , A ds

Wegen Integration über den gesamten Umfang wird das Zeichen für das Ringintegral verwendet.

Bild 4-28: Geschlossener Querschnitt – Herleitung der Bredtschen Formeln

Das Produkt rt,A·ds kann man wie folgt deuten:

dAm

1 rt , A ds ist die Fläche des Dreiecks mit der Basis ds und der Höhe rt,A. 2

Das Ringintegral entspricht demnach dem zweifachen Wert der Fläche Am, die von der Mittellinie des Bleches umschlossen wird.

rt , A ds

2 Am

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Einsetzen und Umformen liefert die 1. Bredtsche Formel:

M x, p

T

T

rt , A ds T 2 Am

M x, p

const.

2 Am

1. Bredtsche Formel

Die maximale (primäre) Schubspannung tritt an der Stelle mit der geringsten Blechdicke auf.

max

T p

t min

Ein Punkt P auf der Mantelfläche des Stabes erfährt infolge einer Verdrehung d die Verschiebung dv tangential zur Querschnittsoberfläche.

Bild 4-29: Tangentiale Verschiebung dv eines Punktes auf der Staboberfläche infolge d

dv

rA d

cos

rt , A d

Bei einem allgemeinen, nicht wölbfreien Querschnitt führt die Schubverzerrung auch zu Verwölbungen (=Längsverformungen) du (vgl. Element aus der Profilwandung mit den Abmessungen dx·ds).

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Bild 4-30: Infinitesimales Element dx·ds aus der Profilwandung

dv dx

du ds

( s)

Mit

T G t ( s)

G

T und dv rt , A d t ( s) rt, A

Bild 4-31: Schubverzerrung am Element dx·ds

d dx

folgt:

du ds

Die Verwölbung u (=Verformung in Stablängsrichtung) eines Querschnittspunktes kann nach Umstellen der Gleichung durch Integration berechnet werden:

du

T d rt , A ds G t (s) dx

u

T d rt, A ds G t ( s) dx

s

Bei Integration über den gesamten Querschnittsumfang ist der Startpunkt PA mit dem Endpunkt PE der Integration identisch, und man erhält als Ergebnis die Differenzverwölbung u zwischen diesen beiden Punkten:

PE

u PA

T d rt , A ds G t (s) dx

s

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T d rt , A ds u ( PE ) u ( PA ) G t ( s) dx 421

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Da es sich um ein geschlossenes Profil handelt, sind Startpunkt PA und Endpunkt PE identisch, und weil zwischen zwei benachbarten „Fasern“ keine Verformungsdifferenz u auftreten kann gilt:

u s

T d rt , A ds 0 G t ( s) dx

Weiter folgt daraus

T ds G t ( s) s

rt , A s

d ds dx

T und G sind konstant und können vor das Integral gezogen werden, ebenso d /dx, weil über s und nicht über x integriert wird.

T G

ds t ( s) s

d dx

rt , A ds

( x) 2 Am

s

Mit Hilfe der 1. Bredtschen Formel

T

M x, p 2 Am

kann geschrieben werden:

M x,P

ds 2 Am G s t (s)

( x) 2 Am ,

und nach Umformung erhält man die Gleichung

( x)

M x,P

ds t (s) s 4 G Am

2

,

die analog aufgebaut ist wie die Differentialgleichung der St. Venantschen Torsion:

( x)

M x, p G IT

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422

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Man erkennt, dass

2

IT

4 Am ds t (s) s

ist. Das ist die 2. Bredtsche Formel.

Beispiel: Quadrathohlprofil 200/4

Das Hohlprofil kragt von der Einspannung frei aus und wird am Stabende durch ein Einzeltorsionsmoment belastet. Das Profil ist wölbfrei, da es eine konstante Wanddicke t besitzt und weil in das Profil ein Kreis einbeschrieben werden kann.

Bild 4-32: Eingespanntes Quadratrohr unter Torsionsbelastung

Mx,p = MT = 30 kNm l = 1500 mm

Bild 4-33: Querschnitt und Belastung (Rundungen vernachlässigt)

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423

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Die Ausrundungen der Ecken werden vernachlässigt.

Am

(20,0 0,4) 2

M x, p p

2 Am t

2

4 Am 1 ds t ( s)

IT

384 cm²

30 100 2 384 0,4

9,77 kN / cm²

4 384 2 1 4 (20,0 0,4) 0,4

3009 cm4

Verdrehung am freien Ende:

( x)

M x ( x) G IT

(l 1500 mm )

x l

( x) x

Mx l G IT

M x ( x) dx G I T 0

Mx l G IT

30 100 150 8100 3009

 0,0185 rad 1,058

Zum Vergleich wird ein über die Länge geschlitztes Rohr (offener Querschnitt) mit denselben Abmessungen betrachtet. Es wird angenommen, dass die Verwölbungen nicht behindert werden.

Bild 4-34: Längs geschlitztes Quadratrohr

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IT

1 3

I T ,i i

M x, p p , max

t

IT

bi ti

3

i

1 (2 20,0 0,43 3

2 19,2 0,43 ) 1,673 cm4

30 100 0,4 717 kN / cm 2 1,673

Verdrehung am freien Ende:

( x)

M x ( x) G IT

(l 1500 mm )

x l

( x) x

Mx l G IT

M x ( x) dx G IT 0

Mx l G IT

30 100 150 8100 1,673

 33,21 rad 1903

Hinweis: Der Stab würde damit mehr als fünfmal um seine Längsachse verdreht werden. Es handelt sich nur um ein Demonstrationsbeispiel, da eine so große Verdrehung natürlich nicht mehr von einer Theorie erfasst wird, die „kleine Verformungen“ voraussetzt.

An diesem einfachen Beispiel wird deutlich, wie stark sich geschlossene und offene Querschnitte im Hinblick auf Torsionssteifigkeit und –widerstand unterscheiden.

Größe

geschlossener Querschnitt

offener Querschnitt

Verhältnis geschlossen / offen

IT

3009 cm4 9,77 kN/cm“ 1,058°

1,673 cm4 717 kN/cm² 1903°

1799 × 1 / 73,4 × 1 / 1799 ×

p

Tabelle 4-4: Gegenüberstellung der Ergebnisse für ein offenes und ein geschlossenes Profil

Hinweis: Streng genommen müsste zu IT,geschlossen eines jeden geschlossenen Profils ein zusätzlicher Anteil IT,offen eines offenen Profils mit gleichen Abmessungen hinzuaddiert werden. Da der geschlossene Anteil aber stark überwiegt, wird dieser Anteil praktisch immer vernachlässigt. Hier z.B. wäre I T,geschlossen streng genommen 3009 + 4 4 1,7 = 3011 cm , was aber praktisch 3009 cm entspricht.

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Mehrzellige Querschnitte

Bei mehrzelligen, dünnwandigen Querschnitten ist im Regelfall nicht von vorneherein erkennbar, wie sich der Schubfluss auf die einzelnen Zellen des Querschnitts verteilt.

Bild 4-35: Schubflussverlauf in einem mehrzelligen Querschnitt

Gemäß dem Prinzip der Wasserleitung gilt, dass an einem Knotenpunkt der zufließende Schubfluss so groß ist wie der abfließende.

Für den dargestellten Ausschnitt B gilt beispielsweise

TSteg

T2

T1

Derselbe Zusammenhang ergibt sich alternativ aus dem Satz von der Gleichheit einander zugeordneter Schubspannungen, wenn für Ausschnitt B die Gleichgewichtsbedingung Fx = 0 angetragen wird.

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Aufgrund der Voraussetzung, dass die Querschnittsform erhalten bleibt, ist die Verdrillung ‘i aller einzelnen Zellen gleich groß und auch gleich groß wie die Verdrillung ‘ des Gesamtquerschnitts.

d 1 dx

d 2 dx

...

d i dx

d dx

Die Verdrillung der Einzelzellen beträgt

d i dx

M x ,i G I T ,i

Unter Anwendung der Bredtschen Formeln kann für die Einzelzellen das Torsionsträgheitsmoment IT,i und der Anteil Mx,i am gesamten Torsionsmoment Mx ermittelt werden.

I T ,i

Ti

4 Am,i ds t

2

M x,i 2 Am,i

M x,i

2 Am Ti

Setzt man diese beiden Beziehungen in die Formel für die Verdrillung ein, so erhält man die Verdrillung der Einzelzelle i in Abhängigkeit vom Schubfluss Ti.

d i dx

M x ,i G I T ,i

2 Am ,i Ti 4 G Am ,i

ds t (s) 2

ds t (s) 2 G Am ,i Ti

Es ist zu beachten, dass der Schubfluss Ti anders als beim einzelligen Querschnitt nicht über den gesamten Umfang der Einzelzelle konstant ist. Der Schubfluss Ti-1 und Ti+1 der Nachbarzellen wirkt in den gemeinsamen Wänden dem Schubfluss Ti entgegen, so dass Ti in diesen Blechen um den Betrag Ti-1 bzw. Ti+1 verringert wird (gleicher Drehsinn der einzelnen Momente Mx,i vorausgesetzt).

Unter Beachtung der gegenläufigen Schubflüsse der Nachbarzellen ergibt sich beispielsweise für die mittlere Zelle 2 des dargestellten Querschnittes folgende Verdrillung:

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427

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d 2 dx

1 2 G Am, 2

T2 Zelle 2

ds T1 t ( s)

b

ds T3 t ( s ) a

d

ds t ( s) c

Für die Zellen 1 und 3 wird auf gleiche Weise vorgegangen.

Entsprechend sortiert erhält man ein lineares Gleichungssystem:

ds t (s) Zelle1 b

ds t (s) a

b

ds t ( s) a

0 d

ds t ( s) Zelle2 d

ds t ( s) c

0

2 G Am,1

ds t ( s) c

2 G Am, 2

ds t (s) Zelle3

2 G Am,3

T1 T2 T3

0 0 0

Das Gleichungssystem ist nicht lösbar, weil für vier Unbekannte nur drei Gleichungen vorhanden sind. Die benötigte vierte Gleichung kann aus der Tatsache gewonnen werden, dass die Summe der Momentenanteile, die von den einzelnen Zellen abgetragen werden, dem Moment Mx,p entspricht.

M x, p

M x , p ,i i

2 Am,i Ti i

Das vollständige Gleichungssystem lautet:

ds t ( s) Zelle1 b

ds t ( s) a

b

ds t (s) a

ds t (s) Zelle2 d

0 2 Am ,1

ds t (s) c 2 Am, 2

0

2 G Am ,1 T1

d

ds t (s) c

ds t (s) Zelle3 2 Am,3

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2 G Am , 2 2 G Am ,3

T2 T3

0 0 0 M x, p

0

428

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Beispiel: Zweizelliger Hohlkasten

Für den dargestellten zweizelligen Hohlkasten sollen der Verlauf der primären Schubspannungen p und das Torsionsträgheitsmoment IT ermittelt werden.

Bild 4-36: Zweizelliger Kastenquerschnitt

MT = Mx,p = 1000 kNm

Zelle 1

Am,1 100 100 10000 cm2 2 Am,1

20000 cm2

2 G Am,1

ds t ( s) Zelle 1

2 8100 10000 1,62 108 kN

100 0,8

100 2,0

100 1,0

100 1,5

341,67

Zelle 2

Am, 2 100 200 20000 cm2 2 Am, 2

40000 cm2

2 G Am, 2

2 8100 20000

3,24 108 kN

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429

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ds t ( s) Zelle 2

200 2,0

100 1,2

200 1,5

100 1,0

416 ,67

Gemeinsame Zellenwand

ds t W and

100 1,0

100

1 2

Gleichungssystem

ds t ( s) Zelle1

ds t ( s) W and

2 G Am ,1

1 2

ds t ( s) W and

ds t (s) Zelle2

2 G Am , 2

T1 T2

0 0 M x, p

1 2

2 Am ,1

2 Am , 2

1,62 10 8 3,24 10 8

341,67 100 100 416,67 20000

0

40000

0

T1 T2

0 0 100000

Lösung

T1

1,412 kN / cm

T2

1,794 kN / cm 0,187 10

IT

M x, p G

5

rad / cm

1000 100 8100 0,187 10

5

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660 ,2 10 4 cm 4

430

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Bild 4-37: Schubfluss T

Bild 4-38: Schubspannung

p

Zur Überprüfung der Plausibilität der Berechnungsergebnisse wird der Querschnitt ohne Berücksichtigung des Bleches zwischen den Zellen berechnet:

I T ,einzellig

Teinzellig

4 Am ds t

M x, p 2 Am

2

4 (300 100 ) 2 100 100 300 300 0,8 1,2 1,5 2,0

1000 100 2 100 300

644 ,8 10 4 cm 4

1,67 kN / cm²

Die Berechnung unter Vernachlässigung der Trennwand zwischen den Einzelzellen liefert eine brauchbare Abschätzung der Größenordnung des Schubflusses und bestätigt die Richtigkeit der exakten Berechnung.

4.3.6

Dünnwandige Querschnitte – gemischt offen und geschlossen

Bestehen Querschnitte sowohl aus offenen als auch aus geschlossenen Teilen, dann sind zur Bestimmung des Torsionsträgheitsmomentes IT die Anteile der geschlossenen Querschnittteile und die Anteile der offenen Querschnittsteile zu addieren.

Bild 4-39: Gemischt offen-geschlossener Scherschnitt

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431

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M x , p , geschlosse n M x , p ,offen

G I T ,offen

M x, p

IT

G I T , geschlosse n

G ( I T , geschlosse n

I T , geschlosse n

I T ,offen )

I T ,offen

Klassisches Beispiel ist ein Hohlkastenquerschnitt einer Brücke. Der eigentliche Hohlkasten ist ein geschlossener Querschnitt, die auskragenden Fahrbahnplatten sind offene Querschnitte. In vielen Fällen ist der Anteil IT,geschlossen am gesamten Torsionsträgheitsmoment IT sehr viel größer als der Anteil IT,offen, so dass der Anteil IT,offen oft vernachlässigt werden kann. Je nach Größe der offenen und geschlossenen Teile ist die Vernachlässigbarkeit von Fall zu Fall zu überprüfen.

Bild 4-40: Überwiegend geschlossener Querschnitt

Für den Querschnitt aus Bild 4-40 gilt:

I T , geschlossen

1 3

I T ,offen

h, b

t

4 Am ds t

2

si t i

3

4 b2 h2 t 2 (b h) 1 2 (b h a) t 3 3

I T , geschlosse n

I T ,offen

Die offenen Anteile sind vernachlässigbar.

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432

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Im Gegensatz dazu sind beim Querschnitt aus Bild 4-41 die offenen und die geschlossenen Anteile zu berücksichtigen.

Bild 4-41: Überwiegend offener Querschnitt

Im Bereich der Zelle gilt:

M x, p ,offen p

p ,offen

p , geschlosse n

I T ,offen

t

M x , p , geschlossen 2 Am t

Formal korrekt müsste auch bei rein geschlossenen Querschnitten, die keine abstehenden offenen Querschnittsteile besitzen, der Anteil IT,offen der einzelnen Bleche des geschlossenen Querschnitts berücksichtigt werden (also praktisch der Anteil eines identischen, aber aufgeschlitzten Querschnitts). Aufgrund des geringen Anteils von IT,offen an IT,gesamt wird IT,offen allerdings in der Praxis fast immer vernachlässigt.

4.3.7

Berücksichtigung von Nebenzellen durch eine ideelle Blechdicke

Insbesondere im Brückenbau ist die Anordnung von Hohlsteifen von Bedeutung. Diese Hohlsteifen bestehen aus Trapezprofilen, die mit dem eigentlichen Blech verschweißt werden und zusammen mit diesem als sogenannte Orthotrope Platte wirken und auch für die Aussteifung des Deckbleches sorgen (vgl. Vertiefung Metallbau).

Im Zusammenhang mit einer Torsionsbeanspruchung sind solche Trapezhohlsteifen insofern von Interesse, als sie jeweils eine eigene kleine geschlossene Zelle darstellen.

Die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf die im Brückenbau üblichen geschlossenen Querschnitte, bei denen ein konstanter Schubfluss T vorliegt.

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433

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Um die üblichen Berechnungsformeln für geschlossene Querschnitte anwenden zu können empfiehlt sich die Berechnung einer sogenannten ideellen Blechdicke tid, mit deren Hilfe die Querschnittswerte des Gesamtquerschnitts berechnet werden können.

Die einzelnen Nebenzellen sind im Abstand b0 voneinander angeordnet.

Bild 4-42: Ausschnitt aus einem Kastenquerschnitt mit Nebenzellen

Hinweis: Die Nebenzellen müssen nicht unbedingt immer im gleichen Abstand angeordnet sein. Bei variablem Abstand ergeben sich abschnittsweise unterschiedliche ideelle Blechdicken tid.

In Bild 4-43 sind die Abmessungen definiert.

Bild 4-43: Maßbezeichnungen im Bereich einer Nebenzelle

b0

b01 b02

b03

b1

b11 b12 b13

Das Deckblech besitzt die einheitliche Dicke t0, die Trapezsteife die einheitliche Dicke t1.

Unter Schubbeanspruchung teilt sich der Schubfluss T im Bereich der Nebenzelle nach dem Prinzip der Wasserleitung auf die Wandung der Hohlzelle und auf das Deckblech auf:

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434

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Bild 4-44: Schubflussverteilung im Bereich einer Nebenzelle

T

T0

T1

Noch ist unbekannt, wie groß die Schubflüsse T0 und T1 sind. Zur Bestimmung von T0 und T1 wird die Hohlzelle mit einem Längsschnitt entlang einer Kante zwischen Trapezsteife und Deckblech gedanklich aufgetrennt:

Bild 4-45: Gedanklicher Trennschnitt durch die Nebenzelle

Der Schubfluss T1 führt im Blech der Hohlzelle zu einer Schubverzerrung 1. Infolge dieser Verzerrung erfährt die freigeschnittene Kante der Trapezsteife im Vergleich zur nicht freigeschnittenen Kante eine Relativverschiebung u1:

Bild 4-46: Verwölbung u der aufgeschnittenen Nebenzelle

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435

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s b1

u1

s 0

1

T1 G t1

ds

s b1 s 0

ds

T1 b1 G t1

Analog dazu führt der Schubfluss T0 im Deckblech zu einer Schubverzerrung 0. Infolge dieser Verzerrung erfährt das Deckblech an der Stelle der Schnittkante im Vergleich zur nicht freigeschnittenen Kante der Trapezsteife die Relativverschiebung u0:

Bild 4-47: Verwölbung u des Deckbleches bei aufgeschnittener Nebenzelle

s b02

u0

s 0

0

ds

T0 G t0

s b02 s 0

ds

T0 b02 G t0

Da es in Wirklichkeit keine Schnittkante gibt und die Nebenzelle geschlossen ist, darf es im gedachten Schnitt keine Klaffung geben, es muss gelten:

u1

u0

T1 b1 G t1

T0 b02 G t0

Auflösen nach T1 ergibt:

T1

T0

b02 t1 t 0 b1

(T T1 )

b02 t1 t 0 b1

Nach einigen Rechenschritten erhält man

T1

T

1 , t 0 b1 1 t1 b02

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436

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und in analoger Weise

T0

T

1 t b 1 1 02 t 0 b1

.

Nun ist die Verteilung des Schubflusses bekannt und man kann die Verwölbung u (d.h. Längsverschiebung), die der Querschnitt innerhalb der Breite b0 erleidet, berechnen:

Bild 4-48: Tatsächliche Verwölbung u im Bereich der Nebenzelle

Entweder mit der Gleichung

u

T t0 G

(b01 b03 )

T1 (b11 b12 b13 ) t1 G

oder mit der Gleichung

u

T t0 G

(b01 b03 )

T0 b02 . t0 G

Beide Gleichungen sind gleichwertig.

Für die Berechnung der Querschnittswerte des Gesamtquerschnittes sollen die tatsächliche Blechdicke t0 und die Nebenzellen des Querschnitts mit den Nebenzellen durch ein Blech mit der ideellen Blechdicke tid gleichwertig ersetzt werden. Dieses Blech muss somit dieselbe Schubsteifigkeit besitzen wie das reale Blech mit den Nebenzellen, d.h. unter demselben Schubfluss T muss sich in beiden Konstruktionen dieselbe Verzerrung einstellen, was innerhalb der Breite b0 (= Achsabstand der Nebenzellen) auch zur selben Verwölbung u führen muss.

Die Verwölbung u des ideellen Bleches beträgt:

u

T t id G

(b01 b02 b03 )

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437

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Bild 4-49: Verwölbung u eines gleich steifen Bleches mit der Blechdicke tid

Gleichsetzen mit der Verwölbung des realen Bauteils ergibt nach Auflösen die ideelle Blechdicke tid:

T t id G

t id

4.3.8

(b01 b02 b03 )

T t0 G

(b01 b03 )

T0 b02 t1 G

T t0 G

b01 b03

b02 t b 1 1 02 t 0 b1

t 0 (b01 b02 b03 ) b02 b01 b03 t1 b02 t 0 b1

Berücksichtigung von Verbänden durch eine ideelle Blechdicke

Bei großen Hohlquerschnitten, insbesondere des Brückenbaus, werden Bleche häufig durch Verbände ersetzt. Die Verbände stellen oftmals eine gewichtsparende und kostengünstige Alternative zu vollwandigen Blechen dar. Es ist zu beachten, dass die Verbände nur Schubbeanspruchungen abtragen können, die durch Querkräfte oder Torsion entstehen. Hinsichtlich einer Normalkraft- oder Biegebeanspruchung des Gesamtquerschnitts sind die Verbände wirkungslos. Um nicht für Querschnitte, die mit Verbänden ausgesteift sind, eigene Formeln für die Torsionstheorie herleiten zu müssen, bildet man die Verbände rechnerisch durch eine sogenannte ideelle Blechdicke tid ab. Damit sind die üblichen Formeln der Torsionstheorie in gewohnter Weise anwendbar.

Zu beachten ist, dass die ideelle Blechdicke tid nur ein Hilfswert zur Untersuchung des Gesamtquerschnitts ist. Sie ist kein real vorhandener Querschnittsteil. Da tid real gar nicht existiert, darf tid auch niemals in Formeln berücksichtigt werden, in die eine „echte“ Fläche A einzusetzen ist.

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438

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Das gilt insbesondere für alle Querschnittswerte, die durch Integration

... dA A

bestimmt werden, denn dA t (s) ds , aber tid ist real nicht vorhanden, weshalb dA

0 ist.

Die Berechnung der ideellen Wanddicke erfolgt mit Hilfe des Arbeitssatzes. Die Vorgehensweise wird anhand eines Beispiels erläutert.

Beispiel: Verbandsfeld eines K-Verbandes Der Name K-Verband resultiert aus der Form des Verbandes: Die Diagonalen sind derart angeordnet, dass sie wie mehrere Buchstaben „K“ hintereinander aussehen.

Bild 4-50: Blech mit ideeller Dicke tid als gleichwertiger Ersatz für einen Verband

Der Verband soll rechnerisch durch ein Blech mit der Dicke tid ersetzt werden, das einer Verformung dieselbe Steifigkeit entgegensetzt wie der Verband. Es genügt, ein Feld des Verbandes zu betrachten.

Bild 4-51: Bezeichnungen von Verband und ideellem Blech

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439

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Das Verbandsfeld wird an den Berandungen durch den Schubfluss T belastet. Die allgemeinen Abmessungen sind Bild 4-51 zu entnehmen. AG, AD und AV bezeichnen die Querschnittsflächen von Gurten, Diagonalen und Pfosten.

Unter der Schubbeanspruchung erleidet der Verband die Verformung w. w wird mit Hilfe des Arbeitssatzes durch Aufbringen eines virtuellen Schubflusses der Größe 1 berechnet, der zur Resultierenden 1·h zusammengefasst wird.

Bild 4-52: Verformung w eines Verbandsfeldes

Die Stabkräfte werden jeweils infolge des realen Schubflusses T und des virtuellen Schubflusses der Größe 1 berechnet. Der vertikal gerichtete Schubfluss wird zu einer resultierenden Kraft T·h bzw. 1·h zusammengefasst, da die Lasteinleitung des vertikalen Schubflusses punktuell im Schnittpunkt der Diagonalen erfolgt. Die horizontal gerichteten Schubflüsse werden als Schubfluss T bzw. 1 [kN/cm] belassen, da in den Gurtstäben die Einleitung des horizontalen Schubflusses kontinuierlich erfolgt. Das geht auch aus dem Verlauf der Gurtkräfte hervor, denn aus Gleichgewichtsgründen muss die Gurtkraft einen Vorzeichenwechsel aufweisen, der sich aufgrund fehlender punktueller Lasteinleitung innerhalb der freien Gurtstablänge nur durch eine kontinuierliche Schubflusseinleitung einstellen kann.

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440

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Bild 4-53: Realer und virtueller Lastzustand im Verbandsfeld

Bild 4-54: Reale und virtuelle Stabkräfte des Verbandes

Der Arbeitssatz lautet:

1 h w

h w

1 4 3

T

1 T b3 6 E AG

b b b 1 2 2 2 E AG

2

T d3 E AD

T d 1 d d 2 E AD

T 2

h h h 1 2 2 2 E AV

1 T h3 4 E AV

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441

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Die Verformung w eines gleich steifen Bleches mit der ideellen Dicke tid unter realer Belastung durch den Schubfluss T ergibt sich direkt aus der Schubverzerrung :

Bild 4-55: Schubverzerrung und Verformung w des ideellen Bleches

w

b

T t id G

b

Unter der Voraussetzung, dass die Verformungen von realem Verband und ideellem Blech gleich groß sind, kann w in die Arbeitsgleichung eingesetzt und die Gleichung nach t id aufgelöst werden.

t id

E G

3

b 6 AG

h b 2 d3 AD

h3 4 AV

Für andere Verbandsformen erfolgt die Berechnung analog. Die Formeln für die wichtigsten Verbandformen sind in Bild 4-56 zusammengestellt, wobei zusätzlich in Obergurtfläche AO und Untergurtfläche AU unterschieden ist.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

442

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t id

E G d3 AD

E G 2 d3 AD

t id

t id

E G

h b 3

b 3

1 AO

1 AU

h b 3

b3 12

h 4 AV

1 AO

1 AU

h b 3

3

d 2 AD

b 12

1 AO

1 AU

(Kreuzverband, die Diagonalen sind im Schnittpunkt nicht verbunden)

t id

E G d3 AD

h b 3

h AV

b3 12

1 AO

1 AU

Bild 4-56: Zusammenstellung der wichtigsten Verbandsarten und deren ideellen Blechdicken

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

443

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4.3.9

Die Gabellagerung

Im Zusammenhang mit Torsionsbeanspruchung ist ein besonderer Lagertyp von Bedeutung: das Gabellager. Ein Gabellager kann ein Torsionsmoment aufnehmen, ohne dabei die Querschnittsverwölbung zu behindern (Voraussetzung für Saint Venantsche Torsion!).

Für große Hohlkastenquerschnitte des Brückenbaus werden Gabellager in Form von Querschotten angeordnet.

Bild 4-57: Symbol und Wirkungsweise von Gabellagern

Für im Hochbau übliche Doppel-T-Querschnitte kann ein Gabellager z.B. dadurch realisiert werden, dass in den Querschnitt vertikale Rippen eingeschweißt werden und der untere Flansch mit der Unterkonstruktion verschraubt wird, wobei der Schraubanschluss in Richtung der Stabachse keine Kräfte aufnehmen sollte (Langlöcher).

Bild 4-58: Gabellager in Form von eingeschweißten Rippen

Kein Gabellager stellt dagegen die bloße Verschraubung des unteren Flansches dar. Ohne vertikale Rippen ist nämlich der obere Flansch quer zur Stabachse nicht gehalten. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

444

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4.3.10 Schnittgrößenermittlung mit der Querkraftanalogie bei reiner St. Venantscher Torsion Ein Stab mit zwei Gabellagern ist statisch unbestimmt gelagert. Dies entspricht einer Vierpunktlagerung. Jedes der beiden Gabellager kann ein Moment abtragen. Zerlegt man die Auflagermomente jeweils in ein Kräftepaar, dann erhält man vier Auflagerkräfte, die den beiden Auflagerkräften entsprechen.

Bild 4-59: Gabellager in je zwei Punktlager aufgelöst

Trotz der statischen Unbestimmtheit gelingt die Schnittgrößenermittlung infolge Torsion vergleichsweise einfach, sofern es sich um einen wölbfreien Querschnitt handelt. Man bedient sich dabei der sogenannten Querkraftanalogie.

Prinzip: Die Schnittgröße Mx,p (reine St. Venantsche Torsion) verteilt sich innerhalb eines Stababschnitts, der beidseitig durch ein Gabellager begrenzt ist, genauso wie sich die Querkraft innerhalb eines Stababschnitts verteilt, der durch zwei gelenkige Lager begrenzt ist. Ist ein Stabende frei und das andere gabelgelagert, so entspricht der Verlauf des Torsionsmomentes Mx,p dem Verlauf der Querkraft in einem auskragenden Stab.

Achtung! Eine Durchlaufwirkung für St. Venantsche Torsion gibt es nicht. Äußere Torsionsmomente MT (Einzeltorsionsmomente) bzw. mT (Streckentorsionsmomente) können nicht über ein Gabellager hinaus in einem benachbarten Stababschnitt eine Torsionsschnittgröße Mx,p erzeugen (100%-ige Verdrehsteifigkeit des Gabellagers vorausgesetzt). Die Zustandslinie des Torsionsmomentes endet am Gabellager.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

445

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Beispiel: Einfeldträger mit Auskragung

mT  q

Analogie:

MT  F M x, p  Vz

Reales System:

Analogiebetrachtung:

Bild 4-60: Reales System und Ersatzsystem für die Querkraftanalogie

Stab 1:

M x , p ( A)

Stab 1:

0

M x , p ( Blinks )

Vz (A) 0 Vz ( Blinks)

mT l1

Stab 2:

M x , p ( Brechts) M x , p (C )

q l1

Stab 2:

2 MT 3 1 MT 3

mT mT

l2 2

l2 2

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

Vz ( Brechts) Vz (C )

2 F 3 1 F 3

q q

l2 2

l2 2

446

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Verlauf des Torsionsmomentes Mx,p:

Verlauf der Querkraft Vz:

Bild 4-61: Schnittgrößenverläufe von realem System und Ersatzsystem

Nochmals zur Erinnerung: die hier gezeigte Querkraftanalogie gilt nur für Stäbe mit wölbfreiem Querschnitt (reine St. Venansche Torsion)!

Für den anderen Grenzfall „Reine Wölbkrafttorsion“ gibt es ebenfalls eine Querkraftanalogie, die in Abschnitt 4.4.7 dargestellt wird.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

447

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4.4

Die Wölbkrafttorsion

4.4.1

Einführung

Wird ein Stab infolge einer Torsionsbeanspruchung um seine Stabachse verdrillt, so gehen mit der Verdrillung ‘ auch Verwölbungen u des Querschnitts einher, sofern es sich nicht um einen wölbfreien Querschnitt handelt oder die Voraussetzungen für reine Saint-Venantsche Torsion erfüllt sind. Als Verwölbung bezeichnet man in diesem Zusammenhang die Verschiebung u eines Querschnittspunktes (einer Querschnitts-„Faser“) in Stablängsrichtung. Da die einzelnen „Fasern“ unterschiedliche Verformungen u erfahren verwölbt eine ehemals ebene Schnittfläche wie am Beispiel eines Doppel-T-Trägers dargestellt.

Bild 4-62: Verwölbung u infolge Torsionsbeanspruchung M x

Das Ebenbleiben des Querschnitts, wie es nach der Bernoulli-Hypothese im Rahmen der Biegetheorie postuliert wird, ist nicht mehr gegeben, wobei davon nur der Gesamtquerschnitt betroffen ist und die einzelnen Querschnittsteile (Flansche, Stege, einzelne Bleche) weiterhin eben bleiben.

Bevor die theoretischen Hintergründe zur Wölbkrafttorsion in allgemeiner Form hergeleitet werden, soll das Wesen der Wölbkrafttorsion anhand eines Rohrquerschnitts verdeutlicht werden.

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Beispiel: Rohrquerschnitt

Ein Stab mit Rohrquerschnitt ist an einem Ende eingespannt und am anderen Ende durch ein Torsionsmoment MT belastet. Wie in Abschnitt 4.2.2 dargestellt sind Stäbe mit geschlossenem, rotationssymmetrischem Querschnitt wölbfrei. Unter Torsionsbeanspruchung stellen sich keine Verwölbungen ein, der Querschnitt bleibt eben und die Abtragung des Torsionsmomentes MT erfolgt ausschließlich durch Saint-Venantsche Torsion (primäre Torsion Mx,p).

Bild 4-63: Kreisringquerschnitt (wölbfrei) unter Torsionsbeanspruchung

Wenn das Rohr über die gesamte Stablänge geschlitzt wird, so dass ein offener Querschnitt entsteht, dann ist der Querschnitt nicht mehr wölbfrei. Unter Torsionsbeanspruchung verformen sich die Fasern des Stabes in Längsrichtung (vgl. z.B. Punkt A beim Übergang nach A‘) und der Querschnitt verwölbt sich, was anhand eines gerollten Blattes Papier oder einer geschlitzten Papprolle leicht nachvollzogen werden kann.

Bild 4-64: Längs geschlitzter, nicht wölbfreier Kreisringquerschnitt unter Torsionsbeanspruchung

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Es ist offensichtlich, dass durch die Einspannung am linken Stabende eine Behinderung der Verwölbungen entsteht, die zu Normalspannungen im Stab führt ( = E· ). Das Torsionsmoment MT wird anteilig durch Saint-Venantsche Torsion (Mx,p) und Wölbkrafttorsion (Mx,s) abgetragen, wobei die Anteile der beiden Torsionsarten am gesamten Torsionsmoment Mx = Mx,p + Mx,s vom Abklingfaktor und der Stablänge l abhängen. ist ein Querschnittswert, der im Abschnitt 4.4.6.2 ausführlich erläutert wird.

4.4.2

Allgemeine Anmerkungen

Im weiteren Verlauf des Kapitels wird das notwendige Hintergrundwissen vermittelt, das überwiegend stark von der Technischen Mechanik und der Mathematik geprägt ist. Für ein gutes Verständnis sind solide Kenntnisse in Technischer Mechanik und Mathematik deshalb von Vorteil. Die Wölbkrafttorsion erweckt möglicherweise den Eindruck, besonders schwierig oder theoretisch zu sein. Das liegt vor allem daran, dass die Wirkungsweise nicht so einfach auf den ersten Blick ersichtlich ist wie das z.B. bei der Biegetheorie der Fall ist. Die allgemeine Darstellung der Theorie mit vielen Formeln bringt andererseits aber den Vorteil mit sich, dass sich viele Berechnungen sehr gut systematisieren lassen, z.B. mit Hilfe einer Tabellenkalkulation.

Zur besseren Verdeutlichung wurden in die einzelnen Abschnitte viele Bilder aufgenommen, verhältnismäßig umfangreiche Beschreibungen vorgenommen und wo möglich konkrete Zahlenbeispiele angeführt. Im Nachgang an den theoretischen Teil folgt ein Abschnitt „Wölbkrafttorsion anschaulich“, der anhand eines Doppel-T-Profils die Wirkungsweise der Wölbkrafttorsion auf einfache Weise verdeutlicht.

Leider besteht in der Literatur große Uneinigkeit bezüglich der Benennung und formelmäßigen Bezeichnung der einzelnen Größen und Rechenwerte (Schnittgrößen, Querschnittswerte, etc.). Das geht sogar soweit, dass ein und dieselbe Größe teilweise mit negativem und teilweise mit positivem Vorzeichen definiert ist. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, die theoretischen Grundlagen zu kennen und zu verstehen, denn weder die eine noch die andere Darstellung ist richtig oder falsch, man versteht die Ausführungen in der Literatur aber wesentlich einfacher, wenn man die theoretischen Hintergründe kennt. In diesem Skript wird eine möglichst einheitliche Darstellung angestrebt. Wo es in der Literatur große Diskrepanzen gibt, wird darauf hingewiesen.

Die folgenden Ausführungen beschränken sich auf die im Stahlbau üblichen dünnwandigen Querschnitte. Für Vollquerschnitte sind die Zusammenhänge komplizierter.

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4.4.3

Die Einheitsverwölbung

Unter Torsionsbeanspruchung erfährt ein nicht wölbfreier Querschnitt nicht nur eine Verdrehung um die Stablängsachse ( ), sondern auch eine Verwölbung seiner Querschnittsfläche. Bei der Verwölbung handelt es sich um Verschiebungen der einzelnen Querschnittspunkte in Stablängsrichtung u, es kommt in den einzelnen Querschnittsfasern also zu unterschiedlich großen Dehnungen x. Im Folgenden werden die Zusammenhänge dargestellt, die der Berechnung der Verwölbung zugrunde liegen.

4.4.3.1 Dünnwandige offene Querschnitte Es wird ein Stab mit dünnwandigem und offenem, aber ansonsten beliebigem Querschnitt betrachtet. Der frei verdrehbare Stab wird um die (gedachte) Drillachse durch den Punkt A verdrillt. Diese Drillachse verläuft parallel zur Längsachse (Schwerachse S), der Punkt A besitzt im Koordinatensystem des Querschnitts die Koordinaten yA und zA.

Bild 4-65: Festlegung der lokalen Koordinate s

Das Koordinatensystem des Stabes ist ein Rechtssystem. Bei positiver Verdrehung um die x-Achse bewegt sich z.B. ein Punkt im ersten Quadranten des Systems von der y-Achse weg und zur z-Achse hin („Rechte Hand-Regel“: Daumen in Richtung der positiven x-Achse, positive Verdrehung in Richtung der gekrümmten Finger). Dabei spielt es keine Rolle, ob man das positive oder das negative Schnittufer betrachtet. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Bild 4-66: Rechte-Hand-Regel

Bild 4-67: Rechte Hand-Regel

Ferner wird eine lokale Koordinate s eingeführt, die entlang der Querschnittskontur verläuft. Der Ursprung von s liegt auf der Kontur im Punkt P0 mit den Koordinaten y0 und z0. Die Lage eines Punktes P auf der Querschnittskontur kann durch die lokale Koordinate s angegeben werden: P(s). Schließlich wird im Punkt P(s) noch eine Tangente an die Querschnittskontur gelegt.

Bild 4-68: Tangente an den Querschnitt im Punkt P(s)

Nun wird der Querschnitt um einen Winkel

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um die Drillachse A verdreht.

452

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Bild 4-69: Verdrehung des Querschnitts um den Winkel

Bezeichnet man den Radiusvektor zwischen der Drillachse A und dem Punkt P mit rA, dann beträgt die Verschiebung A des Punktes P

A

rA

.

Die Verschiebungskomponente vA in Richtung der lokalen Koordinate s, d.h. entlang der Kontur bzw. entlang der Tangente im Punkt P beträgt

vA

rt , A

,

wobei rt,A der Normalabstand zwischen dem Punkt A und der Tangente ist.

Aus der durch ihre Mittelfläche idealisierten Profilwandung wird jetzt gedanklich ein infinitesimal kleines Element mit den Abmessungen dx in Stablängsrichtung und ds in Richtung der lokalen Koordinate s herausgeschnitten.

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Bild 4-70: Betrachtung eines infinitesimal kleinen Elementes dx·ds

Da hinsichtlich der möglichen Verschiebungen keine Einschränkungen gemacht wurden, kann sich das Element wie in Bild 4-71 dargestellt verschieben und verzerren. Die Schubverzerrung sammen.

du ds

dv dx

u

setzt sich aus den Verschiebungsänderungen du/ds und dv/dx zu-

v

(Ableitungen nach ds werden mit einem Punkt, Ableitungen nach dx mit einem Strich gekennzeichnet).

Bild 4-71: Schubverzerrung des Elementes dx·ds

Berücksichtigt man nun die Tatsache, dass es sich um einen offenen und dünnwandigen Querschnitt handelt, so kann man feststellen, dass aufgrund der nach der St. Venantschen Torsionstheorie über die Wanddicke linear verteilten Schubspannungen in der Mittelfläche der Wandung die Schubspannung gleich null ist.

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Bild 4-72: Über den Querschnitt linear verteilte Torsionsschubspannung

Aus dem Elastizitätsgesetz

G folgt weiter, dass in der Mittelfläche auch die Schubverzerrung gleich null sein muss.

du ds

u

dv dx

!

u

v

0

v

Graphisch dargestellt entspricht dieser Zusammenhang für das Element dx∙ds einer verzerrungsfreien Verformung, bei der die rechteckige Form des Elements erhalten bleibt.

Bild 4-73: Verzerrungsfreie Verformung des Elementes dx·ds in der Blechmittelfläche

Für die Verformungen, die aus einer Verdrehung des Querschnitts um die Achse A resultieren, gilt diese Beziehung analog. Um kenntlich zu machen, dass sich der Stab um die Achse A dreht, wird die Gleichung um den Index A ergänzt.

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u

vA

A

vA wurde bereits mit Bezug auf die Verdrillung

des Stabes zu v A

rt , A

angeschrieben.

Für Stäbe mit über die Länge unveränderlichem Querschnitt ist auch rt,A konstant, so dass

vA

rt , A

gilt.

Damit ist

u

vA

A

rt , A

.

Da in der Regel jeder Querschnittspunkt eine andere Verformung uA aufweist, verwölbt sich der Querschnitt gegenüber seiner Ausgangslage. Deshalb wird die Verformung uA in Längsrichtung in diesem Zusammenhang Verwölbung genannt.

Die Verwölbung uA ist wie folgt definiert:

uA

A

heißt Einheitsverwölbung und entspricht der Verwölbung uA, die der Querschnitt unter der Verdrillung ‘ = -1 [rad/m] erfährt. A

kann durch Integration entlang der lokalen Koordinate s, beginnend im Ursprung P0 von s, berechnet werden. A

u

A

rt , A

A

rt , A ds

A

A0

s

Hinweis: In der Literatur wird die Einheitsverwölbung teilweise wie beschrieben definiert, teilweise aber auch als jene Verwölbung, die sich bei Verdrillung um ‘ = +1 [rad/m] ergibt. In letzterem Fall ist das Minuszeichen in A enthalten und es gilt uA = A∙ ‘. Die Einheitsverwölbung wird auch Wölbordinate oder sektorielle normierte Koordinate genannt.

hat die Bedeutung einer Integrationskonstante und entspricht in mechanischer Hinsicht der Einheitsverwölbung im Ursprung der lokalen Koordinate s. A0

Das Integral selbst heißt Grundverwölbung und wird mit A

A

A

bezeichnet.

A0

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Man beginnt mit der Integration über die lokale Koordinate s im Ursprung P0, wo die Grundverwölbung A 0 ist. Je nach Querschnittsform ändert sich rt,A entlang der Koordinate s kontinuierlich oder bleibt für gerade Querschnittsbereiche abschnittsweise konstant.

Es ist zu beachten, dass rt,A ein Vorzeichen besitzt!

Das Vorzeichen von rt,A (und damit auch das Vorzeichen der Änderung d

A

rt , A ds ) ergibt

sich wie folgt: rt,A und d

A

sind positiv (d.h.

A

wird mit zunehmendem s größer) wenn die positive

s-Richtung mit der Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die Querschnittskontur übereinstimmt, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts ergibt (der Vektor rA besitzt denselben Drehsinn wie + wenn seine Spitze die Querschnittskontur in +s-Richtung „abfährt“). rt,A und d

A

sind negativ (d.h.

A

wird mit zunehmendem s kleiner, wenn die positive

s-Richtung entgegengesetzt zur Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die Querschnittskontur verläuft, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts ergibt (der Vektor rA besitzt einen zu + entgegengesetzten Drehsinn wenn seine Spitze die Querschnittskontur in +s-Richtung „abfährt“).

Bild 4-74: Positiver Normalabstand rt,A

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Bild 4-75: Negativer Normalabstand rt,A

457

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Bild 4-76: Verlauf der Grundverwölbung

A

Erläuterung des

A

über den Querschnitt

- Verlaufs: Die Grundverwölbung

A

ist am Integrati-

onsanfang P0 gleich null. Beim „Abfahren“ der Querschnittskontur entlang der lokalen Koordinate s besitzt der Radiusvektor rA denselben Drehsinn wie eine positive Verdrehung + ,

A

wird kontinuierlich größer.

Die Tangente an die Querschnittskontur im Punkt P1 verläuft durch den Drehpunkt A, der Normalabstand rt,A zwischen Tangente und Drehpunkt A ist für P1 gleich null. Beim weiteren Abfahren der Kontur entlang s wechselt der Drehsinn von rA das Vorzeichen. Die Grundverwölbung A nimmt ab dem Punkt P1, wo sie ein (relatives) Maximum erreicht hat, wieder ab.

Bild 4-77:

A

-Verlauf im Bereich positiver s-

Koordinaten

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Im Bereich negativer s-Koordinaten ist die Vorgehensweise formal vollkommen identisch, erscheint aber wegen des negativen Vorzeichens etwas komplizierter:

Zwischen den Punkten P3 und P0 besitzt die positive s-Richtung bezüglich A denselben Drehsinn wie eine positive Verdrehung + . A

wird deshalb mit größer werdendem s

(von P3 nach P0) ebenfalls größer. Allerdings ist A in P3 noch unbekannt, so dass die Richtung der Berechnung besser umgekehrt wird (vom Punkt P0 mit bekanntem A in Richtung P3). Obige Aussage kann dann derart formuliert werden, dass A mit kleiner (d.h. negativer) werdendem s ebenfalls kleiner wird. Weil in P0 A 0 ist, muss A zwischen P0 und P3 negativ sein. Bild 4-78:

A

-Verlauf im Bereich negativer s-

Koordinaten

Die Tangente an die Querschnittskontur im Punkt P3 verläuft durch den Drehpunkt A, der Normalabstand rt,A zwischen Tangente und Drehpunkt A ist für P3 gleich null und A besitzt dort ein (relatives) Minimum. Beim weiteren Abfahren der Kontur entlang -s in Richtung P4 wechselt der Drehsinn von rA wieder das Vorzeichen. Die Grundverwölbung A nimmt ab dem Punkt P3, wo sie das Minimum erreicht hat, in Richtung des Punktes P4 wieder zu.

Eine alternative Vorgehensweise besteht darin, sich den Ursprung P0 der Koordinate s wie eine Quelle vorzustellen: s „fließt“ vom Ursprung P0 weg wie Wasser von einer Quelle und verteilt sich im gesamten Querschnitt, immer in Richtung der freien Ränder der Kontur (falls die Querschnittsform Verzweigungen aufweist, verzweigt sich dort auch s unter Beibehaltung der ursprünglichen Fließrichtung).

Bei dieser Betrachtungsweise gibt es keine positive oder negative s-Richtung, es ist nur die „Fließrichtung“ von Bedeutung.

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Bild 4-79: Vorzeichenfreie Definition der lokalen Koordinate s – Deutung als „Quelle“

Das Vorzeichen der Änderung d rt,A und d

A

A

sind positiv (d.h.

rt , A ds ergibt sich dann wie folgt: nimmt in Richtung von s zu), wenn die Richtung

A

von s („Fließrichtung des Wassers“) mit der Richtung der Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die Querschnittskontur übereinstimmt, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts ergibt. rt,A und d

A

sind negativ (d.h.

A

nimmt in Richtung von s ab), wenn die s-Richtung

entgegengesetzt zur Verschiebung vA des Punktes P(s) entlang der Tangente an die Querschnittskontur verläuft, die sich bei positiver Verdrillung ‘ des Querschnitts ergibt.

Bild 4-80: Positiver Normalabstand rt,A

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Bild 4-81: Negativer Normalabstand rt,A

460

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Bild 4-82: Negativer Normalabstand rt,A

Die Grundverwölbung

A

Bild 4-83: Positiver Normalabstand rt,A

hat die Bedeutung eines Querschnittswertes, wobei es sich dabei

aber nicht um einen einzigen Zahlenwert handelt (wie z.B. im Fall des Flächenträgheitsmomentes Iy). Es handelt sich vielmehr um eine über den Querschnitt veränderliche Größe, die in jedem Querschnittspunkt einen anderen Wert und unterschiedliche Vorzeichen annehmen kann (vergleichbar etwa mit dem statischen Moment Sy, das über den Querschnitt auch einen veränderlichen Verlauf besitzt). Verlauf, Vorzeichen und Betrag hängen dabei sowohl von der gewählten Drillachse ab als auch vom Ursprung und der Orientierung der lokalen Koordinate s.

Graphisch kann man die Grundverwölbung

A

als die doppelte Fläche A* deuten, die vom

Radiusstrahl rA (nicht rt,A !) bei der Integration von P0 entlang s nach P(s) überstrichen wird. Ein infinitesimale Fläche dA* entspricht der Fläche eines Dreiecks mit der Basis ds und der Höhe rt,A.

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Bild 4-84: Vom Radiusvektor rA überstrichene Fläche A*

Um die Einheitsverwölbung A bestimmen zu können, muss schließlich noch die Größe der Integrationskonstante A0 bekannt sein. kann aus der Tatsache gewonnen werden, dass die Verwölbung des Querschnitts im Mittel gleich null sein muss. Wäre die mittlere Verwölbung nicht null, so wäre das gleichbedeutend mit einer Längsverschiebung u des Querschnitts und damit gleichbedeutend mit einer Dehnung x des Stabes. Da aber bei alleiniger Torsionsbeanspruchung MT im Stab keine Normalkraft N als resultierende Schnittgröße der Normalspannungen x auftritt, müssen die Normalspannungen x im Mittel null sein, und aufgrund des Elastizitätsgesetzes x = E∙ x sind auch die Längsdehnungen im Mittel null und damit auch die mittlere Verwölbung. A0

Wenn die Verwölbung im Mittel null ist, dann heben sich positive und negative Wölbanteile gegenseitig auf, das Integral der Verwölbung über die gesamte Querschnittsfläche muss deshalb null sein:

A

dA 0

A

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Ersetzt man

(

A

A0

A

durch

) dA

A

A A

A

A0

dA

, so ergibt sich

A0

dA

A

A

dA

A0

A 0

A

und damit A0

1 AA

A

dA .

Die Überführung der Grundverwölbung A0

A

in die Einheitsverwölbung

A

durch Addition von

wird 1. Normierung genannt.

Das folgende Bild gibt qualitativ den Verlauf der Einheitsverwölbung A wieder. Man kann erkennen, dass die Flächen mit positivem und negativem Vorzeichen nach Durchführung der Normierung gleich groß sind, d.h. die Verwölbung ist wie postuliert im Mittel gleich null.

Bild 4-85: Qualitativer Verlauf der Einheitsverwölbung

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Wenn bei symmetrischen Querschnitten der Drehpunkt auf der Symmetrieachse liegt ist es zweckmäßig, den Ursprung P0 der lokalen Koordinate s (= Anfangspunkt der Integration) in den Schnittpunkt der Symmetrieachse mit der Profilmittellinie zu legen, denn damit sind die Verwölbungen im Mittel null, und man spart sich den Rechenschritt der 1. Normierung, weil die Grundverwölbung

A

der Einheitsverwölbung

A

entspricht. Es ist zu beachten, dass

der Punkt P0 im Allgemeinen weder mit dem Schwerpunkt S noch mit dem Schubmittelpunkt M identisch ist.

Beispiel: Sigmaprofil Diese allgemeinen Herleitungen werden anhand eines konkreten Beispiels verdeutlicht.

Für das dargestellte Sigma-Profil soll die Einheitsverwölbung mit Bezug auf die beliebig gewählte Drillachse A bestimmt werden. A ist weder der Schwerpunkt noch der Schubmittelpunkt. Der Querschnitt ist durch seine Mittelfläche idealisiert.

Querschnittsfläche:

A

2 (2,0 6,5 3,6 3,0 5,0) 0,20

8,04 cm 2

Schwerpunktlage: 0,2 2,0 6,5 0,2 ys

6,5 2 2

0,2 3,0 8,04 / 2

2,65 2

0,2 5,0 2,65 2,55 cm

Bild 4-86: Sigmaprofil (Abmessungen)

Zuerst werden die relevanten Querschnittspunkte nummeriert und es wird die lokale Koordinate s eingeführt. Der Ursprung von s liegt im Punkt 0.

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Punkt

yi [mm]

zi [mm]

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

-39,5 -39,5 25,5 25,5 -1,0 -1,0 -1,0 25,5 25,5 -39,5 -39,5

-80,0 -100,0 -100,0 -64,0 -50,0 0 50,0 64,0 100,0 100,0 80,0

Tabelle 4-5: Koordinaten Hinweis: Der Schwerpunkt liegt nicht auf dem Steg, sondern 1,0 mm daneben auf der linken Seite. Die Lage ist im gewählten Maßstab nur nicht genau erkennbar.

Bild 4-87: Querschnittspunkte und lokale Koordinate s

Dann werden für die einzelnen Querschnittsabschnitte die Normalabstände rt,A zwischen dem Punkt A und der jeweiligen Tangente an den Abschnitt bestimmt.

Bild 4-88: rt,A (Abschnitt 0-1)

Bild 4-89: rt,A (Abschnitt 1-2)

Bild 4-90: rt,A (Abschnitt 2-3)

rt , A

rt , A

rt , A

65 25,5 50 89,5 mm

100 50,0 150 mm

(50 25,5) 24,5 mm (negativ, weil rA beim Abfahren der Kontur einen anderen Drehsinn hat als + )

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Bild 4-91: Berechnung von rt,A im Abschnitt (3-4)

Hinweis: rA (4) und rt,A (3  4) sind nicht identisch, sondern liegen nur sehr dicht beisammen.

Der Normalabstand rt,A zwischen Punkt A und dem Querschnittsbereich 3-4 ist nicht direkt ersichtlich und muss berechnet werden. Empfehlenswert ist die Anwendung der Vektorrechnung („Abstand eines Punktes von einer Geraden“).



Der Abstand eines Punktes Q mit dem Ortsvektor rQ von einer Geraden g mit der Gleichung

 r

 rP

 a lautet:

d

   | a (rQ rP ) |  |a|

Bild 4-92: Abstand Punkt – Gerade (allgemein)

Im vorliegenden Fall entspricht der Querschnittspunkt 3 dem Punkt P, der Drehpunkt A dem  Punkt Q und die Differenz der Ortsvektoren der Querschnittspunkte 3 und 4 dem Vektor a .

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Hinweis: Es liegt ein zweidimensionales Problem vor. Um die üblichen Formeln der Vektorrechnung direkt anwenden zu können wird bei den Vektoren jeweils eine dritte Komponente ergänzt (gleich null).

25,5

 rP

50

 rQ

64

50

0

 rP )

50 25,5

24,5

50 ( 64)

114

0 0

0

26,5 14

0

  a (rQ

 rP

0

1 25,5 50 ( 64)

 a

 rQ

0 26,5 14

24,5 114

0

0

0 0 3364

0 0 3364

   | a (rQ rP ) |  |a|

d

26,5 14

3364 112 ,2 mm 29,971

0

Da der Drehsinn des Radiusvektors rA beim Abfahren der Kontur in Richtung s einer positiven Verdrehung entgegen gerichtet ist, besitzt rt,A ein negatives Vorzeichen.

rt , A (3

4)

112 ,2 mm

Die Berechnung der Normalanstände erfolgt für die übrigen Abschnitte analog und wird an dieser Stelle nicht vorgeführt. Die folgende Tabelle enthält alle Normalabstände rt,A. Abschnitt 01 12 23 34 45

rt,A [mm] 89,5 150 -24,5 -112,2 -51

Abschnitt 56 67 78 89 9  10

rt,A [mm] -51 -23,8 -24,5 50 89,5

Tabelle 4-6: Normalabstände rt,A

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Mit diesen Normalabständen ist es möglich, die Grundverwölbung

A

in den einzelnen

Querschnittspunkten zu berechnen.

Man beginnt im Punkt 0 (Ursprung von s). Dort ist

A

0.

Von einem Punkt (i-1) zum nächsten (i) entlang der Koordinate s fortschreitend kommt die Grundverwölbung si

rt , A ds

A, i , i 1 si

1

hinzu, wobei im vorliegenden Beispiel wegen der abschnittsweise geraden Querschnittsberandung der Normalabstand für die einzelnen Querschnittsabschnitte konstant ist und vor das Integral gezogen werden kann: si

si

rt , A ds

A, i , i 1 si

rt , A

ds si

1

rt , A

s

1

rt,A ist mit Vorzeichen einzusetzen, die Abstände s entlang der Querschnittsmittellinie sind positiv.

Dadurch ergibt sich für

A

das korrekte Vorzeichen:

Radiusstrahls rA dreht beim „Abfahren“ von s in positive -Richtung  rt,A positiv  A positiv Radiusstrahls rA dreht beim „Abfahren“ von s in negative -Richtung  rt,A negativ 

A

negativ

Beim Abfahren der Strecke zwischen den Punkten 0 und 1 dreht der Radiusstrahl rA in dieselbe Richtung wie eine positive Verdrehung , rt,A ist positiv (vgl. Bild 4-88).

Punkt 0:

A

(0)

Punkt 1:

A

(1)

0 A

(0) rt , A

s

0 8,95 2,00 17,9 cm²

Auch zwischen den Punkten 1 und 2 dreht der Radiusstrahl rA in dieselbe Richtung wie eine positive Verdrehung , rt,A ist auch hier positiv (vgl. Bild 4-89).

Punkt 2:

A

(2)

A

(1) rt , A

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s 17,9 15,0 6,5 115,4 cm²

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Beim „Abfahren“ der Strecke zwischen Punkt 2 und 3 wechselt nun der Drehsinn des Radiusstrahls, so dass rt,A für diesen Abschnitt negativ ist (vgl. Bild 4-90). Punkt 3:

A

(3)

A

(2) rt , A

s 115,4 ( 2,45) 3,6 106 ,6 cm²

In analoger Weise wird der noch verbleibende Querschnitt mit dem Radiusstrahl r A Punkt für Punkt „abgefahren“ und man erhält für den Querschnitt die Grundverwölbung A .

Eine systematisierte tabellarische Berechnung, wie im Folgenden dargestellt, hat sich bewährt.

Punkt i

A

(i 1)

[-]

[cm²]

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

0 17,9 115,4 106,6 72,9 47,4 21,9 14,8 5,96 38,5

+

rt,A

s

[cm] + + + + + + + + + +

8,95 15,0 (-2,45) (-11,22) (-5,1) (-5,1) (-2,38) (-2,45) 5,0 8,95

Tabelle 4-7: Berechnung der Grundverwölbung

Die Grundverwölbung

·

A

=

[cm] · · · · · · · · · ·

2,0 6,5 3,6 3,0 5,0 5,0 3,0 3,6 6,5 2,0

A

(i)

[cm²] = = = = = = = = = = =

0 17,9 115,4 106,6 72,9 47,4 21,9 14,8 5,96 38,5 56,4

A

ist nun bekannt und kann graphisch angetragen werden. Es sei

nochmals darauf hingewiesen, dass diese Grundverwölbung zur Drillachse A gehört. Für eine andere Drillachse ergibt sich ein anderer Verlauf der Grundverwölbung über den Querschnitt.

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469

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Bild 4-93: Verlauf der Grundverwölbung

A

Betrachtet man den Verlauf der Grundverwölbung, so ist festzustellen, dass alle Werte positiv sind, die Grundverwölbung ist im Mittel also nicht null. Da bei alleiniger Torsionsbeanspruchung der Mittelwert der Verwölbung null sein muss, kann es sich bei der Grundverwölbung A nur um ein Zwischenergebnis handeln, aus dem nach Durchführung der 1. Normierung die Einheitsverwölbung

A

gewonnen wird, die im Gegensatz zur Grundverwölbung

A

im Mittel null ist. Die 1. Normierung erfolgt durch Addition des Korrekturwertes Mathematisch gesehen entspricht gung gewonnen wird: A0

1 AA

A

A0

A0

zur Grundverwölbung

A

.

der Integrationskonstanten, die aus folgender Bedin-

dA

Beim betrachteten Beispiel liegt eine konstante Wanddicke t vor, es gilt: A0

1 t A

A

ds

A

ds entspricht der Fläche unter dem

A

Das Integral

A

-Verlauf.

A

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470

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A

ds

A

17,9 115,4 17,9 115,4 106 ,6 106 ,6 72,9 2,0 6,5 3,6 3,0 2 2 2 2

72,9 21,9 10,0 2

21,9 14,8 14,8 5,96 5,96 38,5 38,5 56,4 3,0 3,6 6,5 2,00 2 2 2 2 1925 ,8 cm³

A0

1 t A

A

ds

A

1 0,2 1925 ,8 8,04

Durch Addition von 1. Normierung verwölbung

Punkt [-] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

A

A0

47,9 cm²

und Grundverwölbung

A

erhält man die Einheits-

. Am übersichtlichsten erfolgt auch diese Berechnung in Tabellenform.

A

[cm²] 0 17,9 115,4 106,6 72,9 47,4 21,9 14,8 5,96 38,5 56,4

+

A0

=

+ + + + + + + + + + +

[cm] -47,9 -47,9 -47,9 -47,9 -47,9 -47,9 -47,9 -47,9 -47,9 -47,9 -47,9

= = = = = = = = = = =

Tabelle 4-8: Berechnung der Einheitsverwölbung

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A

[cm²] -47,9 -30,0 67,5 58,7 25,0 -0,5 -26,0 -33,1 -41,9 -9,4 8,5 A

471

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Bild 4-94: Verlauf der Einheitsverwölbung

A

Das Beispiel wird später fortgesetzt.

4.4.3.2 Bezug der Einheitsverwölbung auf eine andere Drillachse Wie erläutert werden Verwölbungen stets mit Bezug auf eine definierte Drillachse berechnet. Im vorhergehenden Abschnitt war dies die Achse durch den (willkürlich gewählten) Punkt A. Mit Bezug auf eine andere Drillachse ergeben sich andere Verwölbungen.

Im Folgenden wird dargestellt, wie die Einheitsverwölbung A für die Drillachse A in die Einheitsverwölbung B für die Drillachse B überführt werden kann. A ist bekannt, das y-zKoordinatensystem verläuft durch den Schwerpunkt des Querschnitts und die lokale Koordinate s ist genauso definiert wie bei der Ermittlung von A.

Im Punkt P(s) wird eine Tangente an die Querschnittskontur gelegt, welche die y-Achse unter dem Winkel schneidet. Die Drehpunkte A und B besitzen im Schwerachsensystem die Koordinaten yA und zA bzw. yB und zB.

Die geometrischen Zusammenhänge ergeben sich aus Bild 4-96.

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472

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Bild 4-95: Verschiedene Drillachsen A und B

Bild 4-96: Geometrische Verhältnisse

Die Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B setzt sich aus der Grundverwölbung B und der 1. Normierung B 0 zusammen. B

B

B0

Zur Berechnung von

B

wird der Normalabstand rt,B zur Tangente durch den Punkt P(s)

benötigt. rt,B kann gemäß Bild 4-96 in Abhängigkeit von rt,A und den Koordinaten der Drehpunkte ausgedrückt werden:

rt , B

rt , A [( y A

yB ) (zB

z A ) cot ] sin

rt , A

( yB

y A ) sin

(zB

z A ) cos

Die Winkel lassen sich durch die lokale Koordinate s und die Schwerpunktkoordinaten y und z ausdrücken:

cos

dy ; ds

sin

dz ds

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473

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Damit ist

rt , B

rt , A ( y B

yA )

dz (zB ds

zA)

dy ds

und s B

B

s

rt , B ds

B0

[rt , A

B0

s0

( yB

dz (zB ds

yA )

s0

s

s

rt , A ds s0

zA)

dy ] ds ds

B0

s

( yB

y A ) dz

s0

(zB

z A ) dy

B0

s0

A

( yB

y A ) ( z z0 ) ( z B

zA) (y

y0 )

B0

A

( yB

y A ) ( z z0 ) ( z B

zA) (y

y0 )

B0

A0

y und z sind die Koordinaten des Querschnittspunktes, für den die Verwölbung bestimmt werden soll. y0 und z0 sind die Koordinaten des Punktes P0 (Ursprung der lokalen Koordinate s). Nach Ausklammern und Zusammenfassen aller konstanten (nicht von y und z abhängigen) Terme wird die Gleichung umgestellt: B

A

( yB

yA ) z (zB

z A ) y ( yB

y A ) z0

(zB

z A ) y0

B0

A0

Der Unterschied zwischen den Verwölbungen B und A äußert sich offensichtlich durch eine Schrägstellung der Querschnittsebene, was durch die von y und z linear abhängigen Glieder

( yB

y A ) z (zB

zA ) y

zum Ausdruck kommt. Der konstante Anteil

( yB

y A ) z0

(zB

z A ) y0

B0

A0

scheint auf den ersten Blick einer Längsverschiebung der Querschnittsebene zu entsprechen. Durch die folgenden Überlegungen kann aber gezeigt werden, dass dieser Anteil gleich null ist. Nach Integration über die Querschnittsfläche A stellt sich die Formel für die Einheitsverwölbung B folgendermaßen dar: B

dA

A

dA

[( y B

y A ) z ] dA

[( z B

z A ) y] dA

[( y B

y A ) z0 ( z B

z A ) y0

B0

A0

] dA

Der letzte Term ist das Integral über eine Summe konstanter Werte, die zur Konstanten C* zusammengefasst werden. C* kann vor das Integral geschrieben werden.

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474

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Die Differenzen (yB-yA) und (zB-zA) sind ebenfalls konstant und können auch vor das jeweilige Integral geschrieben werden. B

dA

A

dA ( y B

yA )

z dA ( z B

zA)

y dA C *

dA

Laut Definition muss die mittlere Verwölbung bei alleiniger Torsionsbeanspruchung gleich null sein, die Integrale über A und B sind somit gleich null. Weil sich alle Koordinatenangaben auf das y-z-Koordinatensystem beziehen, das seinen Ursprung im Schwerpunkt des Querschnitts hat, sind auch die statischen Momente gleich null.

y dA

z dA 0

Es verbleibt

C * dA 0 , und weil dA

A

0 ist, ist damit bewiesen, dass

C* 0 ist.

Die Formel zur Umrechnung der Einheitsverwölbung A mit Bezug auf die Drillachse A in die Einheitsverwölbung B mit Bezug auf die Drillachse B lautet: B

A

( yB

yA ) z (zB

zA ) y

Fortsetzung des Berechnungsbeispiels Aus der Einheitsverwölbung A mit Bezug auf die Drillachse A soll die Einheitsverwölbung mit Bezug auf eine neue Drillachse B berechnet werden.

B

Bild 4-97: Lage der neuen Drillachse B

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475

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B

A

( yB

yA

5,00 cm

zA

5,00 cm

yB

2,50 cm

zB

0,00 cm

B

A

yA ) z (zB

zA ) y

(2,50 5,00) z (0 5,0) y

Die Einheitsverwölbung berechnet.

B

A

2,5 z 5,0 y

wird für die einzelnen Querschnittspunkte am besten tabellarisch

Punkt

y

z

[-] 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

[cm] -3,95 -3,95 2,55 2,55 -0,1 -0,1 -0,1 2,55 2,55 -3,95 -3,95

[cm] -8,0 -10,0 -10,0 -6,4 -5,0 0 5,0 6,4 10,0 10,0 8,0

A

[cm²] -47,9 -30,0 67,5 58,7 25,0 -0,5 -26,0 -33,1 -41,9 -9,4 8,5

B

[cm²] -48,15 -35,25 29,75 29,95 13,0 0 -13,0 -29,85 -29,65 35,35 48,25

Tabelle 4-9: Umrechnung der Einheitsverwölbung

A

in

B

Hinweis: Die Symmetrieeigenschaften des Querschnitts wurden bei der Wahl des Ursprungs von s nicht ausgenutzt, da an diesem Beispiel die prinzipielle Vorgehensweise gezeigt werden sollte. Zweckmäßig würde man zur Bestimmung der Einheitsverwölbung bezüglich der Drillachse B natürlich die Symmetrieeigenschaften ausnutzen, den Ursprung in den Schnittpunkt der y-Achse mit der Querschnittsmittelfläche legen und die Einheitsverwölbung direkt berechnen. Ferner ist zu beachten, dass der Verlauf der Einheitsverwölbung bei Bezug auf die Drillachse B bezüglich der y-Achse antimetrisch sein muss. Die Tabellenwerte sind nicht exakt antimetrisch, da sich Rundungsfehler über mehrere Rechenschritte hinweg fortpflanzen.

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476

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Bild 4-98: Verlauf der Einheitsverwölbung

B

mit Bezug auf die Drillachse B

4.4.3.3 Dünnwandige geschlossene Querschnitte

Einzellige Querschnitte Die Formeln zur Berechnung der Verwölbungen konnten für offene dünnwandige Querschnitte vergleichsweise einfach hergeleitet werden, weil die Schubspannungen und Verzerrungen in der Wandungsmittellinie unter Torsionsbeanspruchung null sind, weshalb ein direkter Zusammenhang zwischen Verwölbung und Verdrillung besteht.

Bei geschlossenen dünnwandigen Querschnitten kann die Schubspannung p infolge St. Venantscher Torsion als über die Wanddicke konstant verlaufend betrachtet werden. Die Schubspannungen p führen zu entsprechenden Verzerrungen (auch in der Mitte der Wandung). Weil dadurch der rechte Winkel zwischen den Kanten eines infinitesimal kleinen Elementes dx·ds nicht erhalten bleibt, ist der Zusammenhang zwischen Verwölbung und Verdrillung nicht von Anfang an bekannt, so dass die Einheitsverwölbung in mehreren Schritten berechnet werden muss.

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477

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Bild 4-99: Über die Wanddicke konstante Schubspannung

Bild 4-100: Schubverzerrung des Elementes dx·ds in der Wandungsmittelfläche

Zuerst trennt man den geschlossenen Querschnitt gedanklich auf, so dass ein offener Querschnitt vorliegt.

Bild 4-101: (Gedanklich) längs aufgeschnittener Hohlquerschnitt

Dann schreibt man für diesen offenen Querschnitt die Gleichung für die Schubverzerrung an:

du ds

dv dx

u

v

Mit Bezug auf eine beliebige Drillachse A kann die Verformung v tangential zur Querschnittskontur und in Richtung der lokalen Koordinate s wie bereits bekannt in Abhängigkeit des Normalabstandes rt,A zwischen Drillachse A und der Tangente an die Querschnittskontur ausgedrückt werden:

v

vA

rt , A

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478

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Die Schubverzerrung lautet damit und mit u = uA

du A ds

dv A dx

du A ds

rt , A

d dx

Da es sich nur gedanklich um einen offenen Querschnitt handelt, sind die Verzerrungen in der Wandungsmitte des in Wirklichkeit geschlossenen Querschnitts ungleich null.

Bild 4-102: Schubverzerrung des Elementes dx·ds in der Wandungsmittelfläche

Der Schubfluss T ist entlang der lokalen Koordinate s konstant und in jedem Querschnittspunkt gleich groß und kann durch die Verzerrung ausgedrückt werden.

T ( s)

( s) t ( s) G

( s) t ( s) G t ( s)

du A ds

rt , A

d dx

const. T

Durch Umstellen, Auflösen und Integrieren kann die Verwölbung uA(s) in Abhängigkeit vom Schubfluss T ausgedrückt werden.

du A

T d rt , A G t (s) dx

u A (s)

T G

ds t (s) s

d dx

ds

rt , A ds u A0 s

uA0 ist die Integrationskonstante.

Aus Gründen der Kontinuität bzw. Verträglichkeit muss die Verwölbung stetig über den realen, geschlossenen Querschnitt verlaufen, uA(s) darf sich zwischen zwei benachbarten Querschnittspunkten nicht sprunghaft ändern. Die beiden Schnittkanten des gedanklich aufgetrennten Querschnitts dürfen keine Relativverwölbung uA aufweisen.

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Bild 4-103: Relativverwölbung uA der beiden Schnittkanten

Da nur die Differenzverwölbung uA zwischen den beiden Schnittkanten und nicht die absolute Verwölbung uA von Interesse ist, muss lediglich von einer Schnittkante zur anderen entlang der lokalen Koordinate s integriert werden, die Bestimmung der Integrationskonstante uA0 entfällt. Für diese Berechnung wird der Ursprung der lokalen Koordinate s zweckmäßig in der Schnittstelle angenommen.

Bild 4-104: Integration über den gesamten Umfang

Da über den gesamten Querschnittsumfang integriert wird, wird die Formel mit dem Zeichen für das Ringintegral dargestellt.

T G

uA

ds t (s) s

d dx

!

rt , A ds 0 s

Wie bekannt entspricht die Grundverwölbung s

rt , A ds

A s0

der doppelten vom Radiusstrahl rA überstrichenen Fläche A*. Wird wie hier die Integration als Ringintegral über den gesamten Querschnittsumfang durchgeführt, dann entspricht das Integral der doppelten Fläche Am, die von der Blechmittellinie umschlossen wird. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

480

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rt , A ds

2 Am

s

Bild 4-105: Vom Radiusvektor rA überstrichene Fläche dAm

Nach Einsetzen dieser Beziehung in die Formel für

T

u kann nach T aufgelöst werden.

d 2 Am G ds dx t (s) s

Diese Beziehung kann man nun wiederum in die Gleichung zur Berechnung der (absoluten) Verwölbung (an beliebiger Stelle s) einsetzten, und man erhält

u A ( s)

T G

ds t ( s) s

d dx

rt , A ds u A0 s

d 2 Am G ds dx G t ( s) s

ds t ( s) s

d dx

rt , A ds u A0 . s

Zu beachten ist der Unterschied zwischen „normalem“ Integral und Ringintegral, es darf also nicht einfach gekürzt werden. Zur Vereinfachung wird der erste Term in Zähler und Nenner mit 2·Am erweitert und der Schubmodul G gekürzt:

u A (s)

d dx

2

4 Am ds 2 Am t (s) s

ds t ( s) s

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d dx

rt , A ds u A0 s

481

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Der Ausdruck 2

4 Am ds t (s) s

IT

entspricht dem Torsionsträgheitsmoment IT des geschlossenen Querschnitts (2. Bredtsche Formel, vgl. Abschnitt zur St. Venantschen Torsion). Damit vereinfacht sich die Gleichung zur Berechnung von uA(s) entsprechend:

d dx

u A ( s)

rt , A ds s

IT 2 Am

ds t (s) s

u A0 d / dx

Da die Integration über ds erfolgt und nicht über d bzw. dx, kann auch der Ausdruck

u A0 d / dx

als Integrationskonstante betrachtet werden, die mit

A0

bezeichnet wird.

Analog der Vorgehensweise bei den offenen Querschnitten entspricht der Ausdruck in den eckigen Klammern der Einheitsverwölbung A, also jener Verwölbung uA, die der Querschnitt unter der Verdrillung ‘ = -1 [rad/m] erfährt. Die Einheitsverwölbung A setzt sich auch für geschlossene Querschnitte aus der Grundverwölbung A und der 1. Normierung A0 zusammen.

A

A

rt , A ds

A0 s

IT 2 Am

ds t (s) s

Wie man sieht besteht die Grundverwölbung

A0

A

aus zwei Anteilen.

Der erste Anteil ist identisch mit der Grundverwölbung eines offenen Querschnitts mit gleichen Abmessungen.

rt , A ds

A,offen s

Der zweite Anteil kann als eine Art Korrekturwert interpretiert werden, der der Tatsache Rechnung trägt, dass der Querschnitt geschlossen ist und es deshalb zwischen zwei benachbarten Querschnittspunkten keinen Verwölbungssprung geben kann. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

482

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IT 2 Am

A, geschlosse n

ds t ( s) s

ds t (s) s

wird Torsionsfunktion genannt:

2 Am ds t ( s) s

IT 2 Am

Die Grundverwölbung des geschlossenen Querschnitts kann in Kurzform wie folgt geschrieben werden A

A, geschlosse n ,

A,offen

die Einheitsverwölbung ist dann A

A,offen

A, geschlosse n

A0

.

Da auch für geschlossene Querschnitte unter alleiniger Torsionsbeanspruchung die Verwölbungen im Mittel null sein müssen (ohne Normalkraft N treten keine Verlängerung des Stabes auf), wird die 1. Normierung A0 mit der bereits bekannten Formel bestimmt:

1 AA

A0

A

dA

Achtung Vorzeichen! Den Vorzeichen der einzelnen Anteile ist besondere Beachtung zu schenken: Das Vorzeichen von

A, offen

ergibt sich aus dem Drehsinn des Radiusvektors rA beim „Abfah-

ren“ der Querschnittskontur entlang s (völlig analog einem real offenen Querschnitt). Bei der Berechnung von tion

A, geschlosse n

ist zu beachten, dass in der Formel für die Torsionsfunk-

die von der Blechmittellinie umfasste Fläche Am enthalten ist.

Am selbst ist jedoch nur eine Hilfsgröße, um das Ringintegral in einem „handlichen“ Formelzeichen ausdrücken zu können:

Am

1 2

rt , A ds s

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483

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Weil der Normalabstand rt,A zwischen Drehpunkt A und der Tangente an den jeweiligen Punkt P(s) der Querschnittskontur abhängig vom Drehsinn des Radiusvektors rA mit einem Vorzeichen behaftet ist, muss auch Am ein Vorzeichen haben. Die Integrale

ds und t ( s) s

ds sind dagegen stets positiv. t ( s) s

Um die Problematik des Vorzeichens von Am zu umgehen wählt man zweckmäßig die lokale Koordinate gleich so, dass rA überwiegend denselben Drehsinn besitzt wie eine positive Verdrehung + . Bei Bezug auf eine Drillachse, die innerhalb der Querschnittskontur liegt, kann s problemlos und zweifelsfrei festgelegt werden. Liegt die Drillachse außerhalb der Querschnittskontur, so ist s zweckmäßig so zu definieren, dass die Radiusvektoren rA bei positivem Drehsinn größere Flächen überstreichen als bei negativem Drehsinn. Die in Bild 4-106 gezeigte Fläche Am kann beispielweise aus drei Teilflächen gebildet werden (jeweils mit Vorzeichen!). Die beiden hellblauen Teilflächen resultieren aus Radiusvektoren rA mit positivem Drehsinn und sind positiv. Sie überwiegen die hellrote, negative Teilfläche, die aus Radiusvektoren mit negativem Drehsinn resultiert. Am ist deshalb positiv.

Bild 4-106: Am setzt sich aus positiven und negativen Anteilen zusammen

Beispiel: Einzelliger Hohlquerschnitt mit verschiedenen Blechdicken

Für den in Bild 4-107 dargestellten Querschnitt soll die Einheitsverwölbung A bezüglich der Drillachse A ermittelt werden. A liegt auf dem Mittelpunkt des halbkreisförmigen Querschnittsteils. Es ist zu beachten, dass der Querschnitt zwei unterschiedliche Blechdicken besitzt.

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484

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Bild 4-107: Geschlossener Querschnitt mit unterschiedlichen Blechdicken

Zuerst trennt man den Querschnitt gedanklich auf, nummeriert die Querschnittspunkte und definiert die lokale Koordinate s.

Bild 4-108: Aufgetrennter Querschnitt mit Querschnittspunkten und der Koordinate s

Dann wird die Torsionsfunktion

bestimmt.

2 Am ds t ( s) s

Die vom Radiusstrahl rA bei einer vollständigen Umfahrung der Querschnittskontur überstrichene Fläche Am entspricht der von der Kontur eingeschlossenen Fläche. s wurde so definiert, dass rA denselben Drehsinn besitzt wie + . Deshalb ist Am positiv.

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1 2

Am

10,0 2

20,0 15,0

1 10,0 20,0 557 ,1 cm2 2

Da die Blechdicke abschnittsweise konstant ist kann das Ringintegral auch als Summe ausgedrückt werden:

ds t ( s) s

i

si ti

2 Am ds t ( s) s

2 10,0 1,2

2

2

15,0 0,8

10,0 0,8

100 ,3

2 557 ,1 11,10 cm² 100 ,3

Nun kann für jeden Punkt die Grundverwölbung

A

bestimmt werden. Wegen der abschnitt-

weise konstanten Blechdicken gilt wiederum

ds t (s) s

rt , A ds

A s

rt , A,i i

si i

si . ti

Der Radiusstrahl rA dreht stets in dieselbe Richtung wie eine positive Verdrehung + , rt,A ist deshalb für jeden Abschnitt positiv.

Punkt 0:

A

(0)

0

Punkt 1:

Bild 4-109: rt,A im Abschnitt 0  1

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486

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A

(1)

A

(0) rt , A

s

s t

0

(15,0 10,0) 2

2 10,0

2 11,10

10,0 2 1,2

119,1 cm2

Punkt 2:

Bild 4-110: rt,A im Abschnitt 1  2

A

(2)

A

(1) rt , A

s

s 15,0 119,1 15,0 10,0 11,10 t 0,8

60,94 cm²

Punkt 3:

Bild 4-111: rt,A im Abschnitt 2  3

A

(3)

A

(2) rt , A

s

s t

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60,64 10,0

2

10,0 11,10 2

10,0 0,8

0,00 cm²

487

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Für die übrigen Abschnitte erfolgt die Berechnung analog, in Tabelle 4-10 sind die Berechnungsschritte zusammengestellt.

Punkt i [-] 0 1 2 3 4 5 6

A

(i 1)

+

[cm²] 0 119,1 60,94 0,00 -60,64 -119,14

rt,A

·

[cm] + + + + + +

17,68 10,0 10,0 10,0 10,0 17,68

-

s

· [cm²]

[cm] · · · · · ·

14,14 15,0 15,71 15,71 15,0 14,14

-

Tabelle 4-10: Berechnung der Grundverwölbung

11,10 11,10 11,10 11,10 11,10 11,10

s

/

14,14 15,0 15,71 15,71 15,0 14,14

=

[cm]

[cm] · · · · · ·

t

/ / / / / /

1,2 0,8 0,8 0,8 0,8 1,2

A

(i)

[cm²] = = = = = =

0 119,1 60,94 0,00 -60,64 -119,14 0,00

A

Da sowohl der Ursprung von s als auch der Drehpunkt auf der Symmetrieachse liegen ist die Verwölbung im Mittel gleich null. Eine Normierung ist nicht erforderlich, die Grundverwölbung A und die Einheitsverwölbung A sind identisch.

Bild 4-112: Verlauf der Einheitsverwölbung

A

Der Bezug auf eine andere Drillachse kann analog der Vorgehensweise für offene Querschnitte hergestellt werden.

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488

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Mehrzellige Querschnitte Die Berechnung der Einheitsverwölbung von mehrzelligen Querschnitten wird im Rahmen des Umdrucks nicht behandelt. Die Vorgehensweise ergibt sich in Erweiterung der Ausführungen für den einzelligen Querschnitt. Für die einzelnen Zelle wird die Einheitsverwölbung zuerst getrennt berechnet, anschließend wird die Berechnung unter Berücksichtigung der Verträglichkeitsbedingung angepasst: an den Verzweigungspunkten darf die Wölbordinate keinen Sprung aufweisen. Bezüglich weiterer Ausführungen wird auf die Fachliteratur verwiesen.

4.4.4

Wölbspannungen

4.4.4.1 Einführung Im Abschnitt „Einheitsverwölbung“ wurde verdeutlicht, dass Torsionsbeanspruchung nicht nur zu einer Verdrillung des Stabes führt, sondern dass die einzelnen Querschnitts-“Fasern“ in Stablängsrichtung unterschiedlich stark gedehnt bzw. gestaucht werden. Dadurch bleibt der Querschnitt nicht eben, er verwölbt sich.

Bei der Herleitung der Formeln für die Einheitsverwölbung wurde vorausgesetzt, dass sich die Verwölbungen zwängungsfrei einstellen können. In der Realität werden die Verwölbungen in den meisten Fällen aber mehr oder weniger stark behindert, sei es durch konstruktive Rand- oder Übergangsbedingungen (z.B. Stirnplatten, Einspannung des Trägerendes, etc.) oder durch sprunghafte Änderung des Torsionsmomentes (z.B. angreifendes Einzelmoment, Gabellager, etc.).

Die Behinderung der Verwölbungen führt zu Zwängungsspannungen, die Wölbspannungen genannt werden. Man nennt diese Spannungen auch Sekundärspannungen, da sie im Zusammenhang mit der Wölbkrafttorsion auftreten, die auch als Sekundärtorsion bezeichnet wird.

Normalspannungen und Schubspannungen , die aus der Behinderung der freien Verwölbung resultieren, werden mit dem Index gekennzeichnet. Wölbnormalspannung Wölbschubspannung Man findet in der Literatur aber gleichbedeutend die Kennzeichnung mit den Indices 2 oder s (für „sekundär“), also 2 und 2 bzw. s bzw. s.

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489

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4.4.4.2 Dünnwandige offene Querschnitte

Die Zusammenhänge werden für den Fall eines offenen Querschnitts aufgezeigt (Dünnwandigkeit wird weiterhin vorausgesetzt). In einem späteren Abschnitt wird kurz auf die Besonderheiten bei dünnwandigen geschlossenen Querschnitten eingegangen.

Grundlage der Theorie ist ein linear-elastisches Materialverhalten. Innerhalb des linearelastischen Bereiches gilt das Hookesche Gesetz:

E

Die Dehnung ist bekanntlich als Längenänderung l mit Bezug auf die Ausgangslänge l definiert. Bei Betrachtung eines infinitesimal kleinen Elementes der Länge dx entspricht die Längenänderung l der Änderung der Verwölbung du innerhalb der Länge dx.

du dx

u

Mit Hilfe der Einheitsverwölbung kann für jeden Punkt des Querschnitts die Verwölbung, d.h. die Verschiebung in Stablängsrichtung berechnet werden.

Zur Wiederholung: Die Einheitsverwölbung ist kein einzelner, über den gesamten Querschnitt konstanter Querschnittswert. Vielmehr ist über den Querschnitt veränderlich, so dass für die einzelnen Querschnittspunkte („Fasern“) unterschiedliche Werte annimmt ( wird deshalb auch „Wölbordinate“ genannt). Zur Lagebestimmung eines Querschnittspunktes P(s) wurde die lokale Koordinate s eingeführt. Da auch von s abhängig ist, kann man exakter auch (s) schreiben. Schließlich sei daran erinnert, dass (s) stets mit Bezug auf eine definierte Drillachse berechnet wird. Für eine beliebige Drillachse A wird die Einheitsverwölbung korrekt und eindeutig mit A(s) bezeichnet. Gemäß Definition ist die Einheitsverwölbung A(s) jene Verwölbung, die ein Punkt P(s) des Querschnitts infolge einer Verdrillung ‘ = -1 [rad / m] um die Drillachse A erfährt. Die tatsächliche Verwölbung uA(s) infolge einer beliebigen Verdrillung ‘(x) entspricht demnach dem negativen Wert des Produktes aus Verdrillung ‘ und Einheitsverwölbung A(s).

Da ‘ im Normalfall entlang der Stablänge veränderlich ist, ist auch die Verwölbung uA(s) des Querschnittspunktes P(s) in Stablängsrichtung veränderlich.

u A ( s, x )

A

( s)

( x)

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490

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Die Dehnung A

A(s,x)

( s, x ) u A

A

ergibt sich zu

( s)

( x) ,

und man kann unter Berücksichtigung des Elastizitätsgesetzes die Wölbnormalspannung ,A(s,x) berechnen. ,A

( s, x )

E

A

( s, x )

E

A

( s)

( x)

ist von x abhängig und ändert sich von Schnitt zu Schnitt. Dass diese Änderung mit Längsschubspannungen einhergehen muss wird deutlich, wenn man an einem infinitesimal kleinen Element der dünnwandigen Mantelfläche mit den Abmessungen dx·ds die aus den Spannungen resultierenden Kräfte anträgt und die Gleichgewichtsbedingung formuliert. Hinweis: Der Index A zur Kennzeichnung der Drillachse wird an dieser Stelle aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht mit notiert.

Bild 4-113: Element dx·ds

Bild 4-114: Gleichgewicht am Element dx·ds

Fx = 0:

(

dx) t ( s ) ds

dx t ( s ) ds ( t (s) (

t (s) )

t ( s ) ds [

t (s) (

t ( s ) ) ds] dx (

t ( s ) ) dx 0

t ( s ) ) ds dx 0 0

Hinweis: Im Allgemeinen ist t(s) nicht konstant über den Querschnitt. Deshalb kann t(s) nicht ausgeklammert und gekürzt werden.

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491

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(

t ( s ) ) ist die Ableitung des Schubflusses in Richtung der lokalen Koordinate s, also tan-

gential zur Kontur des Querschnitts. Durch Integration über s erhält man den Schubfluss T (s,x): s

T ( s, x )

s

(

t ( s) ) ds

0

T

0

s

t ( s) ds

E

( x)

0

( s) t ( s) ds T

0

0

hat die Bedeutung einer Integrationskonstante.

Sofern die lokale Koordinate s ihren Ursprung an einem Profilrand hat (es handelt sich um ein offenes Profil), ist wegen des Satzes von der Zuordnung der SchubspannungenT 0 = 0.

Dann gilt s

T ( s, x )

E

( x)

( s) t ( s) ds 0

und

( s, x )

T ( s, x ) t ( s)

Wölbnormalspannungen und Wölbschubspannungen sind aufgrund der vorausgesetzten Dünnwandigkeit über die Wandstärke konstant verteilt.

Anmerkung: Bei der Herleitung der Formeln für die Einheitsverwölbung wurde vorausgesetzt, dass in der Profilmittellinie die Torsionsschubspannungen gleich null sind. Streng genommen stellen die Wölbschubspannungen einen Widerspruch zu dieser Annahme dar. Allerdings sind die zu den Wölbschubspannungen gehörenden Gleitungen normalerweise so klein, dass sie im Rahmen der Theorie vernachlässigt werden und die Voraussetzung = 0 in Mitte der Blechdicke als Grundlage der Berechnung der Einheitsverwölbung unverändert beibehalten wird.

Bezüglich der gewählten Drillachse A erzeugen die Schubspannungen Torsionsmoment Mx,2 bzw. Mx,s.

das sekundäre

Das sekundäre Torsionsmoment wirkt neben dem primären Torsionsmoment Mx,p und bildet zusammen mit diesem das (gesamte) resultierende Torsionsmoment Mx.

Mx

M x, p

M x ,s

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492

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Zur Erinnerung: Das primäre Torsionsmoment Mx,p resultiert aus Schubspannungen p, die über die Blechdicke des offenen dünnwandigen Querschnitts linear verteilt sind (in Blechmitte: p = 0) und wird nach der St. Venantschen Torsionstheorie berechnet.

M x, p

G IT

( x)

Bild 4-115: Primäres Torsionsmoment M x,p infolge primärer Schubspannungen

p

Die Wölbschubspannungen wirken tangential zur Querschnittskontur, wobei die Tangente an den jeweiligen Querschnittspunkt P(s) zur Drillachse A den Normalabstand rt,A besitzt. Mit diesem Hebelarm erzeugen die Schubspannungen das sekundäre Torsionsmoment Mx,s, das durch Integration entlang der lokalen Koordinate s über den gesamten Querschnitt berechnet wird.

s

M x ,s

( s, x) t ( s) rt , A ( s) ds 0

Bild 4-116: Sekundäres Torsionsmoment M x,s infolge der Wölbschubspannungen

Die Berechnung erfolgt durch partielle Integration. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

493

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Allgemeine Formel:

f ( x) g ( x) dx

f ( x) g ( x)

f ( x) g ( x) dx

Im vorliegenden Fall entspricht

x ˆ s, f ( x) ˆ

( s, x ) t ( s ) ,

g ( x) ˆ rt , A ( s ) , f ( x) ˆ (

( s, x) t ( s )) und

g ( x) ˆ rt , A ( s) ds . s

Man erhält

M x ,s

( s, x ) t ( s )

rt , A ds

[( ( s, x) t ( s))

s

s

rt , A ( s) ds] ds s

Da alle Integrationen über die gesamte Querschnittskontur erfolgen (von freiem Rand zu freiem Rand) ist ( s, x) t ( s) der Schubfluss am Ende des Integrationsweges, also am freien Rand. Weil an freien Rändern stets T = 0 gilt, entfällt der erste Teil der Formel vollständig, es verbleibt

M x ,s

[( ( s, x) t ( s)) s

rt , A ( s) ds] ds s

Setzt man nun die bekannten Beziehungen

rt , A ( s) ds

A s

und

( s, x ) t ( s ) (

( s, x ) t ( s ) )

0

ein, so erhält man als Zwischenergebnis

M x ,s

[

( s, x ) t ( s )

A

] ds ,

s

und mit

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

494

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,A

( s, x )

E

(s)

A

( x)

folgt

M x ,s

E

( x)

A

( s) t ( s)

A

ds

s

Weiter gilt:

t (s) ds

dA

und A

A

A0

1 A

A

A

dA

Nach Einsetzen in die Gleichung zur Bestimmung des sekundären Torsionsmomentes folgt:

M x ,s

E

( x)

A

( s) t ( s)

A

ds

E

( x)

s

E

2

( x)

A

A A

dA

A

A

1 A

A

A

1 A

A

dA

A

dA

A

dA dA

A

Was die Verschachtelung der beiden Integrale betrifft, ist zu bedenken, dass die Grundverwölbung A eine (zwar über den Querschnitt veränderliche) Querschnittsgröße ist. Bei Integration über die gesamte Querschnittsfläche (mit festen Integrationsgrenzen) erhält man einen konstanten Wert, der aus dem Integral herausgezogen werden kann: 2 A

dA

A

A

1 A

A

A

2

dA dA

A

A

1 A

dA

A

A A

dA

A

dA

A

Das sekundäre Torsionsmoment lautet

M x ,s

E

2

( x)

A A

dA

1 A

A A

dA

A

dA

A

Zur vereinfachten Darstellung wird eine neue Querschnittsgröße definiert.

Der Ausdruck in Klammern wird als Wölbwiderstand CA bezeichnet. Der Index A macht den Bezug auf die Drillachse A kenntlich. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

495

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2

CA

A

dA

A

1 A

2 A

dA

A

In der Literatur werden auch die Bezeichnungen „Wölbflächenmoment 2. Grades“ und „sektorielles Trägheitsmoment“ verwendet, alternative Formelzeichen sind I , Iw und A , wobei sich I , Iw bzw. A ohne weiteren Index auf die Achse durch den Schubmittelpunkt beziehen. Man sollte deshalb den Bezug auf eine beliebige Drillachse A durch einen weiteren Index kenntlich machen, also z.B. I ,A. Bei Bezug auf die Drillachse durch den Schubmittelpunkt wird meist kein Index ergänzt, allerdings schreibt man praktisch nicht C, sondern CM.

Fortan werden auch in diesem Skript die Bezeichnungen I und CM als gleichwertige Alternativen verwendet. I bietet sich besonders dann an, wenn man Analogiebetrachtungen betreibt und einen Vergleich mit den Querschnittsgrößen Iy oder Iz anstrebt (vgl. Abschnitt 4.4.4.3). Unter Verwendung des Zusammenhangs zwischen Grundverwölbung wölbung

A

2

CA

A

A

und Einheitsver-

kann der Wölbwiderstand CA einfacher ausgedrückt werden:

dA

A

Beweis: Nach Einsetzen von Tatsache, dass

A0

A

A

A0

in die Gleichung für CA und unter Berücksichtigung der

eine Konstante ist, die aus dem jeweiligen Integral herausgezogen wer-

den kann, ergibt sich nach mehreren Rechenschritten:

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

496

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CA

(

1 A

2

A

A0

) dA

A

2 A

dA 2

A

A

A0

A

dA 2

(

A

2 A0

A0

A

dA

2

dA 2

A0

A

A

dA

2 A0

A

2

dA

A

1 A

2

1 A

A

1 A

2

dA

2

A

A

A

dA

A

A

A0

dA

A0

A

1 2 A

A0

A0

A

dA

A

A

dA

A

dA A

1 A

2 2

A

dA

2

A

dA

2 A0

A

A

A

2 A

dA

A

A

im Mittel gleich null sein

dA 0 , und es verbleibt

A 2

CA

A

dA

q.e.d.

A

Das sekundäre Torsionsmoment Mx,s kann jetzt in übersichtlicher Form notiert werden:

M x ,s

E CA

4.4.4.3 Analogie Biegetheorie - Wölbkrafttorsion Im Rahmen der Theorie zur Wölbkrafttorsion wird eine neue Schnittgröße eingeführt – das Wölbbimoment M .

Das Wölbbimoment M hat den Charakter einer Spannungsresultierenden. In etwa so, wie es sich bei einem Biegemoment, z.B. My bei Biegung um die y-Achse, um eine Resultierende der Spannungen unter Berücksichtigung der Verteilung über den Querschnitt handelt, ist das Wölbbimoment M die Resultierende der Wölbnormalspannungen unter Berücksichtigung der zum betrachteten Querschnittspunkt gehörenden Verwölbung .

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

dA

A0

2

Weil bei Beanspruchung allein durch Torsion die Verwölbung muss, ist

dA

A 2

1 A

A

A

A

) dA

dA

A0

A

A

dA

A

A 2

A0

A

dA

A

2

2

497

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Grundkurs

Für ein Biegemoment My gilt:

My

z dA

My

und

z

Iy

A

In Analogie zu dieser vertrauten Schreibweise gilt für das Wölbbimoment M :

M

,A

( x)

,A

( s, x )

A

( s) dA

A

Mit

M

,A

,A

( s, x)

( x)

E

,A

A

(s)

( s, x )

A

( x) folgt:

(s) dA

E

A

( s, x )

A

( s) dA

E

( x) C A

A

Damit gilt für die Wölbnormalspannungen ,A

2

( x)

M

,A

( x) A

CA

:

(s)

Noch deutlicher wird die Analogie der Gleichungen, wenn statt CA das alternative Formelzeichen I ,A verwendet wird: ,A

( s, x )

M

,A

I

( x) A

( s)

,A

Dabei ist stets der Bezug auf eine bestimmte Drillachse zu beachten (hier: Index A).

Das Wölbbimoment M besitzt die Einheit [kNm²] oder [kNcm²]. Leider entzieht sich M im Fall eines allgemeinen Querschnitts der konkreten Vorstellbarkeit. Im konkreten Fall eines Doppel-T-Profils kann man sich dagegen die Wirkungsweise von M gut verdeutlichen (vgl. Abschnitt 4.4.10 „Wölbkrafttorsion anschaulich“), es wird in diesem Zusammenhang auch das „Moment der Momente“ genannt.

Bei Betrachtung der Formel für das sekundäre Torsionsmoment Mx,s kann festgestellt werden, dass das sekundäre Torsionsmoment Mx,s die Ableitung des Wölbbimomentes M ist, ebenso wie bei der Balkenbiegung die Querkraft die Ableitung des Biegemomentes ist.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

498

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M x ,s ( x)

E CA

( x)

M ( x)

Vz ( x)

Analogie Biegetheorie:

M y ( x)

Der aus dem sekundären Torsionsmoment Mx,s resultierende Schubfluss T beträgt

s

T ( s, x )

E

( x)

( s) t ( s) ds 0

Das Integral erhält die Bezeichnung S ,A und wird sektorielles statisches Moment oder Wölbflächenmoment 1. Grades genannt. In der Literatur wird teilweise das Formelzeichen A verwendet. s

S

,A

( s)

( s) t ( s) ds 0

S

,A(s)

ist eine über den Querschnitt veränderliche Querschnittsgröße mit der Einheit [cm4].

Aus M x ,s ( x)

E

( x)

E CA

( x)

M ( x) folgt:

M x ,s ( x) CA

Setzt man diese Beziehung und S ,A in die Gleichung für die sekundären Schubspannungen ein, so wird unmittelbar die Analogie zur Theorie der Balkenbiegung deutlich:

( s, x )

T ( s, x ) t (s)

M x ,s ( x) S

,A

(s)

C A t (s)

Analogie Biegetheorie:

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

M x ,s ( x) S I

,A

,A

(s)

t (s)

Vz S y Iy t

499

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Wölbkrafttorsion Größe

Bezeichnung

Entsprechung in der Biegetheorie Einheit

Größe

Bezeichnung

Einheit

Biegemoment

kNcm

Querkraft

kN

M

Wölbbimoment

kNcm²

-My bzw. Mz

Mx,s

sekundäres Torsionsmoment

kNcm

Vz bzw. Vy

Wölbwiderstand

cm

6

Iy bzw. Iz

cm

4

Sy bzw. Sz

CA =I S

,A

sektorielles statisches Moment Wölbordinate

,A A

Wölbnormalspannung Wölbschubspannung

cm² kN/cm² kN/cm²

z bzw. y

Flächenträgheitsmoment 2. Ordnung statisches Moment Koordinate Normalspannung Schubspannung

cm

4

cm

3

cm kN/cm² kN/cm²

Tabelle 4-11: Entsprechungen bei Wölbkrafttorsion und Biegetheorie

4.4.5

Die Differentialgleichung der gemischten Torsion

Das (gesamte / resultierende) Torsionsmoment im Stab setzt sich aus den beiden Anteilen „Primäre Torsion“ Mx,p (Saint Venant) und „sekundäre Torsion“ Mx,s (Wölbkrafttorsion) zusammen. Die Addition der beiden Anteile liefert das Elastizitätsgesetz der gemischten Torsion: Hinweis: In der Literatur wird meistens der Begriff der Wölbkrafttorsion auch dann verwendet, wenn es sich nicht ausschließlich um Wölbkrafttorsion handelt. In diesem Umdruck wird der Begriff „gemischte Torsion“ eingeführt, der den Sachverhalt, dass zwei Arten am Abtrag eines Torsionsmomentes beteiligt sein können, treffender beschreibt.

Mx

M x, p

M x ,s

G IT

E CA

Es wird ein infinitesimal kleines Stabelement mit der Länge dx betrachtet. Auf den Stab soll ein über die Stablänge stetig veränderliches Streckentorsionsmoment mT (Einheit: kNm/m) einwirken.

Bild 4-117: Gleichgewicht am Stabelement der Länge dx M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

500

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Die Gleichgewichtsbedingung am Element der Länge dx lautet:

mT dx ( M x

Mx

M x dx) M x

0

mT

Einmaliges Ableiten des Elastizitätsgesetzes der gemischten Torsion und Einsetzen der Gleichgewichtsbedingung ergibt die Differentialgleichung der gemischten Torsion:

E CA

G IT

mT

DGL der gemischten Torsion

(Hinweis: diese DGL wird in der Literatur häufig als DGL der Wölbkrafttorsion bezeichnet, auch wenn sie Anteile aus St. Venantscher Torsion enthält).

4.4.6

Lösung der Differentialgleichung der gemischten Torsion

4.4.6.1 Vorbemerkung Vorsorglich sei noch einmal erwähnt, dass sich alle Berechnungen auf eine definierte Drillachse beziehen, um die sich der Querschnitt unter Torsion verdrillt. Bisher und im Folgenden ist das die willkürlich gewählte Achse durch den Punkt A. Wie im Abschnitt 4.4.8 noch beschrieben werden wird, gibt es eine natürliche Drillruheachse, die der Stab, wenn er sich frei verdrillen kann, von sich aus wählt. Kann sich der Stab nicht frei verdrillen, weil ihm durch entsprechende Randbedingungen (Lagerungen, Festhaltungen, etc.) eine andere als die natürliche Drillachse aufgezwungen wird, spricht man von einer gebundenen Drillachse bzw. von einer Zwangsdrillachse.

Auf die Herleitung der Berechnungsformeln hat dieser Umstand keinen Einfluss. Es ist aber zu bedenken, dass die Berechnungsergebnisse für unterschiedliche Drillachsen im Allgemeinen gänzlich verschieden sind. Deshalb sollte aus Gründen der Eindeutigkeit die der Berechnung zugrunde liegende Drillachse bei den jeweiligen Formelzeichen stets in Form eines Index angegeben werden.

Einschränkung: M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

501

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Grundkurs

Die folgenden Ausführungen und Herleitungen gelten für Stäbe mit über die Stablänge unveränderlichem Querschnitt und konstanten Materialeigenschaften. Für andere Fälle sind die Zusammenhänge komplizierter und die Formeln umfangreicher.

4.4.6.2 Der Abklingfaktor Die Differentialgleichung (DGL) der gemischten Torsion ist eine gewöhnliche DGL vierter Ordnung. Der homogene Teil der DGL lautet:

E CA

G IT

0

Nach Division durch E·CA erhält man

G IT E CA

2

0

mit

G IT E CA

heißt Abklingfaktor und hat die Einheit [1/cm]. ist für die gängigen Walzprofile in Tabellenwerken enthalten, wobei zu beachten ist, dass die Werte für eine Drillachse gelten, die gleich der Schubmittelpunktsachse ist.

dient nicht nur der einfacheren Schreibweise der DGL, sondern ist in Verbindung mit der Stablänge l außerdem ein Maß dafür, welche Art der Torsion bei einem Querschnitt überwiegt.

Grenzfälle:

l

l

:

0:

Es liegt reine St. Venantsche Torsion vor ( E C A Es liegt reine Wölbkrfattorsion vor ( G I T

0)

0)

In der Praxis wird sich ein Stab selten exakt einem der Grenzfälle zuordnen lassen.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

502

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Auch die Art der Belastung hat einen Einfluss auf die Art der Torsion. In Bild 4-118 ist die Größe des tatsächlichen Wölbbimomentes M ( )im Verhältnis zum Wölbbimoment bei reiner Wölbkrafttorsion M ( =0) in Abhängigkeit vom Produkt ·l (im Bild genannt) und in Abhängigkeit von der Belastungsart (Einzeltorsionsmoment, Streckentorsionsmoment, Wölbbimomente an den Stabenden) angetragen.

Bild 4-118: Abgrenzung zwischen St. Venantscher Torsion und Wölbkrafttorsion Quelle: Kohlbrunner/Basler, Torsion, Springer-Verlag 1966

Als brauchbare Werte für die Praxis können folgende Grenzen des Produktes ·l dienen: ·l < 0,5 ≤ ·l ≤ 10 ·l > 10

reine Wölbkrafttorsion gemischte Torsion reine St. Venantsche Torsion

Beispiel: Torsionsstab mit Profil HEA 400 oder Profil RHP 200x120x6,3

Es wird ein Torsionsstab mit einer Länge von 10,0 m betrachtet. Als Querschnitt stehen ein Walzprofil HEA 400 und ein Rechteckhohlprofil 200 x 120 x 6,3 zur Auswahl. Als Drillachse wird die Achse durch den Schubmittelpunkt gewählt, die für diese Profile identisch mit der Schwerachse ist.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

503

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Variante HEA 400:

Der Querschnitt wird durch seine Profilmittellinie idealisiert.

Bild 4-119: Abmessungen HEA 400

Bild 4-120: Mittellinienmodell mit Festlegung der Koordinate s

Für den Steg ist rt,M = 0, für die Flansche jeweils +/- 18,55 cm

Bild 4-121: Verlauf von rt,M

Bild 4-122: Verlauf der Einheitsverwölbung

An den Flanschecken beträgt

M

Hinweis: wegen der Symmetrie gilt:

M

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

jeweils M

M

18,55 15,0

M

278,3 cm²

 keine Normierung erforderlich.

504

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Der Wölbwiderstand CM ergibt sich durch Integration: 2

CM

M

dA

A

Bei numerischer Integration (mit Integraltafeln) beträgt der Integrationsfaktor für die Überlagerung des dreieckigen M-Verlaufs mit sich selbst 1/3, wobei dA t (s) ds ist.

CM

1 278,3 278,3 1,9 15,0 3

4

2.943 .134 cm6

Für dieses Standard-Walzprofil könnte der Wert auch aus einem Tabellenwerk entnommen werden, z.B. aus den Schneider-Bautabellen. Hierzu ist die Kenntnis der alternativen Bezeichnung des Wölbwiderstandes notwendig: CM wird in der Literatur auch mit I bezeichnet. Zu beachten ist die Bezugsachse. Das Beispiel wird mit Bezug auf die Schubmittelpunktsachse berechnet, der Tabellenwert bezieht sich ebenfalls darauf, kann also verwendet werden.

2942 10 3 cm6

Tabellenwert: I

Dieser Wert entspricht der Handrechnung. Hinweise: Querschnittswerte in Tabellenwerken werden häufig mit „genaueren“ Methoden ermittelt, etwa mit FEM. Deshalb ergeben sich teilweise geringfügige Unterschiede. In diesem Zusammenhang sei noch auf eine etwas unglückliche Formulierung in den Schneider Bautabellen 6 -3 hingewiesen: Als Einheit ist in der Tabelle cm ·10 angegeben. Das bedeutet, dass die tabellierten Werte mit 6 1000 zu multiplizieren sind, um sie in der Einheit cm zu erhalten.

Für das Torsionsflächenmoment 2. Grades (St. Venantscher Torsionswiderstand) wird der Tabellenwert verwendet.

IT

189 cm4

Der Abklingfaktor

G IT E CM

Auch

kann nun berechnet werden.

8100 189 21000 2.942 .000

0,00498 cm

1

ist in den Bautabellen tabelliert und könnte direkt abgelesen werden.

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505

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Für eine Stablänge von 10,0 m ergibt sich

l 0,00498 1000

4,98 .

Der Wert ist größer als 0,5 und kleiner als 10, es handelt sich um ein Problem der gemischten Torsion, bei dem sich sowohl Anteile aus St. Venantscher Torsion als auch Anteile aus Wölbkrafttorsion an der Abtragung von Torsionsmomenten beteiligen.

Variante RHP 200 x 120 x 6,3: Der Querschnitt wird näherungsweise unter Vernachlässigung der Kantenausrundungen als scharfkantig berandet betrachtet.

Bild 4-123: Abmessungen

Bild 4-124: Idealisierung durch Mittellinie

Der Verlauf der Einheitsverwölbung

Am

(b t ) (h t )

2 Am ds t (s) s

M

wird tabellarisch berechnet.

(20,0 0,63) (12,0 0,63) 19,37 11,37

2 220 ,24 19,37 11,37 2 0,63 0,63

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

220,24 cm²

4,514 cm²

506

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Punkt i [-]

M

(i 1)

+

[cm²]

0 1 2 3 4 5

0 -14,33 14,33 -14,33 14,33

rt,M

·

[cm] + + + + +

5,685 9,685 5,685 9,685 5,685

-

s

[cm²]

[cm] · · · · ·

9,685 11,37 19,37 11,37 9,685

-

Tabelle 4-12: Berechnung der Grundverwölbung

Bild 4-125: Verlauf der Einheitsverwölbung

·

4,514 4,514 4,514 4,514 4,514

s

/

9,685 11,37 19,37 11,37 9,685

=

[cm]

[cm] · · · · ·

t

/ / / / /

0,63 0,63 0,63 0,63 0,63

M

(i)

[cm²] = = = = =

0 -14,33 14,33 -14,33 14,33 0,00

M

M

Der Wölbwiderstand CM ergibt sich durch Integration:

2

CM

M

dA

A

Bei numerischer Integration (mit Integraltafeln) beträgt der Integrationsfaktor für die Überlagerung des dreieckigen M-Verlaufs mit sich selbst 1/3, wobei dA t (s) ds ist.

CM

4

1 1 14,33 14,33 0,63 9,685 4 14,33 14,33 0,63 5,685 3 3

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

2651 cm6

507

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Grundkurs

Torsionsflächenmoment 2. Grades (St. Venantscher Torsionswiderstand): 2

4 Am ds t (s)

IT

4 (19,37 11,37 ) 2 19,37 11,37 2 2 0,63 0,63

1988 cm4

4

(Der Anteil IT,offen = 5,1 cm kann vernachlässigt werden).

Der Abklingfaktor

G IT E CA

beträgt

8100 1988 21000 2651

0,538 cm 1

Für eine Stablänge von 10,0 m ergibt sich

l

0,538 1000

538

10 .

Der Wert ist viel größer als 10, es handelt sich eindeutig um ein Problem der St. Venantschen Torsion, der Anteil des sekundären Torsionsmomentes infolge Wölbkrafttorsion am gesamten Torsionsmoment ist vernachlässigbar. Aus diesem Grund sind in den meisten Tabellenwerken für Hohlprofile auch keine Werte für CM bzw. I aufgeführt, sie werden in der Praxis fast nie benötigt.

4.4.6.3 Lösungsansatz Die Lösung der Differentialgleichung der gemischten Torsion kann in einen homogenen Anteil und in einen partikulären Anteil aufgespalten werden. hom

part

Unter Verwendung des Abklingfaktors setzt sich der homogene Anteil der Differentialgleichung der gemischten Torsion aus vier linear unabhängigen Teillösungen zusammen:

C1 hom

2

sinh

x

C2 2

cosh

x C3 x C 4

Die partikuläre Lösung ist vom Lastbild der äußeren Belastung abhängig.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

508

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Grundkurs

Die folgenden Ausführungen gelten für ein in Stablängsrichtung x linear veränderliches Streckentorsionsmoment mT.

mT

mT , 0

mT ,1

x l

Bild 4-126: Dem Lösungsansatz zugrunde liegendes Lastbild

Damit können die relevanten Fälle eines konstanten (mT,1 = 0) und eines linear veränderlichen (mT,1 ≠ 0) Streckentorsionsmomentes behandelt werden. Im Fall einer Belastung durch Einzeltorsionsmomente MT ist auch mT,0 = 0. Die Lösung der DGL ergibt sich dann aus den Rand- und Übergangsbedingungen.

Für in höherer Ordnung veränderliche Streckentorsionsmomente oder solche, deren Verlauf z.B. auf einer Sinus- oder Cosinus-Funktion basiert, ist eine andere Lösung zu bestimmen (hier nicht vorgeführt).

Für die partikuläre Lösung wird ein Polynomansatz gewählt: part

A x3 B x 2 C x D

part

3A x 2

part

6 A x 2B

part

6A

part

0

2B x C

Einsetzen der 2. und 4. Ableitung sowie der Funktion für das Streckentorsionsmoment in die DGL der gemischten Torsion ergibt:

E CA

G IT

mT

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509

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Grundkurs

G I T (6 A x 2 B )

mT ,0

x l

mT ,1

Die Lösung erfolgt mittels Koeffizientenvergleich.

G IT 6 A x

G IT 2 B

mT ,1

x l

A

B

mT , 0

mT ,1 6 G IT l mT , 0 2 G IT

Auf die Bestimmung der Koeffizienten C und D kann verzichtet werden, denn innerhalb der Summe aus partikulärer und homogener Lösung kann C in C3 und D in C4 eingebaut werden. Damit lautet der allgemeine Lösungsansatz:

C1 2

C1 2

sinh

x

C2

sinh

x

C2

2

2

cosh

x C3 x C 4

cosh

x C3 x C 4

mT ,1 6 G IT l 1 2 G IT

x3 mT ,0

mT ,0 2 G IT

x2

1 x mT ,1 3 l

x2

Für die eigentliche Differentialgleichung werden auch die Ableitungen dieses Lösungsansatzes benötigt.

C1 2

C1

sinh

x

cosh

C1 sinh

C1

x

C2 2

C2

cosh

sinh

x C2 cosh

cosh

x C2

x C3 x C 4

1 2 G IT

mT , 0

x C3

1 2 G IT

x

1 G IT

sinh

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

x

1 x mT ,1 3 l

x2

x l

x

2 mT ,0

mT ,0

mT ,1

mT ,1

x l

mT ,1 G IT l

510

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Grundkurs

Die Bestimmung der Koeffizienten C1 bis C4 erfolgt mit Hilfe der Rand- und Übergangsbedingungen des Systems.

4.4.6.4 Randbedingungen Gabellager Ein Gabellager verhindert die Verdrehung

des Stabes:

0

Die Verwölbungen u sind ungehindert möglich. Ohne Behinderung der Verwölbungen u entstehen keine Wölbnormalspannungen : ,A

E

0

A

0

Da ohne Wölbnormalspannungen auch kein Wölbbimoment M auftritt, kann diese Randbedingung alternativ auch aus der Gleichung für M abgeleitet werden:

M

E

CA

0

0

Bild 4-127: Gabellager

Die weiteren Randbedingungen eines Gabellagers u sung der DGL nicht benötigt.

0, v

0 und w

0 werden zur Lö-

Allgemeine Hinweise zu Gabellagern siehe Abschnitt 4.3.9.

Einspannung Wie ein Gabellager verhindert auch eine Einspannung die Verdrehung des Stabes:

0

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

511

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Im Gegensatz zu einem Gabellager werden die Verwölbungen u des Querschnitts vollständig behindert.

uA

0

A

0

Bild 4-128: Einspannung

Die weiteren Randbedingungen einer Einspannung v

w

0 und

y

z

0 werden zur

Lösung der DGL nicht benötigt.

Freies Stabende (ohne Wölbbehinderung) An einem freien Stabende sind Verwölbungen u ungehindert möglich. Ohne Behinderung der Verwölbungen u entstehen keine Wölbnormalspannungen : ,A

E

0

A

0

Da ohne Wölbnormalspannungen auch kein Wölbbimoment M auftritt, kann diese Randbedingung alternativ auch aus der Gleichung für M abgeleitet werden:

M

E

CA

0

0

Die Gleichgewichtsbedingung am freien Ende lautet: Mx = MT, wobei MT ein evtl. angreifendes äußeres Torsionsmoment ist.

G IT

E CA

MT

Bild 4-129: Freies Stabende M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

512

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Freies Stabende (mit vollständiger Wölbbehinderung) Eventuell ist für die Praxis noch der Sonderfall von Bedeutung, dass die Verwölbungen am freien Stabende behindert sind, z.B. durch eine sehr dicke Stirnplatte Dann gilt

uA

A

0

0

und

Mx

G IT

MT

' E CA

' ' ' MT

Die Gleichgewichtsbedingung am freien Ende lautet: Mx = MT, wobei MT ein evtl. angreifendes äußeres Torsionsmoment ist.

G IT

E CA

MT

Bild 4-130: Freies Stabende mit vollständiger Wölbbehinderung

Stabende mit Dreh- und/oder Wölbfeder Bei den bisher beschriebenen Randbedingungen handelt es sich um Grenzfälle, bei denen Verdrehungen bzw. Verwölbungen u entweder gar nicht oder vollständig behindert werden. Außer diesen Grenzfällen ist es möglich, dass das Stabende an eine Dreh- und/oder Wölbfeder angeschlossen ist. Unter der Voraussetzung einer linearelastischen Federkennlinie ergeben sich folgende Randbedingungen, wobei zu unterscheiden ist, ob diese Federn am Anfang oder am Ende des betrachteten Stababschnittes angreifen.

Drehfeder: Einheit:

kNcm / rad

Stabanfang (x = 0):

M x (0)

Stabende (x = l):

M x (l )

C C

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

(0)

G IT

E CA

(l )

G IT

E CA

C C

513

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Bild 4-131: Stabende mit Drehfeder

Wölbfeder: Einheit:

kNcm³ / rad

Stabanfang (x = 0):

M (0)

Stabanfang (x = l):

M (l )

C

C

(0)

(l )

E

CA

E

CA

C

C

Bild 4-132: Stabende mit Wölbfeder

4.4.6.5 Übergangsbedingungen Übergangsbedingungen sind für alle Stellen des Stabes zu formulieren, an denen eine Zustandsgröße eine sprunghafte Änderung erfährt. Übergangsbedingungen gibt es bei Auflagern, an Einleitungsstellen äußerer Einzeltorsionsmomente, an Angriffspunkten von Dreh- oder Wölbfedern, an Stellen mit sprunghafter Querschnittsänderung.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

514

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Der letztgenannte Fall stellt unter der der Voraussetzung, dass zwischen den beiden verschiedenen Querschnitten eine Stirnplatte eingeschweißt ist, eine Wölbfeder dar (an dieser Stelle nicht weiter behandelt). Geht man davon aus, dass es keine sprunghafte Änderung des Querschnitts gibt, dann können folgende Übergangsbedingungen formuliert werden: 1.) Der Verlauf der Verdrehung links

ist stetig (kein Sprung):

rechts

2.) Der Verlauf der Verwölbung u ist stetig (kein Sprung):

ulinks

u rechts

links

rechts

3.) Der Verlauf der Wölbnormalspannungen Sprung): ,links

, rechts

bzw. M

,links

M

bzw. des Wölbbimomentes M ist stetig (kein

, rechts

4.) Die Gleichgewichtsbedingung muss erfüllt sein:

links

rechts

Mx = 0

Bild 4-133: Gleichgewicht als Übergangsbedingung

M x ,links

M x ,rechts

MT

(G I T

0

E CA

) links

(G I T

Unter Berücksichtigung der Bedingung 2.)

E CA (

links

)

rechts

MT

links

E CA

rechts

) rechts

MT

0

vereinfacht sich die Bedingung 4.) zu

0.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Beispiel: U-Profil U200 mit Linienlast in Stegblechebene

Vorbemerkung: Es soll die Lösung der DGL demonstriert werden ohne Nachweis der Tragfähigkeit. Deshalb werden Einwirkung und Schnittgrößen ohne Index „Ed“ dargestellt. Die Biegebeanspruchung ist hier nicht Gegenstand der Berechnungen.

Bild 4-134: Abmessungen U 200

Bild 4-135: System und Belastung

Bezüglich der Drillruheachse, die durch den Schubmittelpunkt M verläuft, entsteht durch die Belastung in Stegblechebene ein Streckentorsionsmoment mT.

ey mT mT ,1

39,4 20,1 8,5 / 2 const.

mT , 0

23,55 mm

0,02355 5,0

0,118 kNm / m

0

Weil sich der Querschnitt bei freier Drillung um die Schubmittelpunktsachse verdreht, können für die Querschnittswerte die tabellierten Werte verwendet werden.

IT

CM

11,9 cm4

I

9070 cm6

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Abklingfaktor:

G IT E CA

8100 11,9 21000 9070

0,0225 cm 1

Für die Stablänge von 3,0 m ergibt sich

l 0,0225 300 6,75 (gemischte Torsion).

Die Lösung der DGL erfolgt unter Verwendung der Randbedingungen, die an den Stellen der Auflager x = 0 und x = l = 3,0 m bekannt sind.

Zur Erinnerung:

sinh 0

0

cosh 0 1

Alle Einheiten werden konsequent in [kN] und [cm] eingesetzt.

Auflager links: Einspannung

(x 0) 0 C1 2

C1 2

C2 2

sinh

sinh (

C4

C2

x

C2

0)

cosh

x C3 x C 4

cosh (

0) C3 0 C 4

2

2

1 2 G IT

1 x mT ,1 3 l

mT ,0

1 2 G IT

1 0 0 3 l

mT ,0

x2

02

0

0

0

(x 0) 0 C1

C1 C1

cosh

cosh

0

x

C2

C2

sinh

sinh

x C3

0 C3

1 2 G IT

1 2 G IT

2 mT , 0

2 mT ,0

0

mT ,1 0 l

x l

x

0

0 0

C3 0

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

517

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Auflager rechts: Gabellager

(x l) 0 C1 2

C1 2

C1 2

sinh

x

C2 2

sinh (

l)

C2

sinh (

l)

C2

2

2

cosh

x C3 x C 4

1 2 G IT

mT ,0

1 x mT ,1 3 l

x2

cosh (

l ) C3 l C 4

1 2 G IT

mT ,0

1 l 0 3 l

0

cosh (

l ) C3 l C 4

1 mT ,0 l 2 2 G IT

l2

0

0

(x l) 0 C1 sinh

x C2 cosh

x

1 G IT

C1 sinh

l C 2 cosh

l

1 G IT

C1 sinh

l C2 cosh

l

1 mT ,0 G IT

mT , 0

mT ,0

0

mT ,1 l l

x l

0

0

0

Damit stehen vier Gleichungen zur Bestimmung von vier Unbekannten zur Verfügung, die zusammen ein lineares Gleichungssystem bilden.

1

0 1 sinh (

l)

2

sinh (

2

0 1

0

1 0

cosh (

l)

2

l)

cosh (

l)

l

1

0 0

C1 C2 C3 C4

0 0 mT , 0 l 2 2 G IT mT ,0 G IT

Eine allgemeine, analytische Lösung gestaltet sich schwierig, so dass vorzugsweise die konkreten Zahlenwerte eingesetzt werden und die Lösung direkt bestimmt wird. das kann z.B. mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms erfolgen.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Profil:

U200

System:

1 Feld, l=

3m

Randbedingungen links: Einspannung Querschnittswerte: I =

rechts:

Gabellager

6 9070 cm 4 11,9 cm

IT = Belastung: mT,links =

0,11775 kNm/m

mt,rechts =

0,11775 kNm/m -1 0,022495865 cm

=

Lösung des Gleichungssystems mit 4 Unbekannten C1 C2 1. 0 0 1976,034858 2. 0 44,45261363 0 3. 0,054971989 842777,6968 842780,0133 4. 1,2216E-06 426,4994077 426,5005801 -4,62719E-06 4,63004E-06

C3 0 1 300 0 0,000205691

C4 1 0 1 0 -0,00914912

Bild 4-136: Ausschnitt aus MS Excel-Arbeitsblatt

Lösung:

C1

4,62719 10

6

6

C2

4,63004 10

C3

0,000205691

C4

0,00914912

Diese Koeffizienten können nun in die Lösung der DGL bzw. deren Ableitungen eingesetzt werden, und man erhält mit den entsprechenden Formeln Mx,p, Mx,s, Mx und M . Auch dieser Berechnungsschritt kann vorteilhaft mit einer Tabellenkalkulation durchgeführt werden. Beispielhaft wurden diese Schnittgrößen für Schnitte im Abstand von 15 cm berechnet, jeweils in [kNcm] bzw. [kNcm²].

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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x [m] 0,00 0,15 0,30 0,45 0,60 0,75 0,90 1,05 1,20 1,35 1,50 1,65 1,80 1,95 2,10 2,25 2,40 2,55 2,70 2,85 3,00

' [rad] 0,00000000 0,00032952 0,00113489 0,00220140 0,00337598 0,00454957 0,00564460 0,00660604 0,00739512 0,00798486 0,00835692 0,00849959 0,00840633 0,00807512 0,00750817 0,00671216 0,00569907 0,00448750 0,00310485 0,00159043 0,00000000

[rad/cm] 0,00000000 0,00004063 0,00006439 0,00007613 0,00007929 0,00007634 0,00006906 0,00005871 0,00004621 0,00003222 0,00001726 0,00000169 -0,00001415 -0,00002999 -0,00004553 -0,00006047 -0,00007441 -0,00008684 -0,00009709 -0,00010422 -0,00010697

'' [rad/cm²] 0,00000341 0,00000208 0,00000114 0,00000046 -0,00000002 -0,00000036 -0,00000060 -0,00000077 -0,00000089 -0,00000097 -0,00000102 -0,00000105 -0,00000106 -0,00000105 -0,00000102 -0,00000097 -0,00000089 -0,00000076 -0,00000059 -0,00000035 0,00000000

''' [rad/cm³] -0,00000010 -0,00000007 -0,00000005 -0,00000004 -0,00000003 -0,00000002 -0,00000001 -0,00000001 -0,00000001 0,00000000 0,00000000 0,00000000 0,00000000 0,00000000 0,00000000 0,00000000 0,00000001 0,00000001 0,00000001 0,00000002 0,00000003

Mx,p

Mx,s

Mx

M

[kNcm] 0,00 3,92 6,21 7,34 7,64 7,36 6,66 5,66 4,45 3,11 1,66 0,16 -1,36 -2,89 -4,39 -5,83 -7,17 -8,37 -9,36 -10,05 -10,31

[kNcm] 19,83 14,14 10,09 7,19 5,12 3,64 2,57 1,80 1,24 0,82 0,50 0,23 0,00 -0,24 -0,51 -0,84 -1,26 -1,83 -2,61 -3,69 -5,19

[kNcm] 19,83 18,06 16,29 14,53 12,76 11,00 9,23 7,46 5,70 3,93 2,16 0,40 -1,37 -3,13 -4,90 -6,67 -8,43 -10,20 -11,97 -13,73 -15,50

[kNcm²] -649,21 -396,82 -216,79 -88,43 3,02 68,08 114,21 146,73 169,36 184,72 194,56 200,02 201,73 199,88 194,26 184,23 168,63 145,66 112,69 65,93 0,00

Tabelle 4-13: Berechnungsergebnisse

Diskussion der Ergebnisse Nun sollen die Ergebnisse hinsichtlich ihrer Plausibilität diskutiert werden. Diese Interpretation ist gleichsam eine Kontrolle der Berechnung, z.B. ob alle Randbedingungen mit den Vorgaben übereinstimmen. Zur leichteren Interpretierbarkeit werden die Tabellenwerte in Diagrammform dargestellt. Die horizontale Achse entspricht der Trägerlängsrichtung, links befindet sich die Einspannung und rechts das Gabellager.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

520

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Verdrehung

[rad] 0,0090 0,0080 0,0070 0,0060 0,0050 0,0040 0,0030 0,0020 0,0010 0,0000 -0,0010 0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

Schnitt x [m]

An der Einspannstelle (x = 0) und am Gabellager (x = 3,0 m) ist die Verdrehung = 0. Man erkennt, dass im Bereich der Einspannung die Verdrehung weniger stark zunimmt als im Bereich des Gabellagers. Das liegt an der Wölbbehinderung, denn dadurch wird der Querschnitt hinsichtlich Torsion lokal steifer. Man kann sich das auch als eine Art ideelle Torsionssteifigkeit G·IT* vorstellen.

Bild 4-137: Verdrehung Verdrillung ‘

' [rad/cm] 0,00010 0,00005 0,00000 0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

-0,00005 -0,00010 -0,00015

Schnitt x [m]

Bild 4-138: Verdrillung '

2. Ableitung ‘‘ der Verdrehung

'' [rad/cm²] 0,000004 0,000003 0,000002 0,000001 0,000000 -0,000001

-0,000002

0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

Schnitt x [m]

An der Einspannstelle (x = 0) ist ‘ = 0. Das stimmt mit der Randbedingung einer Einspannung (u = ‘ = 0) überein. Am Gabellager (x = 3,0 m) ist eine Verwölbung u und damit auch eine Verdrillung ‘ ungehindert möglich. Weil ‘ die Ableitung von ist, wird damit auch klar, dass im Bereich des Gabellagers zur Stabmitte hin stärker zunimmt als im Bereich der Einspannung. Das primäre Torsionsmoment Mx,p ist direkt proportional zu ‘. An der Einspannstelle ist ‘ = 0, weshalb dort die Abtragung von Mx zu 100 % durch Wölbkrafttorsion erfolgt.

2,50

3,00

3,50

Der Verlauf des Wölbbimomentes M ist direkt proportional zu ‘‘. M ist die Resultierende der Wölbnormalspannungen . Diese sind dort gleich null, wo die Verwölbung u nicht behindert wird. Das ist am Gabellager der Fall. An der Einspannstelle wird die Verwölbung vollständig behindert, weshalb dort die Spannungen und damit ‘‘ am größten sind.

Bild 4-139: 2. Ableitung der Verdrehung

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

521

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Grundkurs

3. Ableitung ‘‘‘ der Verdrehung

''' [rad/cm³] 0,00000004 0,00000002 0,00000000

-0,000000020,00

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

3,00

3,50

-0,00000004 -0,00000006

-0,00000008

Der Verlauf des sekundären Torsionsmomentes Mx,s ist direkt proportional zu ‘‘‘. Man erkennt, dass an der Einspannstelle ‘‘‘ dem Betrag nach maximal ist. Wie bereits aus der Kurve für ‘ abgeleitet, erfolgt dort die Abtragung des Torsionsmomentes zu 100 % durch Wölbkrafttorsion.

-0,00000010 -0,00000012

Schnitt x [m]

Bild 4-140: 3. Ableitung der Verdrehung

Torsionsmoment Mx (insgesamt)

Mx [kNcm]

An der Einspannstelle beträgt Mx = 19,83 kNcm und am Gabellager Mx = 15,50 kNcm. Das sind auch die Auflagerreaktionen des Systems, die mit der Belastung im Gleichgewicht stehen müssen.

25,0 20,0 15,0

10,0 5,0 0,0 -10,0

Belastung: 0,11775 · 300 = 35,33 kNcm Reaktion: 19,83 + 15,50 = 35,55 kNcm

-15,0

 OK

-5,0 0,00

-20,0

0,50

1,00

1,50

2,00

2,50

Schnitt x [m]

Bild 4-141: Torsionsmoment M x (insgesamt)

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

3,00

3,50

Bemerkenswert ist, dass Mx an den beiden Trägerenden unterschiedlich groß ist: bei reiner St. Venantscher Torsion wäre Mx an beiden Trägerenden gleich groß. Die Auswirkung der Wölbbehinderung an der Einspannstelle kann man sich als Zunahme einer (ideellen) Torsionssteifigkeit G·IT* vorstellen, und diese größere Steifigkeit zieht einen größeren Anteil von Mx auf sich als das Gabellager ohne Wölbbehinderung.

522

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Mx,p [kNcm] 10,0 8,0 6,0 4,0 2,0 0,0 -2,0 0,00 -4,0 -6,0 -8,0 -10,0 -12,0

0,50

1,00

1,50

2,00

Primäres Torsionsmoment Mx,p (st. Venant) und sekundäres Torsionsmoment Mx,s (Wölbkrafttorsion):

2,50

3,00

3,50

An der Einspannstelle (x = 0) erfolgt die Abtragung von Mx zu 100 % durch Wölbkrafttorsion. Mx,p ist dort null. Mit zunehmender Entfernung von der Einspannstelle nimmt Mx,p rasch zu und Mx,s entsprechend ab (Abklingfaktor !). Im Mittelbereich des Stabes verläuft die Kurve Mx,s relativ flach, es überwiegt dort Mx,p. Zum Gabellager hin nimmt Mx,s wieder zu (dem Betrag nach). Zwar wird am Gabellager die Verwölbung nicht direkt behindert, das Gabellager entspricht dem Wesen nach aber der Einleitung eines Einzeltorsionsmomentes MT, und solche Diskontinuitäten erzeugen im Allgemeinen sekundäre Torsionsmomente Mx,s.

Schnitt x [m]

Bild 4-142: Primäres Torsionsmoment M x,p

Mx,s [kNcm] 25,0 20,0 15,0 10,0 5,0 0,0 -5,0

0,00

0,50

1,00

-10,0

1,50

2,00

2,50

Die Summe dieser beiden Kurven entspricht dem gesamten Torsionsmoment Mx, weshalb die Kurven im Zusammenhang betrachtet werden sollten.

3,00

3,50

Schnitt x [m]

Bild 4-143: Sekundäres Torsionsmoment M x,s

Wölbbimoment M

M [kNcm²] 300 200 100 0 -100 0,00

0,50

1,00

1,50

2,00

-200 -300 -400 -500 -600 -700

2,50

3,00

3,50

Der Verlauf von M ist affin zum Verlauf von ‘‘. An der Einspannstelle ist die Verwölbung vollkommen behindert, dort entstehen infolge von lokalem Zwang große Wölbnormalspannungen , und M als deren Resultierende ist entsprechend groß. Am Gabellager wird die Verwölbung nicht behindert, dort sind die Spannungen und das Wölbbimoment M null.

Schnitt x [m]

Bild 4-144: Wölbbimoment M

Für Standardfälle hält die Literatur aufbereitete Lösungen bereit. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

523

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So sind z.B. in den Schneider Bautabellen Lösungen für folgende Situationen zu finden: Kragträger mit Wölbbehinderung an der Einspannstelle und Einzeltorsionsmoment am Trägerende, Einfeldträger mit Gabellagern und Einzeltorsionsmoment in Feldmitte, Einfeldträger mit Gabellagern und konstantem Streckentorsionsmoment.

4.4.7

Schnittgrößenermittlung mit der Querkraftanalogie beim Vorliegen reiner Wölbkrafttorsion

Wenn es sich bei einem torsionsbeanspruchten Stab um ein Problem der reinen Wölbkraftl aus Abklingfaktor und Stabtorsion handelt, bzw. wenn man aufgrund des Produktes länge in guter Näherung von reiner Wölbkrafttorsion ausgehen kann (vgl. Abschnitt 4.4.6.2), dann vereinfacht sich die DGL der gemischten Torsion zur DGL der reinen Wölbkrafttorsion.

Gemischte Torsion:

Mx

M x, p

M x ,s

reine WKT:

G IT



E I

Mx

M x ,s

E I

Betrachtet man die DGL der reinen Wölbkrafttorsion, so fällt rein äußerlich eine starke Ähnlichkeit zur DGL der Biegelinie auf, die man für eine Analogiebetrachtung nutzen kann.

Wölbkrafttorsion

M ( x)

E I

M x , s ( x)

M

mT ( x)

M x , s ( x)

Biegetheorie

M y ( x)

( x)

E I

E I

( x)

( x)

E I y w ( x)

V z ( x)

M y ( x)

q ( x)

V z ( x)

E I y w ( x)

E Iy w

( x)

Das Aussehen der jeweiligen DGL ist identisch, die jeweiligen Entsprechungen sind Tabelle 4-14 zu entnehmen. (reine) Wölbkrafttorsion

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

Entsprechung in der Biegetheorie

524

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Größe

Bezeichnung

Einheit

Größe

Bezeichnung

Einheit

Verdrehung

rad

w

Durchbiegung

mm kNm

M

Wölbbimoment

kNm²

My bzw. Mz

Biegemoment

Mx,s

sekundäres Torsionsmoment

kNm

Vz bzw. Vy

Querkraft

mT

Streckentorsionsmoment

kNm/m

q

Streckenlast

kN kN/m

Tabelle 4-14: Querkraftanalogie bei reiner Wölbkrafttorsion, entsprechende Größen Hinweis: Es sind die für die Größen üblichen Einheiten angegeben, bei der Berechnung sind die Einheiten wie immer aufeinander abzustimmen (z.B. einheitlich [cm]).

Bezüglich der Lagerungsbedingungen gelten folgende Entsprechungen: Ein Gabellager bei der WKT entspricht einem gelenkigen Auflager bei der Biegetheorie. Am gabelgelagerten Stabende sind die Verdrehung und deren 2. Ableitung null. Analog sind am gelenkig gelagerten Stabende die Durchbiegung w und deren 2. Ableitung null. Bei mehrfeldrigen Stäben kann sich am Gabellager eine Art Durchlaufwirkung einstellen: das Nachbarfeld erzeugt eine Wölbbehinderung, so dass M und damit ‘‘ im Allgemeinen nicht null sind, genau so, wie bei der Biegetheorie über einem Innenauflager, auf dem der Stab zwar gelenkig aufliegt, aber selbst biegesteif durchläuft, ein Stützmoment entsteht, so dass My und w‘‘ nicht null sind. Eine Einspannung bei der Wölbkrafttorsion entspricht auch einer Einspannung bei der Biegetheorie. An der Einspannstelle ist keine Verdrehung möglich, und infolge der Behinderung der Verwölbungen u ist auch die Verdrillung ‘ wegen u gleich null. Entsprechend sind beim Biegebalken an einer Einspannstelle die Durchbiegung w 0 und der Winkel w 0 , weil der Stab in der Einspannstelle lotrecht zur Einspannebene eingespannt ist und aus der Einspannstelle ohne Winkel herausragt.

Die Lösung der Aufgabe besteht also in der Zuordnung der entsprechenden Größen und der Berechnung der Schnittgrößen für einen Biegebalken (z.B. mit Hilfe von Tabellen).

Unter der Annahme reiner Wölbkrafttorsion kann die Berechnung mit Hilfe der Querkraftanalogie und unter Verwendung tabellierter Lösungen oder unter Verwendung handelsüblicher Stabwerksprogramme erfolgen, auch wenn diese eigentlich keine Aufgaben zur Wölbkrafttorsion lösen können.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

525

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Wichtig: Im Gegensatz zur Querkraftanalogie bei reiner St. Venantscher Torsion gibt es im Rahmen der Querkraftanalogie bei reiner Wölbkrafttorsion eine Durchlaufwirkung. Die Torsionsschnittgrößen Mx,s und M enden nicht an einem Gabellager. Diese Schnittgrößen stellen sich nicht nur in dem belasteten Trägerfeld ein, sondern sie entstehen auch in den übrigen, unbelasteten Feldern des Stabzuges. Es können also durchaus auch unbelastete Bereiche eines Stabzuges Torsionsschnittgrößen aufweisen.

Bild 4-145 zeigt exemplarisch ein reales System und Bild 4-146 das entsprechende Analogie-System. Im Rahmen der Übung zur Wölbkrafttorsion wird dieses Beispiel vollständig gezeigt.

Bild 4-145: Durch Streckentorsionsmoment belasteter, gabelgelagerter Stab

Bild 4-146 System bei Verwendung der Querkraftanalogie für reine Wölbkrafttorsion

Einander entsprechende Größen:

mT ˆ q M x ,s ˆ Vz M  My

Nochmals zur Erinnerung: Die Querkraftanalogie gilt nur bei Vorhandensein bzw. unter der Annahme reiner Wölbkrafttorsion. Für den allgemeinen Fall der gemischten Torsion steht mit der sogenannten Zugstabanalogie ebenfalls ein auf Analogiebetrachtungen basierendes Berechnungsverfahren zur Verfügung, das aus Zeitgründen nicht behandelt werden kann (vgl. Hinweise in Abschnitt 4.6.1).

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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4.4.8

Natürliche Drillachse und Bestimmung des Schubmittelpunktes mit der Wölbmethode

Im Zuge der Herleitung der Einheitsverwölbung

A

(mit Bezug auf die willkürlich gewählte

Drillachse A) wurde postuliert, dass die Verwölbungen u des gesamten Querschnitts im Mittel null sein müssen, wenn als Schnittgröße nur ein Torsionsmoment Mx und keine Normalkraft N vorhanden ist. Aus dieser Forderung konnte durch den Berechnungsschritt der 1. Normierung aus der Grundverwölbung A die Einheitsverwölbung A gewonnen werden.

Bei Behinderung der Verwölbung entstehen Wölbnormalspannungen ,A, deren Resultierende das Wölbbimoment M ist. Aus der Tatsache, dass ,A bzw. M auf Grundlage der Einheitsverwölbung A berechnet werden (vgl. Formeln), kann man schließen, dass aus den Spannungen ,A keine Normalkraft resultiert:

N(

,A

)

,A

dA

E

( x)

A

A

dA 0 ,

weil

A

A

dA 0 ist.

A

Allerdings können aus den Wölbnormalspannungen und Mz ( ,A) entstehen.

,A

durchaus Biegemomente My (

,A)

Üblicherweise werden Biegemomente auf die Schwerachsen des Querschnitts bezogen, und man kann die aus den Wölbnormalspannungen ,A resultierenden Biegemomente in gewohnter Weise notieren:

My (

,A

)

,A

z dA

A

Mz (

,A

)

,A

y dA

A

Bild 147: Wölbnormalspannungen

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

am Element dA

527

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Mit dieser Biegebeanspruchung gehen eine Verkrümmung des Stabes und Auflagerreaktionen einher, die man bei alleiniger Beanspruchung durch ein Torsionsmoment Mx nicht sofort vermuten würde. Dieses Verhalten des Stabes unter Torsionsbeanspruchung ist in der willkürlichen Wahl einer beliebigen Drillachse A begründet, denn im Regelfall ist diese Achse A nicht jene Drillachse, um die sich der Stab von sich aus verdrehen würde. Vielmehr handelt es sich bei der Drillachse A um eine Zwangsdrillachse, die dem Stab aufgezwungen wird, und deshalb handelt es sich bei My ( ,A) und Mz ( ,A) streng genommen um Zwangsschnittgrößen.

Zwingt man dem Stab keine definierte Drillachse auf, so wird sich der Stab nach dem Prinzip des Energieminimums um jene Achse verdrillen, für welche einer Verdrillung der geringste Widerstand entgegengesetzt wird.

Diese Achse heißt Drillruheachse oder natürliche Drillachse.

Die Drillruheachse verläuft durch den Schubmittelpunkt M (Schubmittelpunktsachse).

Auf den Beweis, dass die Drillruheachse der Schubmittelpunktsachse entspricht, wird an dieser Stelle verzichtet (siehe Literatur).

Wichtig: Wie erläutert ist stets der Bezug zur vorgegebenen Drillachse von Bedeutung, so dass in der Regel die Formelzeichen durch einen Index, z.B. A, ergänzt werden, der den Bezug zur Drillachse herstellt. Im Fall der Drillung um die Drillruheachse lautet der Index M. Es ist aber üblich, im Fall der freien Drillung um die Schubmittelpunktsachse auf die Kennzeichnung der Drillachse zu verzichten. Grundsatz: Wenn kein Index angegeben ist, so bezieht sich die betreffende Größe in der Regel auf Schubmittelpunktsachse (vgl. z.B. Schneider Bautabellen: Wölbwiderstand I , Einheitsverwölbung , etc.)

Zur Erinnerung sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass sich Schnittgrößen, wenn keine weiteren Angaben gemacht sind, auf zweierlei Bezugsachsen beziehen: Normalkräfte N und Biegemomente My und Mz beziehen sich auf die Stabachse, also die Achse durch den Schwerpunkt S. Querkräfte Vz und Vy, Torsionsmomente Mx sowie Wölbbimomente M beziehen sich auf die natürliche Drillruheachse, also die Achse durch den Schubmittelpunkt M.

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Wesentliche Eigenschaften der natürlichen Drillachse: Für die Verdrillung um die Drillruheachse muss im Vergleich zu einer Verdrillung um jede andere beliebige Achse die geringste Energie aufgewendet werden (Prinzip des Energieminimums). Demnach setzt der Stab einer Verdrillung um die Drillruheachse im Vergleich zu jeder anderen Drillachse den geringsten Widerstand entgegen. Der Wölbwiderstand CM bzw. I (M kennzeichnet den Bezug auf die Schubmitelpunktsachse) ist der kleinstmögliche Wölbwiderstand. Wölbfreie Querschnitte besitzen diese Eigenschaft nur, wenn die Verdrillung um die natürliche Drillachse erfolgt. Bei Verdrillung um die natürliche Drillachse resultiert aus den Wölbnormalspannungen nur das Wölbbimoment M , jedoch treten keine Biegemomente My und Mz auf, denn diese wären aufgrund der Gleichgewichtsbedingung infolge nicht vorhandener äußerer Gegenkräfte nicht möglich. Aus der Tatsache, dass der Wölbwiderstand CM (I ) bei Verdrillung um die Drillruheachse minimal ist, folgt unmittelbar, dass auch das sekundäre Torsionsmoment Mx,s und das Wölbbimoment M bei Verdrillung um die Drillruheachse minimal sind: Mx,s und M sind direkt proportional zu CM bzw. I .

Mit Hilfe dieser Eigenschaften kann die Lage der Drillruheachse bestimmt werden. Da die Drillruheachse gleichzeitig die Schubmittelpunktsachse ist, stellt die im Folgenden beschriebene Vorgehensweise auch eine alternative Methode zur Bestimmung des Schubmittelpunktes eines Querschnitts dar. Man nennt dieses Vorgehen Schubmittelpunktsbestimmung mit der Wölbmethode. Eine Möglichkeit der Berechnung besteht darin, das Minimum des Wölbwiderstandes zu bestimmen: CM bzw. I ableiten und gleich null setzen (hier nicht vorgeführt, siehe Literatur). Die hier gezeigte Methode nutzt die Eigenschaft aus, dass bei Verdrillung um die natürliche Drillachse (freie Drillung) keine Biegemomente My und Mz entstehen. Das verwendete Bezugssystem ist das Koordinatensystem, das durch den Schwerpunkt des Querschnitts verläuft. In diesem Koordinatensystem besitzt der noch unbekannte Schubmittelpunkt M die Koordinaten yM und zM. Ferner sei die auf eine beliebige Drillachse A bezogene Einheitsverwölbung A bekannt.

Im Abschnitt 4.4.3.2 wurde gezeigt, wie man aus einer bekannten Einheitsverwölbung (mit Bezug auf Achse A) eine Einheitsverwölbung B (mit Bezug auf Achse B) berechnet: B

A

( yB

yA ) z (zB

A

zA ) y

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529

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Für

M

gilt entsprechend:

M

A

( yM

y A ) z ( zM

Die Wölbnormalspannungen betragen:

( s, x )

,M

E

M

( s)

zA ) y

,M

infolge einer Verdrillung um die Schubmittelpunktsachse M

( x)

Bedingung: aus diesen Spannungen resultieren keine Biegemomente.

My

,M

( s, x) z dA

E

( x)

A

M

( s) z dA 0

M

(s) y dA 0

A

Mz

,M

(s, x) y dA E

( x)

A

A

In die Bedingung My = 0 wird die Gleichung zur Bestimmung von

( s) z dA

M A

(

A

( s) ( y M

y A ) z (zM

M

aus

A

eingesetzt:

z A ) y ) z dA

A A

( s) z dA ( y M

A

y z dA 0 A

y z dA I yz erhält man A

A

A

zA)

A

z 2 dA I y und

Mit

z 2 dA ( z M

yA )

( s) z dA ( y M

yA ) I y

( zM

z A ) I yz

0

A

y 2 dA I z in analoger Weise:

Aus der Bedingung Mz = 0 folgt mit A

M A

( s) y dA

(

A

(s) ( y M

y A ) z (zM

z A ) y ) y dA

A A

( s) y dA ( y M

A

A

( s) y dA ( z M

yA )

z y dA ( z M A

zA ) I z

( yM

y A ) I yz

y 2 dA 0

zA) A

0

A

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530

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Die noch verbliebenen Integrale stellen jeweils eine neue Querschnittsgröße dar:

Ry, A

A

(s) z dA

A

( s) y dA

A

Rz , A A

Ry,A und Rz,A werden als Wölbmomente bezeichnet (nicht zu verwechseln mit dem Wölbbimoment M !) Der Index A trägt dem Bezug zur Drillachse A Rechnung, die Einheit ist [cm5].

Die Lage des Schubmittelpunktes M ergibt sich damit aus den beiden Gleichungen

Ry, A

( yM

yA ) I y

Rz , A

(zM

zA) Iz

(zM

z A ) I yz

0 und

( yM

y A ) I yz

0.

Diese beiden Gleichungen bilden zusammen ein lineares Gleichungssystem mit folgender Lösung:

yM

zM

Ry, A I z

I yz Rz , A

Iy Iz R y , A I yz

I yz

2

I y Rz , A

Iy Iz

I yz

2

yA

zA

Falls es sich bei y und z um die Hauptachsen des Querschnitts handelt vereinfacht sich die Lösung wegen Iyz = 0 entsprechend:

yM

zM

Ry, A Iy

Rz , A Iz

yA

zA

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531

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Beispiel: Profil UPE 300

Für ein Profil UPE 300 (parallele Flansche) soll die Lage des Schubmittelpunktes bestimmt werden.

Nach Idealisierung des Querschnitts durch seine Blechmittellinien werden signifikante Querschnittspunkte nummeriert und die lokale Koordinate s definiert. Dabei wird gezielt die Symmetrie des Querschnitts ausgenutzt, indem der Ursprung (Punkt 0) von s auf dem Schnittpunkt des Stegbleches mit der Symmetrieachse platziert wird. Als Drillachse wird die xAchse (durch S) gewählt ( A wird zu S, yA zu yS und zA zu zS, wobei yS = zS = 0).

Bild 4-148: Abmessungen

Bild 4-149: Mittellinienmodell

Bild 4-150: Definition s, + und rt,S

Die benötigten Querschnittswerte werden aus einem Tabellenwerk entnommen:

Iy

7823 cm4

Iz

537 ,7 cm 4

ey

2,887 cm

(Abstand Schwerpunkt zur Stegaußenkante)

Der Normalabstand rt,S beträgt für den Abschnitt    24,12 mm und für den Abschnitt    142,5 mm. Da der Ursprung der lokalen Koordinate s auf der Symmetrieachse liegt ist keine Normierung erforderlich, Einheitsverwölbung S und Grundverwölbung S sind identisch.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

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Punkt 0:

S

(0)

Punkt 1:

S

(1)

Punkt 2:

S

(2)

0 S

(0) rt ,S (0

1)

s(0

1) 0 2,412 14,25 34,37 cm2

(1) rt ,S (1

2)

s(1

2) 34,37 14,25 9,525 170,1 cm2

S

Wegen der Symmetrie des Querschnitts und der Wahl des Ursprungs von s gilt: Punkt 3:

S

(3)

S

(1)

34,37 cm 2

Punkt 4:

S

( 4)

S

( 2)

170 ,1 cm 2

Da im Zuge der weiteren Berechnung die Integrale

S

(s) z dA und

A

S

( s) y dA berech-

A

net werden müssen, werden noch die Verläufe der z- und der y-Koordinate benötigt (siehe Bilder 4-152 und 4-153).

Bild 4-151:

Bild 4-152: z-Verlauf

S-Verlauf

Bild 4-153: y-Verlauf

Nun können Ry,S und Rz,s berechnet werden. Die Integration wird zweckmäßig numerisch, d.h. mit Hilfe von Integraltafeln durchgeführt (siehe z.B. Schneider Bautabellen): z.B. Überlagerung zweier dreieckiger Verläufe  Integrationsfaktor 1/3.

R y ,S

S A

( s) z dA

S

( s) z t ( s) ds

s

1 34,37 170,1 2 34,37 14,25 0,95 14,25 2 14,25 1,5 9,525 3 2 M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

46050 cm5 533

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Die Integration Rz ,S

S

( s) y dA kann man sich ersparen: der

s-Verlauf

ist antimetrisch

A

und der y-Verlauf symmetrisch zur y-Achse. Die Flächen unter der s·y-Kurve sind für positive und negative y-Werte jeweils gleich groß, besitzen aber verschiedene Vorzeichen, weshalb der Wert des Integrals null ist.

Rz , S

S

(s) y dA 0

A

y- und z- Achse sind Hauptachsen, deshalb können die vereinfachten Formeln benutzt werden:

yM

zM

R y ,S Iy

Rz ,S Iz

46050 7823

5,886 cm

0

Der Schubmittelpunkt liegt im Abstand yM = 5,886 cm links vom Schwerpunkt auf der yAchse.

Tabellenwert zum Vergleich: yM = 5,877 cm.

Es liegt eine sehr gute Übereinstimmung vor. Hinweis: Querschnittswerte werden in Tabellenwerken häufig mit Hilfe der Finiten-Elemente-Methode berechnet und nicht nach dem Mittelllinienmodell. Deshalb ergeben sich teilweise geringfügige Abweichungen im Vergleich zur Handrechnung.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

534

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4.4.9

Dünnwandige geschlossene Querschnitte

Im Vergleich zu dünnwandigen offenen Querschnitten sind die Verwölbungen, die dünnwandige geschlossene Querschnitte unter Torsion erleiden, relativ gering. Aus einer geringen Einheitsverwölbung M resultiert ein geringer Wölbwiderstand CM (I ), der wiederum zu einem vergleichsweise kleinen sekundären Torsionsmoment Mx,s führt (vgl. entsprechende Gleichungen). Im Gegensatz ist die Torsionssteifigkeit IT (St.Venant) üblicherweise groß, was zu einem relativ großen primären Torsionsmoment Mx,p führt.

Deshalb ist der Anteil des Torsionsmomentes Mx, der durch Wölbschubspannungen abgetragen wird, vernachlässigbar klein (das gilt für den Fall, dass der Stab um seine Schubmittelpunktsachse tordiert wird). Wölbnormalspannungen treten an der Stelle der Wölbbehinderung lokal stark begrenzt auf und klingen rasch ab (üblicherweise sehr großer Abklingfaktor ).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Wölbkrafttorsion bei dünnwandigen geschlossenen Querschnitten eine untergeordnete Rolle spielt und deshalb in der Regel vernachlässigbar ist.

Es ist aber auf jeden Fall vorteilhaft, über Kenntnisse zur Berechnung der Einheitsverwölbung und der Wölbnormalspannungen zu verfügen, eröffnen einem diese Kenntnisse doch die Möglichkeit, den Schubmittelpunkt eines Querschnittes nach der Wölbmethode zu berechnen.

Wölbnormalspannungen können in analoger Weise wie für offene dünnwandige Querschnitte berechnet werden. Für Wölbschubspannungen gilt das nicht, denn wegen des geschlossenen Querschnitts handelt es sich um ein statisch unbestimmtes Problem (kein definierter Anfangswert für die Integration; bei offenen Profilen wird ausgenutzt, dass die Schubspannung an den Rändern null sein muss). Eine statisch unbestimmte Berechnung, beruhend auf der Voraussetzung, dass es an einem gedanklichen Längsschnitt keine Relativverwölbungen geben darf, wäre zwar denkbar. Es wäre aber inkonsequent, die relevanten Querschnittswerte , I etc. zu verwenden, denn schließlich wurden die Wölbschubspannungen, die ja eigentlich berechnet werden sollen, bei der Herleitung von , I etc. aufgrund ihrer geringen Größe ja gerade vernachlässigt. Für derartige Fragestellungen bieten sich Näherungslösungen an, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen wird, da die Problematik für die Belange des Stahlbaus ohnehin von untergeordneter Bedeutung ist.

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

535

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4.4.10 Wölbkrafttorsion anschaulich

Nach Darstellung der Theorie der Wölbkrafttorsion in allgemeiner Form wird zum Abschluss noch gezeigt, wie man sich die Wirkungsweise der Wölbkrafttorsion anschaulich vorstellen kann. Das gelingt anhand eines Kragträgers mit Doppel-T-Querschnitt.

Bild 4-154: Eingespannter Kragträger mit Einzeltorsionsmoment

Der eingespannte Kragträger wird am freien Stabende durch ein Einzeltorsionsmoment MT belastet. Der Querschnitt kann sich um seine natürliche Drillachse durch den Schubmittelpunkt M verdrillen. Vereinfachend wird die Annahme getroffen, dass das Torsionsmoment MT ausschließlich durch Wölbkrafttorsion Mx,s abgetragen wird (Mx,p = 0).

Das Torsionsmoment MT kann wie jedes Moment als Kräftepaar dargestellt werden. Die Kräfte VFl greifen in Höhe der Flanschmittellinien an und besitzen den Hebelarm h – tFl.

Bild 4-155: Zerlegung des Torsionsmomentes in ein Kräftepaar

VFl

MT h tF l

M x ,s h t Fl

M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

(Annahme reiner Wölbkrafttorsion, Mx,p = 0)

536

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Diese Kräfte erzeugen in den Flanschen Biegemomente Mz,Fl.

Bild 4-156: In den beiden Flanschen gegenläufige Flanschbiegung

An der Einspannstelle beträgt das Biegemoment in den Flanschen jeweils

M z , Fl

VFl l

M x ,s h t Fl

l

Die Flanschmomente führen in Flanschebene zu Verformungen v quer zur Stabachse. Weil diese Verformungen in beiden Flanschen entgegengesetzt verlaufen, bleibt der Querschnitt nicht mehr eben, er verwölbt sich.

Zwischen den Flanschmomenten Mz,Fl und den Verformungen v in Flanschebene besteht der aus der technischen Biegelehre bekannte Zusammenhang (Differentialgleichung der Biegelinie):

M z , Fl

mit

v ( x) E I z , Fl

I z , Fl

t Fl b 3 Flächenträgheitsmoment 2. Grades eines Flansches. 12

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537

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Die Biegeverformung v in Flanschebene (y-Richtung) kann unter Annahme kleiner Verformungen durch die Verdrehung des Stabes um seine x-Achse ausgedrückt werden:

v

h t Fl 2

Bild 4-157: Horizontalverformung v der beiden Flansche

Damit können auch die Flanschschnittgrößen in Abhängigkeit von der Stabverdrehung ausgedrückt werden.

M z , Fl ( x)

V y , Fl ( x)

v ( x) E I z , Fl

M z , Fl ( x)

( x)

( x)

h t Fl E I z , Fl 2

h t Fl E I z , Fl 2

(Flanschbiegemoment)

(Flanschquerkraft)

Das sekundäre Torsionsmoment infolge Wölbkrafttorsion beträgt

M x,s ( x) V y , Fl ( x) (h t Fl )

(h t Fl ) 2 ( x) E I z ,Fl . 2

Die querschnittsabhängigen Größen werden zum Querschnittswert I bzw. CM zusammengefasst:

I

(h t Fl ) 2 I z , Fl 2

(h t Fl ) 2 b 3 t Fl 2 12

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538

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Diese Formel für das Wölbflächenmoment 2. Grades I gilt für Doppel-T-Querschnitte und stellt insofern eine Vereinfachung dar, weil die Walzausrundungen nicht berücksichtigt sind.

Zum Vergleich: Für das Profil HEA 400 aus Abschnitt 4.4.6.2 ist

I

(h t Fl ) 2 b 3 t Fl 2 12

Tabellenwert: I

37,12 30,03 1,9 2 12

2942 10 3 cm6 bzw. I

2.942 .076 cm6 .

2.893 .600 cm 6 , je nach Tabelle und der zu

Grunde liegenden Berechnungsmethode.

Mit dem Wölbflächenmoment 2. Grades I erhält man die Differentialgleichung der (reinen) Wölbkrafttorsion:

M x ,s ( x)

( x) E I

Als weitere Schnittgröße tritt im Rahmen der Wölbkrafttorsion das Wölbbimoment M (Einheit [kNm²] oder [kNcm²] ) auf. Am Beispiel des Doppel-T-Profils kann man sich M als das „Moment der Momente“ in den Flanschen vorstellen, d.h. als das Produkt aus Flanschmoment und Flanschabstand:

M

M z , Fl (h t Fl )

Bild 4-158: Wölbbimoment M als Paar zweier Biegemomente dargestellt

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539

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Unter Verwendung der Formeln für Mz,Fl und I kann M wie folgt geschrieben werden:

h t Fl 2

M

( x)

M

( x) E I

E I z , Fl (h t Fl )

(Man beachte die Analogie zur Differentialgleichung der Biegelinie: M y

Das Wölbbimoment M ist die Resultierende der Wölbnormalspannungen

w ( x) E I y )

.

Bild 4-159: Wölbnormalspannungen

Da der Stab weder durch eine Normalkraft N noch durch Biegemomente My bzw. Mz beansprucht wird, müssen in jedem Schnitt die drei Gleichgewichtsbedingungen

N ( x)

dA 0 A

M y ( x)

z dA 0 A

M z ( x)

y dA 0 A

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540

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erfüllt sein. Das bedeutet, dass das Integral der Wölbnormalspannungen schnittsfläche A in jedem Querschnitt gleich null sein muss. Die Wölbnormalspannungen nungszustand.

Die Wölbnormalspannungen

M I

über die Quer-

bilden einen im inneren Gleichgewicht befindlichen Span-

werden mit der folgenden Formel berechnet.

( y, z )

(Man beachte die Analogie zur Biegetheorie:

My Iy

z)

(y,z) ist die auf den Schubmittelpunkt bezogene, normierte Einheitsverwölbung und beschreibt den Verwölbungszustand für eine Verdrillung ‘(x) = -1,0 [rad/m]. Die Herleitung einer Formel zur Berechnung von für allgemeine Querschnitte erfolgte ausführlich im Abschnitt 4.4.3. Für den vorliegenden Sonderfall des Doppel-T-Querschnitts kann (y,z) wie folgt berechnet werden (Walzrundungen vernachlässigt):

( y, z)

y z

Hinweis: der Bezug auf eine lokale Koordinate s ist hier indirekt in y und z enthalten und nicht gesondert angetragen, rt,M ist für den Steg null und für die Flansche jeweils die positive bzw. negative z-Koordinate der Flanschmittellinie. s ist die y-Koordinate des betrachteten Flanschpunktes.

Bild 4-160: Abmessungen Doppel-T-Profil

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Bild 4-161:Einheitsverwölbung

541

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Punkt

y

1

b 2

2

0

h t Fl 2 h t Fl 2 h t Fl 2

b 2

3

( y, z)

Punkt

y

z

( y, z)

b ( h t Fl ) 4

4

b 2

b (h t Fl ) 4

0

5

0

h t Fl 2 h t Fl 2 h t Fl 2

z

b (h t Fl ) 4

b 2

6

0

b ( h t Fl ) 4

Tabelle 4-15: Berechnung der Einheitsverwölbung

Mit I

(h t Fl ) 2 b 3 t Fl und M 2 12

M z , Fl (h t Fl ) lassen sich die Wölbnormalspannungen

berechnen.

( y, z)

Punkt

b ( h t Fl ) 4 0

1 2

b (h t Fl ) 4

3

6 M z ,Fl 2

b t Fl 0 6 M z ,Fl 2

b t Fl

Punkt

( y, z)

4

b (h t Fl ) 4

5

0

6

b (h t Fl ) 4

6 M z ,Fl b 2 t Fl 0 6 M z , Fl

b 2 t Fl

Tabelle 4-16: Berechnung der Wölbnormalspannungen

Zum Vergleich werden die Spannungen in den Flanschen mit Hilfe der Flanschmomente Mz,Fl berechnet. Die Flansche werden dabei als Rechteckquerschnitte betrachtet. ,max

M z , Fl

6 M z , Fl

Wz , Fl

b 2 t Fl

Diese Betrachtungsweise führt zum gleichen Ergebnis.

Infolge der Flanschquerkräfte Vy,Fl entstehen in den Flanschen Schubspannungen. Es handelt sich um sekundäre Schubspannungen s (Wölbschubspannungen ), die allein aus Wölbkrafttorsion resultieren.

Die sekundären Schubspannungen s

( )

s

werden mit der folgenden Formel berechnet.

M x ,s S I t

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542

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Dem Vorzeichen wird im Rahmen dieses erläuternden Beispiels keine Beachtung geschenkt, auf die Wirkungsrichtung der Schubspannungen kann anhand der Verformungsfigur der Flansche direkt geschlossen werden.

Vz S y

(Man beachte die Analogie zur Biegetheorie:

Iy t

)

Wie im Abschnitt 4.4.4.3 erläutert ist S das Wölbflächenmoment 1. Grades und entspricht dem Integral der Einheitsverwölbung über die Querschnittsfläche, d.h. dem Flächeninhalt unter der -Kurve.

S

( y, z ) dA A

Bild 4-162: Einheitsverwölbung

max S

1 b (h t Fl ) b t Fl 2 4 2

Bild 4-163:Wölbflächenmoment 1. Grades S

b 2 t Fl (h t Fl ) 16

Damit kann die größte sekundäre Schubspannung

s

( )

M x ,s S I t

s

bestimmt werden:

Vy ,Fl (h t F l ) b 2 t Fl (h t Fl ) 2 12 2

3

16 (h t Fl ) b t Fl t Fl

1,5

Vy ,Fl b t Fl

Hätte man jeden Flansch separat als Rechteckquerschnitt betrachtet, der durch die Flanschquerkraft Vy,Fl beansprucht wird, so hätte man für s dasselbe Ergebnis erhalten.

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543

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Fazit: Der Doppel-T-Querschnitt eignet sich gut, um die prinzipielle Wirkungsweise der Wölbkrafttorsion zu verstehen. Da die Abtragung des Torsionsmomentes über die beiden rechteckigen Flansche erfolgt, können die Ergebnisse mithilfe der Biegelehre, die auf die Einzelflansche angewendet wird, nachvollzogen werden.

4.5

Bemessung torsionsbeanspruchter Bauteile nach EC 3

Grundsätzlich ist festzustellen, dass infolge einer Torsionsbeanspruchung im Querschnitt Schubspannungen entstehen. Im Fall der Wölbkrafttorsion treten auch Normalspannungen auf. Deshalb ist stets eine elastische Bemessung mit Hilfe des Fließkriteriums bzw. unter Berechnung einer Vergleichsspannung möglich.

Geregelt ist die Torsionsbeanspruchung in EN 1993-1-1, Abschnitt 6.2.7. Als Formelzeichen für Torsionsmomente wird „T“ verwendet, was den Nachteil hat, dass es leicht zu Verwechslungen mit dem Schubfluss kommt. Um dieser Verwechslungsgefahr zu begegnen spricht aus technischer Sicht nichts dagegen, alternativ die aus der Technischen Mechanik bzw. die aus der Torsionstheorie vertrauten Bezeichnungen zu verwenden Größe Torsionsmoment Primäres Torsionsmoment (St. Venant) Sekundäres Torsionsmoment (Wölbkrafttorsion) Wölbbimoment

Bezeichnung „allgemein“ Mx

Bezeichnung „EC 3“ T

Mx,p

Tt

Mx,s

Tw

M

B

Tabelle 4-17: Bezeichnungen nach EC 3

Nachweisformat:

TEd TRd

1,0

mit: TEd

Tt , Ed

Tw, Ed

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544

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Die Bemessungswerte Tt,Ed und Tw,Ed können mit den entsprechenden Querschnittswerten, den Zwängungsbedingungen an den Auflagern und der Lastverteilung längs des Bauteils mit einer elastischen Berechnung ermittelt werden (also so wie in den vorangegangenen Abschnitten des Umdrucks beschrieben). Beim elastischen Nachweis darf das Fließkriterium verwendet werden, wobei alle Spannungsanteile infolge St. Venantscher Torsion und Wölbkrafttorsion zu berücksichtigen sind.

Bei gleichzeitiger Beanspruchung durch Biegung und Torsion brauchen bei der Ermittlung der plastischen Biegemomentenbeanspruchbarkeit eines Querschnitts als Torsionsschnittgrößen BEd (d.h. M ) nur jene berücksichtigt zu werden, die sich aus der elastischen Berechnung ergeben.

Bei geschlossenen Hohlprofilen darf vereinfachend angenommen werden, dass der Einfluss aus der Wölbkrafttorsion vernachlässigt werden kann. Umgekehrt darf bei offenen Querschnitten wie etwa bei Doppel-T-Profilen der Einfluss der St. Venantschen Torsion vernachlässigt werden.

Der Bemessungswert der Torsionsbeanspruchbarkeit TRd eines geschlossenen Hohlprofils kann aus den Bemessungswerten der Schubtragfähigkeiten der einzelnen Teilstücke des Querschnitts nach EN 1993-1-5 zusammengesetzt werden. Sofern maßgebend ist ggf. der Einfluss des Schubbeulens zu beachten.

Bei kombinierter Beanspruchung aus Querkraft und Torsion ist in der Regel die plastische Querkrafttragfähigkeit Vpl,Rd auf den Wert Vpl,T,Rd abzumindern. Der Nachweis lautet in diesem Fall:

VEd V pl,T , Rd

1,0

Vpl,T,Rd kann wie folgt ermittelt werden:

Doppel-T-Querschnitte

V pl,T , Rd

t , Ed

1 1,25

V pl, Rd

fy 3

M0

U-Querschnitte M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

545

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V pl,T , Rd

t , Ed

1

w, Ed

fy

1,25

3

fy M0

3

V pl, Rd

M0

Hohlprofile

V pl,T , Rd

t , Ed

1

V pl, Rd

fy 3

M0

Beispiel: Beidseitig eingespannter Einfeldträger HEA 200

Ein 6,0 m langer Einfeldträger HEA 200, Stahlgüte S235, ist an beiden Trägerenden biegeund wölbsteif eingespannt. Die Linienlast qEd greift mit 20 mm Exzentrizität zur Stegebene an. Der Stab kann sich frei verdrillen, Drillachse ist demnach die Schubmittelpunktsachse.

qEd mT ,Ed

25,0 kN / m 25,0 0,02

0,50 kNm / m

Bild 4-164: System und Belastung

Bild 4-165: Querschnitt

Gemäß EN 1993-1-1, 6.2.7 (7) darf bei diesem dünnwandigen offenen Profil der Einfluss der St- Venantschen Torsion vernachlässigt werden. M. Mensinger / K. Schwindl – Stand: 07/2008

546

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Unter dieser Annahme reduziert sich die DGL der gemischten Torsion auf die DGL der reinen Wölbkrafttorsion.

E I

mT

mit mT = const.

Diese DGL kann direkt durch Integration gelöst werden:

mT E I mT E I

x C1

mT 2 E I

x 2 C1 x C2

mT 6 E I

x3

mT 24 E I

x4

1 C1 x 2 C2 x C3 2 1 C1 x 3 6

1 C 2 x 2 C3 x C 4 2

Die Koeffizienten C1 bis C4 ergeben sich aus den Randbedingungen (einzelne Rechenschritte werden hier nicht vorgeführt): x = 0: Einspannung:

= 0; ‘ = 0

 C3 = C4 = 0

x = 6,00 m: Einspannung:

= 0; ‘ = 0 -8

-6

 C1 = -6,61376·10 , C2 = -6,61376·10 (nach Lösung eines linearen Gleichungssystems)

Unter Verwendung einer Tabellenkalkulation können die Werte für und die entsprechenden Ableitungen sowie die Schnittgrößen an diskreten Stellen berechnet werden.

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547

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x [m] 0,00 0,30 0,60 0,90 1,20 1,50 1,80 2,10 2,40 2,70 3,00 3,30 3,60 3,90 4,20 4,50 4,80 5,10 5,40 5,70 6,00

' [rad] 0,00000000 0,00268601 0,00964286 0,01935268 0,03047619 0,04185268 0,05250000 0,06161458 0,06857143 0,07292411 0,07440476 0,07292411 0,06857143 0,06161458 0,05250000 0,04185268 0,03047619 0,01935268 0,00964286 0,00268601 0,00000000

''

[rad/cm] 0,00000000 0,00016964 0,00028571 0,00035417 0,00038095 0,00037202 0,00033333 0,00027083 0,00019048 0,00009821 0,00000000 -0,00009821 -0,00019048 -0,00027083 -0,00033333 -0,00037202 -0,00038095 -0,00035417 -0,00028571 -0,00016964 0,00000000

'''

[rad/cm²] 0,00000661 0,00000473 0,00000304 0,00000155 0,00000026 -0,00000083 -0,00000172 -0,00000241 -0,00000291 -0,00000321 -0,00000331 -0,00000321 -0,00000291 -0,00000241 -0,00000172 -0,00000083 0,00000026 0,00000155 0,00000304 0,00000473 0,00000661

[rad/cm³] -0,00000007 -0,00000006 -0,00000005 -0,00000005 -0,00000004 -0,00000003 -0,00000003 -0,00000002 -0,00000001 -0,00000001 0,00000000 0,00000001 0,00000001 0,00000002 0,00000003 0,00000003 0,00000004 0,00000005 0,00000005 0,00000006 0,00000007

Mx,p

Mx,s

Mx

M

[kNcm] 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00

[kNcm] 150,00 135,00 120,00 105,00 90,00 75,00 60,00 45,00 30,00 15,00 0,00 -15,00 -30,00 -45,00 -60,00 -75,00 -90,00 -105,00 -120,00 -135,00 -150,00

[kNcm] 150,00 135,00 120,00 105,00 90,00 75,00 60,00 45,00 30,00 15,00 0,00 -15,00 -30,00 -45,00 -60,00 -75,00 -90,00 -105,00 -120,00 -135,00 -150,00

[kNcm²] -15000,00 -10725,00 -6900,00 -3525,00 -600,00 1875,00 3900,00 5475,00 6600,00 7275,00 7500,00 7275,00 6600,00 5475,00 3900,00 1875,00 -600,00 -3525,00 -6900,00 -10725,00 -15000,00

Tabelle 4-18: Berechnungsergebnisse

Zur Information werden die Schnittgrößen, die unter Vernachlässigung der St. Venantschen Torsion berechnet worden sind, in Diagrammform mit den exakten Werten verglichen. Rote Linie: exakt (gemischte Torsion) Blaue Linie: Näherung (nur Wölbkrafttorsion).

Mx,p [kNcm] 50,0 40,0 30,0 20,0 10,0

exakt

0,0 -10,0 0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

7,00

Näherung

-20,0

-30,0 -40,0 -50,0

Schnitt x [m]

Bild 4-166: Primäres Torsionsmoment M x,p

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548

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Mx,s [kNcm] 200,0 150,0 100,0 50,0

exakt

0,0 -50,0 0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

5,00

6,00

7,00

6,00

7,00

Näherung

-100,0

-150,0 -200,0

Schnitt x [m]

Bild 4-167: Sekundäres Torsionsmoment M x,s

M [kNcm²] 10000 5000 0 0,00

1,00

2,00

3,00

4,00

-5000

5,00

exakt Näherung

-10000 -15000

-20000

Schnitt x [m]

Bild 4-168: Wölbbimoment M

Wie man erkennt erfolgt die Lastabtragung an den Einspannstellen nur durch Wölbkrafttorsion. Die Näherung nach EC 3 entspricht an dieser maßgebenden Stelle dem exakten Wert. Ansonsten verläuft das sekundäre Torsionsmoment Mx,s linear. Das muss so sein, denn ohne St. Venantsche Torsion kann nur das sekundäre Torsionsmoment Mx,s dem äußeren Streckentorsionsmoment mT das Gleichgewicht an einem infinitesimal kleinen Element halten. mT ist konstant und deshalb ist Mx,s linear veränderlich. Das Wölbbimoment M wird mit der Näherung auf der sicheren Seite liegend überschätzt.

Die Bemessung erfolgt mit den Näherungswerten, wie gemäß EC3 erlaubt. Maßgebend für die Bemessung sind die Einspannstellen.

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549

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Biegung:

q Ed l 2 12

M y , Ed

25,0 6,0 2 12

M y , Ed



75,0 kNm

x , Ed

Wy

7500 389

19,3 kN / cm²

Querkraft:

q Ed l 2

Vz , Ed mit Aw

25,0 6,0 2

hw t w

Vz , Ed



75,0 kN

Ed

Aw

75,0 11,05

6,79 kN / cm²

(19,0 2 1,0) 0,65 11,05 cm²

Wölbkrafttorsion:

M

15000 kNcm2



M , Ed

, Ed

I

15000 90,0 108000

12,5 kN / cm²

Hinweis: maßgebend ist der Größtwert an den Flanschecken. Die Einheitsverwölbung und damit die Wölbnormalspannung besitzt an gegenüberliegenden Flanschecken ein unterschiedliches Vorzeichen. Für die Bemessung ist nur der Betrag interessant, da auch die Biegenormalspannung an den beiden Flanschen ein unterschiedliches Vorzeichen besitzt. An einer Stelle treffen also stets die größten Spannungen aufeinander, so dass hier nur der Betrag interessiert. Die Werte I und wurden einem Tabellenwerk entnommen.

M x ,s

150 ,0 kNcm



( )

M x,s S I

t

S ist in den meisten Tabellenwerken nicht enthalten und muss berechnet werden: Es ist nur der maximale Wert in der Mitte der Flansche von Interesse.

Bild 4-169: Einheitsverwölbung

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Bild 4-170: Wölbflächenmoment 1. Grades S

550

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S

dA

, max

t ds

A

, Ed

s

( )

M x ,s S I

1 90,0 1,0 10,0 450 cm4 2

150 ,0 450 108000 1,0

t

0,625 kN / cm²

Hinweis: Man sieht, dass die Wölbschubspannungen wirklich sehr klein sind, wie im Zuge der Herleitung der Berechnungsformeln vorausgesetzt.

Spannungsnachweis: x , Ed , ges .

x , Ed

, Ed

19,3 12,5 31,8 kN / cm²

Man erkennt sofort, dass der Nachweis für ein Profil in der Stahlgüte S235 nach dem Verfahren Elastisch - Elastisch nicht erbracht werden kann (fyd =23,5 kN/cm²). Die Anwendung des Fließkriteriums erübrigt sich damit.

Lösung: Nachweis nach dem Verfahren Elastisch – Plastisch. Gemäß EN 1993-1-1, 6.2.7 (6) ist bei der Ermittlung der Biegebeanspruchbarkeit unter Berücksichtigung der Torsion nur jene Torsionsschnittgröße BEd (d.h. M ,Ed) zu berücksichtigen, die sich nach elastischer Berechnung ergibt.

BEd

M

15000 kNcm2

, Ed

Das Wölbbimoment ist im Fall eines Doppel-T-Profils das „Moment der Momente“ und lässt sich durch Division durch den Flanschabstand h‘ in zwei gegenläufige Flanschmomente Mz,Fl zerlegen.

M z , Fl, Ed

M

, Ed

h'

15000 18,0

833 kNcm

Die Flanschmomente werden von Spannungsblöcken an den Randbereichen des jeweiligen Flansches abgetragen (vgl. Kapitel Elastisch – Plastisch: größter innerer Hebelarm für MzMomente).

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551

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Bild 4-171: Teilflächen des Querschnitts zur Abtragung des Wölbbimomentes M

!

M z , Fl, Ed t f a (b a) f yd

1,0 a (20,0 a) 23,5 833 kNcm

Die Lösung dieser quadratischen Gleichung lautet:

20,0

a

20,0 2 4 1,0 35,5 2 1,0

18,0 cm / 1,97 cm

Die zweite Lösung ist die richtige.

Kontrolle:

M z , Fl, Ed t f a (b a) f yd

1,0 1,97 (20,0 1,97 ) 23,5 835

833 kNcm

Zur Aufnahme des Biegemomentes My,Ed steht nun nicht mehr die gesamte Flanschbreite zur Verfügung, sondern nur noch

b' 20,0 2 1,97 16,06 cm .

Damit beträgt das reduzierte plastische Moment

MM

, y , Rd

(2 S y

2 a t f h' ) f yd

(2 215 2 1,97 1,0 18,0) 23,5 / 100

84,4 kNm

Nachweis Biegung:

M y , Ed MM

, y , Rd

75,0 84,4

0,89 1,0

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Nachweis Querkraft:

Av

A 2 b tf

V pl, z , Rd

Vz ,Ed V pl, z ,Rd

(t w

Av f yd

18,05 23,5 3

3

75,0 245

2 r) t f

53,8 2 20,0 1,0 (0,65 2 1,8) 1,0 18,05 cm²

245 kN

0,31 1,0 0,5

 keine Interaktion gemäß EN 1993-1-1, 6.2.8 (2) erforderlich.

Nachweis der Interaktion Biegung - „Wölbquerkraft“ in den Flanschen Schließlich ist noch der Einfluss der Wölbschubspannungen Tragfähigkeit zu berücksichtigen.

in den Flanschen auf die

Resultierende „Wölbquerkraft“ in jedem Flansch:

V y , Fl, Ed

2 b tf t 3

V pl, y , Fl, Rd

b tf

V y , Fl, Ed

8,33 271

V pl, y , Fl, Rd

, Ed

f yd 3

2 20,0 1,0 0,625 8,33 kN 3

20,0 1,0

23,5 3

271 kN

0,03 1,0 0,5

 keine Interaktion gemäß EN 1993-1-1, 6.2.8 (2) erforderlich.

Damit ist der Nachweis der Tragfähigkeit nach dem Verfahren Elastisch – Plastisch erbracht.

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4.6

Ergänzende Hinweise und Informationen

In den vorangegangenen Abschnitten wurde versucht, einen möglichst umfassenden Eindruck von der Torsionstheorie zu vermitteln. Der Themenkomplex ist aber derart umfangreich, dass noch vieles zu sagen wäre, auf das aus Zeitgründen im Rahmen des Grundkurses Metallbau nicht eingegangen werden kann. Für weiterführende Informationen wird auf die Fachliteratur verwiesen, wobei die Lektüre stets mit Bedacht erfolgen sollte, da wie erwähnt viele anders lautende Bezeichnungen für ein und dieselbe Größe verwendet werden und sogar viele Größen mit unterschiedlichen Vorzeichen verwendet werden. Hier kommt es weniger auf die strikte Verwendung der einen oder der anderen Formelzeichen an, als vielmehr auf ein ganzheitliches Verständnis der Theorie. Welche Bezeichnungen letztendlich verwendet werden spielt dabei eine untergeordnete Rolle.

Hilfreiche Literatur: Petersen: Stahlbau, Verlag Vieweg & Sohn, 1990 Francke, Friemann: Schub und Torsion in geraden Stäben, Verlag Vieweg & Sohn, 2005 Roik, Carl, Lindner: Biegetorsionsprobleme gerader dünnwandiger Stäbe, Verlag Ernst & Sohn,1972 Kohlbrunner, Basler: Torsion, Springer-Verlag, 1966 Zeitschrift „Stahlbau“, Verlag Ernst und Sohn; diverse Artikel in regelmäßigen Abständen Skripte anderer Hochschulen

Abschließend wird noch kurz auf drei interessante und wichtige Themen eingegangen, die im Rahmen der Vorlesung aus Zeitgründen nicht behandelt werden können.

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4.6.1

Lösung von Aufgaben zur Wölbkrafttorsion mit Hilfe der Zugstabanalogie

Ähnlich wie die Verteilung der primären Torsionsmomente eines Stabes mit wölbfreiem Querschnitt mit Hilfe der Querkraftanalogie bestimmt werden kann, besteht hinsichtlich der Form des Aussehens der DGL der gemischten Torsion eine Ähnlichkeit mit der DGL eines Biegeträgers, der gleichzeitig durch eine Zugkraft beansprucht wird (kurz: Zugstabanalogie).

DGL der gemischten Torsion:

E I

G IT

mT

DGL des biegebeanspruchten Zugstabes:

E Iy w

N w

qz

Während die Wölbkrafttorsion in nur wenigen Stabwerksprogrammen implementiert ist, sind selbst relativ preiswerte Stabwerksprogramme in der Lage, einen durch Biegung und Zugkraft beanspruchten Balken nach Theorie II. Ordnung zu berechnen. Unter Ausnutzung der Analogie der Differentialgleichungen beider Probleme kann man elegant Aufgaben zur Wölbkrafttorsion mit Programmen lösen, die dafür eigentlich gar nicht programmiert worden sind.

Eine Beschreibung der Vorgehensweise ist z.B. in der Fachzeitschrift „Stahlbau“, Jahrgang 2002, Heft 5, S. 367 ff. zu finden.

Ohne weitere Erläuterung werden ergänzend die betreffenden Seiten aus de ehemaligen Stahlbauskript von Professor Albrecht an dieser Stelle zur Verfügung gestellt. Man beachte ggf. die Unterschiede bei den Formelzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck.

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4.6.2

Profilverformung und Schottbemessung

Viele Berechnungsmodelle und Theorien beruhen auf der Forderung, dass die Querschnittsform erhalten bleibt. Diesem Gesichtspunkt ist in der Praxis besondere Beachtung zu schenken. Durch die regelmäßige Anordnung von Querverbänden und Schotten in nicht zu großen Abständen kann sichergestellt werden, dass die Form des Querschnitts erhalten bleibt.

Diese Thematik ist wichtig und wird Gegenstand der Vertiefungsvorlesung sein. Im Grundkurs Metallbau kann sie aus Zeitgründen nicht ausführlich behandelt werden. Da sie dem Wesen nach zum Themengebiet der Torsion gehört, werden die betreffenden Seiten aus dem ehemaligen Stahlbauskript von Professor Albrecht als ergänzende Information zum Selbststudium an dieser Stelle abgedruckt. Man beachte ggf. die Unterschiede bei den Formelzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck.

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4.6.3

Zwangsdrillachse und Einfluss der sekundären Schubverformung

Wie erläutert ist jeder Stab bestrebt, sich nach dem Prinzip des Energieminimums um die Achse durch den Schubmittelpunkt zu verdrillen. Das ist nur möglich, wenn angrenzende Konstruktionen diesem Bestreben nicht entgegenstehen. Andernfalls gibt es eine sogenannte Zwangsdrillachse, um die sich der Stab verdreht. Diesbezüglich werden die betreffenden Seiten aus dem ehemaligen Stahlbauskript von Professor Albrecht abgedruckt. Man beachte ggf. die Unterschiede bei den Formelzeichen im Vergleich zum aktuellen Umdruck. Details und Erläuterungen sind der Fachliteratur zu entnehmen. Desweiteren sind noch Seiten abgedruckt, die Ausführungen zum Einfluss sekundärer Schubverformungen enthalten.

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